benzodiazepin-konsum unter substitution · katholische hochschule nordrhein-westfalen, abteilung...
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Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Köln
Masterstudiengang (M.Sc.)
Master of science of addiction prevention and treatment
Benzodiazepin-Konsum unter Substitution
Eine qualitative Erhebung über den praktischen Umgang mit substituierten Patienten
mit problematischen Konsum anderer gefährdender Substanzen
Ein Annäherungsversuch aus rechtlicher und medizinischer Sicht
Masterthesis
vorgelegt von Cornelia Drosdziok
1. Gutachter: Prof. Dr. Rolf Jox
2. Gutachter: Dr. Klaus Weckbecker
Haltern am See, Oktober 2012
1
Inhaltsverzeichnis: Abstract ................................................................................................................... 3
1. Einleitung ............................................................................................... 4
2. Theoretischer Hintergrund .................................................................... 5 2.1 Opiatabhängigkeit - ein geschichtlicher Abriss ......................................... 5
2.2 Folgen der Opiatabhängigkeit .................................................................. 6
2.2.1 Krankheitsbild – Abhängigkeit .................................................................. 6
2.2.1.1 Somatische Erkrankungen ....................................................................... 6
2.2.1.2 Psychische Erkrankungen ........................................................................ 7
2.2.1.3 Polytoxikomaner Konsum ........................................................................ 7
2.3 Substitution .............................................................................................. 8
2.3.1 Anfänge ................................................................................................... 9
2.3.2 Substitution in der BRD ............................................................................ 9
2.3.3 Wirkungsweise und Substanzen ............................................................ 12
3 Rechtlicher Rahmen für die Substitutionsbehandlung ..................... 13 3.1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) ............................................................ 13
3.2 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) ......................... 15
3.3 Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der
substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger (RL-BÄK) ............ 15
3.4 Richtlinie Methoden vertragsärztlicher Versorgung (RMvV) ................... 16
3.5 Weitere rechtliche Regelungen .............................................................. 16
3.6 Ablauf der Substitutionsbehandlung ....................................................... 16
4 Benzodiazepine .................................................................................... 17 4.1 Definition ................................................................................................ 17
4.2 Indikationen ........................................................................................... 17
4.3 Kontraindikation ..................................................................................... 18
4.4 Neben- und Wechselwirkungen ............................................................. 18
4.5 Low-dose-dependency - high-dose-dependency .................................... 19
4.6 Missbrauch und Komorbidität bei opiatabhängigen Patienten ................ 20
5 Theoretische Überlegungen zum Umgang in Praxen ........................ 21 5.1 Praxisform .............................................................................................. 21
5.2 Erfahrung und Handeln .......................................................................... 22
2
5.3 Kontrolle in der Substitution ................................................................... 22
5.3.1 Vertrauen und Kommunikation im Arzt-Patienten-Kontakt ...................... 23
5.3.2 Ambulante Behandlung .......................................................................... 24
5.3.3 Sanktionen ............................................................................................. 25
5.3.4 Die Verordnung von Benzodiazepinen ................................................... 26
5.4 Psychosoziale Betreuung ....................................................................... 26
5.5 Gesetzliche Vorschriften ........................................................................ 27
5.6 Fragestellungen ..................................................................................... 27
6. Untersuchungsdesign ........................................................................ 28 6.1 Die qualitative Erhebung ....................................................................... 28
6.2 Experteninterview.................................................................................. 28
6.3 Entwicklung eines Interviewleitfadens ................................................... 29
6.4 Stichprobe und Selektionskriterien ........................................................ 29
6.5 Durchführung und Transkription ............................................................ 30
6.6 Auswertungsmethoden ......................................................................... 31
6.7 Induktive Kategorienbildung .................................................................. 32
7. Ergebnisse ........................................................................................... 33 7.1 Untersuchungsgruppe und Einrichtungsformen ..................................... 33
7.2 Bedeutung der Erfahrung ...................................................................... 36
7.3 Urinkontrollen / Screenings ................................................................... 38
7.4 Interventionen ....................................................................................... 42
7.4.1 Positiver Benzodiazepinbefund vor Beginn der Behandlung ................. 42
7.4.2 Kommunikation ..................................................................................... 43
7.4.3 Ambulante Behandlungsmaßnahmen ................................................... 44
7.4.4 Sanktionen ............................................................................................ 47
7.4.5 Bekanntwerden der Verordnungsquelle ................................................ 49
7.5 Bedeutung der Psychosozialen Betreuung (PSB) ................................. 50
7.6 Wünsche und Ideen für gesetzliche Grundlagen ................................... 52
8. Diskussion und Zusammenfassung ....................................................... 53
Literatur 66
Anhang
3
Abstract
Zusammenfassung: Fragestellung: Es wurde der Umgang von Praxen und Verga-
bestellen mit substituierten Patienten mit Benzodiazepin-Konsum und die subjekti-
ven Einflussfaktoren der verantwortlichen Mediziner und des Vergabepersonals un-
tersucht. Methodik: Entsprechende Daten wurden qualitativ mit Hilfe von Expertenin-
terviews erhoben, an denen neun Ärzte und fünf medizinische Fachangestellte aus
unterschiedlichen Praxen in NRW beteiligt waren. Die Auswertung erfolgte durch die
qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring, mit einer induktiven Kategorienbildung. Die
Themenbereiche umfassen: Praxisform (1), Erfahrung (2), Kontrolle (3), Interventio-
nen: Aufnahme bei positivem Benzodiazepinbefund, Kommunikation, ambulante
Behandlungsmaßnahmen, Sanktionen, Bekanntwerden der Verordnungsquelle (4),
psychosoziale Betreuung (5) und Wünsche für die gesetzlichen Grundlagen (5).
Ergebnisse: Der Umgang mit den Patienten ist höchst divergent. Bei der Verfah-
rensweise des regelmäßigen Screenings ergaben sich Differenzen in der Vorge-
hensweise bei der Urinabgabe selbst und des Intervalls. Zudem variieren die Ent-
scheidungsträger (Arzt und medizinische Fachangestellte) für die durchzuführenden
Urinkontrollen. Es zeigten sich bei den ambulanten Behandlungsmaßnahmen Un-
terschiede. So ergaben sich folgende Vorgehensweisen: die ambulante Entwöh-
nung, die Dosisanpassung, die Substitution mit Benzodiazepinen und die ambulante
fachärztliche Versorgung durch den Psychiater und Neurologen. Zudem ist die Be-
handlung von subjektiven Faktoren des verantwortlichen Mediziners, wie die Rolle
der Erfahrung, der Sicht auf die Patientengruppe und die Intensität der Kooperation
mit der psychosozialen Betreuung geprägt. Schlussfolgerungen: Die Handhabung
und Auslegung der Richtlinien und gesetzlichen Grundlagen wird durch subjektive
Faktoren, wie beispielsweise fachärztliche Ausrichtung, Einstellung zum Patienten
und die jeweilige Erfahrung beeinflusst. Eine Vereinheitlichung des Umgangs ist
aufgrund des Pluralismus, den es sowohl innerhalb der Gruppe der Patienten, als
auch unter den Ärzten gibt, nur schwer umzusetzen. So wurden in der Zusammen-
fassung dieser Arbeit Handlungsansätze für den Umgang mit substituierten Patien-
ten mit zusätzlichem Konsum von Benzodiazepinen, aus dem Querschnitt der ein-
zelnen Aussagen diskutiert.
4
1. Einleitung
In meinem beruflichen Alltag als „Streetworkerin“ begegnen mir viele Menschen mit
verschiedenen Suchterkrankungen. Ein großer Teil ist abhängig von illegalen Dro-
gen und häufig in Substitution. Der Zugang zur Klientel ist dabei sehr direkt und nie-
derschwellig. Dabei müssen die professionellen Grenzen bei diesen Beziehungen
immer wieder neu gesteckt werden. Der Kontakt ist im Gegensatz zu einer Bera-
tungsstelle mit Termin und einer Gesprächssituation in einem Büro offen und unge-
zwungen.
In unzähligen Gesprächen über Substitution, „Beikonsum“ und Beschaffung kristalli-
sierten sich für mich deutliche Probleme innerhalb von Substitution und dem Verhal-
ten der Patienten heraus. Die Erzählungen und Berichte der Patienten vermittelten
den Eindruck, dass die substituierenden Arztpraxen mit dem Problem des Konsums
zusätzlicher Substanzen sehr unterschiedlich umgehen. Dabei liegt die Gefährdung
durch einen „bunten Mischkonsum“ klar auf der Hand. Bei näherer Betrachtung der
Richtlinien und gesetzlichen Regelungen für substituierende Ärzte fällt auf, dass es
keine konkreten Handlungsweisen bei zusätzlichem, gefährdendem Konsum ande-
rer Substanzen gibt. Die gleichzeitige Einnahme von Methadon, Alkohol und Ben-
zodiazepinen ist risikobehaftet und erfordert viel Fingerspitzengefühl des zuständi-
gen Arztes, um den Patienten in die Schranken zu weisen, ohne die Substitution
gleich abzubrechen.
So stellt sich für jeden einzelnen substituierenden Arzt die Frage, wo Hilfe aufhört
und die Subvention des süchtigen Verhaltens anfängt.
So weist die Bundesärztekammer in den Zielformulierungen des Therapiekonzeptes
der Substitutionsbehandlung deutlich darauf hin, dass der einzelne Patient und sein
Verhalten bei der Behandlung eine Rolle spielt. Doch eine Sanktionierung durch
Abdosierung oder einen Arztwechsel gefährdet die einzige Kontinuität, die der Pati-
ent in seinem Alltag hat und spätestens, wenn er das gleiche Verhalten beim nächs-
ten Arzt zeigt, ergeben sich früher oder später dieselben Probleme.
Die Behandlungsformen in den einzelnen Praxen können Aufschluss darüber ge-
ben, wie im Einzelnen mit Patienten mit gefährdendem Konsum anderer Substan-
zen umgegangen wird.
Die Beschaffung und damit auch der Konsum von Benzodiazepinen sind weiterhin
möglich, auch wenn mittlerweile Novellierungen der entsprechenden Anlagen mit
den jeweiligen Wirkstoffen dieser Medikamentengruppe in der BtMVV stattgefunden
haben.
Durch die Masse der zugeführten Medikamente lassen sich trotz allem toxische Zu-
stände erreichen.
5
„Dosis facit venenum. – Die Menge macht das Gift.“ (Theophrastus Bombastus von
Hohenheim)
Aber auch kleinere Mengen können einen dauerhaften Schaden zufügen.
Durch die theoretischen Vorüberlegungen zu dieser Arbeit ist die Idee für eine quali-
tative Untersuchung entstanden, durch die einzelne Vorgehensweisen und Einstel-
lungen von substituierenden Praxen zu der Problematik erfasst und ein Querschnitt
für Handlungsvorschläge erstellt werden sollen.
Trotz der negativen Anhaftung und des umgangssprachlichen Wertes werden in
dieser Arbeit die Begriffe Beikonsum und Beigebrauch für den allgemeinen und
speziellen Konsum neben dem des verordneten Substituts verwendet, da sie auch
von den Probanden im Alltag und in den Interviews benutzt werden.
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Opiatabhängigkeit - ein geschichtlicher Abriss
In vielen der uns heute bekannten Kulturen der Menschheitsgeschichte lässt sich
die Einnahme von berauschenden Mitteln nachweisen und in einigen Epochen ge-
sellschaftlich angesehen. Opium spielt laut Springer (2007) geschichtlich betrachtet
in verschiedenen Kulturen eine Rolle.
Seefelder (1996) beschreibt den Schlafmohn als Nutzpflanze. Der nahrhafte Samen
und der getrocknete Saft der unreifen Kapsel wurden an Kultstätten und unter medi-
zinischen Gesichtspunkten verwendet. Mit dem Niedergang der heidnischen Antike
und der Verbreitung des Christentums kam es zu einem Verbot des berauschenden
wie schmerzlindernden Opiums.
Morphin, ein Haupt-Alkaloid des Opiums, wurde mit dem Beginn des 20. Jahrhun-
derts als schmerz- und hustenstillendes Medikament entdeckt und stellt die Grund-
lage für Heroin dar.
Patienten, die mit Heroin, ein Morphin-Derivat, behandelt wurden, haben in dieser
Zeit noch nicht unter einer Stigmatisierung gelitten, da es diverse Indikationen für
die Anwendung des damaligen Medikamentes gab.
Die suchterzeugende Wirkung von Morphin und Diacetylmorphin wurde zunächst
nicht erkannt.
Zunächst versuchte man, durch Sanktionierung die gesellschaftlichen Folgen der
Heroinabhängigkeit in den Griff zu bekommen. Durch die Kriminalisierung wurde
jedoch lediglich das mit der Krankheit verbundene Verhalten bestraft.
Das StGB hält bis heute in §64 an einer Bestrafung fest, wenn der Kontrollverlust
eines Abhängigen schwerwiegende Folgen hat.
6
Erst später begann man, opiatabhängige Patienten mit Ersatzstoffen zu behandeln
und somit die somatischen, psychischen und psychosozialen Folgen zu lindern.
2.2 Folgen der Opiatabhängigkeit
2.2.1 Krankheitsbild – Abhängigkeit
Die Definition der Suchterkrankung wird nach der WHO in vier Punkten zusammen-
gefasst. (Vgl. Backmund (2008))
1. Zunächst besteht der Druck, die gewünschte Substanz weiter zu sich zu
nehmen und sich diese unter allen Umständen zu beschaffen.
2. Daneben gibt es eine tendenzielle Steigerung der Dosis.
3. Die psychische und in der Regel auch physische Abhängigkeit nach den Kri-
terien des ICD 10 ist ein weiteres Merkmal.
4. Die psychosozialen und gesellschaftlichen Folgen, die für den Betroffenen,
als auch für die Öffentlichkeit eine Gefahr darstellen, sind bei der Opiatab-
hängigkeit besonders ausgeprägt.
Die Kriterien der Abhängigkeitserkrankung nach ICD 10 sind:
1. Ein Zwang bzw. starker Wunsch, die Substanz konsumieren zu wollen.
2. Der Verlust der Kontrolle in Bezug auf Beginn und Beendigung des Kon-
sums.
3. Das Einsetzen von körperlichen Entzugssymptomatiken nach Absetzung o-
der Reduktion der Substanz.
4. Die Toleranzentwicklung und Steigerung der Dosis.
5. Das fortschreitende Versäumen von Verpflichtungen und Interessen.
6. Der fortlaufende Konsum trotz negativer Folgen (z.B. Schädigung von Orga-
nen).
Wenn drei der sechs Punkte im letzten Jahr zeitgleich bestanden haben, liegt eine
Abhängigkeitserkrankung vor.
Die somatische und psychische Komorbidität stellt bei der Behandlung einer Ab-
hängigkeit von psychotropen Substanzen eine Schwierigkeit dar. So müssen neben
der ursächlichen Erkrankung die Faktoren der Komorbiditäten beachtet und behan-
delt werden.
2.2.1.1 Somatische Erkrankungen
In der sogenannten „Premos Studie“ wurde durch Wittchen, Bühringer und Rehm
(2011) eine 4fach höhere somatische Morbiditätsprävalenz nach einer langjährigen
7
Opiatabhängigkeit und Substitution nachgewiesen, als in der alters- und ge-
schlechtsspezifischen Durchschnittsbevölkerung.
So hatten wiesen 77% der untersuchten Patienten in der Baseline eine oder mehre-
re schwerwiegende körperliche Erkrankungen. 32,1% litten unter einer Multimorbidi-
tät. Zu den festgestellten Erkrankungen gehörten chronische Hepatitis C Infektio-
nen, pulmonale- und kardiovaskuläre Erkrankungen. Die HIV-Infektion und Aids-
Erkrankung ist nach einer Studie der vereinten Nationen ein weiteres Merkmal der
Opiatabhängigkeit. Laut Aceijas et al. (2004) weisen hier 10% allen HIV-infizierten
Menschen weltweit eine Drogenabhängigkeit auf. Hauptrisiko ist der intravenöse
Konsum. Dies gilt auch für die Hepatitis C Erkrankungen.
Jurna (1984) weist darauf hin, dass die Wirkung von Heroin und Diacetylmorphin
u.a. euphorisierend, analgetisch, fieber-, pulsfrequenz-, und blutdrucksenkend ist.
Der Betroffene verspürt zudem keine Atemschwäche. Die Symptome der verschie-
denen Schädigungen an den Organen können durch diese Wirkungen abge-
schwächt werden und dadurch eine Diagnose und Behandlung bestehender Erkran-
kungen erschweren.
2.2.1.2 Psychische Erkrankungen
Die psychischen Erkrankungen lagen bei der Premos Studie ebenfalls mit 64,6%
sehr hoch. Das ergibt eine 3fach höhere Prävalenz als in der Durchschnittsbevölke-
rung. Verbreitet sind Depressionen, Persönlichkeits- und Angststörungen. Insge-
samt 30% sind multimorbid erkrankt.
Auf die hohe Zahl der psychischen Störungen unter Opiatabhängigen weist auch
Berthel (2007) hin und macht dafür Traumatisierungen und gestörte Persönlich-
keitsentwicklungen verantwortlich.
Die Selbstmedikation der psychischen Störung mit Opioiden kann nach Backmund
(2008) ein Grund für die Entstehung einer Abhängigkeitserkrankung sein. Allerdings
kann auch ein fortschreitender Konsum psychotroper Substanzen diverse psychi-
sche Störungen auslösen.
2.2.1.3 Polytoxikomaner Konsum
Der Gebrauch verschiedener Substanzen, die zum Zweck der psychotropen Beein-
flussung des Bewusstseins genutzt werden, wird als polytoxikomaner Konsum be-
zeichnet.
8
Haas (2007) beschreibt den polytoxikomanen Konsum als Folge der hohen Preise
von Heroin auf dem Schwarzmarkt und der guten Verfügbarkeit anderer Substan-
zen, wie Alkohol und Benzodiazepine, früher auch Barbiturate. Nach Haller (2012)
die fehlende Erreichbarkeit von Heroin für die Entstehung neuer Abhängigkeiten
verantwortlich gemacht werden. Nach Heinz, Poehlke und Stöver (2010) kann bei
einem abhängigen Konsum von mindestens drei verschiedenen Substanzen über
einen Zeitraum von sechs Monaten von einer manifesten Polytoxikomanie gespro-
chen werden. Barkmann (2004) legt in seiner Studie die Folgen des Langzeitge-
brauchs verschiedener Substanzen differenziert dar und geht auf die Grundsub-
stanzen und die entsprechenden Wechselwirkungen mit weiteren Substanzen ein.
Der multiple Substanzgebrauch ist im ICD-10 unter den Ziffern F.19. zu finden.
Der Anteil an intermittierendem, polytoxikomanen, missbräuchlichem Konsum stellt
jedoch den höheren Anteil dar. Somit steigt auch die Gefahr der zusätzlichen Ab-
hängigkeiten.
Die sozialen Folgen einer Opiatabhängigkeit mit tendenziellem, polytoxikomanem
Konsummuster sind durch die gesellschaftliche Stigmatisierung und Kriminalisierung
enorm geprägt. (Vgl. Haller (2012))
Eine relative Akzeptanz als Erkrankung und die Behandlungsmöglichkeiten wurde
mit der Einführung der Substitutionsbehandlung erreicht.
2.3 Substitution
Das Wort „substituere“ bedeutet im Lateinischen soviel wie „ersetzen“.
Bei der Substitution opiatabhängiger Patienten wird die von den Betroffenen kon-
sumierte illegale Substanz (z.B. Heroin) durch ein Medikament ausgetauscht.
Kellermann (2005) bezeichnet die gesellschaftlichen und individuellen Folgen einer
Abhängigkeit von illegalen Substanzen als künstlich erzeugt. Durch eine legalisierte
Behandlung der Abhängigkeit mit Austauschstoffen könnten diese zumindest teil-
weise ausgeschaltet werden.
Die Grundidee zur Substitution ist somit nach Haltmayer (2007) die Schadensbe-
grenzung, „harm reduction“. Die Folgen des illegalen Drogenkonsums sollen einge-
schränkt und die Rückkehr in ein drogenfreies Leben erleichtert werden. Aber auch
wenn dies nicht erreicht werden kann, hat die Schadensminderung zum Schutz der
Gesellschaft Vorrang.
Wichtig bei der Substitutionsbehandlung ist neben der medizinischen, auch eine
psychosoziale Versorgung. Weber und Schröder–Printzen (2009) weisen auf ein
Urteil des BGH vom 17.05.1991 hin, dass eine psychosoziale Indikation zur Reduk-
9
tion der Kriminalität ebenso ein Grund zur Substitution rechtfertigt, wie ein medizini-
scher. Aus medizinischer Sicht muss betont werden, dass die Substitution zunächst
ein Hilfsinstrument zum Überleben darstellt und dem Patienten Freiräume schaffen
soll, um sich auf medizinischer, psychischer und psychosozialer Ebene behandeln
und rehabilitieren zu lassen.
2.3.1 Anfänge
Die ersten Substitutionsversuche mit Methadon gab es 1963 am New Yorker Rocke-
feller Hospital. Federführend für die Durchsetzung des ersten Methadonbehand-
lungskonzeptes im Jahr 1970 waren, der Pharmakologe Vincent Dole und die Psy-
chiaterin Mary Nyswander. (Vgl. Heinz et. al. (2010)) Dort wird auch beschrieben,
wie durch den Erfolg der ersten Behandlungen in den USA die Substitution 1966
über Schweden nach Europa kam.
2.3.2 Substitution in der BRD
Aufgrund der fehlenden Vorschriften und der Festlegung als verschreibungspflichti-
ges Medikament dauerte es einige Jahre bis Methadon als Substitut eingeführt wer-
den konnte. In der Bundesrepublik Deutschland setzte es sich erst 1994 durch. Die
ersten Substitutionsversuche mit Codein und Levomethadon gab es jedoch schon
Ende der 80er Jahre. Durch die Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses
zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung,
die unter 3.4 näher erläutert werden, konnte dann auch mit Methadon substituiert
werden.
Codein wurde unter das BtMG gestellt, um eine reine Codeinsubstitution zu verhin-
dern, wobei es weiterhin in Ausnahmefällen als Substitut verwendet werden kann.
Seit dem Jahr 2002 ist Buprenorphin als weiteres Medikament zur Substitution er-
hältlich.
Die Zahl der substituierten Patienten in Deutschland stieg laut Heinz et. al. (2010)
mit jedem weiteren Substitutionsmittel und den Möglichkeiten der individuellen Ver-
sorgung von opiatabhängigen Patienten an. Die Zahlen des Drogen- und Suchtbe-
richtes der Bundesregierung 2011 und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und
Medizinprodukte sprechen für diese Annahme. Im Jahr 2002 waren demnach
46.000 Substitutionsbehandlungen gemeldet. 2010 waren es schon 77.400. (Vgl.
Dykmans (2012))
10
Abbildung 1 Quelle: Drogen- und Suchtbericht 2011
Ärzte müssen seit April 2001 eine Qualifikation zur „Fachkunde suchtmedizinischer
Grundversorgung“ erreichen. Zur Unterbindung von doppelten Behandlungen müs-
sen sie ihre Patienten in ein zentrales Substitutionsregister eintragen lassen.
Parallel zu den Patientenzahlen sind die Zusatzqualifikationen gestiegen. Allerdings
ist die Zahl der substituierenden Ärzte fast gleich geblieben. (Vgl. Abbildung 2) Die
Masse der Patienten hat sich dementsprechend auf die bestehenden Praxen und
Vergabestellen verteilt. Diese quantitative Zunahme kann nach Hönekopp (2011)
die Qualität der Substitutionsbehandlung gefährden.
Das geringe Interesse an der Arbeit mit abhängigen Patienten kann in der Vielzahl
von Vorurteilen gegenüber Suchtkranken begründet sein, die auch unter medizini-
schem Fachpersonal verbreitet sind (vgl. Backmund (2008)), besonders bei Abhän-
gigkeit von illegalen Substanzen. Dies hat dazu geführt, dass das Angebot einer
adäquaten Behandlung des erkrankten Personenkreises einer langen Vorlaufzeit
bedurfte.
So fehlt es bis heute nach Keppler, Knorr und Stöver (2011) an einer flächende-
ckenden Substitution inhaftierter Patienten.
Eine individuell ausgerichtete Behandlung mit unterschiedlichen Substanzen ist in
der Praxis ebenfalls eher selten.
11
Abbildung 2 Quelle: Drogen- und Suchtbericht 2011
Die sogenannte „Cobra-Studie“ belegt, dass der überwiegende Teil der Patienten,
unterteilt auf die jeweiligen Praxisformen, mit Methadon bzw. L-Polamidon substitu-
iert wird. Die Versorgung liegt bei durchschnittlich 75%.
Kleinere Praxen substituieren etwas individueller. Hier lag der Anteil der Patienten
mit Methadon/L-Polamidonbehandlung bei 69%.
Auch nach Schäffer (2012) werden von insgesamt 702 Patienten im ganzen Bun-
desgebiet 41,3 % mit Methadon und 33,9% mit Polamidon behandelt.
Wittchen et. al. (2011) belegen ebenfalls, dass Wechsel der Substitute eher selten
sind und bei ca. 10% liegen. Im Betrachtungszeitraum von sechs Jahren wurden
jedoch bei 36% der Patienten durchaus mehrfache Wechsel vorgenommen.
Cobra- und Premos-Studie haben im Hinblick auf den Erfolg der Substitutionsbe-
handlung eine deutliche Besserung in Bezug auf die Behandlungsziele und die Mor-
biditätsrate nachgewiesen.
Trotz dieser Erfolge sieht Hönekopp (2011) Handlungsbedarf, um die Aufnahme
opiatabhängiger Patienten in niedergelassenen Praxen zu erleichtern, die durch die
Masse der gesetzlichen Regelungen zum Teil abgeschreckt werden, eine Substitu-
tionsbehandlung in ihrem Praxiskonzept zu installieren.
12
2.3.3 Wirkungsweise und Substanzen
Substitute besetzten stärker die körpereigenen Opioidrezeptoren am synaptischen
Spalt zwischen den Nervenzellen als Heroin, sodass bei fortgeführtem Konsum eine
schwächere bzw. regelhafte Wirkung ausbleibt. Die Beeinflussung des Bewusst-
seins ist je nach Substanz unterschiedlich stark ausgeprägt.
Codein ist das älteste Substitutionsmittel und durch die BtMVV nur noch einge-
schränkt einsetzbar. Aufgrund einer körperlich geringen Umsetzung des Substitutes
ist eine einmalige Einnahme pro Tag nicht ausreichend. Codein wird als Kapsel in
verschiedenen Dosierungen und als Saft verabreicht. Laut Heinz (2010) liegt die
Vergabe der täglich üblichen Dosierung zwischen 700 und 900mg Dihydrocodein.
Aufgrund der mehrfachen Einnahme täglich muss der zuständige Arzt entscheiden,
ob der Patient sich die Einzeldosen selbstständig zuführen und verantwortungsbe-
wusst mit seiner Medikation umgehen kann.
Heinz (2010) meint, dass der Erfolg einer DHC- bzw. Codeinsubstitution mit der
Methadonbehandlung vergleichbar ist, es gibt allerdings diesbezüglich nur wenige
Forschungsergebnisse.
Levomethadon ist unter dem Namen L-Polamidon® ein nach BtMVV zugelassenes
Mittel zur Substitution. Es wird in der Regel einmal täglich als Lösung in einer Dosie-
rung von 0,5-100 mg oral verabreicht.
Dieser Wirkstoff ist auch in Methadon enthalten. Es besteht zur Hälfet aus Levome-
thadon und Dextromethadon. Heinz (2010) konstatiert, dass die austauschende
Wirkung bei beiden Mitteln gleich ist. Jedoch gibt es bei den Patienten unterschied-
liche Verträglichkeiten und Nebenwirkungen bei der Verwendung von Detrometha-
don, die aber durch eine Umstellung der Medikation auf Levomethadon, bzw. Po-
lamidon abgestellt werden können.
Hierzu gehören u.a. psychische Störungen sowie Schwitzen oder Schlaflosigkeit.
Zudem kann eine verkürzte Wirkdauer hinzukommen.
Methadon gibt es neben der Zubereitung als Lösung auch in Tablettenform unter
dem Namen Methaddict®. Die tägliche Dosierung liegt hier zwischen 1-200mg.
Buprenorphin ist als sublinguale Tablette erhältlich. Die Tagesdosis kann zwischen
0,4 – 24mg liegen und ist täglich einzunehmen.
Die Entzugssymptomatik ist bei Patienten, die mit diesem Mittel behandelt werden
nur sehr gering bis gar nicht vorhanden. Subutex® wird bei der Behandlung im nied-
13
rigen Dosierungsbereich eingesetzt, um bis zum vollständigen Absetzen zu über-
brücken. Heinz (2010) hebt die positiven Erfahrungen mit schwangeren Patientinnen
und der anschließenden Behandlung der Neugeborenen hervor und erklärt, dass es
kaum neonatale Entzugssymptome gab.
Daneben gibt es Buprenorphin auch als Kombipräparat zusammen mit dem Wirk-
stoff Naloxon als sublinguale Tablette. Dies ist unter dem Namen Suboxone® er-
hältlich. Die Tagesdosis liegt zwischen 2 – 24 mg. Der im Medikament enthaltene
Antagonist Naloxon soll das Spritzen in die Venen verhindern, da er bei unsachge-
mäßer Anwendung die Opiatrezeptoren besetzt und eine Entzugssymptomatik aus-
lösen kann.
Der Wirkstoff Diacetylmorphin unterliegt als Substitut eigenen Vorschriften, die am
05.07.2009 mit der Aufnahme der Substanz in die Anlage III des BtMG beschlossen
wurden. Seither ist Diacetylmorphin verschreibungsfähig geworden.
Der gemeinsame Bundesausschuss hat die Anforderungen an Einrichtungen zur
Substitution mit Diamorphin in §10 der Richtlinien zur vertragsärztlichen Versorgung
im November 2011 separat aufgenommen. Die Vergabe unterliegt dem Gesetz zur
diamorphingestützten Substitutionsbehandlung und ist in Einrichtungen zu substitu-
ieren, die über einen speziellen Vergaberaum verfügen. Zudem muss der Patient
zwei Mal täglich in der Vergabestelle erscheinen, um sein Substitut zu erhalten.
3 Rechtlicher Rahmen für die Substitutionsbehandlung
Aufgrund der rechtstaatlichen Regelungen ist die Behandlung mit Substituten an
eine Fülle von Vorschriften gebunden. Im Folgenden sollen diese näher dargestellt
werden. Die Darstellung des BtMG wird sich in diesem Kapitel auf die für die Substi-
tutionsbehandlung wichtigen Paragraphen beschränken müssen.
3.1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG)
Das Betäubungsmittelgesetz ist die Grundlage aller weiteren Verordnungen, die für
die Substitutionsbehandlung mit den zugelassenen Medikamenten entscheidend
sind.
Das BtMG soll den Missbrauch berauschender Substanzen verhindern helfen, in-
dem es den Anbau, die Produktion und den Verkauf unter staatliche Kontrolle stellt.
(Vgl. Weber und Schröder-Printzen (2009))
14
Das BtMG trat 1982 in Kraft und löste damit die gesetzlichen Bestimmungen aus
dem Jahre 1929 ab.
Die § 1 und 2 beschäftigen sich mit Begriffsbestimmungen der Betäubungsmittel
und sonstiger Begriffe.
Im zweiten Abschnitt (§§ 3-10a) finden sich die Vorschriften zu Erlaubnis und Er-
laubnisverfahren zum Verkehr mit Betäubungsmitteln. Voraussetzung für den Um-
gang mit Betäubungsmitteln ist nach des § 3 Abs.1 eine Erlaubnis des Bundesinsti-
tutes für Arzneimittel und Medizinprodukte.
Im dritten Abschnitt (§§ 11-18a) sind die Pflichten im Betäubungsmittelverkehr fest-
gehalten. In § 13 Abs. 1 wird die Abgabe im Rahmen der ärztlichen Behandlung
hervorgehoben. Es wird ausschließlich von einer für die Behandlung essenziellen
Verabreichung gesprochen. Sie muss medizinisch begründet und verhältnismäßig
sein. Hierbei ist laut Weber und Schröder-Printzen (2009) zu beachten, dass die
Verwendung dann unzulässig ist, wenn dem Patienten auch auf andere Weise ge-
holfen werden könnte. Der Arzt ist ständig aufgefordert, die Maßnahmen zu über-
prüfen und gegebenenfalls zu überdenken.
Bewahrt der behandelnde Arzt die Substitute in seiner Praxis auf, hat er diese nach
§ 15 zu sichern, sowie nicht mehr verkehrsfähige Betäubungsmittel nach § 16 zu
vernichten. Dies gilt auch für nicht täglich verbrauchte Substitutionsmittel, da die
Behandlung einer Betäubungsmittelabhängigkeit einen unmittelbaren Verbrauch des
benötigten Substitutionsmittels voraussetzt.
Nach § 17 ist er außerdem verpflichtet, den Verkehr zu dokumentieren und diesen
dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zu melden (§ 18).
Der vierte Abschnitt regelt die Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs. Dafür
ist nach § 19 das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zuständig.
Der sechste Abschnitt (§§ 29-34) führt die Strafregelungen für Straftaten und Ord-
nungswidrigkeiten bei Missbrauch auf. Daneben gelten die einschlägigen Paragra-
phen des Strafgesetzbuches (StGB), die diesen Abschnitt ebenfalls betreffen.
Der siebente Abschnitt (§§ 35-38) enthält die Regelungen für betäubungsmittelab-
hängige Straftäter.
So ist nach § 35 Rückstellung der Strafe möglich, wenn der Betroffene sich einer
Rehabilitation unterzieht und an seiner Erkrankung aktiv arbeitet. Dieses kann nur in
Kraft treten, wenn die begangenen Straftaten im Zusammenhang mit der Abhängig-
keit von Betäubungsmitteln stehen, und es bedarf der Zustimmung durch die ent-
sprechenden juristischen Instanzen.
In Anlage III BtMG sind die Substanzen aufgeführt, die für die Substitution opiatab-
hängiger Patienten vorgesehen sind.
15
3.2 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV)
Der § 13 Abs. 3 BtMG bildet die Rechtsgrundlage für die Betäubungsmittelver-
schreibungsverordnung (BtMVV). Es regelt Verschreibung von Betäubungsmitteln,
um dem im BtMG definierten Kontrollanspruch des Staates zu erfüllen.
In § 1 BtMVV werden zunächst die Grundsätze der Rechtsverordnung erläutert.
Die §§ 2-4 BtMVV regeln die Einzelheiten für das Verschreiben von Betäubungsmit-
teln durch Ärzte, Zahn- und Tierärzte. Es geht hier um Stoffe, Höchstmengen und
Zeiträume der zu verschreibenden Medikamente.
Für die Substitution ist der § 5 BtMVV ausschlaggebend. Diese regelt die Verschrei-
bung entsprechender Substanzen.
Die Behandlung opiatabhängiger Patienten mit Substituten soll im Sinne des § 5
Abs. 1 nur dann unternommen werden, wenn eine schrittweise Betäubungsmittelab-
stinenz mit gesundheitlicher Besserung und Stabilisierung das Ziel ist, sowie zur
begleitenden Behandlung einer weiteren schweren Erkrankung und zur Minimierung
der Risiken bei Schwangerschaft und Geburt.
In § 5 Abs. 2 Nr. 6 BtMVV ist für einen substituierenden Arzt die Anforderung einer
suchttherapeutischen Qualifikation vorgeschrieben, deren genauer Anspruch nach
wissenschaftlichem Stand durch die Ärztekammern der jeweiligen Bundesländer
festgelegt werden soll. Diese zertifizierte Qualifikation stellt eine führungsberechtigte
Zusatzweiterbildung dar. Das medizinische Fachpersonal muss bei einer Beteiligung
an der Vergabe lediglich vom Arzt nach § 5 Abs. 6 BtMVV eingewiesen werden. Es
gibt keine gesonderten Qualifizierungsmaßnahmen für medizinisches Fachpersonal.
Die Vorschriften und Vorgehensweisen der BtMVV während der Substitutionsbe-
handlung sind unvermeidbar einzuhalten, da sich bei unsachgemäßer Handhabung
Ordnungswidrigkeiten und Straftatbestände nach § 16 und § 17 schnell ergeben
können.
3.3 Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der substitutionsge-
stützten Behandlung Opiatabhängiger (RL-BÄK)
Die Bundesärztekammer ist ein Zusammenschluss der Landesärztekammern und
damit ein nichtrechtsfähiger Verein. Nach Beachtung aller beteiligten Gruppierungen
wurde durch sie die Richtlinien zur Durchführung der substitutionsgestützten Be-
handlung Opiatabhängiger herausgegeben. Sie stellen den anerkannten wissen-
schaftlichen Stand dar, dessen Rechtsgrundlage sich in § 5 Abs. 11 BtMVV findet
und damit für alle substituierenden Mediziner Gültigkeit besitzt. Hönekopp (2011)
16
erklärt, dass die Substitutionsbehandlung durch die Weiterentwicklung der Medizin
und der Behandlungsmethoden als Wissenschaft einem ständigen Wandel unter-
liegt und dass die Richtlinien schneller angepasst werden können als die gesetzli-
che Grundlage im BtMG und BtMVV. Die aktuellste Fassung ist vom 19.02.2010.
3.4 Richtlinie Methoden vertragsärztlicher Versorgung (RMvV)
Der gemeinsame Bundesausschuss, als oberstes Beschlussgremium der gemein-
samen Selbstverwaltung der Ärzte Krankenhäuser und Krankenkassen, hat zur Re-
gelung der Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Ver-
sorgung ebenfalls Richtlinien herausgegeben. Die substitutionsgestützte Behand-
lung Opiatabhängiger ist in der überarbeiteten Fassung vom 24.11.2011 in Anlage I
Nr. 2 zu finden. Die hier vorgeschriebenen Behandlungsmethoden sind Grundlage
für die kassenärztliche Versorgung nach § 27 SGB V und regelt die Umsetzung auf
der Grundlage der BtMVV.
3.5 Weitere rechtliche Regelungen
Der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) ist das Verzeichnis, nach dem vertrag-
ärztliche, ambulante Leistungen mit den gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet
werden können. Die gesetzliche Grundlage dieses Verzeichnisses ist das Sozialge-
setzbuch V, in dem die Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherungen ent-
halten sind. Hier ist der EBM in § 87 Abs. 2 SBG V als Abrechnungs- und Leis-
tungsverzeichnis legitimiert.
Außerdem ist innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung noch die „Arzneimittel-
richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses bei der Substitutionsbehandlung“
von Bedeutung.
Das Arzneimittelgesetz (AMG) regelt den Verkehr mit Arzneimitteln. Das BtMG
bleibt jedoch durch das AMG unberührt.
Das ASTO-Handbuch wurde als Projekt von der Ärztekammer Westfalen-Lippe ent-
wickelt und bietet entsprechende Qualitätsrichtlinien für die Behandlung mit Substi-
tutionsmitteln.
3.6 Ablauf der Substitutionsbehandlung
Das umfassende Therapiekonzept nach Nr. 3 ff BÄK-RL beinhaltet viele einzelne
Regelungen für den Ablauf einer Substitutionsbehandlung, vom Aufklärungsge-
17
spräch zu Behandlungsbeginn, über eine ausführliche Anamnese bzw. diagnosti-
sche Abklärung des Krankheitsbildes, bis hin zur Qualitätssicherung und Dokumen-
tation des Verlaufes. Der Patient muss je nach Substitut mindestens einmal täglich
in die Praxis bzw. Vergabestelle kommen, um es zu erhalten. Hier ist es ihm zum
direkten, unmittelbaren Verbrauch nach § 5 Abs. 6 BtMVV und unter kontrollierten
Bedingungen nach Nr. 8 BÄK-RL auszuhändigen.
Behandlungen mit Diacetylmorphin erfordern mehrmals tägliches Erscheinen und
finden eine Sonderregelung in § 10 RMvV und §§ 9a BtMVV. Außerdem sind zu-
sätzliche Regelungen in der RMvV unter Nr. 4 ff zu finden.
Eine Sondernorm stellt die Take-home-Vergabe dar. (Vgl. Nr. 9 BÄK-RL bzw. die
Überlassung des Substitutionsmittels nach § 5 Abs. 8 BtMVV)
So kann dem Patienten, nachdem die Einstellung des Substitutionsmittels abge-
schlossen ist, das Substitut zur eigenverantwortlichen Einnahme überlassen bzw.
das Rezept für maximal sieben Tage ausgehändigt werden. Der Patient muss sich
zuerst klinisch stabilisiert haben, darf keine weiteren Substanzen konsumieren und
eine Selbst- und Fremdgefährdung muss ausgeschlossen werden können. Die Kon-
takte zum Arzt und der psychosozialen Begleitung müssen erfüllt sein.
4 Benzodiazepine 4.1 Definition
Die ersten Benzodiazepine sind Anfang der 1960er Jahre unter dem Namen Libri-
um® und Valium® auf dem Markt erschienen. Bei diesen Medikamenten handelt es
sich um organische Verbindungen, die ins Nervensystem eingreifen und durch ihre
Bindung an die GABA-Rezeptoren helfen, die Geschwindigkeit der Reizleitung zu
drosseln. Auf diese Weise wirken sie anxiolytisch, sedierend, muskelrelaxierend,
schlafanstoßend, antikonvulsiv und amnesiogen. Es muss im Zusammenhang mit
substituierten Patienten explizit erwähnt werden, dass es keine antidepressive Wir-
kung bei Benzodiazepinen gibt. (Vgl. Schütz (1995))
Je nach Substanz, Anflutung und Halbwertzeit sind die Wirkungen unterschiedlich
ausgeprägt und somit auch bei unterschiedlichen Indikationen einzusetzen. (Vgl.
Ashton (2012))
4.2 Indikationen
Zu den Indikationen für die Behandlung mit Benzodiazepinen gehören nach der Ro-
ten Liste® Angststörungen, Erregungs- und Spannungszustände, Zwangsstörungen
18
und Panikattacken. Ebenso stellt die akute Behandlung von Schlafstörungen eine
Indikation dar. Bei Krampfanfällen, z.B. bei Epilepsie, helfen im Akutfall Rectiolen
mit Diazepam durch die antikonvulsive und muskelrelaxierende Wirkung.
Benzodiazepine, im speziellen Distraneurin® mit dem Wirkstoff Clomethiazol, wer-
den bei der Entgiftung von Alkohol und bei Delirium tremens eingesetzt. Es hemmt
die Entzugssymptome wie Angst, Unruhe und Erregung, wirkt schlafanstoßend und
senkt das Risiko eines Krampfanfalls. Die Behandlung sollte jedoch nur stationär
beaufsichtigt in der Klinik erfolgen.
Ulmer (2012) dagegen stellt ein ambulantes Behandlungskonzept mit Clomethiazol
bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit vor das unter den gegebenen Bedingungen
Behandlungserfolg aufweisen kann.
In der Anästhesie werden Benzodiazepine als Prämedikation und als Sedativum bei
kleineren Eingriffen eingesetzt, z.B. Dormicum® i.V. mit dem Wirkstoff Midazolam
bei Gastro- oder Coloskopien. Der Einsatz von Anxiolytika in der Palliativmedizin
wird mit der angstlösenden und sedierenden Wirkung begründet.
4.3 Kontraindikation
Die aufgeführten Indikationen für die Behandlung mit Benzodiazepinen gelten
durchgehend kurzfristig und bei akuten Beschwerden. Kontraindiziert sind somit
zunächst einmal alle langfristigen Anwendungen. Auch Menschen mit Abhängig-
keitserkrankungen oder tendenziellem Missbrauch von Alkohol und anderen Sub-
stanzen sollten nicht ohne weiteres mit Wirkstoffen dieser Gruppe behandelt wer-
den. Eine Muskelschwäche, wie bei der Erkrankung Myasthenia gravis und eine
Störung der Bewegungskoordination (Ataxie), sind ebenfalls für die Anwendung von
Benzodiazepinen kontraindiziert. Bestimmte Wirkstoffe, wie z.B. Flunitrazepam, Nit-
razepam und Clorazepat, beanspruchen die Leber bei der Metabolisierung in be-
sonderer Weise. Daher ist eine starke Einschränkung der Leberfunktion für eine
Behandlung nicht günstig. Aufgrund der atemdepressiven Wirkung sollten Patienten
mit einer Atemschwäche, z.B. COPD oder einer Schlafapnoe nicht mit Benzodiaze-
pinen behandelt werden. Eine weitere Kontraindikation ist die Augenerkrankung
Engwinkelglaukom.
4.4 Neben- und Wechselwirkungen
Dolinar, Gösslar, Kügler und Meemken (2002) unterscheiden pharmakokinetische
und pharmakodynamische Wechselwirkungen, im Speziellen in Verbindung mit Opi-
19
oidkonsum und beschreiben die Wechselwirkungen von bestimmten Wirkstoffen der
Gruppe der Benzodiazepine mit Opioiden genauer.
Im Folgenden wird eine kurze Zusammenfassung der bekannten Neben- und
Wechselwirkungen vorgestellt.
Da ist zum einen die sedierende Wirkung, die eine Herabsetzung der Reaktionsfä-
higkeit bedingt. Zudem kann es nach Ashton (2012) zu Wechselwirkungen mit ande-
ren Medikamenten kommen, speziell mit weiteren Tranquilizern, Hypnotika und An-
tidepressiva, die ebenfalls sedierende Eigenschaften haben. Auch in Verbindung mit
Opiaten, Opioiden und Alkohol treten verstärkende Wirkungen auf. Es sind Über-
empfindlichkeiten gegen Licht beobachtet worden. Eine retrograde Amnesie ist bei
chirurgischen Eingriffen eine gewünschte Wirkung, kann aber auch bei Überdosie-
rung oder Verabreichung von Benzodiazepinen bei Angstzuständen und Schlafstö-
rungen eine unerwünschte Nebenwirkung darstellen. Gelegentlich kann es zu para-
doxen Effekten kommen. Dann ist die Wirkung eher symptomverstärkend, z.B. bei
Angstzuständen, Schlaflosigkeit, krampfauslösende Wirkung bei Epilepsie, hyperak-
tives- bis hin zu aggressivem Verhalten. Die lange, regelmäßige Einnahme kann zu
Depressionen und emotionaler Abstumpfung führen. Die Toleranzentwicklung ist
besonders bei der „high-dose-dependency“ ein Problem.
4.5 Low-dose-dependency - high-dose-dependency
Eine Abhängigkeit von Benzodiazepinen kann sich laut Piest (2012) schon nach
wenigen Wochen entwickeln. Diese lässt sich in zwei verschiedene Abhängigkeits-
formen einteilen.
a.) Die „low-dose-dependency“ ist die häufigste Form und zeichnet sich durch
eine konstante Einnahme des Wirkstoffes in der entsprechenden therapeuti-
schen Breite aus, die je nach Wirkstoff variiert. Eine Dosissteigerung bleibt
aus und die Einnahme erfolgt meist über Jahre.
Häufig wird das entsprechende Medikament nach Glaeske (2011) zunächst
als Schlafmittel eingenommen. (Vgl. Glaeske (2011)) Es geht mit einer
anxiolytischen, angstlösenden Wirkung einher. Durch die stetige Einnahme
entwickelt sich eine Toleranz gegenüber der schlafanstoßenden Wirkung,
der angstlösende Effekt bleibt bestehen.
Der Patient kommt nicht mehr ohne das Mittel aus. Hier sind laut Glaeske
(2012) häufig ältere Menschen betroffen.
b.) Die „high-dose-dependency“ geht mit einer Steigerung der verschriebenen
Menge oberhalb der therapeutischen Breite des jeweiligen Wirkstoffes ein-
20
her. Der Patient nimmt häufig Kontakt zu mehreren Ärzten auf, um die ent-
sprechenden Mengen zu erhalten.
Es treten bei massivem Gebrauch akute Intoxikationserscheinungen auf, wie
verwaschene Sprache, Bewusstseins- und Bewegungsstörungen. Betroffene
Patienten haben häufig ein polytoxikomanes Konsummuster und gebrauchen
verschiedene Substanzen, um ihr Bewusstsein zu beeinflussen und zu steu-
ern. Hier geht oft der Konsum von Benzodiazepinen mit der Einnahme von
Alkohol und illegalen Substanzen einher.
4.6 Missbrauch und Komorbidität bei opiatabhängigen Patienten
Die Wirkungen von Benzodiazepinen entsprechen häufig dem Wirkungswunsch
opiatabhängiger Patienten. Zudem können sie bei gleichzeitiger Einnahme anderer
Sedativa die Wirkung verstärken. Jedoch ist das Suchtpotential dieser Medikamente
enorm. Bei der Benzodiazepinabhängigkeit handelt es sich laut Koc (2010) in
Deutschland um die dritthäufigste Suchterkrankung.
Der „Suchtbericht 2011“ verweist auf die „PHARM-MON“ Ergebnisse von 2010, aus
denen hervorgeht, dass der missbräuchliche Konsum von Medikamenten primär von
Opiatabhängigen betrieben wird. 66% der Stichprobe waren Teil dieser Gruppe.
Bei opiatabhängigen Patienten wurde nach Piest (2012) eine mit 17% hohe Prä-
valenz des Benzodiazepin-Konsums bei Substitution festgestellt.
Zu beachten ist, dass die gleichzeitige Einnahme von Benzodiazepinen, Alkohol und
Opioiden bzw. Opiaten wie beschrieben erhebliche Nebenwirkungen mit sich bringt.
Alle Substanzen rufen in Kombination eine Atemdepression hervor. So können die-
se durch einen verursachten Atemstillstand zum Herz-Kreislaufversagen führen.
De Vries (2002) vermutet bei der häufigen Kombination aus Opiat- und Benzodiaze-
pinabhängigkeit einen Zusammenhang mit dem zentralen Opioid- und Gabasystem.
Backmund, Meyer, Henkel, Reimer und Schütz (2005) zeigen auf, dass Patienten,
die Methadon oder Codein zu sich nehmen, häufiger Benzodiazepine konsumieren
als die reinen Heroinkonsumenten. So wurde bei 44,4% dieser abhängigen Patien-
ten ein täglicher Benzodiazepin-Konsum ermittelt.
Einer Beobachtungstudie, die in Baltimore (Maryland/USA) gemacht wurde, ließ sich
beobachten, dass 54% der substituierten Patienten, die neben ihrem Substitut Ben-
zodiazepine konsumierten, mit der Einnahme erst nach der Aufnahme in das Substi-
tutionsprogramm angefangen haben. (Vgl. Chen et. al. (2011))
Eiroa-Orosa, Haasen, Vertheim, Dilg, Schäfer und Reimer (2010) haben ebenfalls
einen Unterschied zwischen dem Benzodiazepin-Konsum unter Methadon- und Di-
21
acetylmorphinsubstitution festgestellt. Demnach ging der Konsum in der Gruppe der
Patienten mit Diacetylmorphinsubstitution deutlich zurück. Reine Heroinkonsumen-
ten sind auf die täglichen Dopaminausschüttungen nach dem Konsum angewiesen.
Hier wird GABA ausgeschaltet. Fehlt diese Ausschüttung, z.B. in der Substitution,
bleibt GABA zwar aktiv, jedoch nicht aktiv genug, um den Fluss an Informationen,
die das Gehirn überschwemmen, in den Griff zu kriegen. Es entstehen Angstgefühle
und Schlaflosigkeit. Der Weg zum Benzodiazepin-Konsum ist für den Patienten jetzt
legitim. Sie helfen ihm, seine Gefühle wieder zu regulieren und zu betäuben. Es
handelt sich daher beim abhängigen Konsum von Benzodiazepinen durch opiatab-
hängige Patienten um eine manifeste Komorbidität.
Davon zu unterscheiden gilt es jedoch, wenn abhängige Patienten die Wirkung ei-
nes Medikamentes oder Opiats zunächst verstärken wollen, wie es beispielsweise
mit Rohypnol® mit dem Wirkstoff Flunitrazepam häufig versucht wird.
Allerdings wurde Flunitrazepam 2mg im November 2011 unter das BtMG gestellt
und ist daher nur noch auf entsprechendes Rezept erhältlich.
Die Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe haben im Jahr 2001 eine Hand-
lungsempfehlung für den Umgang mit opiatabhängigen Patienten an Ärzte und Apo-
theker herausgegeben. Die sächsische Landesärztekammer folgte im Jahr 2004.
Eine Indikation und Verschreibung an opiatabhängige, substituierte Patienten ist
seither nur in Ausnahmefällen erlaubt. Das Rezept muss mit dem Vermerk „necesse
est“ (medizinisch notwendig) aufweisen.
So können die betroffenen Patienten bei entsprechenden psychiatrischen Krank-
heitsbildern mit Benzodiazepinen behandelt werden, z.B. bei Epilepsie.
5 Theoretische Überlegungen zum Umgang in Praxen 5.1 Praxisform
Für die Vergabe der unterschiedlichen Substitute und den Konsum anderer Sub-
stanzen spielt die Größe der Praxis bzw. die Zahl der substituierten Patienten eine
Rolle.
In der Cobra Studie sind in den unterschiedlichen Praxisformen auch differenzierte
Substitutionsformen ermittelt worden.
Schäffer (2011) kritisiert Praxen und Ambulanzen mit mehr als 100 Patienten ohne
ausreichendes medizinisches Personal, räumt aber ein, dass die Versorgungslage
substituierter Patienten keine anderen Möglichkeiten lässt.
Nach den Qualitätskriterien in Nr. 15 der BÄK-RL ist die Zahl der Patienten nach
den Möglichkeiten der Praxis auszurichten. Zur Form einer Praxis, hier ist beson-
22
ders von den niedergelassenen Praxen die Rede, gehört auch die Fachrichtung des
leitenden Mediziners. Schäffer (2011) weist z.B. darauf hin, dass viele substituie-
rende Mediziner Patienten Fragen bezüglich z.B. einer Hepatitis- oder HIV-
Behandlung an Fachärzte verweisen. Er hält es für besser, die Behandlung in einer
Hand zu halten, um dem Patienten Wege zu ersparen und einen kontinuierlichen
Behandlungsverlauf zu haben, damit bei Bedarf schnell interveniert werden könne.
Arzthelferinnen bzw. medizinische Fachangestellte sind unterschiedlich stark in die
Behandlung mit eingebunden. Das Delegieren der Vergabe nach § 5 Abs. 6 BtMVV
bzw. Anlage I Nr.2 RMvV
stellt eine Teilung der Verantwortung dar. So hat der Kontakt zu den Patienten eine
andere Qualität, als wenn der Arzt die Vergabe des Substitutes alleine trägt.
5.2 Erfahrung und Handeln
Witte (2010) hat das ärztliche Handeln im Praxisalltag auf den Ebenen der Interakti-
on und des biographischen Einflusses hin untersucht so beobachtet er, dass jegli-
ches Handeln sich im Lebenslauf sequenziell anhäuft und dass weiteres Handeln
durch erlebte Prozesse beeinflusst wird. Diese biographischen Erfahrungen bringt
der Arzt in der Interaktion mit dem Patienten mit ein.
Stamer (2011), dessen Untersuchung die hausärztliche Versorgung in den Focus
nahm, beschreibt, wie Wissen, Erfahrungswissen und Handeln untereinander ver-
knüpft sind.
Die Erfahrungen die ein substituierender Arzt im Laufe der Zeit macht, haben eben-
falls Einfluss auf sein Handeln und sind subjektiv geprägt.
5.3 Kontrolle in der Substitution
Das umfassende Therapiekonzept, das nach den Richtlinien der Bundesärztekam-
mer und des gemeinsamen Bundesauschusses bei der Aufnahme eines neuen Pa-
tienten vom Arzt erstellt werden muss, beinhaltet ein erstes Screening zur Erfas-
sung des Opiatgebrauchs und des Gebrauchs weiterer Substanzen.
Vorgeschrieben sind hier zur Feststellung des aktuellen Konsums bis auf die Opiate
keine weiteren, genauer benannten Stoffe.
In den Aufnahme- und Dokumentationsbögen der Landesärztekammern sind fol-
gende Substanzen zu finden: Methadon, Buprenorphin, Opiate, Benzodiazepine,
Alkohol, Kokain, THC und Amphetamine.
23
Da nach Heinz et. al. (2010) in ersten beiden Quartalen bis zu 40 Einzelbestimmun-
gen durchgeführt und von den Krankenkassen bezahlt werden können, kann die
Bestimmung der Substanzen von Praxis zu Praxis variieren. Die Entscheidung bzgl.
weiterer Screenings liegt beim zuständigen Arzt bzw. nach Delegation auch beim
zuständigen medizinischen Fachpersonal.
Die Kontrollintervalle sind nach Nr. 8 der BÄK-RL dem Behandlungsverlauf anzu-
passen und müssen zu Beginn und in schwierigen Phasen der Behandlung enger
gesetzt werden.
Die Gewichtung der Kontrollinstanz Urinkontrolle ist ein Indikator für den Umgang
mit substituierten Patienten. Insbesondere gilt dies für die Urinkontrolle unter Sicht.
Ist der Patient beim Screening vor Aufnahme mit Benzodiazepinen positiv, so ist das
- rein fachlich gesehen-, ein Ausschlussgrund zur Substitution. (Vgl. hierzu § 4 Nr.
1+2 Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses)
Die Richtlinien der Bundesärztekammer legen unter Punkt 2 der Indikation fest,
dass der Gebrauch weiterer gefährdender Substanzen bei Beginn der Behandlung
berücksichtigt und behandelt werden muss.
5.3.1 Vertrauen und Kommunikation im Arzt-Patienten-Kontakt
Vertrauen und eine gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist für jedes
Arzt-Patienten-Verhältnis von Wichtigkeit und hat einen großen Einfluss auf den
Behandlungsverlauf. Bei substituierten Patienten haben sie eine ganz besondere
Stellung.
Schäffer (2012) legt in seinem Bericht über die Befragung von Patientinnen und
Patienten in Bezug auf ihre Zufriedenheit mit ihrem behandelnden Arzt dar, dass
diese eher durchschnittlich bewertet wurde. Dies hat laut dieser Untersuchung ver-
schiedene Gründe, z.B. die Sanktionen bei versäumten Vergabezeiten, der Unzu-
friedenheit mit dem verordneten Medikament und die Gründe gegen eine Take-
home-Vergabe.
In der medizinisch ausgerichteten Literatur zur Substitutionsbehandlung und der
Qualifikation zur suchtmedizinischen Grundversorgung hat Kommunikation ihren
eigenen Platz, allerdings muss nach Peters (2008) in besonderer Weise der Einfluss
der Macht beachtet werden. Das bedeutet der Arzt verfügt über die Autorität die
Behandlung zu steuern.
Witte (2010) sagt, dass eine gelungene Arzt-Patienten-Beziehung alleine schon als
Erfolg gewertet werden kann.
24
Der substituierte Patient muss in der Regel täglich in der Praxis erscheinen und soll-
te sich dort aufgehoben und verstanden fühlen.
Auch nach Schäffer (2012) wäre ein vertrauensvolles Arzt-Patientenverhältnis von
Bedeutung.
5.3.2 Ambulante Behandlung
Die ambulante Behandlung einer Benzodiazepinabhängigkeit ist weitreichend be-
schrieben. So dokumentierte Piest (2012) den Verlauf der ambulanten Langzeitent-
giftung eines Patienten über einen Zeitraum von 6 Jahren, in der es immer wieder
zu Rückfällen kam. Das Absetzen der entsprechenden Substanzen führte zu Ent-
zugssymptomatiken, die der Patient mit der Einnahme weiterer Medikamente aus-
glich. Auch ein langsames Absetzen der Dosierungen war nur unter großen Schwie-
rigkeiten möglich.
Kruse (2004) weist darauf hin, dass bei der ambulanten Entwöhnung eine hohe Mo-
tivation und Verlässlichkeit des Patienten vorhanden sein muss.
Eiroa-Orosa et. al. (2010) diskutieren die Benzodiazepinsubstitution als Vorgehen
gegen die Abhängigkeit, beschreiben aber die erhöhte Gefahr des zusätzlichen
Konsums neben den substituierten Benzodiazepinen.
Die Reduktion der Entzugssymptomatiken und eine Behandlung mit trizyklischen
Antidepressiva lösen ebenfalls Diskussionsbedarf aus. Heinz et.al. (2010) gehen
aufgrund des begrenzten Wirkungsgrades näher darauf ein. Schütz (1995) weist
darauf hin, dass es in Verbindung mit Benzodiazepinen und trizyklischen Antide-
pressiva vermehrt zu Intoxikationen kommen kann.
Eine andere ambulante Interventionsmöglichkeit beim Konsum weiterer Substanzen
wie den Benzodiazepinen, ist die Änderung der Dosierung des Substitutes in beide
Richtungen. Die Abdosierung bzw. Reduktion könnte die Gefahr der Wechselwir-
kung zwischen Benzodiazepinen, Opioid und Alkohol senken. Eine Steigerung der
Dosierung hingegen könnte das Craving reduzieren. Auch ein Wechsel des Substi-
tutes ist eine weitere Möglichkeit das Craving ggf. zu lindern. (Vgl. Cimander (2010))
In der STABIL-Studie wurde eine signifikante Verbesserung des Allgemeinzustan-
des der Patienten und damit auch des zusätzlichen Konsums weiterer Substanzen
bestätigt. In Bezug auf Benzodiazepine wurden 94,9 % der Methadon- und 92,7%
der Levomethadon Patienten untersucht. 45,0% der Methadon Patienten konsumier-
ten Benzodiazepine, bei den Levomethadon-Patienten waren es nur 22,2%.
25
5.3.3 Sanktionen
Unter den Sanktionen sind disziplinarische Maßnahmen zu sehen, die zum Beispiel
zur Entlassung oder Verlegung der Substitutionsbehandlung führen können.
Schröder-Printzen (2012) führt aus, dass nach Auslegung der vertragsärztlichen
Richtlinien (RMvV) ein grundsätzlicher Konsum anderer Substanzen ausreichend
ist, um die Substitution abzubrechen. Eine Gefährdung des Patienten ist keine er-
forderliche Voraussetzung.
In einem Urteil des BSG vom 23. Juni 2010 (Az: B 6 KA 12/09 R) stellte das Gericht
lediglich den Gebrauch von Benzodiazepinen als ausreichend fest, um die Behand-
lung zu beenden. Die BÄK-RL und die BtMVV waren für diese Entscheidung nicht
ausschlaggebend, da es sich nicht um eine strafrechtliche Angelegenheit handelte.
Die Dauer des Konsums der Substanzen (hier im Speziellen Benzodiazepine) war
für das Urteil von Bedeutung. Die Frage nach einer bestehenden Komorbidität wur-
de nicht behandelt.
Die Gefährdung des Patienten nach der BtMVV und den BÄK-RL liegt dann vor,
wenn der Arzt den Konsum weiterer Substanzen im Rahmen der Therapie nicht
mehr beherrscht. Um eine Komorbidität zu diagnostizieren, bedarf es einer oder
mehrerer medizinisch klar abzugrenzende Krankheitsbilder.
Weitere Abbruchkriterien durch den Arzt beschreibt Nr.12 der BÄK-RL: Ausübung
von Gewalt, Weitergabe von Substituten, Nichteinhaltung von Terminen, Verweige-
rung von Kontrollen und Verweigerung von psychosozialen Begleitmaßnahmen.
Kontrollen und die Möglichkeit einer Entlassung aus der Behandlung als disziplinari-
sche Maßnahme sind nach BÄK-RL berechtigte Sanktionen.
Auch die Entgiftung kann im Zusammenhang mit Substitution als sanktionierendes
Mittel genutzt werden. Die individuelle Konstitution des Patienten wird durch den
Konsum weiterer Substanzen bestimmt. (Vgl. Cimander (2010)) Dieser kann weit-
reichende Folgen für den somatischen, psychischen und psychosozialen Zustand
des Patienten mit sich bringen.
Das Abwägen der ambulanten Behandlungsmöglichkeiten schließt die Überweisung
in einen stationären Kontext zur Entgiftung der entsprechenden Substanzen mit ein.
Die stationäre Entgiftung stellt nach Gastpar (2003) auch den ersten Schritt zur Re-
habilitation dar und ist aber auch bei wenig motivierten Patienten das Mittel der
Wahl. (Vgl. Kruse (2004)) Nach Nr. 11 der BÄK-RL ist ein stationärer Entzug indi-
ziert, wenn ein gefährdender Konsum weiterer psychotroper Substanzen vorliegt.
26
5.3.4 Die Verordnung von Benzodiazepinen
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde hat
eine Stellungnahme zu den Empfehlungen der Arzneimittelkommission der deut-
schen Ärzteschaft zur Verordnung mit benzodiazepinhaltigen Hypnotika von 11.
September 2008 veröffentlicht. (Vgl. Gründer et.al. (2012)) Laut dieser Stellung-
nahme hat die Verordnung von Benzodiazepinen auf Privatrezept zugenommen.
Im Februar 2011 hat u.a. die Ärztekammer Hamburg eine gemeinsame Handlungs-
empfehlung an Ärzte und Apotheker ausgegeben, die die Verordnung von Benzodi-
azepinen und deren Analoga regeln soll, damit Abhängigkeiten erkannt und dem
Missbrauch entgegengewirkt werden kann.
Hier wird auf den § 2 Abs. 2 der Berufsordnung der Ärzte hingewiesen, die diese in
die Pflicht nimmt, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und das Handeln auf das
Wohl der Patienten auszurichten. Zudem haben sie nach § 34 Abs. 4 der Berufs-
ordnung einer missbräuchlichen Anwendung der Verschreibung keinen Vorschub zu
leisten.
Trotz alledem werden nach Glaeske (2011) immer noch zu viele Benzodiazepine
und Hypnotika an abhängige Patienten verschrieben.
Patienten, die zusätzlich Benzodiazepine zu ihrem täglichen Substitut konsumieren,
sind auf Verordnungsquellen angewiesen und können diese nach heutigem Kennt-
nisstand weiterhin nutzten.
Glaeske (2004) fordert daher, Verstöße konsequent zu sanktionieren und über die
Voraussetzung einer medikamentösen Therapie aufzuklären. Er verweist auf die
Voraussetzung des SGB V und die Arzneimittelverordnung.
5.4 Psychosoziale Betreuung
Die psychosoziale Betreuung ist nach § 5 Abs.2 Nr.2 BtMVV, § 7 Abs.1 RMvV und
Nr. 3 der BÄK-RL Voraussetzung für die Behandlung mit Substitution bei Opiatab-
hängigkeit. Die BtMVV setzt als Verschreibungsgrundlage psychiatrische, psycho-
therapeutische oder psychosoziale Behandlungsmaßnahmen voraus. Dagegen ist
durch die RMvV eine psychosoziale Betreuung vorgeschrieben und die Durchfüh-
rung zu dokumentieren und gegebenenfalls eine nicht erforderliche Ausführung der
Maßnahme zu dokumentieren. Die BÄK-RL fordern eine ständige Koordination der
psychosozialen und medizinischen Behandlung. Bei akuten medizinischen Krisen
darf die Substitution auch ohne psychosoziale Interventionen durchgeführt werden.
27
Die Richtlinien betonen ausdrücklich, dass psychiatrische und psychotherapeutische
Maßnahmen eine psychosoziale Betreuung nicht ersetzten kann.
Gerlach (2011) kritisiert, dass es keine einheitliche Definition des Begriffes gibt und
Leitlinien, die konkrete Aufgaben seitens der Leistungsanbieter beschreiben, fehlen.
Zudem bleibt häufig die von den BÄK-RL geforderte Zusammenarbeit zwischen me-
dizinischer und psychosozialer Instanz aus. Er führt dafür u.a. die begrenzten zeitli-
chen Mittel, fachliche Spannungen und mangelnde Gewichtung einer psychosozia-
len Unterstützung an.
Voraussetzungen für eine funktionierende psychosoziale Betreuung beschreibt Ru-
kiek (2011). Er hebt die Wichtigkeit der Zusammenarbeit von psychosozialer und
medizinischer Hilfe im Zusammenhang mit Substitution hervor, um die Qualität der
Behandlung bei guter Koordination zu gewährleisten.
5.5 Gesetzliche Vorschriften
Die gesetzlichen Vorschriften für den Konsum weiterer Substanzen unter Substituti-
on und die unterschiedliche Definition von Komorbidität und Missbrauch in den ver-
schiedenen Gesetzten und Leitlinien machen das Abwägen der Behandlungsmög-
lichkeiten schwierig. (Vgl. Schröder-Printzen (2012))
Änderungen der Vorschriften, wie beispielsweise das Streichen des Zusatzes „aus-
genommene Zubereitungen“ bei Flunitrazepam unter dem BtMG i.V.m. der BtMVV
sollen nach Patzak (2012) dem Missbrauch und der Abhängigkeit entgegenwirken.
Hier ist das Verschreiben auf Kassen- und Privatrezept nicht mehr möglich.
5.6 Fragestellungen
Durch die theoretischen Vorüberlegungen ergeben sich nun folgende Fragestellun-
gen:
1. Welche persönlichen Einstellungen zu der bestehenden Problematik haben
Einfluss auf die Praxis?
2. Wie wird die Behandlung Benzodiazepin konsumierender Patienten in der
Praxis gehandhabt?
28
6. Untersuchungsdesign 6.1 Die qualitative Erhebung
Der Fragestellung schließt sich die Suche nach der richtigen Methode an. So lässt
sich zwar leicht mit einem Fragebogen erheben, wie quantitativ mit dem Problem
des Konsums von Benzodiazepinen neben der Substitution umgegangen wird. Al-
lerdings können die tatsächliche, subjektive Einstellung des Probanden zu diesem
Thema und der tatsächliche Umgang mit den entsprechenden Medikamenten so
nicht erhoben werden. Um diese Problematik zu untersuchen, bietet sich die qualita-
tive Erhebung an. Nach Przyborski und Wohlrab-Sahr (2008) werden die gefragten
Sachverhalte durch die qualitativen Methoden der Sozialforschung rekonstruiert. So
ist das quantitative Paradigma vom interpretativen Paradigma abzugrenzen. Es geht
weniger darum, bekannte Sachverhalte objektiv zu überprüfen, sondern neue As-
pekte subjektiv zu erfassen. Nach Flick (2010) werden so alltägliche Konstrukte so-
zialer Zusammenhänge und menschlichen Handlungsweisen in ihrer Ganzheitlich-
keit aufgenommen und untersucht.
Als Grundlage für die Datenerhebung wurden die aus den theoretischen Vorüberle-
gungen entstandenen Zuordnungen für die Umsetzung und Durchführung der Be-
handlung verwendet.
6.2 Experteninterview
Aufgrund zeitlicher Begrenzung, bedingt durch das Arbeitsfeld der Probanden, bietet
sich das Experteninterview als Erhebungsinstrument an. Es geht darum, einen be-
stimmten sozialen Kontext zu untersuchen, deren Inhalt stark fokussiert ist. In die-
sem Fall ist der zu untersuchende Gegenstand der Umgang in Praxen mit substitu-
ierten Patienten, die ohne Indikation Benzodiazepine konsumieren. Die Experten,
hier Ärzte und medizinische Fachangestellte, sind nach Gläser und Laudel (2009)
Zeugen dieses Prozesses, die ihr implizites Wissen im Interview verbal zur Verfü-
gung stellen und wiedergeben können.
Durch diesen Personenkreis werden Entscheidungen getroffen, die Einfluss auf den
zu untersuchenden Prozess haben. So sollen Aufbau und Zusammenhänge des
Expertenwissens erfasst und interpretativ analysiert werden. Meuser et. al. (2005)
sprechen von der Erschließung von Betriebswissen in Bezug auf das im Folgenden
zu untersuchende Handlungsfeld.
Der Kontext ist nach Meuser und Nagel (2005) ein organisatorischer Zusammen-
hang, in dem die zu interviewende Person lediglich einen Faktor bildet.
29
Um die Offenheit des Interviews zu bewahren, soll eine leitfadenorientierte Ge-
sprächsführung helfen, das Interesse thematisch zu begrenzen, wobei auch ein zeit-
licher Rahmen hilft. So können innerhalb des Gesprächs die entsprechenden Inhalte
abgearbeitet werden.
Auch Gläser und Laudel (2009) sprechen sich für das in der Regel leitfadengestütz-
te Interview aus, wenn es um die Begrenzung von Wissen, bzw. Selektivität geht.
6.3 Entwicklung eines Interviewleitfadens
Der erste Schritt zur qualitativen Erfassung ist die Konstruktion eines der Fragestel-
lung entsprechenden Leitfadens.
Die theoretischen Vorüberlegungen helfen, das Informationsgebiet einzugrenzen
und in verschiedene Themen und Fragen zu formulieren. Der Fragebogen bzw. der
Leitfaden ist nach Gläser und Laudel (2009) ein Erhebungsinstrument und unter
qualitativen Aspekten als eine Art Grundstruktur für die zu erfassenden Daten zu
verstehen. Er lässt dem Forscher viel Freiraum, wie und welche Fragen gestellt
werden, um die gewünschten Informationen zu erhalten. Für die Konstruktion und
den Ablauf des Leitfadens gilt jedoch folgende Regel: vom Allgemeinen zum Spezi-
ellen. Hierbei muss die Offenheit bewahrt werden, da der Leitfaden nur ein flexibles
Gerüst für die zu erhebenden Informationen darstellt.
Der Interviewleitfaden zu dieser Untersuchung ist im Anhang zu finden. Er gliedert
sich in die durch die theoretischen Vorüberlegungen entstandenen Strukturen und
führt vom Allgemeinen zum Speziellen.
6.4 Stichprobe und Selektionskriterien
Ein Sampling zur qualitativen Forschung kann nach Przyborski et. al. (2008) nur in
kleinen Stichproben erfolgen, da der Zeitaufwand zu groß und das Ergebnis durch
die unterschiedlichen Ausprägungen sehr verzerrt sein würde. Die Auswahl der
Stichprobe ist der Grundstein für eine Generalisierbarkeit der Ergebnisse. Es steht
die soziale Interaktion und das professionelle Handlungsfeld an dieser Stelle im
Vordergrund.
Die Probanden kommen aus den Berufsfeldern Mediziner/Ärzte und medizinische
Fachangestellte. Der tägliche Umgang mit den entsprechenden Patienten und deren
Problematiken sind Teil ihrer Arbeit und ihre Einstellungen und Entscheidungen
können Einfluss auf die Behandlung der Suchterkrankung nehmen.
30
Zunächst habe ich versucht, in einem mir bekannten kommunalen Qualitätszirkel,
an dem viele substituierende Ärzte teilnehmen, über die verantwortlichen Mediziner
medizinische Fachangestellte anzuwerben. Die Reaktion der Teilnehmer war deut-
lich ablehnend. So habe ich die Untersuchungsgruppe auf verantwortliche Mediziner
erweitert und die Probanden durch mich selbst und durch Kollegen diverser Dro-
genhilfe-Einrichtungen in unterschiedlichen Städten in NRW persönlich und telefo-
nisch angeworben.
Die Interviews wurden aufgrund der sensiblen Thematik anonymisiert.
6.5 Durchführung und Transkription
Die Interviews wurden in dem Zeitraum 03.07.–06.08.2012 durchgeführt und mit
einem digitalen Diktiergerät aufgezeichnet. Aufgrund der Tatsache, dass sich die
Expertinnen in einer sozialwissenschaftlichen Experimentiersituation befanden, war
die Wahl der Umgebung wichtig.
Die Interviews sollten in einer „natürlichen Umgebung“ stattfinden, in der sie sich so
wohl wie möglich fühlen. So erfolgten 12 der 14 Interviews der Untersuchung ent-
sprechend in den jeweiligen Arztpraxen. Auf Wunsch zweier Probanden besuchte
ich diese zu Hause.
Der Umfang der einzelnen Interviews im zu untersuchenden Handlungsfeld sollte
zwischen 15 und 20 Minuten betragen, was im Nachhinein schwierig umzusetzen
war, da einerseits der laufende Praxisbetrieb die Durchführung sehr gestört hat und
die Probanden teilweise sehr blockiert waren und die Fragen nur knapp beantwortet
haben.
Vor dem Interview wurde die Erlaubnis für die Aufnahme mit dem Diktiergerät ein-
geholt und die Zusicherung der Anonymität und Vertraulichkeit der erhobenen Daten
zugesichert. Zudem wurde ein Protokoll geführt, in dem die jeweilige Situation mit
Datum und Zeit und die Verfassung der Probandin und Expertin festgehalten wur-
den.
Die Transkription sollte nach Gläser und Laudel (2009) möglichst vollständig erfol-
gen und wurden wie die Protokolle in das Auswertungsprogramm MAXQDA einge-
fügt.
Den Probanden wurden der Berufsbezeichnung nach mit MFA (medizinische Fach-
angestellte) und A (Arzt) gekennzeichnet und der Reihenfolge der Interviews nach
durchnummeriert.
31
Da es nach Gläser und Laudel (2009) keine einheitlichen Regeln in der qualitativen
Auswertung gibt, sind die allgemeinen Regeln für die Transkription in dieser Arbeit
folgende:
Das Einfügen von Pausen mittels Klammern und Strichen, längere Pausen
mit entsprechend mehr Strichen in kursiv: (_) = kurze Pause, (__) = lange
Pause
Standardorthographie, wort-wörtliche Abschrift, keine literarische Umschrift
Anmerken von Unterbrechungen in kursiv
Zur Wahrung der Anonymität werden Namen und Städte in kursiv zensiert.
6.6 Auswertungsmethoden
Die Vergleichbarkeit der Experteninterviews ist durch den institutionell-organisa-
torischen Hintergrund und die leitfadengestützte Interviewführung gewährleistet. Die
Wahl der Methode für die Auswertung fiel auf die qualitative Inhaltsanalyse nach
Mayring. Das Modell (vgl. Abb.1) für den Ablauf inhaltsanalytischen Vorgehens bie-
tet sich durch ein transparentes, systematisches Vorgehen für die Verarbeitung der
Datenmengen an. Grundlagen für die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring sind
der „grounded theory“ zu entnehmen. Das Ziel der ist das deutlich machen grundle-
gender sozialer Besonderheiten. Zudem hat Mayring bedeutende Aspekte der klas-
sischen Kommunikationsforschung übernommen. Hierzu gehören im Besonderen
die Einordnung in ein Kommunikationsmodell, Qualitätsmerkmale und die Bildung
von Kategorien.
Für die Analyse des Datenmaterials und die Codierung wurde das Programm
MAXQDA verwendet. Nach Kuckartz (2007) hat das Arbeiten mit QDA Programmen
in der qualitativen Sozialforschung diverse Vorteile. Es kann schnell auf die einzel-
nen Texte zugegriffen, und diese aber auch gleichzeitig verwaltet werden. Die Texte
können in Form von Untergruppen und nach Kriterien der Nutzer geordnet werden.
Hier können auch die Kategoriendefinitionen und die Konstruktionen eines Katego-
riensystems erstellt werden, was ein schnelleres Arbeiten möglich macht.
Weitere Vorteile sind die Visualisierung von Überschneidungen der Kategorien, die
Suche nach komplexen Mustern, die automatische Codierung, das Erstellen von
Baumstrukturen und Netzwerkansichten und das Anheften von Memos an markan-
ten Stellen des Textes.
32
Abb. 3: Ablaufmodell zusammenfassender Inhaltsanalyse (Eigendarstellung) vgl. Mayring
(2010)
6.7 Induktive Kategorienbildung
Der Überlegung der Auswertungsmethode schließt sich die Wahl der Kategorienbil-
dung an. Diese gibt die Richtung der Analyse der auszuwertenden Daten vor.
Für die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) bietet sich die induktive Ka-
tegorienbildung an. Diese kann direkt aus dem Ausgangsmaterial abgeleitet und
Bestimmung der Analyseeinheiten
Paraphrasierung der inhaltstragenden Textstellen (Z1-Regeln)
Bestimmung des angestrebten Abstraktions-niveaus Generalisierung der Paraphrasen unter die-sem Abstraktionsniveau
(Z2-Regeln)
Erste Reduktion durch Selektion, Streichen bedeutungsgleicher Paraphrasen
(Z3-Regeln)
Zweite Reduktion durch Bündelung, Kon-struktion, Integration von Paraphrasen auf dem angestrebten Abstraktionsniveau
(Z4-Regeln)
Zusammenstellung der neuen Aussagen als Kategoriensystem
Rücküberprüfung des zusammengefassten Kategoriensystems am Ausgangsmaterial
1.Schritt
2. Schritt
3. Schritt
4. Schritt
5. Schritt
6. Schritt
7. Schritt
Ein Schritt bei großen Mengen
33
verallgemeinert werden, ohne sich auf Theoriekonzepte zu berufen. Die Themen für
die Kategorienbildung setzten sich aus der Struktur der Vorüberlegungen zusam-
men. Die zusammengetragenen Textstellen zu den Themen wurden mittels
MAXQDA im ersten Durchgang codiert und als erste Reduktion pro Proband in Ka-
tegorien zusammengefasst. In der zweiten Reduktion wurden diese miteinander
verglichen und neue Kategorien gebildet um einen Querschnitt zu erhalten. In den
Ergebnisdarstellungen werden diese mittels Textbeispielen erläutert und gegensätz-
liche Ansichten und Vorgehensweisen gegenübergestellt.
7. Ergebnisse Trotz einiger verzerrter Interviewsituationen, in denen die Probanden blockiert wirk-
ten und nur sehr knapp geantwortet haben, der teilweise sehr störenden Inter-
viewbedingungen im laufenden Praxisbetrieb und anderer nicht den sozialwissen-
schaftlichen Vorgaben entsprechenden Voraussetzungen sind alle Interviews mit in
die Auswertung eingeflossen.
So bestanden u.a. die medizinischen Fachangestellten der unter MFA4 gefassten
Probandin darauf, zusammen interviewt zu werden und sind in 1MFA4 und 2MFA4
unterteilt worden.
Proband A1 räumte zu Beginn des Gespräches lediglich fünf Minuten Zeit zur
Durchführung des Interviews ein, sprach seine Antworten direkt in das Diktiergerät
und schnitt dabei die gestellten Fragen heraus.
Die Zusammensetzung der Untersuchungsgruppe und die verschiedenen Einrich-
tungsformen werden im nächsten Punkt näher erläutert.
7.1 Untersuchungsgruppe und Einrichtungsformen
Bei der Untersuchung wurden in zwei Berufsgruppen Probanden gewonnen, die bei
der Auswertung zum Teil differenziert behandelt werden. Neun Interviews wurden
mit Ärzten mit suchttherapeutischer Qualifikation geführt. Hier gab es fünf männliche
und vier weibliche Probanden.
Proband A1 führt eine eigene niedergelassene allgemeinmedizinische Praxis und
arbeitet seit 17 Jahren mit drogenabhängigen Patienten. 35 Patienten werden bei
ihm in der Substitutionsbehandlung versorgt. Die tägliche Vergabe übernimmt er
alleine.
Probandin A2 ist Allgemeinmedizinerin, die seit acht Jahren in der eigenen Praxis
Patienten substituiert. Als sie in der Klinik gearbeitet hat, fühlte sie sich für opiatab-
34
hängige Patienten verantwortlich und hat Dienste und Urlaubsvertretungen für nie-
dergelassene Kollegen übernommen. In ihrer Praxis werden zurzeit 37 Patienten
substituiert. Die tägliche Vergabe hat sie teilweise an ihre Mitarbeiter delegiert.
Proband A3 ist Neurologe, der in eigener niedergelassener Praxis tätig ist. Er arbei-
tet seit 1988 mit substituierten Patienten und übernimmt zurzeit Substitutionsbe-
handlungen für circa 85 Patienten. Die tägliche Vergabe übernimmt er alleine.
Der Proband A4 ist leitender Mediziner einer Ambulanz und arbeitet dort seit 1993.
Die Ambulanz versorgt 38 Patienten und die Vergabe übernehmen neben dem Arzt
eine Sozialarbeiterin und eine medizinische Fachangestellte.
A5 ist Internist und arbeitet seit 12 Jahren in einer eigenen niedergelassenen Praxis.
Vor dieser Tätigkeit war er drei Jahre in einer Klinik für medikamenten- und alkohol-
abhängigen Patienten zuständig. Zurzeit behandelt er 110 Patienten. Er hat neben
seiner hausärztlichen Versorgung eine tägliche Suchtsprechstunde eingerichtet, in
der er sich die Vergabe mit einer medizinischen Fachangestellten teilt.
Proband A6 ist in der eigenen niedergelassenen internistischen Gemeinschaftspra-
xis tätig und hat Ende der achtziger Jahre als einer der ersten Mediziner in Deutsch-
land HIV positive bzw. AIDS-kranke Patienten substituiert. In seiner Praxis sind
mehr als 100 Patienten in Substitution und die Vergabe machen primär die medizi-
nischen Fachangestellten. Er selbst führt die Vergabe pro Patient einmal in der Wo-
che durch.
A7 ist Allgemeinmedizinerin, die seit zehn Jahren in der ambulanten und stationären
Drogenhilfe tätig ist. In der stationären Einrichtung ist sie für die Substitution zustän-
dig und versorgt über 50 Patienten. Diese sind aufgrund ausgeprägter somatischer
und psychischer Einschränkungen nicht in der Lage alleine zu leben, was auch eine
ambulante Versorgung ausschließt. Die Vergabe übernehmen in erster Linie die
medizinischen Fachangestellten und einmal in der Woche die Probandin.
Probandin A8 ist praktizierende Gynäkologin und versorgt ausschließlich weibliche,
substituierte Patienten. Diese kommen zu ihr in die Behandlung, wenn sie schwan-
ger sind und Kinder zu versorgen haben. Seit 12 Jahren arbeitet sie mit substituier-
ten Patientinnen und behandelt zurzeit circa 22 Personen. Die medizinischen Fach-
angestellten führen die Vergabe sechs Tage in der Woche durch und einmal in der
Woche die Probandin.
Die Probandin A9 leitet eine Ambulanz und arbeitet seit 1995 mit substituierten Pa-
tienten. 148 Patienten werden zurzeit durch die Ambulanz versorgt. Die Vergabe
übernehmen neben der Probandin eine Krankenschwester, eine MTA, eine Sozial-
arbeiterin und eine geschulte Verwaltungskraft.
35
Pro-band
♀ ♂ Einrichtungsform Facharzt mittlere Einrichtung 20–40 Pat.
große Einrichtung > 40 Pat.
A1 1 Niedergelassen Allgemein 35 - A2 1 Niedergelassen Allgemein 37 A3 1 Niedergelassen Neurologe ~ 85 A4 1 Ambulanz Allgemein 38 A5 1 Niedergelassen Internist 110 A6 1 Niedergelassen Internist > 100 A7 1 Stationär Allgemein > 50 A8 1 Niedergelassen Gynäkologe ~ 22 A9 1 Ambulanz Allgemein 148 Summe 4 4 n=6; a=2; st=1 a=5; i=2;
n=1; g=1 ~ 132 ~ 493
Tabelle 1: Zusammensetzung der Untersuchungsgruppe „Arzt“
Bei den vier Interviews mit den medizinischen Fachangestellten (MFA) handelt es
sich ausschließlich um weibliches Personal.
Probandin MFA1 ist in einer niedergelassenen, allgemeinmedizinischen Praxis tätig
und arbeitet seit circa 15 Jahren mit substituierten Patienten. Die Praxis versorgt
zurzeit 21 Personen.
Probandin MFA2 arbeitet seit 1994 mit substituierten Patienten. Ihr Arbeitsplatz ist
eine niedergelassene, allgemeinmedizinische Praxis, mit zurzeit mehr als 70 Patien-
ten in Substitution, dessen tägliche Versorgung mit Substituten sie und der Arzt
übernehmen.
MFA3 ist seit 1994 in einer internistischen, niedergelassenen Praxis und arbeitet
seitdem auch mit substituierten Patienten. Sie und der zuständige Arzt teilen sich
die Vergabe an 150 Patienten.
Die Probandinnen 1MFA4 und 2MFA4 sind in einer allgemeinmedizinischen nieder-
gelassenen Praxis tätig, in der zurzeit 28 Patienten versorgt werden.
Die Praxis substituiert opiatabhängige Patienten seit ca. drei Jahren.
MFA5 arbeitet seit ca. sechs Jahren mit substituierten Patienten. Sie ist in einer nie-
dergelassenen, allgemeinmedizinischen Praxis tätig und ist neben den Ärzten auch
für die Vergabe zuständig.
Proband Einrichtungsform Fachrichtung mittlere Einrichtung 20–40 Pat.
große Einrichtung > 40 Pat.
MFA1 Niedergelassen Allgemein 21 MFA2 Niedergelassen Allgemein 70 - 80 MFA3 Niedergelassen Internistisch 150 MFA4 Niedergelassen Allgemein 28 MFA5 Niedergelassen Allgemein ~ 110 Summe n=5 a=3; i=1 49 ~ 335
Tabelle 2: Zusammensetzung der Untersuchungsgruppe „medizinische Fachangestellte“
36
7.2 Bedeutung der Erfahrung
Die Probanden wurden zu Beginn des Gespräches nach der Rolle ihrer Erfahrung
im Umgang mit substituierten Patienten und den Unterschieden zu anderen Patien-
ten befragt. Diese Fragen dienten zunächst der Strukturierung vom Allgemeinen
zum Speziellen.
Für Proband A1 spielt die Erfahrung „eine sehr große Rolle.“ (Z. 9) „Die 17 jährige
Tätigkeit bringt sehr viele Vorteile.“ (Z. 10) Er sieht „keine Unterschiede zu anderen
Patienten.“ (Z. 6)
Für Probandin A2 ist es wichtig „im Arbeiten mit allen Menschen ein Stück weit em-
pathisch zu sein“ (Z. 33) und Erfahrung macht es ihr leichter, in der Arbeit mit substi-
tuierten Patienten „zu wissen, dass viele kleine Schritte wichtig sind.“ (Z. 38)
Sie sagt substituierte Patienten, “... Das sind für mich jetzt genauso chronisch Er-
krankte wie jemand mit einer chronischen Blutdruckerkrankung.“ (Z. 12-13)
A3 sagt, dass Erfahrung eine große Rolle in der Arbeit mit substituierten Patienten
spielt, „ich mache alles aus der Erfahrung heraus.“ (Z. 14) Für ihn gibt es „große
Unterschiede“ (Z. 7) zu anderen Patienten und er sagt sie sind „ungeduldiger.“ (Z.
10-11)
Proband A4 merkt an, dass er „nicht mehr so verletzlich“ (Z. 34) ist, wie zu Beginn
seiner Tätigkeit. Er sagt, er wird „zynischer, klarer, von Jahr zu Jahr“ (Z. 31) und
äußert, dass er am Anfang fast an seinen „eigenen Erwartungshaltungen zerbro-
chen wäre, weil ich dachte, ich könnte die heilen.“ (Z. 39-40)
Für ihn gibt es Unterschiede in der „compliance“ (Z. 21) der Patienten und er sagt
„Die wollen ihre Krankheit ja nicht loswerden.“ (Z. 25)
A5 findet in der Arbeit mit substituierten Patienten wichtig, dass diese „angereichert,
bereichert werden durch die Hinzunahme … anderer Hilfesysteme“. (Z. 32-33) Auf-
grund der „Drogenkarriere, des anstrengenden Drogenlebens“ (Z. 17-19) seiner
Patienten, sieht er den Unterschied in der biologischen Voralterung und den „Sucht-
begleiterkrankungen.“ (Z. 23)
Proband A6 sagt, dass man „anfangs, wenn man neu im Geschäft ist, häufig auf´s
Kreuz gelegt wird und erkennen muss nicht die Wahrheit sagen und Beigebrauch ist
ein Teil der Krankheit.“ (Z. 56-59) Zu seinen Patienten meint er: „Sucht ist ne Krank-
heit wie jede andere auch. Sobald Sie anfangen, Unterschiede zu machen, machen
Sie auch was falsch.“ (Z. 45-46)
A7 hat die Erfahrung gezeigt, dass „Patienten, die 30 Jahre Benzodiazepine ge-
nommen haben, sind sehr schwierig Benzo-frei zu bekommen.“ (Z. 11-13) Für sie
liegen die Besonderheiten der substituierten Patienten in der Abhängigkeit von Ge-
37
sundheitssystem (Z. 30-31). Außerdem hat der Arzt eine „kontrollierende Funktion“
(Z. 33) in der Behandlung.
Probandin A8 sagt: „Man wird sehr viel ruhiger und toleriert viele Sachen dann auch
eher, als am Anfang.“ (Z. 33-34) Die Patienten sind für sie besonders am Anfang
„sozial meistens sehr schwierig zu führen“ (Z. 18) und unterscheiden sich zu Beginn
schon „rein äußerlich“ (Z. 19-20) von anderen Patienten.
Probandin A9 gibt die Erfahrung „Eine gewisse Gelassenheit … Andererseits
macht´s manchmal auch lange Zähne … wenn man die Geschichten schon hun-
dertmal oder tausendmal gehört hat.“ (Z. 11-14)
Von ihren Patienten sagt sie: „Speziell in dieser Ambulanz haben wir natürlich Leu-
te, ... von denen man so sagt: Die sind nicht praxisgängig!“ (Z. 27-29) „Bei einer gut
laufenden Substitution, gibt es für mich keinen Unterschied ... zu einem „normalen“
Patienten.“ (Z. 34-36)
Bei den Probandinnen der Gruppe MFA ist es durchgehend wichtig, auf die einzel-
nen Patienten eingehen zu können.
MFA1sagt: „Weil ich die schon so lange kenn und die kommen schon mit ihrem ei-
nen oder anderen Problem halt dann zu mir.“ (Z. 168-170) Sie macht keine Unter-
schiede zwischen den Patienten und sagt: „Ich behandle die wie normale, andere
Patienten auch.“ (Z. 12)
Probandin MFA2 meint: „Es spielt eine große Rolle, weil man ja auch auf jeden Ein-
zelnen eingehen kann, weil ja auch nicht alle gleich sind.“ (Z. 7-8)
Für MFA3 ist es wichtig, „Wenn man die Leute kennt. Man weiß, wie man mit denen
umzugehen hat.“ (Z. 26-27) Sie sagt: „Sie sind ... ein bisschen auffälliger.“ (Z. 12)
Manche kommen auch mal „sediert ... oder unter Alkoholeinfluss“ (Z. 15) in die Pra-
xis.
1MFA4 antwortet auf die Frage nach der Erfahrung, dass sie zu Beginn der Substi-
tutionsbehandlung in der Praxis Angst gehabt hat, „Weil ich kannte die ja nicht so,
wie die vom Wesen her sind. Ich dachte, wenn die nicht direkt ihren Willen kriegen,
dass die dann eine Nadel oder ein Messer aus der Tasche ziehen, aber … Die sind
alle nett.“ (Z. 35-38) Die Probandinnen sagen: „Die werden von uns genauso lieb
behandelt wie die anderen. Da machen wir keinen Unterschied.“ (Z.22-23)
MFA5 meint: „Bei dem einen muss man ganz, ganz sensibel sein … und bei dem
anderen muss man schon hart durchgreifen … Das ist ganz unterschiedlich von
Patient zu Patient.“ (Z. 31-36) Über die Unterschiede der Patienten sagt sie: „Es
sollte eigentlich so sein, dass die Patienten ... genauso behandelt werden wie jeder
„normale Patient“, ... Aber die Patienten, schieben sich ... selbst in die Schublade
38
und sagen: Nur weil ich hier jetzt nen Junkie bin, muss ich hier ständig Urin lassen.“
(Z. 15-18)
7.3 Urinkontrollen / Screenings
Die Frage nach den zu testenden Substanzen im Aufnahmescreening wurde in un-
terschiedlicher Form beantwortet und wird mit den entsprechenden Antworten als
Tabelle angeben.
Proband Zeile Antwort A1 16- 17 „Ich teste auf Kokain, Benzodiazepine, Amphetamine, Methadon, …
Heroin und TSH.“
A2 63- 64 „Im Urin und im Blut alle. Also, komplett von Heroin bis Cannabis und THC wird alles getestet.“
A3 20 „Opiate, Kokain, Amphetamine, THC, Benzodiazepine und Methadon.“
A4 46- 47 „Ja, alles. Was ist denn da im Screening drin? Also, alles Opiate, Benzos, Amphetamine … ja, eigentlich alles durch.“
A5 71- 72 „Opiate, Methadon, Buprenorphin, THC, Amphetamine, Kokain, Benzodiazepine und Alkohol.“
A6 73- 78 „Was ich nicht mitmache, ist ähm, THC … Wir machen Opiate, ähm, dann, äh, Amphetamine, dann äh, Benzos natürlich, und Koks.“
A7 52- 53 „Wir testen auf, ähm auf Benzos, Opiate, auf Kokain, auf Methadon oder Methadonmetabolite oder halt Buprenorphin, … also nicht auf THC.“
A8 74- 75 „Äh, das ist Kokain, Heroin, äh, Benzos, und äh, Methadon bzw. Polamidon, kein THC.“
A9 47- 48 „Wir testen Benzodiazepine, Kokain, Opiate, Methadon, Bupre-norphin und das, was so eventuell noch nötig ist, äh und Alkohol, natürlich.“
MFA1 22- 24 „Cannabis, Benzodiazepine, Opiate, Methadon, auf die vier Sub-stanzen, genau!“
MFA2 16 „Das machen wir auf Morphin, Heroin, Kokain! … Ja, ich glaub das war´s.“
MFA3 40- 41 „Opiate, Benzodiazepine, Amphetamine … hab ich jetzt alle fünf? … Methadon und Kokain. … THC ist jetzt nicht so wichtig für uns.“
1MFA4 53 „Ein großes Drogenscreening, ein komplettes, ja.“
MFA5 54- 55 „Opiate, Methadon oder Polamidon, Buprenorphin, äh, Kokain, Ben-zodiazepine, THC und … Amphetamin.“
Tabelle 3: Screening - Substanzen bei Aufnahme
39
Es fällt auf, dass das Screening bei Aufnahme unterschiedlich gewichtet wird. Von
der Betonung aller Substanzen (hier A2, A4 und MFA4) bis hin zu lediglich drei
Substanzen (hier MFA2). Die Probanden A6, A7, A8 und MFA3 erwähnen geson-
dert, dass sie bewusst nicht auf THC testen. Es wird angenommen, dass der Pro-
band A1 das THC aufgrund des schnell geführten Interviews mit dem Schilddrüsen-
hormon TSH verwechselt hat.
Die folgende Auswertung bezieht sich auf die Durchführung der Urinscreenings. Die
Selektion beinhaltet die Entscheidungskriterien und Regelungen, die bei der Durch-
führung der Screenings wichtig sind. So ergaben sich folgende Kategorien
1. allgemeine Regeln
2. nachrangige Handhabung
3. UK unter Sicht
Unter die erste Kategorie der allgemeinen Regeln fallen nach der Auswertung ein
festes Intervall, die Kontrolle nach Auffälligkeiten und die unangekündigte Durchfüh-
rung. Zwei Probanden betonen unter der zweiten Kategorie die nachrangige Hand-
habung der Urinkontrollen. Die Durchführung der Urinkontrolle unter Sicht als dritte
Kategorie ist in der Tabelle 4 als Übersicht dargestellt.
Proband A1 entscheidet spontan und nach Auffälligkeiten, „Vermehrte Ermüdbar-
keit, vermehrte Reizbarkeit … Reduzierung des Allgemeinzustandes“ (Z. 30-31)
über Urinkontrollen und führt diese nicht unter Sicht durch, „Es sei denn, es findet
eine Speichelprobe statt“, hier: „Bei einigen Patienten auch grundsätzlich.“ (Z. 33-
35)
Die Probandin A2 entscheidet unter den allgemeinen Regeln nach Auffälligkeiten
und festem Intervall. „Es gibt so Spezialisten, da mache ich es ein bisschen häufi-
ger. Aber so alle 6 Wochen jeder … Wenn mir einer komisch ist, dann kriegt der
auch mal wöchentlich oder so dreimal die Woche und dann ist wieder gut.“ (Z. 92-
97) Außerdem werden bei Auffälligkeiten bzw. bei Bedarf Urinkontrollen unter Sicht
durchgeführt, „ … wenn ich den Urin in der Hand hab und der ist mir schon ein biss-
chen kühl.“ (Z. 102-103)
Der Proband A3 führt Urinkontrollen kostenorientiert durch. Für ihn ist eher der klini-
sche Aspekt entscheidend. „Es gibt Patienten, die haben nur einmal im Monat eine
... maximal drei im Quartal, weil nur die von der Krankenkasse bezahlt werden.“ (Z.
35-38) Es finden keine Urinkontrollen unter Sicht statt. „Meine einzige Probe beim
Urin ist, die Temperatur im Becher zu überprüfen, … Für mich sind die Urinproben
nicht so wichtig. Ich gucke mehr nach der Klinik, wie und auf welche Art und Weise
die mir intoxikiert erscheinen.“ (Z. 45-49)
40
Die vorschriftsmäßige Urinkontrolle nach qualitativen Linien ist auch Grundlage bei
Proband A4 sowie die Durchführung nach individueller Entscheidung. „Ja, einmal ist
es ja festgelegt … in diesem … Asto-Handbuch, dann auch nach der Kasse und wie
oft im Quartal und dann natürlich spontan, wie wir so drauf sind, was wir meinen,
was … wir so wissen wollen.“ (Z. 73-76) Zudem erwähnt er die Spontaneität der
Durchführung. „Die kommen immer ganz überraschend.“ (Z. 78-79) Die Urinkontrol-
le unter Sicht ist nicht Teil des Behandlungskonzeptes. „Es gibt so gesehen keine
richtige Sicht … Also, das wird ja ganz kompliziert. Da müsste, da erzählte eben
noch ein Patient: Ja, im Gefängnis nackend ausziehen und … will ich auch gar
nicht, wir sind ja nicht im Gefängnis.“ (Z. 84-87)
Proband A5 führt die Urinkontrolle nach allgemeinen Vorgaben durch und dem AZ
des Patienten. „UK entscheide ich nach dem klinischen Aspekt, nach den Vorgaben,
die man in regelmäßigen Abständen durchführen soll.“ (Z. 125-126) Bei Bedarf wer-
den Urinkontrollen unter Sicht durchgeführt. (Z. 169)
Proband A6 hat die Verantwortung für die Urinkontrollen an seine medizinischen
Fachangestellten delegiert. Da er keine UK unter Sicht durchführen lässt, sind für
ihn wie für Proband A3 die klinischen Aspekte eher von Bedeutung. „Ich entscheide
gar nicht über UKs. Das machen die Damen, die vergeben. …Die ganzen UK´s sind
alle für die Katz, weil, wenn Sie eine Frau sind und substituieren und haben Männer,
die Sie substituieren, gehen Sie mit ihnen aufs Klo? Schicken Sie Ihre Arzthelferin
mit aufs Klo? Nein … Ich mach nen UK wenn er auffällig ist, ja.“ (Z. 107-120)
Die Probandin A7 führt immer donnerstags Urinkontrollen unter Sicht durch. Diese
werden jedoch verdeckt getestet, d.h., dass die Patienten nicht wissen, an welchem
Tag ihr abgegebener Urin kontrolliert wird. Jedoch maximal „ … vier UKs im Quar-
tal.“ (Z. 95-103) Die Kontrolle außerhalb des wöchentlichen Rhythmus ist aufgrund
der stationären Gegebenheiten jederzeit möglich. „Wir können auch zu anderen
Zeitpunkten jederzeit UKs machen. Die kontrollieren wir dann außer der Regel, also
unerwartet, die wecken wir auch aus dem Schlaf, wenn es sein muss.“ (Z. 88-93)
Patientinnen der Probandin A8 müssen ebenfalls in einem festen Intervall zur Urin-
kontrolle. „Ich hab ja viele Schwangere und Frauen, die dann immer ihre Kinder be-
treuen müssen. Da läuft es üblicherweise zweimal im Monat.“ (Z. 101-102)
Die Urinkontrolle erfolgt generell unter Sicht und wird bei Auffälligkeiten direkt wie-
derholt. „Eine Arzthelferin geht mit … die Tür ist offen und der Urin wird dann auch
auf Temperatur überprüft … Außerdem gibt es da noch einen kleinen Trick. Die ma-
chen einmal Pippi und dann ist der kalt oder wir haben Zweifel. Dann können sie
eine Stunde bei uns sitzenbleiben und dann dürfen sie ein zweites Mal unter Auf-
sicht Pippi machen.“ (Z. 116-130)
41
Probandin A9 beschreibt den Ablauf nach der Kategorie der allgemeinen Regeln
und betont die generelle UK unter Sicht. „Wir machen mindestens einmal im Monat,
unangekündigt, unter Sicht eine Urinkontrolle für alle, ähm, bei Bedarf, auch zwi-
schendurch noch mal. Bedarf kann teilweise sein, einfach, dass ich die Kontrolle
habe, teilweise, wenn auch die Patienten selber die Kontrolle wünschen … und bei
... unseren Take-homern läuft das bis zu wöchentlich so, bei den sechs Tage Take-
homern gucken wir, dass wir mindestens zwei UKs im Monat haben, teilweise vier.“
(Z. 78-85)
In der Praxis der Probandin MFA1 erfolgen die Urinkontrollen nach den allgemeinen
Regeln: regelmäßiges Intervall, bei Auffälligkeiten, unangekündigt. „Da wir das ja
generell alle vier Wochen machen, wenn derjenige in dem Monat noch nicht dran
gewesen ist, dann schicken wir die zur Toilette … wenn der jetzt positiv vielleicht
mal war, dann schicken wir die dann halt entweder noch mal oder zu nem anderen
Zeitpunkt.“ (Z. 39-46) Urinkontrollen unter Sicht „werden nicht durchgeführt“ (Z. 55)
Die Urinkontrollen in der Praxis der Probandin MFA2 werden unangekündigt und in
regelmäßigem Rhythmus durchgeführt. Sie beschreibt das mit „einmal im Monat,
dann ad hoc.“ (Z. 31) Die Patienten werden streng zur Toilette begleitet. „Die Ärzte
gehen mit den Männern auf die Toilette oder tasten sie komplett ab oder die müssen
sich halt ausziehen, dass man sehen kann, dass nichts dabei ist. Und wir gehen mit
den Frauen auf die Toilette.“ (Z. 35-38)
Die Probandin MFA3 erklärt, dass der zuständige Arzt jeden Morgen entsprechende
Listen zur Urinkontrolle anfertigt. Die Regelmäßigkeiten können von Patient zu Pati-
ent variieren. „Wir versuchen, es regelmäßig zu machen. Wenn wir merken, dass
die Patienten Probleme haben, dann machen wir öfters UK Kontrolle. Ansonsten
halt so regelmäßig.“ (Z. 75-79) Urinkontrollen unter Sicht macht die Praxis „gar
nicht.“ (Z. 95)
In der Praxis der Probandinnen MFA4 werden die Urinkontrollen in einem festen
Intervall und spontan durchgeführt. „Wir machen das immer so monatsweise …
nicht immer an dem gleichen Tag, … damit die Patienten das nicht so merken“ (Z.
82-84) Urinkontrollen unter Sicht „das machen wir nicht.“ (Z. 99) 1MFA4 meint: „Ist
ja irgendwie unmenschlich, unwürdig.“ (Z. 173)
Probandin MFA5 fertigt morgens selbst eine Liste mit den entsprechenden Patien-
ten an. Hier erfüllen die Aussagen wieder die Kategorie allgemeiner Regeln: festes
Intervall, bei Auffälligkeiten und unangekündigt.
„Also jeder ist mal dran und jeder auch eigentlich gleich oft und ... das mache ich,
wenn ich jetzt mein, Herr Müller/Meier sieht ganz bescheiden aus, dann muss der
Herr Müller/Meier mal runter.“ (Z. 76-78)
42
Urinkontrollen unter Sicht werden „nicht größtenteils“ (Z. 84), sondern bei Bedarf
durchgeführt.
Proband Zeile UK unter Sicht Bei Bedarf Nicht üblich A1 33 1 1 A2 100 1 A3 43 1 A4 87 1 A5 171 1 A6 114 1 A7 246 1 A8 117 1 A9 87 1 MFA1 56 1 MFA2 35 1 MFA3 96 1 MFA4 99 1 1 MFA5 85 1 Summe G=4 G=3 G=7 Tabelle 4: Verteilung: Urinkontrollen unter Sicht
Tritt ein positiver Befund bei einem Screening auf, gibt es für den behandelnden
Arzt diverse Interventionsmöglichkeiten, die unter dem nächsten Punkt zusammen-
gefasst werden.
7.4 Interventionen
7.4.1 Positiver Benzodiazepinbefund vor Beginn der Behandlung
Das Abstraktionsniveau wird durch die Selektionskriterien Auswirkungen und Maß-
nahmen zur Aufnahme bestimmt. Hier reichte eine erste Reduktion zur Gewinnung
der Daten aus.
Die Kategorien der Gruppe A sind:
1. In jedem Fall Aufnahme trotz positivem Benzodiazepin-Screening
2. Maßnahmen: ein ausführliches Gespräch, evtl. Blutspiegeluntersuchungen,
ambulante Entwöhnung, stationäre Entgiftung und einen verzögerten Substi-
tutionsbeginn bei Intoxikationen.
Der Proband A1 sagt, dass sich „die Höhe der Anfangsdosierung ... auch nach dem
Beigebrauch des Patienten“ (Z. 20-21) richtet.
Die Probanden A2, A3 und A9 bieten schon bei Aufnahme gegebenenfalls die am-
bulante Entwöhnung an.
A9 sagt zudem: „Bei extremem Konsum sag ich den Patienten auch, dass sie zu-
nächst stationär entgiftet werden müssen.“ (Z. 60-61)
43
A5 meint zur Entgiftung vor Aufnahme: „… eine Beikonsumentgiftung, halt ich für
Blödsinn, … dann ist der Patient weg … den Patienten muss man über die Substitu-
tion anbinden und dann natürlich bezüglich des weiteren Benzodiazepin-
Beikonsums engmaschig sehen.“ (Z.89-92)
Die Blutspiegeluntersuchungen benennt A5 als übliches Instrument bei Abweichun-
gen zwischen Klinik und Aussagen des Patienten: „…Dann behalten wir uns doch
vor, auch Spiegelbestimmungen im Blut zu machen, um einfach mal so eine Orien-
tierung zu haben, bewegen die sich noch im therapeutischen oder doch auch im
toxischen Bereich.“ (Z. 77-79)
Probandin A8 führt ebenfalls Blutscreenings durch: „Wenn da wirklich kein Beige-
brauch ist, dann sagen … die Patientinnen auch: „Hier können sie Blut abnehmen.“
Und das machen wir dann auch.“ (Z. 155-156)
Proband A4 hingegen meint: „Aber das ist natürlich technisch nicht drin, dass man
bei einem Junkie in den Venen rumprockelt oder am Hals noch Blut abnimmt, bloß
um da ein Screening zu haben. Das wäre der helle Wahnsinn.“ (Z. 109-111)
A6 verzögert den Beginn der Substitution bei Intoxikation: „Wenn der intoxikiert ist,
fang ich natürlich nicht an dem Tag an.“ (Z.83-84)
In der Gruppe der MFA wird die Aufnahme ebenfalls trotz positivem Benzodiazepin-
befund grundsätzlich ohne Konsequenzen erfolgen.
Probandin MFA1 sagt, dass es keinen Unterschied macht, „weil die meisten so-
wieso alle vorab“ (Z. 29) positiv seien.
MFA5 meint, der Patient „wird darauf hingewiesen, dass wir hier nicht mit Benzodia-
zepinen substituieren und wird dann, wenn er es wirklich benötigt, zum Neurologen
geschickt.“ (Z. 58 - 59)
7.4.2 Kommunikation
Die Selektionskriterien umfassen Hinweise im Ausgangsmaterial, die für die Kom-
munikation und Gesprächsführung bei auffälligen Patienten von Bedeutung sind.
Nach der zweiten Reduktion konnte das Material der Gruppe A in vier Kategorien
zusammengefasst werden:
1. Der Umgang mit auffälligen Patienten wird offen, direkt, individuell und re-
gelmäßig gehandhabt.
2. Wichtig für die Kommunikation mit dem Patienten ist es sich Zeit zu nehmen,
Fortschritte zu loben, Probleme zu thematisieren, Ziele zu formulieren und
Grenzen zu setzen.
3. Zudem soll man sich nicht vom Patienten täuschen lassen.
44
4. Hilfreich beim Abwägen der Behandlungsmöglichkeiten können Verständnis
und Empathie sein.
Bei der Gruppe der MFA sind folgende Kategorien entstanden:
1. Erste Intervention bei Auffälligkeit ist das Arzt-Patienten-Gespräch.
2. Wichtig für die Kommunikation ist es, sich nicht vom Patienten täuschen zu
lassen, sich Zeit zu nehmen, lösungsorientiert zu handeln, individuell auf den
Patienten einzugehen und Grenzen zu ziehen.
7.4.3 Ambulante Behandlungsmaßnahmen
Das Abstraktionsniveau umfasst alle Maßnahmen, die eine ambulante Intervention
beinhalten. Die Selektionskriterien werden durch die Gewichtung der Maßnahmen
durch den Probanden bestimmt.
Es konnten nach der zweiten Reduktion vier Kategorien gewonnen werden:
1. ambulante Entwöhnung und alternative medikamentöse Behandlung
2. Dosisanpassungen des Substitutes
3. Substitution mit Benzodiazepinen
4. ambulante fachärztliche Versorgung in erster Linie durch einen Neurologen
oder Psychiater
Die Probanden A2, A3 und A9 führen selbst ambulante Entwöhnungen in eigener
Praxis durch.
Die Probandin A2 führt diese im Austausch mit trizyklischen Antidepressiva durch:
„Ich nehm dann meistens Amitriptylin, in einschleichender Dosierung, eben zur
Nacht … Bei einem Drittel von diesen Patienten setz ich dann oft … Cymbalta mor-
gens ein.“ (Z. 189-193)
Proband A3 sagt, der Patient „… kriegt … ein Schlafmittel angeboten, das nicht
süchtig macht“ (Z. 68), bevor er die Benzodiazepinabdosierung in Betracht zieht.
Probandin A9 versucht lediglich zu Beginn, wenn ein Patient aus einem stationären
Setting in die Ambulanz mit Benzodiazepinen kommt, in Zusammenarbeit mit einem
Psychiater „… ein Reduktionsregime zu installieren, das klappt manchmal, manch-
mal auch nicht.“ (Z. 57-58)
A5 hält die ambulante Entwöhnung in seiner Praxis nach einem stationären Aufent-
halt, in dem der Patient mit Benzodiazepinen eingestellt wurde, für „… oft sehr, sehr
schwierig“ (Z. 95-96), versucht es aber hin und wieder.
45
Nur in Ausnahmefällen, wenn der Patient Proband A6 von einer ambulanten Ent-
wöhnung überzeugen kann, würde er ihm diese auch anbieten. Ansonsten sagt er:
„Hab ich eigentlich nur schlechte Erfahrung gemacht.“ (Z. 177)
Die medikamentöse Behandlung impliziert im Wesentlichen Antidepressiva, Neuro-
leptika und im Fall von A3, Hypnotika ohne Abhängigkeitspotenzial.
Proband A4 beschreibt das Konzept seiner Substitutionsbehandlung mit: „Keine
Substitution oder Ersatzdrogen oder irgendwas“ im Austausch für Benzodiazepine.
(Z. 58-59)
Proband A5 ist es dagegen wichtig, „… das Motiv, den Grund zu nehmen, weshalb
ein Benzodiazepin-Beikonsum betrieben wird … wenn“ der Patient „sagt: Die Ben-
zos brauch ich, um gut zu pennen … Wir arbeiten dann ganz gerne mit sedierenden
Antidepressiva.“ (Z. 104-106) Er weist als Internist darauf hin, dass aufgrund der
„kardiovaskulären Nebenwirkungen“ (Z. 117) und der Gefahr, dass man „einen Me-
dikamentencocktail“ (Z. 179-185) für jeden Patienten kreiert, der somatische Zu-
stand genau untersucht werden muss.
Im Gespräch mit dem Patienten legt A1 fest „... ob die Dosis erhöht werden muss.“
(Z. 46-47)
Probandin A2 lässt den Patienten in Bezug auf die Dosierung mitbestimmen und
sagt: „Das wissen die Patienten selbst. Ich frag dann auch immer … die kennen sich
selbst am besten. Ich weiß nicht, warum ich denen eine Dosis vorschreiben müss-
te.“ (Z. 123-126)
Dagegen meint A5: „Ich würde davor warnen … der Automatismus: Beikonsum fin-
det statt, also Substitutionsmenge zu wenig, muss angehoben werden. Das kann
ein offenes Ende im negativen Sinne geben … auf der anderen Seite muss man …
natürlich auch diskutieren … Beikonsum recht hoch … dass es vielleicht Sinn macht
aus Sicherheitsgründen das Substitut zu reduzieren … das muss individuell ent-
schieden werden. (Z. 149-157)
Proband A4 sagt: „Bei Benzodiazepinen? Dosisveränderungen von Methadon? Nein
… gibt für mich keinen Zusammenhang.“ (Z. 126-127)
A6 meint zu Dosisveränderungen: „Wenn jemand intoxikiert ist, kriegt er die halbe
Dosis oder keine. Wenn jemand Benzo-Beigebrauch hat, kriegt er keine Verände-
rung der Dosis, es sei denn, er ist intoxikiert.“ (Z. 136-138)
A7 führt nur kleine Anpassungen beim Höherdosieren selbst durch, sonst müssten
die Patienten in ein stationäres Setting, auch zum Umstellen des Substitutes. (Z. 73-
76) „Aber wenn es um Runterdosierung geht, dann spreche ich das in der Regel mit
46
der psychosozialen Betreuung ab … die kennen den Patienten viel besser als ich.“
(Z. 194-198)
Probandin A8 erläutert: „Dosisveränderungen mache ich mehr, sozusagen auf
Wunsch, das diskutiert man, ob Suchtdruck da ist … wenn da wirklich Suchtdruck ist
und die nehmen häufiger Benzos, dann biete ich ihnen an, zur Klinik zum Entzug“
zu gehen. (Z. 186-188)
In der Ambulanz der Probandin A9 werden häufig Benzodiazepine konsumiert, weil
sie „eigentlich unzureichend eingestellt sind. Aber bei den meisten meiner Patienten
ist der Wunsch eher nach weniger Methadon … und dann nimmt man halt ne Pille
… in solchen Fällen haben wir … dann schrittweise in Absprache mit dem Patienten
wieder erhöht.“ (Z. 141-150)
Die Substitutionsbehandlung von Probandin A7 ist durch das stationäre Gefüge und
die schwerstabhängigen Patienten geprägt. Hier gibt es Patienten, die seit mehreren
Jahrzehnten täglich Benzodiazepine konsumieren und aufgrund dessen von einem
Psychiater, der einmal im Monat eine Sprechstunde in der Einrichtung mit der Pro-
bandin durchführt, Benzodiazepine neben ihrem Substitut erhalten. „Wir versuchen
… seit einiger Zeit … zumindest eine Reduzierung vorzunehmen, das sorgt für sehr
viel Unruhe … das war am Anfang sehr hart … aber die wissen auch, dass wir das
nicht mit der Brechstange machen, sondern auch in Absprache mit denen“ (Z. 114-
119).
„Gut, man kann das nicht ausschließen, dass sie auch, wenn sie von uns Benzos
bekommen, sich nebenher noch welche besorgen. Das ist wirklich mit sehr viel Fin-
gerspitzengefühl so von: ja, bei wem macht es Sinn … und bei wem unterstützt man
halt den unkontrollierten Konsum … das ist nicht so einfach.“ (Z. 138-143)
Wegen psychiatrischer Indikation werden Patienten von Proband A1 Benzodiazepi-
ne vom Neurologen verordnet. (Z. 69-70)
Probandin A2 steht der neurologischen Behandlung ihrer Patienten eher kritisch
gegenüber und sagt: „Viele scheuen mittlerweile den Neurologen oder Psychiater,
wenn sie die in der Klinik kennengelernt haben.“ (Z. 203-205)
Da A3 selber Neurologe ist, berichtet er: „Manche Praxen schicken mir zur Benzodi-
azepinabdosierung Patienten. Das ist ziemlich häufig so.“ (Z.100-101)
In der Ambulanz von Proband A4 werden in Absprache mit Psychiatern an psy-
chisch Erkrankte bzw. psychotische Patienten Neuroleptika ausgegeben. „Das sind
Medikamente, die hochpotent und hochwichtig sind … das ist sachlich-fachlich kor-
rekt… das andere ist alles Suchtförderung.“ (Z. 201-205)
47
Proband A6 sagt: „Ich hab den Eindruck, dass mindestens 30% meiner Patienten …
gleichzeitig eine intensive psychiatrische Erkrankung haben … und die brauchen
dann Antidepressiva, aber … vom Psychiater.“ (Z. 183-188)
Das Kontaktieren des Facharztes und der Dokumentation der neurologischen Indi-
kation ist für Probandin A8 wichtig. „Ich bin Gynäkologe … Ich bin primär für die
Vergabe zuständig. Wenn Probleme sind, kann ich sie nur zum Neurologen schi-
cken … die sich damit besser auskennen.“ (Z. 218-222) So lässt auch Probandin A9
Abdosierungen vom Neurologen durchführen (Z. 187).
Bei der Gruppe der MFA gibt es drei Kategorien der ambulanten Behandlungsmaß-
nahmen:
1. Dosisanpassung und den Wechsel des Substituts
2. ambulante Behandlung mit Benzodiazepinen
3. fachärztliche Behandlung
Bis auf Probandin MFA5 wurde der Substitutwechsel als übliche Maßnahme be-
schrieben. Auch Dosisveränderungen sind in der Praxis von MFA5 nicht üblich.
Die Probandin MFA2 berichtet von der Benzodiazepinbehandlung von 30-40 Substi-
tutionspatienten in der eigenen Praxis und sagt zur Frage der Indikation: „Viele sind
ja auch so unruhig oder können nicht schlafen.“ (Z. 99)
Die ambulante Entwöhnung und auch zum Teil die Substitution werden bei den Pa-
tienten der Probandin MFA3 durchgeführt. Dann gibt es „halt auch, dass der Doktor
den Patienten anbietet, dass die Rivotril kriegen, dass wir das hier auch so dosie-
ren, wenn die dann täglich kommen, zur Vergabe.“ (Z. 125-127) Zur Kontrolle wer-
den bei diesen Patienten Benzodiazepindifferenzierungen in Bezug auf Wirkstoffe
und Mengen durchgeführt. (Z.134-143) Die Probandin schätzt, dass fünf von diesen
Patienten „eigentlich auf die Dosis eingestellt sind und die ... immer nehmen ... die
haben dann keinen Beigebrauch. Die nehmen wirklich nur diese eine Tablette oder
höchstens zwei, über Jahre.“ (Z. 198-203)
Die Probandinnen MFA1 und MFA5 haben beide zurzeit einen einzigen Patienten
der Benzodiazepine verschrieben bekommt. Der Patient von MFA5 wird gerade ab-
dosiert. Die fachärztliche Behandlung wird lediglich von MFA5 als übliche Maßnah-
me beschrieben.
7.4.4 Sanktionen
Das Abstraktionsniveau und die Selektionskriterien umfassen disziplinarische Maß-
nahmen, die das symptomatische Verhalten des Patienten unterbrechen sollen.
48
So ergaben sich in der Gruppe A drei Kategorien:
1. Entzug der Take-home-Vergabe
2. stationäre Entgiftung
3. Entlassung und der Arztwechsel
Der Zeitraum des Take-home-Entzugs ist unterschiedlich ausgeprägt. Bei Probandin
A2 muss der Patient „mal wieder sechs Wochen täglich“ (Z. 133-134) zur Vergabe in
die Praxis.
Proband A5 entzieht den auffälligen Patienten, die versuchen zu manipulieren das
Take-home „auf unbegrenzte Zeit.“ (Z. 166-167)
A6 meint, dass „wenn einer jetzt … zwei Jahre Take-home hat und hat einmal Ben-
zos drin und hat einen vernünftigen Grund … und ich weiß, dass er sonst sauber ist,
dann werde ich dem auf keinen Fall Take-home entziehen … dann kriegt der die
Gelbe Karte, so fußballmäßig.“ (Z. 143-148).
Die stationären Entgiftungen sind ein Mittel um Veränderungen zu erwirken.
Für Proband A1 gehört die „Androhung einer stationären Behandlung“ (Z. 50) zur
Sanktion.
Probandin A2 sieht den stationären Entzug kritisch, weil „die Menschen werden da
entlassen und viele wissen nicht, dass die eigentliche Reaktion erst zuhause auftritt
… weil … die Substanz … bis zu neun Wochen … aktiv im Körper drin“ ist. (Z. 79-
81)
Für Proband A3 ist es das Mittel der Wahl, wenn der Patient die ambulante Entwöh-
nung nicht schafft. „Meistens klappt das nicht, … dann ... muss er zur stationären
Entgiftung.“ (Z. 70-71)
In der Ambulanz von A4 wird eine Frist gesetzt und gesagt: „Wenn das nicht aufhört,
müssen sie ins Krankenhaus zum Teilentzug.“ (Z.133-134)
A6 gibt an, dass die Entgiftung „der häufigste Grund für die Einweisung“ ist. (Z.172)
In der stationären Einrichtung von Probandin A7 werden Patienten, „die ständig oder
öfters Benzos im Urin haben … regelmäßig“ zum Entgiften geschickt, „vor allem,
wenn die … selber halt die Benzos besorgen.“ (Z. 122-124)
Probandin A8 kann den Konsum von Benzodiazepinen aufgrund der Verantwortlich-
keit und Aufgaben der Patientinnen gegenüber ihren Kindern „nicht tolerieren“. Sie
bietet ihnen zunächst „an zur Klinik zum Entzug“ (Z. 188) zu gehen.
Die stationäre Entgiftung für Patienten mit gefährdendem Konsum wird in der Ambu-
lanz von A9 mithilfe von „sogenannten Beikonsumentgiftungsauflagen“ (Z. 125) er-
wirkt.
49
Proband A1 bricht die Substitutionsbehandlung „bei massivem Missbrauch“ (Z. 50)
ab.
Die Patienten, die sich nicht anpassen können, „machen sich meistens selbst vom
Acker“ (Z. 78-79), meint Proband A3.
A4 sagt, wenn die Frist für einen stationären Aufenthalt überschritten ist und der
Patient nicht reagiert hat, „dann legen wir ihm auch nahe, den Arzt wechseln zu
müssen.“ (Z. 134-135)
Proband A6 sieht den Konsum anderer Substanzen als Symptom der Erkrankung.
Daher „Sanktionen im Sinne von Rausschmeißen gibt es ... nicht bei mir.“ (Z. 149-
150)
A8 gibt an, dass die Patientinnen die nicht von dem Angebot der stationären Entgif-
tung Gebrauch machen, „leider aus dem Programm aussteigen“ müssen. (Z. 192-
193)
Die Probandin A9 sagt: „Wir haben auch schon Patienten wegen Beikonsum entlas-
sen.“ (Z.125-126)
Bei den medizinischen Fachangestellten ist die erste Kategorie,
1. stationäre Entgiftung
2. Abbruch der ambulanten Entwöhnung
3. Entlassung und der Arztwechsel
Zum Abbruch der ambulanten Entwöhnung meint MFA 3: „Sanktionen sind schwie-
rig. Gut, wenn sich gar nichts ändert, dann bricht der Doktor natürlich die Behand-
lung … mit Rivotril … ab.“ (Z. 145-146)
Die Probandin MFA2 gibt an, dass Patienten nur im „Härtefall“ entlassen werden,
„wenn die zugedröhnt sind über einen ziemlich langen Zeitraum, dass man das nicht
mehr gut heißen kann …“ (Z. 56-57) und wenn „wir erfahren, dass sie sich bei ei-
nem anderen Hausarzt oder mehreren … was holen, dann kriegen die bei uns gar
nichts mehr.“ (Z. 106-108)
Die Praxis der Probandinnen MFA4 haben bei Betrugsversuchen schon Patienten
entlassen. „Aber kommt selten vor.“ (Z. 129-130)
Probandin MFA5 gibt zudem den Arztwechsel als Sanktion an. (Z. 109-112)
7.4.5 Bekanntwerden der Verordnungsquelle
Das Abstraktionsniveau ist die Reaktion der behandelnden Praxis auf das Bekannt-
werden des verordnenden Arztes. Die Selektionskriterien umfassen alle Interventi-
onsversuche.
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Es ergeben sich nach der Auswertung drei Kategorien:
1. Kontakt in telefonischer uns schriftlicher Form
2. Anzeige
3. Keine Reaktion
Der Erfolg der Kontaktaufnahme wird als eher mäßig beschrieben. A9 spricht sogar
von „beratungsresistenten Verordnungsquellen“ (Z. 197-198) und A4 sagt, dass er
erkennen musste, dass er „keine Chance“ hat „gegen diese Mafia anzugehen
dadurch wird man auch Zyniker im Laufe der Zeit“ (Z. 118-220).
Die Kontaktaufnahme gilt in erster Linie der Information bzgl. der Substitution, da die
Patienten bei der Behandlung durch Fachärzte ihre Opiatabhängigkeit manchmal
verschweigen.
A7 berichtet, dass die Leitung der stationären Einrichtung „... schon mehrmals Ärzte
angezeigt hat, die Benzos verschreiben. Da ist nie was passiert.“ (Z. 168-169)
Proband A1 sagt, wenn ihm die Verordnungsquelle bekannt wird, „findet eine Reak-
tion bei dieser Person in der Regel nicht statt.“ (Z. 72-73)
Der Proband A3 reagiert ebenfalls nicht, wenn er von der Verordnungsquelle erfährt.
(Z.105)
Ebenso A4: „Das ist nichts Besonderes. Das wissen wir alle.“ (Z. 207)
Probandin A8 meint dazu: „Ja, es ist schwierig. Man möchte den Kollegen auch
nicht … sagen … ihr macht was falsch“ (Z. 234-235).
In der Gruppe MFA wird durchweg der Kontakt zur verordnenden Praxis gesucht, in
schriftlicher und telefonischer Form.
7.5 Bedeutung der Psychosozialen Betreuung (PSB)
Das Abstraktionsniveau stellt die Gewichtung der psychosozialen Betreuung dar.
Die Selektionskriterien umfassen den Kontakt, die Intensität der Kooperation und
Kooperationsbereitschaft.
Es ergeben sich vier Kategorien:
1. hohe Bedeutung der PSB im Behandlungskonzept der Praxis: regelmäßige
Absprachen zwischen Arzt und Berater, sowie die Verfügbarkeit und Gleich-
wertigkeit zur medizinischen Versorgung
2. geringe Bedeutung der PSB im Behandlungskonzept der Praxis: lediglich
das regelmäßige einreichen der PSB Bescheinigungen, hier sind keine wei-
teren Kontakte zwischen Praxis und Beratung vorgesehen
51
3. betreutes Wohnen als Ergänzung zur psychosozialen Beratung
4. nicht generelle psychosoziale Hilfebedürftigkeit substituierter Patienten
Durch die unterschiedlichen Formen der Einrichtungen ergeben sich verschiedene
Verfügbarkeiten der psychosozialen Betreuung.
So sind die Ambulanzen und die stationäre Einrichtung mit einem integrierten Kon-
zept ausgestattet, was für die hohe Relevanz der psychosozialen Arbeit spricht und
von den Probanden auch so benannt wird. Hier sind die Sozialarbeiter täglich er-
reichbar und Absprachen und Teambesprechungen Teil der täglichen Arbeit.
Die Gewichtung der psychosozialen Betreuung in den niedergelassenen Praxen ist
im Allgemeinen ebenfalls als hoch zu werten.
Lediglich im Behandlungskonzept von Proband A3 hat die PSB eine „eher geringe“
Bedeutung. (Z. 108) Dies ist unter der zweiten Kategorie zusammengefasst.
Er beklagt „zum Teil große Spannungen“ mit Kollegen aus der Drogenhilfe und
nimmt lediglich Kontakt auf, wenn es um PSB - Bescheinigungen, Problemen mit
Patienten im Konsumraum oder die Überprüfung von Aussagen der Patienten geht.
(Z. 109-121)
Wichtig für die Probanden, die unter Kategorie eins der PSB eine hohe Bedeutung
beimessen, sind die regelmäßige, wöchentliche Verfügbarkeit durch Sprechstunden
in den Praxen, die offenen Bürosprechstunden und die regelmäßigen Absprachen
mit den Beratern bei Problemen.
Proband A4 ist zudem eine Gleichgewichtung der Arbeit wichtig: „Das ist gleichge-
wichtig. Also, ich würde da jetzt … keinen Unterschied machen.“ (Z. 236-238)
Die Probanden A2 (Z. 48-49) und A5 (Z. 43-44) benennen als Ergänzung zur psy-
chosozialen Betreuung das betreute Wohnen unter der dritten Kategorie.
A6 (Z. 317) und A9 (Z. 205) haben Patienten, die keine PSB benötigen. A6 kritisiert
deshalb eine Verallgemeinerung der psychosozialen Hilfsbedürftigkeit durch die
BÄK und KV. Dies ist unter der vierten Kategorie zusammengefasst.
Als Gründe für die Kontaktaufnahme vom Arzt zur PSB werden unterschiedliche
Situationen genannt. So nennt A2 beispielsweise „die Verwaltungsarbeit … Woh-
nung, Wohnungsqualität, evtl. Umzug“ (Z. 241-245), A7 sagt: „Wenn es um Runter-
dosierungen geht, dann spreche ich das auch in der Regel mit der psychosozialen
Betreuung ab … die kennen den Patienten viel besser als ich.“ (Z. 197-198) und A8
meint „fast immer ist es der Beigebrauch … familiäre Probleme, wenn Kinder in der
Familie sind … Termine einzuhalten, aber auch Wohnungssuche.“ (Z. 255-262)
Bei den medizinischen Fachangestellten ergeben sich zwei Kategorien:
52
1. hohe Bedeutung der PSB im Behandlungskonzept der Praxis: regelmäßige
Erreichbarkeit, Verfügbarkeit und Absprachen
2. geringe Bedeutung der PSB im Behandlungskonzept der Praxis: lediglich
Vorschrift, kaum Kontakt
Bei den Probandinnen MFA1, MFA3 und MFA5 ist die Bedeutung der PSB hoch zu
werten. Hier gibt es regelmäßige Sprechstunden in den Einrichtungen und die tele-
fonische Erreichbarkeit ist gegeben. Zudem findet bei Problemen in der Behandlung
regelmäßig ein Austausch zwischen den Beratern und Praxen statt.
Probandin MFA2 gibt an lediglich Vorschriften erfüllen zu müssen und kaum Kontakt
mit den Beratern aufzunehmen. Sie hält die PSB dennoch für wichtig. (Z. 120-124)
Für die Praxis von MFA4 ist das regelmäßige Einfordern der PSB Bescheinigungen
wichtig, „weil der Doktor möchte, dass die Patienten regelmäßig mit den Drogenbe-
ratern in Kontakt ... sind.“ (Z. 176-177) Allerdings gibt es keinen weiterführenden
Kontakt zwischen Praxis und Beratern. (Z. 183-184)
7.6 Wünsche und Ideen für gesetzliche Grundlagen
Die letzte Frage bezieht sich auf die Erleichterung des Arbeitsalltags im Hinblick auf
die Problematik Benzodiazepine unter Substitution.
Die Selektionskriterien umfassen alle Wünsche und Ideen, die mit den rechtlichen
Rahmenbedingungen in Verbindung stehen.
Es ergeben sich Kategorien für die Gruppe A:
1. strengere Prüfung des Verschreibungsverhaltens bei massenhafter Ver-
schreibung
2. keine Verurteilung verantwortungsvoller Substitutionsmediziner die Rezepte
mit „necesse est“ ausstellen
3. Rezeptpflicht für Benzodiazepine im Sinne des BtMG
4. mehr Flexibilität im gesetzlichen Rahmen
Die Probanden A1 und A3 haben keine Wünsche geäußert und sich mit den gesetz-
lichen Vorgaben arrangiert.
Dagegen wünschen sich die Probanden A4 und A9 von der KV eine strengere Prü-
fung des Verschreibungsverhaltens einiger Ärzte.
Proband A4 ärgert sich zudem bis heute über „die Apotheker, die die Privatrezepte
nicht abstempeln.“ (Z. 168-169)
Proband A5 äußert den Wunsch, dass „ein verantwortungsvoll agierender Substitu-
tionsmediziner“ nicht „dafür belangt werden“ darf, wenn er ein Kassenrezept „mit
53
dem Zeichen „necesse est“, ... also medizinisch notwendig“ kennzeichnet und einem
substituierten Patienten auszustellt. (Z. 210-215)
Die Probandinnen A7 und A9 halten die Verschreibungspflicht nach dem BtMG für
Benzodiazepine für eine geeignete Lösung, das Problem einzudämmen. Probandin
A2, die meint: „Ich finde, sie gehören in die Hände der Anästhesisten und nirgends
woanders hin.“ (Z. 264-265)
Allgemein gefasst: Proband A5, A6 und A8 wünschen sich mehr Flexibilität für den
gesetzlichen Rahmen.
Die Probandin A8 beklagt: „... die gesetzlichen Vorschriften sind sehr streng, und
wenn man sich nicht dran hält, hat man hinterher selber juristische Probleme ...“ (Z.
284-286)
A7 meint im Bezug auf die Problematik: „Es wäre wirklich gut, wenn man etwas we-
niger rigide halt mit dem Beikonsum umgehen könnte ...“ (Z. 205-206)
Den Probandinnen MFA1 (Z. 200) und MFA4 (Z. 193) fallen keine Wünsche ein.
MFA2 (Z.139) ist mit den Vorschriften zufrieden.
So ergeben sich lediglich zwei Kategorien:
1. MFA3 würde sich wünschen, dass man Benzodiazepine nur noch auf BtM-
Rezept erhält. (Z. 246-248)
2. Mehr Kontrolle für Ärzte, die Benzodiazepine in Massen verschreiben,
wünscht sich MFA5. (Z. 169-170)
8. Diskussion und Zusammenfassung
In der folgenden Zusammenfassung der Ergebnisse sollen Handlungsvorschläge für
den Umgang mit Benzodiazepin-Konsum unter Substitution diskutiert und dargestellt
werden.
Die Probanden verfügen alle über unterschiedlich viel Berufserfahrung (~ 8 bis 24
Jahre).
Es handelt sich um Praxen, die sich in das Suchthilfesystem integriert haben und
nach ihren Möglichkeiten als ausgelastet zu bezeichnen sind.
Hönekopp (2011) stellt dar, dass substituierende Vertragsärzte im Schnitt über 50
Jahre alt sind und dass das in naher Zukunft in der Versorgung opiatabhängiger
Patienten spürbar sein wird, worauf auch Proband A5 hinweist. (Vgl. Z. 230-233)
Aufgrund der stagnierenden Zahlen substituierender Ärzte und der steigenden An-
zahl substituierter Patienten ist dies vielleicht ein Grund dafür, dass heute schon in
54
der Auswahl der Probanden ein relativ hoher Anteil großer Praxen mit mehr als 40
Patienten (8 von 14) zu finden ist.
Bei den Vorüberlegungen zum Theorieteil sind die fehlenden bzw. mangelhaften
Fortbildungsmöglichkeiten für das medizinische Fachpersonal aufgefallen. (Vgl. Ka-
pitel 3.2.) Weber und Schröder-Printzen (2009) weisen in diesem Zusammenhang
auf die erste anerkannte Fortbildungsmaßnahme der Landesärztekammer Sachsen-
Anhalt hin. (Vgl. LÄK (2012))
Die allgemeine Voraussetzung für eine entsprechende suchtmedizinische Fortbil-
dung für medizinische Fachangestellte wäre aufgrund der Möglichkeit der Aneig-
nung fundierten professionellen Wissens und adäquaten Vorgehensweisen ein qua-
litativer Gewinn in der täglichen Versorgung substituierter Patienten.
Geschah die Auswahl der Probanden und den entsprechenden Praxisformen zu-
nächst lediglich anhand der Anzahl der Patienten, so sind weitere Differenzierungs-
möglichkeiten und Sonderformen der Versorgung substituierter Patienten aufgefal-
len. So finden sich neben der hausärztlichen Versorgung noch zwei Ambulanzen,
eine fachärztliche Praxis für die Zielgruppe Schwangere und Mütter mit Kindern so-
wie die stationäre Einrichtung mit schwerstabhängigen Bewohnern.
Die Substitutionsambulanzen werden von Heinz et. al. (2010) als spezialisierte in-
terdisziplinäre Einrichtungen beschrieben.
Es muss beachtet werden, dass die hausärztlichen und fachärztlichen (gynäkologi-
schen und psychiatrischen) Praxen zusätzlich neben dem üblichen Praxisbetrieb die
Substitutionsbehandlung anbieten, was Einfluss auf die Intensität der Betreuungs-
und Behandlungsmöglichkeiten hat.
Alle Praxen der Probanden nehmen grundsätzlich Patienten auf, die auf Benzodia-
zepine vorab positiv getestet wurden. Die Indikatoren für einen verzögerten Beginn
der Substitution sind für A6 Intoxikationserscheinungen.
Hier müssen das Konsummuster und der weitere Behandlungsverlauf abgestimmt
werden. Wenn der Patient schon länger in Behandlung und plötzlich positiv ist, so ist
die erste Handlung bei dieser Untersuchung das Gespräch mit dem Arzt, auch au-
ßerhalb des üblichen Behandlungsrhythmus. Es wird erfasst, wie der Konsum ent-
standen ist und wie er zurzeit betrieben wird, um im Einzelfall eine neue Behand-
lungsstrategie zu entscheiden. (Vgl. A1 und A9)
A2 und A8 weisen darauf hin, dass Benzodiazepine ggf. auch als Streckmittel für
das konsumierte Heroin verwendet werden und die Patienten nicht merken, dass sie
diese mit dem gestreckten Heroin zu sich genommen haben.
Die weiteren Maßnahmen vor Substitutionsbeginn unterscheiden sich hier allerdings
deutlich von Praxis zu Praxis und reichen vom Angebot der ambulanten Entwöh-
55
nung, der stationären Entgiftung und Einstellung bis hin zur Dosisanpassung nach
Beigebrauch.
Die stationäre Entgiftung vor Behandlungsbeginn aufgrund eines positiven Befundes
sieht A5 als eher schwierig an, da der Patient dann nicht angebunden werden kann
(Z. 88-92).
Es wäre zu überlegen, ob es nicht besser ist, den Patienten mit einer Dosis einzu-
stellen, die dem Beigebrauch entspricht und ihn unter der Bedingung aufzunehmen,
in einem gewissen Zeitrahmen einen stationären Aufenthalt einzuplanen.
Hilfreich wäre hier sicherlich auch die Zusammenarbeit mit der psychosozialen Be-
gleitung. Vgl. MFA3 (Z. 150-152).
Das Screening zur Aufnahme hat eine unterschiedlich starke Gewichtung in Bezug
auf die ausgesuchten Substanzen, was nach Heinz et. al. (2010) mit der individuell
zu gestaltenden Verteilung der Einzelbestimmungen zusammenhängen kann.
Interessant an dieser Stelle ist, dass vier der vierzehn Probanden nicht auf THC
testen und es explizit benennen. Hier wurde in erster Linie als Grund die Verfäl-
schung der Testergebnisse durch das Screeningverfahren angeführt. Außerdem
betrachteten die entsprechenden Probanden THC für die Substitutionsbehandlung
als eher zweitrangig. Vgl. A6 (Z.73-78), A7 (Z.55), A8 (Z.150-161)
Ein Grund für die Nachrangigkeit des THC Screenings könnte sein, dass es beim
Konsum zunächst keine akuten, die Substitution gefährdenden Wechselwirkungen,
wie beim Gebrauch von Benzodiazepinen in Verbindung mit Opioiden gibt.
Handlungsvorschlag 2:
Um sich ein möglichst gutes Bild von der Intensität der Abhängigkeitserkrankung
machen zu können, empfiehlt es sich, bei Aufnahme zunächst ein komplettes
Screening aller Substanzen durchzuführen.
Handlungsvorschlag 1:
Die grundsätzliche Aufnahme des Patienten trotz positiven Befundes ist aus
Gründen der Anbindung durch die Substitutionsbehandlung an die medizinische
Versorgung gerechtfertigt.
Wichtig ist, das Konsummuster zu erfragen und die Dosierung des Substituts dem
zusätzlichen Konsum anzupassen sowie bei Aufnahme klar zu vereinbaren, dass
dieser abgestellt, bzw. zunächst reduziert werden muss.
56
Bei der Behandlung variieren die festen Intervalle zwischen sechs und acht Wo-
chen. Das hängt zum einen mit der Praxisform und der Patientengruppe zusammen,
wie bei der Probandin A8, ist aber auch mit von finanziellen Gesichtspunkten ab-
hängig.
Die klinischen Aspekte sind für die Kontrollen außerhalb der Intervalle wichtig. In
erster Linie sind es Intoxikationserscheinungen wie Gangunsicherheit, verwaschene
Sprache, reduzierter Allgemeinzustand und Benommenheit. Vgl. A1 (Z. 30-31), A6
(Z. 103-105).
Nach Weber und Schröder-Printzen (2009) sollte die Durchführung der Urinkontrol-
len grundsätzlich unter Sicht durchgeführt werden oder vorher eine Durchsuchung
stattfinden. Die Verteilung der grundsätzlichen Urinkontrollen unter Sicht, bei Bedarf
und nicht üblichen Urinkontrollen unter Sicht zeigt, dass diese Handhabung in 50%
der Einrichtungen nicht durchgeführt wird (7 von 14).
In der Literatur zur professionellen Pflege wird der Zusammenhang zwischen Se-
xualität, Scham und der professionellen Handlung beschrieben. (Vgl. Ekert (2005)
und Pernlochner-Kügler (2010))
Ähnlich könnte man diese Gesichtspunkte auf die Urinkontrolle unter Sicht in der
Substitutionsbehandlung übertragen. Das Gefühl des Ausgeliefertseins wird schon
durch die Substitutionsbehandlung an sich ausgelöst. Durch die zwangsweise unter
Sicht durchgeführte Urinkontrolle verstärkt sich die Scham zusätzlich und ohne Ver-
dacht auch unnötig.
Eine gute Zwischenlösung ist sicherlich die Durchführung der Urinkontrolle unter
Sicht bei Bedarf (5 von 14). Die Probanden nennen hier zum Beispiel den kühlen
Urin als Indikator. Vgl. A2 (Z.102-103).
A5 betont, dass man bei einer Substitution, bei der es zunächst um die Sicherung
des Überlebens geht, positive Urinkontrollen länger duldet, als bei zunächst stabilen
Patienten. (Z. 127-129)
Die Kommunikation hat in der Behandlung substituierter Patienten einen besonde-
ren Status. Ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis, das aus der Kommunika-
tion wächst, kann für eine gelungene Substitutionsbehandlung entscheidend sein.
Handlungsvorschlag 3:
Es ist angebracht, bei Auffälligkeiten, wie kühlem Urin oder Intoxikationserschei-
nungen grundsätzlich, eine Urinkontrolle ggf. unter Sicht durchzuführen.
57
Constantinescu-Fomio, Rath, Werner, und Grec (2008) betonen die Wichtigkeit der
Gesprächsführung im Kontext Arzt-Patient.
Die untersuchten Interviews spiegeln auf der Ebene der Kommunikation ebenfalls
eine hohe Gewichtung des Arzt-Patientengespräches wider.
Die Intervention „Gespräch“ ist ein wichtiges Instrument, um die Grenzen und Ziele
der individuellen Behandlungsmöglichkeiten neu zu setzen. Vgl. A1 (Z. 42-44), A2
(Z. 145-152), A3 (Z. 67-68), A4 (Z. 52-54), A5 (Z. 140), A6 (Z. 127-131), A7 (Z. 49-
50), A8 (Z. 159), A9 (Z. 55-58).
Die Regelmäßigkeit der Gespräche im Besonderen bei einem instabilen Behand-
lungsverlauf spielt eine wichtige Rolle. Die BtMVV führt unter dem § 5 Abs. 2 Nr.5
die Regelung der wöchentlichen Konsultation an, an die sich die Praxen auch hal-
ten. Vgl. zum Beispiel MFA4 (Z. 42-44) und A7 (Z. 46-50).
Probandin A9 merkt bei regelmäßigem Benzodiazepin-Beikonsum an, dass man
Handlungsalternativen im Gespräch erarbeiten und der Patient sich über die Funkti-
on des zusätzlichen Konsums bewusst werden muss. (Z. 111-117)
A5 betont die Wichtigkeit der engmaschigen Konsultationen beim regelmäßigen
Benzodiazepin-Konsum (Z. 93).
Es empfiehlt sich für das Arzt-Patienten-Gespräch in der Suchtmedizin die Methode
des „motivational interviewing“ (MI) nach Miller und Rollnick. Diese Methode arbeitet
mit den Ambivalenzen des Patienten und lässt ihn Argumente zur Veränderung
selbst benennen. So verstärkt man die Veränderungspotentiale und schafft erkenn-
bare Veränderungsoptionen. Körkel (2012) beschreibt die Methode in einem Über-
blick und als Manual in der Arbeit mit abhängigen Patienten.
Heinz et.al. (2010) weisen darauf hin, dass sich MI in der ambulanten Arbeit der
Suchthilfe etabliert hat. Demmel (2010) beschreibt MI als Methodik in der Verhal-
tenstherapie.
Die weiteren Regeln der Probanden für die Gesprächsführung sind ein offener, di-
rekter Umgang mit der Problematik, der individuell gesehen werden muss. Außer-
dem ist es ihnen wichtig, sich Zeit zu nehmen, Probleme zu thematisieren, Ziele zu
formulieren, Fortschritte zu loben und Grenzen zu setzen. Das Bewusstsein für
krankheitsbedingte Täuschungen der Patienten beugt einer persönlichen Verletz-
barkeit vor. Empathie und Verständnis können in der Behandlung hilfreich sein.
Handlungsvorschlag 4:
Für eine gelungene Arzt-Patienten Beziehung ist der regelmäßige Kontakt mit
einem offenen, direkten Umgang wichtig. Gespräche sollten bei substituierten
Patienten nach Möglichkeit unter den Aspekten des motivational interviewing ge-
führt werden.
58
Es haben sich Unterschiede in den Interventionsformen zwischen den verschiede-
nen Praxen herausgestellt, was mit den Praxisformen, der Intensität des Arzt-
Patienten-Verhältnisses und der Kontrollfähigkeit des Patienten zusammenhängt.
Die ambulante Entwöhnung allein findet in unterschiedlichen Formen statt. Während
beispielsweise bei der Probandin A2 das stufenweise Ausschleichen der Benzodia-
zepine im Austausch mit trizyklischen Antidepressiva üblich ist (Z. 73ff), berichtet
A6, dass er mit der ambulanten Entwöhnung eher schlechte Erfahrung gemacht hat
und diese nicht in seiner Praxis anbietet (Z. 177-179).
In der Praxis der Probandin MFA3 werden Patienten, die regelmäßig Benzodiazepi-
ne konsumieren, Rivotril in ausschleichender Dosierung angeboten (Z. 125-127),
wobei ein kleiner Teil dieser Patienten auf Dauer Rivotril bekommt und damit ohne
weiteren Konsum leben kann (Z. 198ff). Es werden kostenintensive Benzodiazepin-
differenzierungen qualitativ und quantitativ vorgenommen, um einen zusätzlichen
Konsum zu verhindern (Z. 133-143).
Bei langjähriger bis jahrzehntelanger Abhängigkeit, vgl. A7 (Z. 113ff), ist zu überle-
gen, ob eine Substitution mit Benzodiazepinen nicht eher eine Alternative darstellen
kann, wenn man die Nebenwirkungen von trizyklischen Antidepressiva bedenkt, z.B.
Beeinflussung des Blutdrucks und des Herzschlags, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall,
Verstopfung.
Bei einem dem Drogenkonsum geschuldeten, fortgeschrittenem Alterungsprozess
(vgl. Vogt, Eppler, Ohms, Stier und Kaucher (2010)) kann eine Beeinflussung des
Herz-Kreislaufsystems durch Verabreichung von Antidepressiva nicht die Behand-
lung der Wahl sein, sondern eher eine angepasste Substitution, ggf. auch mit Ben-
zodiazepinen.
Das Problem des zusätzlichen Konsums bleibt hierbei jedoch bestehen. (Vgl.
Weizman et. al. (2003)) Er ist nur bedingt zu kontrollieren, da weiterreichende Kon-
trollmaßnahmen den Kostenrahmen sprengen. Vgl. A7 (Z.211-215). Daher ist das
Abwägen der Behandlungsmethoden hier die einzige Möglichkeit zu entscheiden,
bei welchen Patienten eine Substitution mit Benzodiazepinen funktionieren könnte.
Vgl. A7 (Z. 141-144).
Die Mischung von verschiedenen Medikamenten in der Substitution birgt allgemein
die Gefahr von zusätzlichen Organschädigungen, wie der Leber und ggf. Wechsel-
wirkungen mit HIV- oder Hepatitis-C-Medikamenten. (Vgl. Estler und Schmidt
(2007)) Vor einem Mischkonsum verschiedener Substanzen und dem individuellen
Medikamentencocktail warnt auch Proband A5 (Z. 114-116; 180-185).
59
Benzodiazepin-Analoga verschlimmern das Problem des Mischkonsums. Es handelt
sich um Medikamente mit einer ähnlichen Wirkung wie die der Benzodiazepine, auf
die auch Probandin A2 (Z. 272-277) hinweist.
Eine andere gängige Methode ist in den meisten Praxen die Anpassung der Dosie-
rungen des Substitutes, wenn im Gespräch festgestellt wird, dass die Dosis zu ge-
ring angesetzt ist. Werner, Schwejda und Tretter (2008) beschreiben dieses Vorge-
hen beim fortführenden Craving.
Ebenso wird aber auch aus Sicherheitsgründen die Dosierung herabgesetzt oder
ausgelassen, wenn der Arzt den Konsum als sehr massiv einstuft. Vgl. MFA4 (Z.
115-120), A5 (Z. 149-157), A6 (Z. 148-149).
Bei Veränderungen der Dosierung ist der Patient mit einzubeziehen, da er der Spe-
zialist seiner Erkrankung ist. Probandin A2 fragt regelmäßig nach Suchtdruck und
bezieht ihn in den Entscheidungsprozess mit ein. (Z. 123-125)
Als weniger üblich wird der Wechsel des Substitutes nach dieser Untersuchung
wahrgenommen. Dies könnte zum einen daran liegen, dass Craving und Beikonsum
nicht als Nebenwirkung des Substituts gesehen werden und lediglich die körperli-
chen Symptome, wie zum Beispiel vermehrtes Schwitzen, Übelkeit und Obstipation
als Anlass genommen werden, einen Wechsel durchzuführen. Vgl. MFA4 (Z. 125).
Zum Beispiel sieht Proband A4 keinen Zusammenhang zwischen einem Benzodia-
zepin-Konsum und dem Substitut. (Z. 128-129)
Nach der theoretischen Vorbereitung- insbesondere den Informationen aus der
STABIL-Studie und den Ergebnissen dieser Untersuchung- stellt der Wechsel des
Substituts von Methadon auf Polamidon eine relativ unproblematische Methode dar,
um festzustellen, ob nach Umstellung eine Besserung des Allgemeinzustandes und
des Suchtdrucks auftritt.
Handlungsvorschlag 5:
Bei der medikamentösen Einstellung des Patienten ist zum einen die fachärztli-
che Ausbildung ein Aspekt die Einfluss auf die Behandlung hat.
Je nach Patient und Konsummuster empfiehlt es sich, zwischen allen Behand-
lungsmöglichkeiten abzuwägen.
Zu prüfen ist allerdings in jedem Fall, ob eine psychische Störung vorliegt, die mit
dem zusätzlichen Konsum durch den Patienten selbst behandelt wird.
60
Ein Grund für die fehlende verbreitete Umstellung können die unterschiedlichen
Kosten sein. So liegt laut AOK Nordwest (2012) die Rezeptur von 120mg Methadon
bei 3,00 € pro Tag, 60mg Levomathdon als Einzeldosis dagegen kostet 5,46 € pro
Tag.
Die ambulante fachärztliche Versorgung von Patienten mit Benzodiazepin-
Beikonsum oder psychiatrischen Erkrankungen ist für die meisten Probanden das
Mittel der Wahl.
In der Praxis der Probandin MFA5 wird der Patient schon zu Beginn der Substitution
zum Neurologen geschickt, wenn es um den zusätzlichen Konsum von Benzodiaze-
pinen geht. (Z. 58-59)
Für die Probandin A8 liegt ihr Schwerpunkt auf der Vergabe und der Psychiater ist
zuständig, wenn es psychiatrische Schwierigkeiten gibt. (Z. 220-222)
Probandin A2 ist sehr kritisch, wenn es um die konsiliarische Behandlung durch
einen Psychiater geht und hält die Fäden lieber selber in der Hand. (Z. 203ff)
Durch die gemeinsamen Sprechstunden in der Vergabestelle der stationären Ein-
richtung von Probandin A7 ergibt sich ein direkter Kommunikationsweg, der bei der
Versorgung der Patienten von Vorteil ist.
In der Ambulanz von A4 werden psychiatrisch angeordnete Medikamente morgens
mit herausgegeben. (Z. 199-205) Dies ist eine weitere Möglichkeit, den Patienten
jeden Tag im Blick zu haben und zu wissen, welche Medikamente er wirklich nimmt.
Bei Schwierigkeiten kann der Psychiater/Neurologe schnell informiert werden.
Auch Zemke und Paschke (2011) berichten von dieser Vorgehensweise und von
guten Erfahrungen mit telefonischen Absprachen.
Handlungsvorschlag 6:
Bei der Änderung der Dosierung spielen individuelle Aspekte und die Ausprägung
des Konsums eine Rolle.
Die Änderung der Dosierung sollte ausführlich mit dem Patienten be- und abge-
sprochen werden.
Bei ausgeprägtem Konsum anderer Substanzen und einer Reduzierung des All-
gemeinzustandes sollte zunächst ein Wechsel des Substituts in Betracht gezogen
werden, um festzustellen, ob der Patient sich mit einer anderen Substanz stabili-
sieren kann.
61
Probandin A2 wünscht sich die Möglichkeit einer flächendeckenden, psychothera-
peutischen Behandlung für posttraumatisierte Patienten, die sich mit Benzodiazepi-
nen selbst behandelt haben und kritisiert die häufige Grundvorrausetzung der abge-
schlossenen Substitution, aufgrund des anhaltenden das Bewusstsein beeinflus-
senden Zustandes. Ein Wechsel des Substituts- beispielsweise von Polamidon auf
Suboxone- durch den Arzt kann ihrer Überzeugung nach den Patienten therapiefä-
hig machen. Vgl. Z. 156-182.
Stationäre Entgiftungen sind für alle Praxen ein übliches Mittel, eine Verhaltensän-
derung beim Patienten zu erwirken.
Probandin A9 versucht das bei besonders schwierigen Fällen mit „Beikonsum-
Entgiftungsauflagen“ (Z. 124-126). Bei einem instabilen Verlauf muss bei den Pro-
banden A4 (Z. 132-137) und A5 (Z. 133-135) ein individueller Zeitrahmen bestimmt,
und über eine Beikonsum-Entgiftung gesprochen werden.
Im Interesse des Patienten darf das Druckmittel stationäre Entgiftung genutzt wer-
den, wenn das Verhalten nicht selbstständig vom Patienten durchbrochen werden
kann. So kann zunächst eine physische Erholungsphase erwirkt werden. Die disziplinarische Entlassung wegen massiven Beikonsums kann nach der Aus-
wertung eher als ein untypisches Mittel und nur als bedingt gängig beschrieben
werden. Zudem macht es in Anbetracht der Problematik Opiatabhängigkeit auch
wenig Sinn den Patienten entweder regelmäßig zwischen den Praxen hin und her
zu reichen oder ihn aus der Behandlung zu entlassen.
Eine stabile Patienten-Arzt Beziehung stellt nach Hönekopp (2011) eine Konstanz
dar, die viele Patienten sonst nicht erfahren und schafft so ein Vertrauensverhältnis,
das die Chancen für langfristige Verhaltensänderungen schaffen kann.
Diese brauchen oft sehr lange, bis zu mehreren Jahren und sind mit vielen Rück-
schlägen verbunden. (Vgl. Piest (2011))
Handlungsvorschlag 7:
Es empfiehlt sich eine fachärztliche, kollegiale Beratung und konsiliarische Über-
weisungen mit kurzen Informationswegen und ggf. Medikamentenausgabe über
die Vergabestelle.
Idealerweise führen Psychiater und Substitutionsarzt gemeinsame Sprechstun-
den durch.
62
Auch für den Arzt kann bei falschen Vorstellungen bezüglich Abhängigkeit und
Sucht und den entsprechenden Chancen auf Heilung ein Rückschlag als persönli-
che Niederlage empfunden werden. Vgl. A4 (Z. 31-40).
Hönekopp (2011) macht klar, dass der Behandlungsprozess nicht ohne Konflikte
ablaufen kann.
Bei manifestem Konsum von Benzodiazepinen, mit gehäuften Intoxikationsphasen
ist nach A6 abzuwägen, ob die Gefahr der Abdosierung und Entlassung größer ist,
als die Fortführung der Substitution mit angepasster, entsprechender Dosierung (Z.
152-155).
Proband A5 spricht besonders bei einer langen Fortführung der Substitution, nicht
mehr von Abstinenzorientierung der Substitutionsbehandlung, sondern von einer
lebenserhaltenden Maßnahme (Z. 21-22).
Die Bedeutung der psychosozialen Betreuung in den Behandlungskonzepten der
Einrichtungen ist als hoch zu werten.
Die regelmäßige Präsenz in den Praxen und die integrierten Beratungsstellen in den
Ambulanzen bzw. der stationären Einrichtung haben den Vorteil der „kurzen Wege“
zwischen behandelndem Arzt und Berater.
Auch in der Behandlung des Konsums anderer Substanzen kommt der PSB eine
wichtige Aufgabe zu und kann einer destabilisierten Lebenslage vorbeugend wirken,
indem Arzt, Berater und Patient eng zusammenarbeiten. Vgl. A5 (Z. 50-55). Auch
Rukiek (2011) spricht sich für eine Synthese medizinischer und psychosozialer Ver-
sorgung aus. Zudem beschreibt Piest (2012), wie die PSB bei einer Integration in
das Behandlungskonzept eine Ergänzung zur ambulanten Langzeitentgiftung dar-
stellen und bei der Therapiemotivation besonders zu Beginn erfolgreich unterstützen
kann.
Im Gegensatz dazu ist jedoch anzumerken, dass eine Verallgemeinerung der psy-
chosozialen Hilfsbedürftigkeit Kapazitäten in den ambulanten Beratungsstellen kos-
Handlungsvorschlag 8:
Bei massivem Konsum sollte ein Zeitrahmen für die stationäre Entgiftung gesetzt
werden.
Allerdings ist von einer Sanktion in Form von Entlassung abzusehen, da es zu-
nächst um das Überleben des Patienten geht.
Es muss beachtet werden, dass eine kontinuierliche Arzt-Patienten-Beziehung in
der Substitution nicht konfliktfrei ist und nach Lösungen gesucht werden muss.
63
tet. So äußern die Probanden A6 (Z. 323ff) und A9 (Z. 205-208), dass es Patienten
in ihren Praxen gibt, die keine psychosoziale Betreuung benötigen. So empfiehlt
Gerlach (2011) eine angemessene Unterstützung durch die psychosoziale Betreu-
ung nach ausführlicher Erhebung der Hilfsbedürftigkeit.
Die Praxen der Probanden A3, MFA2 und MFA4 haben keinen regelmäßigen Aus-
tausch mit den entsprechenden Hilfesystemen. Daher erfüllen sie auch nicht die von
den RL-BÄK geforderte Koordination der medizinischen und psychosozialen Maß-
nahmen unter dem Therapiekonzept. Das Einfordern der PSB-Bescheinigungen
allein reicht hier nicht aus.
Das Bekanntwerden der Verordnungsquelle löst bei fünf von neun Probanden der
Gruppe A eine Reaktion in Form von Kontaktaufnahme zum entsprechenden Medi-
ziner aus. Auch bei den Probandinnen der Gruppe MFA wird in vier von fünf Fällen
durch die Praxis Kontakt aufgenommen.
Der § 2 Abs.2 der Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte,
schreibt die gewissenhafte Ausübung der ärztlichen Tätigkeit vor, die am Wohl der
Patientinnen und Patienten auszurichten ist. Für die meisten Probanden gehören
nach dieser Untersuchung auch das Informieren der Kollegen und das eventuelle
Anmahnen des Verschreibungsverhaltens dazu, auch wenn der Erfolg als eher mä-
ßig beschrieben wird.
Was an dieser Stelle unverständlich erscheint, ist die Reaktion der Praxis von Pro-
bandin MFA2, die den Patienten mit einer Entlassung sanktioniert, wenn dieser sich
bei anderen Ärzten mit Benzodiazepinen versorgt. Vgl. Z. 106-108. Proband A6 be-
tont dagegen, dass der Beigebrauch von jeglichen Substanzen Teil der Erkrankung
ist. Vgl. Z. 61-63. Der Patient ist der Symptomträger und wird dafür bestraft.
Handlungsvorschlag 9:
Es empfiehlt sich die regelmäßige Verfügbarkeit durch eine Sprechstunde der PSB
in der Praxis. Die Kommunikationswege werden dadurch sowohl zwischen Beratern
und Patienten, als auch zwischen Beratern und Arzt erleichtert und ermöglichen
regelmäßige Absprachen.
Der Konsum weiterer Substanzen in kontinuierlicher Form kann die Intervention
durch die PSB erfordern. Dies setzt die Abstimmung zwischen Mediziner und Bera-
ter voraus. Zudem kann das ambulant betreute Wohnen die Beratung ergänzen.
64
Die Wünsche an den Gesetzgeber wurden in sehr unterschiedlicher Weise geäu-
ßert. Eine Übereinstimmung gab es jedoch bei den Probandinnen A7, A9 und
MFA3, die sich allgemein für eine Aufnahme der Benzodiazepine in das BtMG, wie
beim Flunitrazepam, vorstellen könnten.
A4, A9 und MFA5 wünschen sich mehr Kontrolle für die Ärzte die Benzodiazepine in
Massen verschreiben. A5 hält dies für schlecht, da er Bedenken hat, dass es zu
einem Generalverdacht gegenüber Ärzten die Benzodiazepine verordnen, kommen
könnte. Vgl. Z. 200-204. Die Kontrollen wären zudem schwer umzusetzen und kos-
tenintensiv.
Nach der Analyse der Daten kann man Unterschiede in der Handhabung mit dem
bestehenden Problem des zusätzlichen Benzodiazepin-Konsums unter Substitution
erkennen. Die Forschungsfragen wurden durch die Betrachtung der untersuchten
Substitutionsformen beantwortet und spiegeln so die Heterogenität der Behandlung
und der subjektiven Entscheidungsmuster wider. Unterschiedliche Handhabungen
und Meinungen konnten gegenübergestellt und Gemeinsamkeiten in Form von
Handlungsvorschlägen verfasst werden.
Beim Sampling fielen verschiedene Dinge auf. Da wären zunächst die Widerstände
der Ärzte im Qualitätszirkel, die sich gegenüber dem Thema Umgang mit Benzodia-
zepin-Konsum unter Substitution und einer Befragung ihrer medizinischen Fachan-
gestellten verschlossen haben und signalisierten „an uns kommen sie nicht vorbei“
(Zitat). Diese Reaktion könnte die Sensibilität des bearbeiteten Themas, aber auch
den Umgang mit der Problematik Konsum anderer Substanzen unter Substitution
allgemein signalisieren.
Handlungsvorschlag 10:
Es sollte immer in schriftlicher oder telefonischer Form Kontakt zu den verord-
nenden Praxen bzw., den verantwortlichen Mediziner aufgenommen werden.
Fehlende Informationen bezüglich der Substitutionsbehandlung können auf die-
sem Weg weitergegeben und an die genaue Überprüfung der Behandlungsme-
thode erinnert werden.
Handlungsvorschlag an den Gesetzgeber:
Aufnahme der Benzodiazepine in das BtMG, um das allgemeine Risiko der Ab-
hängigkeitserkrankung einzudämmen und die Medikamentengruppe ggf. für eine
Substitution bei schwerer Abhängigkeit verschreibungsfähig zu machen.
65
Dann fällt die ungleichmäßige Stärke der Vernetzung der substituierenden Ärzte in
den Kommunen auf. Zudem gestaltet sich die kollegiale Kommunikation und Zu-
sammenarbeit mit den ambulanten Hilfesystemen sehr unterschiedlich.
In einer Stadt mit über 500.000 Einwohnern, in der eine große Drogenhilfe-
Einrichtung tätig ist, kommuniziert die psychosoziale Betreuung zum Beispiel kaum
mit den Praxen und den behandelnden Ärzten. So konnte hier auch niemand für
diese Untersuchung angeworben werden.
Es stellte sich im Hinblick auf die variierende Intensität der Kommunikation unterei-
nander während der Vorbereitung des theoretischen Teils und bei der Auswertung
der Ergebnisse die Frage, wie eine flächendeckende, einheitliche Qualität in der
Substitutionsbehandlung aussehen könnte, ohne wieder neue, ergänzende Richtli-
nien und Gesetzesgrundlagen einzuführen.
Da die Untersuchungssituationen zum Teil sehr schwierig waren, sind die Längen
der jeweiligen Interviews dementsprechend knapp ausgefallen. Die qualitative In-
haltsanalyse ist hier nicht als Mittel der Wahl zu sehen, da größere Mengen benötigt
werden.
Rückblickend würde sich die deduktive Kategorienbildung für diese Untersuchung
anbieten. Die vorformulierten Kategorien wären messbar eingebettet und die Aus-
sagen leichter zuzuordnen.
Die Interviewlängen sollten auf 40 Minuten erhöht und tiefergehende Fragen formu-
liert werden, um die Handhabung mit dem Problem Benzodiazepin-Konsum unter
Substitution stärker zu fokussieren.
Beispielsweise wäre eine Untersuchung der individuellen Faktoren in Bezug auf den
einzelnen Klienten während der Behandlung, die bei den Befragungen immer wieder
erwähnt wurden, differenzierter zu betrachten.
Für Take-home-Patienten, die sich in einer relativ stabilen Lebenssituation befinden
und mit Benzodiazepinen einmalig rückfällig werden, muss es andere Interventi-
onsmöglichkeiten und Gewichtungen geben, als für den langjährigen, täglich in der
Praxis erscheinenden, von Zeit zu Zeit intoxikierten Patienten.
Eine weiterführende Idee ist daher die Erstellung einer quantitativen Erhebung in
Form eines Fragebogens, in dem Patienten mit unterschiedlichen Konsummustern,
Lebensentwürfen und sozialen Verhältnissen beschrieben und entsprechende Be-
handlungsmethoden abgefragt werden könnten.
Diese Untersuchung bietet an dieser Stelle nur einen subjektiven Einblick und könn-
te so quantitativ ergänzt werden.
66
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1
Interviewleitfaden
1. Einstieg
• Wie lange arbeiten Sie bereits mit substituierten Patienten?
• Welche Rolle spielt für Sie die Erfahrung im Umgang mit substituierten Patienten?
Wie wichtig ist für Sie die Erfahrung?
2. Praxisform
• Wie viele Patienten werden in Ihrer Praxis aktuell substituiert?
• Wer ist an der Vergabe beteiligt?
3. Kontrollinstanz
• Auf welche Substanzen testen Sie bei Aufnahme?
• Wie gehen Sie vor wenn die Urinkontrolle vor Aufnahme Benzodiazepin positiv ist?
Was passiert wenn der Patient vor Aufnahme Benzodiazepin positiv ist?
• Wie häufig führen Sie Urinkontrollen durch?
Wer entscheidet über eine Urinkontrolle?
Wie entscheiden Sie über eine Urinkontrolle?
• Wann werden Urinkontrollen unter Sicht durchgeführt?
2
4. Interventionen / Maßnahmen / Behandlung
• Wie wird in Ihrer Praxis mit einer Benzodiazepinabhängigkeit umgegangen?
Wenn zum Beispiel ein Patient das erste Mal seit sechs Monaten mit einer positiven
Urinkontrolle auf Benzodiazepine auffällig ist?
• Arzt-Patienten Gespräch?
• Dosisveränderungen?
• Substitutwechsel?
• Sanktionen?
• Welche besonderen Schwierigkeiten sehen Sie?
• Behandeln Sie selbst Patienten mit Benzodiazepinen?
• Werden Patienten in Absprache mit Ihrer Praxis durch Fachärzte mit
Benzodiazepinen behandelt?
• Wie reagieren Sie wenn die Verordnungsquelle bekannt wird?
5. Psychosoziale Betreuung
• Welche Bedeutung hat die Kooperation mit der psychosozialen Betreuung in Ihrem
Behandlungskonzept?
• Nehmen Sie Kontakt mit dem Berater auf? Wann nehmen Sie Kontakt mit dem
Berater auf?
6. Gesetzliche Grundlagen
• Welche Wünsche haben Sie an den Gesetzgeber um Ihren Arbeitsalltag im speziellen
im Umgang mit Benzodiazepinkonsum zu erleichtern?
Protokoll A1: Freitag, 06.07.2012; 11.00 Uhr
Niedergelassene Praxis (Allgemeinmedizin)
Geschlecht: m
Vor dem Interview:
Am Morgen habe ich in der Praxis angerufen, um mir den Termin der um 12.00 Uhr ange-
setzt war, bestätigen zu lassen. Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass der Proband den
Termin vergessen hatte und bestellte mich unerwartet eine Stunde früher in die Praxis.
Die Stimmung in der Praxis war aufgrund des Sprechstundenschlusses sehr hektisch und
hat sich auf mich übertragen.
Der Proband bat mich direkt in sein Arztzimmer und gab mir lediglich fünf Minuten für die
Durchführung des Interviews. Dadurch blieb mir keine Zeit für einleitende Vorbereitungen.
Während des Interviews:
Der Proband nahm ungefragt mein Diktiergerät und sprach die Antworten kurz und sehr
knapp hinein. Dabei schnitt er meine Fragen durch das Drücken der Stopptaste heraus.
Die Tür des Arztzimmers war während des Gespräches geöffnet, was für zusätzliche Unruhe
sorgte.
Nach dem Interview:
Die Dauer betrug 6 Minuten.
Anschließend war ich sehr verunsichert und hatte das Gefühl, dass der Proband froh war,
mich wieder los zu sein.
1
Interview Proband A1
F: Wie lange arbeiten Sie bereits mit substituierten Patienten?
A: Seit 17 Jahren arbeite ich mit drogenabhängigen Patienten.
F: Erkennen Sie Unterschiede zu Ihren anderen Patienten? 5
A: Keine Unterschiede zu anderen Patienten.
F: Welche Rolle spielt für Sie die Erfahrung im Umgang mit substituierten Patien-
ten?
A: Die Erfahrung spielt eine sehr große Rolle. (_) Nach 17 jähriger Tätigkeit (__)
Die 17 jährige Tätigkeit bringt sehr große Vorteile. 10
F: Wie viele Patienten werden in Ihrer Praxis aktuell substituiert?
A: Zurzeit werden 35 Patienten in meiner Praxis substituiert.
F: Wer ist an der Vergabe beteiligt?
A: Die Vergabe übernehme nur ich.
F: Auf welche Substanzen testen Sie bei Aufnahme des Patienten? 15
A: Ich teste auf Kokain, Benzodiazepine, Amphetamine, Methadon, (_) Heroin,
TSH.
F: Wie gehen Sie vor, wenn die UK vor Aufnahme auf Benzodiazepine positiv ist?
A: Bei positivem Befund des Urinscreenings vor Aufnahme wird ein ausführliches
Gespräch mit dem Patienten geführt und eine Zielrichtung dargestellt. Die Höhe 20
der Anfangsdosierung richtet sich auch nach dem Beigebrauch des Patienten.
F: Wie ändert sich der Konsum anderer Substanzen im Laufe der Behandlung?
A: Häufig ändert sich der Drogenbeigebrauch und zwar dahingehend, dass die
Patienten deutlich weniger nehmen, sollte das nicht der Fall sein, wird dem Pa-
tienten nahegelegt sich stationär behandeln zu lassen. 25
F: Wie entscheiden Sie über eine Urinkontrolle?
A: Die Urinkontrolle richtet (_) wird meist spontan durchgeführt bzw. wenn ich Auf-
fälligkeiten feststelle, wird sie besonders angeordnet.
F: Was sind das für Auffälligkeiten?
A: Auffälligkeiten sind vermehrte Ermüdbarkeit, vermehrte Reizbarkeit (__) Redu-30
zierung des Allgemeinzustandes usw..
F: Wann werden bei Ihnen UKs unter Sicht durchgeführt?
A: Die UKs werden nicht unter Sicht durchgeführt, es sei denn die Kontrollen finden
durch eine Speichelprobe statt. In der Regel wird aber die Untersuchung per
Urinscreening gemacht, aber bei einigen Patienten auch grundsätzlich über 35
2
Speicheluntersuchungen. Diese Untersuchung führe ich hier, bei mir selber in
der Praxis durch.
F: Wie wird in Ihrer Praxis grundsätzlich mit einer Benzodiazepin- und Opiatab-
hängigkeit umgegangen? Da ist zum Beispiel ein Patient der seit zwei Jahren
bei Ihnen in der Substitution ist und das erste Mal seit einem halben Jahr nach 40
einer positiven UK mit Benzodiazepinen auffällig wird. Wie gehen Sie vor?
A: Bei plötzlichen Auffall und Nachweis von Heroin und Benzodiazepinen finden
ausführliche Gespräche mit dem Patienten statt. Es wird gefragt, wieso es zu
dem Beigebrauch kommt, es werden Therapieziele dargestellt usw.
F: Wird die Dosis verändert? Wie wird die Dosis verändert? 45
A: Während dieses Gesprächs wird festgelegt, ob die Dosis erhöht werden muss
oder nicht.
F: Wie sehen Sanktionen aus?
A: Es finden auch Sanktionen statt, allerdings selten. Sanktionen sind (__) äh, die
Androhung einer stationären Behandlung oder bei massivem Missbrauch, Ab-50
bruch der Substitution.
F: Wann wir die nächste Urinkontrolle durchgeführt?
A: Die nächste Urinkontrolle, wird je nach Zustand des Patienten durchgeführt,
genaue Tage oder Wochen habe ich nicht.
F: Welche Faktoren sprechen für eine Weiterbehandlung? 55
A: Sollte der Beigebrauch die Substitution nicht stören findet eine Weiterbehand-
lung statt.
F: Wo sehen Sie besondere Schwierigkeiten bei der Problematik des Benzodiaze-
pinkonsums?
A: Schwierigkeiten bei einem Missbrauch von Benzodiazepinen sehe ich darin, 60
wenn eine zunehmende Ermüdbarkeit, Desorientierung und auch depressive
Symptome auftreten, dann wird die Substitution beendet und der Patient statio-
när eingewiesen.
F: Behandeln Sie in Ihrer Praxis Patienten mit Benzodiazepinen?
A: Eine Behandlung mit Benzodiazepinen mit Drogenabhängigen findet bei mir 65
nicht statt.
F: Werden Patienten in Absprache mit Ihrer Praxis durch andere Ärzte mit Ben-
zodiazepinen behandelt?
A: Ich habe Patienten die Benzodiazepine benötigen, z.B. wegen schizophrener
Erkrankungen, diese werden allerdings vom Neurologen verordnet. 70
3
F: Wie reagieren Sie wenn die Verordnungsquelle bekannt wird?
A: Wenn mir die Verordnungsquelle für den Benzodiazepinabusus bekannt wird,
findet eine Reaktion bei dieser Person in der Regel nicht statt.
F: Welche Bedeutung hat die Kooperation mit der psychosozialen Beratung in dem
Behandlungskonzept in Ihrer Praxis? 75
A: Die Betreuung mit der PSB Stelle hat einen hohen Stellenwert bei mir. Es finden
wiederholt Kontakte oder, oder regelmäßige Kontakte mit der PSB statt.
F: Wann nehmen Sie Kontakt mit dem Berater auf?
A: Bei Auffälligkeiten des Patienten mit dem Berater bzw. mit der Beraterin aufge-
nommen, teils telefonisch, teils aber auch weil die Beraterinnen ständig oder re-80
gelmäßig bei mir in der Praxis sind.
F: Merken Sie in der Behandlung, wenn in der PSB mit dem Patienten gearbeitet
wird?
A: Nach Rücksprache mit der PSB werden häufig Verbesserungen bei den Patien-
ten festgestellt. 85
F: Haben Sie Wünsche oder Ideen an den Gesetzgeber um Ihren Arbeitsalltag im
speziellen im Umgang mit manifestem Benzodiazepinkonsum zu erleichtern?
A: Mit den Vorstellungen des Gesetzgebers komme ich klar. In der Regel gibt es
keine Probleme.
F: Vielen Dank. 90
Protokoll A2:
Donnerstag, 12.07.2012, 08.30 Uhr
Niedergelassene Praxis (Allgemeinmedizin)
Geschlecht: w
Vor dem Interview:
Das Telefonat zur Terminabsprache war angenehm freundlich. Die Probandin gab mir einen
frühen Termin, damit sie genug Zeit für mich hatte.
Beim Eintreffen in der Praxis, die sehr hell und freundlich eingerichtet ist, wies man mich
zunächst in das Wartezimmer und nach wenigen Minuten wurde ich in das Sprechzimmer
gebeten.
Ich fühlte mich aufgrund des letzten Interviews etwas verunsichert, aber die positive Atmo-
sphäre in der Praxis ließ das in den Hintergrund rücken.
Einleitend zum Gespräch habe ich von mir und meinem Anliegen zum Interview erzählt.
Die Probandin war sehr interessiert und mit der Aufzeichnung des Gespräches einverstan-
den.
Während des Interviews:
Der Rahmen war durch eine geschlossene Tür und die Ruhe im Praxisbetrieb sehr ange-
nehm. Die Probandin nahm sich Zeit und antwortete teilweise sehr ausführlich auf meine
Fragen.
Nach dem Interview:
Die Dauer betrug 20 Minuten.
Aufgrund der Offenheit und des Interesses am Thema fühlte ich mich nach dem Gespräch
sicher.
1
Interview Probandin A2
F: Gut. Wie lange arbeiten Sie bereits mit substituierten Patienten?
A: 8 Jahre in dieser Praxis (_) und ähm in der Klinik war ich schon immer auch die-
jenige, sag ich jetzt mal eher für die Substituierten zuständig war oder auch 5
dann den ambulanten Kollegen zugeführt hat. Und in Vertretung vom Kranken-
haus aus auch ähm bei einer niedergelassenen Kollegin, die auch substituiert
hat. Also, im Urlaub hab ich sie dann auch im Urlaub vertreten, in der niederge-
lassenen Praxis, auch mit Suchtmedizin und so hat sich das für mich irgend-
wann angeboten, auch in die Richtung zu gehen. 10
F: Und wo liegen da für Sie die Unterschiede für Sie zum „normalen“ Patienten?
A: Ähm, gar nicht, das sind für mich jetzt genauso chronisch Erkrankte wie jemand
mit einer chronischen Blutdruckerkrankung oder einer chronischen Esssucht, ei-
ne Anorexie oder Bulimie. Für mich ist da kein Unterschied, das ist eine chroni-
sche Erkrankung und ich find halt oft, das sag ich nur, wenn man sich die 15
Anamnesen anguckt, die Familiengeschichten vor allen Dingen, dass ganz oft
eben posttraumatische Belastungsstörungen oft bei den Substituierenden mit
drin sind oder eben auch wirklich vorher schon im Vorfeld ein Anflug von
Angsterkrankungen oder eine Depression war und die gemerkt haben: Ja, das
klappt ja mit den Drogen ganz gut, die Ängste oder die Depressionen damit in 20
den Griff zu bekommen und sind dann hängen geblieben. Klar, gibt es welche
die auch durch die Substitution auch Psychosen bekommen, aber ich find es
schon auffällig, wie viele in der Familiengeschichte, wenn man mal genauer
nachfragt, die müssen mir nicht nur einen Lebenslauf, sondern auch noch so ein
bisschen mehr so ein bisschen auch schriftlich geben, dann ist da so in der Vi-25
tae, ist da schon einiges, wo man sagt (_): Ok, das ist (_), das hätte man auch
gut abfangen können.
F: Welche Rolle spielt für Sie denn die Erfahrung im Umgang mit diesen Patien-
ten?
A: Inwiefern? 30
F: Ist es wichtig?
A: Doch. (_) Zweigeteilt. Also, ich denke es ist für mich wichtig, aber auch im Arbei-
ten mit allen Menschen ein Stück weit empathisch zu sein, weil wirklich sucht-
abhängig möchte keiner sein. Ja, (_) ich denke das sollte man auch mal ein
Stück anerkennen, dass sie darüber auch vom Umfeld her recht schwierige Si-35
2
tuationen haben und ganz oft einfach überfordert sind. Da sag ich mal, macht es
mir Erfahrung leichter, aber auch zu wissen (_) also, einfach auch zu wissen
ähm, dass viele kleine Schritte wichtig sind und dass man die, (_) also, ich lob
die denn dann auch die kleinen Schritte. ja und jeder Rückfall ist für mich auch
was wo ich sag: Ja, dann üben wir halt wieder. Sie wissen ja wie es geht. Ja, al-40
so, da wird nicht geschimpft oder so. Da sag ich: Jo, was war denn los? Ja, ok,
gut. Aber ein Rückfall ist ja auch dazu da, wieder zu üben. Sie wissen wie es
geht. Sie können´s auch anders. Also bitte, ja.
Ist ja nicht so, dass ein anderer chronisch Erkrankter nicht auch ständig seine
Tabletten nimmt, ja. Ähm, und für mich wird immer wichtiger, so im Laufe der 45
Zeit auch zu sehen, dass schon so das Umfeld, ähm, stabil gehalten werden
sollte, ja. Also, deswegen war es für unseren Substituierenden Verein wichtig,
dass auch wir das betreute Wohnen eingeführt haben, das war mir vor sieben
Jahren ganz, ganz wichtig, zusammen mit dem paritätischen Verband, dass ich
gesagt hab: Ich hab einige die müssen in betreutes Wohnen. Die kippen immer 50
wieder weg, wenn das soziale Umfeld eben nicht da ist und das ist auch einfach
eine Kategorie Mensch der einfach an die Hand genommen werden muss. Und
früher haben das auch Gemeinden oder Kirchen mehr abgefangen, ähm das
fehlt, find ich und dann müssen andere Institutionen her, um das ein bisschen
abzufangen. 55
F: Hat das geholfen dass sie in dieser Wohngruppe jetzt wohnen?
A: Ja, (_) deutlich stabiler.
F: Wie viele Patienten werden in Ihrer Praxis aktuell substituiert?
A: 37.
F: Und wer ist an der Vergabe selbst beteiligt? 60
A: Meine Mitarbeiter und ich.
F: Auf welche Substanzen testen Sie bei Aufnahme des Patienten?
A: Im Urin und im Blut alle. Also, komplett von Heroin bis Cannabis und THC wird
alles getestet.
F: Wie viele Stoffe sind das insgesamt? 65
A: Sieben.
F: Wie gehen Sie vor, wenn vor Aufnahme der Test Benzodiazepin-positiv ist?
A: Ich sprech es an. Ich sprech vor allen Dingen an, welche Substanz. Es gibt auch
Patienten die nicht wissen, dass Benzodiazepine drin sind, weil das einfach dem
Stoff beigemengt ist, ne. Das erhöht ja den Suchtdruck, macht ja abhängiger, 70
3
das wissen auch Dealer, gar kein Thema. Ähm, wenn wirklich ein langer Kon-
sum da ist, dann besprech ich das, dass es da andere Möglichkeiten gibt, dass
sie sich das überlegen sollen, dass sie keine Angst haben sollen, sondern wir
gehen halt schrittweise mit dem trizyklischen Antidepressiva rein und in der
Form in der wir die Dosis aufbauen, gehen wir Schritt für Schritt mit den Ben-75
zodiazepinen runter. Und es ist eben anders, das ambulante Entwöhnen, weil
ich für einen Stoff sozusagen einen anderen gebe, der aber nicht abhängig
macht, weil viele eben den stationären Entzug im Kopf haben und das ist schon
anders. Ja, (_) also, die Leute, (_) die Menschen werden dann eben entlassen
und viele wissen nicht, dass dann die eigentliche Reaktion erst zuhause auftritt. 80
Weil wir wissen´s, bis zu neun Wochen ist die Substanz aktiv im Körper drin und
das eigentliche kommt dann erst nach dem stationären Aufenthalt und diese Er-
fahrung macht oft Angst, ne. Also, dass ich mir wünschen würde, dass das wäh-
rend des stationären Aufenthaltes halt im-mer- wie-der (klopft mit den Silben auf
den Tisch) gesagt wird und dass da auch schon was mitgegeben wird aufbau-85
end und dass das ambulante Entwöhnen hier, ähm, viel geschmeidiger ist und
dass ich den Leuten immer wieder klar machen muss: Ja, wir machen´s einfach
und wenn sie merken es geht nicht, dann sagen sie es einfach, ne. Und sie
kriegen auch nen Plan und sie dürfen auch mit ihrer Dosierung selbst im gewis-
sen Rahmen spielen und das können sie auch ganz gut. (__) 90
F: Ähm , wie häufig führen Sie Uk´s durch? Oder wie entscheiden Sie über UK´s?
A: Kommt drauf an mit wem würde ich sagen (lacht) Es gibt so Spezialisten da ma-
che ich es ein bisschen häufiger, aber so alle 6 Wochen jeder.
F: Aber Sie entscheiden über die UK´s?
A: Also, alle sechs Wochen müssen alle, das ist Routine und (__) ähm, wenn mir 95
einer komisch ist dann kriegt der auch mal wöchentlich oder so dreimal die Wo-
che und dann ist wieder gut. Das sind dann auch eher manchmal pädagogische
Maßnahmen.
F: Werden bei Ihnen Uk´s unter Sicht durchgeführt?
A: Zum Teil ja. 100
F: Was sind das dann für Kandidaten?
A: Ähm, (_) wenn ich den Urin in der Hand hab und der ist mir schon ein bisschen
kühl, so.
F: Dann gehen die Mitarbeiterinnen mit?
4
A: Ja, aber es ist wirklich selten, ne. Ansonsten würd ich auch eher mitgehen. Ich 105
möchte das nicht meinen Mitarbeiterinnen zumuten. Wenn ich das möchte, dann
mach ich das auch selbst. Habe ich auch kein Problem mit.
F: Wie wird allgemein mit einer Benzodiazepin- und Opiatabhängigkeit in Ihrer
Praxis umgegangen? Da ist ein Patient der ist seit zwei Jahren bei Ihnen in der
Substitution und der wird nach sechs Monaten plötzlich mit Benzodiazepinen 110
auffällig.
A: Dann frag ich was los ist.
F: Dann kommt der erst zum Gespräch zu Ihnen rein.
A: Ja, die kriegen dann direkt ein (_) also, wenn sie sagen, wenn sie täglich in der
Substitution sind, müssen sie direkt zu mir und wenn es ein Take-homler ist, 115
dann ist es sowieso ein längeres Gespräch.
F: Ändert sich was an der Dosierung?
A: Ähm, ja zum Teil. Also, wird dann hochgegangen auch. Ja und wie gesagt wird
begleitend dann auch äh ein neues Medikament mit reingenommen oder es
hieß dann auch: Ich war auf ner Party. Ich war blöd. Ich hab mir ne Pille geben 120
lassen und ist gut.
F: Gibt es eine Faustregel wo man sagen kann wie die Dosis erhöht wird?
A: Das wissen die Patienten selbst. Ich frag dann auch immer: Ist denn jetzt der
Suchtdruck da oder? Ja. Und wie viel das wissen die selbst, die konsumieren
seit Jahren. Die kennen sich selbst am besten. Ich weiß nicht warum ich denen 125
eine Dosis vorschreiben müsste. Ja, ist so. Ich frag dann immer: Reicht´s? Und
äh, (_) manchmal sehe ich einfach, also, nicht dass meine Dosierung zuviel ist,
sondern dass einfach Phasen da sind vom erhöhtem Alkoholkonsum. Ja, das ist
ja (_) die legale Droge ist ja auch noch da, muss man ja einfach sagen. Auch
wenn die nicht in den UK´s oder so getestet wird. Ähm, ich finde auch die sollte 130
angesprochen werden.
F: Gibt es Sanktionen?
A: Bei (_) ja, also beim Take-homler, der darf dann auch mal wieder sechs Wochen
täglich hier rein und darf auch am Wochenende zur Vergabe, was viele natürlich
scheuen, ne. Man muss es offen sagen, natürlich auch die Dealer an der 135
Vergabe stehen, obwohl wir das hier mit Sicherheits- und Wachpersonal ein-
dämmen wollen, aber die sind nicht doof und die wissen wo sie hin müssen um
an die Kunden zu kommen, klar (hustet) (_) Und von daher, das wird also schon
5
gescheut, ähm (_) und bei der täglichen Vergabe, ähm, sprech ich es einfach an
und frage was dann los ist und so, ne. 140
F: Und das kriegt man dann auch meistens wieder in den Griff?
A: Ja. (__) Aber ich arbeite nicht gerne mit Angst und Drohungen, sondern eher mit
positiver Verstärkung und das bewährt sich eigentlich auch und ich hab nicht
den Eindruck (hustet) dass ich ein ganz katastrophales Klientel hab. Ich nehm
mir ja auch die Freiheit raus, wenn einige sehr schmerzfrei sind, die auch weiter 145
zu loben, auch wenn ich merk dass in der Zusammenarbeit mit meinen Mitarbei-
tern, ne, also die PSB Bescheinigung kommt nicht, ne, einfach die fünf Euro für
die Wochenendrezeptvergabe kommt nicht rein und einfach nach meiner Ku-
lanzzeit von drei Monaten, wenn ich dann merk der ist auch noch nicht in unse-
rem Praxisrhythmus drin, dann hol ich mir den außerhalb der Untersuchungen 150
auch noch mal rein und mach hier schon mal klar: Wir sind kein Kiosk. Das ist
ne Arztpraxis, ne, so. Und das ist ein Miteinander und kein gegenseitiges Arbei-
ten.
F: Sie haben gerade schon angesprochen, das Problem mit den Psychotherapeu-
ten. 155
A: Ja.
F: Vielleicht können Sie dazu noch mal was sagen.
A: Ja, also, ich würd mir wirklich wünschen, dass äh, es eine ambulante Möglich-
keit gibt auch Patienten eben einer Psychotherapie zuzuführen. Ja, und da geht
es mir vor allem um, ähm (_) ja posttraumatisierte Patienten, den auch einfach 160
sag ich mal, mit kleinen Maßnahmen, ja und ein Ort des sicheren Geschehens
oder irgendwas auch mal zugeführt werden kann, weil das kann ich ambulant
wirklich nicht mehr leisten. Das sprengt dann wirklich den Rahmen. Ähm, das
fände ich wirklich sehr schön. Das ist nämlich mit normalen, also, sag ich jetzt
mal allgemeinen niedergelassenen Psychotherapeuten, (_) die nehmen keine 165
Substituierten, ja (_). Und es ist ja, muss man ja auch sagen, natürlich haben
die eine Substitution, aber die Erwartungshaltung zum Teil: Jemand muss Bei-
konsumsfrei oder außerhalb oder schon völlig entwöhnt sein, um ihm eine Psy-
chotherapie zuzuführen, äh, kann ich so ganz nicht nachvollziehen, weil die sind
auch jetzt und hier im Alltag und brauchen jetzt und hier eine Unterstützung. Na-170
türlich ist es ein anderes Arbeiten, aber ich kann ja auch bei der Auswahl der
substituierenden Substanzen, ja auch Einfluss nehmen. Ich hab sehr wohl Pati-
enten die sehr wohl am Anfang mit Polamidon zu mir kamen, ähm, wo ich so
6
nach vier, fünf Monaten, gemerkt hab, OK sie werden ruhiger. Es wird regulärer.
Das Erscheinen ist sehr regelmäßig, auch bei den Terminen zu der Sozialarbei-175
terin die einmal die Woche zu mir in die Praxis kommt. Damit die nicht eine
Hemmung haben irgendwo reinzugehen, sondern dass die wissen, einmal die
Woche ist die hier und können sich einfach in einen der anderen Räume hier
hinsetzten. Wenn ich so merk das wird ruhiger, ähm und dass so jemand sag
ich mal kognitiv das auch umsetzten kann, biete ich auch Suboxone, ja Suboxo-180
ne biete ich auch eben an, weil das macht den Kopf klar und jeder Patient mit
Suboxone ist einer Therapie zuführbar, definitiv, ja. Da ist eigentlich kein Unter-
schied für mich, das merk ich ja auch in Gesprächen. (_)
F: Behandeln Sie in Ihrer Praxis auch Patienten mit Benzodiazepinen?
A: Ja. 185
F: Am Anfang, wenn die dann kommen und Sie die ausschleichen, so wie Sie das
gerade gesagt haben, ambulant?
A: Ja.
F: Tauschen Sie es dann gegen das Antidepressiva aus?
A: Ja, genau, nur Antidepressiva. ich nehm dann meistens Amitriptylin, in ein-190
schleichender Dosierung, eben zur Nacht, ähm, und sag ich mal, bei einem Drit-
tel von diesen Patienten setz ich dann oft, ja bei den Männer Cymbalta morgens
ein, ähm und dann noch mal so ein anregendes, aber nicht erregendes Substitut
mit drin zu haben und das klappt in der Regel ganz gut.
F: Wie viele Patienten sind das von den 38 die Sie so behandeln? 195
A: Ähm, acht.
F: Ähm, gibt es auch andere Indikationen, außer die Sucht, die Benzodiazepin-
sucht an sich, wo Sie diese verordnen?
A: Ich verordne gar keine Benzodiazepine. Meinen Sie die Antidepressivabehand-
lung? Die haben einige auch ohne die Benzos, die haben einige, auch verschie-200
dene, ich habe auch drei dabei die eine schizoide Psychose haben und darauf
eingestellt sind.
F: Dann auch über andere Praxen?
A: (schüttelt den Kopf), weil es zum Teil auch schwierig ist, ne. Viele scheuen mitt-
lerweile einen Neurologen oder Psychiater, wenn sie die in der Klinik kennenge-205
lernt haben (lacht): Der setzt mir erstmal alles ab was ich kenne und was gut
war. Ja, das ist dann auch schwierig und teilweise es ist aber auch für mich
schwierig, weil ich dann denke: Oh, der war jetzt gerade mit den Beisubstanzen
7
gut eingestellt. Muss das jetzt, auf die Psychose bezogen, im stationären Be-
reich jetzt umgesetzt werden? Also, das ist dann auch für einen niedergelasse-210
nen Arzt so ein bisschen, ah, Heiland es gibt ein Telefon, da kann man auch mal
einen kurzen Dienstweg haben und da auch mal zum Telefon greifen, ja, weil es
wird sich der Kollege auch im niedergelassenen Bereich was dabei gedacht ha-
ben. Ja, es ist zwar schön wenn jemand meint mal ne neue Substanz auspro-
bieren zu müssen, aber nicht an meinem Patienten stationär. Wirklich, das ist 215
schwierig. Ich bin immer froh, wenn sie, sag ich jetzt mal, ruhig im Fahrwasser
sind und dann ist mir Stabilität eigentlich das oberste Gebot und wenn ich das
Gefühl hab deswegen auch mit den Ambulanten, auch mit den Benzos, wenn
sie einfach noch brauchen zur Stabilität, ja gut, aber es wird offen ein Zeitraum
vorgegeben, ne, wir nehmen uns jetzt ein halbes Jahr. Oh das ist lang, ja ok. 220
Dann merken sie aber auch relativ schnell, so nach eben ja 12 Wochen: Oh, bin
ja schon ganz anders drauf, vielleicht brauche ich ja gar kein halbes Jahr. Ja,
und ähm, und wichtiger ist ja auch, sag ich jetzt mal mit den Gewohnheiten,
auch gleichzeitig am Umfeld ein bisschen zu schrauben. Zu sagen: sie brauchen
ja jetzt nicht am Stadtgarten rumzugehen, ja (_) wo irgendwie schon mit den Pil-225
len geworfen wird, dann umgehen sie es auch erstmal, ja. Ist ja klar wenn se
versuchen da schon wieder, dann wird´s auch schwieriger.
F: Wie reagieren Sie wenn eine Verordnungsquelle bekannt wird? (___) Reagieren
Sie überhaupt?
A: (__) Die machen ja auch offizielle Einladungen (lacht) Nein, ich ruf dann auch 230
schon mal an, hm, (nickt) ich ruf dann auch schon mal an.
F: Ähm, welche Bedeutung, das haben Sie gerade schon angedeutet, aber welche
Bedeutung hat die Kooperation mit der PSB in Ihrer Praxis?
A: Ne hohe, ne hohe für mich und wie gesagt wir haben, also ich find das schön
und genieße es auch seit über acht Jahren, in der vorherigen Praxis war das 235
halt nicht so, ne, dann, aber ich find das sehr schön, dass einmal die Woche
zumindest meine Patienten die Möglichkeit haben solche Ansprechpartner zu
haben und natürlich hat die Bürozeiten, noch mal extra, ne, Telefon, zum anru-
fen. Ich find das schon sehr, sehr wichtig.
F: In welchen Situationen nehmen Sie dann Kontakt mit Ihr auf? 240
A: In ganz verschiedenen, also, ganz unterschiedlich. Also, es geht einfach wirklich
um einfach die die Verwaltungsarbeit, ja, mit der ganz viele Patienten überfor-
dert sind, es wird gelernt so einfach mit den Briefen mal irgendwo aufzuschla-
8
gen und dass die nicht irgendwo rumgammeln in der Wohnung, überhaupt
Wohnung, Wohnungsqualität, evtl. Umzug, ja. Wir haben uns über den Verein 245
noch mal einen kleinen Bulli angeschafft, weil das anders gar nicht mehr zu leis-
ten war, weil viele, also das Klientel was ich hier zum Teil übernommen hab, in
Wohnsituationen war, wo ich gesagt hab: Das geht gar nicht, ja. Und die ganz
überrascht waren, dass man das anders machen könnte (lacht) Das sind so Sa-
chen, ne und das find ich schon wichtig oder die Kleinigkeiten. Jetzt wollte, ein 250
substituiertes Pärchen wollte unbedingt Katzen haben, da haben wir lange über-
legt und haben gesagt, wir gucken uns das gemeinsam an und es werden auch
Hausbesuche stattfinden und wenn wir das Gefühl haben das klappt nicht, dann
sind die Katzen auch wieder draußen, ne. Nicht nur haben wollen, sondern dann
auch drum kümmern. 255
F: Also, Sie gucken sich dann die Wohnungen auch an?
A: Die PSB macht dann Hausbesuche.
F: Ah, die PSB.
A: Genau, das haben wir auch zusammen so abgesprochen, das ist dann in der
Form OK. Und sie ist dann mittlerweile auch für die Frau Betreuerin geworden 260
und dann klappt das auch ganz gut.
F: Gibt es Wünsche die Sie an den Gesetzgeber haben, wenn es um den allge-
meinen Umgang von Benzodiazepinen geht, um ihren Arbeitsalltag zu erleich-
tern?
A: Ich weiß gar nicht warum die überhaupt noch auf dem Markt sind. Ich finde sie 265
gehören in die Hände der Anästhesisten und nirgends woanders hin. Das
braucht kein Mensch. Also, was ich öfters mache ist, wenn ich wirklich aus der
Klinik, chirurgische oder orthopädische Klinik lese, dass einem Benzodiazepine
gegeben worden sind, obwohl ich weiß es schreiben ja nicht alle in den Brief
rein, dann greif ich zum Telefon und lasse mir den Chef geben. Also, das ist et-270
was, ich finde die sollten gar nicht mehr auf dem Markt sein. Gibt keinen Grund
dafür, keinen einzigen. Es gibt gute Alternativsubstanzen. Ähm, was mir auch
nicht gefällt, ist auch die, wie soll ich sagen, die Beratung oder Besprechung von
Zypiclon oder Zolpidem, was ja angeblich nicht abhängig machen soll. Das ist
Schwachsinn, das ist ein Abkömmling eines Benzodiazepins und hat natürlich 275
nicht die gleichen Wirkungen wie ne Fluni, aber ist ein Abkömmling, darum
müssen diese Substanzen nicht auf dem Markt sein. Ja, ich kann das sehr wohl
mit anderen Substanzen, ne, ja, auch, definitiv koordinieren, das geht.
Protokoll A3:
Donnerstag, 12.07.2012, 17.30 Uhr
Niedergelassene Praxis (Neurologie)
Geschlecht: m
Vor dem Interview:
Die Kontaktaufnahme zum Probanden erfolgte direkt auf telefonischem Weg.
Er sagte, ich könne jederzeit im laufenden Betrieb in die Praxis kommen. So entschied ich
mich am späten Donnerstagnachmittag das Interview durchzuführen.
Nachdem ich die zu diesem Zeitpunkt noch sehr volle Praxis betreten hatte, wurde ich direkt
in ein Arztzimmer gebeten und musste nur wenige Minuten warten.
Der Proband wirkte trotz der vollen Praxis sehr ruhig.
Ich fühlte mich durch den Vorzug den ich gerade gegenüber den Patienten erhalten hatte, in
der Pflicht, mein Anliegen schnell vorzutragen. Mit der Aufzeichnung erklärte sich der Pro-
band einverstanden.
Während des Interviews:
Die Tür des Sprechzimmers blieb während des Gespräches geschlossen.
Der Proband antwortete ruhig, aber auch sehr knapp auf meine Fragen, was mich verunsi-
cherte. Das Gespräch war daher sehr schwer zu führen.
Nach dem Interview:
Die Dauer betrug 9 Minuten.
Ich habe mich durch den Vorzug und die knappen Antworten des Probanden sehr irritieren
lassen und fühlte mich unzufrieden.
1
Interview Proband A3
F: Wie lange arbeiten Sie mit substituierten Patienten?
A: Seit 1988, macht 24 Jahre. (_)
F: Finden Sie, dass es entscheidende Unterschiede gibt zu anderen Patienten o-5
der normalen Patienten?
A: Große Unterschiede. (_)
F: Und wo liegen die?
A: Das sind Patienten, die ungeduldiger sind und man immer sofort reagieren
muss, die Kassenpatienten sind gewohnt zu warten und sich zu gedulden, das 10
sind die Substitutionspatienten nicht. (__)
F: Ähm, welche Rolle spielt für Sie die Erfahrung im Umgang mit substituierten
Patienten?
A: Eine ganz große. Erfahrung, ich mach alles aus der Erfahrung heraus. (__)
F: Wie viele Patienten werden in Ihrer Praxis aktuell substituiert? 15
A: So 85. (_)
F: Wer ist an der Vergabe mitbeteiligt?
A: Ausschließlich ich selber. (__)
F: Auf welche Substanzen testen Sie bei Neuaufnahme?
A: (_) Auf Opiate, Kokain, Amphetamine, THC, Benzodiazepine und Methadon 20
(___)
F: Wie gehen Sie vor wenn die UK vor Aufnahme Benzodiazepin positiv ist?
A: Ich sag es dem Patienten, dass er eine Runterdosierung mit mir machen könnte
(__)
F: Verändert sich der Konsum im Laufe der Substitution, wenn die Patienten bei 25
Ihnen ankommen?
A: Der Benzodiazepinkonsum? Ja, der ist vielen Schwankungen und Faktoren (__)
unterlaufen und da wird man immer wieder drauf zurückkommen, wenn es da
laufend Schwierigkeiten gibt, es ist häufig einfach ein praktisches Problem.
F: Wie wird bei Ihnen über UKs entschieden? 30
A: Wann die stattfinden?
F: Ganz genau.
A: Nach meinem Geschmack, wie es mir gerade einfällt und in den Sinn kommt.
Ich hab kein Zufallsgenerator, der das dann sagt und die Häufigkeit von Urin-
proben ist auch sehr unterschiedlich. Es gibt Patienten die haben nur einmal im 35
2
Monat eine, die maximale Zahl ist bei mir drei pro Quartal, also eine im Quartal
ist bei allen, aber maximal drei im Quartal, weil nur die von der Krankenkasse
bezahlt werden. Außer zu Beginn der ersten beiden Behandlungsquartale, da
darf man sechs Urinproben im Quartal machen. (_)
F: Aber einmal im Quartal ist jeder dran, sozusagen? 40
A: Da ist jeder dran, ja. (_)
F: Und werden bei Ihnen Uk´s unter Sicht durchgeführt?
A: Nein, unter Sicht gar nicht.
F: Diesen Speicheltest, gibt es den bei Ihnen?
A: Den gibt es zwar bei mir aber den hab ich fast nie an. (__) Meine einzige Probe 45
beim Urin ist die Temperatur im Becher zu überprüfen, (__) sonst mache ich aus
den Urinproben nicht so eine große Diskussion, für mich sind die Urinproben
nicht so wichtig. Ich gucke mehr nach der Klinik, wie und auf welche Art und
Weise die intoxikiert mir erscheinen, wie die hier ankommen und wie die sind,
weil die meisten Patienten die ich hier habe kenne ich schon sehr, sehr lange 50
und da weiß ich wie die sind wenn die was nehmen und wenn die nichts neh-
men.
F: Ist die Fluktuation bei Ihnen nicht so hoch?
A: Ich großes Stammpublikum, viele Patienten die schon 15, 20 Jahre zu mir
kommen. (__) 55
F: Dann wahrscheinlich auch mit Unterbrechung, wenn die in der JVA sind und
dann wiederkommen?
A: Ja, aber auch welche die schon die ganze Zeit da sind. (_) Mein ältester Patient
der war heute Nachmittag hier, der wird auch schon seit 1988 substituiert.
F: Da waren sie sicher einer mit der Ersten die Substituiert haben. 60
A: Ja, ich habe nur nicht hier, sondern in Göttingen gelernt und hierher bin ich 1992
gekommen.
F: Wie wird in Ihrer Praxis mit einer manifesten Benzodiazepin- und Opiatabhän-
gigkeit umgegangen? Zum Beispiel ist da ein Patient der seit zwei Jahren bei
Ihnen in Substitution ist und nach einem halben Jahr plötzlich mit Benzodiazepi-65
nen auffällig wird.
A: Dann kriegt er erstmal gesagt er soll von selbst aufhören, wenn er das nicht
schafft, dann kriegt er ein anderes Schlafmittel angeboten, das nicht süchtig
macht, wenn das auch nicht hinhaut kriegt er eine Benzodiazepinabdosierung
3
angeboten, wenn er das nicht hinkriegt, und meistens klappt das nicht, muss er 70
dann zur stationären Entgiftung. (__)
F: Gibt’s noch andere Sanktionen?
A: Nein, eigentlich nicht.
F: Stellen Sie auch mal um, von Methadon auf Polamidon?
A: (schüttelt den Kopf) 75
F: Was spricht für Sie für eine Weiterbehandlung des Patienten?
A: (__) Ich halte die gerne fest die ich lange kenne und die ich verlässlich finde und
die wo ich weiß da geht alles drunter und drüber die machen sich meistens
selbst vom Acker. (__)
F: Wo sehen Sie die Schwierigkeit bei der Problematik Benzodiazepine? 80
A: (__) Ja, eigentlich das meiste ist die Kriminalität unter Benzodiazepinen, dass
viele klauen gehen, wenn sie unter Benzodiazepineinfluss stehen. Da ist grad
auch die junge Frau die da draußen sitzt, ist eine Meisterdiebin, wenn die Ri-
votril nimmt und das führt dann zu Inhaftierungen und juristischen Schwierigkei-
ten und der zweite Punkt ist dass unter Benzodiazepinen das blaue vom Himmel 85
runter gelogen werden (__)
F: Sie sprechen aber auch hier dann nicht von den Patienten die nur eine oder
zwei nehmen, sondern von einer high-dose-dependence?
A: Ja, richtig.
F: Sie haben gerade schon gesagt, Sie behandeln in Ihrer Praxis auch mit Ben-90
zodiazepinen. Ist das ausschließlich diese Abdosierung?
A: Ja, das ist ausschließlich, hm, die kann sich aber sehr lange hinziehen, bis zu
einem Jahr.
F: Gibt es noch andere Indikationen?
A: Ich behandle manche Epilepsiepatienten auch mit Benzodiazepinen, aber sonst 95
bin ich mit Benzodiazepinen auch bei meinem Kassenarztpublikum sehr zurück-
haltend. (__)
F: Werden Patienten in Absprache mit Ihnen durch andere Praxen mit Benzodia-
zepinen behandelt?
A: (_) Nein, aber manche Praxen schicken mir zur Benzodiapinherabdosierung 100
Patienten, das ist ziemlich häufig so.
F: Wenn eine Verordnungsquelle bei Ihnen bekannt wird und ein Patient kommt zu
Ihnen und erzählt Ihnen der und der Arzt hat mir das und das verschrieben, wie
reagieren Sie dann?
4
A: Ich sag dann: Ist ja interessant und mehr mach ich da einfach nicht. (_) 105
F: Welche Bedeutung hat die Kooperation mit der psychosozialen Betreuung in
Ihrem Behandlungskonzept?
A: Eher eine geringe. Die Patienten werden aufgefordert Bescheinigungen über
ihre PSB zu bringen, das gelingt häufig gar nicht, ich arbeite hier mit der Dro-
genhilfe eng zusammen und gut. Verständnis ist ausgezeichnet. Mit den ande-110
ren Kollegen aus (Zensur) muss ich sagen, mit manchen, den älteren die ich
noch kenne als ich selbst dort gearbeitet habe, verstehe ich mich gut und mit
den jüngeren Sozialarbeitern hab ich da zum Teil sehr große Spannungen.
F: Also da gibt es so gut wie keinen Kontakt?
A: (schüttelt den Kopf) 115
F: Nehmen Sie denn Kontakt zum Berater auf in bestimmten Situationen?
A: Na, auch ganz selten. Wenn der Patient mir irgendwas berichtet was ich nicht
glauben kann, dann lass ich mir das gerne bestätigen (_) oder wenn es um den
Druck- und Konsumraum geht und da Probleme aufgetreten waren mit meinen
Patienten, dann halte ich gerne mit denen Rücksprache und mit denen verstehe 120
ich mich auch sehr gut. (__)
F: Gibt es Wünsche an den Gesetzgeber, die Ihnen den Umgang mit der Proble-
matik erleichtern könnten?
A: Nein, nicht von meiner Seite aus.
F: Vielen Dank. 125
Protokoll A4:
Montag, 16.07.2012, 11.00 Uhr
Ambulanz (Allgemeinmediziner)
Geschlecht: m
Vor dem Interview:
Die Kontaktaufnahme erfolgte auf direktem Weg.
Zunächst sollte die medizinische Fachangestellte interviewt werden, die sich jedoch ent-
schieden hatte das nicht zu tun.
Auf Anfrage erklärte sich der zuständige Mediziner bereit, ein Gespräch mit mir zu führen.
So bin ich nach der Methadon-Vergabezeit in die Ambulanz bestellt worden und wurde direkt
in das Arztzimmer gebeten.
Nach kurzer Einleitung und Einholung des Einverständnisses zur Aufzeichnung des Gesprä-
ches, spielte er mir zunächst „mother little helpers“ von den Rolling Stones vor.
Während des Interviews:
Der Proband war freundlich und mir zugewandt und antwortete teilweise sehr ausführlich,
was die Führung des Interviews sehr erleichterte.
Die Tür stand während des Gespräches auf, was aber nicht weiter störte, da die Vergabe
mittlerweile beendet war.
Nach dem Interview:
Das Gespräch hatte eine Dauer von 22 Minuten.
Aufgrund des Verlaufes und der Zeit die sich der Proband für mich genommen hatte, fühlte
ich mich gut.
1
Interview Proband A4
A: Kennen Sie „mothers little helper“? Das sind ja Mutters kleine Helfer.
F: Achso, von den rolling stones.
A: Genau. Ich find ja youtube so toll (__) 5
(spielt das Lied auf youtube am PC)
A: …please, please, please doctor more likes these…(lacht)
(die Sozialarbeiterin unterbricht kurz)
F: Wie lange arbeiten Sie schon mit substituierten Patienten?
A: (summt das Lied mit) (__) 93 10
F: Immer hier?
A: Immer hier.
F: Finden Sie, dass es einen Unterschied gibt zu anderen bzw. normalen Patien-
ten?
A: Ja, klar. 15
F: Wo liegen die für Sie?
A: Ach, nehmen Sie schon auf? Dann muss ich ja mal ein bisschen leiser machen
(macht die Musik aus) …please, please more like these, ja….
Ja, ähm. Ich mein es ist ja jetzt ein Unterschied ob man psychiatrische Patienten
hat oder ob ich Sportstudenten habe, oder so was, ne, natürlich ganz klar, in der 20
compliance wie man wissenschaftlich sagt. Ne, also nehmen wir einen Sport-
studenten, der kommt hierher mit ner Außenbandruptur, der will unbedingt ge-
sund sein,. Der sagt: bitte, bitte, was soll ich machen und der ist hoch motiviert
und der macht alles während (_) ich bin ja hier, die wollen ja was von mir, ne, in
einer anderen Form, die wollen, die wollen ihre Krankheit ja nicht loswerden im 25
Gegensatz zum Sportstudent der möglichst schnell wieder (_) äh, ich soll da
Krücken und Hilfsleistungen machen, ne (_) äh, und das ist der Unterschied.
F: Welche Rolle spielt die Erfahrung dabei im Umgang mit Substituierten?
A: (___) Das ist ja anonymisiert, ne?
F: Ja, richtig. 30
A: (_) Man wird zynischer, klarer, von Jahr zu Jahr. Ähm, am Anfang hab ich un-
heimlich viel geglaubt und war dem Gutmenschentum noch verhaftet. Nicht dass
ich jetzt nicht helfe, aber ich lass mich so gut wie gar nicht mehr verarschen.
(__) Also, (_) bin ich (_) da nicht mehr so verletzlich, weil ich weiß, wie ein Son-
derschullehrer auch, dass ich eigentlich nur ganz wenig bewerkstelligen kann. 35
2
Der junge Sonderschullehrer möchte auch, dass alle einen Hauptschulab-
schluss machen, merkt mit der Zeit, das geht nicht und ich merke auch, ähm,
dass ich nur ganz wenig machen kann und an meinen eigenen Erwartungshal-
tungen in jungen Jahren auch fast zerbrochen wäre, weil ich dachte, ich könnte
die heilen. Ich kann sie am Leben erhalten wenn ich Glück hab. 40
F: Wie viele Patienten substituieren Sie momentan?
A: 38.
F: Wer ist an der Substitution beteiligt? Also, an der Vergabe?
A: Hier jetzt? (_) Eine Arzthelferin, eine Sozialarbeiterin und ich.
F: Auf welche Substanzen wird bei Ihnen bei Aufnahme getestet? 45
A: (_) Ja, alles. Was ist denn da im Screening drin? Also, alles Opiate, Benzos,
Amphetamine (_) ja, eigentlich alles durch.
F: Was passiert, wenn jemand bei ihnen vor Aufnahme mit Benzodiazepinen posi-
tiv ist?
A: Vor Aufnahme? 50
F: Ja.
A: Das ist ja da Standard. Ja, nix, passiert da, das wird natürlich thematisiert, prob-
lematisiert, alles mögliche, aber für die Aufnahme hat das keine Konsequenzen,
weil wir ja davon ausgehen, dass die Mehrheit polytoxikoman hier sind, d.h. Al-
kohol, Benzos und äh Heroin nehmen. 55
F: Hat das auch Auswirkungen auf die Dosierung?
A: Nee, weil das Methadon greift ja nur die Synapsen da im Gehirn an, die dafür
zuständig sind. Keine Substitution oder Ersatzdrogen oder irgendwas für (__)
Benzodiazepine.
F: Ändert sich der Konsum, wenn die Patienten hier aufgenommen werden? Also, 60
der weiterer Substanzen?
A: (__) Also, ich mein jetzt ist ja jeder Patient anders, aber im Grunde genommen,
also jetzt speziell bei Benzodiazepinen, also, ob sich da der Konsum verändert?
F: Ja.
A: (_) Ja, wir schicken sie ja immer wieder ins Krankenhaus zum Teilentzug, aber 65
nur mit geringem Erfolg. Summa summarum, also Benzodiazepinsucht, Paralel-
lsucht scheint schon sehr stark zu sein. (_) Aber wir achten darauf, diskutieren
das immer wieder und schicken die wieder ins Krankenhaus, aber dass ich jetzt
so im Kopf hätte, ein Dutzend Patienten, die wirklich davon geheilt und wegge-
kommen wären, wüsste ich nicht. Ist schon schwer. 70
3
F: Wie entscheiden Sie über UK´s?
A: Ja, einmal ist es ja festgelegt von der Kasse in diesem, puh, wie heißen die
noch, die Regeln (steht auf und sucht) so ein dickes Handbuch, äh (_) Asto-
Handbuch, ne, Asto Handbuch, ne, dann auch nach der Kasse und wie oft im
Quartal und dann natürlich spontan wie wir so drauf sind, was wir meinen was 75
(__) was wir so wissen wollen.
F: Sprechen Sie das vorher ab?
A: Nein, ja, nene. Die kommen immer ganz überraschend, weil wenn wir das ab-
sprechen dann ist das zuviel.
F: Ich meine beim Personal untereinander, wer jetzt dran sein könnte bei einer UK 80
außerhalb.
A: Ja, das ist kein Problem.
F: Werden UK´s unter Sicht durchgeführt?
A: (__) Hm, das ist also jetzt ein Thema von einer Stunde. Es gibt so gesehen kei-
ne richtige Sicht. (__) Also, das wird ja ganz kompliziert, da müsste, da erzählte 85
eben noch ein Patient: Ja, im Gefängnis nackend ausziehen und so. Das geht
erstmal technisch nicht, will ich auch gar nicht, wir sind ja nicht im Gefängnis.
Man muss ja davon ausgehen, was weiß ich, kennen Sie die Kunststoffpenisse
die im Internet angeboten werden? Also, da müsste man schon ganz verrückte
Sachen machen, weil es gibt ja auch Leute die den Urinbeutel unter dem Arm 90
haben und Kunststoffpenis aus der Hose, den gibt’s sogar für Afrikaner und Asi-
aten und so was und ich werd mich hüten. Und auch bei den Frauen, irgendwas,
ne zu machen. Also, unter Sicht das ist. (_) Manchmal gehe ich mit um so ein
bisschen zu tricksen damit sie nicht soviel Urin so in der Hand haben. Und jetzt
machen wir auch neuerdings auch nochmal mit so nem Testverfahren: wie kalt, 95
wie warm der ist, direkt dran kleben, aber unter Sicht, geht eigentlich gar nicht.
Es sei denn im Gefängnis, so richtig unter Sicht und selbst da können ja Frauen
ohne weiteres in ihrer Vagina noch irgendein Gefäß haben, ein Plastikgefäß, ne.
Ich halte das eigentlich für Blödsinn, wenn ich z.B auch weil ich ja auch andere
Tätigkeiten mache, Leute die vom Straßenverkehrsamt erwischt werden, ne, mit 100
Haschisch Auto fahren, da kommen die mit nem Personalausweis, dann kremp-
le ich den Ärmel hoch, dann wird Blut entnommen und weggeschickt zum toxi-
kologischen Institut, dann weiß ich hundertprozentig, das ist der Patient und
dem hab ich Blut abgenommen und das wird weggeschickt, das kostet 140 €,
dann weiß ich, das ist von dem und das ist auch Rechtssicherheit dem kann 105
4
man dann auch die Fleppe wegnehmen und der kann dann auch mit ´nem
Rechtsanwalt kommen. Das wäre, sag ich mal wenn man wirklich zu hundert
Prozent wissen wollte ist es das und was ist drin. Aber das ist natürlich tech-
nisch nicht drin dass man bei einem Junkie in den Venen rumprockelt oder am
Hals noch Blut abnimmt (lacht) bloß um da ein Screening zu haben. Das wäre 110
der helle Wahnsinn, also das kann man nur machen bei solchen Führer-
scheinsachen oder kriminellen Sachen.
F: Machen Sie auch hin und wieder Benzodiazepindifferenzierung?
A: Ja, also wir haben ja verschiedene Sachen, wir haben einmal die teuren Scree-
nings, die zum Hygieneinstitut gehen und dann die Sticks und bei den äh, (_) die 115
zum Hygieneinstitut gehen, die natürlich teuer sind, die man nicht dauernd ma-
chen darf, da gibt´s ne Quantifizierung. Wobei, ähm da auch meist mehr als
5000 Einheiten sind. Also das ist auch so ne, ne relative Größe, weil das (_) ja.
F: Gibt es Speichelproben?
A: Nee. 120
F: Wie ist das allgemein, wenn Sie merken da ist beispielsweise jemand nach ei-
nem halben Jahr wieder mit Benzodiazepinen auffällig? Ändern Sie etwas an
den Urinkontrollen, an den Intervallen?
A: Nee, die werden immer gleich durchgeführt oder so was.
F: Gibt es Dosisveränderungen? Gibt es Faustregeln für Dosisveränderungen? 125
A: Bei Benzodiazepinen? Dosisveränderungen von Methadon? Nein, nein. Gibt für
mich keinen Zusammenhang.
F: Gibt es Wechsel von Methadon auf Polamidon?
A: Nee, auch nicht. Also, nicht in dem Zusammenhang.
F: Gibt es Sanktionen für den Patienten, wenn Sie merken, dass sich tatsächlich 130
nichts ändert?
A: (__) Ja, also, wir können natürlich, das machen wir auch, wir setzen dann ne
Deadline und sagen: Wenn das nicht aufhört, dann müssen sie ins Kranken-
haus. Und wenn einer sagt: Ich will nicht ins Krankenhaus zum Teilentzug, dann
legen wir denen auch nahe, dass sie den Arzt wechseln müssen. Das ist klar, 135
wir müssen ja irgendwie Flagge zeigen in irgendeiner Art und Weise, sonst wird
ja nur abgenickt und gar nichts getan.
F: Und gibt es da einen Zeitraum irgendwie?
A: Nein, das ist individuell verschieden. Ja, jeder ist da anders, welche Menge und
wie chronisch oder wie wirkt sich das aus. Ähm, (__) wobei ich jetzt noch mal 140
5
sagen muss, was ich hier jetzt zurzeit erlebe ist für mich alles lächerlich, weil ich
ja die Rohypnol-Zeit mitgemacht habe. Das war ja etwa eine, Rohypnol hat die
50fache Potenz von den Tabletten, die wir heute haben. Da bin ich hier hinten
im Arztzimmer gesessen und hatte die Türe auf und vorne schon gehört wie lal-
lend die da rein kamen und ähm, Rohypnol war ja auch der Grund weshalb die 145
ganzen Heroinsüchtigen gestorben sind. Die sind ja nicht damals an Heroin ge-
storben, sondern weil der Zeitrahmen völlig durcheinander war, ob es jetzt vier
Minuten her war oder vier Stunden das war ja gar nicht mehr für die drin und
dann haben die sich in viel zu kurzer Zeit nachgelegt ein Schuss und sind daran
gestorben. Also, was als Herointoter galt, war damals Rohypnol. Das haben die 150
ja noch intravenös applizieren können. Also, das waren Zeiten. Damals waren
die hochgradig süchtig und so durch den Wind, zumal ja eine retrograde Amne-
sie damit im Zusammenhang war und für mich ein Phänomen diese Klaugier.
Also, jeder der Rohypnol nahm, meinte er hätte so ein Tarnkäppchen auf und
hat ne Klausucht gehabt, was die auch selbst bestätigen. Also, das war für mich 155
die schlimmste Zeit, von daher. Damals hatte ich auch wirklich auch montags
das Gefühl: Ob die noch alle leben? Das ist ja inzwischen, Gott lob, erstmal
weg, diese Wahnsinns Rohypnol-Sucht. Von daher sehe ich das heute alles
schon gelassener, weil ich die schlimme, schlimme Zeit miterlebt hab. Rohypnol
intravenös, das ist wirklich. (_) Zumal man konnte sich mit keinem mehr unter-160
halten, weil die kriegten das ja gar nicht mit, wenn man die am nächsten Tag
reinholte und sagte: wir müssen das Gespräch von gestern fortsetzten, dann
wussten die ja gar nicht mehr, dass die ein Gespräch hatten (_) , ne.
F: Gibt es denn heute noch spezielle Schwierigkeiten im Umgang mit Benzodiaze-
pinkonsum? 165
A: Ja, man sieht´s ja immer gemessen daran was man mal so gehabt hat, ne. Also,
für mich ist das hochärgerlich immer noch und auch die Mafia der Ärzte die
Massen verschreiben und die Apotheker, die die Privatrezepte nicht abstem-
peln, das ärgert mich bis heute immer noch. Aber (_) na, das ist wie mit dem Al-
koholbeikonsum, ne, dies und das, also ich seh das so (_) als gegeben und fast 170
gar nicht zu therapieren, wenn nicht von deren Seite ein enormer Therapiewille
da ist. (__) Ich kann das schlimmste verhüten so.
F: Würden Sie bei dem Benzokonsum substituierter Patienten eher vom Miss-
brauch oder von eine Abhängigkeit sprechen?
6
A: (__) Missbrauch oder Abhängigkeit, das ist aber philosophisch (lacht) Also, das 175
wird jetzt ganz schwierig, was ist Missbrauch, was ist Abhängigkeit, soll Miss-
brauch selbstgesteuert sein? Und Abhängigkeit nicht? Also, ich mein wo ist jetzt
da der Unterschied, eher abhängiger Missbrauch, wüsste ich jetzt wirklich nicht
so zu unterteilen.
F: Behandeln Sie Patienten mit Benzodiazepinen? 180
A: Abusus? Ja, klar die Mehrheit hat es ja.
F: Aber behandeln Sie MIT Benzodiazepinen?
A: Ach so, mit, ach so, ähm, also als ob ich so was verschreiben würde, ach so.
Niemals, nein, ich wüsste auch die Indikation: Ich bin so nervös und ich kann so
schlecht schlafen, kotzt mich auch eigentlich an, wenn ich das immer höre, weil 185
ich wüsste jetzt auch keinen der wirklich da (__) ne Indikation hätte. Also, selbst
bei gesunden Patienten kann man höchstens in ganz gewissen Krisensituatio-
nen kurzzeitig mal so was machen. Also, nehmen wir mal an, da verstirbt ein
Mann nach dreißig Ehejahren und die Frau ist wirklich völlig durch den Wind,
dass man da temporär für ne gewissen Zeit lang, leicht gesteuert, aber nicht 190
dieses generelle. Ne, und damit ist für mich ähm ein ganz großes Weltproblem,
ne, wer wann welche Benzos weltweit nimmt.
F: Werden Patienten von Ihnen in Absprache mit anderen Praxen mit Benzodiaze-
pinen behandelt?
A: (___) Ja, was heißt behandelt die gehen zu anderen Ärzten, die von der Sucht 195
leben und lassen sich da verschreiben, ich red da nicht von behandeln.
F: Es ist aber jetzt nicht so dass da beispielsweise ein Neurologe ist der Ihnen
sagt: „Dem muss ich jetzt Benzodiazepine verschreiben.“
A: Nein, wir haben natürlich richtig hochgradig kranke Patienten, die psychotisch
sind. Die bei einem richtigen Psychiater sind. Die auch Neuroleptika kriegen, die 200
wir auch hier verteilen für die, das sind Medikamente, die hochpotent und hoch-
wichtig sind, sowie jetzt Patientin XY, die jetzt acht Wochen in der Uniklinik war.
Dann rufen die hier an, dann vergeben wir die Medikamente. Das ist sachlich-
fachlich korrekt. Die braucht die auch und die verteilen wir auch mit. Das andere
ist alles Suchtförderung und „Geld-machen“. Ist so. (__) 205
F: Wie reagieren Sie wenn die Verordnungsquelle bekannt wird?
A: Welcher Arzt das ist? Das ist nix besonderes, das wissen wir alle, aber ich hab
mit der Amtsapothekerin schon vor 15 Jahren darüber geredet und hab mich
damals sehr, sehr engagiert und ich dachte man könnte da was machen, be-
7
sonders weil das damals mit den Rohypnol-Toten das war. Das ist mir sehr zu 210
Herzen gegangen und ich hatte auch Rezepte gesehen von Apothekern, die nie
abgestempelt wurden, die waren schon ganz dreckig. Also, da konnte der Pati-
ent jedes Mal hingehen, wieder Rohypnol kriegen und dann zur Platte gehen
und das verkaufen. Also, das war ein Riesen-Geschäft da überall und dann hab
ich auch gesagt: Es muss über den Großhandel total locker sein, über den 215
Computer festzustellen, welche Apotheke, ich sag mal nur drei Päckchen pro
Monat Rohypnol ausgibt oder dreihundert oder dreitausend, Und dann hab ich
damals mitgekriegt, dass ich keine Chance hab gegen diese Mafia anzugehen.
Das hat man mir demonstriert und dann ließ ich es sein. Dadurch wird man auch
Zyniker im Laufe der Zeit. 220
F: Welche Bedeutung hat für Sie die Zusammenarbeit mit der PSB?
A: (_) Ja, ich bin natürlich in der privilegierten Lage, dass die PSB im Raum ne-
benan sitzt und von daher gibt es gar keine Schwierigkeiten, weder mit der Er-
reichbarkeit noch der Kompetenz noch. Das ist aber eine einmalige Super-
Ausnahme, ne. (_) Liegt aber auch an der Person, ich hab auch schon Zeiten in 225
der PSB gehabt, wo die PSB nebenan saßen, eine andere Person und die Rolle
der guten Mutter übernommen hat und alle Patienten geduzt hat und ich war der
Arzt, ich war der böse, der alles verbot und dann konnte man natürlich auch, al-
so, ich hab alle Scheiße miterlebt die es gibt und alles gegeneinander arbeiten
und jedes austricksen vom Patienten. Aber seit vielen Jahren hab ich den gro-230
ßen Vorteil, dass Arzt und Sozialarbeiterin hundertprozentig an einem Strick
ziehen, sich absprechen und von keinem Junkie austricksen lassen, die ja
Spalterweltmeister sind (lacht), aber hier jetzt keine Chance mehr haben. Aber
ich weiß wie scheiße das sein kann, wenn die gute Mutter und der böse Vater
hier sitzen. 235
F: Also, ist PSB schon wichtig?
A: Ja, natürlich, das ist also eins zu eins, da hab ich kein Problem mit, ne oder an-
ders: Das ist gleichgewichtig, also, ich würde da jetzt zwischen meiner Helferin
und mir jetzt keinen Unterschied machen.
F: Gibt es von Ihrer Seite aus weitere Wünsche die Sie evtl. an den Gesetzgeber 240
haben, um Ihren Arbeitsalltag zu erleichtern?
A: (__) Fällt mir im Augenblick nix zu ein. (_) Ich träum natürlich immer noch dass
irgendwann mal aus Afghanistan nicht mehr 96% von dem Heroin kommt, aber
das sind so alte Träume, dass man mal kausal an der Wurzel anpackt, weil
8
letztendlich weiß ich ja, dass ich am Ende einer ganz langen Entwicklung bin 245
und es wäre ja ein schöner Traum, wenn die Weltgemeinschaft mal vernünftig
würde und den Bäuerlein in Afghanistan irgendwelche Pflanzen dahinsetzten
würde von denen sie sehr gut leben könnten und ein ruhiges Leben führen kön-
nen und nicht diese Scheiße anbauen müssten. Aber das sind so Träume von
mir hier. 250
F: (__) Ok, danke schön.
Protokoll A5:
Dienstag, 17.07.2012, 11.30 Uhr
Niedergelassene Praxis (Internist)
Geschlecht: m
Vor dem Interview:
Der Proband bestellte mich auf telefonische Anfrage zum Interviewtermin um 11.30 Uhr wäh-
rend der Suchtsprechstunde in die Praxis.
Nachdem ich die Praxis betreten hatte, wurde ich zunächst in das Wartezimmer und nach
wenigen Minuten in ein Arztzimmer gebeten.
Der Proband wirkte interessiert und war nach Vorstellung und Einleitung, mit der Aufzeich-
nung des Gespräches einverstanden. Durch die gegebenen Umstände fühlte ich mich wohl.
Während des Interviews:
Der Proband war freundlich und mir zugewandt. Die Antworten waren zum Teil sehr ausführ-
lich, was die Gesprächsführung sehr erleichtert hat.
Der Praxisbetrieb war als ruhig zu bezeichnen und durch die geschlossene Tür nicht wahr-
zunehmen.
Nach dem Interview:
Die Uhr des Probanden piepste nach 20 Minuten und er nahm sich noch drei Minuten mehr
Zeit, um mir auf meine letzten Fragen zu antworten.
Durch das Interesse und die Zeit, die er sich zusätzlich nahm, fühlte ich mich gut aufgeho-
ben.
1
Interview Proband A5
F: Wie lange arbeiten Sie schon mit substituierten Patienten?
A: Also, niedergelassen seit zwölf Jahren, also auch seit zwölf Jahren mit Drogen-
abhängigen, also substituierten Patienten und über 15 Jahre mit Suchtpatienten. 5
Die letzten drei Jahre vor der Niederlassung von 97 bis 2000 war ich dann hier
im Hospital in (Zensur) mit den legalen Süchten sprich Alkohol, tablettenabhän-
gigen Patienten, wo auch die Benzodiazepinabhängigkeit ne große Rolle spielt,
beschäftigt.
F: Unabhängig von Substitution. 10
A: Genau, das waren die sogenannten legalen Süchte, genau.
F: Wo liegen für Sie die Unterschiede zu Ihren „normalen“ Patienten?
A: Ich seh, ich sag mal so, die.(_) Also, wichtig ist erstmal für mich, wir haben hier
ja auch eine recht große hausärztliche Praxis die wir betreiben. Äh für mich ist
es wichtig zu betonen, dass die Suchtpatienten oder Substitutionspatienten sind 15
keine Selbstläufer. Dank der Substitutionsbehandlung werden die immer älter
und gewisse Patienten, die, man muss ja sagen aufgrund ihrer Drogenkarriere,
des anstrengenden Drogenlebens sind die ja biologisch in der Regel zwanzig
Jahre älter und ich muss sagen wenn ich hier vierzig, fünfzigjährige Substituti-
onspatienten habe, geht’s bei vielen gar nicht mehr um die, ausschließlich um 20
die Fortführung der Substitution, die in meinen Augen dann nicht mehr absti-
nenzorientiert ist, sondern lebenserhaltend ist, sondern auch genau draufzugu-
cken auf die Folgen, die Suchtbegleiterkrankungen. Das sind in meinen Augen
die Hochrisikopatienten in der Praxis. Gut, wir haben hier auch 80 jährige haus-
ärztlich zu führende Patienten mit schweren Herzerkrankungen, aber man muss 25
doch aufpassen bei den Substitutionspatienten ab einem gewissen Alter, dass
man da die Co-Erkrankungen, also die Suchtbegleit- und Folgeerkrankungen
nicht außer acht lässt.
F: Welche Rolle spielt für Sie die Erfahrung im Umgang mit substituierten Patien-
ten? 30
A: Erfahrungen sammelt man ja tagtäglich, ist wichtig. Wichtig, die Erfahrungen
sollten auch angereichert, bereichert werden durch Hinzunahme oder auch an-
dere Akzeptanz der anderen Hilfesysteme, wie ihre Berufsgruppen. Deshalb
auch die psychosoziale Begleitung, Betreuung, die ja vielerorts schwierig zu ge-
stalten ist, weil einfach der Bedarf an Sozialarbeitern, die das leisten können zu 35
2
gering ist. Wichtig ist einfach dort, einfach die Aspekte, die die Patienten denen,
ihren Berufsvertretern gegenüberstellen, einfach noch mal ne ganz andere und
noch mal von einer ganz andere Tragweite, als uns gegenüber, also wichtig ist,
dass möglichst viele da im gemeinsamen Boot drin sind.
F: Besteht von Ihrer Seite aus Kontakt zur psychosozialen Beratung? 40
A: Also, bei mir, wir sind hier angebunden, die Kollegen die sich in einem Verein
zusammengeschlossen haben, da haben wir ja mehrere Sozialarbeiter die ne-
ben der PSB auch das ambulant betreute Wohnen mit begleiten. Also, in meiner
Praxis, wir haben so über hundert Substituierte, läuft es so ab, dass einerseits
die Patienten einerseits die Möglichkeit haben in die offene Sprechstunde in die 45
Büroräume des Vereins in der (Zensur) straße zu gehen, aber andererseits, was
die Sache in meinen Augen wesentlich erleichtert, finden zweimal die Woche
hier Sprechstunden der PSB direkt in meiner Praxis statt.
F: Und da nehmen Sie auch öfter Kontakt auf.
A: Genau, so ist es. Es werden auch oft Gespräche zu dritt geführt und vor allen 50
Dingen man weiß, wenn man Patienten dann doch bittet oder drängt: Es ist be-
darf da, mit der PSB ein Gespräch zu führen, dann ist es sicherlich leichter hier
zu sagen: Äh, viertel nach elf biste hier, um dein Substitut zu erhalten und du
wartest bitte bis um halb zwölf der Sozialarbeiter da ist, das Gespräch entweder
zu zweit, mit ihm oder mit mir zu dritt geführt wird, das halte ich für sehr wichtig. 55
F: Wie viele Patienten werden aktuell bei Ihnen substituiert?
A: 110.
F: Wer ist an der Substitution beteiligt? Also an der Vergabe?
A: Vergabe, also Vergabe ist bei uns so in der Regel, wenn die nicht gerade be-
rufstätig sind, worauf man natürlich Rücksicht nehmen sollte, berufliche Rein-60
tegration ein ganz, ganz wichtiges Thema, weil es auch den Substitutionsverlauf
positiv beeinflusst, wenn die nicht zeitlich gebunden sind, findet in der Regel
zwischen 11 und 12.30 Uhr die Vergabe statt. Eine Kraft ist speziell dafür da
und auch ich versuche auch zwischen 11 und 12.30 Uhr die Suchtsprechstunde
ausschließlich zu machen. Wir versuchen also, so die hausärztliche Versorgung 65
eben so zu gestalten, dass wir Kernpunkt von 8 bis 11 Uhr und nachmittags,
dass wir also wirklich auch zu versuchen das bis kurz nach elf spätestens been-
det zu haben, damit ich mich dann ausschließlich der Suchtsprechstunde wid-
men kann.
F: Auf welche Substanzen testen Sie bei Aufnahme? 70
3
A: Opiate, Methadon, Buprenorphin, THC, Amphetamine, Kokain, Benzodiazepine
und Alkohol.
F: Wie gehen Sie vor wenn die UK vor Aufnahme mit Benzodiazepinen positiv ist?
A: Befragen, wie der Benzodiazepinabusus oder Beikonsum betrieben wird. Ähm
bei Hinweisen, dass die Mengenangabe vom klinischen Befund, Stichwort: Ben-75
zodiazepinsabber, verwaschene Sprache oder ähnliches divergieren und auch
im weiteren Verlauf behalten wir uns doch vor, auch Spiegelbestimmungen im
Blut zu machen, um einfach mal so eine Orientierung zu haben, bewegen die
sich noch im therapeutischen oder doch auch im toxischem Bereich. Mach ich
auch zum Beispiel bei Patienten mit Medikamentenabhängigkeit wie Tramadol 80
oder Tilidin, um einfach noch mal festzustellen, was die angeben korreliert das
mit den pharmakologischen Messparametern. Die sind zwar manchmal ein biss-
chen labil aber geben einem auch ein bisschen Sicherheit, dass man sich da
nicht im toxischen Bereich bewegt. Ich versuche den Benzodiazepinbeigebrauch
natürlich möglichst schnell rauszukriegen. Ist sicherlich nicht Sinn und Zweck, 85
wenn ein Patient in der Aufnahme UK, die ja sozusagen den Startschuss herge-
ben soll in die Substitutions-, in die ambulante Substitutionsbehandlung zu
kommen, als erstes zu sagen: Nee, du hast hier aber noch weitere Subs, psy-
chotrope Substanzen im Urin und zu sagen: Du machst erstmal eine Beikonsu-
mentgiftung, halt ich für Blödsinn. Dann ist der, dann ist der Patient weg. Also, 90
den Patienten muss man über die Substitution anbinden und dann natürlich be-
züglich des weiteren Benzodiazepinbeikonsums engmaschig sehen. Versuche
gibt es ambulant, (_) äh, die ersten, die erste Zeit, die hier mit der täglichen
Vergabe auch mit einem entsprechenden dosierenden Menge an Benzodiazepi-
nen zu versorgen. Ist nun mal sehr oft sehr, sehr schwierig, muss ich ganz offen 95
sagen.
F: Geben Sie auch diese trizyklischen Neuroleptika?
A: Wir geben, also meistens sind Neuroleptika, also, ich sag mal so, die je nach-
dem wenn man auch Patienten die ja nun mal auch psychiatrische Co-
Morbiditäten haben, dann doch auch mal im stationären Rahmen settet, also es 100
gibt ja Kliniken die arbeiten lieber mit Neuroleptika, andere mit Antidepressiva.
Sinn und Zweck, wenn man sagt: also, die Benzos brauch ich um gut zu pen-
nen, dann muss ich natürlich zusehen, dass ich sie mit nem sedierenden Anti-
depressivum möglichst, also das Motiv, den Grund zu nehmen weshalb nen
Benzodiazepinbeikonsum betrieben wird. Wir arbeiten dann ganz gerne mit se-105
4
dierenden Antidepressiva zusammen. Neuroleptika, gut. Ich sag mal, machen
wir auch, es gibt dann natürlich phasenweise gibt es dann bestimmte Antide-
pressiva neuester Art, die dann so en vouge sind, wo man auch merkt: Ach,
guck mal die Kliniken stellen jetzt viele Patienten auf das und das ein. Die natür-
lich dann hier auch das Budget eines Hausarztes sehr schnell sprengen können. 110
Also, wir können nicht jeden mit Seroquel einstellen, ob Seroquel oder Valdo-
xan, das sind im Moment so die Modesubstanzen, einstellen. Zumal wenn sie
vorher mit anderen Medikamenten wie Mirtazapin, ja eh ganz gut gefahren sind,
sollte man das auch tun. Vorab muss man allerdings sagen, man spricht ja hier
schon, man fängt ja dann eventuell auch an so einen Medikamentencocktail zu 115
kreieren, individuell auf den Patienten abgestimmt. Was wir ja auf jedem Fall
auch immer machen, einfach da auch kardiovaskuläre Nebenwirkungen auszu-
schließen, jeder Patient der hier in die Substitution kommen will, muss vorab al-
so neben ner somatischen Anamnese auch eben Infektionsstatus, Leberstatus,
EKG bekommen, um überhaupt zu sehen, ob der Einsatz bestimmter Antide-120
pressiva oder Neuroleptika die das Herz-Reizleitungssystem am Herzen beein-
flussen können überhaupt gerechtfertigt und möglich ist, durchführbar ist. Das
ist wichtig.
F: Wie entscheiden Sie über UK?
A: UK entscheide ich nach dem klinischen Aspekt, nach den Vorgaben, die man in 125
regelmäßigen Abständen durchführen soll. Ähm, was wichtig ist man muss na-
türlich gucken welche Patienten hat man hier. Es gibt welche, wo man weiß die
werden eher niedrigschwellig substituiert, wo man weiß, es geht erstmal um die
Sicherung des Überlebens. Ähm, da wird man sicherlich positive UKs länger
dulden wollen, als welche die einem jetzt nen Hokuspokus erzählen, wo man ei-130
gentlich erwarten kann, die gesamten Rahmenbedingungen sind eigentlich so-
weit geschaffen, dass es eigentlich gelingen müsste beikonsumfrei sein Dasein
zu fristen. Da muss man dann auch und eben bei klinisch instabilem Verlauf
muss man eben auch dann, aber der Zeitrahmen wann das ist, das muss man
individuell abstimmen über eine Beikonsumentgiftung, ganz klar, diskutieren. 135
F: Wie darf man sich das praktisch vorstellen? Also, sie haben nehmen wir mal an
einen Patienten der das erste Mal seit sechs Monaten mit Benzos auffällig wird.
A: Ja, es wird thematisiert warum.
F: Also, der wird zu ihnen reingeschickt?
5
A: Der wird reingeschickt bei positivem Befund, es wird thematisiert warum. Ist 140
dann natürlich auch immer willkommen, also, da muss man natürlich auch im-
mer nachhaken: Ich war beim Orthopäden, der hat mir ein Muskelrelaxans auf-
geschrieben. Und es gibt natürlich immer wieder Gründe, warum zum Beispiel
auch Opiate positiv sind: Ich war beim Zahnarzt und hab entsprechende
Schmerzmittel bekommen. Ist natürlich unpfiffig, wenn das die ehrliche Antwort 145
ist, den mitbehandelnden Fachärzten nicht von seiner Drogensucht zu erzählen.
Nein, muss thematisiert werden und möglichst rasch abgestellt werden.
F: Ändert sich eventuell was an der Dosis?
A: Dosismäßig, würde ich sagen, also wenn ich merke (_) Ich würde davor warnen,
also, was ich nicht für gut halte, ähm, der Automatismus: Beikonsum findet statt, 150
also, Substitutionsmenge zu wenig, muss angehoben werden. Das kann ein of-
fenes Ende im negativen Sinne geben, dass die auf einmal so hochgeschossen
sind mit ihrer Substitutionsmenge. Auf der anderen Seite muss man natürlich
andersherum auch diskutieren, ähm, Beikonsum recht hoch oder doch die Be-
einträchtigung durch den Beikonsum recht hoch, dass es vielleicht Sinn macht 155
aus Sicherheitsgründen das Substitut zu reduzieren. Sowohl in die eine als auch
in die andere Richtung, das muss individuell entschieden werden.
F: Gibt es Sanktionen?
A: Sanktionen gibt es wenn man versucht zu bescheißen, ne. Also, es geht darum,
wir haben ja, ich denke jetzt auch hier eine Schnittstelle. Es gibt Patienten die 160
hier täglich erscheinen müssen. Es gibt welche die bleiben nicht beikonsumfrei
und die hat man hier jahrelang täglich. Ja, auch aus Sicherheitsgründen werden
die hier am Wochenende zur zentralen Wochenendvergabe geschickt und so
weiter. Und die diskutieren, die diskutieren mit einem auch nicht all zu viel.
Wichtiger ist es natürlich, die ich sag mal bestens präparierten Take-home Pati-165
enten, die man nur einmal die Woche sieht, ähm, wenn die einen versuchen zu
vernatzen, ne. Also, dann wird das Take-home gestrichen auf unbegrenzte Zeit.
Die haben täglich zu erscheinen, inklusive Wochenendvergabe etc. Und die
müssen dann auch UK unter Sicht abgeben.
F: Wo liegen da für Sie die besonderen Schwierigkeiten bei den Patienten mit 170
Benzodiazepinkonsum?
A: Benzodiazepinpatienten, also, für mich sind die Schwierigkeiten eher noch, also,
ich glaube die Zeiten wie früher, wenn man hier so Alt-Junkies hier befragt, 50
jährige, wie die vor 30 Jahren 20 Rohypnols am Tag gefuttert haben, liegen,
6
denk ich mal, weil´s vielleicht heute, obwohl es ist noch immer sehr leicht an 175
Benzodiazepine auf dem Schwarzmarkt zu kommen, aber die das Ausmaß, die
Menge, der im Umlauf befindlichen Benzodiazepine hat doch nachgelassen,
weil ich denke die Ärzte sind auch sensibilisiert die Benzodiazepine vorsichtiger
generell einzusetzten. Wo ich ein bisschen Sorge hab, ist eben die Mischung.
Also, hier mal ein Antidepressiva, da noch ein Neuroleptikum, da noch ein Ben-180
zodiazepin vielleicht auch noch parallel eine fachärztliche Behandlung durch
den Neurologen, der weiß gar nicht was kommt außer dem Substitut noch aus
den Händen des Substitutionsmediziners. Und dieser Cocktail, da hab ich
manchmal ein bisschen Sorge, dass man da Gefahr läuft aus Unwissenheit den
Überblick zu verlieren. 185
F: Haben Sie gerade schon gesagt, so eine Verordnung, wenn Ihnen das bekannt
wird, wie reagieren Sie dann?
A: Ich würd anrufen, da wird angerufen und angemahnt.
F: Meistens wissen die wahrscheinlich gar nicht, dass die in Substitution sind.
A: Ja, das ist, man hat, man kennt, also, so ab und an kennt man schon im eige-190
nen Umfeld Praxen, wo wie eben unsere Substituierten hingehen und tatsäch-
lich Benzodiazepine auf Rezept erhalten mit der Angabe Großmutter oder Oma,
Opa ist gestorben und die sterben dann vier Tode in der gleichen Person im
gleichen Jahr. Das ist dann natürlich auffällig und dann muss man auch wirklich
mal zur Seite ziehen und äh, mit der Bitte das Verordnungsverhalten doch dies-195
bezüglich zu überprüfen.
F: Gibt es Wünsche an den Gesetzgeber die Ihren Arbeitsalltag erleichtern könn-
ten in Bezug auf Benzodiazepinkonsum?
A: (_) Ähm, es geht um den Gesetzgeber, also was uns hier in Nordrhein-
Westfalen bekannt geworden ist, dass zum Beispiel die AOK gemeinsam mit 200
sogenannten Psychiatern, ähm Programme entwickelt, um eben die Kolleginnen
und Kollegen zu identifizieren die in hohen Mengen oder in überdurchschnittlich
hohen Mengen Benzodiazepine verordnen, und dass es dann wieder so einen
Generalverdacht, halt ich für nicht gut, halt ich für schlecht, zumal man ja auch
sagen muss, viele versuchen ja, äh, dieses Problemfeld, in dieses Problemfeld 205
gar nicht zu geraten und das verurteile ich total. Und da sollte man eher nachle-
gen und fordern die Benzodiazepine durchweg auf Privatrezepten, die natürlich
der Prüfung durch die gesetzlichen Krankenkassen, das, äh, die Prüfung
dadurch erschwert für die gesetzlichen Krankenkassen, dennoch halt ich für
7
fahrlässig, da muss ich sagen, ist nicht in Ordnung. Auf der anderen Seite darf 210
auch nicht ein verantwortungsvoll agierender Substitutionsmediziner dafür be-
langt werden, da obwohl er dann mit dem Zeichen „necesse est“, das ist also
medizinisch notwenig, auf dem Kassenrezept, die Benzodiazepine auf Kassen-
rezept verordnet. Da dürfte er in meinen Augen nicht in Haftung genommen
werden, äh, kommen oder belangt werden. Das und, äh, das betrifft weniger die 215
Benzodiazepine als insgesamt der, die Handhabung, äh, der Führung, also ich
finde, ähm, sehr im Bereich der Substitutionsmedizin, sind sehr viel Kontrol-
linstanzen und sehr viel Kontrollmechanismen, die man gerne auch für andere
Bereiche der inneren Medizin, es geht immer so drum: Ja, birngt´s beim Patien-
ten was, ja, wie ist das weitere Procedere, Qualitätsicherungskommission und 220
so weiter, wünschte ich mir gerne auch für andere Bereiche, wir sprechen hier,
von illegalen Bereichen brauchen wir nicht reden, aber zum Beispiel ein Diabeti-
ker kann auch zur volkswirtschaftlichen Belastung werden, wenn er trotz Insu-
linpflichtigkeit seine Ernährungsgewohnheiten nicht umstellt, sondern sagt: Ob
ich jetzt 20 oder 200 Einheiten Insulin am Tag verschieße, ist mir egal und die 225
Kosten interessieren ihn nicht. Um Kostendämpfung, Kostenregulierung, denke
ich (_) äh, wäre mehr Spielraum in anderen Feldern der Medizin und es wäre
eine gewisse Flexibilität wär leicht, also, dass einfach die Art, die (_) Befürch-
tung liegt ja nah (_) es kommen wenig Substitutionsmediziner nach, rund 2/3
der, Moment meines Wissens, in Deutschland agierenden Substitutionsmedizi-230
ner sind über 55 und es wird irgendwann einen Versorgungsengpass geben,
weil einfach zu wenig Substitutionsmediziner da sind und das hat auch mit den
rechtlichen Rahmenbedingungen zu tun, dass man, also wenn man nicht auf-
passt mit allen einem Bein (Uhr von A piepst) vorm K ist. Stichwort: wenn sie
morgen früh nicht zum Abschlucken kommen, haben aber nen, Mittwoch kurzer 235
Tag, nen wichtigen Amtstermin, früher wurde gesagt: Substitut mitgeben. Sub-
stitut aus der Praxis mitgeben erfüllt einen strafrechtlichen Tatbestand. Also,
muss man für ein Tag ein Ein-Tages-Rezept dann ausstellen, weil der Apothe-
ker das Vergaberecht dann hat, wir Ärzte aber nicht, das sind dann so in meinen
Augen und das sind so in meinen Augen dann so büro, nicht bürokratische son-240
dern strafrechtliche Hürden die viele nicht mehr bereit sind in Kauf zu nehmen.
F: Danke schön.
Protokoll A6:
Mittwoch, 18.07.2012, 15.00 Uhr
Niedergelassener Arzt (Internist)
Geschlecht: m
Vor dem Interview:
Auf Wunsch des Probanden sollte das Interview wegen der Unruhe in der Praxis nicht dort
stattfinden. So gab er mir nach kurzem E-mail-Kontakt einen Termin an einem Mittwoch-
nachmittag bei sich zu Hause.
So nahm ich in seinem Wohnzimmer platz und nach kurzer gegenseitiger Vorstellung, Einlei-
tung zum Interview und des Einholens des Einverständnisses zur Aufzeichnung, begann das
eigentliche Gespräch.
Aufgrund der angenehmen zugewandten und interessierten Atmosphäre fühlte ich mich
wohl.
Während des Interviews:
Durch die Offenheit und Begeisterung die der Proband an seiner Arbeit hatte und die er auch
nach außen transportierte, war der Gesprächsfluss kontinuierlich und die Antworten zum Teil
sehr ausführlich.
Nach dem Interview:
Das Gespräch dauerte 28 Minuten und gab mir durch das gezeigte Interesse ein gutes Ge-
fühl.
1
Interview Proband A6
F: Wie lange arbeiten Sie schon mit substituierten Patienten?
A: Äh, ich bin der erste der überhaupt in Deutschland substituiert hat und die erste
Substitution hab ich gemacht. Es gab einen Heinemann-Erlass, ich weiß nicht 5
ob Sie den kennen, ähm, in Nordrhein-Westfalen, Heinemann war unserer
früherer Sozialminister.
F: Ah, ja.
A: im Land NRW, der aus Dortmund stammt.
F: Hm. 10
A: Und äh, der hat gesagt, dass Leute die Aids haben auch behandelt werden
müssen. Das war 1989 oder 88.
F: Hm.
A: Hat einen Erlass gemacht, der war natürlich nicht rechtsverbindlich, was jeder
wusste. Ich bin das einzige schwarze Schaf aus der Juristenfamilie, denn der 15
kann ja nicht das Bundesgesetz machen oder BtMVV machen und da bin ich am
Tag danach angefangen und äh, hatte, hab damals schon Aidspatienten gehabt
so. Hab bei drei Leuten angefangen gleichzeitig. Hatte den ersten, die erste An-
zeige vom Bundesgesundheitsamt am Hals, ähm, nach ungefähr 14 Tagen und
hab dann aber gleichzeitig ne Anzeige sofort gegen mich gemacht und gegen 20
den Chef vom Bundesgesundheitsamt.
F: Hm.
A: Ja, weil dem ich vorher genau erzählt hatte, was ich vorhatte. Ja, und fing das
an und dann das, ja war. Und es ging darum sie mussten am Wochenende auch
vergeben und nach der Gesetzeslage ging das nicht, weil sie müssen es immer 25
selber tun. Das ging aber gar nicht, theoretisch wunderbar, aber de facto nicht
möglich, ja. Das hab ich dem geschrieben und der hat mir nicht geantwortet.
F: Hm.
A: (_) Und sonst, seitdem mache ich das, also 1989.
F: Hm. Ich hatte mit einem Kollegen gesprochen, der hat gesagt, dass er seit 1988 30
dabei ist.
A: Das kann nicht sein, weil 1989 ist der Erlass erst gewesen.
F: Ok.
A: Da hat er gelogen oder falsch erinnert.
F: Oder sich vertan. 35
2
A: Nein, damals gab´s noch nicht die Möglichkeit. Und damals nur für Aidspatien-
ten.
F: Hm. Für Patienten mit schweren Co-Erkrankungen?
A: Nicht schwer, mit Aids, Aidserkrankungen, stand in dem Erlass drin, Aidskranke.
F: Ok. Wodurch unterschieden sich für Sie die substituierten Patienten von Ihren 40
„normalen“ Patienten die Sie haben?
A: Überhaupt nicht.
F: Überhaupt nicht.
A: Ne Sucht ist ne Krankheit wie jede andere auch und äh, sobald Sie anfangen
Unterschiede zu machen, äh (_), machen Sie auch was falsch. 45
F: Hm.
A: Man muss andere Regeln einführen, muss sich anders verhalten gegenüber
denen manchmal, das ist klar, aber das ist bei verschiedenen anderen Krankhei-
ten auch so.
F: Hm. 50
A: Und die Substitutionspatienten sind Suchtpatienten. Die häufigsten Suchtpatien-
ten sind Raucher und Alkoholiker, (_) und die unterscheiden sich nur marginal.
F: OK. Welche Rolle spielt für Sie die Erfahrung die Sie im Laufe der Zeit gewon-
nen haben im Umgang mit substituierten Patienten?
A: (_) Ah, Erfahrung ist immer wichtig, ähm, man wird anfangs, wenn man frisch im 55
Geschäft ist häufig, ähm, auf´s Kreuz gelegt, weil man Leuten glaubt die einem
Lügen erzählen und Lügen oder nicht die Wahrheit sagen, ist ein Teil der
Krankheit.
F: Hm.
A: Beigebrauch, Benzodiazepine, ist ein Teil der Krankheit, deswegen das Wort 60
Beigebrauch. Findet in den neuen Richtlinien, Bundesrichtlinien gar nicht mehr
statt, gibt´s nicht mehr.
F: Wie viele Patienten substituieren Sie zurzeit?
A: Derzeit, ph, ich zähl sie nicht, irgendwas über hundert.
F: Und wer ist an der Vergabe selber beteiligt? 65
A: (_) Die Vergabe machen also, in der Regel, also, in der Woche die Arzthelferin-
nen und ich sehe jeden Patienten einmal pro Woche im Schnitt. Das ist Vor-
schrift in der BtMVV. Ist eine Soll-Vorschrift, aber in der Regel steht da, aber die
halten wir relativ streng ein.
F: Auf welche Substanzen testen Sie bei Aufnahme des Patienten? 70
3
A: Ähm, bei Aufnahme des Patienten ist vorgeschrieben von den Bundesrichtlinien,
dass Sie einmal ein Urinscreening machen. Was ich nicht mitmache ist ähm,
THC, weil das hat hier jeder drin, das mach ich auch nicht zwischendrin. Äh, in
der, es gab ja mal so ein Landesprogramm, die hatten glaube ich 95% hatten
THC, auch die die sauber waren hinterher, also, das teste ich nicht mit. Ähm, wir 75
machen Opiate, ähm, dann, äh, Amphetamine, dann äh, Benzos natürlich, und
Koks.
F: Wie gehen Sie vor wenn die UK vor Aufnahme des Patienten Benzodiazepin
positiv ist?
A: Genauso, als wenn sie negativ wär. Der Patient, egal jetzt ob, was er nimmt, er 80
hat Beigebrauch, sonst hätte er keinen Druck und würde nicht kommen und äh,
was ich mache ist, wenn der intoxikiert ist, fang ich natürlich nicht an dem Tag
an. Aber wenn er nicht intoxikiert ist, also wenn er normal ist, also ansprechbar
ist und keinerlei Vergiftungserscheinungen, kriegt die Dosis natürlich niedrig do-
siert am Anfang. 85
F: Hm. Und dann geht’s höher?
A: Wir fangen beim Methadon an mit 30 – 40 mg je nachdem. Beim Polamidon π
mal Daumen die Hälfte und bei Subutex fang ich meist mit 8 mg an.
F: Ändert sich der Konsum im Laufe der Zeit, wenn die bei ihnen ankommen und
die waren Beikonsum intoxikiert? 90
A: Äh, ich red mit den Patienten am Anfang ausführlich und sag denen wo die Risi-
ken sind. Ich erzähl denen, dass es keinen Drogentoten in Deutschland gibt der
nicht, oder so gut wie keinen, der nicht die Kombination Alkohol, Benzos und
Opiate, egal ob jetzt Substitut oder Heroin, äh, in sich hat. Und dass ich deswe-
gen Benzos als solches, mir auf den Zeiger geht. Äh (_), wenn die exzessiv ma-95
chen, dann werde ich auch exzessiv, dann setzte ich denen so ein bisschen die
Pistole auf die Brust, je nachdem was für einen Menschen ich vor mir habe.
Wenn die geringen Beigebrauch haben an Benzos, dann seh ich das etwas we-
niger eng als die meisten.
F: Wo liegt der geringe oder wo unterscheidet sich der geringe von dem extremen 100
Benzos Beigebrauch?
A: Also, ich mach das nicht an Milligramm fest, eher daran wie der Patient sich
benimmt. Wenn einer Rohypnol nimmt, äh, das seh ich, das hör ich, da brauch
ich keinen Test. Die lallen.
F: Ja. Ok. Wie entscheiden Sie über Uks? 105
4
A: Ich entscheide gar nicht über UKs. Das machen die Damen, die vergeben. Ich
sag manchmal: Ich brauch jetzt einen. So, bei mir ist das jetzt meistens dann,
dass ich mal einen brauche, wenn ich einem Take-home geben will. Ansonsten
machen das die Damen in regelmäßigen oder unregelmäßigen Umständen. Die
ganzen UK´s sind alle für die Katz, weil, wenn Sie eine Frau sind und substituie-110
ren und haben Männer die Sie substituieren, gehen Sie mit ihnen aufs Klo?
Schicken Sie Ihre Arzthelferin mit aufs Klo? Nein. So, das heißt die UK´s sind
Blödsinn. Wenn man wirklich ein UK machen will, der wirksam ist, da gibt’s ne
Methode mit Zucker anreichern, wo Sie dann genau wissen, ob der von diesem
Patienten ist oder nicht, ähm, die zweite Möglichkeit sind Abstriche aus dem 115
Mund zu machen, beides zu teuer, als dass man´s regelmäßig macht. Wir ma-
chen´s dann, wenn ein Problem da ist. Patient ist für mich wichtig, dass wir,
dass wir genau nachgucken, dann wenn er auffällig wird und das mach ich nicht
vom UK abhängig. Ich mach nen UK wenn er auffällig ist, ja.
F: Ok. Wie darf ich mir das denn dann praktisch vorstellen? Also, wenn Sie sagen 120
wir mal da einen Patienten haben der das erste Mal seit sechs Monaten mit
Benzos auffällig wird, wie ist dann so der Ablauf? Was passiert dann?
A: Wenn der auffällig wird mit Benzos, frag ich ihn erstmal warum. Warum hast du
Benzos genommen?
F: Da kommt der zu Ihnen zum Gespräch ins Arztzimmer. 125
A: Da kommt der zu mir zum Gespräch ins Arztzimmer, selbstverständlich. Wenn
ein Patient auffällig wird, kommt der immer zu mir oder zu meiner Kollegin. Wir
sind eine Gemeinschaftspraxis. Äh, wenn er, als zweites, sprech ich dann den,
den, äh psychosozialen Betreuer an. Das ist bei mir in der Regel, der kommt zu
mir in die Praxis jeden Freitag, in der Regel, der Geschäftsführer unseres Ver-130
eins, ein Verein der substituierenden Ärzte in (Zensur). Da bin ich im Vorstand
und der äh, kennt sich wirklich noch besser aus als ich, ist opti und zusammen
reden wir mit dem. Ob wir was erreichen, ist die zweite Frage, ne.
F: Ändert sich was an der Dosis?
A: Wenn jemand intoxikiert ist, kriegt er die halbe Dosis oder keine. Wenn jemand 135
Benzos-Beigebrauch hat, kriegt er keine Veränderung der Dosis, es sei denn er
ist intoxikiert. (_) Wie gesagt Beigebrauch, ich sags jetzt immer weil das ihr
Thema ist, aber Beigebrauch gibt’s nicht mehr. Ist ein Teil der Krankheit und
deswegen irgendwas bei Patienten zu ändern im Verhalten ihm gegenüber nur,
weil der in Anführungsstrichen Beigebrauch hat mach ich nicht. 140
5
F: Gibt es Sanktionen?
A: Sanktion ist kein Take-home oder Take-home verlieren. Wenn einer jetzt mei-
netwegen seit zwei Jahren Take-home hat und hat einmal Benzos drin und hat
einen vernünftigen Grund: Mein Gott, wir waren abends weg und da hatte einer
ne Tablette, hab ich genommen und ich kenne den und weiß, dass der sauber 145
ist, dann werde ich dem auf keinen Fall Take-home entziehen. Und dann kriegt
der die gelbe Karte, so fußballmäßig, aber nur wenn. Aber Sanktionen im Sinne
von Dosisveränderungen gibt es nicht, nur wenn einer intoxikiert ist. Sanktionen
im Sinne von rausschmeißen gibt es auch nicht bei mir, weil noch mal Teil der
Erkrankung. Wenn der Beigebrauch hat, mach ich was falsch. Er auch, aber ich 150
auch. (_) Wenn er exzessiven Beigebrauch hat, wo es ans Leben geht, dann ist
ne Frage die sich der Arzt stellen muss: Wie stirbt er eher? Wenn ich weiter
substituiere oder wenn ich ihn rausschmeiße? In (Zensur) weniger ein Problem,
weil wir genug Ärzte haben, in anderen Städten ein Riesen Problem.
F: Machen Sie denn auch Arztwechsel? 155
A: Wir gehen da auch sehr kollegial miteinander um, äh, und wenn ich einen Pati-
enten rauswerfe, in Anführungsstichen, passiert alle fünf Jahre einmal, also,
dass ich mich von ihm trenne, das meiste hat dann aber mit Gewalt zu tun oder
mit Benehmen zu tun ha, indem er meinetwegen unsere Arzthelferin anmacht
oder irgendwas. Wenn das so ist, dann sag ich dem: Sie kriegen weiter hier Me-160
thadon bis wir einen neuen Kollegen haben. Geb ihm sogar Namen von Kolle-
gen, das ist bei uns im Internet abrufbar und sag ihm die Internetadresse, die
Plätze frei haben und kriegt ne Überweisung zur Weiterbehandlung. Und solan-
ge substituiere ich ihn weiter für 14 Tage, drei Wochen, es sei denn es ist was
extremes, das geht natürlich nicht. Und ich biete ihm an eine Einweisung zu 165
kriegen zum Entzug. Beigebrauch-Entzug, das ist die häufigste Reaktion die
man hat, aber ist ja keine Sanktion, sondern ein Angebot und das sind die bei-
den Sachen, er kriegt ne Einweisung.
F: Arbeiten Sie da auch mit Entgiftungen zusammen, wenn Sie meinen dass der
zum Teilentzug muss? 170
A: Ja, das ist der häufigste Grund für die Einweisung, dass jemand zum Beige-
brauch-Entzug in Anführungsstrichen, das ist der häufigste Grund. Und ich ar-
beite zusammen mit (Zensur) von der (Zensur) Klinik und dann natürlich mit äh,
(Zensur). Das sind die beiden Kliniken.
F: Hm. Ambulante Entwöhnung von Benzos? 175
6
A: (_) Also, hab ich eigentlich nur schlechte Erfahrung gemacht. Wenn einer das
möchte, gut, wunderbar, soll er probieren. Die wissen, dass ich von vornherein
sehr skeptisch bin, aber wenn er das schafft und mich überzeugt, wunderbar.
F: Im Austausch mit Antidepressiva dann oder einfach runterdosieren?
A: Nein, Antidepressiva das ist ein Ausweg, den sollte man bei Drogenpatienten 180
nach Möglichkeit nicht suchen, es sei denn, er hat ne Depression. Es gibt ja nun
viele oder ich kenne keine einzige Statistik, aber ich hab den Eindruck dass
mindestens 30% meiner Patienten die Suchtpatienten sind und substituiert wer-
den, gleichzeitig eine intensive psychiatrische Erkrankung haben, vom Borderli-
ner, über schizoide Geschichten bis hin zur endogenen oder schweren Depres-185
sion und Verhaltensstörungen, ganz, ganz oft und die brauchen dann Antide-
pressiva. Aber Antidepressiva nicht von mir, immer nur vom Psychiater.
F: Aber Sie arbeiten auch mit anderen Ärzten zusammen, die in Absprache mit
Ihnen dann Medikamente verordnen?
A: Ja, ja, natürlich, selbstverständlich, selbstverständlich. In (Zensur) gibt’s eine 190
psychiatrische Abteilung die sich drauf spezialisiert hat. Außerdem gibt’s Ambu-
lanzen der (Zensur) Klinik, wenn man da anruft die helfen immer weiter.
F: Ok. Wo sehen Sie die besonderen Schwierigkeiten im Umgang mit dem Ben-
zodiazepin-Beigebrauch?
A: Das Risiko ist das ähm, spezielle Problem, das Risiko, dass sie noch Alkohol 195
trinken. Da steck ich nicht drin und dann irgendwann gefunden werden auf der
Bahnhofstoilette. Vom Heroin alleine sich umzubringen ist sehr schwierig. Kann
man auch, aber das sind schon Dosen die äh, normalerweise nicht bezahlbar
sind für einen Drogenkranken. Ähm, im Umgang äh, da vielleicht dass sie
manchmal, wenn Sie exzessiv Sachen nehmen, vor allen Dingen wenn sie wirk-200
lich äh, überfüllt sind, dass dann die Leute nicht mehr zugänglich sind für ein
Gespräch. Aber die schicken wir dann weg, die kriegen dann kein Methadon
mehr morgens und dann: Komm heute Nachmittag wieder, wenn du clean bist
und dann reden wir, ne.
F: Behandeln Sie in Ihrer Praxis Patienten mit Benzodiazepinen? 205
A: Nein. (_) Ja, halt, also jetzt müssen wir zwischen Drogenpatienten und Nicht-
Drogenpatienten unterscheiden. Ich verschreibe keinem substituierenden Pati-
enten Benzodiazepine. Wenn das ein Kollege tut, hat er mich am Hals, wenn er
auffällt, ja, wenn also irgendwelche, angenommen stirbt einer, hat Benzodiaze-
pine im Blut, das ist so mit die häufigste Sache oder Apotheker ruft an kriegt 210
7
gleichzeitig Benzodiazepine, dann landet das bei der Ärztekammer und dann bei
mir auf dem Schreibtisch und ich würde so etwas nie tun. Natürlich habe ich Pa-
tienten die Benzodiazepine kriegen. Ich halte die, die, die (_) das was im Au-
genblick in Deutschland läuft an Dingen die über Benzos gesagt werden für total
Banane. Ich hab mich häufig auf Fachveranstaltungen mit Leuten gekloppt, es 215
gibt also einen Kollegen der also Benzodiazepinentzüge macht. So relativ
schnelle Entzüge bei normalen, also nicht bei Suchtpatienten, sondern bei Ben-
zodiazepinpatienten. Die kommen normalerweise wenn sie wiederkommen von
Herrn (Zensur) dann kommen die bevor die bei mir in die Praxis kommen haben
die schon das erste Ding genommen, d.h. wenn ich eine alte Dame hab, die seit 220
zwanzig Jahren, Benzos gibt’s so seit den 70er Jahren, wir wussten alle am An-
fang nicht, das das süchtig macht, jetzt haben wir eine zweite Substanz das ist
Zopiclon, die gleiche Entwicklung, das ist, deswegen haben wir teilweise Patien-
ten die sammeln sich natürlich in so Praxen, wie bei mir, weil alle wissen, dass
ich in der Suchtmedizin was mache, so, wenn da die eine Tavor am Abend 225
nimmt und macht das seit 20 Jahren, soll ich der 80 jährigen Dame die weg-
nehmen? Die zum (Zensur) zum Entzug schicken? Nee. So, und da gibts Leute
die sehen das ganz anders, zum Beispiel hab ich mich mit einer Oberärztin aus
dem (Zensur) Hospital, ich hab mal die Prüfung gemacht, bei der Kammer für
die Zusatzbezeichnung, die war ganz anderer Ansicht hatte auch vernünftige 230
Argumente. Argument war: Und dann steht die Dame abends, nachts auf und
holt sich nen Oberschenkelhalsbruch, weil sie duhn ist, klar. Das ist das Risiko,
aber ich wiederhol noch mal: Einer Dame die seit 20 Jahren, einer älteren Da-
me, weil es sind häufiger Frauen, Benzodiazepine nimmt wird ich einen Teufel
tun, wenn das nicht exzessiv ist, ihr die wegzunehmen. Dann Krebspatienten 235
kriegen manchmal bei mir Benzodiazepine, dann äh, Patienten mit chronischen
Schmerzen kriegen manchmal Benzodiazepine, aber Krebspatienten mir chroni-
schen Schmerzen, äh, ansonsten, nein, also ich geb keinem Benzodiazepine
zur Beruhigung. Ach so, also, Angstpatienten doch manchmal.
F: Aber alles nur nicht substituierte Patienten? 240
A: Ich red nur von nicht-substituierten Patienten, ansonsten gibt’s bei mir keine
Benzos. Aus Prinzip nicht, wenn sie die auf der Szene kaufen, dann kann ich nix
dran machen, aber hier nicht.
F: Wie regieren Sie wenn eine Verordnungsquelle bekannt wird?
8
A: Das ist ganz häufig gewesen, wenn eine Verordnungsquelle bekannt wird neh-245
me ich den Hörer hoch und ruf den an und sag, (_) ich mach dem ein klein we-
nig komisches Gefühl, dass ich sag: Ich hätte das und das erfahren. Ich wäre
bei der Ärztekammer dafür zuständig, das wäre jetzt ein inoffizielles Gespräch,
ich red als (Zensur) und nicht als Ärztekammermensch und darf dringend bitten
das abzustellen, denn wenn es offiziell wird, dann gibt´s leider ein Kammerver-250
fahren und das gibt es dann auch.
F: Reicht da schon eine einzige Verordnung aus?
A: Nein. Es gibt auch Kollegen und Kolleginnen die auch aufs Kreuz gelegt werden
und so was: Ich flippe aus, bin völlig fertig. Nein, es geht um die Leute die, also,
Kollegen, sind wenige, wirklich wenige, aber Kollegen die exzessiv an Drogen-255
kranke und an Substituierte Benzos verschreiben und die werden auch irgend-
wann bekannt und das darf man sich nicht gefallen lassen. Da geht es um die
Patienten. So und das ist mein Job da ein bisschen was gegen zu tun und das
funktioniert auch wunderbar, normalerweise. Also, in (Zensur) haben wir wenig
Probleme. (__) Liegt aber auch an den vielen substituierenden Ärzten. 260
F: Und an der Zusammenarbeit, so wie ich das verstanden hab, ne?
A: Wir haben zusammen gegründet, den Verein (Zensur). Treffen uns so alle paar
Monate mal zu einer Fortbildungsgeschichte. Ähm, einmal im Jahr zu einer gro-
ßen Fortbildung, das ist im November. Immer mit verschiedenen Themen, da
werden zum Beispiel gleichzeitig Drogenhilfe-Professionelle und Ärzte würd ich 265
sagen das sind immer Veranstaltungen so mit 160, 180 Leuten, die im Novem-
ber, da geht’s zum Beispiel drum Verkehrstüchtigkeit, Führerschein, Drogen.
Zweite Thema ist, äh, moderne Drogen. Da gibt’s einen Kollegen der (lacht) un-
glaublich ist, den hoff ich zu kriegen, aus Hamburg. Der dann einen Vortrag hält,
was also, man kann zum Beispiel für, sich bestimmte Drogen bei Amazon kau-270
fen und zusammenmixen und da haben sie Sachen wie, wie Zyankali. Wenn Sie
Zeit haben am 14.November hier in (Zensur) von (Zensur). Es gibt also die tolls-
ten Sachen und dritte Punkt ist äh, weiß ich gar nicht mehr. (_) Nee, wir arbeiten
toll zusammen und am Wochenende kommen die Leute, die kein Take-home
haben, alle ins Gesundheitsamt. Die Stadt (Zensur) macht da auch wunderbar 275
mit. Hat also, stellt uns die Räume umsonst zur Verfügung und äh, jeder Kollege
hat Dienst abwechselnd, so dass man dann 300, 400 Patienten hat, die das
Substitut kriegen, mit zwei Sozialarbeitern. Die Kollegen die den Dienst haben,
die verdienen ja auch an der Vergabe. Die zahlen die Sozialarbeiter und die Or-
9
ganisation und da bleibt immer noch eine Menge über. Damit finanzieren wir ei-280
nen Großteil der psychosozialen Betreuung, mit den Ärzten, also das bezahlen
die Ärzte selber und sind wir, also bin ich zumindest unheimlich stolz drauf, dass
das hier so läuft.
F: Das läuft in anderen Städten bestimmt nicht so (lacht).
A: Das weiß ich. Also, wie gesagt, wir kriegen pro Vergabe so um, etwas um die 10 285
€ und 4 € geben wir davon ab. Davon wird sowohl die, die äh, Vergabe als sol-
ches organisiert, da muss ja, die Substitute müssen geholt werden und solche
Geschichten. Das machen wir mit der Apotheke zusammen, die das umsonst
macht, dafür darf sie das mixen, also das läuft hier in (Zensur) optimal und da-
von werden die Sozialarbeiter bezahlt oder Arzthelferin, erfahrene und wie ge-290
sagt mehrere Angestellte der psychosozialen Betreuung und wir haben gespon-
sert noch das betreute Wohnen, am Anfang. Aber das trägt sich inzwischen sel-
ber.
F: Hm, über den Landschaftsverband.
A: Über den Landschaftsverband. Also, das macht der Verein auch, das betreute 295
Wohnen.
F: Die psychosoziale Betreuung hatten Sie ja gerade schon angerissen. Welche
Bedeutung hat Sie in Ihrem Behandlungskonzept?
A: Also, ich war dabei als das Wort erfunden wurde. Wir haben, das war äh, ir-
gendwo der Beratungsvorsitz des Exekutivkomitees, vor 22 Jahren oder irgend 300
so was. Und wir haben damals die ersten Richtlinien gemacht für Westfalen-
Lippe und damals saß neben mir Professor Tölle, das war der damalige Chef
der Psychiatrie in Münster an der Uni und noch ein paar andere Drogenspezia-
listen. Wir überlegten so als Kind brauchten war uns klar, wir brauchten jeman-
den der denen hilft wenn sie finanzielle Probleme haben, wenn sie soziale Prob-305
leme haben, wenn sie psychische Probleme haben, wie nennen wir das? Und
haben uns unheimlich gekloppt, so zwei Stunden und da sagt der: Ihr seid alle
bekloppt: psychosoziale Betreuung, da ist doch alles drin. Ja, gut. Recht hat er
und seit dem gibt’s das Wort. Ich kann mich schwarz ärgern, dass wir das da-
mals nicht weiter definiert haben. Was inzwischen die kassenärztliche Vereini-310
gung und die Bundeskassenärztliche Vereinigung unter psychosozialer Betreu-
ung versteht ist total Banane. Nein, die verlangen jetzt hier bei uns in Westfalen-
Lippe, dass wir bei jedem Patienten den vorstellen müssen (_) und Bescheini-
gung brauchen von dem, total Banane, im BtMVV steht drin in den Richtlinien,
10
auch in den Ärztekammer Richtlinien, dass bei Bedarf das gemacht werden 315
muss. Nicht jeder braucht psychosoziale Betreuung. Damit verstopfen wir das
System nach und nach in einer Art und Weise, dass Leute die es wirklich brau-
chen, es dann nicht haben. Bei mir, äh, der bei mir psychosoziale Betreuung
macht, es gibt auch andere die es machen, aber die meisten Patienten sind
beim jemandem, dem Chef vom Verein und gleichzeitig ein guter Freund. Und 320
sitzen da, wo sie jetzt sitzen, sitzen wir da und trinken und überlegen was wir mit
den Patienten machen. Das zweite ist das, was die Kassenärztliche Vereinigung
verlangt steht in den Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigung drin, in den
Bundesrichtlinien, da auch da ist ne Sollbestimmung drin. Es ist nicht draus ab-
zuleiten, dass man das macht und wir haben jetzt die Heroinrichtlinien die mit da 325
drin sind, ja und in den Heroinrichtlinien steht, dass der Arzt bestimmt, dass der
Arzt nach Rücksprache mit dem psychosozialen Betreuer bestimmt, ob er weiter
psychosoziale Betreuung braucht, nur so kann´s sein. Ich hab nichts gegen So-
zialarbeiter und Sozialpädagogen, im Gegenteil, wie gesagt, mein Freund ist so
was, der hier sitzt, nein, nur die letzte Entscheidung bei der Behandlung des Pa-330
tienten muss ein Arzt fällen, kein anderer und der verschreibt schließlich das
Substitut und das steht anders in den Richtlinien drin. Äh, ich persönlich, wenn
ich gefragt werde, manchmal werden ja so Kontrollen gemacht, weigere mich
immer diese Bescheinigung vorzulegen, bisher ist noch nichts passiert. (_)
F: Ok. Haben Sie noch wünsche an den Gesetzgeber die Ihnen den Arbeitsalltag 335
erleichtern im Bezug auf den Umgang mit Benzodiazepinen?
A: Jein. (_) Äh, also ich möchte nicht, dass die Benzodiazepine in den Gesetzen
auftauchen, weil dann müssten wir eben außerhalb der Substitution Dinge ma-
chen, dass sie in den Richtlinien auftauchen von der Bundesärztekammer ist
völlig richtig, was man macht wenn jemand Beigebrauch hat, ist bis dahin, also 340
wirklich völlig Konsens. Ich sehe es ein bisschen individueller, ich kann mir auch
vorstellen jemanden zu substituieren, der exzessiv Benzos nimmt, weil wenn
jemand auf der Straße ist, der meinetwegen Aids hat oder sonst was und wenn
ich ihn auf die Straße setzte und der oder die Angst haben muss dass er stirbt,
das ganz niedrigschwellig also zu vergeben. Man ist ja an die gesetzlichen 345
Richtlinien gebunden, an die halt ich mich, keine Frage, aber (__) ähm, ich hab
da schon ein bisschen weiteres Herz, als wenn ich das so nach den Richtlinien,
wenn ich nur die alleine nehmen würde, haben würde. Äh, es ist ne scheiß
Krankheit und äh (_) ich wiederhole auch noch mal, wenn ich weiß dass jemand
11
zum Beispiel überhaupt kein Geld hat, um irgendwas zunehmen und irgendwas 350
zu tun und auf der Straße lebt, da darf man ja an sich schon nicht substituieren,
wenn er keine feste Wohnadresse hat, das seh ich völlig anders. Nein, ich hab
keine Wünsche an den Gesetzgeber, es lockerer zu machen. Heroinsubstituiton,
wenn sie wollen, könnte ich morgen anfangen, überhaupt gar kein Problem, das
ist, (_) wer, ich hab´s mir in der Schweiz angeguckt, es ist das einfachste der 355
Welt. Braucht überhaupt nichts geändert werden, in den Gesetzten aber die ha-
ben die Gesetze gemacht und Vorschriften gemacht, dass wir ne Finanzierung
brauchten in (Zensur). Alleine von 600 000 bis 700 000 €, um das auf die Beine
zu stellen, für 10 bis 20 Leute die dafür in Frage kommen, drei Sozialarbeiter,
drei Ärzte, drei Räume, bestimmte, die Räume müssen gesichert sein, die müs-360
sen dann mit Panzerglasscheibe äh, arbeiten und so ein Schrott und deswegen
findet Heroinsubstitution in Deutschland so gut wie nicht statt. Außer die Leute
die es gemacht haben bevor die Richtlinien rauskam als Probegeschichte, total
Banane, also ich bin dafür das lockerer alles zu machen, ein bisschen lockerer
dranzugehen und nicht gleich so darzustellen, dass jeder Arzt ein Verbrecher ist 365
und jeder Patient der Benzodiazepine nimmt auch ein Verbrecher ist. Wenn man
das raus tun würde, nämlich dass das Gesetz ein bisschen raushalten würde,
das würde uns die Arbeit wahnsinnig erleichtern. (__) Echt.
F: Danke schön.
Protokoll A7:
Donnerstag, 26.07.2012, 17.00 Uhr
Stationäre Einrichtung (Allgemeinmedizinerin)
Geschlecht: w
Vor dem Interview:
Die Vermittlung fand durch die Leitung der Einrichtung statt und nach einem telefonischen
Kontakt wurde ein Termin am Donnerstagnachmittag vereinbart, an dem die Probandin vor
Ort war um ihre Sprechstunde durchzuführen.
Nachdem ich das Haus betreten hatte, wurde ich von einem Mitarbeiter zum Arztzimmer
begleitet. Die Probandin bat mich in das Arztzimmer.
Nach kurzer Vorstellung und Einholen des Einverständnisses zur Aufzeichnung, begann das
Gespräch.
Während des Interviews:
Die Probandin war interessiert und mir zugewandt und antwortete ausführlich.
Die Tür war während des Gesprächs geöffnet und die medizinische Fachangestellte kam
zwischendurch in den Raum, was das Gespräch aber nur marginal störte.
Nach dem Interview:
Das Interview dauerte 23 Minuten. Durch das Interesse und die ehrlichen Schilderungen der
alltäglichen Probleme mit Benzodiazepinen war ich sehr beeindruckt über den Umgang.
1
Interview Probandin A7
F: Wie lange arbeiten Sie schon mit substituierten Patienten?
A: (_) Äh. (_) Ja, gut, das ist schwer zu beantworten, ich bin seit 10 Jahren, seit gut
10 Jahren in der Drogenhilfe in (Zensur) und da werden natürlich auch manche 5
substituiert, manche aber auch nicht. Also, aber das ist eher niedrigschwellig,
also Drogenkonsumraum und DTA und seit 2011 bin ich hier in (Zensur), also,
wo halt fast alle substituiert sind, also meine Patienten hier.
F: Welche Rolle spielt für Sie die Erfahrung, die Sie im Laufe der Jahre gesammelt
haben? 10
A: (___) Ja, also, die Erfahrung sagt halt Patienten die sag ich mal 30 Jahre Ben-
zos genommen haben, die sind sehr schwierig Benzo-frei zu bekommen. Also,
(_) und ich denke, das ist ne Erfahrung die jeder der in der Praxis arbeitet, also
macht (_) und (_) diese Erfahrungen haben natürlich Leute die in den Kranken-
kassen arbeiten, nicht ne deswegen auch die unterschiedlichen Meinungen da-15
zu, ne. (_) Also, meine Erfahrung sagt mir schon, es ist glaube ich utopisch zu
glauben man bekommt jeden Patienten Benzo-frei. (_) So erstrebenswert wie
das auch ist, ne, also ich bin auch nicht für Benzos, ich find die auch nicht gut,
aber (_)
F: Das trifft wahrscheinlich auf den Beikonsum auch im Allgemeinen zu, jemanden 20
Beikonsum-frei zu bekommen.
A: Ja, das ist natürlich, das bleibt das Ziel, ja. Aber bei manchen ist das Ziel nicht
zu erriechen, glaube ich mittlerweile, mit meiner Erfahrung sagen zu können, ja.
F: Wodurch unterscheiden sich die substituierten Patienten von „normalen“ für
Sie? 25
A: Was, was heißt normal?
F: Oder was sind für Sie die Besonderheiten bei diesen Patienten?
A: Im Vergleich zu anderen Patienten?
F: Ganz genau, ja.
A: (__) Naja, die substituierten Patienten sind natürlich abhängig vom, vom Ge-30
sundheitssystem, mit ihrer Sucht und äh, ja gehen diese Anhängigkeit auch ein
teilweise, aber versuchen auch halt trotzdem ihre Freiheiten rauszunehmen, ne.
Also, man hat ne kontrollierende Funktion bei substituierenden, äh, substituier-
ten Patienten, die man bei „normalen“ also, nicht substituierten Patienten nicht
hat. Also, man muss hier also wirklich UKs machen, ne, also haben sie Beikon-35
2
sum und schlucken sie ihr Konsum, äh, ihr Substitut und ähm, wenn sie Take-
home haben, gehen sie auch verantwortlich damit um, also es kommt ne kon-
trollierende Funktion halt dazu.
F: Hm. Wie viele Patienten substituieren Sie aktuell?
A: Puh, also etwas über 50. 40
F: Insgesamt, mit beiden Stellen?
A: Ich substituiere nur hier. In (Zensur) ist das ein Konsumraum und äh, Substitu-
ierte dürfen nicht in den Konsumraum und die Substituierten die in die DTA
kommen und die dann substituiert sind, äh, die kriegen das woanders.
F: Ok. Wer ist an der Vergabe selbst beteiligt? 45
A: Also, ich mach die einmal in der Woche und die anderen sechs Tage machen
das halt die medizinischen Fachangestellten. Aber die UKs werden immer don-
nerstags gemacht, wenn ich da bin und da mach ich halt auch die Vergabe und
sichte die Patienten und seh die auch alle, also ich seh alle Patienten einmal in
der Woche. 50
F: Auf welche Substanzen wird bei Aufnahme getestet?
A: (_) Wir testen auf, ähm auf Benzos, Opiate, auf Kokain, auf Methadon oder Me-
thadonmetabolite oder halt Buprenorphin, (_) also nicht auf THC.
F: Hm, das hab ich auch schon öfter gehört. (lacht)
A: Ja. THC würde bedeuten äh: Alle wären positiv (lacht) 55
F: Das war auch die Antwort beim letzten Mal. Was passiert wenn die UK vor Auf-
nahme Benzo-positiv ist? Wirkt sich das aus?
A: Vor Aufnahme, äh, hier in der Einrichtung?
F: Ja.
A: Nee, also, ähm ,die Leute die hier aufgenommen werden, die haben teilweise 60
noch einen Konsum, das wissen wir auch, also, ähm, clean zu sein ist hier keine
Bedingung, es darf nur nicht im Haus konsumiert werden und ähm, gut wenn
Benzos drin sind, das ist also, das erfahren wir erst, gut, vor Aufnahme, weiß ich
(_) doch die müssen einmal zu Dr. (Zensur) und müssen da auch ne UK abge-
ben, aber das hat überhaupt keine Konsequenzen für die Bendingungsaufnah-65
men, äh, Aufnahmebedingungen (lacht).
F: Hat das Auswirkungen auf die Dosis?
A: Die kommen hier schon eingestellt rein. Denn das ist für mich sehr schwierig für
mich die Leute einzustellen, wenn ich nur einmal in der Woche da bin. Das geht
3
also nicht, also die werden halt, also, entweder sind sie schon eingestellt oder 70
sie werden halt in die Klinik gehen und sich da einstellen lassen.
F: Hm.
A: Und auch wenn die jetzt, ähm (_) Umstellungen nötig sind, also was weiß ich
jetzt von einem auf das andere Substitut, dann gehen die auch halt in die Klinik
und werden halt stationär umgestellt, so kleine, ähm, Anpassungen mache ich 75
selber. Aber da wo man halt auch täglich gucken muss, also wie es denen geht
das kann ich hier nicht leisten.
F: Was sind das so für Situationen wo im Einzelnen geguckt werden muss, wenn
angepasst wird?
A: Ja, manchmal kommt es halt vor, äh, dass, dass Leute doch lieber auf ein ande-80
res Substitut eingestellt werden wollen oder ähm, (__) gut, wenn sie halt kom-
plett entgiften wollen, also, ganz weg vom Substitut, kommt nicht so oft vor, ne,
aber ab und zu gibt’s so was mal oder ja, sonst gehen die halt nur zum Entgiften
vom Beikonsum.
(MFA unterbricht kurz) 85
F: Wie wird über eine UK entschieden? Werden die dann alle immer donnerstags
gemacht?
A: Die werden in der Regel immer donnerstags gemacht, aber wir können auch zu
anderen Zeitpunkten jederzeit UKs machen. Also wir haben ja schon mal so Fäl-
le von Leuten, wo dann bekannt wurde, dass die versucht haben zu bescheißen, 90
sag ich jetzt mal (lacht), äh, ja. Da müssen wir natürlich entgegenwirken, die
kontrollieren wir dann außer der Regel, also unerwartet, die wecken wir auch
aus dem Schlaf, wenn es sein muss, also (_).
F: Hm.
A: In der Regel, also donnerstags, haben wir Vermutungen, dass da was nicht rich-95
tig läuft, machen wir das auch mal anders.
F: Und donnerstags immer alle dann oder?
A: Alle. Das heißt alle müssen eine UK abgeben, aber nicht alle werden getestet.
F: Ah. Ok. Die wissen dann auch nicht wer gestestet wird und wer nicht.
A: Ne, das ist überraschend. So durchsichtig ist es dann auch nicht. Es ist schon 100
natürlich, etwas vorher- oder sehr vorhersehbar, dass man Donnerstag mög-
lichst sauber sein muss, aber man weiß ja nie: bin ich diesen Donnerstag dran
oder vielleicht nächsten. (_) Aber es gibt ja vier UKs im Quartal, das ist ja jetzt
auch nicht so viel. (_) Ich weiß nicht inwiefern, also ich denke einige wissen
4
dass es vier UKs im Quartal gibt. Obwohl ich glaube manche sind dann noch 105
überrascht und sagen: Wie nicht getestet? Ich bin letzte Woche nicht getestet?
Also, manche glauben tatsächlich es wird jede Woche getestet.
F: Ist ja auch nicht verkehrt.
A: Ist auch nicht verkehrt, eben.
F: Wie wird denn mit nem Benzokonsum umgegangen, wenn jetzt jemand nach 110
einem halben Jahr auffällig wird, auf einmal, mit Benzos?
A: Ja, hier gibt es welche die sind ständig Benzo-positiv, also, (_) (atmet deutlich
ein und aus) , also es gibt welche hier die kriegen noch Benzos verschrieben,
neben der Substitution. Also, wir versuchen jetzt, ähm, seit einiger Zeit, also
zumindest eine Reduzierung vorzunehmen. Das sorgt für sehr viel Unruhe, aber 115
es hat sich, ja ich glaube, die Leute haben sich drauf eingestellt, die wissen: Wir
müssen runter, es muss nicht sehr schnell gehen, aber der Trend muss runter
sein und ähm, das war am Anfang sehr hart, aber die wissen auch, dass wir das
jetzt nicht mit der Brechstange machen, sondern auch in Absprache mit denen
und wir fragen wie es denen geht und wir geben denen auch die Zeit sich daran 120
anzupassen. Also, es geht sehr langsam, also. (_) Außerdem, gut, schicken wir
natürlich Leute die, die ständig so, oder öfters Benzos im Urin haben, ähm las-
sen wir regelmäßig entgiften, (__) ähm. (_) Vor allem, wenn die natürlich selber
halt die Benzos besorgen, nicht wenn wir die verschreiben. Gut, dann wissen wir
natürlich nicht ob sie noch welche nebenbei nehmen, ne. Dann ist der UK halt 125
positiv und ob das dann nur von den verschriebenen Benzos ist oder ob die ne-
benbei auch noch konsumieren, das können wir nicht genau sagen. Das können
wir halt nur vermuten, halt, ja, dass sie intoxikiert sind: ja oder nein. (_) Ja, also,
das halt die zwei Möglichkeiten: Entgiften, immer wieder, also hier wird sehr viel
in Entgiftung geschickt, immer wieder und halt die langsame Abdosierung. 130
F: Eine ambulante Entwöhnung im Prinzip über einen sehr langen Zeitraum.
A: Genau, genau.
F: Hm. Und was für Indikationen, also warum bekommen die hier Benzos ver-
schrieben?
A: Weil die das schon seit dreißig Jahren bekommen. Das ist ne komplette Abhän-135
gigkeit, ja. (__) Und wenn wir die wirklich in Entgiftung schicken würden und die
würden dann, sag ich mal clean wiederkommen, die würden am nächsten Tag
ihre Benzos besorgen, ne. Und unkontrolliert, ähm. (__) Gut, man kann das
nicht ausschließen dass sie auch, wenn sie von uns Benzos bekommen, sich
5
nebenbei noch welche besorgen. Das ist wirklich mit sehr viel Fingerspitzenge-140
fühl so von: Ja, bei wem macht es Sinn die zu verschreiben und bei wem, ähm,
ja unterstützt man halt den unkontrollierten Konsum indem man selber auch
noch Benzos verschreibt, ne? Also, das ist nicht so einfach.
F: Hm. (__) Bekommen, denn teilweise auch von Psychiatern welche verschrie-
ben? 145
A: Ja, wir haben das hier so geregelt, dass im Prinzip ich in der Regel keine Ben-
zos verschreibe, sondern dann ein Neurologe oder Psychiater der hier einmal im
Monat seine Sprechstunde dann hält, mit mir wo er dann halt die ganzen Patien-
ten durchgeht, die die bekommen und die dann halt auch langsam versuchen
abzudosieren oder zumindest runter zu dosieren, ähm, ja. Und wenn es nötig 150
ist, dann auch wieder Benzos zu verschreiben, wenn es nicht geht ohne, ne,
weil das einfach zu viele andere Probleme da mit sich bringt (__).
F: Hm.
A: Also, ich persönlich bin da eigentlich raus. Ich kann immer sagen, also: Ich seh
dein Problem, aber Benzos verschreibe ich hier nicht, sondern der Psychiater 155
der kommt. Der kommt dann und dann und dann sprechen wir darüber.
F: Hm.
A: Da ist dann auch immer noch so eine Zeitverzögerung, was auch manchmal
sehr sinnvoll ist, einfach für die, äh, für den Kopf. Das wird besprochen, aber da
gehen dann auch wieder ein paar Wochen drüber hinweg und ähm, manchmal 160
reicht das dann auch schon um die Entzugserscheinungen zu reduzieren. Das
ist vielleicht nicht mehr so viel mehr dann (_) also, ja. Wir müssen hier wirklich
mit vielen Tricks arbeiten (lacht).
F: Und mit Fingerspitzengefühl.
A: Ja. 165
F: Es gibt ja auch welche die sich die Benzos von woanders besorgen. Wie reagie-
ren Sie wenn die Verordnungsquelle bekannt wird?
A: (__) Also, in der Regel wird die nicht bekannt. Ähm, (_) ich weiß von der Leitung
hier, die schon mehrmals Ärzte angezeigt hat, die Benzos verschreiben. Da ist
nie was passiert, also, deswegen. 170
F: Schwierig, ja.
A: Also, keine Ahnung. Also, ich hab noch nie jemanden angezeigt. Ich fahr jetzt
auch in der Regel. Ich kenn die Ärzte hier nicht. Ich weiß jetzt nicht wie es hier in
(Zensur) ist. Welche Ärzte, also, ich weiß von einem der reist immer nach (Zen-
6
sur) (_) und hat sich dann immer da ein Arzt oder ich weiß nicht, auf der Platte 175
oder ob er da einen Arzt hatte wo er sich die besorgt hat. Das hat zumindest da-
für gesorgt, dass er da beim Schwarzfahren erwischt wurde und deswegen ein
Verfahren am Hals hat, also, hm. (_) Da haben wir gesagt: Gut, wir verschreiben
dir eine kleine Menge, damit du auch nicht wieder straffällig wirst. Aber damit
musst du dann auch zufrieden sein und wir bauen das dann auch im Laufe der 180
Zeit ab, langsam, aber es wird reduziert, aber so dass du auch damit klar
kommst, ne, also, ja, das ist so ein Kompromiss. (__) Also, ich, in der Regel er-
zählen die auch nicht, wo sie ihre Benzos herkriegen, ne, die wären ja ganz
schön blöd, ne.
F: Gut. Aber vielleicht kann es dem einen oder anderen einmal rausrutschen. 185
A: Ja, aber da sind sie sehr diskret. (lacht)
F: Ähm, gut, das ist jetzt ne stationäre Einrichtung, aber welche Bedeutung hat
denn die psychosoziale Betreuung hier in der Substitution?
A: (_) Ja, eine sehr große. Denn hier passiert sehr wenig ohne die psychosoziale
Betreuung, ähm. (__) Also, der Kontakt könnte besser sein, weil ich natürlich nur 190
einen Tag in der Woche hier bin und nicht alle Sozialarbeiter donnerstags auch
hier sind, aber, ähm, wenn also ein Patient irgendeine Änderung haben möchte,
gut es sei denn er sagt, äh: Ich bin irgendwie entzügig, das Substitut reicht mir
nicht, das entscheide ich dann schon alleine, aber wenn es um Runterdosierung
geht, dann spreche ich das auch in der Regel mit der psychosozialen Betreuung 195
ab, also. (_). Also, dann sag ich: Sprich mit deinem Betreuer, komm mit dem
vorbei, dass wir das dann gemeinsam besprechen, also denn. Die kennen den
Patienten viel besser als ich. Ich bin hier nur einmal in der Woche und seh die
dann auch nur ein paar Minuten. Und äh, (_) deswegen, das finde ich schon
sehr sinnvoll auch die Betreuung da dabeizuhaben. 200
F: Hm. (_) OK. Über den Gesetzgeber haben wir gerade schon gesprochen. Hm,
gibt es da irgendwelche Wünsche die einem substituierenden Arzt den Alltag im
Umgang mit Benzodiazepinkonsum erleichtern könnten, an den Gesetzgeber?
A: (_) (hustet)(_) Ja, also ich denke, also, für (_) Einrichtungen, also und ich denke
auch für die substituierenden Ärzte, dass (_) es wäre wirklich gut, wenn man et-205
was weniger rigide halt mit dem Beikonsum umgehen könnte. Also, auch vom
Gesetzgeber, also. Jetzt ist offiziell Beikonsum von Benzodiazepinen ist einfach
verpönt, geht einfach nicht zusammen, ne, es wird halt ähm, von vielen Ärzten
halt geduldet, weil sie halt auch alle sehen, also, (_) das lässt sich nicht ändern,
7
irgendwie, ne, also zumindest nicht auf kurze Sicht, also und auch wenn Patien-210
ten halt nichts dazu nebenher nehmen, wie will man die kontrollieren, ne. So
außer die UKs die man macht (_) aber, man kann das nicht kontrollieren, ob die
jetzt irgendwo Benzos besorgen oder nicht, also. (__) Also, ich denke auch für
hier haben wir jetzt wirklich gemerkt, wir haben versucht wirklich langjährige
Konsumenten von Benzos wirklich abzudosieren und sind gescheitert. 215
F: Hm.
A: Und das waren Leute die wirklich, (__) seit mehreren, also, wie sagt man, also
zig Jahre Benzos genommen haben. Die kriegt man nicht mal eben, äh, entgif-
tet, ne und schon gar nicht in drei Wochen. Das ist unmöglich, die brauchen ein
Jahr, mindestens schätze ich mal bevor die wirklich, also dann, wo alles raus ist, 220
ne. Also, dass man zumindest Zeit auch bekommt die auch runterzudosieren
und nicht so wie es in der roten Liste steht, also, maximal zwei Wochen (_) ver-
schreiben darf und danach ist es eigentlich nicht mehr verschreibungsfähig, ne
und damit auch nicht erstattungsfähig.
F: Hm. 225
A: Also ich denke da muss man differenzierter gucken, also ich bin auch wirklich
nicht dafür, äh, wahllos Benzos zu verschreiben überhaupt nicht. (_) Und wenn
man die Verschreibung auflockern würde, dann würde das natürlich schon vo-
raussetzten, dass alle Ärzte da auch verantwortungsvoll mit umgehen und das
ist auch nicht der Fall. Es gibt genügend Ärzte, die Benzos haufenweise ver-230
schreiben, einfach weil, ja warum weiß ich nicht, aus, ja weil die keine Lust mehr
haben zu diskutieren oder weil es Geld bringt, keine Ahnung. Es sind in der Re-
gel dann, vermute ich mal auch Ärzte die weniger mit Suchtmedizin zu tun ha-
ben. (__) Naja, also (__) vielleicht wäre es sogar besser, die Benzos auch, alle
auf BtM, nur verschreibungsfähig zu machen, dann hätte man das auch besser 235
unter Kontrolle, aber auf der anderen Seite auch etwas, also weniger rigide da-
mit umgehen zu müssen. Also, so ähnlich wie bei der Opiatsubstitution, ne. Al-
so, das Ziel ist immer noch Abstinenz, aber auf lange Dauer, bei den Leuten die
es schon so lange nehmen (_) und wenn man es natürlich auf BtM Rezept
macht, dann hat man auch ne bessere Kontrollmöglichkeit (_). 240
F: Ok. Eine Frage, die habe ich gerade vergessen: Machen Sie Uks unter Sicht.
A: Hm?
F: Machen Sie Uks unter Sicht oder gehen die alleine auf Toilette?
8
A: Achso, ja, die gehen alleine auf Toilette. Die Toilette ist aber hier im Raum, ähm.
Ja, (_) ich will nicht sagen, dass die gar nicht (_) nicht türken können, aber (_) 245
gut, wir kontrollieren natürlich die Temperatur und gucken auch wie der Urin
aussieht. (_) Ähm, gut, manche die, äh, betrügen schon, das kommt aber meis-
tens raus indem geredet wird, halt, ne (lacht) und ja, äh, filzen mache ich schon,
aber auch nicht bei allen. Nur wenn ich einen Verdacht habe, dass da was läuft,
ja. 250
F: Ok. Danke schön.
Protokoll A8:
Freitag, 27.07.2012, 15.00 Uhr
Niedergelassene Praxis (Gynäkologie)
Geschlecht: w
Vor dem Interview:
Die Probandin ist mit Proband A6 verheiratet und ließ mir durch ihn per E-mail-Kontakt mit-
teilen, dass ich sie am Freitagnachmittag zu Hause aufsuchen sollte.
Da ich den Ort schon kannte, gab es eine gewisse Vertrautheit und ich fühlte mich wohl.
Wir saßen auf der Terrasse im Garten und nach Vorstellung und Einleitung holte ich mir die
Erlaubnis zur Aufzeichnung des Gespräches ein.
Während des Interviews:
Die Atmosphäre war sehr ruhig. Die Probandin war zugewandt, nahm sich Zeit und antworte-
te ausführlich.
Nach dem Interview:
Die Länge des Interviews betrug 23 Minuten und war durch die ruhige Art der Probandin sehr
angenehm.
1
Interview Probandin A8
A: Aber es ist ja so, wenn sie nur schwangere haben, die sind ja irgendwann nicht
mehr schwanger.
F: Richtig. 5
A: Und dann bleiben die trotzdem bei einem und dann wird das Klientel immer wei-
ter.
F: Klar. Das vergrößert sich dann, aber dann sind Sie ja im Prinzip spezialisiert.
A: Ja, mehr so für Frauen, so in der Richtung. Also, ich hab nicht dieses ganz ka-
tastrophale Klienten, äh, Klientel, wie mein Mann das hat. Also, so dass das mit 10
den Benzos bei mir nicht so dramatisch ist. Meistens ist die Motivation dadurch
dass die schwanger waren, ja doch relativ groß beigebrauchsfrei zu sein. Des-
wegen bin ich hier eher der positive Aspekt hier.
F: Wie lange arbeiten Sie schon mit substituierten Patienten?
A: 12 Jahre rum. 15
F: Hm. Wodurch unterscheiden sich ihre substituierten Patienten von den „norma-
len“?
A: Sozial, meistens sehr schwierig zu führen, besonders am Anfang. Sie, wenn sie,
äh, die Drogenabhängigen reinkommen, sind sie ja sehr häufig, sagen wir mal
rein äußerlich schon zu unterscheiden, von „normalen“ Patienten. Sie sind ja 20
sehr häufig ungepflegt, ein bisschen aggressiv oder depressiv und äh, sie sind,
ja sie benehmen sich auch weniger ruhig und fallen schon auf, auch die Klei-
dung ist meistens noch und die Körperpflege ist ja doch ein bisschen, sagen wir
mal, lässt oft zu wünschen übrig. Und das ändert sich aber im Laufe, wenn sie
normalerweise, wenn sie ja dann doch bei uns bleiben oft innerhalb von weni-25
gen Wochen, dass sie rein äußerlich schon, ja, dass sie kaum noch zu unter-
scheiden sind. Normalerweise ja gut dann gepflegte Kleidung, zumindest Se-
cond-Hand und gewaschen und sind auch so mit dem ganzen, mit der Praxis-
führung und wie alles läuft dann sehr vertraut und dann geht das an sich sehr
gut. 30
F: Welche Rolle spielt diese 12 jährige Erfahrung die Sie jetzt mit diesen Patienten
haben im Umgang mit denen?
A: Ach, man wird sehr viel ruhiger und (lacht) toleriert viele Sachen dann auch e-
her, als ganz am Anfang. Aber man ist auch also durch die Erfahrung kann man
auch sagen manchen Patienten: Kinder, ihr passt hier nicht rein. Ihr wollt euch 35
2
nicht integrieren. Ihr werdet immer rückfällig, äh. Bei uns geht das nicht, dann
müsst ihr wieder gehen. Dann muss man sich manchmal auch trennen, passiert
nicht häufig, aber (_) und wenn man dann weiß, wie es läuft und man lange Er-
fahrung hat dann ist es auch kein Problem. Man sagt seine Meinung, man strei-
tet sich auch gar nicht mehr, sondern sagt einfach: So geht’s nicht, wie, ich 40
glaub, wie in einer guten Familie. Irgendwann sagt die Mutter oder der Vater:
Nee, so geht’s nicht, aufgeräumt werden muss schon.
F: Was sind das für Dinge die man am Anfang eher toleriert hat?
A: Am Anfang tolerieren vor allen Dingen Beigebrauch. Den muss man immer am
Anfang tolerieren, weil die sind ja nicht innerhalb von einer sind die ja nicht 45
clean. Und äh, als ich anfing da dachte ich immer ich müsste, ich sei der Heils-
bringer, ich müsste jeden Patienten jetzt Beigebrauchsfrei kriegen und den Zahn
kann man sich ziehen lassen. Das passiert ja sehr (_), das passiert, also, das
sind ja die Erfolgsbeispiele, wenn die nach einem halben Jahr dann Take-home
kriegen und bleiben tatsächlich bei der Stange und haben keine Rückfälle oder 50
wenig Rückfälle, dann ist man irgendwie ein bisschen stolz.
F: Hm. Das glaub ich.
A: Und jetzt ist es so, dass ich ein dickeres Fell auch hab, wenn jemand Beige-
brauch hat. Letztendlich dreht es sich darum: Der Mensch muss erstmal überle-
ben. Erstmal muss der weiterkommen und man kann nicht immer schwere Vor-55
würfe machen. Manches muss man auch tolerieren später und manches kann
ich jetzt besser tolerieren.
F: Wie viele Patienten werden aktuell in Ihrer Praxis substituiert?
A: Es müssen so um die 22 sein.
F: Wer ist an der Vergabe beteiligt? 60
A: Äh, primär die Arzthelferinnen. Ich habe drei voll angestellte Arzthelferinnen, die
sich damit auch beschäftigt haben mit der Vergabe und außerdem, ja ich natür-
lich und meine Kollegin, wenn ich nicht da bin, im Urlaub, dann hab ich eine
Jobsharing Assistentin, die auch Fachärztin ist und äh. Sie vertritt mich dann. Im
Zweifelsfall ist mein Mann in der Praxis unten. Der hat ja eine Gemeinschafts-65
praxis und er als Internist übernimmt dann schon die problematischen Fälle,
wenn manchmal auch die internistischen Problematiken im Vordergrund stehen,
nicht im Vordergrund aber mitbehandelt werden müssen, zum Beispiel Hepatitis
und Aids, Hepatitis C ja jetzt vor allen Dingen, äh. Da wird auch möglichst vor-
her am Anfang der Vergabe von uns aus gesagt: Der Internist muss drauf gu-70
3
cken und wenn es mein Mann nicht ist, dann zu den Ärzten, also, den Hausärz-
ten wo sie vorher auch hingegangen sind.
F: Auf welche Substanzen testen Sie vor der Aufnahme?
A: Äh, das ist Kokain, Heroin, äh, Benzos, und äh, Methadon bzw. Polamidon, kein
THC. 75
F: Wie gehen Sie vor wenn vor der Aufnahme die Benzos positiv sind? Was pas-
siert dann?
A: Ja, egal, ob die po (_) ja, äh, das ist egal, die werden darauf aufmerksam ge-
macht: Beigebrauch geht nicht, egal in welcher Form. Für Benzos gilt das ge-
nauso, wie für Heroin und Kokain. Ziel ist auf jeden Fall, äh, Beigebrauchsfrei-80
heit.
F: Das wird dann am Anfang im Gespräch vermittelt?
A: Auf jeden Fall. Also, das ist das Ziel. Ob es erreichbar ist, ist fraglich.
F: Ändert sich das denn dann im Laufe der Substitution?
A: Die Patienten möchten gerne. Die sagen am Anfang alle: Ja, will ich, dann, äh, 85
wenn offensichtlich Benzos genommen werden, dann muss äh, gibt’s ja nur
zwei Möglichkeiten, entweder, also ich kann´s nicht tolerieren, ähm, dann müs-
sen sie zum Neurologen oder sie scheiden aus dem Programm. Nein, Entschul-
digung, sie gehen zum Entzug in die Klinik oder man muss sich trennen und
wenn, gut, es gibt aber auch Frauen, ne, ich hab ja nur Frauen (lacht), ähm, da 90
ist der Benzobeigebrauch gar nicht mal ganz bewusst. Die nehmen dann Heroin
oder Kokain und anscheinend wird das dann auch schon mal gestreckt. Viel-
leicht ist dann ein bisschen was drin, dann sind die Teste natürlich positiv, ohne
dass die Patienten echt ähm, Benzo-abhängig wären, aber die Urinscreenings
sind dann trotzdem positiv. Gut, da muss man einfach sagen, von den anderen 95
Substanzen müssen sie auch von äh, wegkommen von Heroin und Kokain.
F: Ist immer ein Paket, sag ich jetzt mal.
A: Ja, ja. Jemand der ganz alleine Benzo-abhängig ist, die hab ich nicht. Das ist
immer nur ein Stück Beigebrauch.
F: Wie entscheiden Sie über UKs? 100
A: Äh, ich hab ja viele Schwangere und Frauen die dann immer ihre Kinder be-
treuen müssen. Da läuft es üblicherweise zweimal im Monat.
F: Hm.
A: Und bei Bedarf bekommt das Jugendamt dann auch eine Info oder die Betreuer
eine Info, ob sie clean sind oder nicht 105
4
F: Und Sie schauen dann wer, wie, wann dran ist und schreiben es dann auf?
A: Ja, das wird notiert, die Leute wissen dann meistens vorher schon Bescheid,
bald sind sie wieder fällig und viele sagen eben: Ja, können sie ruhig heute ma-
chen, ich bin sauber. Und äh, weil der Motivationszwang clean zu werden ist bei
Frauen mit Kindern glaube ich deutlich größer und ich glaub, also, ich hab das 110
nie statistisch ausgewertet, aber ich glaube, dass die Frauen die nur mit dem
Methadon oder Polamidon klarkommen, dass da bei mir die Erfolgsquote größer
ist, als wahrscheinlich in der Praxis meines Mannes, weil sonst die Kinder aus
der Familie evtl. rausgenommen werden könnten. (__)
F: Machen Sie UKs unter Sicht? 115
A: Ja, Pippi wird, äh, also, das Schema ist so: eine Arzthelferin geht mit, äh, die
machen dann, also, die sind nicht direkt dabei, aber die Tür ist offen und der
Urin wird dann auch auf Temperatur überprüft und dann gab es manchmal auch
schon Zwischenfälle, was heißt Zwischenfälle, äh, aber da war der Urin kalt und
äh. Also, seitdem wir wissen, dass die Patienten, also, äh, schummeln und dann 120
laut protestieren: Das ist doch mein Urin, dann wird vorher das Thermometer
eben reingehalten und wenn Pippi nicht 37° Grad hat, dann ist das kein frischer
Urin.
F: Das fühlt man ja dann auch äußerlich.
A: Ja, nur manche sagen, die haben sich verfühlt, die Arzthelferin, die kann nicht 125
richtig tasten und dann haben wir ein Thermometer dafür.
F: Ah ja. OK. (lacht)
A: Außerdem gibt es da noch einen kleinen Trick: Die machen einmal Pippi und
dann ist der kalt oder wir haben Zweifel, dann können sie eine Stunde bei uns
sitzen bleiben und dann dürfen sie ein zweites Mal unter Aufsicht Pippi machen, 130
ja und dann können sie nicht mehr mogeln.
F: Dann geht’s nicht mehr. Was passiert wenn jemand nach einem halben Jahr
wieder auffällig wird mit, speziell jetzt mit Benzodiazepinen?
A: Ach so, ich hab die Frage nicht zu Ende beantwortet. 14 tägige UK bei den
Frauen mit Kindern, egal ob schwanger oder in der Familie Kinder. Wenn die 135
hinterher, wenn die Kinder aus dem Haus sind und die haben keine, äh, die Kin-
der leben nicht im Haushalt, dann machen wir es alle vier Wochen, ca. alle vier
Wochen.
F: Dreimal im Quartal dann.
5
A: Ja, kann man sagen, kann auch mal sechs Wochen werden je nachdem, gibt 140
auch Menschen die sind so zuverlässig, da guckt man auch schon mal etwas
drüber hinweg. Aber im Schnitt alle vier Wochen.
F: Gibt es auch Ausnahmen wo man zwischendurch mal so denkt. Äh, der müsste
mal?
A: Ja, ne, das ist bei Alkohol. Wir machen also Alkohol, jetzt nicht das normale 145
Sreeningprogramm, dass man die pusten lässt, aber sobald wir den Gedanken
haben oder man weiß dass die Alkoholanhängig sind, dann wird überra-
schenderweise, dürfen sie mal pusten oder manchmal auch täglich, um sie bei
der Stange zu halten. Also, das ist beim Alkohol ist natürlich eher ohne Voran-
sage. 150
F: Ja, gut, ist ja auch schnell gemacht. Da kann man auch nicht schummeln.
A: Ja, und da können sie es ja auch schneller feststellen, was wirklich Tatsache ist.
Die Urinscreenings sind ja nicht so ganz äh, OK, sind sehr hoch sensibel und es
kommt öfter mal vor, dass die auch auf Benzos positiv reagieren oder auch auf,
ähm, hatten wir jetzt auch auf Kokain. Und dann wenn da wirklich kein Beige-155
brauch ist dann sagen die Mädels, äh, die Patientinnen auch: Hier können sie
Blut abnehmen und das machen wir dann auch. Vor allem wenn Kinder da sind
und fast immer ist es so dass die Patientinnen recht haben dass das Urinscree-
ning hoch, äh, zu sensibel dann war und dass wirklich im Blut nichts drin war.
Auch THC ist häufig positiv und wir haben es einfach rausgenommen. Also,(_) 160
ja, vielleicht muss man da ein bisschen drüber weggucken. Ich, äh, bin kein Poli-
tiker, aber ich glaube man sollte das nicht zu dramatisch sehen.
F: (__) Was passiert wenn jetzt jemand sagen wir mal nach einem halben Jahr mit
Benzos auffällig wird?
A: Ja, zunächst rede ich da mit den Patientinnen. Dann muss ich sagen, dass nor-165
malerweise, da hab ich also, zwei Sorten von Patientinnen, eine kriegt das
manchmal durch den Neurologen, dann ist man manchmal erstaunt oder hat
vom, von irgendwoher, weil sie mal einen Tag keine Vergabe hatten, dann ha-
ben sie sich was besorgt, also, einmal durch einen Arzt tatsächlich, durch den
Neurologen, ist ja legitim, angenommen die haben Krampfanfälle und sind bei 170
ihrem Neurologen oder haben Depressionen oder wie auch immer und der Neu-
rologe hat denen dann was gegeben. Das ist ja abgesegnet. Dann manchmal
setzte ich mich mit dem Neurologen in Verbindung, ruf mal an und frage: Was
ist denn da mit der Patientin? Ja, die kriegt bei mir immer oder gerade jetzt ganz
6
akut kriegt sie ein Benzopräparat. Gut. Dann schreib ich hin: neurologisch, neu-175
rologische Ursache und manchmal ist es auch so dass die das als Überbrü-
ckungsmedikament dann genommen haben, weil sie mal zur Vergabe nicht
kommen wollten und hatten dann mal eben vom Opa oder sonst wo, von der
Oma ein paar Benzos dann eingeschmissen. Gut, dann muss ich sagen, das ist
ein Rückfall, äh, mal gucken, dauert ja eine Ecke bis es raus ist, kriegen sie vo-180
rübergehend eben kein Take-home mehr, also das sind ja dann immer Leute die
Take-home hatten. Dann wird das Take-home erstmal gestrichen, bis zum
nächsten Test der dann, Urinscreening. Wenn es dann wieder in Ordnung ist,
dann kann man ja schreiben, ähm, problemloser Beigebrauch, einmaliger Rück-
fall und dann kriegen sie auch wieder ihr Take-home. 185
F: Spricht irgendwas für eine Dosisveränderung?
A: Dosisveränderung mache ich mehr, sozusagen, auf Wunsch. Das diskutiert
man, ob Suchtdruck da ist und ähm, wenn da wirklich Suchtdruck ist und die
nehmen häufiger Benzos, dann biete ich ihnen an zur Klinik zum Entzug oder
ich kann es nicht tolerieren. Dann müssen sie leider aus dem Programm aus-190
steigen.
F: Das sind dann die Sanktionen, die daraus folgen können?
A: Ja.
F: Was sind die besonderen Schwierigkeiten beim Benzokonsum?
A: Ja, ist schwierig. Wer einmal Benzoabhängig ist, Heroin ist glaube ich noch das, 195
äh, die einfachste Art wovon man runterkommen kann, habe ich so den Ein-
druck, Kokain ist ganz großer Mist und Benzos sehe ich ähnlich, ist ganz, ganz
schwer von den Benzos runterzukommen. Auch wegen der langen Halbwerts-
zeit, das ist ja auch noch endlos in, äh, nachzuweisen. Also, äh, bei Heroin, ne
Woche später kann man sagen, müsste man an sich wieder clean sein und bei 200
Kokain und bei Benzos, kann das durchaus auch zwei, drei Wochen dauern bis
die wieder sauber sind. Also so, ich kann das jetzt nicht sagen, ist wahrschein-
lich auch unterschiedlich von Mensch zu Mensch, aber Benzos ist ein ganz gro-
ßes Problem, äh, die davon sauber zu kriegen.
F: Gibt es sonst noch besondere Schwierigkeiten im Bezug auf Schwangere? 205
A: Nö. Benzos und Kokain. Also, meistens kommen sie ja und haben das ganze
Programm, dass jemand nur Heroin nimmt und damit sozusagen bei mir an-
kommt, das hab ich wirklich selten erlebt. Meistens ist alles im Urinscreening
7
und überhaupt, die geben es ja auch zu. Die kommen ja auch nicht zum Spaß
zu mir, die sagen: Hier, ich brauch Hilfe. 210
F: Behandeln Sie in Ihrer Praxis Patienten mit Benzodiazepinen?
A: Ähm, ja, aber das sind dann, tolerieren kann ich es ja nicht, wenn einer Ben-
zodiazepinabhängig ist, also, wenn das Urinscreening das beeinhaltet, dann
muss ich mich rückversichern, bei den Psychiatern oder Neurologen, ob das er-
laubte, also als Medikament eingesetzt wird, dann toleriere ich es natürlich. 215
F: Hm.
A: Aber sonst kann man es nicht tolerieren.
F: Bieten Sie dem Patienten auch an eine ambulante Entwöhnung zu machen?
A: Ja, nicht bei mir, das äh, kann ich nicht übernehmen ich bin Gynäkologe.
F: Hm. 220
A: Ich bin primär für die Vergabe zuständig. Wenn Probleme sind kann ich sie nur
zum Neurologen schicken oder wir haben so Psychiater in (Zensur), die ja dann
die, ähm, sich damit besser auskennen, aber so nach meinem Dafürhalten dann
zuerst mal in die Klinik und werden prompt dann irgendwann auch mal wieder
rückfällig, ja, nicht alle. Ist immer pauschal gesagt, also, äh, der stationäre Ent-225
zug, käme dann, also, würde ich den Leuten immer eher ans Herz legen.
A: Ich habe keine Patienten die da vom Neurologen da runterdosiert werden oder
so. (_)
F: Wie reagieren Sie, wenn so eine Verordnungsquelle bekannt wird? Also, jetzt
nicht nur ein Neurologe von dem Sie wissen, dass der Patient da in Behandlung 230
ist.
A: Hab ich mich telefonisch mit in Verbindung gesetzt und hab gesagt, dass das für
ihn ein hohes Risiko ist, dass er dann mal irgendwann zur Kasse gebeten wird.
F: Hm.
A: Also, äh, würd ich mal sagen, ja, (__) ja es ist schwierig, ich äh. Man möchte mit 235
den Kollegen auch nichts, äh, denen so sagen, ihr macht das falsch.
F: Hm.
A: Aber zumindest als das sehr auffällig wurde. Das waren aber nur zwei Ärzte im
Laufe dieser langen Zeit, wo ich mich dann telefonisch mit in Verbindung gesetzt
hatte und da war auch zu vermuten, dass sie die Benzos, die sich die Benzos 240
haben aufschreiben lassen und wieder verkauft haben. Ich bin da gar nicht si-
cher dass die das alles selber geschluckt haben.
F: Hm. (__) Und wie war die Reaktion?
8
A: Tja, was soll man da sagen, (__) Schweigen im Walde erstmal. Ja, danke für die
Information. (__) 245
F: Welche Bedeutung hat die Kooperation mit der PSB in Ihrem Behandlungskon-
zept?
A: Ne sehr hohe. Das läuft sehr gut, wir haben mehrere Stellen hier in (Zensur) äh,
die sich darum äh, kümmern. Eine Beratung läuft ja bei uns in der Praxis, in der
Praxis meines Mannes, dann haben wir da die offenen Beratungsstellen, die die 250
Stadt (Zensur), dann die Drobs und äh, an sich herrscht da kein Mangel und die
Kontakte sind auch gut. Wenn man denkt da seinen Probleme, nimmt man den
Telefonhörer hoch und versucht mal zu eruieren warum das bei dem Patienten
nicht gut läuft.
F: Und was sind das so für Probleme? Wann nehmen Sie da Kontakt auf? 255
A: Das ist einmal, also fast immer ist es der Beigebrauch, dass man denkt die rut-
schen wieder total ab, verstärkter Beigebrauch, dann familiäre Probleme, wenn
Kinder in der Familie sind, dass man dann schon mal sagt: Wie sieht das aus?
Muss man da in der Familie vielleicht eher, in der Familie Betreuung machen?
Und, äh, die überhaupt dann auch zu motivieren regelmäßig, äh, zur PSB hin-260
zugehen. Das ist also, oft sehr schwierig die Leute zu motivieren, wirklich dahin
zu gehen, denn sonst fliegen sie aus dem Programm raus. Termine einzuhalten,
aber auch Wohnungssuche, ich habe eine Frau, die ist jetzt schon seit langer
Zeit auf der Straße. Die brauchte Hilfe, aber die ist, tschuldigung, zu dumm um
sich helfen zu lassen. Also, Wohnungssuche ist, äh, äh, Wohnungswechsel ist 265
auch ein Problem, gar nicht mal so Kleidung oder Essen und so, aber in ein ge-
ordnetes Millieu wieder reinzukommen. (__)
F: Also, die PSB ist schon wichtig.
A: (nickt)
F: Haben Sie Wünsche an den Gesetzgeber speziell im Bezug auf die Benzodia-270
zepine, um Ihnen den Arbeitsalltag zu erleichtern?
A: Äh, das ist, ähm, die gesetzlichen Vorschriften, ähm, der Papierkram, der Pa-
pierkrieg. Das ist also immer, aber das gilt nicht nur für Benzos, das ist ja in dem
ganzen Rahmenprogramm, egal, womit sie Beigebrauch haben, äh, ja, wie soll
man das formulieren? Ich würde gerne weniger Formulare ausfüllen und etwas 275
mehr gerne selbstverantwortlich dafür sein. Auch die Screenings und äh, die
Beobachtung der Patienten auch dem Gefühl mal zu überlassen und nicht nur
immer stur nach Standard zu gehen. Auch die Take-home, dass man das Take-
9
home zum Beispiel individualisieren kann. Sie können ja an sich wenn jemand
Take-home, äh, wenn jemand Beigebrauch hat, Benzos auch, dann können sie 280
ihm ja an sich kein Take-home geben. Aber manchmal ist das auch familiären
Gründen oder soziale Umstände doch mal, da wär´s doch schön, wenn man
dann doch mal drei, vier Tage Take-home geben könnte und sagt: Dieser
Mensch ist jetzt gerade auf Wohnungssuche. Lasst den doch jetzt erstmal die
Wohnung suchen. Nur, man darf´s aber nicht, also so ein bisschen die gesetzli-285
chen Vorschriften sind sehr streng und wenn man sich nicht dran hält, hat man
hinterher selber juristische Probleme. Also, ich würde gerne nicht immer das
Damoklesschwert der Juristerei über mir hängen haben, wenn ich was versäu-
me dass ich dann belangt werden kann.
F: Mehr Eigenverantwortung. 290
A: Mehr Eigenverantwortung. Weil ich den Patienten sicher besser ab, also, beur-
teilen kann, als äh, mit strengen Regeln, ja nicht die Regeln. Ich würde das alles
akzeptieren, nur wenn ich sie nicht einhalte, dass ich dann juristisch belangt
werden kann, das nervt.
F: Hm. 295
A: Und ich hab ein dickes Fell, mein Mann steht mir zur Seite, als Internist und
Chef der Drogenkommission, wenn ich das alleine machen würde hätte ich
schon aufgegeben.
F: Ist ja auch ein kleiner Patientenstamm mit 22 Patienten.
A: Ja, obwohl das schon relativ viel ist, es gibt viele Arztpraxen auch in (Zensur) 300
die haben weniger Patienten. Und das in einer normalen Praxis, man muss ja
auch, davon seh ich ja zehn mindestens jeden Tag. Das hält doch auf, ja.
F: Danke schön.
A: Ach, das war´s schon.
Protokoll A9:
Montag, 06.08.2012, 12.00 Uhr
Ambulanz (Allgemeinmedizinerin)
Geschlecht: w
Vor dem Interview:
Die Probandin wirkte bei der telefonischen Anfrage gestresst, nahm sich aber Zeit und gab
mir einen Termin in ihrer Mittagspause am Montagmittag.
Kurz vor Ende der Vergabe am Vormittag musste noch ein Patient versorgt werden, daher
fand das Gespräch nach einer halben Stunde Wartezeit in einem Arztzimmer statt.
Nachdem wir uns hingesetzt hatten, kehrte etwas Ruhe ein.
Aufgrund der etwas kühlen, dürftigen Umgebung fühlte ich mich zunächst nicht wohl.
Nach Vorstellung und Einleitung zum Interview holte ich mir die Erlaubnis zur Aufzeichnung
des Interviews ein.
Während des Interviews:
Die Probandin war ruhig und zugewandt während des Gespräches und antwortete ausführ-
lich.
Das Gespräch wurde zweimal durch die Krankenschwester unterbrochen. Sonst war die Tür
geschlossen und wir waren unter uns.
Nach dem Interview:
Das Interview dauerte 23 Minuten und hinterließ durch die ausführlichen Antworten bei mir
ein gutes Gefühl.
1
Interview Probandin A9
F: Wie lange arbeiten Sie mit substituierten Patienten?
A: Also, in der Substitution selber seit 1997, vorher im Rahmen der Sucht stationär.
Also, sprich mit ambulant substituierten Patienten, die zur Krisenintervention ge-5
kommen sind oder ähnlichem.
F: Hm.
A: Ph, weiß ich nicht, ungefähr seit 1994 (__) 95, ja 95 war´s.
F: Welche Rolle spielt für Sie die Erfahrung die Sie im Laufe der Jahre gewonnen
haben? 10
A: (_) Gibt eine gewisse Gelassenheit (lacht) und äh, ähm ist einerseits sicherlich
ein Punkt mit dem man arbeiten kann. Andererseits macht´s dann auch manch-
mal lange Zähne, also wenn man die Geschichten alle schon hundertmal oder
tausendmal gehört hat, muss man gucken, dass das dann nicht auf den einzel-
nen Patienten zurück schließt. 15
F: Man neigt dann dazu das zu verallgemeinern?
A: Ja, beziehungsweise, also am schlimmsten sind die Patienten die einem
höchstpersönlich mehr als hundertmal dieselbe Geschichte erzählen. Also, ich
sehe die Patienten, ja, doch mindestens einmal in der Woche
F: Hm. 20
A: Und äh, naja, wenn man das dann sagen wir mal so 10 Jahre gemacht hat und
immer noch dieselben Geschichten hört, dann wird man schon manchmal etwas
müde und muss dann gucken dass man einen neuen Ansatz findet.
F: Wo liegen für Sie die Unterschiede zwischen den substituierten Patienten und
„normalen“ Patienten? Sag ich jetzt mal in Anführungsstrichen. 25
A: Ich weiß nicht was ein normaler Patient ist. So. (lacht) Ähm, ne, so kann man
das nicht sagen, hier speziell in dieser Ambulanz, haben wir natürlich Leute die
oder sagen wir mal viele Leute von denen man so sagt: Die sind nicht praxis-
gängig. Also, ähh, viele multimorbide Patienten, also, ca., wenn wir jetzt mal die
somatischen Krankheiten noch rauslassen, äh, über gut reichlich über 10% Psy-30
chotiker, also mit Doppeldiagnosen. Wir haben natürlich ganz viele Angster-
krankte, Depressive und bei den Persönlichkeitsstörungen muss man ja immer
gucken, wo setzt man da die Grenze. Aber das (lacht) sind natürlich auch ganz
viele Patienten. Ähm, und eine gut laufende Substitution finde ich, bei einer gut
laufenden Substitution gibt es für mich keinen Unterschied zu nem äh, zu einem 35
2
„normalen“ Patienten, so. Bei nem schlecht laufenden, naja, die schlecht laufen-
de Substitution hauptsächlich oder im Wesentlichen das worum sich die Interak-
tion hier dreht, aber halt eben auch das Leben der Patienten, so.
F: Wie viele Patienten werden hier zurzeit substituiert?
A: 148. 40
F: Wer ist an der Vergabe beteiligt?
A: Im Wesentlichen macht das unser Vergabepersonal. Das ist eine Kranken-
schwester, eine MTA und eine Verwaltungsfachkraft, die über langjährige Erfah-
rung einfach und enge Anbindung da ist, teilweise ich selbst, teilweise eine So-
zialarbeiterin. 45
F: Auf welche Substanzen testen Sie bei Aufnahme?
A: Wir testen Benzodiazepine, Kokain, Opiate, Methadon, Buprnorphin und das
was so eventuell noch nötig ist, äh und Alkohol, natürlich.
F: Wie gehen Sie vor, wenn die UK vor Aufnahme Benzodiazepin positiv ist?
A: Ah, also wir machen vor Aufnahme sowieso eine gründliche körperliche Unter-50
suchung. So und neurologische Untersuchung, psychopathologischen Befund
und eine möglichst ausführliche Sozialanamnese und eine Konsum,
Suchtanamnese und erfassen natürlich den aktuellen Konsum, ähm. Ich ver-
schreibe in neunundneunzig Komma irgendwas Prozent nicht selber Benzodia-
zepine, sondern da sind die Patienten auf ihre bisherigen Quellen noch ange-55
wiesen und wir thematisieren aber die Benzodiazepine oder jeglichen Konsum
ausführlich und probieren, also ein Reduktionsregime zu installieren. Das klappt
manchmal, manchmal auch nicht.
F: Hm.
A: Bei extremen Konsum sag ich den Patienten auch, dass sie zunächst stationär 60
entgiftet werden müssen, weil teilweise die Konsummengen so immens sind,
dass ich denke, dass eine ambulante Einstellung von vornherein unmöglich ist
oder zumindest sehr, sehr schwer.
F: Der positive UK hat jetzt aber keine Konsequenzen in Bezug auf die Aufnahme?
A: Nein, also, ich glaub ich hab, Moment, eins, zwei, drei, ich hab vier Patienten mit 65
einer Opiatabhängigkeit, davon haben zwei zumindestens manchmal einen
Benzodiazepinabusus in geringem Ausmaß. Also, (lacht) dann hätte ich keine
Patienten mehr oder kaum.
F: Also, zwischendurch konsumieren die mal Benzodiazepine?
3
A: Also, vor Aufnahme Benzodiazepine sind häufiger drin. Also viele kommen ja, 70
wenn die Versorgung mit Heroin auf die eine oder andere Art nicht klappt. Das
befördert den Veränderungswunsch wirklich enorm (lacht) ne, und das wird
dann teilweise auch alternierend genommen. Also, auch von Leuten die keine
Benzodiazepinabhängigkeit haben, die dann auch mal, tatsächlich mal Benzodi-
azepine nehmen, wenn das mit dem Heroin wieder gerade mal nicht so geklappt 75
hat.
F: Wie häufig führen Sie UKs durch? Wie entscheiden Sie über UKs?
A: Wir machen mindestens einmal im Monat unangekündigt, unter Sicht eine Urin-
kontrolle für alle. Ähm, bei Bedarf, auch zwischendurch noch mal. Bedarf kann
teilweise sein, einfach dass ich die Kontrolle habe, teilweise wenn auch die Pa-80
tienten selber die Kontrolle wünschen, gibt´s also auch relativ häufig, also um so
anzustacheln, jetzt die letzten Schritte auch noch mal zu tun, so und bei äh, un-
seren Take-homern läuft das bis zu wöchentlich. So bei den sechs Tage Take-
homern gucken wir dass wir mindestens zwei UKs im Monat haben, teilweise
vier. 85
F: Und alle unter Sicht?
A: Alle unter Sicht, außer ein Patient sagt: bei mir ist eh alles drin. Dann ist es zum
Teil auch nicht unter Sicht.
F: Speichelproben?
A: Machen wir selten. Wir haben Patienten bei denen das mit den UKs sehr 90
schwierig ist, aber die meisten müssen da doch irgendwie durch, wir haben es
gemacht. Die äh, das Hauptproblem dabei ist äh, die Nicht-Nachweisbarkeit von
Benzodiazepinen. Deshalb haben wir vielleicht, also, naja, zwei, drei Proben,
Tests im Monat, aber das ist halt minderrelevant, was so ein Test aussagt und
die sind für uns jetzt auch keine Grundlage für Take-home Entscheidungen 95
machbar oder nutzbar.
F: Das ist nur der UK dann?
A: Ja, also.
F: Wie sieht das jetzt so praktisch aus? Also, da ist jemand der ist das erste Mal
seit einem halben Jahr wieder auffällig mit Benzodiazepinen. Wie ist da so der 100
Ablauf? Was passiert dann?
A: Also, zum einen probieren wir unseren Patienten zu vermitteln, zu sagen, also
dass sie selber ihren Konsum auch benennen, wird bei uns auch regelmäßig
abgefragt. Aber wir fordern auch auf, das zu benennen und zwar nicht nur am
4
Tag der UK, ne. Also, natürlich hör ich auch bei UK, dass gerade gestern, also 105
30% der Patienten, oder 20% der Patienten eigentlich ganz sauber waren, aber
gerade gestern irgendwas passiert ist. Aber eben halt, es wird thematisiert, also
bei Patienten die Benzodiazepinabhängig sind, dass nicht äh, ähm, das nicht
verändern, wird es nicht so regelmäßig, also, nicht bei jedem Gespräch themati-
siert. Weil man kann nicht 50 Gespräche im Jahr über dasselbe führen und wir 110
gucken bei jedem Beikonsumer oder versuchen so mit jedem Patienten zu erar-
beiten: erstens wie viel nimmt er. Wenn er dann nicht weiß wie viel er nimmt,
wie er das eventuell zumindest mal erfassen kann, wie viel er nimmt und auch in
welchen Situationen. Also, welche Funktion hat der Beikonsum. Wie schränkt
ihn der Beikonsum ein, äh. Was gibt es so an Handlungsalternativen. Also, vom 115
Vermeiden an bestimmten Stellen vorbeizugehen oder bestimmte Leute bei sich
aufzunehmen oder mit bestimmten Gefühlen anders umzugehen, hm.
F: Gibt es auch Sanktionen?
A: Also, die wesentlichste Sanktion ist natürlich, (__) dass man kein Take-home
bekommt, beziehungsweise eine Take-home Sperre bekommt auch, hm, also, 120
wenn man schon mal soweit war (_) ähm. Je nach, je nachdem, also, wenn wir
zum Beispiel jemanden haben von dem wir denken der könnte das schaffen o-
der bei jemanden wo wir denken das, äh, sprengt so den Rahmen eines äh, ei-
nigermaßen ungefährlichen Lebens und behindert ihn sehr, machen wir teilwei-
se auch sogenannte Beikonsumentgiftungsauflagen und wir haben auch schon 125
Patienten wegen Beikonsum entlassen. (_) Selten, kommt selten vor, aber wir
machen es (lacht)
F: Entlassen oder vermittelt dann an einen anderen Arzt?
A: Nee, bei uns ist die Entlassung, also, aufgrund von Beikonsum auf jeden Fall
nicht unvermittelt, sondern, ne, da hat man schon eine längere Zeit mit intensi-130
ven Gesprächen hinter sich (lacht) und wir sagen dann äh, das wir äh, ihm (_)
wenn wir die disziplinarische Entlassung aussprechen, dass der dann zwei Wo-
chen Zeit hat sich einen anderen Arzt zu suchen. In (Zensur) ist die Situation re-
lativ gut, muss man sagen, ne. Und erst dann erwägt man entweder eine ambu-
lante Abdosierung oder äh, die dann allerdings in recht kurzer Zeit oder eben 135
halt ein öh, das Angebot eines stationären Entgiftungsplatztes.
F: Gibt es Dosisveränderungen?
A: Laufend. (lacht)
F: Auch aufgrund von Beikonsum und auf Wunsch des Patienten?
5
A: Ja, auch, ähm, also, je nachdem, also wenn man zum Beispiel, äh. Viele Patien-140
ten konsumieren ja auch Benzodiazepine, weil sie eigentlich unzureichend ein-
gestellt sind, aber bei den meisten meiner Patienten ist der Wunsch eher nach
weniger Methadon. So und dann geht man ganz toll runter und dann kann man
so schlecht schlafen und dann redet man auch nicht darüber, weil das ist ja
peinlich sonst kriegt man noch gesagt man soll doch ein klein bisschen wieder 145
hoch gehen mit dem Methadon und äh, dann nimmt man halt mal ne Pille, ne.
So und dann nimmt man vielleicht auch jeden Tag ne Pille oder zwei oder drei,
so, ne. Also, in solchen Fällen haben wir auch schon aufgrund von äh, Benzodi-
azepinenbeikonsum, dann schrittweise in Absprache mit den Patienten wieder
erhöht, ne, also. (__) Das geht natürlich nur wenn eine gewisse Bereitschaft be-150
steht auf die Benzodiazepine auch tatsächlich wieder zu verzichten. Also, so
und äh, andere Apassungen sind natürlich was weiß ich ne, nach Rückfällen,
bei bestimmten körperlichen Erkrankungen, also Dosisanpassung nach oben,
wenn da schon mal eine passende Dosis war, nach einem Rückfall ist das an-
ders, ne, Erkrankungen oder wenn jemand eine Arbeit antritt oder ähnliches. 155
F: Hm. Wo sehen Sie die besonderen Schwierigkeiten gerade im Umgang mit Pa-
tienten die Benzodiazepinbeikonsum haben?
A: Äh, also, zum einen ist die Verfügbarkeit immens hoch, hm, so und äh, das Be-
wusstsein, dass es sich dabei um eine Anhängigkeit handelt, ist bei vielen Pati-
enten überhaupt noch gar nicht da. So, zum anderen, ähm, also im Hochdosis-160
bereich oder im höher dosierten Bereich ist es auch einfach erstmal platt gefähr-
lich (lacht), so. Und gerade bei denen, aber da, so, im höher dosierten Bereich
erwartet man auch noch nicht unbedingt Introspektion oder affektive Schwin-
gungsfähigkeit, aber gerade so im niedrig dosierten Bereich stellt sich dann her-
aus, bei Patienten die im Wesentlichen nur Benzodiazepine konsumieren, die 165
schaffen es teilweise schon sich sozial ein ganzes Stück zu stabilisieren (_) aber
ja, diese affektive Indifferenz, man könnte es die Abwesenheit des Ichs oder
ähnliches nennen, ist denk ich dann das Hauptproblem der Benzodiazepine.
F: Behandeln Sie selber auch Patienten mit Benzodiazepinen?
A: Nein. Also, extremst selten, ähm. (_) Zum Beispiel wenn wir einen Patienten, 170
also, wenn wir Patienten aus irgendwelchen Krankenhäusern übernehmen, (__)
ähm, kommen die häufig mit Benzodiazepinen, so. Das sind dann die Fälle, wo
wir kurzfristig ne Behandlung fortsetzten, aber mit einem etwas verlängerten
Entgiftungsschema.
6
F: Hm. Ambulant, dann ausschleichend? 175
A: Ja, und täglicher Einteilung et cetera.. (_) Ähm, ansonsten nein. Das hat aber
auch äh, (_) äh, hat auch damit zu tun, dass äh, es ist ein Stück ein Selbst-
schutz, also, wenn ich irgendwie quasi hier (_) äh, (__) wenn das hier rum geht,
dass ich auch Benzodiazepine verschreibe, dann äh, wird das, äh, extrem prob-
lematisch in den Diskussionen mit all den Patienten die das nicht verschrieben 180
kriegen. Das reicht dann schon, so. Ich mein wir behandeln mit Antidepressiva,
hoch und niederpotenten Neuroleptika, aber eben nicht mit Benzodiazepinen.
(Mitarbeiterin unterbricht kurz)
F: Werden Patienten in Absprache mir Ihrer Ambulanz durch andere Ärzte mit
Benzodiazepinen versorgt? Durch Psychiater zum Beispiel. 185
A: Ähm, nur entsprechend einem Abdosierungsschema. Also es gibt meines Er-
achtens, für eine längerfristige Behandlung mit Benzodiazepinen keine psychiat-
rische Indikation. (__) So, und auch keine, äh. Also, (__) wir hörens ja so immer
wegen der Anfälle, ne, also und da gibt es Handlungs- und Behandlungsalterna-
tiven, so. 190
F: Ähm, auch Neuroleptika dann?
A: Äh, also, wenn es sich tatsächlich noch um was anderes handelt als die Ent-
zugskrampfanfälle, gibt es eben halt Antiepilektika.
F: Wie reagieren Sie wenn eine Verordnungsquelle bekannt wird?
A: (Atmet hörbar aus) Also, zum einen versuchen wir teilweise den Kontakt aufzu-195
nehmen, ne und das gibt eben halt auch äh, beratungsresistente Verordnungs-
quellen. (lacht)
F: Das ist schön, schön gesagt. Welche Bedeutung hat die Kooperation mit der
PSB in Ihrem Behandlungskonzept?
A: Wir haben hier die PSB integriert. 200
(Mitarbeiterin unterbricht kurz)
Wir haben hier eineinhalb Sozialarbeiterstellen, in Form von zwei Sozialarbei-
tern und jeder unserer Patienten ist einem von beiden zugeordnet und hat äh,
hat Kontakt zu halten. Das einzige wo es anders ist, ist bei langfristig stabilen
Patienten, die aufgrund ihrer Berufstätigkeit, den Kontakt nicht halten können. 205
Wir haben so eine Frühvergabe, so. Da ist das dann nicht nötig. Da läuft das
quasi über Gespräche mit mir, dass ich mit vergewissern kann.
F: Und da gibt es auch immer ein Austausch zwischen Ihnen und der PSB?
A: Ja, wir machen immer gemeinsame Teambesprechungen.
7
F: Gibt es Wünsche an den Gesetzgeber die Ihren Arbeitsalltag erleichtern könn-210
ten im Umgang mit Benzodiazepinen?
A: Im Umgang mit Benzodiazepinen. Ha, ha (__) also, (__) Hm, an den Gesetzge-
ber im speziellen. Also, zum einen (_) denke ich, also, die meisten Sachen ha-
ben mit der Kontrolle durch die KV zu tun. Sprich das Verschreibungsverhalten
bestimmter Kollegen genauer unter, hm (_) die Augen zu nehmen. Ich denke 215
der Schritt, äh, Flunitrazepam 2 mg auf das BtM Rezept zu tun, war schon mal
sehr gut, es wird sich, hoffentlich in der Richtung noch das ein oder andere ent-
wickeln. Also, soweit ich das mitgekriegt habe, hat es weniger kritische Überdo-
sierungen seitdem gegeben, so, aber man kann natürlich noch. (lacht)
F: Wirkt sich das hier im Alltag auch aus, also merkt man das seit November ist 220
das glaube ich?
A: Ich weiß das gar nicht mehr seit wann, aber es hat eine Veränderung gegeben.
Also, ich meine, also, für viele meiner Patienten ist eine Pille auch ne Pille. Ne,
und äh, ansonsten, gibt es zwar einige Sachen wo ich denke dass die BtMVV
und das BtMG verändert werden könnten, um Substitution günstiger zu machen, 225
aber im speziellen auf den Benzodiazepinkonsum fände ich es nur allenfalls zu
überlegen also, diese BtM Rezeptpflichtigkeit eventuell auszuweiten, ne. Also,
was der Gesetzgeber machen kann.
F: Und äh, so ein allgemeiner Wunsch bezüglich BtMG oder BtMVV?
A: Ähm, also mal ganz, äh, bei ganz profanen Dingen, äh, im Prinzip dürfen die 230
Patienten ja nicht in Deutschland Urlaub machen. (lacht) Wir müssen ins Aus-
land im Prinzip, ne und ja, äh, ich könnte es jetzt durchgehen und dann hätte ich
so verschiedene Anmerkungen, aber im Moment hab ich nicht alles auf dem
Schirm. So.
F: Ist Ok. Danke schön. 235
Protokoll MFA1:
Dienstag 03.07.2012, 12.00 Uhr
Niedergelassene Praxis (Allgemeinmedizin)
Vor dem Interview:
Nach Absprache mit dem zuständigen Substitutionsmediziner durfte ich die Probandin inter-
viewen, die ebenso wie ich vor dem Gespräch sehr aufgeregt wirkte.
Sie bat mich, nach Betreten der Praxis in ein Arztzimmer.
Nach kurzer Vorstellung und Einleitung zum Interview holte ich mir die Erlaubnis zur Auf-
zeichnung des Gespräches ein.
Während des Interviews:
Die Tür des Arztzimmers war geschlossen und der noch laufende Praxisbetrieb störte das
Interview nicht.
Die Probandin antwortete jedoch teilweise sehr kurz und da dies mein erstes Interview war,
fiel es mir sehr schwer das Gespräch flüssig zu führen.
Nach dem Interview
Die Länge betrug lediglich 12 Minuten. Ich fühlte mich durch die ungeplante Kürze des Ge-
spräches verunsichert.
1
Interview Probandin MFA 1
F: Wie lange arbeiten Sie bereits mit substituierten Patienten?
MFA: (___) Hm, ja, ich bin jetzt seit, also Ende des Jahres seit 27 Jahren hier und zur
Substitution, mein Gott, wann haben wir da angefangen, vor 15, 18 Jahren so 5
circa, ja.
F: Welche Rolle spielt die Erfahrung im Umgang mit substituierten Patienten für
Sie?
MFA: (_) Ich kenn die halt alle jetzt schon lange, das spielt schon eine Rolle.
(lacht) 10
F: Worin unterscheiden sich die substituierten von ihren anderen Patienten?
(__)
MFA: Gibt es nicht. Ich behandle die wie normale, andere Patienten auch.
F: Wie viele Patienten werden in Ihrer Praxis aktuell substituiert?
MFA: (_) Zurzeit sind´s 20(_) nee, 21.(__) 15
F: Wer ist an der Vergabe beteiligt?
MFA: (_)Das bin ich einmal.
F: Hmm. (_)
MFA: Und. Öh..ja, gut ich bin ja eh nur vormittags da und wenn ich nicht da bin, dann
macht das ne Kollegin. 20
F: Auf welche Substanzen testen Sie bei Aufnahme des Patienten?
MFA: Ähm, Heroin, Cannabis. (____bedient den Computer) Kann ich Ihnen gleich
sagen (lacht) Moment, muss ich einmal hier eben, (__) also, Cannabis, Ben-
zodiazepine, Opiate, Methadon, auf die vier Substanzen, genau.
F: Wie ist die Vorgehensweise wenn die Patienten vor Aufnahme Benzodiazepin-25
positiv sind?
MFA: (__atmet hörbar aus_)
F: Hat das zunächst keinen Einfluss auf die Behandlung?
MFA: (_) Nee, weil die meisten sowieso alle vorab was (__).
F: Sowieso die ganze Reihe durch an Substanzen konsumiert haben? 30
MFA: Ja. Und die kommen ja, ich sag mal jetzt, clean hier hin in dem Sinne so dass
Heroin negativ ist.
F: Stellen Sie im Laufe der Behandlung fest dass sich das verbessert, also der
Konsum anderer Substanzen abnimmt?
MFA: Ja, doch, auf jeden Fall. 35
2
F: Wie häufig führen Sie UKs durch? Gibt es Intervalle?
MFA: Ja, ca. alle vier Wochen.
F: Und wer entscheidet über die UK?
MFA: Da wir das ja generell alle vier Wochen machen, wenn derjenige in dem Monat
noch nicht dran gewesen ist, dann schicken wir die zur Toilette. 40
F: Gibt es Fälle wo Sie entscheiden der muss jetzt außerhalb der Intervalle zur
UK?
MFA: Ja, wenn der jetzt positiv vielleicht mal war, dass wir dann sagen: so (_) weil so
ungefähr können die ja schon selbst schon abchecken, so. dann und dann, so
(_) und ganz so (tippt sich an die Stirn) sind wir ja auch nicht (lacht), dann schi-45
cken wir die dann halt entweder noch mal oder zu nem anderen Zeitpunkt, so
dass wir nicht, wenn die sich ausrechnen. Meinetwegen zum ersten hin und
dass wir die dann erst am zehnten oder so schicken.(__) also, so. Aber einmal
im Monat auf jeden Fall.
F: Ändern Sie den Intervall, wenn Sie eine physische oder psychische Verände-50
rung am Patienten feststellt und denken, oh, den sollte ich mal zur UK schicken?
MFA: Ja, das gibt es auch.
F: Werden in Ihrer Praxis UKs unter Sicht durchgeführt?
MFA: (_schüttelt den Kopf)
F: Werden nicht durchgeführt. 55
MFA: Nein.
F: Wie wird im Allgemeinen in ihrer Praxis mit einer BZD und Opiatabhängigkeit
umgegangen? Zum Beispiel wenn jemand nach sechs Monaten plötzlich positiv
auf Benzodiazepine ist?
MFA: Der muss erstmal zum Doktor rein. Also, jeder wo die UK positiv ist, die müssen 60
zum Doktor, direkt im Anschluss
F: Gibt es dann auch mal eine Änderung der Dosierung?
MFA: Gibt es auch, ja.
F: Stellen Sie auch schon mal um von Methadon auf Polamidon?
MFA: Ja, haben wir auch schon gemacht. 65
F: Was spricht für eine Weiterbehandlung und gibt es Sanktionen?
MFA: (___schaut fragend)
F: Also, wenn der Patient sich besondere Mühe gibt und mitarbeitet oder haben
Sie schon einmal jemanden aus der Behandlung genommen, wenn das nicht in
den Griff zu kriegen war? 70
3
MFA: Also bis jetzt noch nicht.
F: Kann man in der Behandlung immer vom Auf und Ab sprechen, so dass es mal
besser und mal schlechter läuft?
MFA: Ja, und man sieht auch wenn die jetzt, weiß ich nicht vielleicht ein paar mal hin-
tereinander positiv wären, gut dann sagt man sich auch: So nicht. Entweder 75
werden die dann, ja klar, höher dosiert oder dann halt auch abdosiert, weil die
dann gar nicht. (_) Aber dann fangen sie sich auch wieder, ne. Weil, die müssen
schon kooperieren. Also auf´e Nase rumtanzen lassen. (_schüttelt den Kopf_)
Die versuchen´s ja sowieso immer, ein paar einzelne, ist klar, aber. (lacht)
F: Und dann gibt es Intervalle wo es mal besser oder mal schlechter läuft, bei ein-80
zelnen Patienten?
MFA: Ja. Dann gehen die aber auch in die Entgiftung.
F: Gibt es Punkte an denen es besonders auffällt, wenn ein Patient unerwartet Be-
zodiazepine konsumiert? Erkennen Sie das?
MFA: Ja, die sind besonders müde, schläfrig oder lallen dann, also dann vom spre-85
chen her. Wenn die dann morgens rein kommen merkt man denen das schon
an.
F: Gibt es besondere Schwierigkeiten die genau diese Patienten in der Behand-
lung machen?
MFA: (_) 90
F: Oder gibt es keinen Unterschied zum Konsum anderer Substanzen?
MFA: (__) Schwieriger, nee, würd ich jetzt nicht sagen. Ich meine wir haben jetzt auch
nur einen einzigen, der so Benzos. (___)
F: Der nebenher ohne ärztliche Indikation Benzos konsumiert?
MFA: Ja. (_) Und ja gut, die sind ruhiger oder ich mein ich kenn das ja auch schon, 95
von die jetzt von früher weil, die sind ja auch schon mehrere Jahre, die sind ja
jetzt auch, n paar sind ja schon weg, ja. (___) Nein, die sind einfach auch viel
ruhiger, auch nicht so ansprechbar, sag ich jetzt mal, es kommt drauf an, wie
viele Tabletten die sich jetzt reingeschmissen haben, ne. Aber. (___)
F: Sind die betroffenen Patienten dann auch ehrlich und sagen Ihnen, wie viele 100
Tabletten konsumiert wurden?
MFA: Die meisten, die meisten, schon.
F: Die Patienten muss man nicht bei der UK erwischen?
MFA: Nein, also das, ich muss sagen, also hier die Patienten so 80%, 90% würde ich
sagen die sind wirklich ehrlich und wir haben auch nicht so viele. Ich sag mal so 105
4
vielleicht in anderen Praxen, weil da so, so viel ist, kann man sich vielleicht
auch nicht so, gesprächsmäßig vielleicht mal, um die einzelnen so ein bisschen
mehr kümmern. Weil die meisten die dann hier hinkommen die suchen dann halt
doch schon mal auch ein Gespräch und ne, und wenn es dann nur fünf Minuten
sind aber das tut denen dann auch mal ganz gut oder wenn man dann auch 110
über belanglose Sachen vielleicht einfach noch mal spricht, ne.
F: Da gibt es also einen besseren Überblick, wenn man nur wenige Patienten hat?
MFA: Ja.
F: Behandeln Sie in Ihrer Praxis Patienten mit Benzodiazepinen?
MFA: Ja, einen. 115
F: Und welche Indikation besteht? Eine Anhängigkeit oder eine psychische Stö-
rung?
MFA: (schüttelt den Kopf)
F: Eine Abhängigkeit.
MFA: (nickt) 120
F: Werden Patienten in Absprache mit Ihrer Praxis durch andere Ärzte mit Ben-
zodiazepinen behandelt?
MFA: Nein. Also nicht nach meinem Wissen. (lacht) Ich mein, was die einzelnen unter
der Hand machen weiß man nicht und es fällt auch nicht immer alles im Urin
auf. Gut, wenn der kalt ist, merkt man´s, ne, wenn se versuchen irgendwas zu 125
vertuschen, aber (_) ähm, (_) die kommen ja mit den tollsten Klamotten manch-
mal oder kann vorkommen, ne, dass sie dann warmen Urin mitbringen dann,
sag ich jetzt mal, aber da wir nicht daneben stehen, kann das nicht immer alles
hundertprozentig, ne, weiß man nicht.
F: Ja, das ist schon schwierig, aber Sie fühlen ob der Urin kalt oder warm ist? 130
MFA: Ja, das auch jeden Fall.
F: Und wie reagieren Sie wenn Sie hören, wer die Benzos verordnet hat bzw. die
Verordnungsquelle bekannt wird wo regelmäßig verordnet wird?
MFA: Also, wir würden dann anrufen bei dem Arzt und würden dann halt sagen, dass
er hier in Behandlung ist, dass er halt substituiert wird und der Doktor wird da-135
von in Kenntnis gesetzt und dann muss der Patient dann darein, halt zum Dok-
tor, ja. (_) Ich mein sofort rausfliegen wird er dann nicht, aber ein Gespräch wird
stattfinden, wie der Doktor dann entscheidet, hm, ich mein bisher hatten wir
noch keinen Fall der jetzt so rausgeflogen ist. Dass die ähm vom anderen Arzt,
nicht wissentlich natürlich was verschrieben haben, das ist uns bisher noch nicht 140
5
zu Ohren gekommen, die werden sich dann eh wahrscheinlich eher was auf der
Platte holen, denk ich mal.
F: Aber irgendwer muss das ja auch zur Platte mitbringen oder?
MFA: Ja.
F: Das wird wahrscheinlich in mehreren Praxis so gehandhabt, dass bei Bekannt-145
gabe angerufen und informiert wird.
MFA: Ja, dass die andere Praxis dann auch weiß, aha, der wird substituiert und dann
haben die ja auch die Möglichkeit mit ihrem Chef zu reden, dass der dann auch
sagt: Ja, junger Mann / junge Frau. (_) Weiß ich nicht. Das ist ja, die müssen ja
dann auch sagen: Nee, so nicht. 150
F: Das ist aber bei Ihnen auch noch nicht vorgekommen?
MFA: Ganz früher mal, aber jetzt, so mit unserem Methadonpatienten, nee.
F: Welche Bedeutung hat die Kooperation mit der PSB in dem Behandlungskon-
zept ihrer Praxis?
MFA: (___)Hhm, ist ja jetzt runtergesetzt so auf alle vier Wochen. Vorher war´s so 155
einmal im Quartal und jetzt sollten se so alle vier Wochen vorstellen, ähm, ja
gut. Einige Leute möchten das ja gar nicht, sich dann da hinsetzten und von ih-
rem Problemen reden, aber zur Begleitung, damit die, ich sag mal, wenn jetzt
einer komplett davon runter möchte. Es gibt auch welche, ich sag mal, die das
Methadonprogramm nur nutzen, damit sie nicht kriminell werden. (__) Nein, 160
aber zur Unterstützung für die Patienten selber damit sie in ihrem Leben besser
klar kommen, auf jeden Fall und manche die wollen das ja vielleicht gar nicht,
aber ich sag mal beim zweiten oder dritten Anlauf öffnen sie sich dann vielleicht
doch mal und wenn das dann alles mal so raussprudelt, ne.
F: Würden Sie sagen hier werden Dinge behandelt die sie so im medizinischen 165
Kontext nicht übernehmen können?
MFA: Sagen wir mal so, also bei uns in der Praxis, also ich bin schon (_) der An-
sprechpartner für die, also die alten Hasen, sag ich jetzt mal, weil ich die schon
so lange kenn und die kommen schon mit ihrem einen oder anderen Problem
mal dann halt zu mir und fragen: Hasse mal ein paar Minuten und ähm (_) weil 170
ich, ja (ja), sag ich mal, auch sehr vertrauenswürdig für die bin und ich bin aber
auch muss ich sagen, ja so mit Leib und Seele dabei. Das ist nicht so: So jetzt
hasse hier dein Zeug und tschüss. (lacht) Nein also das ist schon äh (__)
F: Wenn man die Patienten so lange kennt dann hat man auch einen anderen Be-
zug zu ihnen. 175
6
MFA: Ja, genau. (_) Nein, ist aber schon wichtig, diese psychosoziale Betreuung und
muss auf jeden Fall nebenbei, damit die auch wenigstens, auch wenn sie zwei-,
dreimal vielleicht sagen: Hab kein Bock drauf und beim vierten Mal: Ich hab da
doch ein Problem. Da ist aber jemand so, der kann mir helfen und (__) dass sie
auch wissen, dass Unterstützung und Hilfe auch da ist, wo sie zupacken kön-180
nen.
F: Sei schauen dass die Patienten regelmäßig alle vier Wochen zum Berater ge-
hen?
MFA: (___) Wir versuchen es. (lacht) Nein, klappt aber schon ganz gut. Die Beraterin
die in die Praxis kommt schreibt regelmäßig Termine auf und man sieht ja auch 185
wer mehr Bedarf und wer weniger Bedarf. So, wer jetzt mehr Bedarf hat kriegt
jetzt halt mal kurz hintereinander einen Termin und wo man sagt, bei dem ist eh
nichts, dann kann der auch noch mal zwei Wochen länger warten. Dann nimmt
man lieber einen anderen vor, der jetzt momentan akut Bedarf hat.
F: Würden Sie sagen dass, wenn enger Kontakt zur PSB besteht und man auch 190
merkt dass da gearbeitet wird, dass sich auch am Konsum was ändert?
MFA: (_atmet aus_) Ja, gut kommt darauf an was sie für Probleme haben, weil die
versuchen ja dann schon durch den Beikonsum auch die Probleme (__)
F: … zu betäuben?
MFA: Ja, genau. 195
F: Aber pauschal kann man das nicht sagen?
MFA: Nicht unbedingt, weiß ich jetzt nicht.
F: Haben Sie wünsche oder Ideen vielleicht auch vom Gesetzgeber her die Ihnen
den Alltag erleichtern können?
MFA: (____) Hm 200
F: Sind Sie so zufrieden?
MFA: (lacht) Ja, ich bin schon so zufrieden. Ich wüsste jetzt nicht, auf Anhieb fällt mir
da jetzt nichts ein.
F: OK, das war´s schon. War gar nicht so schlimm oder?
MFA: Nee. (lacht) 205
F: Danke.
Protokoll MFA2:
Mittwoch 04.07.2012, 11.30 Uhr
Niedergelassene Praxis (Allgemeinmedizin)
Vor dem Interview:
Nach Terminabsprache bestellte mich die Probandin am Mittwochmittag in die Praxis.
Ich wartete an der Straße, da schon alle Fenster dunkel waren und mir niemand öffnete.
Kurze Zeit später kamen zwei medizinische Fachangestellte aus der Praxis und ich sprach
sie an. Dabei stellte sich heraus, dass mein Termin vergessen wurde und die Probandin ging
mit mir zurück in die dunkle Praxis und bat mich im Arztzimmer platz zu nehmen.
Ich war erleichtert, dass sie sich noch Zeit für mich nahm, fühlte mich aber auch verpflichtet
das Gespräch schnell zu führen.
Nach kurzer Vorstellung und Einleitung, holte ich mir die Erlaubnis zur Aufzeichnung des
Gespräches ein.
Während des Interviews:
Die Probandin antwortete sehr kurz und knapp, da sie auch schnell ihren Dienst beenden
wollte. Die Gesprächsführung war für mich nicht einfach.
Da es keinen Praxisbetrieb mehr gab, sind Störungen von außen ausgeblieben.
Nach dem Interview:
Die Länge des Interviews betrug 9 Minuten und ich fühlte mich ein wenig abgefertigt nach
dem vergessenen Termin.
1
Interview Probandin MFA2
F: Wie lange arbeiten Sie bereits mit substituierten Patienten?
MFA: (_) Ähm, also ich persönlich seit 1994.
F: Und welche Rolle spielt für Sie die Erfahrung, die Sie im Laufe der Jahre ge-5
sammelt haben im Umgang mit substituierten Patienten?
MFA: Ich finde eine, es spielt eine große Rolle. Weil man dann auch auf jeden einzel-
nen eingehen kann, weil ja auch nicht alle gleich sind.
F: Wie viele Patienten werden aktuell in Ihrer Praxis substituiert?
MFA: Ähm, (_) es schwankt immer so zwischen 70 und 80. 10
F: Und mittlerweile, also aktuell sind es?
MFA: Ich schätze Mitte 70.
F: Wer ist an der Substitution beteiligt, also an der Vergabe?
MFA: Der Doktor und wir auch.
F: Auf welche Substanzen testen sie bei Aufnahme der Patienten? 15
MFA: Das machen wir auf Morphin, Heroin, Kokain. (_) Ja, ich glaub das war´s.
F: Und wie gehen Sie vor wenn die Urinkontrolle vor Aufnahme auf Benzodiazepi-
ne positiv ist? Hat das einen Einfluss auf die Behandlung?
MFA: (Probandin schüttelt den Kopf)
F: Wird der Patient auf jeden Fall aufgenommen? 20
MFA: Nein, der wird auf jeden Fall aufgenommen. Der kommt ja nicht einfach so. (lä-
chelt)
F: Ändert sich dann der Konsum im Laufe der Behandlung, also der Konsum ande-
rer Substanzen? Stellen Sie eine Veränderung fest?
MFA: Andere Substanzen außer den Benzodiazepinen oder? 25
F: Allgemein. Ändert sich der sogenannte Beikonsum?
MFA: Ja, das ändert sich schon. Meistens zum positiven. (lächelt)
F: Wie häufig führen Sie UKs durch und wer entscheidet über die UKs?
MFA: Wir machen das einmal im Monat und die Patienten müssen dann Urin abge-
ben, wenn wir das sagen, das das also, dass die nicht wissen: Morgen, sondern 30
(_) einmal im Monat, dann adhoc.
F: Ok. Werden bei Ihnen UKs unter Sicht durchgeführt?
MFA: Ja.
F: Und in welchen Situationen?
2
MFA: Also, wir machen das nur noch unter Sicht. Der (_) also, die Ärzte gehen mit den 35
Männern auf die Toilette oder tasten sie komplett ab oder die müssen sich halt
ausziehen, dass man sehen kann, dass nichts dabei ist. Und wir gehen mit den
Frauen auf die Toilette.
F: Aber grundsätzlich?
MFA: Ja. 40
F: Wie wird in ihrer Praxis allgemein mit einer manifesten Benzodiazepin- und Opi-
atabhängigkeit umgegangen? Zum Beispiel wenn jemand 6 Monate nur Metha-
don bekommt und dann plötzlich auf Benzodiazepine positiv ist? Was passiert
dann?
MFA: Erstmal ein Gespräch mit dem Doktor, aber da passiert jetzt nicht dass der raus-45
fliegt oder so, also. (_) Irgendwo ist ja die Sucht vorhanden und das kann man
dann ja auch nicht sofort abstellen.
F: Passieren noch weitere Dinge außer dem Gespräch mit dem Doktor? Wird die
Dosierung geändert evtl.?
MFA: Wenn das notwendig ist, ja. 50
F: Stellen Sie auch manchmal um, von Methadon auf Polamidon?
MFA: Ja.
F: Sanktionen gibt es also, gar nicht. Oder wird auch mal abdosiert?
MFA: Das machen wir nur im absoluten Härtefall. (lacht)
F: (lacht) OK. (_) Und wie sieht der Härtefall dann aus? 55
MFA: Das ist wenn die so zugedröhnt sind und das über einen ziemlich langen Zeit-
raum, dass man das nicht mehr gutheißen kann oder wenn die, wir haben auch
ein Alkoholtestgerät da und wir haben dann ja eine bestimmte Grenze. Alles
was unter 0,5 ist (_) das ist für mich persönlich nicht OK, aber für die ist es ja
anders. Und wenn es darüber ist, dann (_) schicken wir die auch nach Hause, 60
dass die nachmittags noch mal wiederkommen müssen und dann muss es we-
niger sein. Und ansonsten gibt es nichts.
F: Und auf Null sollte es dann sein?
MFA: Nee, können die ja auch nicht, wenn die, wir haben ja auch schon mal welche
gehabt mit zwei Promille. Dann können die ja nachmittags nicht auf Null haben. 65
F: Gut (nickt) OK. Was spricht dann im speziellen für eine Weiterbehandlung, wenn
jetzt ein Patient Beikonsum hat? Gibt es Faktoren die für eine Weiterbehandlung
sprechen?
MFA: Wenn er Beigebrauch hat?
3
F: Ja, genau. 70
MFA: Es spricht ja auch nichts gegen eine Nicht-Weiterbehandlung. (lacht)
F: Kooperation ist aber schon ein großes Thema, nehme ich mal an. Also, dass der
Patient kooperiert?
MFA: Sicher, wenn es ihm möglich ist. Aber manchmal sind sie ja schon ein bisschen
fertig dann, ne. Also wir schmeißen sie jetzt nicht raus nur weil sie mal was ge-75
nommen haben. Dann müssen sie halt erstmal entgiften.
F: Wodurch fallen Ihnen die betroffenen Patienten dann auf? Also wenn die plötz-
lich anfangen nebenher zu konsumieren? Was sagt Ihr medizinischer Blick?
MFA: Man sieht das schon in ihrer ganzen Art. Sie sind dann oft auch aggressiv oder
auch (_) wie sie sich bewegen oder wie sie gucken oder (_) halt auch der Urin-80
befund, ne.(_)Viele streiten das ja dann auch ab, aber der Urinbefund ist ja ein-
deutig.
F: Lässt sich ja dann nicht abstreiten, speziell unter Sicht.
MFA: Genau.
F: Gibt es besondere Schwierigkeiten in der Behandlung oder im Umgang mit die-85
ser Problematik Benzodiazepine? Wie sehen Sie das?
MFA: (__)Schwierigkeiten, jetzt eigentlich nicht.
F: Nicht anders als bei anderem Beikonsum auch?
MFA: Eben. Ja.
F: OK. Behandeln Sie in Ihrer Praxis Patienten mit Benzodiazepinen? 90
MFA: Ja.
F: Und wie viele sind das ungefähr?
MFA: Vielleicht 30, 40.
F: Also ein Drittel.
MFA: Jetzt nur die von den Substitutionspatienten. 95
F: Ja.
MFA: Vielleicht ein bisschen mehr. Kann man jetzt schlecht sagen.
F: Was ist die Indikation? Also, warum bekommen die dann Benzodiazepine?
MFA: Viele sind ja auch so unruhig oder können nicht schlafen.
F: Also, so eine psychiatrische Indikation. 100
MFA: Hm.
F: Aber halt auch wegen einer Benzodiazepinabhängigkeit?
MFA: Ja, natürlich.
4
F: Werden Patienten in Absprache mit Ihrer Praxis durch andere Ärzte mit Ben-
zodiazepinen behandelt? Also auch Psychiater zum Beispiel? 105
MFA: Ich glaube nicht. Das sind die wenigsten und wenn wir erfahren dass sie sich bei
einem anderen Hausarzt oder bei mehreren auch noch was holen, dann kriegen
die bei uns gar nichts mehr.
F: Das ist ein gutes Thema: Wie reagieren Sie denn, wenn eine Verordnungsquelle
bekannt wird? 110
MFA: Dann stellen wir das ein. Wir sagen dem Patienten das und sagen: Dann geh
woanders hin.
F: Die komplette Substitution nicht mehr?
MFA: Das haben wir einmal gemacht, ja.
F: Nehmen Sie auch Kontakt mit den entsprechenden Arztpraxen auf wenn Ihnen 115
das bekannt wird?
MFA: Ja, das machen wir auch.
F: Welche Bedeutung hat die psychosoziale Betreuung in Ihrem Behandlungskon-
zept Ihrer Praxis?
MFA: Ja, das ist ja wichtig für die ganzen Vorschriften, die wir erfüllen müssen, dass 120
wir diese P(_)SB? Heißt sie glaube ich, ne?
F: Genau. (nickt)
MFA: Dass wir die mit einreichen müssen und dass die auch so ein bisschen psycho-
sozial betreut werden. Das sind ja schon Menschen die das brauchen.
F: Also, Sie sehen da schon einen Sinn drin? 125
MFA: Ja, natürlich.
F: Können Sie denn auch von Erfolgen sprechen, wenn mit der PSB regelmäßig
Kontakt aufgenommen und gearbeitet wird?
MFA: Ja. Das,.ich glaub der Erfolg ist ja dann ganz am Ende, wenn die Leute entwe-
der gar keine Drogen mehr nehmen und vielleicht nur noch das Substitut brau-130
chen oder wenn sie überhaupt nichts mehr brauchen. Das wär natürlich das Op-
timalste.
F: Wann nehmen Sie Kontakt mit dem Berater auf? Gibt es da, außer dass man
die Bescheinigungen braucht, gibt es da auch Kontakt mit dem Berater, dass
Sie mit dem sprechen? 135
MFA: Nein, das ist eigentlich nicht so häufig.
F: Gibt es in Ihrem Alltag Wünsche die Sie vielleicht auch an den Gesetzgeber
haben, damit der Umgang mit manifestem BZD Konsum erleichtert wird?
Protokoll MFA3:
Donnerstag, 05.07.2012, 13:00 Uhr
Niedergelassene Praxis (Internist)
Vor dem Interview:
Die Probandin machte schon bei der telefonischen Absprache einen aufgeschlossenen Ein-
druck, da sie mir hinterher telefoniert hat.
Als ich die Praxis betreten hatte, wurde ich freundlich begrüßt und direkt in eine Art Medika-
mentenraum gebeten, in dem zwei Stühle standen.
Aufgrund des warmen Empfangs und der aufgeschlossenen Art fühlte ich mich sehr wohl.
Vor dem Gespräch bin ich auch noch kurz von dem zuständigen Mediziner begrüßt worden.
Die Probandin wirkte zunächst sehr aufgeregt.
Nach kurzer Vorstellung und Einführung zum Interview holte ich mir die Erlaubnis zur Auf-
zeichnung ein.
Während des Interviews:
Ein heftiges Gewitter begleitete die ausführlichen Antworten der Probandin während des In-
terviews.
Die Tür stand zwar während des Interviews auf, störte das Gespräch aber kaum, da der Pra-
xisbetrieb schon pausierte.
Die Aufregung der Probandin legte sich während des Gespräches.
Nach dem Interview:
Das Gespräch dauerte 20 Minuten und gab mir durch die ausführlichen und offenen Antwor-
ten ein gutes Gefühl.
1
Interview Probandin MFA3
F: Wie lange arbeiten Sie schon mit substituierten Patienten?
MFA: Äh, ich arbeite jetzt seit 94 hier in der Praxis. Also auch seit 94 mit Suchtpatien-
ten. 5
F: Die gab es hier vorher auch schon.
MFA: Ja, ja, genau. Das war so der Anfang. Wir hatten so anfangs 10 Patienten. Mitt-
lerweile haben wir 150.
F: Stellen Sie Unterschiede fest zu den anderen Patienten fest?
MFA: Ja, schon. 10
F: In welchem Bezug zum Beispiel?
MFA: Ja gut, sie sind alle ein bisschen auffälliger. Nicht alle. Also manche rutschen so
durch. Denen merkt man das auch nicht an, aber es sind natürlich auch welche
dabei die da ganz offen mit umgehen, mit ihrer Suchtgeschichte. Das auch er-
zählen oder auch mal sediert hier ankommen oder unter Alkoholeinfluss. (_) Das 15
fällt dann schon auf, ne. Und wir haben auch viele Patienten, das ist dann klar
wenn die sich hier treffen, viele kennen sich ja dann auch aus der JVA oder von
früher, aus der Szene sowieso. Dann hat man das Gefühl die kennen sich alle.
(_) Und dann gibt’s natürlich auch Gespräche vor der Praxis. Die rauchen dann
und das fällt dann natürlich schon auf. (_) Also ist nicht immer so toll für die an-20
deren Patienten. (lacht)
F: Welche Rolle spielt da die Erfahrung beim Umgang mit diesen speziellen Pati-
enten?
MFA: Puh. (_) Was heißt jetzt Erfahrung? Ich meine ich kenn jetzt schon viele, die
meisten kenne ich schon 10 Jahre, ne. (__) Dass man halt, wenn man die Leute 25
kennt, man weiß wie man mit denen umzugehen hat und man weiß wo, wenn
sie schlecht drauf sind, wie weit man gehen kann oder ein tröstendes Wort oder
kann ich jetzt gar nicht sagen (__) Erfahrung. (_) Bringt einfach so der Beruf mit
sich, wenn man sie jeden Tag sieht, auch über Jahre hinweg, dann kennt man
sie halt. 30
F: Aber ist schon ein wichtiger Aspekt die Erfahrung?
MFA: Ja.
F: Wie viele Patienten werden aktuell in Ihrer Praxis substituiert?
MFA: 150.
F: Wer ist an der Substitution also an der Vergabe beteiligt? 35
2
MFA: Also, mein Chef, der Doktor und ich.
F: Sie machen das beide?
MFA: Ja.
F: Auf welche Substanzen testen Sie bei Aufnahme?
MFA: Äh, Opiate, Benzodiazepine, Amphetamine. (__) Hab ich jetzt alle fünf? (_) Me-40
thadon und Kokain. (__) THC ist jetzt nicht so wichtig für uns.
F: Wird auch nicht getestet?
MFA: Eigentlich nicht. Nur wenn die Patienten das wünschen, ne.
F: Was passiert wenn der Patient bei Aufnahme auf Benzodiazepine positiv ist?
Hat das Einfluss auf die Aufnahme und die Behandlung? 45
MFA: Nein, nein, hat keinen Einfluss. Also, wir nehmen ja grundsätzlich alle Patienten
auf.
F: Stellen Sie eine Änderung fest von der Aufnahme und im Laufe der Substituti-
on? Ändert sich der Konsum bzw. der Beikonsum?
MFA: Ja, klar. Wenn sie gut eingestellt sind, muss man halt sehen, wie lange die 50
brauchen bis sie ihre Dosis gefunden haben, sag ich mal so zwei drei Tage, dür-
fen auch zweimal am Tag kommen. Wenn sie nachmittags, wenn sie merken,
das hat noch nicht gereicht, dann kommen sie lieber noch mal. Das sagen wir
denen dann auch immer, sonst meist ist es ja nachts kritisch, dann merken sie
sind doch entzügig, dann holen sie sich oft noch was. Dann sagen wir denen 55
auch nochmal vorher, die sollen dann doch bitte vorher noch mal kommen.
F: Bekommen alle die gleiche Einstellungsdosis?
MFA: Also, wir fangen mit, mit relativ wenig an. Wenn die früh kommen, wir sagen das
auch oft wenn jemand kommt und anruft: ich möchte zur Substitution, mich ein-
stellen lassen, dann sagen wir: Kommen sie ganz früh, dann können sie mittags 60
noch mal kommen, nachmittags noch mal. Ist ja, ich mein gut, man kann ja, vie-
le die kaufen sich das ja auch schon so und sagen dann, kommen dann an: Ah,
ich vertrag 10 ml Polamidon, das weiß ich und so. Das hört man ja oft, aber da
kann man sich ja nicht drauf verlassen. Man weiß ja nicht wie viel konsumieren
sie noch, haben sie noch was zuhause oder haben vorher schon was genom-65
men, ne. Das ist natürlich dann schwierig. So muss man dann einfach ganz
niedrig dosiert dann anfangen.
F: Aber die haben die Möglichkeit im laufe des Tages dann wiederzukommen.
MFA: Genau. Ja, ja und mein Chef hat da natürlich die Erfahrung und er spricht dann
halt immer mit denen und fragt: Was ist? Was merkste? Und, ne, der weiß dann 70
3
natürlich genau wie viel er dann noch geben kann. Ich mein das hat bisher die
ganzen Jahre so geklappt. (lacht) Ist noch keiner umgefallen.
F: Wenn man so klein dosiert anfängt sollte ja auch nichts passieren. (lacht)
Wie entscheiden Sie in der Praxis über Urinkontrollen?
MFA: Ja, das macht der Chef. Wir versuchen´s regelmäßig zu machen. Klar, wenn wir 75
merken, dass die Patienten Probleme haben sagen sie ja auch oft, was für
Probleme. Ob es jetzt mit Beikonsum ist oder (_) der Doktor sieht sie ja regel-
mäßig und merkt ja dann auch wenn der Patient sich verändert oder Probleme
hat. (_) Dann machen wir öfters UK Kontrolle. (_) Ansonsten halt so regelmäßig,
ne. 80
F: Und wie läuft das? Schreibt der Chef das täglich auf?
MFA: Der Chef, genau. Nicht ich entscheide das, sondern der Chef.
F: Dann gibt es eine Liste, da steht dann drauf: der und der müssen heute zur UK.
MFA: Genau.
F: Und die Intervalle sind? 85
MFA: Das ist ganz unterschiedlich. Das ist ganz unterschiedlich, von einmal wöchent-
lich, zweimal wöchentlich, bis einmal im Monat. Also, das ist ganz unterschied-
lich.
F: Das kommt dann wahrscheinlich auch drauf an auf die Menge des jeweiligen
Konsums. 90
MFA: Auf den jeweiligen Patienten. Wie der halt, ne, (_) wie gut der zurecht ist, wie
stabil der eingestellt ist, wie viel Jahre ohne Beinkonsum. Das entscheidet der
Chef dann.
F: Werden bei Ihnen Urinkontrollen unter Sicht durchgeführt?
MFA: Nein. 95
F: Gar nicht.
MFA: Nein, nein.
F: Aber Sie fühlen dann wahrscheinlich den Urin ob der warm oder kalt ist?
MFA: Genau, genau.
F: Gibt es denn dann auch welche, die schon vorher sagen, bevor Sie zur Kontrolle 100
müssen: oh,oh heute?
MFA: Ich bin positiv? Ja. (nickt)
F: Sind denn dann auch viele ehrlich und sagen dann so und so?
MFA: Also die meisten ja. Es gibt natürlich auch welche die tricksen, klar. Das kommt
immer vor. Das merken wir dann auch. Mein Gott, wenn sie einen kalten Urin 105
4
abgeben. (_) Äh. (_) Das bespricht dann aber der Chef, also. Dann sagen wir
nicht sofort: ah, ist ein kalter Urin abgegeben und dann gibt’s hier ne Riesen
Diskussion. Dann müssen die sich hier öffnen und das ist dann blöd. Das macht
dann der Chef, weil er dann weiß: Gut der hat ein Problem, der brauch meine
Hilfe und dann (_) bespricht er das dann mit dem. 110
F: Ist er da einfühlsam?
MFA: Ja, ja. (_) Also da fahren wir am besten mit, ne.
F: Wenn man da das Vertrauen gewinnt.
MFA: Ja,ja.
F: Wahrscheinlich gibt’s dann aber auch mal welche die sagen: ich hab gar nichts 115
genommen.
MFA: Das kommt natürlich immer vor.
F: Können Sie mir beschreiben wie bei Ihnen mit einer manifesten Benzodiazepin-
und Opiatabhängigkeit umgegangen wird? Nehmen wir mal an wir haben einen
Patienten, der ist jetzt seit 2 Jahren hier bei Ihnen substituiert, der war jetzt ein 120
halbes Jahr Beikonsum- speziell Benzodiazepinkonsum frei und ist jetzt plötzlich
wieder positiv. Was passiert dann? Wie ist der Ablauf?
MFA: Erstmal Gespräche mit dem Doktor und je nach dem was für ein Problem fest-
gestellt wird, weil irgendein Problem muss er ja haben, weil er es ja wieder
nimmt, dann wird natürlich die psychosoziale Betreuung auch mit hinzugezogen, 125
(_) Dosiserhöhung evtl. wenn da Bedarf ist oder halt auch, dass der Doktor den
Patienten anbietet, dass die Rivotril kriegen, dass wir das hier auch so dosieren
wenn die dann täglich kommen zur Vergabe, also, dann auch Rivotril bekom-
men, zwei oder eine. (_) Und äh, ja, mal wieder Gespräche.
F: Ändert sich dann auch an den Urinkontrollen was? 130
MFA: Wie meinen Sie das jetzt?
F: Gibt es eine engere Staffelung dann wieder?
MFA: Ja und wir schicken das dann auch ein um zu kontrollieren ob die auch wirklich
bei den zwei Tabletten, nehmen wir mal an die sind auf zwei Tabletten einge-
stellt. Dann schicken wir das ein. Machen diese Benzodiazepindiffernzierung, 135
um zu sehen ob die sich daran halten. Ob die also nicht 20 oder Oxas nehmen
oder was weiß ich, ne. Weil meistens, wenn die dann kommen sind die ja klar.
Man weiß natürlich nicht was die den Tag über machen, ne. Die holen ihre zwei
Tabletten ab und nehmen dann vielleicht noch später 20 dazu. Das weiß man
leider nicht. 140
5
F: Kann man da die Menge auch feststellen?
MFA: Genau, ja, das kann man ganz genau feststellen. Ddie Wirkstoffe und äh, wie
hoch die Konzentration ist. (__) Ja und dann findet wieder ein Gespräch statt
und dann sehen wir mal weiter.
F: Gibt’s auch Sanktionen wenn man merkt, dass sich nichts ändert? 145
MFA: (_) Sanktionen, ist schwierig. Gut wenn sich gar nichts ändert, dann bricht der
Doktor natürlich die Behandlung ab, mit Rivotril, wenn sich das gar nicht lohnt.
F: Nur Rivotril, nicht die Substitution?
MFA: Nein, also, dass Patienten dann ihr Methadon nicht mehr kriegen oder nicht
mehr kommen dürfen, das passiert auf gar keinen Fall. Nee, dann versuchen wir 150
natürlich, dass die stationär entgiften, ne. Mit der psychosozialen Betreuung re-
den, dann mit dem Krankenhaus sprechen, dass wir dann vermitteln dass er
entgiften kann. Also so halt, ne.
F: Und Abdosierungen? Also dass Sie ihn dann runterdosieren, wenn er vom Bei-
konsum nicht ablässt? 155
MFA: Meinen Sie jetzt mit dem Rivotril?
F: Nee, auch vom Methadon.
MFA: Nee, das nicht, nein, nein.
F: Wird auch mal umgestellt von Methadon auf Polamidon?
MFA: Das machen wir. (nickt) Also wenn die Patienten sagen. Ich komm damit einfach 160
nicht klar, das hilft mir nicht oder das hält nicht lange genug an, dann versuchen
wir natürlich auch das andere. Je nach dem Polamidon, Methadon. Also das
können die Patienten sich aussuchen. Das besprechen sie dann mit dem Doktor
und dann machen wir das, ja.
F: Sehen Sie besondere Schwierigkeiten im Bezug auf diese Problematik Ben-165
zodiazepine, wenn Sie an die Patienten denken?
MFA: Ja, also für mich persönlich jetzt nicht, weil hackedicht kommen die hier nicht hin
oder selten. (lacht) Und dann sind sie immer noch lieb. Wie gesagt, ich kenn sie
ja schon lange. Ist selten, dass die mal, ich hör das oft aus anderen Praxen,
dass die dann da richtig Stress machen und rumgröhlen. Also das, das haben 170
wir hier eigentlich nicht. Ich merk das schon wenn wir Vertretung haben und Pa-
tienten aus der anderen Praxis kommen, dann hab ich da schon mal Schwierig-
keiten mit. Ja, dann sind die schon aggressiv. Dann heißt es natürlich, dann sag
ich natürlich: Du musst erst zum Doktor rein, ich kann dir nichts geben, du bist
sediert, ne oder hast irgendwas genommen, ich weiß ja jetzt nicht was und Urin 175
6
wollen die dann natürlich auch nicht abgeben und dann geb ich natürlich nichts
raus und die müssen erst zum Doktor rein und dann ist schon Alarm. Dann
geht’s hier schon mal richtig zur Sache.
F: Aber das sind Patienten aus anderen Praxen dann?
MFA: Ja, ja, das is oft, ne. Weil man kennt die halt nicht so gut. Ich mein man kennt se 180
schon, weil man ja öfters Vertretung macht, aber die sind dann halt nicht so ein-
gebunden, da ist das die erste Woche immer schwierig. Wenn sie länger da
sind, dann merken sie man tut ihnen nichts. Man hilft ihnen nur und dann wer-
den sie auch ruhiger.
F: Das haben Sie gerade schon gesagt. Sie behandeln in Ihrer Praxis auch Patien-185
ten mit Benzodiazepinen. Wie viele sind das ungefähr von diesen 150?
MFA: Oh, schwierig. Das weiß ich jetzt gar nicht. (__) Also 50 bestimmt.
F: Also ein Drittel ungefähr.
MFA: Ja, doch, 50 bestimmt.
F: Was ist dann da die Indikation? Ist das zum einen diese Benzodiazepinab-190
hängikeit?
MFA: Genau, ja, hauptsächlich.
F: Oder auch psychiatrische Indikationen?
MFA: Eigentlich nicht, ne. Ich denke schon, das ist einfach nur die Abhängigkeit. Na,
ich mein gut, psychische Probleme haben alle. Depressionen, da muss man halt 195
sehen, aber da kann ich eigentlich auch gar nicht viel zu sagen. Ich habe zu-
sätzlich Patienten die bekommen auch noch Antidepressiva.
F: Und die Benzodiazepine auch vorübergehend?
MFA: Es gibt auch welche die eigentlich auf der Dosis eingestellt sind und die eigent-
lich immer nehmen. Wir haben wenige die nehmen eine am Tag, aber jetzt auch 200
schon auf Dauer. Also das gibt’s auch. Das sind nur wenige. Ich sag jetzt mal 5
Patienten, aber die kommen da einfach nicht von los und fahren da ganz gut
mit. Die haben dann kein Beigebrauch. Die nehmen wirklich nur diese eine Tab-
lette oder höchstens zwei, über Jahre und die bleiben dann darauf und es läuft
dann auch gut. Das sind wie gesagt ganz wenige. (____) Wie gesagt, wir ma-205
chen dann auch immer wieder diese Differenzierung. Das wird natürlich, das
wissen auch die Patienten, dass wir das immer wieder kontrollieren. Wir sagen
natürlich nicht vorher: Wir machen´s morgen oder nächste mal, wenn du
kommst. Ist klar, das wird dann ohne Ansage gemacht. Wichtig ist, dass wir das
überhaupt machen. Nicht dass wir dann hier große Diskussion haben. 210
7
F: Werden Patienten in Absprache mit Ihrer Praxis durch andere Ärzte mit Ben-
zodiazepinen versorgt?
MFA: Nein, das nicht.
F: Das sind dann nur diese mehr oder weniger illegalen Vergaben.
MFA: Genau. Das sind ja leider viele Ärzte, die das machen. 215
F: Wie reagieren Sie denn, wenn so eine Verordnungsquelle bekannt wird? Also,
jetzt nicht auf der Platte gekauft, sondern ein Arzt der das ganze auf Privatre-
zept verschrieben hat.
MFA: Ja, ja, also der Doktor schreibt die Ärzte an. Das macht er, aber leider oft ohne
Erfolg. (lacht) Aber der Chef bemüht sich, genau, um denen zu erklären, dass 220
die auch noch substituiert werden. Manchmal wissen die Ärzte das auch gar
nicht, dass die Patienten auch noch Methadon, (_) ne.
F: Naja, die verschweigen das dann natürlich auch.
MFA: Ja, klar.
F: Bis auf die spezialisierten Ärzte die das dann auch mehrmals schon verschrie-225
ben haben.
MFA: Ja, leider. Das ist natürlich ein großes Problem. Ich finde auch immer (_) mei-
ner, meiner (_) Meinung nach unverantwortlich, ne. Ich mein wenn ich einen Pa-
tienten der jede Woche kommt 50 Tabletten aufschreib, dann weiß ich genau,
da stimmt was nicht, ne. Sollte man vielleicht doch ein bisschen besser drauf 230
eingehen um dem Patienten anders zu helfen, als nur ein Rezept in die Hand zu
drücken, finde ich jetzt nicht OK. Aber gut, ich bin kein Arzt. (lacht) Ist meine
Meinung jetzt.
F: Das wäre wahrscheinlich ein Wunsch den man als substituierende Praxis an
den Gesetzgeber hätte oder? 235
MFA: Ja, ja, das könnte man (_) müsste es eigentlich schon lange geben, ne. Ich mei-
ne das war ja schon immer so, dass es da gewissen Ärzte gibt, die schon seit
Jahren diese, diese Tabletten verschreiben und immer an die gleichen Patien-
ten. Das verstehe ich nicht, dass die da auch keine Schwierigkeiten auch mit
den Krankenkassen kriegen. 240
F: Ja, das sind ja diese Privatrezepte, das ja gar nicht zur Krankenkasse kommt.
MFA: Ja, stimmt. Ja, ja.
F: Vielleicht wäre eher da so der Punkt wo man eingreifen könnte.
MFA: Ja, gut. Aber es gibt ja auch die Fälle wo die Patienten mit ihren Chipkarten zu
20 verschiedenen Ärzten rennen, das gibt’s natürlich auch. 245
8
F: Dann reagieren die ja auch.
MFA: Ja, aber leider zu spät. (lacht) Meist ein Jahr später oder so. (__) Also, eigent-
lich müsste es das ja auf BtM geben. Also, ich wäre für Benzodiazepine auf BtM
Rezept. (lacht) Ist zwar kein Betäubungsmittel, aber irgendwie so in der Rich-
tung. 250
F: Oder man dürfte es nicht mehr auf Privatrezept bekommen.
MFA: Genau.
F: Dann meldet sich die Krankenkasse auch schneller als nach 20 Ärzten.
MFA: Ja.
F: Sie hatten gerade schon die PSB erwähnt. Welche Bedeutung hat die so in dem 255
Behandlungskonzept Ihrer Praxis?
MFA: Oh, die hat eine sehr große Bedeutung. Ohne die ist vieles gar nicht machbar.
Die Patienten müssen irgendwo aufgefangen werden. Die haben oft so viele
Probleme und ist schon ganz toll. Wir haben hier jemanden der kommt in die
Praxis, der Herr (Zensur),ne. Immer mittwochs und dann ist hier auch, ist die gut 260
besucht, also. Wir könnten den jeden Tag hier sitzen haben, ja. (__) Ist schon,
ist schon sehr wichtig.
F: Sie nehmen dann auch Kontakt mit dem Berater auf, sagten Sie gerade?
MFA: Also, die Patienten wissen auch, wenn sie irgendein Problem haben, das kön-
nen sie mir dann sofort sagen. Dann ruf ich ihn sofort an, mach einen Termin 265
aus. Die können dann natürlich auch ins Krankenhaus gehen, jeden Tag und da
auch Termine machen. Und je nachdem wie hoch der Bedarf ist, dann wird’s
halt engmaschig kontrolliert. Anschließend finden dann auch immer noch Ge-
spräche mit dem Doktor statt. Der Doktor dann auch mit dem Drogenberater, ne
also dass man da auf dem Laufenden ist, ne und dem Patienten dann gegebe-270
nenfalls helfen kann. Je nachdem wo er jetzt die Probleme hat.
F: Stellen Sie eine Änderung fest, also wenn der Kontakt mit dem Berater relativ
eng ist und Sie auch merken, dass da gearbeitet wird, ändert sich dann auch
der Beikonsum?
MFA: Oh, das kann ich jetzt nicht sagen. (_) Das weiß ich jetzt nicht. Da hab ich noch 275
nie so drüber nachgedacht. Na, so eng, ich mein ich seh sie dann ja auch nur
kurz die Patienten, ne. Da finden so intensive Gespräche bei mir jetzt nicht statt.
Beim Chef wahrscheinlich, aber der könnte da jetzt vielleicht was zu sagen. Ich
mein, ich frag nur: Ist alles gut gelaufen? Ist alles OK? Und die sagen dann: ja,
der kümmert sich und ich hab das und das erledigt. Das ist halt so das einzige. 280
9
F: Aber ne allgemeine Besserung merkt man wahrscheinlich, wenn am Problem
gearbeitet wird, ne?
MFA: Ja, ja, doch, das schon (___)
F: Würden Sie sagen Ihnen fallen die Patienten jetzt ohne dass die eine UK abge-
geben haben, direkt auf, wenn Sie Benzodiazepine konsumiert haben? 285
MFA: Ja, ja. Also, ich kann jetzt nicht genau sagen: Haben die jetzt Benzodiazepine
oder ne, THC genommen oder was weiß ich oder Heroin oder Kokain. Ich merk
sofort dass sie irgendwas genommen haben, das merk ich schon, dass sie ver-
ändert sind, das merk ich schon wie sie reinkommen, wie sie mich angucken,
die Gestik und wollen sie reden, wollen sie nicht. Ich merk´s, ich fühl´s dann ein-290
fach, wenn man die Leute schon lange kennt, dann weiß man dass irgendwas
im Busch ist. (_) Also wie gesagt so richtig sediert kommen die hier nicht an. Ich
mein und wenn dann ist das schon ein Hilferuf. (_) Wenn die dann reinkommen
und lallen und die Augen kaum aufkriegen, dann weiß man natürlich, jetzt ist, al-
so dann müssen sie halt zum Doktor ein, dann red ich auch nicht viel. Dann seh 295
ich zu, dass die dann ganz schnell zum Doktor reinkommen und nicht noch erst
ne Stunde warten müssen, weil dann hauen sie ab. (__)
F: Danke. Das war´s schon.
MFA: Oh. (lacht)
Protokoll MFA4:
Donnerstag, 12.07.2012, 12.00 Uhr
Niedergelassene Praxis (Allgemeinmedizin)
Vor dem Interview:
Nach telefonischer Absprache bestanden beide medizinischen Fachangestellten auf ein ge-
meinsam geführtes Interview, da sie befürchteten keine Antworten zu wissen.
Sie machten nach Betreten der Praxis einen sehr aufgeregten Eindruck.
Zum Interview wurde ich direkt in den Empfangsbereich gebeten. Dort stellte ich mich kurz
vor und leitete das Gespräch mit dem Einverständnis zur Aufzeichnung ein.
Während des Interviews:
Ich fühlte mich sehr unwohl da ich das Interview im laufenden Praxisbetrieb durchführen
musste und das Gespräch durch Patienten, Telefonate und den rein und raus laufenden Arzt
gestört wurde. Die Antworten waren eher kurz und teilweise missverständlich.
Nach dem Interview:
Die Dauer des Interviews betrug 12 Minuten und ich fühlte mich durch die hektischen Um-
stände nicht wohl.
1
Interview Probandin MFA4
F: Wie lange arbeiten Sie jetzt mit substituierten Patienten?
1MFA: Wie lange macht der das jetzt? Gute Frage. Guck mal, wer waren denn die ers-
ten? (zu 2MFA) 5
(schauen am Computer)
Wir haben zwischendurch auch abgebrochen. Wir hatten nur einen Take-homer,
der einmal die Woche kam und dann haben wir gar nix ne ganze Weile gemacht
und dann hat er wieder angefangen. Aber da haste auch nicht drin. (zu 2MFA)
(______) Da hatten wir ne dicke Pause zwischen. 10
F: Das ist aber auch die Zeit in der sie selber mit denen gearbeitet haben?
1MFA: Ja. (__) Aber das andere das ist schon so lange her. (__) Ich glaub vier Jahre
wenn überhaupt. (schauen weiter am PC)
Oder guckt doch einfach mal bei (Zensur). Das waren doch eine von den ersten
oder? (zu 2MFA) 15
Hier sind welche von 2009. Das wird so um den Dreh gewesen sein.
F: Unterscheiden sie sich, bringen diese Patienten andere Sachen mit wie normale
Patienten?
1MFA: Meinen Sie jetzt an Problemen?
F: Nein, im Umgang mit denen. Gibt es da einen Unterschied zu anderen Patien-20
ten?
1MFA: Also, nicht dass wir die anders behandeln. Die werden von uns genauso lieb
behandelt, wie die anderen, da machen wir keinen Unterschied. Deshalb haben
wir ja auch schon ein Dankeschön gekriegt. Die kommen sogar Weihnachten
mit kleinen Geschenken an, obwohl sie selber nicht viel Geld haben. 25
2MFA: Ja, obwohl sie selber kein Geld haben.
F: Und würden Sie sagen dass im Umgang mit substituierten Patienten Erfahrung
eine Rolle spielt?
1MFA: Erfahrung von uns aus?
F: Genau. 30
1MFA: Also, eigentlich haben wir die von Anfang an alle gleich behandelt. Also nicht,
dass man jetzt wissen muss wie man die behandelt. (Telefon klingelt) Am An-
fang hab ich persönlich auch ein bisschen Schiss gehabt.
2MFA: (nimmt ab)
2
1MFA: Weil ich kannte die ja so nicht, wie sie vom Wesen her sind. Ich dachte wenn die 35
nicht direkt ihren Willen kriegen, dass die dann eine Nadel oder ein Messer aus
der Tasche ziehen, aber das ist bei keinem der Fall. Die sind alle nett, also die
wir jetzt hier haben, ne. Bei den anderen weiß ich das nicht. (___)
F: Wie viele Patienten werden aktuell bei ihnen substituiert?
1MFA: 28. 40
F: Und wer ist an der Substitution beteiligt? Also an der Vergabe?
1MFA: Das machen wir beide oder der Arzt. Jeder hat jede Woche ein Rein-geh-Tag.
(_) Wenn der Rein-geh-Tag ist, kümmert sich der Arzt darum und ansonsten die
Woche über machen wir beide das.
F: Ist das immer ein anderer Tag in der Woche wo die rein müssen oder wissen die 45
Patienten bescheid?
1MFA: Die wissen Bescheid. Wir haben hier einen Plan wo die drauf stehn, wer mon-
tags, dienstags bis freitags rein muss und die werden auch in der Woche öfters
mit dem Alko-Test kontrolliert, ob se Beigebrauch an Alkohol haben, ja. Aber
sonst ist das immer gleich. 50
2MFA: (legt auf)
F: Auf welche Substanzen wird bei Ihnen bei Aufnahme getestet?
1MFA: Ein großes Drogenscreening, ein komplettes, ja.
F: Also, die sieben Substanzen?
1MFA: Ich meine ja. Ich müsste mir einen Bogen nehmen um das abzulesen. 55
F: Was passiert wenn der Patient vor Aufnahme mit Benzodiazepinen auffällig ist?
1MFA: Vor der Aufnahme?
F: Ja.
1MFA: Ja, als erstes ist eine Urinabgabe, wenn der mit dem Arzt gesprochen hat und
wenn das Ergebnis kommt dann muss er halt rein und dann sagt er ob er aufge-60
nommen wird oder nicht. Und dann wird halt einmal im Monat oder auch öfter
die Urinkontrolle gemacht.
F: Aber er wird auch aufgenommen wenn er positiv ist?
2MFA: Ja. (nickt)
1MFA: Ja. Aber das geht über die Drogenberatung. Also derjenige kann jetzt nicht da-65
hin kommen und sagen: Hallo. Ich bin der sowieso und möchte bei ihnen substi-
tuiert werden. Das geht nicht, das muss über die Drobse gehen.
F: Ändert sich der Konsum im Laufe der Substituion, also der Konsum anderer
Substanzen, merken Sie das?
3
2MFA: Also, wenn ich da so gucke, wir haben da so ein extra Karteikarten angelegt für 70
Urinbefunde, damit die Ärzte nicht immer mit Durchblättern müssen, äh (__) da
sind meistens immer auffällig.
F: Auch von der Menge her?
2MFA: Von der Menge her kann ich ja nicht sagen, weil da ja nur nachweisbar steht
und dann kommt die Bestätigung und die Bestätigung kommt immer dann wenn 75
die Patienten (Telefon klingelt) schon auffällig waren und die bleiben auch so,
also.
1MFA: (nimmt ab)
2MFA: Die möchten irgendwann dann mal vom Milligramm vom Methadon her vom
Milligramm runterdosiert werden. Aber den Beikonsum können die dann nicht 80
weglassen.
F: Wie entscheiden Sie über eine Urinkontrolle?
2MFA: Ähm, wir machen das immer so monatsweise. Also, nicht immer den gleichen
Tag, alle vier Wochen, wir machen mal nach dreieinhalb Wochen (1MFA legt
auf) oder nach vier Wochen, damit die Patienten das nicht so merken. 85
F: Damit die Patienten nicht wissen wann sie dran sind.
2MFA: Ja. Wir haben auch so ein bisschen mitgekriegt, dass die auch Urine äh mitbrin-
gen.
F: Fühlen Sie dann?
2MFA: Genau. Wir gucken immer bevor wir die wegschicken, gucken wir immer ob die 90
warm sind. Viele wissen ja auch also kennen auch den Trick, deshalb tun die
das in die Hosentaschen, haben wir mitgekriegt, damit die da auch warm blei-
ben. Nur die Patienten erzählen das. Da kriegt einer Take-home, guckt mal ob
da was auffälliges ist oder einer gibt zu dass einer von den Patienten, den Urin
vom Kühlschrank weggeklaut hat. So kriegen wir das mit, aber so können wir da 95
leider nicht.
F: Machen Sie keine Urinkontrolle unter Sicht?
2MFA: Doch, so machen wir.
F: Aber Sie gehen jetzt nicht mit auf die Toilette und gucken ob der was dabei hat?
2MFA: Nee, das machen wir nicht. 100
1MFA: Wir testen aber auch immer das Methadon mit. Also, wenn kein Methadon drin
ist, haben se schon Pech gehabt. Also, von der Oma können sie den Urin schon
mal nicht nehmen.
2MFA: Ja, wir hatten auch mal einen Fall gehabt, Zuckerpatient (lacht)
4
1MFA: Ja, Zuckerpatient der kein Zucker im Urin. Normalerweise färbt sich das Stäb-105
chen ja auch beim Urin, auch bei Zucker und da war nix und einmal hatten wir
einen der kein Methadon drin hatte und das passte ja schon mal gar nicht.
(Telefon klingelt)
2MFA: Aber wie gesagt wir können da nicht sagen ob die, die verpetzten sich gegen-
seitig, ne. 110
1MFA: (nimmt ab)
F: Wenn die jetzt auffällig sind in der UK, was passiert dann?
2MFA: Also, bei uns ist das so: Die Patienten müssen wöchentlich zu den Ärzten rein,
ob alles ok ist, um die Dosis zu prüfen und bei diesen Gesprächen geht es auch
darum, warum, wieso, weshalb und dann wird das halt dokumentiert. 115
F: Und wird dann auch mal die Dosis geändert?
2MFA: Ja, auch. Trotz Beikonsum, müssen die runter.
F: Weil der Beikonsum so hoch ist?
2MFA: Also, wir wissen das nicht. Aber die möchten auch trotz Beikonsum manchmal
zwischendurch runterdosiert werden. (weiteres Telefon klingelt) Mal 1 mg, mal 120
2mg, aber die lassen das dann trotzdem nicht. (nimmt ab)
(____beide telefonieren; Patienten kommen ins Vorzimmer___)
F: Also, rauf oder runter dosiert wird bei Ihnen auch?
2MFA: Aber auf Patientenwunsch.
F: Ok. Wird denn auch mal umgestellt von Polamidon auf Methadon? 125
2MFA: Ja, wenn die Schweißausbrüche haben und dann. Da hatten wir schon ein paar.
F: Und die sind dann damit gut klargekommen, dann?
2MFA: Ja.
F: Gibt es auch Sanktionen?
1MFA: Rauswurf gab´s auch schon. Wenn man so verarscht wird dann reicht es ir-130
gendwann. Aber kommt selten vor.
(___ambulante Pflegekraft kommt ins Vorzimmer____)
F: Also, dass der Beikonsum bestehen bleibt ist schon eine Schwierigkeit im Um-
gang?
1MFA: Ja, viele sind auch mal eine Zeit so stark und sagen: ich geh jetzt runter und hör 135
auf mit dem Zeug, ja und ruckzuck. Ich kenne keinen der richtig sauber war und
der sauber geblieben ist. Die sind dann alle wieder so abgestürzt.
5
2MFA: Die geben auch, also manche geben auch zu. Dann sagen die uns: Ich habe
gestern konsumiert, ja wegen anderen Problemen und so. Also, einige geben
auch zu. 140
F: Die sagen dann auch ganz ehrlich, so?
2MFA: Ja.
F: Und dann gibt es auch welche die nicht ehrlich sind?
2MFA: Wir haben z.B. einen Fall gehabt, der ist so ungefähr seit drei, vier Monaten bei
uns, da hatten wir drei Urinproben geschickt und da waren drei Benzos drin und 145
er hat gesagt: Nee, man hat nur eine gegeben. Kann nicht sein. Aber da haben
wir gesagt wir machen das jetzt so: Wir haben eine Liste gemacht. Da tragen wir
das Datum ein: Uk abgegeben, Unterschrift unterzeichenen, weil da waren auch
Auffälligkeiten und er hat glaube ich Angst gehabt und dann auch gelogen.
(___Patient verabschiedet sich kurz im Vorzimmer__) 150
F: Werden in Ihrer Praxis Patienten mit Benzodiazepinen behandelt? (___Arzt be-
tritt Vorzimmer)
1MFA: Doktor, werden Junkies bei uns mit Benzodiazepinen behandelt?
A: Nee, überhaupt nicht, kein einziger. Hier ist keiner der bei uns Benzos kriegt.
Also, die werden nicht verschrieben. Es gibt welche die konsumieren, wo wir 155
das mitkriegen.
F: Werden denn Patienten in Absprache mit Ihrer Praxis durch andere Ärzte mit
Benzodiazepinen behandelt?
A: Nein. Hatte ich mal, aber im Prinzip ist das möglich wenn der Nervenarzt sagt:
Der muss, dann mache ich das. Aber wenn ich sehe, dass der Gebrauch nicht 160
stimmt, dann unterbinde ich trotzdem.
F: Danke schön. (Arzt verlässt das Vorzimmer)
Passiert es schon mal, dass eine Verordnungsquelle bekannt wir? Also, dass
schon mal ein Patient sagt: Ja, der und der Arzt hat mir das und das verschrie-
ben? 165
1MFA: Jetzt an Tablette und so? Nee, hatten wir nicht.
F: Wie würden Sie denn reagieren, wenn so eine Quelle bekannt wird?
1MFA: Dem Doktor sagen, wenn wir das mal hören. (_) Eigentlich so verraten die sich
nicht. Schon mal mit der UK, dass einer Wut auf den anderen hat und sagt: Die
bescheißen doch. Dann sag ich: Die Tricks kennen wir auch, wenn die ihren 170
Urin halt woanders gelagert haben. (lacht)
6
2MFA: Ich hab auch mal bei einem Patienten mitgekriegt, dass es eine Praxis gibt wo
die Mitarbeiterin dann beim Pinkeln dann bei sind.
1MFA: Ist ja irgendwie unmenschlich, unwürdig, ne.
(___) 175
F: Welche Bedeutung hat die Kooperation mit der PSB in Ihrer Praxis?
2MFA: Bei uns ist das seit ungefähr 1 ½ Jahren sehr wichtig, weil der Doktor möchte
dass die Patienten regelmäßig mit den Drogenberatern in Kontakt gesetzt sind
und deshalb fordern wir jetzt monatsweise PSB Bescheinigungen und dann ha-
ben wir jetzt auch so eine Liste gemacht und die Patienten die die PSB Be-180
scheinigungen halt nicht bringen, wird das abgesprochen, und manche hatten
Urlaub gehabt oder die Berater haben Urlaub gehabt.
F: Nimmt der Arzt oder Sie auch Kontakt zu den Beratern auf?
2MFA: Wenn wir merken, dass da seit ein paar Monaten kein Kontakt ist schon. Dann
rufen wir an und fragen persönlich nach den Bescheinigungen. Und die sagen 185
dann auch immer: Ja, wir waren da, aber wir haben vergessen mitzubringen (_)
Aber das sind wirklich nur paar, die restlichen bringen wirklich regelmäßig und
gehen auch regelmäßig.
1MFA: Es gibt welche die bringen schon am dritten des Monats, die rennen sofort. Also,
da sind wir immer ganz entzückt, ne. 190
(___Patient verabschiedet sich kurz im Vorzimmer__)
F: Gibt es im Bezug auf Benzodiazepinkonsum Wünsche an den Gesetzgeber, um
Ihnen den Arbeitsalltag zu erleichtern?
1MFA: Puh, dazu fällt mir jetzt nix ein. Keine Ahnung. (2MFA schüttelt den Kopf)
F: Das war es schon. Vielen Dank. 195
Protokoll MFA5:
Freitag, 25.07.2012, 12:00 Uhr
Niedergelassene Praxis ( Allgemeinmedizin)
Vor dem Interview:
Die Probandin musste den Termin aufgrund der Urlaubszeit und Personalengpass verschie-
ben und hat mich zum Ende der Sprechstunde in die Praxis bestellt.
Ich wurde in ein Arztzimmer gebeten. Nach kurzer Vorstellung und Einleitung des Gesprä-
ches, holte ich mir die Erlaubnis zur Aufzeichnung ein.
Die Atmosphäre war freundlich und angenehm und ich fühlte mich wohl.
Während des Interviews:
Die Probandin war interessiert und zugewandt.
Da der Praxisbetrieb schon geschlossen war, gab es keine Störungen von außen.
Nach dem Interview:
Das Gespräch hatte eine Länge von 13 Minuten, allerdings blieb ich noch eine halbe Stunde
länger sitzen und unterhielt mich mit der Probandin, die mir von einem Patienten erzählte der
sich einige Wochen zuvor mit mehreren Packungen Rivotril suizidiert hatte. Die Tabletten
waren von einer der Praxis bekannten Ärztin verschrieben worden, der man aber nichts
nachweisen konnte.
Aufgrund des positiven Verlaufs des Gespräches und der Offenheit fühlte ich mich gut auf-
gehoben.
1
Interview Probandin MFA5
F: Wie lange arbeiten Sie schon mit substituierten Patienten?
MFA: Mit Unterbrechung oder ohne?
F: Insgesamt so. 5
MFA: Ja, ähm, (_) zwei (__) sechs Jahre, so grob überm Daumen. Sechs Jahre würde
ich jetzt sagen, ja.
F: Hm. Wodurch unterscheiden sich für Sie substituierte Patienten von „normalen“
Patienten?
MFA: Ähm, (_) boah, schwierig. Hm, (_) eigentlich unterscheide ich die ja gar nicht, 10
sondern die unterscheiden sich ja von alleine.
F: Hm.
MFA: Also, die schieben sich ja eigentlich selbst in eine Schublade, ne.
F: Hm.
MFA: Und äh, wir haben oder es sollte eigentlich so sein, dass die Patienten eigentlich 15
genauso behandelt werden, wie jeder „normale“ Patient, in Anführungsstrichen
auch. Aber die Patienten, schieben sich eigentlich selbst in die Schublade und
sagen: Nur weil ich hier jetzt n Junkie bin, muss ich hier ständig Urin lassen und
nur weil ich ein Junkie bin machste das jetzt so und so. Also, die schieben sich
eigentlich selbst in einer Schublade. 20
F: Hm.
MFA: Und unterscheiden tue ich die eigentlich nicht, nee.
F: Aber die haben schon andere Problemstellungen wie „normale“ Patienten?
MFA: Ja, gut das schon ja. Also, sei es Geldprobleme oder Körperpflege (lacht)
F: Und welche Rolle spielt die Erfahrung im Umgang mit diesen speziellen Patien-25
ten?
MFA: Wie meinen Sie das jetzt welche Erfahrung?
F: Ja, Sie haben ja jetzt schon sechs Jahre lang mit Patienten gearbeitet und ha-
ben auch im Laufe dieser Jahre Erfahrungen gesammelt, wie man mit denen
umzugehen hat, was macht das aus? 30
MFA: Puh, das ist schwierig zu sagen, weil bei dem einen muss man ganz, ganz sen-
sibel sein und sonst fühlt der sich sofort auf die Füße getreten und würd sich
gleich ein Strick nehmen und sich aufhängen. Und beim anderen muss man
schon hart durchgreifen und muss sagen: So, bis hier hin und nicht weiter und
2
ähm, ansonsten müssen wir das hier beenden, aber das ist ganz unterschiedlich 35
von Patient zu Patient.
F: Also, ganz verschiedene Faktoren?
MFA: Ja.
F: Wie viele Patienten substituieren Sie im Moment?
MFA: Äh, 110 ungefähr. 40
F: Wer ist an der Vergabe beteiligt?
MFA: (___) Das ist unterschiedlich. Also, da gibt’s nicht jemand der nur die Vergabe
macht. Also, äh, wir sagen jetzt nicht nur ich mach die Vergabe oder meine Kol-
legin oder Frau Dr. macht nur die Vergabe, sondern im Prinzip ist es so, dass
meine Kollegin größtenteils die Vergabe macht und leider Gottes ist es ja so, 45
dass Patienten auch nach der Vergabezeit kommen und wir dann aber ja auch
andere technische Untersuchungen haben. Dann macht halt der die Vergabe,
der gerade vorne ist. Ne, es wird aber auch alles dokumentiert um wie viel Uhr
die Patienten kommen, damit wir auch genau nachgucken können, falls mal ei-
ner doppelt kommt, wir dann wirklich sagen können: Ääh, du warst schon hier 50
und kriegst dann auch nichts mehr. Ne, das ist alles dokumentiert, zu jedem
einzelnen Patienten.
F: Auf welche Substanzen testen Sie bei Aufnahme?
MFA: (_) Opiate, Methadon oder Polamidon, Buprenorphin, äh, Kokain, Benzodiaze-
pine, THC und (_) Amphetamin. 55
F: Was passiert wenn jemand bei Aufnahme mit Benzodiazepinen auffällig ist?
Was passiert dann?
MFA: Der wird darauf hingewiesen, dass wir hier nicht mit Benzodiazepinen substituie-
ren und wird dann wenn er es wirklich benötigt zum Neurologen geschickt.
F: Hat aber keinen Einfluss auf die Dosierung oder auf die Aufnahme selbst? 60
MFA: Nein, nein.
F: Ändert sich der Konsum wenn die Leute hier ankommen, die einen extremen
Beikonsum haben und dann hier eingestellt werden, merkt man eine Verände-
rung im Beikonsum?
MFA: (__) Anfangs, ja, weil ich glaube erstmal so der Abstand zum Arzt und auch der 65
Arzthelferin ist und auch die Angst: Was passiert jetzt wenn ich Beikonsum ha-
be?
F: Hm.
3
MFA: Also, reduziere ich meinen Beikonsum, wenn sie es dann hinterher raus haben,
wie es funktioniert, dann glaube ich ist der Beikonsum, vielleicht geringer, aber 70
ist immer noch da. In den meisten Fällen.
F: OK. (_) Wie entscheiden Sie über eine UK?
MFA: (__) Ganz spontan. Ganz spontan. Also, da hab ich kein Verfahren, wer jetzt
wann dran ist, sondern das mache ich stippvisitenartig.
F: Hm. 75
MFA: Also, jeder ist mal dran und jeder auch eigentlich gleich oft und äh, das mache
ich, wenn ich jetzt mein, Herr Müller/Meier sieht ganz bescheiden aus, dann
muss der Herr Müller/Meier mal runter.
F: Sie machen das am allgemeinen Zustand fest.
MFA: Auch, auch. Also ich mach morgens schon eine Liste fertig, wer Urin lassen 80
muss und wenn derjenige jetzt aber schlecht aussieht und ich den nicht auf
meiner Liste stehen hab, dann muss er trotzdem mal runter, ne.
F: Hm. (_) Werden UKs unter Sicht durchgeführt?
MFA: Auch ja. Aber nicht größtenteils.
F: Was passiert wenn Sie jemanden haben, der seit einem halben Jahr Benzofrei 85
ist und dann wieder auffällig ist? Wie ist da so der Ablauf?
MFA: Äh, der muss natürlich erstmal zum Gespräch rein, zum äh, Doktor. Dann wird
gefragt woher er die Tabletten hat, dann kommt immer dieses: Ja, die hab ich
mir verschreiben lassen. Von welchem Arzt? Dann wird der Arzt angerufen. In
der Regel, wird nachgefragt ob er da war, wie viel er bekommen hat und dem 90
Arzt dann aber auch mitgeteilt, dass er hier in Substitution ist und er es bitte un-
terlassen soll Tabletten aufzuschreiben, weil es keinen Sinn macht. Oder ähm,
wenn er dann sagt: Hab ich auf dem Schwarzmarkt gekauft. Kann ich die nicht
hier verschrieben kriegen? Nein, gibt es nicht. Brauchten sie vorher nicht, brau-
chen sie dann jetzt auch nicht. Wenn sie meinen sie müssten welche haben, 95
wenn sie die Diagnosen dazu haben, dann zum Neurologen.
F: Auch in Absprache dann mit der Praxis?
MFA: Genau, ja.
F: Geben Sie die dann auch aus oder muss der Neurologe die dann verschreiben?
MFA: Die muss der Neurologe dann verschreiben. 100
F: OK. Ändert sich was an der Dosierung?
MFA: Nein, nein.
F: Wechseln Sie gegebenenfalls das Substitut?
4
MFA: Nein.
F: Gibt’s Sanktionen wenn der Patient nicht mitarbeitet? 105
MFA: Ja.
F: Wie sehen die aus?
MFA: Also, Entgiftung, eventuelle Therapie. Und wenn´s gar nicht läuft ein Wechsel.
Also, wir hatten, zum Beispiel auch mal einen Patienten, da, ähm, mussten wir
wirklich mal sagen, er muss jetzt mal zum Kollegen wechseln. War auch so mit 110
ihm abgesprochen, dass er erstmal da ein paar Monate substituiert wird, um zu
sehen wie gut er es hier eigentlich hat.
F: Hm.
MFA: Und dann wo er nach ein paar Monaten wieder hier her kam und es dann auch
eine Zeit lang gut ging und er dann leider wieder in sein altes Muster verfallen ist 115
und jetzt in die Entgiftung musste.
F: Ins alte Beikonsummuster, hm.
MFA: (nickt) Ja.
F: OK. Hm, wodurch fallen Ihnen die Patienten auf in erster Linie, also wenn Sie
dann auch mit UK und Benzos auffällig werden? 120
MFA: Ja, das sehe ich. An den Augen, also sie gucken praktisch durch einen hin-
durch. Also, so merk ich das und äh, dann abzustreiten, bringt nix. Also, bis jetzt
ist jeder hier aufgeflogen, jeder.
F: OK. (__) Wo sind die besonderen Schwierigkeiten im Umgang mit benzodiaze-
pinkonsumierenden Patienten? 125
MFA: Das Problem, das große Problem ist halt einfach, dass es die auf dem
Schwarzmarkt zu kaufen gibt, wie alles andere ja leider auch, äh, und sie es
dann halt so nehmen können wie sie es gern hätten. Und sich aber über die
Konsequenzen aber nicht bewusst sind und es auch genug Ärzte gibt die die
halt einfach so mal verschreiben und dann sagen: Nee, der Patient war noch nie 130
hier und tschüß. Ne, also und gar nicht hier versuchen mitzuarbeiten, sondern
eher gegen uns arbeiten und das ist eigentlich das Schwierige daran.
F: Also, Sie nehmen grundsätzlich Kontakt mit denjenigen auf die die verordnen?
MFA: Ja, also in der Regel ja. Kann schon mal sein dass uns was untergeht. Aber in
der Regel ist das so, dass wir Kontakt zu den Ärzten aufnehmen und ich hatte 135
letztens einen Fall gehabt wo die Ärztin sagte, wo ich fragte: Ist der Patient so-
wieso bekannt? Nein. Ist der Patient sowieso bekannt? Nein und jetzt auf wieder
5
hören, tschüß. Wo ich dann sagte OK. Also, da wusste sie wohl schon, dass sie
da was gemacht hat, ne.
F: Behandeln Sie selbst auch mit Benzodiazepinen in Ihrer Praxis? 140
MFA: In der Regel nicht, nein, nein.
F: Gibt es denn schon mal jemanden mit der Indikation Abhängigkeit?
MFA: Ja, also, wir haben jetzt einen Fall, äh, der kann nicht ohne Benzodiazepine,
weil der sonst epileptische Anfälle sofort hat und den haben wir jetzt hier, aber
der wird auch wieder abdosiert. Aber halt auch langsam, ja. 145
F: Und wie ist da so die Erfahrung mit dem Abdosieren?
MFA: Wir haben schon einige gehabt die haben wir abdosiert und das klappte eigent-
lich ganz gut, bei dem Fall den wir jetzt haben, bin ich mir noch nicht ganz sicher
ob das funktioniert. Also da müssen wir abwarten wie es ist, wenn wir auf Null
sind. 150
F: Stellen Sie ihn dann auch um auf Neuroleptika?
MFA: Ja, genau. Hm.
F: OK. Welche Bedeutung hat die Kooperation mit der PSB in dem Behandlungs-
konzept Ihrer Praxis?
MFA: Also, PSB ist eigentlich der nächste Ansprechpartner, wenn es Probleme mit 155
unseren Patienten gibt. Da die doch einen anderen Einfluss darauf haben und
denen auch besser vermitteln können was die Konsequenzen sind wenn sie hier
nicht mitarbeiten. Und, äh, ohne psychosoziale Betreuung, keine Substitution
und dann haben die doch mehr in der Hand als wir als Praxis und äh, wir kon-
taktieren eigentlich immer die psychosoziale Betreuung wenn es Probleme gibt, 160
immer.
F: Wie läuft das mit dem Kontakt genau?
MFA: Ja.
F: Wie?
MFA: Wie? Also, entweder telefonisch oder hier vor Ort in der Praxis zwei Mal in der 165
Woche.
F: Gibt es im Bezug auf Benzodiazepinkonsum Wünsche an den Gesetzgeber, um
Ihnen den Arbeitsalltag zu erleichtern?
MFA: Es ist nur ärgerlich dass es Ärzte gibt die sie verschreiben wie Bonbons. Und
denen egal ist, ob sie letzte Woche schon da waren oder gestern, ja. 170
F: Danke schön.
1.Reduktion - Urinscreening Gruppe A Abstraktionsniveau: Beschreibung der Entscheidungskriterien und Regelungen zur Durchführung von Urinscreenings. Proband Zeile Nr. Paraphrasierung Generalisierung Reduktion A1 27 – 28 1 Die Urinkontrolle wird spontan durchgeführt und
wenn Auffälligkeiten, wie vermehrte Ermüdbarkeit, Reizbarkeit oder reduzierter Allgemeinzustand festzustellen sind
Spontan Bei Auffälligkeiten
K1: wichtig für UK: - Bei Auffälligkeiten, z.B. Ermüdbarkeit,
Reizbarkeit und reduziertem AZ - Spontan - Keine UK unter Sicht - Ggf. Speichelproben
A1 33 2 Keine Urinkontrolle unter Sicht
Keine UK unter Sicht
A1 33 - 37 Bei Bedarf finden Kontrollen durch Speichelproben, bei einigen Patienten auch grundsätzlich statt
Speichelproben als Kontrollinstanz
A2 93 3 Routinemäßig werden UK alle sechs Wochen durchgeführt
UK alle sechs Wochen K2: wichtig für UK: - fester Intervall alle 6 Wochen - bei Auffälligkeiten, z.B. kühlem Urin - UK unter Sicht bei Bedarf
A2 95 - 103
4 Wenn mir jemand anders erscheint dann erfolgt die UK enger, z.B. bei kühlem Urin
Individuelle Entscheidung bei Veränderung
A2 100 5 UK werden zum Teil unter Sicht durchgeführt
UK unter Sicht bei Bedarf
A3 33-52 6 Die Durchführung der UK erfolgt stichprobenartig nach meiner Entscheidung, UK sind nicht wichtig, eher die Klinik
Individuelle Entscheidung, UK eher zweitrangig K3: - Urinkontrolle ist eher nachrangig, sonst
kostenorientiert - AZ ist entscheidender - Keine UK unter Sicht
A3 37 7 Maximal drei UK pro Quartal nach finanziellem Aspekt
Finanziell gesteuerte Durchführung der UK
A3 42 8 Unter Sicht werden keine UK durchgeführt
Keine UK unter Sicht
A4 73-77 9 Intervall nach ASTO Handbuch und Finanzierung und was wir meinen Wissen zu müssen
UK Intervall nach Vorschrift und individuelle Entscheidung K4: - UK werden nach Vorschrift durchgeführt und
nach individueller Entscheidung - Unangekündigt - Keine UK unter Sicht
A4 79 10 UK kommt überraschend
Unangekündigte UK
A4 99-100 11 UK unter Sicht funktioniert nicht wirklich, so
genau kann man da nicht hingucken
Keine UK unter Sicht
A5 126- 127 12 UK werden nach klinischem Aspekt und den allgemeinen Vorgaben entschieden
Feste Intervalle nach Vorgaben und individuelle Entscheidung nach Klinik
K5: - UK werden nach Vorschrift durchgeführt und
nach klinischen Aspekten - Bei Bedarf UK unter Sicht, z.B. bei
Manipulation
A5 170 - 171 13 Take-home Patienten die beim Manipulieren erwischt werden müssen unter Sicht Urin abgeben
Bei Bedarf UK unter Sicht
A6 108 – 111 14 UK werden von den MFA in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen durchgeführt
Keine festen Regeln für UK
A6 112 – 115 15 UK werden nicht unter Sicht durchgeführt und sind daher eher zweitrangig
UK zweitrangig, wenn sie nicht unter Sicht durchgeführt werden K6: - Keine festen Regeln für UK - Manipulationsgefahr ist hoch daher ist Klinik
Indikator für UK - Keine UK unter Sicht -
A6 119 – 121 16 Es ist eher wichtig nach Auffälligkeiten zu gucken, dann macht man einen UK
Die Klinik ist ein Indikator für die Durchführung einer UK
A7 100 - 103 17 Vier UK im Quartal, aber alle Patienten müssen einmal in der Woche Urin abgeben, wir wecken die aber auch wenn es sein muss
Fester Intervall und bei Auffälligkeiten K7: - fester Intervall vier Mal im Quartal und bei
Auffälligkeiten - Unangekündigt - UK unter Sicht
A7 98 18 Patienten werden unangekündigt getestet
UK unangekündigt
A7 246 19 Patienten geben Urin indirekt unter Sicht ab
UK generell unter Sicht
A8 102 - 103 20 UK laufen zweimal im Monat, da es viele Patientinnen mit Kindern gibt, mit Info bei Auffälligkeiten an das Jugendamt
UK nach festem Intervall, besonders bei Müttern mit Kindern K8: - fester Intervall, spezielle Situation wegen
Beteiligung von Kindern, alle zwei Wochen - nach auffälliger Temperaturkontrolle
Wiederholung - UK unter Sicht
A8 117 - 132 21 MFA begleitet Patientin zur Toilette und lässt die Tür auf, außerdem wird anschließend die Temperatur kontrolliert, evtl. muss innerhalb einer std. ein neuer Test durchgeführt werden
UK unter Sicht Anschließend Temperaturkontrolle und bei Auffälligkeiten neue Kontrolle
A9 78 22 UK mindestens einmal im Monat unangekündigt
Fester Intervall ohne Ankündigung K9: - Unangekündigte Durchführung - Fester Intervall und wenn Kontrolle nötig ist - UK unter Sicht
A9 79 - 82 23 Auch mal zwischendurch, wenn ich oder der Patient Kontrolle wünscht
Individuelle Entscheidung
A9
88 24 Unter Sicht eine Urinkontrolle für alle UK unter Sicht
2.Reduktion – Urinscreening Gruppe A Proband Kategorie Generalisierung Reduktion A1 K1 wichtig für UK:
- Bei Auffälligkeiten, z.B. Ermüdbarkeit, Reizbarkeit und Reduziertem AZ
- Spontan - Keine UK unter Sicht - Ggf. Speichelproben
Regeln für UK: - Bei Auffälligkeiten - Spontan - Keine UK unter Sicht - Ggf. Speichelproben
A2 K2 Wichtig für UK: - fester Intervall alle 6 Wochen - bei Auffälligkeiten, z.B. kühlem Urin - UK unter Sicht bei Bedarf
Regeln für UK: - ein fester Intervall - wenn etwas auffällig ist - dann auch evtl. Urin unter Sicht
K´1: Regeln für UK: - feste Intervalle zwischen 2 und 6 Wochen - individuell nach Klinik und Auffälligkeiten - Unangekündigt
A3 K3 - Urinkontrolle ist eher nachrangig, sonst
kostenorientiert - AZ ist entscheidender - Keine UK unter Sicht
- Klinischer Zustand ist wichtiger - UK lediglich kostenorientiert - Keine UK unter Sicht
A4 K4 Wichtig für UK: - UK werden nach Vorschrift durchgeführt und nach
individueller Entscheidung - Unangekündigt - Keine UK unter Sicht
Regeln für UK: - UK nach Vorschrift - Nach individueller Entscheidung - Ohne Ankündigung
A5 K5 Wichtig für UK: - UK werden nach Vorschrift durchgeführt und nach
klinischen Aspekten - Bei Bedarf UK unter Sicht, z.B. bei Manipulation
Regeln für UK: - UK im vorgeschriebenen Intervall - Nach klinischen Aspekten - Bei Manipulation unter Sicht
K´2: - Nachrangige Handhabung
A6 K6 - Keine festen Regeln für UK - Manipulationsgefahr hoch daher ist Klinik Indikator für
UK - Keine UK unter Sicht
- keine festen Regeln - Intoxikation ist Indikator für eine UK - Grundsätzlich keine UK unter Sicht
A7 K7 Wichtig für UK: - fester Intervall und bei Auffälligkeiten - Unangekündigt - UK unter Sicht
Regeln für UK: - fester Intervall - bei auffälligem Verhalten - ohne Ankündigung - generell UK unter Sicht
K´3: UK unter Sicht: - generell - bei Bedarf - keine UK unter Sicht
A8 K8 - fester Intervall, spezielle Situation wegen Beteiligung von Kindern, alle zwei Wochen
- nach auffälliger Temperaturkontrolle Wiederholung - UK unter Sicht
Regeln für UK: - fester Intervall - bei Auffälligkeiten - generell UK unter Sicht -
A9 K9 - Unangekündigte Durchführung - Fester Intervall und wenn Kontrolle nötig ist - UK unter Sicht
Regeln für UK: - ohne Ankündigung - fester Intervall - individuelle Entscheidung
1.Reduktion – Urinscreening Gruppe MFA Abstraktionsniveau: Beschreibung der Entscheidungskriterien und Regelungen zur Durchführung von Urinscreenings. Proband Zeile Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion MFA1 38 – 43 1 Alle vier Wochen muss der Patient unangekündigt zur
UK
Ohne Ankündigung, einmal im Monat K1: Urinkontrolle: - unangekündigt - mit festem Intervall und bei verändertem AZ bzw.
pos. Befund - Keine UK unter Sicht -
MFA1 44 – 50 2 Wenn der Patient mal positiv war oder anders auffällig ist muss er außerhalb des Intervalls zur UK
Bei vorangegangenem pos. Befund und Veränderungen im Verhalten
MFA1 55 – 56 3 erfolgen nicht unter Sicht
Keine UK unter Sicht
MFA2 29 – 31 4 Einmal im Monat muss jeder Patient Urin abgeben, ohne zu wissen wann
Unangekündigt einmal im Monat UK K2: Urinkontrolle: - unangekündigt - fester Intervall - UK grundsätzlich unter Sicht
MFA2 35 – 38 5 Die Ärzte begleiten die Männer und wir die Frauen auf
Toilette
UK grundsätzlich unter Sicht
MFA3 82 - 86 6 Intervalle sind von Patient zu Patient unterschiedlich, Doktor entscheidet individuell
UK Intervalle werden individuell entschieden K3: Urinkontrolle: - individuelle Entscheidung durch Arzt - keine UK unter Sicht
MFA3 94 - 95 7 Urinkontrollen werden nicht unter Sicht durchgeführt Keine UK unter Sicht
MFA4 82 – 84 8 Monatsweise Urinkontrollen, nicht am gleichen Tag damit die Patienten das nicht merken
Fester Intervall Spontan
K4: Urinkontrollen - monatsweise, nicht am gleichen Tag - keine UK unter Sicht
MFA4 94 - 99 9 Wir gehen nicht mit auf die Toilette
Keine UK unter Sicht
MFA5 74 – 75 8 Urinkontollen werden von mir ohne besonderes System entschieden
UK stichprobenartig K5: Urinkontrolle - stichprobenartig entschieden durch MFA - bei verändertem AZ - UK unter Sicht bei Bedarf
MFA5 77 – 79 9 Wenn der Patient verändert wirkt muss er auch zur UK
UK bei verändertem AZ
MFA5 85 10 Urinkontrollen unter Sicht werden hin und wieder durchgeführt
UK unter Sicht werden bei Bedarf durchgeführt
2.Reduktion – Urinscreenings Gruppe MFA
Proband Kategorie Generalisierung Reduktion MFA1 1 Urinkontrolle:
- unangekündigt - mit festem Intervall und bei verändertem AZ bzw. pos.
Befund - Keine UK unter Sicht
UK sollten unangekündigt mit festem Intervall erfolgen, zudem bei Auffälligkeiten UK werden nicht unter Sicht durchgeführt
K´1: Regeln für UK: - Unangekündigte Durchführung - Feste Intervalle - Bei auffälligem Verhalten
MFA2 2 Urinkontrolle: - unangekündigt - fester Intervall - UK grundsätzlich unter Sicht
Wichtig für UK sind ein fester Intervall, die unangekündigte Durchführung unter Sicht
MFA3 3 Urinkontrolle: - individuelle Entscheidung durch Arzt - keine UK unter Sicht
UK unterliegen der individuellen Entscheidung des Arztes, keine UK unter Sicht
K´2: UK unter Sicht - generell - bei Bedarf - keine UK unter Sicht
MFA4 4 Urinkontrollen
- monatsweise, nicht am gleichen Tag - keine UK unter Sicht
Fester Intervall Spontan Keine UK unter Sicht
MFA5 5 Urinkontrolle - stichprobenartig entschieden durch MFA - bei verändertem AZ - UK unter Sicht bei Bedarf
UK wird individuell von der MFA entschieden UK unter Sicht bei Bedarf
MFA5 6 Urinkontrolle - stichprobenartig entschieden durch MFA - bei verändertem AZ - UK unter Sicht bei Bedarf
UK wird individuell von der MFA entschieden UK unter Sicht bei Bedarf
Reduktion – Aufnahme bei positivem Befund Gruppe A Abstraktionsniveau: Beschreibung der Auswirkungen und Maßnahmen zur Aufnahme bei positivem Benzodiazepin-Befund vor Behandlungsbeginn.
Proband Zeile Nr. Paraphrasierung Generalisierung Reduktion A1 68 - 77 1 Ziele werden in einem ausführlichen
Aufnahmegespräch formuliert, Höhe der Anfangsdosierung richtet sich nach Beigebrauch
- Zielformulierungen im Gespräch - Höhe der Dosierung nach Beigebrauch
A2 68 - 77 2 Gespräch mit dem Patient, insbesondere welche Substanz, ambulante Entwöhnung, BDZ im Austausch mit Antidepressiva, ist Mittel der Wahl
- zunächst keine Konsequenz bzgl. Aufnahme - ambulante Entwöhnung
K1: Keine Konsequenzen für die Aufnahme
A3 23 3 Patient bekommt Abdosierung angeboten
- ambulante Entwöhnung als Maßnahme
A4 53 - 56 4 Das ist bei polytoxikomanen Patienten üblich, hat keine Konsequenzen auf die Aufnahme
- in jedem Fall Aufnahme
K2: Maßnahmen: - Gespräch - Blutspiegelbestimmung - ambulante Entwöhnung - stationäre Entgiftung - bei Intoxikation verzögerter Substitutionsbeginn - Dosierung nach Beigebrauch
A5 75 - 97 5 Gespräch bzgl. des Konsummusters, evtl. Blutspiegelbestimmung bei Auffälligkeiten, keine Entgiftung vorab sonst ist der Patient weg
- Gespräch - Blutspiegelbestimmung - Keine Entgiftung vorab
A6 82 - 87 6 Einzige Konsequenz ist ein verzögerter Beginn der Substitution und niedrige Einstiegsdosierung bei Intoxikationserscheinungen
Bei Intoxikation: - Späterer Beginn
A6 93 - 101 7 Ausführliches Aufnahmegespräch mit Aufklärung aller Risiken
- ausführliches Aufnahmegespräch
A7 65 - 66 8 Clean zu sein ist keine Bedingung, Aufnahme erfolgt in jedem Fall
- Aufnahme in jedem Fall
A8 78 - 83 9 im Aufnahmegespräch wird ausführlich darauf hingewiesen, dass der Konsum abgestellt werden muss
- Thematisierung im Aufnahmegespräch
A9 50 - 57 10 - Ausführliche Untersuchung und erfassen des Konsums
- Ausführliches Aufnahmegespräche und thematisieren der Problematik
-
- Gründliche Untersuchung - Thematisieren der aktuellen Konsummuster
A9 56 - 58 11 Reduzierungsversuche durch ambulante Entwöhnung Evtl. stationäre Einstellung vorab nötig
- ambulante Entwöhnung - evtl. stationäres Entwöhnen
Reduktion – Aufnahme bei positivem Befund Gruppe MFA Abstraktionsniveau: Beschreibung der Auswirkungen und Maßnahmen zur Aufnahme bei positivem Benzodiazepin-Befund vor Behandlungsbeginn.
Proband Zeile Nr. Paraphrasierung Generalisierung Reduktion MFA1 30 1 Keine Auswirkung auf Aufnahme
Aufnahme erfolgt
MFA1 32 2 Die meisten Patienten haben vorab sowieso alles positiv
Generell übliche positive UK
MFA2 21 3 Patient wird in jedem Fall aufgenommen, kommt ja nicht weil er nichts hat
Wird in jedem Fall aufgenommen K1: generelle Aufnahme
MFA3 46 4 Alle Patienten werden grundsätzlich aufgenommen
Aufnahme erfolgt generell K2: Maßnahmen vorab: - Hinweis, dass nicht mit BDZ substituiert wird - Evtl. Überweisung an Neurologen
MFA4 59 – 64 5 Gespräch mit dem Arzt, Aufnahme erfolgt aber auch
bei positivem Befund
Gespräch Aufnahme erfolgt auch bei positivem Befund
MFA5 58 - 60 6 - Wird erklärt dass nicht mit BDZ substituiert wird
- Evtl. zum Neurologen geschickt - keine weiteren Konsequenzen für
Aufnahme
- Keine Substitution mit BDZ - evtl. Einstellung durch Neurologen - Aufnahme erfolgt
1.Reduktion – Kommunikation Gruppe A Abstraktionsniveau: Hinweise die für die Gesprächsführung und Kommunikation mit auffälligen Patienten von Bedeutung sind.
Proband Zeile Nr. Paraphrasierung Generalisierung Reduktion A1 19- 20 1 Bei positivem Befund vor Aufnahme wird ein
ausführliches Gespräch geführt und Ziele formuliert
Ziele formulieren K1: wichtig für die Kommunikation - Ziele zu Beginn der Substitution formulieren - Fragen wie es zu dem Gebrauch kommt,
Therapieziele neu formulieren.
A1 42- 44 2 Bei plötzlichem Auftritt eines positivem Befundes werden ausführliche Gespräche geführt und erfragt warum es zum Gebrauch kommt und Therapieziele neu formuliert
Hinterfragen des Konsums Ziele neu formulieren
A2 38- 39 3 Kleine Schritte lobe ich
Verbesserung loben
A2 41 4 Beim Rückfall wird nicht geschimpft
Nicht grundsätzlich maßregeln K2: wichtig für die Kommunikation - Fortschritte anerkennen - Keine Drohungen - Direktes, offenes ansprechen - Regelmäßig nachfragen bezüglich Suchtdruck
A2 71- 72 5 Probleme spreche ich an, auch bei langem
Konsum weiterer Substanzen
Probleme offen ansprechen
A2 114- 116 6 Bei positivem UK müssen die direkt zu mir, bei Take-home sowieso
Direktes Gespräch
A2 123- 124 7 Ich frage regelmäßig nach Suchtdruck und gehe bei Schwierigkeiten darauf ein
Befinden
A2 142- 143 8 Ich arbeite nicht mit Angst und Drohung
Keine Drohungen
A2 147- 152 9 Bei schwierigem Verlauf gibt es ein Gespräch nach drei Monaten außerhalb der Untersuchungen
Gespräch nach Kulanzzeit
A3 123 10 Bei auffälligem BDZ Konsum biete ich dem Patienten eine Abdosierung an
Anbieten von Alternativen K3: wichtig für die Kommunikation - regelmäßige Gespräche bei Schwierigkeiten - Einstellung des Konsums als erste Forderung - Anbieten von Alternativen - Verlässlichkeit des Patienten
A3 27- 29 11 Konsum von BDZ schwankt häufig stark und man
wird immer wieder darüber reden müssen
Regelmäßige Kommunikation bei Schwierigkeiten
A3 67- 68 12 Im Gespräch wird zunächst vermittelt dass er aufhören muss
Forderung der Einstellung des Konsums
A3 77 13 Verlässliche Patienten behalte ich gern
Verlässlichkeit
A4 53- 54 14 Konsum wird problematisiert und thematisiert
Zum Thema machen K4: wichtig für Kommunikation: - Konsum ansprechen und zum Thema machen - Regelmäßigkeit - Nicht anlügen lassen - Grenzen setzten
A4 78- 79 15 Das diskutieren wir immer wieder
Wiederholt besprechen
A4 33- 34 16 Ich lasse mir nichts mehr vorlügen
Nicht anlügen lassen
A4 135- 140 17 Deadline zur Einstellung des Konsums vorschreiben
Grenzen setzten
A5 65 18 Wir haben eine Sprechstunde in der wir uns Zeit nehmen für die substituierten Patienten
Extra Sprechstunde K5: wichtig für Kommunikation: - Konsummuster wird erfragt und thematisiert - Engmaschiger Kontakt - Zeit nehmen
A5 75 19 Als erste Frage wird die nach dem Konsummuster gestellt
Frage nach Konsummuster
A5 93- 94 20 Der Patient muss bei zusätzlichem Konsum engmaschig gesehen werden
Enger Kontakt
A5 141 21 Der Patient wird zu mir reingeschickt und das Problem thematisiert
Problem wird thematisiert
A6 58 22 Man darf sich von den Patienten nicht belügen lassen
Nicht täuschen lassen
A6 69 23 Ich sehe die Patienten durchschnittlich einmal in der Woche
Regelmäßige Gespräche K6: wichtig für die Kommunikation - regelmäßige Gespräche - nicht täuschen lassen - Konsum als Symptom wahrnehmen
A6 93 24 Ausführliches Erstgespräch mit Hinweis auf alle Risiken und dass Beikonsum ein Problem darstellt
Ausführliche Aufklärung
A6 128- 131 25 Der Patient kommt als erstes zu mir wenn er auffällt, dann wird Kontakt zur PSB aufgenommen
Erste Intervention ist das Gespräch
A6 140- 143 26 Keine Verhaltensänderung gegenüber dem Patienten nur weil er Beikonsum hat
Konsum als Symptom wahrnehmen
A7 49- 50 27 Einmal in der Woche sehe ich die Patienten
Regelmäßige Gespräche K7: wichtig für Kommunikation: - regelmäßige Gespräche - Verständnis - Empathie
A7 141- 142 155- 156
28 Man muss dem Patienten Verständnis signalisieren und empathisch sein
Verständnis und Empathie
A7 175- 183 29 Die Probleme erkennen und darauf eingehen
Probleme erkennen und drauf eingehen
A8 55- 56 30 Zunächst keine schweren Vorwürfe machen
Keine Vorwürfe K8: wichtig für Kommunikation: - Gespräch - Keine Vorwürfe machen - Grenzen setzten
A8 87- 90 31 Wenn konsumiert wird muss man sagen entweder Neurologe, Entgiftung oder aus dem Programm ausscheiden
Grenzen setzten
A8 166 32 Als erstes rede ich mit den Patientinnen
Erste Intervention ist Gespräch
A9 50- 53 33 Ausführliches Aufnahmegespräch und Anamnese des Konsummusters
Ausführliches Aufnahmegespräch K9: wichtig für Kommunikation - Konsummuster thematisieren - Individuelle Beratung
A9 56- 57 34 Ausführliches Thematisieren jeglichen Konsums
Thematisieren des Konsums
A9 102- 103 35 Wir fordern regelmäßig auf den Konsum zu benennen
Konsum benennen
A9 111- 115 36 Wir versuchen mit den Patienten zu erarbeiten sein Konsummuster zu erfassen und zu verändern
Individuelle Beratung
2.Reduktion – Kommunikation Gruppe A
Proband Kategorie Generalisierung Reduktion A1 1 Wichtig für die Kommunikation
- Ziele zu Beginn der Substitution formulieren - Fragen wie es zu dem Gebrauch kommt,
Therapieziele neu formulieren
Ziele formulieren, ggf. neu formulieren Gebrauch hinterfragen
A2 2 wichtig für die Kommunikation - Fortschritte anerkennen - Keine Drohungen - Direktes, offenes ansprechen - Regelmäßig nachfragen bezüglich Suchtdruck
Verbesserung hervorheben Nicht drohen Direkt und offener Umgang Regelmäßigkeit
K1: Umgang muss: direkt, offen, individuell und regelmäßig sein
A3 3 wichtig für die Kommunikation - regelmäßige Gespräche bei Schwierigkeiten - Einstellung des Konsums als erste Forderung - Anbieten von Alternativen - Verlässlichkeit des Patienten
Regelmäßigkeit Auffordern zur Veränderung Alternativen bieten Verlässlichkeit des Patienten
K2: Man muss Thematisieren, Fortschritte loben, sich Zeit nehmen, Grenzen setzten, Ziele formulieren.
A4 4 wichtig für Kommunikation: - Konsum ansprechen und zum Thema machen - Regelmäßigkeit - Nicht anlügen lassen - Grenzen setzten
Thematisieren Regelmäßigkeit Nicht täuschen lassen Grenzen ziehen
A5 5 wichtig für Kommunikation: - Konsummuster wird erfragt und thematisiert - Engmaschiger Kontakt - Zeit nehmen
Thematisieren Regelmäßigkeit Zeit
K3: Man darf sich nicht täuschen lassen
A6 6 wichtig für die Kommunikation - regelmäßige Gespräche - nicht täuschen lassen - Konsum als Symptom wahrnehmen
Regelmäßigkeit Nicht täuschen lassen Konsum ist Symptom
A7 7 wichtig für Kommunikation: - regelmäßige Gespräche - Verständnis - Empathie
Regelmäßigkeit Verständnis Empthie
K4: Empathie und Verständnis helfen beim Abwägen der Behandlungsmöglichkeiten
A8 8 wichtig für Kommunikation: - Gespräch - Keine Vorwürfe machen - Grenzen setzten
Thematisieren Keine Vorwürfe Grenzen setzten
A9 9 wichtig für Kommunikation - Konsummuster thematisieren - Individuelle Beratung
Thematisieren Individuelles eingehen
1.Reduktion – Kommunikation Gruppe MFA Abstraktionsniveau: Hinweise die für die Gesprächsführung und Kommunikation mit auffälligen Patienten von Bedeutung sind.
Proband Zeile Nr. Paraphrasierung Generaliserung Reduktion MFA1 62- 63 1 Der Patient muss zuerst zum Arzt
Erste Intervention Gespräch K1: wichtig für Kommunikation
- Erste Intervention Gespräch - Nicht belügen lassen - Zeit nehmen - Verständnis haben
MFA1 48 2 Nicht auf der Nase rumtanzen lassen
Nicht belügen lassen
MFA1 110- 113 3 Manche wollen auch nur mal über belanglose Sachen reden und suchen das Gespräch
Zeit nehmen Verständnis haben
MFA1 169- 170 4 Ich bin schon der Ansprechpartner für langjährige Patienten
Zeit nehmen
MFA2 7- 8 5 Man muss auf jeden einzeln eingehen können
Individuelles Eingehen K2: wichtig für Kommunikation - Individuelles Einstellen auf den Patienten - Erste Intervention Gespräch
MFA2 45 6 Als erstes ist das Gespräch mit dem Doktor üblich
Gespräche erste Intervention
MFA3 24- 30 7 Man lernt wie weit man gehen kann, wenn man die Patienten schon lange kennt
Individualität K3: wichtig für Kommunikation. - individuelles Eingehen - lösungsorientierte Behandlung - regelmäßige Gespräche bei anhaltenden
Problemen und als erste Intervention MFA3 104- 108 8 Aus einer Auffälligkeit darf man keine große
Diskussion machen, sondern muss schauen warum
lösungsorientiert
MFA3 123- 129 9 Regelmäßige Gespräche bei längerfristigen Problemen
Regelmäßige Gespräche
MFA4 42 10 Einmal in der Woche gibt es einen Rein-geh-Tag, dann müssen die Patienten zum Gespräch mit dem Arzt
Regelmäßige Gespräche K4: wichtig für Kommunikation: - regelmäßige Gespräche - erste Intervention Gespräch mit dem Arzt
MFA5 31- 34 11 Bei dem einen muss man sensibel und einfühlsam
sein, bei dem anderen muss man hart durchgreifen
Individuelle Behandlung Empathie
K5: wichtig für Kommunikation: - individuelles, empathisches Einstellen auf
Patienten - Grenzen ziehen - Erste Intervention Gespräch mit dem Arzt
MFA5 58- 59 12 Der wird darauf hingewiesen dass hier nicht mit BDZ substituiert wird
Grenzen ziehen
MFA5 88 13 Der muss erst mal zum Doktor zum Gespräch
Gespräch ist erste Intervention
2.Reduktion – Kommunikation Gruppe MFA
Proband Kategorie Generalisierung Reduktion MFA1 1 - Erste Intervention Gespräch
- Nicht belügen lassen - Sich Zeit nehmen - Verständnis haben
Gespräch Nicht täuschen lassen Zeit nehmen Verständnis
MFA2 2 - Individuelles Einstellen auf den Patienten - Erste Intervention Gespräch
Individuelles Eingehen Gespräch
K1: Erste Intervention das Gespräch mit dem Arzt
MFA3 3 - individuelles Eingehen - lösungsorientierte Behandlung - regelmäßige Gespräche bei anhaltenden Problemen
und als erste Intervention
Individuelles Eingehen Lösungsorientiert Gespräch
K2: wichtig für Kommunikation: Nicht täuschen lassen Zeit nehmen lösungsorientiert Individuelles Eingehen Grenzen ziehen
MFA4 4 - Erste Intervention Gespräch mit dem Arzt - Regelmäßige Gespräche
Gespräch
MFA5 5 - individuelles, empathisches Einstellen auf Patienten - Grenzen ziehen - Erste Intervention Gespräch mit dem Arzt
Individuelles Eingehen Grenzen ziehen Gespräch
1.Reduktion – ambulante Behandlungsmaßnahmen Gruppe A Abstraktionsniveau: Formulierung von Maßnahmen, die ambulante Interventionen beinhalten und deren Gewichtung durch den Probanden.
Proband Zeile Nr. Paraphrasierung Generalisierung Reduktion A1 47- 47 1 Während des Gespräches nach Auffall, wird
festgelegt ob die Dosis des Substituts evtl. erhöht werden muss
Dosiserhöhung K1: ambulante Maßnahme: - Neurologische Behandlungen einiger Patienten - Evtl. Dosiserhöhung
A1 69- 70 2 Neurologische Behandlung einiger Patienten mit
Benzodiazepinen
Fachärztliche Versorgung
A2 71 – 76 3 Bei langen Konsum schlag ich die Möglichkeit der ambulanten Entwöhnung vor, im Austausch mit trizyklischen Antidepressiva
Bei langem Konsum ambulante Entwöhnung im Austausch mit Antidepressiva
A2 89 + 219
4 Die Patienten bekommen einen Plan mit und können im Rahmen mit den Dosierungen spielen, es wird ein offener Zeitraum gesetzt und am Umfeld gearbeitet
Offener Zeitraum für Behandlung Dosierungsplan mit Spielraum für Patienten
K2: ambulante Maßnahme: - Bei langem Konsum Vorschlag einer Abdosierung im
Austausch mit Antidepressiva - Offener Zeit-und Behandlungsspielraum
A2 118-
126 5 Evtl. wird die Dosierung des Substitutes höher
gesetzt, wenn der Patient Suchtdruck hat, auch her kann der Patient mitbestimmen
Mitbestimmung bezüglich Dosierung bei Suchtdruck K3: ambulante Maßnahme: - Mitbestimmung der Substitutdosierung des Patienten
bei Suchtdruck
A2 204- 210
6 Fachärztliche Behandlungen durch Psychiater oder Neurologen sehe ich als schwierig an, sowohl für den Patienten, der durch ihn neu eingestellt wird, als auch für mich, die ich den Patienten gut kenne und eingestellt habe
Fachärztliche Behandlung bei Substitution eher kritisch
A3 100 - 101
7 Runterdosierungen sind in meiner Praxis Usus, auch Patienten aus anderen Praxen
Ambulante Entwöhnung K4: ambulante Maßnahme: - Runterdosierungen von BDZ mit meinen und
konsiliarischen Patienten - Zunächst Angebot eines Hypnotikums ohne
Abhängigkeitspotenzial
A3 68 8 Ich biete dem Patienten zunächst ein Hypnotikum ohne Abhängigkeitspotenzial an
zunächst Hypnotikum ohne Abhängigkeitspotenzial
A3 92- 93 9 Abdosierungen ziehen sich lange hin, bis zu einem Jahr
Langer Verlauf von ambulanter Entwöhnung
A4 59- 60 10 Keine Substitution oder Ersatzdroge für Benzodiazepine
Keine medikamentöse Behandlung K5: ambulante Maßnahme: - Kein Austausch oder Entwöhnung von
Benzodiazepinen - Keine Änderungen in Bezug auf das Substitut - Fachärztliche Versorgung bei psychiatrischer
Indikation
A4 53 – 56 11 Wir thematisieren und diskutieren, sonst passiert da ambulant nichts
Thematisieren und diskutieren
A4 129- 133
12 Bei Dosisveränderungen und Wechsel des Substituts gibt es für mich keinen Zusammenhang mit Benzodiazepinen
Keine Dosisveränderungen und Substitutwechsel
A4 203- 208
13 Wir haben hochgradig kranke, psychotische Patienten, die bei einem Psychiater sind und Neuroleptiker in Absprache durch uns bekommen
Fachärztliche Versorgung durch Psychiater in Absprache ist legitim
A5 94 - 103
14 Die erste Zeit nach einer Entlassung aus dem Krankenhaus einen Patienten mit Benzodiazepinen begleitend zur Substitution zu versorgen ist schwierig. Psychiatrische stationäre Einstellung mit Antidepressiva oder Neuroleptika bei Komorbidität
Stationär entlassene Patienten mit Benzodiazepinen abzudosieren ist schwierig Bei Komorbidität stationär mit Antidepressiva oder Neuroleptika
K6: ambulante Maßnahme: - Eher schwierige ambulante Versorgung stationär
entlassener Patienten mit BDZ, lieber psychiatrische Einstellung mit anderen Medikamenten
- Sedierende Antidepressiva bei Schlafstörungen - Somatische Prüfung für den Einsatz von
Antidepressiva und Neuroleptika
A5 103- 106
15 Wir arbeiten mit sedierenden Antidepressiva, wenn der Patient sagt, dass er die Benzos braucht, um gut schlafen zu können
Sedierende Antidepressiva bei Schlafstörungen
A5 115- 120
16 Abklärung der kardiovaskulären Nebenwirkungen, bezüglich der Medikamentösen Einstellung Abgestimmt auf den Patienten
Nebenwirkungen der Medikamente müssen bei Herz-Kreislauferkrankungen bedacht werden
A5 120- 124
17 Jeder Patient der in die Substitution kommt muss somatisch abgeklärt werden, um den Einsatz bestimmter Antidepressiva oder Neuroleptika zu prüfen
Somatische Prüfung beim Einsatz von Antidepressiva oder Neuroleptika
A5 150- 158
18 Ich warne vor dem Automatismus hoher Beikonsum, höhere Substitutionsmenge, evtl. aus Sicherheitsgründen Reduktion der Dosis wegen Beeinträchtigung, individuelle Entscheidung in die eine oder andere Richtung
CAVE bei hohem Konsum anderer gefährdender Substanzen und der Erhöhung des Substitutes, eher runter dosieren wegen Sicherheit, individuelle Entscheidung
K7: ambulante Maßnahme: - Individuelle Dosierungsmaßnahmen, Cave: keine
automatische Erhöhung bei hohem Beikonsum
A5 181- 187
19 Überblick geht bei zu hoher Durchmischung der Medikamente verloren
Fehlender Überblick bei zu vielen Medikamenten
A6 84 20 Bei Intoxikation bekommt der Patient zunächst kein Substitut
Kein Substitut bei Intoxikationserscheinungen
A6 153- 155
21 Abwägen der Möglichkeiten
Abwägen
A6 178-180
22 Mit ambulanter Entwöhnung hab ich nur schlechte Erfahrung gemacht, aber wenn jemand das möchte und mich überzeugt, wunderbar
Ambulante Entwöhnung eher kritisch zu sehen, muss überzeugt werden
K8: ambulante Maßnahme: - akute Intoxikation, kein Substitut - ambulante Entwöhnung nur in Ausnahmefällen - fachärztliche psychiatrische Versorgung
A6 182-
183 23 Antidepressiva sollte man nach Möglichkeit bei
substituierten Patienten nicht einsetzten, nur bei Depression
Keine Antidepressiva
A6 192- 194
24 Fachärztliche Versorgung durch psychiatrische Behandlung ist Usus
Fachärztliche Versorgung
A6 209- 210
25 Ich verschreibe keinem Substituiertem Benzodiazepine
Keine BDZ an Substituierte
A7 68 75 195-196
26 Die Patienten kommen schon stationär eingestellt die in Einrichtung, kleine Anpassungen mache ich selbst, wenn der Patient sich entzügig fühlt oder in Absprache mit der PSB wenn er runterdosiert werden möchte
Lediglich kleine Anpassungen auf Wunsch des Patienten K9: ambulante Maßnahme: - bei langer Abhängigkeit BDZ Substitution - Reduktions- und Abdosierungsversuche - Zusammenarbeit mit Psychiater
A7 147-152
27 Bisher Substitution durch Psychiater mit Benzodiazepinen, da oft eine sehr lange Abhängigkeit besteht, seit einiger Zeit Reduktions- und Abdosierungsversuche
BDZ Substitution durch Psychiater Reduktions- und Abdosierungsversuche
K10: ambulante Maßnahme: - Dosierungsanpassungen auf Wunsch des Patienten,
in Absprache mit der PSB
A7 142- 144
28 Abwägen der Behandlungsmöglichkeiten bei ambulanter Versorgung
Abwägen der Behandlungsmöglichkeiten
A8 167- 176
29 Neurologische Behandlung mit Benzodiazepinen wird abgeklärt und dokumentiert
Dokumentation neurologischer Behandlungen mit BDZ K11: Ambulante Maßnahme: - Dosisveränderungen nach Wunsch des Patienten
A8 189-
190 30 Dosisveränderungen sozusagen auf Wunsch des
Patienten
Dosisveränderungen nach Wunsch
A8 215- 217
31 Bei positivem Urinscreening muss ich mich beim Neurologen rückversichern, dass das Medikament indiziert ist
Positives Urinscreening neurologische Rückversicherung K12: Ambulante Maßnahme: - Dokumentation neurologischer Behandlung, primär
Vergabe
A8 223- 225
32 Ich bin primär für die Vergabe zuständig, ich schicke bei Problemen zum Neurologen
Primär Vergabe
A9 57- 58 33 Wir versuchen ein Reduktionsregime durchzuführen, manchmal mit Erfolg, manchmal nicht
Reduktionsversuche K13: Ambulante Maßnahme: - Reduktionsregime mit BDZ - Sonst Behandlung mit Antidepressiva und
Neuroleptika
A9 111- 117
34 Bei schwierigen Patienten erarbeiten wir mit ihm z.B. Handlungsalternativen zum Vermeiden bestimmter Stellen
Erarbeiten von Handlungsalternativen
A9 184- 185 193
35 Es gibt Handlungs- und Behandlungsalternativen, wir behandeln mit Antidepressiva und hoch und niederpotenten Neuroleptika
Behandlungsalternativen bei psychiatrischen Störungen mit Antidepressiva und Neuroleptika
2.Reduktion – ambulante Behandlungsmaßnahmen Gruppe A
Proband Kategorie Generalisierung Reduktion A1 K1 ambulante Maßnahme:
- Neurologische Behandlungen einiger Patienten
- Evtl. Dosiserhöhung
Neurologische Versorgung Evtl. Dosiserhöhung
A2 K2 ambulante Maßnahme: - Bei langem Konsum Vorschlag einer
Abdosierung im Austausch mit Antidepressiva
- Offener Zeit-und Behandlungsspielraum
Abdosierung im Austausch mit Antidepressiva
A2 K3 ambulante Maßnahme: - Mitbestimmung der Substitutdosierung des
Patienten bei Suchtdruck
Mitbestimmung der Dosierung
A3 K4 ambulante Maßnahme: - Runterdosierungen von BDZ mit meinen
und konsiliarischen Patienten - Austausch gegen Hypnotikum ohne
Abhängigkeitspotenzial
Abdosierung im Austausch mit Hypnotikum K1: ambulante Maßnahme: - Abdosierungen - Alternativen: Antidepressiva, Neuroleptika,
Hypnotika
A4 K5 ambulante Maßnahme: - Kein Austausch oder Entwöhnung von
Benzodiazepinen - Keine Änderungen in Bezug auf das
Substitut - Fachärztliche Versorgung bei
psychiatrischer Indikation
Lediglich fachärztliche Versorgung K2:ambulante Maßnahme: - Individuelle Dosisveränderungen - Kein Substitut bei Intoxikationen
A5 K6 ambulante Maßnahme: - Eher schwierige ambulante Versorgung
stationär entlassener Patienten mit BDZ, lieber psychiatrische Einstellung mit anderen Medikamenten
- Sedierende Antidepressiva bei Schlafstörungen
- Somatische Prüfung für den Einsatz von Antidepressiva und Neuroleptika
Psychiatrische Einstellung Sedierende Antidepressiva Somatische Prüfung
K3: ambulante Maßnahme: - Substitution mit Benzodiazepinen
A5 K7 ambulante Maßnahme: - Individuelle Dosierungsmaßnahmen, Cave:
keine automatische Erhöhung bei hohem Beikonsum
Individuelle Dosierungsanpassung K4: ambulante Maßnahme: - Psychiatrische fachärztliche Versorgung
A6 K8 ambulante Maßnahme: - akute Intoxikation, kein Substitut - ambulante Entwöhnung nur in
Ausnahmefällen - fachärztliche psychiatrische Versorgung
Fachärztliche Versorgung Akute Intoxikationen, kein Substitut
A7 K9 ambulante Maßnahme: - bei langer Abhängigkeit BDZ Substitution - Reduktions- und Abdosierungsversuche - Zusammenarbeit mit Psychiater
Fachärztlich BDZ Substitution mit Reduktions- und Abdosierungsversuchen
A7 K10 ambulante Maßnahme: - Dosierungsanpassungen auf Wunsch des
Patienten, in Absprache mit der PSB
Kleine Dosierungsanpassungen
A8 K11 Ambulante Maßnahme: - Dosisveränderungen nach Wunsch des
Patienten
Dosierungsanpassung auf Wunsch
A8 K12 Ambulante Maßnahme: - Dokumentation neurologischer Behandlung,
primär Vergabe
Fachärztliche Behandlung
A9 K13 Ambulante Maßnahme: - Reduktionsregime mit BDZ - Sonst Behandlung mit Antidepressiva und
Neuroleptika
Reduktionsbehandlung Antidepressiva und Neuroleptika
1.Reduktion – ambulante Behandlungsmaßnahmen Gruppe MFA Abstraktionsniveau: Formulierung von Maßnahmen, die ambulante Interventionen beinhalten und deren Gewichtung durch den Probanden.
Proband Zeile Nr. Paraphrasierung Generalisierung Reduktion MFA1 67 1 Wir haben auch schon mal von Methadon auf
Polamidon umgestellt
Umstellung des Substituts
MFA1 77-79 2 Manchmal werden die höher dosiert, wenn es nicht klappt auch abdosiert, aber dann fangen die sich auch wieder
Dosisänderungen K1: ambulante Maßnahmen: - Dosisänderungen, manchmal höher oder
abdosiert und dann fangen sich die Patienten aber auch wieder
- Substitutwechsel - Ggf. Behandlung mit BDZ
MFA1 117-
121 3 Wir behandeln einen Patienten aufgrund seiner
Abhängigkeit mit Benzodiazepinen
Behandlung mit BDZ
MFA2 49-52 4 Wenn es notwendig ist wird die Dosierung angepasst oder das Substitut gewechselt
Dosisanpassung Wechsel des Substituts
K2: ambulante Maßnahmen: - Dosisanpassung - Ggf. Substitutwechel - Kein Substitut wenn der Patient intoxikiert zur
Vergabe erscheint, dann wird er nach Hause geschickt und muss nachmittags wieder kommen
- Behandlungen mit BDZ sind Usus
MFA2 57-62 5 Bei akuten Intoxikationen, auch mit Alkohol, wird der Patient nach Hause geschickt und muss nachmittags nochmal wieder kommen, dann muss es besser sein, sonst bekommt er nichts
Akute Intoxikationen kein Substitut
MFA2 93-103 6 Viele unserer Patienten werden mit Benzodiazepinen aufgrund von Unruhe und Schlafstörungen behandelt, aber auch aufgrund der Abhängigkeit
BDZ Behandlung
MFA3 126 7 Dosiserhöhungen werden angeboten wenn der Bedarf da ist
Dosisanpassung
MFA3 126-127
8 Eventuell bietet der Doktor ihnen Rivotril an, die täglich auch hier vergeben werden und nach einiger Zeit wieder abgesetzt werden
Vorübergehende BDZ Behandlung K3: ambulante Maßnahmen: - Vorübergehende BDZ Behandlung mit
Benzodiazepindifferenzierung - Wechsel des Substituts - Dosisanpassung - Behandlung mit Antidepressiva bei Indikation - Stabile BDZ Substitution bei einem Teil der
Patienten, ohne Beikonsum
MFA3 160-164
9 Wenn der Patient mit dem Substitut nicht klar kommt kann er das mit dem Doktor besprechen und ggf wechseln
Wechsel des Substitutes
MFA3 195 10 Bei Depressionen muss man schauen, einige Patienten bekommen Antidepressiva
Antidepressiva
MFA3 135 11 Vergabe von Rivotril nur in Verbindung mit Benzodiazepindifferenzierung, damit wir sehen ob sie sich daran halten
Benzodiazepindifferenzierung
MFA3 199-203
12 Einige bekommen die Benzodiazepine auch schon auf Dauer und haben kein Beigebrauch
Stabile BDZ Substitution bei einem kleinen Teil der Patienten
MFA4 112- 116
13 Substitut wird bei hohem Beikonsum evtl. runter dosiert
Evtl. Dosisveränderung
MFA4 123- 125
14 Dosisveränderung und Wechsel des Substituts auf Patientenwunsch
Wechsel des Substitutes und Veränderung der Dosis K4: ambulante Maßnahmen: - Runterdosierung - Wechsel des Substituts - Fachärztliche Versorgung
MFA4 153-
160 15 Patienten werden ggf. durch den Neurologen mit
Benzodiazepinen behandelt, wenn der Gebrauch nicht stimmt dann wird das unterbunden
Ggf. fachärztliche Versorgung
MFA5 96-97 13 Patienten müssen mit den entsprechenden Diagnosen zum Neurologen, wenn sie BDZ benötigen
Fachärztliche Behandlung K5: ambulante Maßnahmen: - Fachärztliche Behandlung - Selten ambulante Entwöhungen
MFA5 102-105
14 Keine Dosisänderung, kein Wechsel des Substituts
Keine Dosisänderung, kein Wechsel des Substituts
MFA5 144-152
15 Wir haben schon Patienten gehabt die wir ambulant entwöhnt haben, aber das ist nicht die Regel
Selten sind ambulante Entwöhnungen
2.Reduktion – ambulante Behandlungsmaßnahmen Gruppe MFA
Proband Kategorie Generalisierung Reduktion MFA1 K1 ambulante Maßnahmen:
- Dosisänderungen, manchmal höher oder abdosiert und dann fangen sich die Patienten aber auch wieder
- Substitutwechsel - Ggf. Behandlung mit BDZ
Dosisänderungen Substitutwechsel Selten Behandlung der Abhängigkeit mit BDZ
MFA2 K2 ambulante Maßnahmen: - Dosisanpassung - Ggf. Substitutwechel - Kein Substitut wenn der Patient
intoxikiert zur Vergabe erscheint, dann wird er nach Hause geschickt und muss nachmittags wieder kommen
- Behandlung mit BDZ sind usus
Dosisanpassung Substitutwechsel Kein Substitut bei akuten Intoxikationen BDZ Behandlung
K1: ambulante Maßnahme: - Dosisanpassung - Substitutwechsel
MFA3 K3 ambulante Maßnahmen: - Vorübergehende BDZ Behandlung mit
Benzodiazepindifferenzierung - Wechsel des Substituts - Dosisanpassung - Behandlung mit Antidepressiva bei
Indikation - Stabile BDZ Substitution bei einem Teil
der Patienten, ohne Beikonsum
BDZ Behandlung Substitutwechsel Dosisanpassung Bei Diagnose Antidepressiva
K2: ambulante Maßnahme: - Behandlung mit BDZ
MFA4 K4 ambulante Maßnahmen: - Runterdosierung - Wechsel des Substituts - Fachärztliche Versorgung
Runterdosierung Substitutwechsel Fachärztliche Versorgung
MFA5 K5 ambulante Maßnahmen: - Fachärztliche Behandlung - Selten ambulante Entwöhnungen
Fachärztliche Versorgung Selten ambulante Entwöhnung
K3: ambulante Maßnahme: - Fachärztliche Behandlung
1.Reduktion – Sanktionen Gruppe A Abstraktionsniveau: Beschreibung disziplinarischer Maßnahmen, die das symptomatische Verhalten des Patienten unterbrechen sollen.
Proband Zeile Nr. Paraphrasierung Generalisierung Reduktion A1 49-
50 1 Sanktionen sind eher selten, aber bei massivem
Missbrauch wird die Substitution auch beendet oder die stationäre Entgiftung angedroht
Abbruch der Substitution Entgiftung
K1: bei massivem Missbrauch wird die Substitution abgebrochen oder die stationäre Entgiftung angedroht
A2 133- 135
2 Der Take-homler muss nach Auffälligkeit sechs Wochen wieder täglich zur Vergabe in die Praxis und am Wochenende zur Vergabestelle
Sechs Wochen kein Take home
K2: Take-home Patient muss sechs Wochen wieder zur täglichen Vergabe
A3 78 3 Keine disziplinarische Entlassung, Patienten bei denen es drunter und drüber geht, gehen von alleine
Patienten gehen von allein K3: Schwierige Patienten gehen von allein
A4 133- 135
4 Individuell wird ein Zeitpunkt gesetzt zu dem die Patienten ins Krankenhaus zum Teilentzug müssen, wenn das nicht klappt legen wir ihm nahe den Arzt zu wechseln
Zeitraum für Entgiftung setzten evtl. Arztwechsel K4: individueller Zeitraum für einen Teilentzug, ggf. Arztwechsel
A5 161- 171
5 Sanktionen gibt es wenn jemand versucht zu betrügen, im speziellen Take-homlern wird das Takehome auf unbestimmte Zeit entzogen und müssen UK unter Sicht abgeben
Take home auf unbestimmte Zeit entzogen K5: Bei Betrugsversuch kein Take-home auf unbestimmte Zeit
A6 144- 152
6 Sanktion ist Take-home verlieren, disziplinarische Entlassung gibt es nicht, Beikonsum ist Teil der Erkrankung disziplinarische Entlassung bzw. Arztwechsel nur bei Gewalt oder groben Benehmen
Take-home entziehen, diziplinarische Entlassung nur bei Gewalt und groben Benehmen
K6: Take-home verlieren bei Auffälligkeit, keine Entlassung bei zusätzlichem Konsum, weil Teil der Erkrankung
A7 129- 130
7 Es wird sehr viel in Entgiftungen geschickt
Entgiftung K7: immer wieder entgiften
A8 192- 193
8 Ich biete den klinischen Entzug an, aber Beikonsum kann ich nicht tolerieren, dann steigen sie aus
Klinischer Entzug oder Entlassung K8: Biete Patienten Entgiftungen an, sonst Entlassung
A9 120- 127
9 Kein Take- home mehr, bzw. Sperre; Eventuell Beikonsumentgiftungsauflagen oder Entlassung wegen Beikonsum, aber eher selten
Take-home Sperre Entgiftungsauflagen Entlassung
K9: Sanktionen sind: Take-home Sperre, Beikonsumentgiftungsauflagen Entlassung
2.Reduktion – Sanktionen Gruppe A
Proband Kategorie Generalisierung Reduktion A1 1 bei massivem Missbrauch wird die Substitution
abgebrochen oder die stationäre Entgiftung angedroht
Abbruch der Substitution Entgiftung
A2 2 Take-home Patient muss sechs Wochen wieder zur täglichen Vergabe
Kein Take-home K1: Take-home Sperre
A3 3 Schwierige Patienten gehen von allein
Schwierige Patienten gehen von allein, sonst Entgiftung
A4 4 individueller Zeitraum für einen Teilentzug, ggf. Arztwechsel
Entgiftung sonst Arztwechsel K2: Entgiftung
A5 5 Bei Betrugsversuch kein Take-home auf unbestimmte Zeit
Kein Take-home
A6 6 Take-home verlieren bei Auffälligkeit, keine Entlassung bei zusätzlichem Konsum, weil Teil der Erkrankung
Kein Take-home Keine Entlassung, weil Teil der Krankheit
K3: Entlassung Arztwechsel
A7 7 immer wieder entgiften
Entgiften
A8 8 Biete Patienten Entgiftungen an, sonst Entlassung
Entgiftungen oder Entlassung
A9 9 Sanktionen sind: Take-home Sperre, Beikonsumentgiftungsauflagen Entlassung
Kein Take-home Entgiftung Entlassung
1.Reduktion – Sanktionen Gruppe MFA Abstraktionsniveau: Beschreibung disziplinarischer Maßnahmen, die das symptomatische Verhalten des Patienten unterbrechen sollen.
Proband Zeile Nr. Paraphrasierung Generalisierung Reduktion MFA1 45
49 1 Haben bisher noch niemanden entlassen, gehen in
die Entgiftung
Bisher keine Entlassung, lediglich Entgiftung K1: bisher noch niemanden entlassen, Entgiftung
MFA2 36 2 Entlassen machen wir nur im Härtefall, wenn sie über einen langen Zeitraum intoxikiert hier erscheinen
Entlassung im Härtefall bei langfristigen Intoxikationen K2: Entlassungen nur im Härtefall bei Intoxikationen über langen Zeitraum und besorgen von Medikamenten bei anderen Ärzten
MFA2 70 3 Wenn wir erfahren, dass sie sich bei anderen Ärzten noch was besorgen
Entlassung bei mehrfachem Verschreiben lassen weiterer Medikamente
MFA3 67- 69
4 Abbruch der Behandlung mit Rivotril, wenn sich nichts ändert, kein Abbruch der Substitution, Vermittlung zur Entgiftung
Keine Behandlung mit Rivotril mehr Entgiftung
K3: Abbruch der Entwöhnung mit Rivotril
MFA4 129- 130
5 Den Rauswurf wegen Lügen gab es auch schon, aber eher selten
Disziplinarische Entlassung wegen Manipulation
K4: Rauswurf wegen Lügen
MFA5 109- 113
6 Entgiftung, evtl. Therapie, ggf. Arztwechsel wenn es nicht läuft
Entgiftung, Therapie Arztwechsel
K5: Entgiftung, Therapie, wenn es weiterhin schwierig ist Arztwechel
2.Reduktion – Sanktionen Gruppe MFA
Proband Kategorie Generalisierung Reduktion MFA1 1 bisher noch niemanden entlassen, Entgiftung
Entgiftung
MFA2 2 Entlassungen nur im Härtefall bei Intoxikationen über langen Zeitraum und besorgen von Medikamenten bei anderen Ärzten
Entlassung im Härtefall K1: Entgiftung
MFA3 3 Abbruch der Entwöhnung mit Rivotril
Abbruch der Entwöhnung K2: Abbruch der Entwöhnung
MFA4 4 Rauswurf wegen Lügen
Abbruch der Substitution
MFA5 5 Entgiftung, Therapie, wenn es weiterhin schwierig ist Arztwechel
Entgiftung, Therapie Ggf. Arztwechsel
K3: Entlassung
1.Reduktion – Verordnungsquelle Gruppe A Abstraktionsniveau: Beschreibung der Reaktion und Interventionsversuche auf das Bekanntwerden des verordnenden Arztes.
Proband Zeile Nr. Paraphrasierung Generalisierung Reduktion A1 72- 73 1 Eine Reaktion findet in der Regel nicht statt
Keine Reaktion K1: Eine Reaktion findet nicht statt
A2 231- 232
2 Ich rufe beim zuständigen Arzt an
Anruf K2: Arzt wird angerufen
A3 105 3 Ich sage: ist ja interessant
Keine Reaktion K3: Ich reagiere nicht
A4 211- 224
4 Ich kenne die Ärzte die das machen, das wissen wir alle, ich habe mich früher engagiert und konnte gegen die organisierten Strukturen nichts ausrichten
Früher engagiert gegen bekannte Kollegen K4: früher engagiert, heute eher resigniert
A5 143- 147
5 Häufig verschweigen Patienten ihre Substitution beim Orthopäden oder Zahnarzt
Ärzte wissen manchmal nicht um Substitution K5: Anruf und Information, wenn der Patient die Substitution verschwiegen hat, sonst Ermahnung
A5 190 6 Ich rufe an und mahne das zu unterlassen
Anruf
A6 248- 254
7 Ich rufe dort an und mahne dass ich bei der Ärztekammer dort zuständig wäre und dass er das in der Form bitte abstellen möge
Anruf K6: Anruf und Information, evtl. Ermahnung
A7 170 8 Die Leitung der stationären Einrichtung hat schon mehrmals verordnende Ärzte angezeigt.
Ggf. Anzeige durch Leitung K7: Patienten sind eher verschwiegen, Leitung hat Ärzte angezeigt
A7 183- 187
9 In der Regel sind die Patienten sehr verschwiegen
Patienten sind diskret
A8 234- 235
10 Ich habe mich telefonisch mit ihm in Verbindung gesetzt und vor dem hohen Risiko gewarnt
Anruf A8: Anruf und Information, bzw. Ermahnung
A8 236- 237
11 Ich finde es schwierig, man möchte keinen Kollegen anschwärzen.
Schwierig zu handhaben
A9 199- 201
12 Wir versuchen Kontakt aufzunehmen, aber es gibt auch beratungsresistente Kollegen
Kontakt ist manchmal fruchtlos A9: Kontaktaufnahme Manchmal Beratungsresistenz
2.Reduktion – Verordnungsquelle Gruppe A
Proband Kategorie Generalisierung Reduktion A1 1 Eine Reaktion findet nicht statt
Keine Reaktion
A2 2 Arzt wird angerufen
Anruf
A3 3 Ich reagiere nicht
Keine Reaktion
A4 4 früher engagiert, heute eher resigniert
Heute keine Reaktion mehr
A5 5 Anruf und Information, wenn der Patient die Substitution verschwiegen hat, sonst Ermahnung
Anruf K1: Anruf / Kontaktaufnamhe
A6 6 Anruf und Information, evtl. Ermahnung
Anruf K2: keine Reaktion
A7 7 Patienten sind eher verwiegen, Leitung hat Ärzte angezeigt
Anzeige durch Einrichtungsleitung K3: Anzeige
A8 8 Anruf und Information, bzw. Ermahnung
Anruf
A9 9 Kontaktaufnahme Manchmal Beratungsresistenz
Kontaktaufnahme
1.Reduktion – Verordnungsquelle Gruppe MFA Abstraktionsniveau: Beschreibung der Reaktion und Interventionsversuche auf das Bekanntwerden des verordnenden Arztes.
Proband Zeile Nr. Paraphrasierung Generalisierung Reduktion MFA1 136-
138 1 Wir würden anrufen und über die Substitution
informieren und dann müsste der Patient zum Doktor rein
Anrufen und informieren Patientengespräch
K1: Anruf und Information bezüglich Substitution, anschließend Patientengespräch
MFA2 106- 108
2 Wenn wir erfahren, dass die Patienten sich bei einem anderen Arzt oder mehreren etwas zusätzlich holen bekommen die bei uns nichts mehr.
Abbruch der Substitution K2: Wenn der Patient sich zusätzlich bei anderen Ärzten etwas besorgt, wird die Substitution abgebrochen
MFA2 115- 117
3 Wir nehmen auch Kontakt zu den anderen Ärzten auf.
Kontaktaufnahme K3: Kontaktaufnahme mit dem verordnenden Arzt
MFA3 219- 222
4 Der Doktor schreibt die Ärzte an, aber leider oft erfolglos, manchmal wissen die Ärzte auch nicht dass die Patienten substituiert werden
Schriftliche Information bezüglich Substitution K4: Der Arzt wird angeschrieben, manchmal wissen sie nicht um die Substitution
MFA4 166- 167
5 Ist bisher noch nicht passiert, dann würden wir das dem Doktor sagen
Lediglich Doktor informieren K5: bisher noch nicht vorgekommen, wir würden das dem Doktor sagen
MFA5 90- 93 6 Der Arzt wird in der Regel angerufen und über die Substitution informiert und um Unterlassung gebeten
Anruf K6: Arzt wird telefonisch informiert und um Unterlassung gebeten
2.Reduktion – Verordnungsquelle Gruppe MFA
Proband Kategorie Generalisierung Reduktion MFA1 1 Anruf und Information bezüglich Substitution,
anschließend Patientengespräch
Anruf K1: Kontaktaufnahme
MFA2 2 Wenn der Patient sich zusätzlich bei anderen Ärzten etwas besorgt, wird die Substitution abgebrochen
Abbruch der Substitution K2: Abbruch der Substitution
MFA2 3 Kontaktaufnahme mit dem verordnenden Arzt
Kontaktaufnahme
MFA3 4 Der Arzt wird angeschrieben, manchmal wissen sie nicht um die Substitution
Schriftliche Kontaktaufnahme
MFA4 5 bisher noch nicht vorgekommen, wir würden das dem Doktor sagen
Bisher nicht vorgekommen
MFA5 6 Arzt wird telefonisch informiert und um Unterlassung gebeten
Anruf
1.Reduktion – Psychosoziale Betreuung Gruppe A Abstraktionsniveau: Die Gewichtung der psychosozialen Betreuung im Behandlungskonzept. Diese umfassen den Kontakt, die Intensität der Kooperation und die Kooperationsbereitschaft. Proband Zeile Nr. Paraphrasierung Generalisierung Reduktion A1 76- 77 1 PSB hat einen hohen Stellenwert, daher gibt es
regelmäßige Kontakte mit den Beratern
Hoher Stellenwert
A1 79- 81 2 Kontaktaufnahme bei Auffälligkeiten mit den Beratern, telefonisch oder regelmäßig bei mir in der Praxis
Kontakt bei auffälligen Patienten Telefonisch oder regelmäßig in der Praxis
K1: hoher Stellenwert: - Berater regelmäßig in der Praxis - Telefonische Kontaktaufnahme - Regelmäßige Kontakte bei auffälligen Patienten
A2 45- 55 1 betreutes Wohnen wurde durch einen Verein organisierter Ärzte geschaffen: stabiles Umfeld
Ergänzend: Betreutes Wohnen für stabiles Umfeld K2: Hohe Bedeutung: - Ansprechpartner wöchentlich in der Praxis - Telefonische Erreichbarkeit - Ergänzend: Betreutes Wohnen - Regelmäßige Absprachen sind wichtig
A2 235- 240
2 Hohe Bedeutung: - Ansprechpartner sind einmal in der
Woche in der Praxis, extra Bürozeiten und telefonisch jederzeit zu erreichen
Hohe Bedeutung: Ansprechpartner wöchentlich vor Ort und jederzeit erreichbar
A2 242- 246
3 Unterschiedliche Gründe für Kontaktaufnahme: - Verwaltungsarbeit - Wohnen
Verschiedene Gründe für Absprachen
A2 260- 261
4 Absprachen mit PSB sind wichtig
Absprachen sind wichtig
A3 108- 109
5 PSB hat eher geringe Bedeutung: - PSB Bescheinigungen müssen gebracht
werden, klappt nur bedingt
Geringe Bedeutung: - Einhaltung der Vorschriften
K3: geringe Bedeutung: - PSB Bescheinigungen - Kontaktaufnahme nur bei Problemen mit
Drogenkonsumraum und Überprüfen von Aussagen
112-
113 6 Drogenhilfe:
Mit jüngeren Kollegen gibt es teilweise große Spannungen
Geringe Kooperation durch fachliche Differenzen K4: Spannungen mit Kollegen
A3 117- 120
7 Seltene Kontaktaufnahme: - Bei Problemen mit Patienten im
Konsumrau - Wenn ich Aussagen meiner Patienten
nicht glauben kann
Kontakt nur sporadisch
A4 226- 228
8 PSB ist täglich vor Ort, keine Schwierigkeiten mit der Erreichbarkeit und Kompetenz
Tägliche Verfügbarkeit K5: hohe Bedeutung: - Regelmäßige Absprachen - Täglich vor Ort - Gleichberechtigte Arbeit
A4 235- 236
9 Durch tägliche Absprachen gute Zusammenarbeit
Regelmäßige Absprachen
A4 242- 243
10 Gleichwertige Zusammenarbeit möglich Äquivalenz der Arbeit
A5 32- 39 11 Akzeptanz und Hinzunahme von PSB ist wichtig, PSB hat andere Tragweite für die Behandlung
Erweitert den Arbeitshorizont am Patienten K6: hohe Bedeutung: - Regelmäßige Absprachen - Wöchentliche Sprechstunden in der Praxis und
offene Bürosprechstunden - Ergänzend betreutes Wohnen
A5 41- 48 12 Angebunden durch organsierten Verein von Ärzten:
- PSB und betreutes Wohnen - Zweimal in der Woche PSB in der Praxis - Offene Sprechstunden im Büro
Organisiert:
- wöchentliche Sprechstunden vor Ort und im Büro - Ergänzung durch betreutes Wohnen
K7: andere Tragfähigkeit durch psychosoziale Betreuung
A5 50- 56 13 Oft Gespräche zu dritt, Absprachen sind sehr wichtig
Gemeinsame Gespräche mit Patienten
A6 131- 132 321- 325
14 Wichtig im Praxiskonzept: -regelmäßige wöchentliche Sprechstunden in der Praxis - Absprachen mit PSB was zu tun ist
Regelmäßige wöchentliche Sprechstunden K8: hohe Bedeutung: - Regelmäßige Sprechstunden in der Praxis - Absprachen was zu tun ist
A6 315- 321
15 Kritik: Verstopfung des Hilfesystems durch Verordnung an alle Patienten (BÄK)
Verallgemeinerung der psychosozialen Hilfebedürftigkeit kostet Ressourcen
K9: Verstopfung des Hilfesystems durch Verallgemeinerung der psychosozialen Hilfebedürftigkeit
A7 190- 192
16 Große Bedeutung: Hier läuft sehr wenig ohne PSB Zeitmangel: Kontakt könnte besser sein
PSB ist Dreh- und Angelpunkt Zu wenig Kontakt durch wenige zeitliche Ressourcen
K10: hohe Bedeutung: - Regelmäßige Absprachen - Leider nur wenig Kontakt durch Zeitmangel
A7 195- 199
17 PSB kennt den Patienten besser als ich, Absprachen sind z.B. bei Dosierungsänderungen wichtig
Hinzuahme bei wichtigen Entscheidungen
A8 250- 253
18 Sehr hohe Bedeutung: - Mehrere Stellen mit offener Sprechstunde - Regelmäßige Sprechstunden in der
Praxis
Regelmäßige Sprechstunden vor Ort Offene Sprechstunden
K11: hohe Bedeutung: - Regelmäßige Sprechstunden in der Praxis und
offene Sprechstunden in Beratungsstellen - Telefonisch gut erreichbar
A8 254-
256 19 Wenn man denkt es gibt Probleme ruft man an und
fragt nach
Erreichbarkeit ist gegeben
A8 258- 265
20 Gründe für Kontaktaufnahme: - Beigebrauch - Familiäre Probleme - Wohnsituation / Wohnungssuche
Verschiedene Gründe für Kontaktaufnahme
A8 262- 264
21 Es ist schwer die Patienten zur Regelmäßigkeit von PSB und Termineinhaltung zu motivieren, sonst fliegt er aus dem Programm
Teilweise geringe Motivation zur Einhaltung von regelmäßigen Terminen
A9 206 22 PSB ist Teil der Ambulanz
PSB täglich verfügbar K12: hohe Bedeutung: - Teil der Ambulanz – täglich Verfügbar - Regelmäßige Teamgespräche
A9 207- 208
23 Wir haben zwei Sozialarbeiter und jeder unserer Patienten ist einem zugeordnet und hat Kontakt zu halten
Patienten müssen Kontakt halten K13: Für stabile Patienten eher nachrangig
A9 208- 211
24 Bei berufstätigen, stabilen Patienten eher weniger wichtig
Nicht für alle Patienten gleich wichtig
A9 213 25 Regelmäßige Teambesprechungen
Regelmäßige Besprechungen
2.Reduktion – Psychosoziale Betreuung Gruppe A
Proband Kategorie Generalisierung Reduktion A1 1 hoher Stellenwert:
- Berater regelmäßig in der Praxis - Telefonische Kontaktaufnahme - Regelmäßige Kontakte bei auffälligen
Patienten
Regelmäßige Verfügbarkeit Bei Auffälligkeiten Absprachen
A2 2 Hohe Bedeutung: - Ansprechpartner wöchentlich in der
Praxis - Telefonische Erreichbarkeit - Ergänzend: Betreutes Wohnen - Regelmäßige Absprachen sind wichtig
Regelmäßige Verfügbarkeit Regelmäßige Absprachen Ergänzend: betreutes Wohnen
K1: Wichtig bei hoher Bedeutung - regelmäßige Verfügbarkeit - regelmäßige Absprachen - Äquivalenz der Arbeit
A3 3 geringe Bedeutung: - PSB Bescheinigungen - Kontaktaufnahme nur bei Problemen
mit Drogenkonsumraum und Überprüfen von Aussagen
PSB Bescheinigungen Nur Kontaktaufnahme bei Besuch des Drogenkonsumraumes und Überprüfen von Aussagen
K2: wichtig bei geringer Bedeutung: - PSB Bescheinigungen
A3 4 Spannungen mit Kollegen
Fachliche Differenzen
A4 5 hohe Bedeutung: - Regelmäßige Absprachen - Täglich vor Ort - Gleichberechtigte Arbeit
Regelmäßige Absprachen Tägliche Verfügbarkeit Äquivalenz der Arbeit
A5 6 hohe Bedeutung: - Regelmäßige Absprachen - Wöchentliche Sprechstunden in der
Praxis und offene Bürosprechstunden - Ergänzend betreutes Wohnen
Regelmäßige Verfügbarkeit Regelmäßige Absprachen Ergänzend betreutes Wohnen
K3: Ergänzung durch betreutes Wohnen
A5 7 andere Tragfähigkeit durch psychosoziale Betreuung
andere Perspektive auf den Patienten
A6 8 hohe Bedeutung: - Regelmäßige Sprechstunden in der
Praxis - Absprachen was zu tun ist
Regelmäßige Verfügbarkeit Regelmäßige Absprachen
A6 9 Verstopfung des Hilfesystems durch Verallgemeinerung der psychosozialen Hilfebedürftigkeit
PSB nicht für jeden Patienten K4: keine generelle psychosoziale Hilfebedürftigkeit
A7 10 hohe Bedeutung: - Regelmäßige Absprachen - Leider nur wenig Kontakt durch
Zeitmangel
Regelmäßige Verfügbarkeit Mangelnde zeitliche Ressource
A8 11 hohe Bedeutung: - Regelmäßige Sprechstunden in der
Praxis und offene Sprechstunden in Beratungsstellen
- Telefonisch gut erreichbar
Regelmäßige Verfügbarkeit Regelmäßige Absprachen
A9 12 hohe Bedeutung: - Teil der Ambulanz – täglich Verfügbar - Regelmäßige Teamgespräche
Teil der Einrichtung Täglich verfügbar Regelmäßige Teamsitzungen
A9 13 Für stabile Patienten eher nachrangig
PSB nicht für stabile Patienten
1.Reduktion – Psychosoziale Betreuung Probanden Gruppe MFA Abstraktionsniveau: Die Gewichtung der psychosozialen Betreuung im Behandlungskonzept. Diese umfassen den Kontakt, die Intensität der Kooperation und die Kooperationsbereitschaft.
Proband Zeile Nr. Paraphrasierung Generalisierung Reduktion MFA1 163-
164 1 Patienten brauchen regelmäßig zur Unterstützung
Ansprechpartner PSB ist Ansprechpartner für Patient K1: Regelmäßige Verfügbarkeit
Beraterin verteilt bedarfsorientiert und in Absprache Termine
MFA1 164- 166
2 Auch wenn zunächst kein Bedarf da ist, kann die PSB jederzeit in Anspruch genommen werden
Bei Bedarf jederzeit verfügbar
MFA1 187- 192
3 Beraterin kommt regelmäßig in die Praxis und verteilt Termine in Absprache bedarfsorientiert
Regelmäßige Verfügbarkeit Austausch zwischen Praxis und Beraterin
MFA2 120 4 Wir müssen ja Vorschriften erfüllen
PSB ist Vorschrift
MFA2 123- 124
5 Das ist schon wichtig dass die Patienten ein bisschen psychosozial betreut werden
Ist schon wichtig K2: PSB zur Erfüllung von Vorschriften bei der Behandlung, kaum Kontaktaufnahme
MFA2 134- 136
6 Wir nehmen nicht so häufig Kontakt auf Kaum Kontakt
MFA3 150- 153
7 Bei Entgiftungen wird die PSB mit eingebunden Kooperation bei notwendiger stationärer Entgiftung K3: Regelmäßig wöchentlich in der Praxis Kann jederzeit anrufen und Termine vereinbaren Regelmäßige Gespräche mit dem Doktor
MFA3 259- 262
8 Berater kommt regelmäßig zu uns in die Praxis, wir könnten den jeden Tag hier sitzen haben
PSB wöchentlich vor Ort, besser wäre täglich
MFA3 264- 265
9 Ich kann jederzeit für die Patienten anrufen und einen Termin machen
Jederzeit telefonisch erreichbar
MFA3 268- 270
10 Es finden regelmäßige Besprechungen mit dem Doktor statt
Regelmäßiger Austausch
MFA4 176- 181
11 Wir fordern monatlich PSB Bescheinigungen ein, weil der Doktor möchte dass die Patienten regelmäßig Kontakt halten
Monatsweise PSB Bescheinigungen K4: regelmäßiges Einfordern der PSB Bescheinigungen
MFA4 183- 185
12 Wir nehmen persönlich Kontakt auf wenn wir merken, dass die Bescheinigungen nicht kommen
Kontakt nur wenn es um die Bescheinigungen geht
MFA5 156- 162
13 PSB ist nächster Ansprechpartner, können noch anderen Einfluss auf die Behandlung nehmen, wenn sie vermitteln
PSB ist Kooperationspartner, mit anderer Tragweite K5: regelmäßige Sprechstunden in der Praxis Telefonische Erreichbarkeit PSB ist Vermittlungsinstanz
MFA5 166 14 PSB ist regelmäßig in der Praxis und telefonisch zu erreichen
Regelmäßige Verfügbarkeit und Erreichbarkeit
2.Reduktion – Psychosoziale Betreuung Gruppe MFA
Proband Kategorie Generalisierung Reduktion MFA1 1 Regelmäßige Verfügbarkeit
Beraterin verteilt bedarfsorientiert und in Absprache Termine
Regelmäßig verfügbar Regelmäßige Absprachen
K1: hohe Bedeutung: - Regelmäßige Erreichbarkeit - Regelmäßige Verfügbarkeit - Regelmäßige Absprachen
MFA2 2 PSB zur Erfüllung von Vorschriften bei der Behandlung, kaum Kontaktaufnahme
Vorschrift Kaum Kontakt
MFA3 3 Regelmäßig wöchentlich in der Praxis Kann jederzeit anrufen und Termine vereinbaren Regelmäßige Gespräche mit dem Doktor
Regelmäßig verfügbar Regelmäßige Absprachen -telefonisch - vor Ort mit dem Doktor
K2: geringe Bedeutung: - Lediglich Vorschrift - Kaum Kontakt
MFA4 4 regelmäßiges Einfordern der PSB Bescheinigungen
Lediglich regelmäßiges Ein
MFA5 5 regelmäßige Sprechstunden in der Praxis Telefonische Erreichbarkeit PSB ist Vermittlungsinstanz
Regelmäßig verfügbar Telefonisch jederzeit erreichbar Vermittlungsinstanz
1.Reduktion – gesetzliche Grundlagen Gruppe A Abstraktionsniveau: Wünsche und Ideen an den Gesetzgeber, die die rechtlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf Benzodiazepine und Substitution betreffen und den Arbeitsalltag erleichtern könnten. Proband Zeile Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion A1 98-99 1 Mit den gesetzlichen Vorstellungen kann ich mich
arrangieren. Es gibt in der Regel keine Probleme.
Keine Wünsche K1: Mit den gesetzlichen Vorstellungen hab ich mich arrangiert.
A2 266-268 2 Benzodiazepine sollten nicht so erhältlich sein, lediglich Anästhesisten sollten mit ihnen arbeiten dürfen
Benzodiazepine sind Medikamente der Anästhesie K2: Benzodiazepine sollten nicht so auf dem Markt sein, sie gehören in die Hände der Anästhesie
A3 124 3 Es gibt keine Wünsche von meiner Seite aus.
Keine Wünsche K3: Von meiner Seite aus gibt es keine Wünsche.
A4 170 - 173 4 Mich ärgern bis heute die Ärzte die in Massen Benzodiazepine verschreiben und die Apotheker, die Privatrezepte nicht abstempeln
Verschreibung auf Privatrezepte Nicht Abstempeln der Rezepte durch Apotheke
K4: Mich ärgern bis heute Ärzte die massenhaft verschreiben und Apotheker die Privatrezepte nicht abstempeln
A5 213-216 5 Keine Bestrafung für Substitutionsmediziner, die Kassenrezepte mit „necesse est“ ausstellen
Keine Haftung durch Mediziner für medizinisch notweniges Verschreiben an Substituierte
K5: - Keine Bestrafung für Mediziner die
Kassenrezepte mit „necesse est“ versehen - Mehr Flexibilität im rechtlichen Rahmen
A5 220-237 6 Mehr Flexibilität, weniger Kontrollinstanzen, mehr Spielraum im rechtlichen Rahmen auch im Hinblick auf den zukünftigen Versorgungsengpass substituierter Patienten, z.B. bei Take -home
Mehr Freiraum im rechtlichen Rahmen
A6 368-372 7 Das würde die Arbeit erleichtern es lockerer zu machen, das Gesetz ein bisschen mehr rauszuhalten und nicht jeden Arzt oder Patienten als Verbrecher darzustellen
Mehr Freiraum im rechtlichen Rahmen K6: Lockerere Handhabung, weniger gesetzliche Gebundenheit, würde die Arbeit erleichtern
A7 207 8 Auf der einen Seite weniger rigide mit Beikonsum umgehen zu müssen, keine wirkliche Kontrollmöglichkeit
Weniger rigider Umgang mit Beikonsum K7: - zum einen weniger rigide mit Beikonsum
umzugehen - Benzodiazepine durch das BtMG
verschreibungsfähig machen, wie bei der Opiatsubstitution
A7 235-242 9 Eine Möglichkeit wäre alle Benzodiazepine durch das
BtmG verschreibungsfähig zu machen, ähnlich wie bei der Opiatsubstitution
Benzodiazepine auf Btm-Rezept
A8 274-291 10 Weniger Formulare ausfüllen müssen, nicht immer nach Standards gehen müssen, mehr Eigenverantwortung übernehmen, z.B. Take-home, weniger juristische Kontrolle
Mehr eigenverantwortliches Arbeiten, weniger juristische Einschränkungen
K8: Weniger Formulare, nicht immer nach Standards arbeiten müssen, mehr Eigenverantwortung
A9 217-220 11 Das meiste hat mit der KV, also dem Verschreibungsverhalten einiger Kollegen zu tun
Verschreibungsverhalten von Kollegen
A9 231-233 12 Es wäre gut die BtMG Rezeptpflichtigkeit nach Flunitrzepam 2mg noch auszuweiten, um das Problem weiter einzudämmen
Benzodiazepine auf Btm Rezept K9: - KV: Überprüfen des Verschreibungsverhaltens
einiger Kollegen - BtMG Rezeptpflichtigkeit erweitern
2.Reduktion – gesetzliche Grundlagen Gruppe A
Proband Kategorie Generalisierung Reduktion A1 1 Mit den gesetzlichen Vorstellungen hab ich mich
arrangiert
Keine Wünsche
A2 2 Benzodiazepine sollten nicht so auf dem Markt sein, sie gehören in die Hände der Anästhesie
Medikament der Anästhesie
A3 3 Von meiner Seite aus gibt es keine Wünsche.
Keine Wünsche
A4 4 Mich ärgern bis heute Ärzte die massenhaft verschreiben und Apotheker die Privatrezepte nicht abstempeln
Verschreibungsverhalten von Ärzten und das fehlende Abstempeln von Privatrezepten
K1: KV strengere Prüfung des Verschreibungsverhaltens bei der Verschreibung in Massen
A5 5 - Keine Bestrafung für Mediziner die Kassenrezepte mit „necesse est“ versehen
- Mehr Flexibilität im rechtlichen Rahmen
Keine Haftung für Mediziner die medizinisch notwenige Medikamente verschreiben, mehr Flexibilität im rechtlichen Rahmen
K2: Keine Verurteilung verantwortungsvoller Substitutionsmediziner die Rezepte mit „necesse est“ ausstellen
A6 6 Lockerere Handhabung, weniger gesetzliche Gebundenheit, würde die Arbeit erleichtern
Lockerere Handhabung der Substitutionsbehandlung
A7 7 - zum einen weniger rigide mit Beikonsum umzugehen
- Benzodiazepine durch das BtMG verschreibungsfähig machen, wie bei der Opiatsubstitution
-
Beikonsum lockerer handhaben Benzodiazepine BtmG verschreibungsfähig machen
K3: Benzodiazepine BtMG rezeptpflichtig machen
A8 8 Weniger Formulare, nicht immer nach Standards arbeiten müssen, mehr Eigenverantwortung
Mehr Eigenverantwortung K6: Mehr Flexibilität im gesetzlichen Rahmen
A9 9 - KV: Überprüfen des Verschreibungsverhaltens einiger Kollegen
- BtM Rezeptpflichtigkeit erweitern
KV mehr Kontrolle des Verschreibungsverhaltens Btm Rezeptpflichtigkeit erweitern
Reduktion – gesetzliche Grundlagen Gruppe MFA Abstraktionsniveau: Wünsche und Ideen an den Gesetzgeber, die die rechtlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf Benzodiazepine und Substitution betreffen und den Arbeitsalltag erleichtern könnten.
Proband Zeile Nr. Paraphrase Generalisierung Reduktion MFA1 205 - 206 1 Auf Anhieb fällt mir da nichts ein
Keine Wünsche
MFA2 139 2 Das läuft alles ganz gut
Keine Wünsche
MFA3 247-250 3 Meiner Meinung nach sollte es Benzodiazepine nur auf BtM Rezept geben
Benzodiazepine BtM rezeptpflichtig machen K1: Benzodiazepine BtMG rezeptpflichtig machen
MFA4 193 4 Dazu fällt mir jetzt nichts ein
Keine Wünsche
MFA5 170 5 Es ist ärgerlich, dass es Ärzte gibt die verschreiben wie Bonbons
Mehr Kontrolle für Ärzte die Benzodiazepine in Massen verschreiben
K2: Mehr Kontrolle bei Massenverschreibung