1 cg 91/14x—52 das landesgericht korneuburg als...
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DELAGE./
(Se:gese1lt; 23. 112015 1i;341
— 21110 1orniuburg, Landcsgcricht.spbtL 1TU. +43( 11)2262 799-733Fax. ±43 (0)2262 799-900
REPUBLIK ÖSTERREICHLindesgcrlchL Korneuburg hi iI1n En2jhn inflihren:
als Handeisgericht
1 Cg 91/14x—52
Das Landesgericht Korneuburg als Handeisgericht
fasst durch den Richter Mag Werner Jarec in der
Rechtsaache der klagenden Partei AtMIRAL Casinos &
Entertainment AG, Wiener Straße 158, 2352
Gumpoldskirchen, vertreten durch Ebert Huber Swoboda
Dswald & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die
beklagte partei
vertreten durch
Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung (Streitwert
EUR 34.900,00) und Urteilaveröffentlichung fEUR 100,00),
den
SE SCHI4USS
Ä.) Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden
gemäß Art 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung
vorgelegt:
1. Steht Art 56 AEUV einer nationalen Regelung ent
gegen, wonach ein Bewerber um eine Bewilligung zur Veran
staltung von Ausspielungen mit Glücksspielautomaten, der
diese von der Verwaltungsbehörde nach einer Interessen—
tensuche erhalten hat, diese infolge eines Rechtsmittels
eines Mitbewerbers von einem Gericht wegen fehlender
Transparenz des Vergabeverfahrens wieder aberkannt worden
ist, ungeachtet der Aufhebung der Bewilligung weitere
18 Monate berechtigt und verpflichtet ist, Äusspielungen
durch Veranstaltung von Äutomatenglücksspiel durchzufüh
ren?
2. Ist Art 11 Abs 1 fit a der Richtlinie 2005/29/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.05.2005
über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen
Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern
dahin auszu1een, dass die Richtlinie auf einen im natio
nalen Recht verankerten Unterlassungs— und Urteilsveröf—
fentlichungsanspruch eines Unternehmers gegen einen ande
ren Unternehmer anzuwenden ist, wenn beide Unternehmer
Glücksspiele veranstalten?
3. Ist die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 11.05.2005 über unlautere
Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsver
kehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern, insbesondere,
deren Erwägungsgründe 6 und 8, dahin auszulegen, dass sie
einer nationalen Regelung entgegensteht, die einen Unter—
lassungs— und Urteilsveröffentlichungsanspruch auch einem
Unternehmer zugesteht, dessen Bewilligung zur Veranstal
tung von Glücksspielen durch ein gerichtliches Erkenntnis
wegen Verstoßes gegen das aus Art 56 ARUV abgeleitete
Transparenzgebot aufgehoben wurde?
4. Setzt die Anwendung des Art 56 AEUV bei der Beur
teilung der Uriionsrechtswidrigkeit von nationalen Rege
lungen im Glückespielsektor in einem grenzüberschreiten
den Sachverhalt voraus, dass der Unternehmer, der unter
Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit in einem anderen
Staat Glücksspiels veranstaltet, eine Bewilligung zur
Veranstaltung von Glücksspielen in seinem Heimatstaat
aufweist?
5. Setzt die Berufung eines Unternehmers auf
Prt 56 AEUV voraus, dass er eine Bewilligung zur Veran
staltung von Glücksspielen in seinem Heimatstaat auf
weist?
—3—
6. Stehen Art 56 AEUV und Art 47 GRC nationalen
Regelungen entgegen, wonach die zur Beurteilung der Tat—
sachenfrage, ob eine nationale Regelung des Glücksspiel—
wesens in kohärenter und systematischer Weise die Gele
genheiten zum Spiel verringert oder die mit diesen Spie
len verbundene Kriminalität bekämpft, nicht durch ein
einziges Gericht in einem Jormenkontro1lverfahren, son
dern in jedem einzelnen unter Berufung auf lauterkeits—
rechtliche Unterlassungs- und Urteilsveröffentlichungsan
sprüche anhängigen Verfahren sowie in jedem einzelnen
Verwaltungsverfahren zu lösen ist und dadurch unter
schiedliche rechtliche Beurteilungen der Sachverhaltsfe—
stellungen nicht vermieden werden können?
7. Steht Art 56 ÄEUV nationalen Regelungen entgegen,
nach denen Videciotterieterminals, Automaten in Spielban
ken, Äutomatensalons und Wettterminals nach den Kriterien
Spielerschutz, Mindestkapitalanforderungen, Jugendschutz,
Geldwäscherei- und Terrorismusbekämpfung und Zulassung
von Unternehmern aus anderen f4itgliedstaaten unterschied
liche Regelungen aufweisen, insbesondere wenn Automaten—
glücksspiel in 4 von 9 Bundesländern verboten und in 5
von 9 Bundesländern erlaubt ist?
8. Steht Art 56 AEUV nationalen Regelungen entgegen,
wonach die Bewilligung zur Veranstaltung von Automaten—
glücksspielen nur Unternehmen erteilt werden kann, die in
Form einer Kapitalgesellschaft organisiert sind, die
einen Aufsichtsrat aufweisen?
E.) Das Verfahren wird bis zum Einlangen der Vor—
abentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union
gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.
——
Begründung
1. Zum Äusgansverfaliren:
Folgender Sachverhalt ist unstreitig, er ist mit.
demenigert vergleichbar, der Gegenstand des Vorabent—
scheidungsersuchens des Landesgerichtes Wiener Neustadt
vom 26.08.2015 war, über das der Gerichtshof der Europäi
schen Union (EuGH) mit. Urteil vom 30.06.2016 in der
Rechtssache C—464/15, Admiral Casiros & EnterCainment AG,
für Recht erkannte.
Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Einbringung der
Klage Inhaberin der einzigen Bewilligung für die Durch
führung von Glücksspielen in Form der Äusspielung mittels
Automaten in Niederösterreich auf Basis des Niederöster—
reichischen (NÖ) Spielautomatengesetzes 2011; sie verfügt
über Glücksspielautomatensalons, u.a. an den Standorten
Korneuburg und Stockerau.
Mit Erkenntnis vom 11.05.2015 hob der Verwaltungsge—
richtshof (VwGE) die der Klägerin mit Bescheid der Nö
Landesregierung erteilte Bewilligung von Landesausspie—
lungen mit Glücksspielautomaten auf, weil die Verwal
tungsbehörde, die NÖ Landesregierung, in ihrem Verfahren
gegen das Transparenzgebct verstoßen habe.
Der Beklagte betreibt eine ENI—Tankstelle samt ange
schlossenen Verkaufsshop am Standort
Mit Mietvertrag vom 07.05.2014 über
ließ der Beklagte der mit Sitz in Bra—
tislava (Slowakei) einen Nebenraum des Tankstellenbe—
reichs im Ausmaß von circa 10 m2 zu einem monatlichem
Entgelt von EUR 2.400,00. Der Beklagte vereinbarte mit
der ‚ dass der Raum ausschließlich zu
Gewerbezwecken, und zwar zur Aufstellung von Verkaufsau
tomaten verwendet werden dürfe. Es obliege auch dem 1ie—
—5—
ter, allenfalls erforderliche hehördliche Bewilligungen
zur Erreichung des vereinbarten Verwendungszwecks auf
eigene Kosten selbst zu erwirken. Dem Beklagten als Ver
mieter treffe keine Haftung hinsichtlich derartiger
Bewilligungen. In diesem Raum stehen nicht nur Getränke-
automaten, sondern 2 Glücksapielautomaten. Die Entschei
dung über das Spielergebnis erfolgt ausschlieBlich oder
vorwiegend durch Zufall und ohne Möglichkeit, durch
Geschicklichkeit in das Spiel einzugreifen und die Ent
scheidung über Gewinn und Verlust zu beeinflussen. Es
steht nicht fest, ob die Entscheidung über das Spieler—
gebnis zentralseitig oder durch eine mechanische oder
elektronische Vorrichtung im Glücksspielautomaten selbst
erfolgt. Der Beklagte verfügt über keine Konzession zur
Durchführung von Glücksspielen oder Bewilligung für den
Betrieb von Glücksspielautomaten.
Die Klägerin begehrt, den Beklagten zu verpflichten,
es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, Geräte für
die Durchführung von Glücksspielen in Form der Äusspie
lung zu betreiben oder einem Dritten den Betrieb von
Geräten für die Durchführung von Glücksspielen in Form
der Ausspielung zu ermöglichen, sowie die Veröffentli
chung dieses Urteils. Die Klägerin bringt vor, dass der
Beklagte verbotene Äusspielungen unternehmerisoh zugäng
lich macht und sich als Unternehmer daran beteilige. Es
liege eine unlautere Geschäftspraktik nach § 1 UWG vor.
Der Beklagte könne sich nicht auf die Unionsrechtswidrig
keit der nationalen Vorschriften berufen, weil die
Betreiberin in ihrem Heimatst.aat über
keine Bewilligung verfüge, überdies liege ein reiner
Inlandssachverhalt vor.
Der Beklagte bestreitet das Klagebegehren und wendet
ein, dass die nationalen Regelungen des Glücksspielwesens
—6—
mit dem Unionsrecht unvereinbar seien, weil sie die
Erwerbsfreiheit in unzulässiger Weise einschränken wür
den. Durch die ex tunc—Äufhebung habe die Klägerin nie
eine Bewilligung für die Durchführung von Glücksspielen
in Form von Äusspielungen gehabt.
II. Zum nationalen Recht:
Im Folgenden werden die vom Gericht anzuwendenden
nationalen Vorschriften auszugsweise zitiert:
Ä.) Bundes—Verfassungsgesetz tB—VG), Bundesgesetz—
blatt (BGB1) Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch BGB1 1
Nr. 2/2008:
Art 2 Abs 1: Österreich ist ein Bundesstaat.
Abs 2: Der Bundesstaat wird gebildet aus den selbständigen Län
dern: Burgenland, Kärnten, fliederösterreich, Oberösterreich, Salz
burg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg, Wien.
Art 10 Abs 1: Bundessache ist die Gesetzgebung und die Vollzie
hung in folgenden Angelegenheiten:
Z 4: Bundesfinanzen, insbesondere öffentliche Abgaben, die aus
schließlich oder teilweise für den Bund einzuheben sind; Nonopolwe—
san;
Art 15 Abs 1: Soweit eine Angelegenheit nicht ausdrücklich
durch die Bundesverfassung der Gesetzgebung oder auch der Vollziehung
des Bundes übertragen ist, verbleibt sie im selbständigen Wirkungsbe
reich der Länder.
B.) Bundesgesetz vom 26.11. zur Regelung des
Glücksspielwesens (Glücksspielgesetz — GSpG), BGB1
Nr. 620/1989, zuletzt geändert durch BGB1 1 Nr. 118/2015:
—.—
§ 2 Ausspielungen:
Abs 3: Eine Ausspielung mit Glücksepielautomaten liegt vor,
wenn die Entscheidung über des Spieiergebnis nicht zentralseitig,
sondern durch eine mechanische oder elektronische Vorrichtung im
Glückaspielautomaten selbst erfolgt.
§ 3 Glücksspielmonopol:
Das Recht zur Durchführung von Glücksspielen ist, soweit in
diesem Bundesgesetz nichts anderes bestirmit wird, dem Bund vorbehal
ten CGlücksspielmonopol)
§ 5 Landesausspielungen mit Glücksspielautometen:
Abs 1; Landesausspielungen mit Glückespielautomaten sind Aus—
spielungen nach § 2 Abs 3 an ortsfesten, öffentlich zugänglichen
Betriebsstätten unter Einhaltung ordnungapolitischer Mindestanforde
rungen an Bewilligungswerber (Abs 2) sowie besonderer Begleitmaßnah—
men der Spielsuchtvorbeugung (Abs 3 bis 5), der Geldwäschevorbeugung
(Abs 6) und der Aufsicht (Abs 7)
Z 1: in Automatensalon mit mindestens 10 oder höchstens 50
Spielautomaten oder
Z 2: in Einzelaufsuellung mit höchstens 3 Glücksspielautornaten.
Abs 2: Ordnungspolitische Anfcrderur.gen an Bewilligungswerber
bzw. —inhaber, sind zumindest
Z 1: eine Kapitalgesellschaft mit Aufsichtsrat
Z 3: der Nachweis eines eingezahlten Stamm— oder Grundkapitals
von zumindest EUR 8.000,00 je betziebsberechtigon Glücksapialautoma—
ten.
§ 14 Qbertragung bestimmter Lotterien — Konzession:
—6—
Abs 2: Eine Konzession nach Abs 1 darf nur einem Konzessions—
werber erteilt werden, wenn
Z 1: das Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesell
schaft mit Aufsichtsrat geführt wfrd und sein Sitz nach Maßgabe des
Abs 3 in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem
Staat des Europäischen Wirtschaftsraums liegt und die Abwicklung des
Spielbetriebs in einer Form erfolgt, die eine effektive und umfas
sende ordnunqspolitische Aufsicht nach dem Bundesgesetz erlaubt;
1 3: die <apitalgesellschaft über ein eingezahltes Stas‘in— oder
Grundkapital von mindestens 109 Millionen Euro verfügt,
Abs 3 Die Errichtung einer inländischen Kapitalgesellschaft
zur Ausübung der Konzession ist nicht erforderlich, wenn die auslän
dische Kapitalgesellschaft in ihrem Sitzstaat eine vergleichbare Lot—
terien—Konzession verfügt oder einer vergleichbaren staatlichen
Giücksspielaufsicht unterliegt, die im Sinne des § 19 der österrei
chischen Aufsicht erforderlichenfalls Kontrollausktinfte übermittelt
und für sie Kontrolimsßnahraan vor Ort durchführt (behördliche Auf
sichtskette). Können diese Voraussetzungen nachgewiesen werden, ist
die Ausübung der Konzession durch eine bloße Niederlassung in Öster
reich zulässig
§ 21 Spielbanken — Konzessicn
Abs 2 Eine Konzession nach Abs 1 darf nur einem Konzessjonswer
ber erteilt werden, wenn
Z 1: des Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesell
schaft mit Aufsichtsrat geführt wird und sein Sitz nach 1aßgabe des
Abs 3 in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem
Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes liegt und die Abwicklung des
Spicibetriebes in einer Form erfolgt, die eine effektive und umfas—
—9—
sende ordnungspolitische Aufsicht nach diesem Bundesgesetz erlaubt.
Z 3: die Kapitalgesellschaft über ein eingezahltes Stamm— oder
Grundkapital von mindestens 22 lil1ionen Euro verfügt,
Abs 3: Die Errichtung einer inländischen Kapitalgesellschaft
zur Ausübung der Konzession ist nicht erforderlich, wenn die auslän
dische Kapitalgesellschaft in ihrem Sitzstaat über eine vergleichbare
Spielbank—Konzession verfügt oder einer vergleichbaren staatlichen
Glückaspielaufsicht unterliegt, die im Sinne des § 31 der österrei
chischen Aufsicht erforderlichenfalls Kontrollauskünfte übermittelt
und für sie Kontrollmaßnahmen vor Ort durchführt (behördliche Auf—
sichtskette) . Können diese Voraussetzungen nachgewiesen werden, ist
die Ausübung der Konzession durch eine bloße Niederlassung in ster
reich zulässig.
C.) Niederösterreichisches Spielautomatengesetz
2011, Laridesgesezzbiatt (LGB1) 7071/3:
§ 3 Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten:
Abs l Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten im Sinne
dieses Gesetzes sind Äusspielungen nach § 2 Abs 3 GSpG in ortsfesten,
öffentlich zugänglichen Automatensalons mit mindestens 10 und höchs
tens 50 Glücksapielautomatan.
Abs 2: Äusspielungen mit Glücksspielautomaten nach
§ 2 Abs 3 GSpG liegen vor, wenn die Entscheidung über das Spielergeb—
nis nicht zentralseitig, sondern durch eine mechanische oder elektro
nische Vorrichtung im Glücksspielautomaten selbst erfolgt.
Abs 3: Das Verhältnis von einem Glücksspielautomaten pro 1.200
Einwohner Niederösterreich darf insgesamt nicht überschritten werden.
§ 4 Anforderungen für den Betrieb von Glücksspielautomaten:
— 10 —
Abs 2: Ordnungspolitische Anforderungen:
Z 1: Der Betrieb ist durch eine Kapitalgesellschaft mit Auf
sichtsrat vorzunehmen, deren Sitz zur Sicherstellung einer ordnungs—
politischen Aufsicht über die Orgenbeschlüsse in einem tlitgliedstaat
der Europäischen Union oder in einem Staat des europäischen Wirt
schaftsraumes liegt.
Z 3: Es ist der Nachweis eines eingezahlten Stamm— oder Grund-
kapitals von € 8.000,— je betriebsberechtigtem Giücksspielautornaten
und der rechtmäßigen Nitcelherkunft in geeigneter Weise und einer
Sicherstellung mit einem Hafcungsbetrag von 20 % des Nindeststamm—
oder Mindestgrundkaoitals zu erbringen.
5 Bewilligungen von Landesausspielungen mit Glücksspielauto—
maten:
Abs 1: Es dUrfen von der Landesregierung höchstens 3 Bewilii—
gungen ftlr die Dauer von höchstens 15 Jahren erteilt werden.
Abs 2: Die erstmalige Erteilung dat Bewilligungen erfolgt nach
vorheriger öffentlicher Interessentensuche, welche den Grundsätzen
der Transparenz und der Nichtdiskriminierung zu entsprechen hat.
Abs 4: Die Bewilligungsinhaberin oder der Bewilligungsinhaber
ist verpflichtet, die erteilte Bewilligung dauernd auszuüben
(Betriebspfiicht)
Abs 6: Bei Verzicht auf die Bewilligung von Landesausspielungen
mit Glückespielautomaten oder bei nachträglichem Wegfall der Bewilli
gung hat der Bewilligungsinhaber oder die Bewilligungsinhaberin die
Bewilligung während einer Dauer von 18 Monaten weiter auszuüben. Die
Frist kann auf Antrag von der Landesregierung verkürzt werden.
D.) Niederösterreichisches Gesetz über die Tätigkeit
der Totalisateure und Buchmacher, LGB1 7030—3:
— 11 —
§ 1 Bewilligungspflicht:
Wer Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen gewerbemätig
vermittelt (Totalisateur) oder gewerbsmäßig absohuieBt (Buchmacher)
bedarf hiezu der Bewilligung der Landesregierung.
§ 2 Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung:
Abs 1: Eine Bewilligung im Sinne des § 1 ist zu erteilen, wenn
der Bewerber, bei juristischen Personen der vorgesehene Geschäftsfüh
rer oder Pachter, verlässlich und eigenbarechtigt ist.
Abs 2: Für die Bewilligungen im Sinne des § 3 lit a ist die
gleichzeitig mit dem Ansuchen beizuhringende Zustimmung des Veran—
stalters erforderlich.
Abs 3: Vor Erteilung einer Bewilligung ist der Kammer der
gewerblichen Wirtschaft für Niederösterreich und der Gemeinde des
Standortes Gelegenheit zur Äuferung zu geben.
E.) Bundesgesetz gegen den unlauteren Vettbewerb
1984 — UWG, BGB1 Nr. 448/1984, zuletzt. geändert durch
BGB1 1 Nr. 49/2015:
§ 1 (1) Wer im geschäftlichen Verkehr
Z 1 eine unlautere Geschäftspraktik oder sonstige unlautere
Kandlung anwendet, die geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von
Unternehmen nicht nur unerheblich zu beeinflussen, oder
Z 2 eine unlautere Geschäftsprektik anwendet, die den Erforder
nissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht und in Bezug auf das
jeweilige Produkt geeignet ist, das wirtschaftliche Verhalten des
Durchschnittsverbrouchers, den sie erreicht oder an den sie sich
richtet, wesentlich zu beeinflussen,
kann auf Unterlassung und bei Verschulden auf Schadenersatz in
Anspruch genommen werden.
— 12 —
III. Zu den Vor1agerauen:
Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass ein grenz—
überschreitender Sachverhalt vorliegt. Die -
übt unternehmerische Tätigkeit in einem
anderen Staat als ihrem Heimatstaat aus1 der Beklagte
vermietet Verkaufsflächen an einen Mieter, der den Sitz
in einem anderen Mitgliedstaat hat. Die Zuständigkeit des
EuGH liegt daher vor.
Zu Frage 1:
Die Klägerin leitet ihre Berechtigung zur Veranstal
tung von Glücksspielen daraus ab, dass ihr dazu die
Bewilligung der NÖ Landesregierung erteilt wurde. Diese
wurde zwar vom VwGH aufgehoben, § 5 Äbs 6 GSpG berechtige
und verpflichte sie aber, Äusspielungen mit Glücksspiel-
automaten weiterhin auszuüben. Der Beklagte hält das für
verfassungswidrig.
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 08.09.2010 in der
Rechtssache C-46/0B, Carmen Media Group, ausgeführt, dass
ein Verfahren zur behördlichen Bewilligung von Glückss
pielen nur dann dem freien Dienstleistungsverkehr ent
spricht, wenn es auf objektiven, nicht diskriminierenden
und im Voraus bekannten Kriterien beruht, die der Ermes—
sensausübung durch die nationalen Behörden Grenzen set
zen, damit diese nicht willkürlich erfolgen kann (Rn 90)
Im Urteil vom 13.09.2007 in der Rechtssache C—260/04,
Kommission/Italien, bezeichnete der EuGH dies als Ver
pflichtung zur Transparenz (Rr. 24) - Eine nähere Präzisie
rung nahm der EuGH im Urteil vom 19.07.2012 in der
Rechtssache C—470/11, Garkalns, vor (Rn 48) Wenn nun in
einem gerichtlichen Verfahren erkannt wurde, dass die
Vergabe an die Klägerin diesem Transparenzgebot nicht
standgehalten hat, kommt dies einer Konzessionsveroabe
ohne Ausschreibung gleich, die unionsrechtswidrig ist
— 13 —
(Rechtssache C—260/04, Kommission/Italien, Rn 34)
Das vorlegende Gericht geht daher davon aus, dass
§ 5 Abs 6 NÖ Spielautomatengesetz 2011 gegen Art 56 ÄEUV
verstößt und nicht angewendet werden darf.
Zu Frage 2:
Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken
wurde vor allem zur Gewährleistung eines hohen Verbrau—
clierschutzniveaus erlassen (Erwägungagrund 1) . Sie
schützt unmittelbar die wirtschaftlichen Interessen der
Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken im
Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern
(Erwägungsgrund 8) . Als geeignetes Mittel sieht die
Richtlinie Rechtsvorschriften an, die es Mitbewerbern
gestatten, gerichtlich gegen solche unlauteren
Geschäftspraktiken vorzugehen (Art 11 Abs 1 lit a der
Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) . Die Richt
linie kommt somit dann zur Anwendung, wenn die Klage des
Mitbewerbers dazu dient, dem Verbraucherschutz zum Durch
bruch zu verhelfen. Der EuGH entscheidet in ständiger
Rechtsprechung, dass Beschränkungen der Glücksspieltätig—
keiten durch zwingende Gründe des Allgemeiniriteresses,
wie den Verbraucherschutz, gerechtfertigt sein können
(Urteil vom 30.04.2014 in der Rechtssache C—390/l2, Pfle
ger, Rn 41).
Das vorlegende Gericht ist daher der Ansicht, dass
die bei ihm eingebrachte Unterlassungsklage gegen einen
angeblich unlauteren Mitbewerber, der die dem Verbrau—
cherschutz dienenden Regeln auf dem Gebiet des Glücksa—
pielsektors verletzt haben soll, in den Anwendungsbereich
der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken fällt.
Zu Frage 3:
Die österreichische Rechtsprechung geht davon aus,
dass der lauterkeitsrechtliche Unterlassungs— und
— 14 —
Urteilsveröffent1ichungsansruch nicht nur einem rechtmä
ßigen Mitbewerber zukommt, sondern auch einem Unternehmer
zuzubilligen ist, der selbst unlauter handelt:. Es ist
fraglich, ob dies in der konkreten Fallgestaltung, näm—
lich bei einem Verstoß gegen das im Primärrecht veran
kerte Transparenzgebot, ebenso zutrifft. Die Richtlinie
erwähnt in den Erwägungsgründen 6 und 8 mehrfach den
rechtmäßig handelnden Mitbewerber. Es ist daher zu prü
fen, ob ein unrechtmäßig handelnder Mitbewerber ebenfalls
einen Unterlassungsanspruch hat, oder ob nicht die Richt
linie über unlautere Geschäftapraktiken dem entgegen—
steht, insbesondere in der Fallgestaltung, dass die
Unlauterkeit das Klägers auf einen Verstoß gegen das pn—
märrechtlich verankerte Transparenzgebot besteht. Die
Voliharmonisierung des Lauterkeitarechtes bezüglich des
Verbaucherschutzes durch Klagen von Mitbewerbern steht
möglicherweise einer nationalen Regelung entgegen, die
dem nicht rechtmäßig handelnden Mitbewerber einen Unter—
lassungsanspruch zuhilligt
Das vorlegende Gericht meint daher, dass im Fall
eines Verstoßes eines Vergabeverfahren gegen das Transpa—
renzgebot der betroffene Unternehmer nicht als rechtmäßig
handelnder Mitwerber aufzufassen ist und ihm die Richtli
nie über unlautere Geschäftspraktiken keinen Unterlas—
sungsanspruch zubilligt. Wegen der Vollharmonisierung
steht die Richtlinie einer nationalen Regelung entgegen,
die den Unterlassungsanspruch sowohl rechtmäßig als auch
unrechtmäßig handelnden Mitbewerbern im Glücksspielsektor
zubilligt.
Sollte eine der Partien des Ausgangastreites während
des Verfahrens eine entsprechende Bewilligung (wieder)
erhalten, fällt das Interesse zur Beantwortung der Frage
deshalb nicht weg, weil sie einerseits zur Beurteilung
15 —
einer eilfälligen Wiederholungsgefahr nach nationalen
lauterkeitsrechtlichen Gesichtspunkten, andererseits zur
kostenrechtlichen Beurteilung des Ausgangsstreites erfor
derlich ist.
Zu Frage 4 und 5:
Der Gerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung
davon aus, dass sich derjenige auf die Dienstleistungs—
freiheit berufen darf, der in seinem nsässigkeitsstaat
rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt (Urteil vom
09.09.2009 in der Rechtssache C—42/07, Liga Portuguesa,
Rn 51) . Sowohl in diesem Urteil als auch in den dort
zitierten Urteilen war jedoch davon auszugehen, dass der
jenige, der sich auf die Dienstleistungsfreiheit gestützt
hat, in seinem Änsässigkeitsstaat die Dienstleistung
rechtmäßig erbringt. Das Problem stellt sich zweierlei:
Wie hat das nationale Gericht sein Verfahren auszurichten
(Frage 4) und steht dem Beklagten eine Einrede gegen den
Unterlassungs— und Urteilsveröffentlichungsanspruch zu
(Frage 5)
Soweit für das vorlegende Gericht ersichtlich, war
bislang noch nicht die Konstellation zu prüfen, dass ein
Unternehmen in seinem Sitzstaat eine Dienstleistung nicht
erbringen darf, etwa weil ihm in kchärenter und systema
tischer Weise die Veranstaltung von Glücksspielen verbo
ten ist, und deshalb, unter Berufung auf die Dienstleis—
tungsfreiheit, diese Tätigkeit in einem anderen Mit—
gliedsstaat ausübt, in dein entweder ein derartiges Verbot
nicht besteht oder ein nationales Verbot wegen Verstoßes
gegen Unionsrecht nicht zur Änwendung kommt. Es ist daher
fraglich, ob nicht einem solchen. Unternehmen ebenso die
Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit zuzubilligen
ist.
Aus Sicht des Beklagten, der sich auf die passive
— 16 —
Dienstleistungsfreiheit stützen kann (Urteil vorn
29.4.1999 in der Rechtssache C—224/97, Ciola, Rn 12), ist
es überdies fraglich, ob ihm die Berufung auf die passive
Dienstleistungsfreiheit deshalb verwehrt werden kann,
wenn der Empfänger seiner Dienstleistung in seinem Hei
matstaat nicht zur Durchführung der unternehmerischen
Tätigkeit berechtigt ist, die er nunmehr im Mitglied
staat, in dem der passiv Dienstleistende ansässig ist,
ausüben möchte.
Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass die
Fragen möglicherweise unterschiedlich zu beantworten
sind, weil zwischen dem Prüfungsmaßstab für das nationale
Recht einerseits (Frage 4) und dem subjektiven Recht des
Unternehmens andererseits (Frage 5) zu unterscheiden ist.
Inhaltlich teilt das vorlegende Gericht den Standpunkt
des Generalanwaltes Mengozzi in den Schlussanträgen in
der Rechtseache C—46/QS, Carmen MeUia Group (Rn 37)
Dies hätte wohl die Folge, dass der Beklagte den von der
Klägerin geltend gemachten Unterlassungs— und Urteilsver—
öffentlichungsanspruch mangels Bewilligung der Uni—
bet Int. s.r.o. zur Veranstaltung von Glücksspielen in
ihrem Heimatetaat nicht unter Berufung auf Art 56 ÄEUV
abwehren kann.
Zu Frage 6
Der EuGH stellte mit seinem Urteil vorn 30.06.2016 in
der Rechtssache C—464/15, Admiral Casinos & Entertajnrnent
AG, klar, dass hei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit
einer restriktiven nationalen Regelung im Bereich der
Glücksspiele nicht nur die Zielsetzung dieser Regelung im
Moment ihres Erlasses, sondern auch die nach ihrem Erlass
zu bewertenden Auswirkungen zu prüfen sind fRn 37). Die
Gerichte sind daher aufgerufen, auch Tatfragen zu klären.
Generalanwalt Bot bezeichnete in seinen gemeinsamen
— 17 —
Schlussanträgen in den Pechtssachen C—203/08, Sporting
Exchange, und C—258/08, Ladbrokes Betting & Gsrning, das
vorlegende Gericht als Tatsachengericht (Rn 108) Äuf
Basis die5er Rechtsprechung versuchen österreichische
Gerichte und Verwaltungsbehörden in mittlerweile zahlrei
chen Verfahren, diese Tatfragen zu lösen. Dies führt
dazu, dass die Höchstgerichte, die — möglicherweise mit
Ausnahme des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) — auf die
Sachverhaltsermittlung der Vorinstanzen angewiesen sind
und an deren Ergebnisse gebunden sind, unterschiedliche
Sachverlialtsfeststellungen zu beurteilen haben. Dies ist
unter anderem die Ursache von unterschiedlichen Recht—
sprechungslinien des VfGH, des VwGH und des Obersten
Gerichtshofes fOGH) . Ein Beispiel aus dem Bundesland
Oberösterreich zeigt, dass die Richter des Landesverwal—
tungsgerichtes die Tatsachenfrage unterschiedlich lösen,
letztlich kommt es daher auf die C-eschäftsverteilung der
Gerichte an, welcher Sachverhalt festgestellt wird. Davon
hängt aber die Lösung der Rechtsfrage ab, ob ein nationa
les Gericht die österreichischen Glücksspielregelungen
für mit dem Unionsrecht vereinbar hält oder wegen deren
Unionsrechtswidrigkeit unangewendet lässt und ob ein Ver
anstalter von Glücksspielen, der infolge der Monopolbe—
stimmungen über keine Bewilligung verfügen kann, bestraft
wird, seine Geräte beschlagnahmn werden und eingezogen
werden, oder ob lauterkeitsrechtliche Unterlassungsan—
sprüche, wie im gegenständlichen Fall, berechtigt sind
oder nicht. Damit fehlt es dem nationalen Rechtsbehelf an
Effektivität (siehe das Urteil vom 8.9.2010 in der
Rechtssache C-46!08, Carmen Meäia Group, Rn 90) . Es ist
daher zu prüfen, ob die Veranstalter nicht in ihrem durch
Art 47 GRC gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren
beschränkt sind.
— 18 —
Es ist daher zu überlegen, oh nicht aus dem Primat—
recht, insbesondere Art 56 ÄEUV und Art 47 GRC, abzulei
ten ist, dass es ein effektiver Rechtsschutz erfordert,
die angesprochene Tatfrage durch eine einzige Instanz
k1ren zu lassen.
Zu Frage 7:
Das österreichische Recht weist auf dem Glücksspiel—
sektor zahlreiche Regeln auf, die einerseits in die
Gesetzgebungskompetenz des Bundes, andererseits in die
Gesetzgebungskompetenz der Länder reicht. Im konkreten
Fall ist das Äutomatenglücksspiel auf Ebene des Bundes
unterschiedlich geregelt, ob es sich in einem Videolotte
rieterminalCVLT)—Outlet oder in einer Spielbank befindet,
und auf Landesebene, ob es sich um einen Spielautomaten
handelt, bei dem das Spielergebnis im Gerät ermittelt
wird, oder ob ein Wettterminal bet.rieben wird. Im Hin
blick auf die Wettterminals wird auf die Rechtsprechung
des EuGH verwiesen, die seit dem Urteil vom 21.10.1999 in
der Rechtssacie C—67/98, Zenatti, Wetten als Glücksapiele
ansieht fRn 18), ebenso das Urteil vom 8.9.2010 in der
Rechtsaache C—46/08, Carmen Media Group tRn 66, 71)
Scrtwetten werden als in Österreich „liberalisierte
Spiele“ bezeichnet (Schlussanträge GÄ Mazäk vom 23.2.2010
in der Rechtssache C—64/08 Engelnann, Rn 9) . Hinsichtlich
der Spielautomaten ist es für den Spieler nicht erkenn
bar, ob das Ergebnis zentralseitig oder im Gerät selbst.
ermittelt wird, auch das Gericht konnte diese Sachver—
haitafrage nicht klären. Hinsichtlich der Wettterininals
ist zu beobachten, dass aufgrund der Einschränkungen der
Spielautomaten Spieler vermehrt Wettterminals in Anspruch
nehmen. Zwar ist der Unterschied darin zu sehen, dass im
Falle von Wetten nicht ausschlietlich der Zufall das
Ergebnis bewirkt, sondern dass auch Geschicklichkeit,
— 19 —
Können und Erfahrung mit eine Rolle spielen. Fehlen einem
Verbraucher jedoch Geschicklichkeit, Können und Erfah
rung, so ist das Ergebnis der Wette für ihn genauso
zufällig wie bei einem Giücksspielautomaten. In techni
scher Hinsicht fallen alle diese Geräte in den Fachbe
reich derselben Gerichtssachverständigen. Eine Gleich
stellung nimmt auch der Unionsgesetzgeber im Sekundär-
recht vor. Sowohl die Richtlinie 2006/123/EG des Euroäi—
schen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 200€ über
Dienstleistungen im Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtli—
nie) als auch die Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die
Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie
93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des
Europäischen Parlaments und de5 Rates sowie zur Aufhebung
der Richtlinie 55/577/EWG des Rates und der Richtlinie
37/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Ver—
braucherrechterichtlinie) nehmen aus ihrem Anwendungsbe
reich „Glücksspiele, die einen geldwerten Einsatz verlan
gen, einschließlich Lotterien, Glücksspiele in Spielkasi
nos und Wetten aus (Art 2 Abs 2 lit h der Dienstleis—
tunqsrichtlinie und Art 3 Abs 3 lit c der Verbraucher—
rechterichtiinie) . All diese Umstände lassen den Schluss
zu, dass eine nationale Regelung des Glücksspielsektors
Videolotterieterminals, Automaten in Spielbanken, Äutoma—
tensalons und Wettterminals erfassen muss, um als eine
kohärente und systematische Regelung im Sinne des Unions—
rechtes angesehen werden zu können.
Unabhängig von den zu lösenden Tatfragen ist auf
folgende Umstände zu verweisen:
Auf Ebene der Bundesländer verbieten 4 von 9 Bundes
ländern den Betrieb von Glücksspielautomaten. Die Rege
lungen von Wetten unterscheidet sich von Bundesland zu
— 20 —
Bundesland stark.
Die Änzahl von VLT-Outlets ist in Österreich nicht
beschränkt, es besteht nur eine Höchstzahl von 50 Geräten
je Cutlet. Die Zahl der VLTs in Spielbanken ist nicht
beschränkt, die Beschränkung besteht bloß in der Anzahl
der in Österreich zugelassenen Spielbanken, derzeit mit
15. Spielautomaten nach Landesgesetzen sind durch Anwen
dung eines BevölkerungaschlUssels zahlenmäßig beschränkt.
Allerdings verbieten 4 von 9 Bundesländern den Betrieb
von Glücksspielautomaten. In diesen Bundesländern sind
Glücksapielautomaten daher gänzlich verboten, mit Aus
nahme der Geräte in VLT—Outlets und Spielbanken. Eine
zahlenmäßige Beschränkung von Wettterminals sieht nur das
Bundesland Vorarlberg vor, ansonsten gibt es keine
Beschränkungen. Das führt daher auch zu unterschiedlichen
Jugendachutzbestimmungen.
Dem Spielerschutz dient ein Mindeststammkapital.
Dessen Höhe ist für VLT—Outlets, Spielbanken, Betreiber
von Glücksspielautomaten und Wettterminals unterschied
lich geregelt, und zwar von 0 Euro bis 109 Millionen
Euro.
Die aktive Inanspruchnahme der Dienstleistungsfrei
heit durch Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten ist im
Bereich der VLTs grundsätzlich zugelassen, im Bereich der
NÖ Glückaspielautomatenregelung jedoch nicht. Hinsicht
lich der Wettterminals besteht keine Regelung.
Hinsichtlich Spielerschutz durch Einziehung von
Limiten bestehen für VLTs keine gesetzlichen Vorgaben,
der (einzige) Lotterienkonzessionär hat sich selbst ein
Limit von 800,00 EUR pro Woche auferlegt. Damit wird, bei
monatlicher Berechnung, der durchschnittliche Monatsver—
dienst eines unselbstständig Erwerbstätigen bereits über
schritten. Aufgrund von Höchsteinsatz und Tageshöchst—
0
— 21 —
spieldauer errechnet sich hinsichtlich der landesgeset.z—
lich geregelten Spielautomaten ein möglicher Tagess—
pieleinsatz von EUPS 108.000,00. Für Wettterminals beste
hen überhaupt keine Linite.
Bestimmungen zur Geldwäscherei— und Terrorismusbe—
kämpfung, die der Gerichtshof in seinem Urteil vom
15.09.2011, C—347/09, Dickinger und dmer, als Rechtferti
gung nationaler Beschränkungen zugelassen hat (Rn 76),
finden sich für VLT-Outlets, Spielbanken und Glücksspiel—
automaten, aber nicht für Wettterminals. Nur 4 Bundeslän
der verfügen über Ge1dwäschereibestirrnungen. Die einzigen
niederösterreichischen ordnungspolitischen Maßnahmen sind
die Verlässlichkeitsprüfung und der Jugendschutz. Damit
tritt eine wesentliche Lücke in der kohärenten Bekämpfung
von Geldwäscherei und Terrorismus auf. Art 33 der Richt
linie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 26.10.2005 zur Verhinderung der Nutzung des
Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche— und Terrorismus—
finanzierung (3. Geldwäscherichtlinie) verpflichtet die
Mitgliedstaaten zur Risikoanalyse. Im Rahmen der nationa
len Risikoanalyse Österreich 2015 billigte das Bundesmi
nisterium für Finanzen dem Wettbetrug einen mittleren bis
hohen Risikofaktor zu; Online—Sportwetten seien einer
seits eine gute Plattform zur Geldwäsche, andererseits
werden im Bereich des Sportwetten-Betruges enorme Summen
lukriert, die in der Folge auch gewaschen werden müssten.
Durch die Titulierung als “Wettgewinn“ habe man eine fin—
gierte legale Herkunft. Daher sei die inkriminierte Her
kunft nur schwer nachweisbar. Das Risiko der Geldwäsche
ist sehr hoch und das Bewusstsein über dieses Risiko
relativ niedrig.
Insgesamt ergibt sich das Bild, dass für den
Verbraucher vergleichbare Glückespiele, hinsichtlich des
— 22 —
Schutzniveaus der Regelungen, völlig unterschiedlich
gestaltet sind. Es ist daher an einer systematischen und
kohärenten Verfolgung der Ziele der gliXcksspielrechtli—
chen Regelungen zu zweifeln. Jedenfalls lässt die freie
Vahlmöglichkeit der Bundesländer, Äutomatenglücksspjel
und Wettterminals zu verbieten bzw. zu erlauben, an der
Systematik und Kohärenz der nationalen Regelungen zwei
feln. Dass die Gesetzgebungskompetenz auf Bund und Länder
verteilt ist, ist vor dem Hintergrund der Prüfung eines
Verstoßes gegen unicnsrechtliches Primärrecht ohne Bedeu
tung (Rechtssache C-46/08, Carmen Medla Group, Rn 70)
Zu frage 8:
Die im GSpG und im NÖ Spielautomatengesetz 2011 ent
haltene Verpflichtung, einer. Aufsichtsrat zu besetzen,
benachteiligt Kapitalgesellschaften mit Sitz in Mitglied
staaten, die kein dualistisches System mit den Organen
Vorstand und Aufsichtsrat, sondern ein monistisches Sys
tem, etwa mit einem Organ board etc., vorsehen. Das dua—
listische System besteht neben Osterreich in Deutschland,
Estland, Polen und der Slowakei. Das monistische System
besteht etwa im Vereinigten Königreich und in Spanien.
Oberwiegend sehen die Mitgliedstaaten eine Jahlfreiheit
zwischen diesen beiden Systemen vor. Gleiches gilt für
die mit Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom
08.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft
(SB) geregelte, Societas Europaea, die in ihrem Art 38
ein Wahlrecht zwischen beiden Systemen vorsieht; nach dem
Erwägungsgrund 14 der Verordnung werden die Systeme als
gleichwertig angesehen. Abgesehen von der sachlichen
Rechtfertigung einer solchen Einschränkung verhindert
eine nationale Regelung, die eine Äufsichtsratspflicht
vorschreibt, die Dienstleistung von Kapitalgesellschaften
mit Sitz in Staaten, in denen das monistische System als
— 23 —
allein zulässiges vorgesehen ist.
Das vorlegenäe Gericht hält diese Regelung für mit
dem Unionsrecht unvereinbar.
IV. Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Verfahren
auszusetzen.
Landesgericht Korneuburg als HandeisgerichtAbteilung 1, Korneuburg, 23. November 2016
Mag.Werner Jarec, Richter
Elektronische Ausfertigunggemäß § 79 GOG