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Das Magazin der Beyer Chronometrie 14/2012

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Das Magazin der Beyer Chronometrie

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Das Magazin der Beyer Chronometrie14/2012beyondDas Magazin der Beyer ChronometriebeyondDas Magazin der Beyer Chronometrie14/2012beyond14/2012

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Editorial

Simone Bischofberger-Gumpp4

FRÜHLINGS-SHOOTING BEI GRIEDER LES BOUTIQUESDie schönsten Schmuckstücke und Uhren dieses Frühlings haben Stylistin Mirjam Kaeser und Fotograf Roland Tännler vis-à-vis von Beyer in den Räumen und mit der Frühlingsmode von Grieder inszeniert. Wir danken herzlich für die unkomplizierte Gastfreundschaft!

Liebe Kundin, lieber KundeLiebe Freunde des Hauses Beyer

Woran erinnert Sie unser Titelbild? Es gibt Stimmen, die sagen, Brigitte Bardot, andere fi nden, Ursula Andress. Auf jeden Fall nimmt uns das Foto mit auf eine Zeitreise, und das ist kein Zufall. Der Trend zu Vintage ist omnipräsent. Jürgen Delémont, Antik-spezialist von Beyer, sagt im Interview (Seite 26): «Antikuhren wecken Bilder, die wir in uns tragen. Sie inspirieren unsere Sehnsüchte.» Der Retro-Trend zeigt sich aber auch bei den Messe-neuheiten aus Genf und Basel, die wir Ihnen im separaten Magazin «news» vorstellen.

Dem letzten «beyond» hatten wir eine Umfragekarte beigelegt: Wir wollten Ihre Meinung zu unserem Magazin wissen. Die Karte wurde rege genutzt (Seite 10). Ein grosses Dankeschön an alle, die mitgemacht haben! Viele Leser wünschen sich mehr technische Informationen über Uhren. Diesem Wunsch kommen wir gern nach: In einer neuen Serie (Seite 50) beschreibt unser Uhrmacher Hans Holzach sehr griffi g, wie ein Chronograph funktioniert.

Wer sich selber einmal ans Innere einer Uhr wagen möchte, dem empfehle ich unsere Uhrmacherkurse. Lesen Sie, was Kult-autor Max Küng dabei erlebt hat (ab Seite 34).

Herzlich, Ihre Simone Bischofberger-Gumpp

NEUHEITEN IM EXTRAHEFT UND IM BEYER-TVDie grossen Uhrenmessen in Basel und Genf sorgten auch dieses Jahr für Über-raschungen. Die schönsten Neuheiten unserer Marken präsentieren wir Ihnen im Extraheft «news». Falls dieses Ihrem «beyond» nicht beiliegen sollte, können Sie es gern bei uns nachbestellen.

Erstmals besuchten wir die Baselworld mit einem Filmteam: Interviews mit Vertretern von Patek Philippe, Hublot, Aerowatch und Wellendorff fi nden Sie unter «Beyer-TV» auf unser Internet-seite www.beyer-ch.com.

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In aufwendiger Handarbeit vollendet trägt die LANGE 1 ZEITZONE die le-

gendäre Perfektion Lange’scher Uhrmacherkunst hinaus in die ganze Welt.

Neben dem Hauptzifferblatt besitzt die Uhr ein kleineres Hilfszifferblatt,

auf dem sich alle 24 Zonenzeiten der Erde abrufen lassen. Dabei verrät

die Stellung des drehbaren Städterings, welche Zonenzeit aktuell angezeigt

wird. Zudem verfügen beide Zifferblätter über eine Tag-/Nacht-Anzeige.

Ein Meisterwerk wie dieses erhält man nur in den feinsten Juwelier- und

Uhrenfachgeschäften der Welt – wie bei Chronometrie Beyer in Zürich.

In Sachsen geboren.Auf der ganzen Welt zu Hause.

Chronometrie Beyer • Bahnhofstrasse 31 • Zürich • Tel. +41 (0)43 344 63 63 • www.beyer-ch.com

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Inhalt

8 WHAT’S UP Events, Menschen, News und Anekdoten

14 CHEFSACHE René Beyer nimmt Stellung

16 KOLUMNE Jeroen van Rooijen macht sich Gedanken

18 DIE BEYERS Adelrich Beyer: Der Reformer

20 BIJOUX Chez Grieder: Nachbarschaft verbindet

26 ANTIKUHREN Wenn Uhren Geschichten erzählen

30 GESPRÄCH «Mr. Uhren-Wiki» Gerd-Lothar Reschke

33 ZEITREISE Xifan Yang über das chinesische Zeitgefühl

34 UHRMACHERKURS Max Küng baut sich eine Uhr

38 HANDWERK Zu Besuch beim Emailleur

42 HIGHLIGHTS Magische Momente mit Beyer-Kunden

46 MUSEUM Art nouveau: Die neue Leichtigkeit

50 WISSEN So funktioniert ein Chronograph

54 SWISS MADE Stars & Stripes: Der Künzli-Schuh

56 CITY Der Bürkliplatz im Wandel der Zeit

62 ZEITGEIST 10 Fragen zur Zeit an Christine Maier

IMPRESSUM

beyondDas Magazin der Beyer Chronometrie AG, Bahnhofstrasse 31, CH-8001 Zürich, Tel. +41 (0)43 344 63 63, www.beyer-ch.com.Herausgeber: René Beyer. Chefredaktion: Simone Bischofberger-Gumpp. Art Direction und Gestaltungskonzept: Adrian Hablützel, artdepartment.ch. Textredaktion/Produktion: Matthias Mächler, diemagaziner.ch. Korrektorat: textissimo AG. Bildbearbeitung: Sota AG. Druck: Fotorotar, Egg ZH.

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What’s up

8 Chefdesigner Carlo Mutschler: «Das neue Labor schafft grösstmögliche Transparenz.»

19. April Banker’s Evening: «Meet your friends after work» 2. und 3. Mai Besichtigung Patek Philippe 11. Mai Besichtigung Jaeger-LeCoultre Im Mai Tage der offenen Tür des neuen Beyer-Schauateliers 14. oder 15. Juni Breitling: Präsentation der Neuheiten 5. und 6. Juli Besichtigung A. Lange & Söhne

1. September Patek Philippe-Konzert in der Tonhalle

25. Oktober Wellendorff-Show mit Dinner

8. November Diamantseminar im Uhrenmuseum

9. November Diamantseminar im Uhrenmuseum

Das Uhrenmuseum bleibt wegen Sanierungsarbeiten vom Mai bis Oktober geschlossen.

Anmeldungen für die Diamantseminare von Beyer sind schriftlich zu richten an [email protected] und für Kunden gratis. Nichtkunden bezahlen einen Unkostenbeitrag von 60 Franken. Zu den Events laden wir persönlich ein. Veranstaltungsdetails und Termin-änderungen auf www.beyer-ch.com.

AGENDA

Beyer Uhren & Juwelen baut den Kunden-service aus und bietet im neuen, modern ausgerüsteten gemmologischen Labor die Möglichkeit, innert kurzer Zeit die Qua-lität von Diamanten und Farbsteinen un-tersuchen zu lassen.

Wer ein geerbtes Farbsteincollier um-gestalten oder den Diamant der Gross-mutter neu fassen lassen will, interessiert sich in der Regel auch für dessen Wert. Um den zu bestimmen, muss man das Schmuckstück jedoch mehrere Wochen entbehren: Weil dazu besondere Instru-mente nötig sind, schicken die meisten Bijouterien die Edelsteine zur Analyse ans SSEF, das Schweizerische Institut für Edel-steinforschung in Basel.

Kunden von Beyer Uhren & Juwelen haben es einfacher. Im Rahmen eines Um-gestaltungsprozesses geniessen sie die Qualitätsbestimmung schnell und auf eine spektakuläre Weise: Im gemmologischen Labor können sie den Prozess live mitver-folgen, erleben die Qualitätsmerkmale gross auf dem Bildschirm und erhalten dadurch spannende Einblicke in die Juwe-lierkunst. «Mit dem Labor geht für mich ein kleiner Traum in Erfüllung», sagt Carlo Mutschler, Leiter der Schmuckabteilung und Chefdesigner bei Beyer. «Die Live-

Analyse schafft für den Kunden grösst-mögliche Transparenz, was wiederum das Vertrauen in uns bestätigt.»

KNIFFLIGE DETEKTIVARBEIT

Es gleicht akribischer Detektivarbeit, wie Mutschler ans Werk geht, wie er die Ober-fl ächenspannung eines Diamanten misst, mit der «Leveridge» das Gewicht des ge-fassten Steins in Karat defi niert, unter dem Mikroskop nach Einschlüssen sucht und unter dem UV-Licht die Fluoreszenz testet. Noch kniffl iger wird es bei einem Farbstein. Hier kommt das Polariskop zum Einsatz, bevor unter dem Refraktometer der Bre-chungsindex und mit der hydrostatischen Waage das spezifi sche Gewicht und schliess-lich die Fluoreszenz eruiert wird. Mit den Ergebnissen wird anhand von Tabellen die Qualität des Edelsteins eruiert.

Allerdings, räumt Mutschler ein, könne mit den Geräten die Beschaffenheit zwar nahezu, aber nicht immer zu hundert Pro-zent bestimmt werden. Dies sei tatsächlich nur im SSEF möglich. Auch Zertifi kate stelle man nicht aus. Doch um den Wert eines Steins einzuordnen, reiche das Labor bestens. Im Rahmen eines Umgestaltungs-projekts ist die Analyse gratis. Ansonsten wird eine Gebühr erhoben.

NEUES GEMMOLOGISCHES LABOR

EFFIZIENTE UND SPEKTAKULÄRE EDELSTEINANALYSE

19. April

AGENDA

änderungen auf www.beyer-ch.com.

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Chefdesigner Carlo Mutschler: «Das neue Labor schafft grösstmögliche Transparenz.»

Ein Smaragd unter der Lupe: Mit dem Refrakto-meter (links) wird der Brechungsindex ermittelt, unter dem Mikroskop (rechts) nach Einschlüssen gefahndet.

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What’s up

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UMBAU KUNDENDIENST KURZFRISTIGER AUFSTIEGDer Empfangsraum des Kundendiensts wird umgebaut: Vom 21. April bis 21. Mai fi nden Sie unsere charmanten Service-Damen Eva Riedweg (links), Anneliese Odermatt (rechts) und Susanne Brotschi auf der Galerie im Zwischenstock.

SUPER CONSTELLATION

DIE ZEITMASCHINE«Super Connie», wie der fl iegende Oldtimer von seinen Fans liebevoll genannt wird, erfuhr in den vergangenen Monaten eine Teilüberholung. Dabei wurden auch die vier Borduhren revidiert – bei Beyer. Rolf Harlacher, der für das Engineering der Super Constellation zuständig ist, holt hier eine der mechanischen Uhren ab, um sie wieder ins Cockpit einzubauen.

Im letzten «beyond» von November 2011 wollten wir von unseren Leserinnen und Lesern wissen, wie das Magazin und der neue Internetauftritt ankommen. Unter den Teilnehmenden der Umfrage verlosten wir einen Edelstahl-Chronographen von Beyer im Wert von 1980 Franken. Aus 728 Antwortkarten zog Glücksgöttin Michèle Tiefenthaler jene von Eric René Nef. Wir fi nden, die Uhr passt sehr gut zu ihm.

LEHRLING

NEUES GESICHTJetsadang Tochan (16) beginnt im August bei Beyer seine Ausbildung als Detailhandelsfach-mann mit Fachgebiet Uhren und Schmuck. Wir freuen uns auf Jetsadang und wünschen ihm einen guten Start.

Über Jahrzehnte hinweg befand sich das Uhren- und Schmuckatelier von Beyer ausgelagert im Zürcher Kreis 3. In der Serviceabteilung im Geschäft an der Bahn-hofstrasse 31 arbeiteten nur zwei unserer Uhrmacher. Diese Zeiten sind vorbei: Am 1. April bezogen unsere Klein- und Gross-uhrmacher, Goldschmiede und Schmuck-designer die neuen Räumlichkeiten im ersten Stock des Geschäfts. Das Atelier bietet Raum für 13 Arbeitsplätze und gilt als das grösste Schweizer Uhren- und Schmuckatelier eines Detailhändlers.

AUSBAU BEI BEYER

DAS UHREN- UND SCHMUCKATELIER IST UMGEZOGEN

In der Serviceabteilung im Tiefparterre steht der Kundschaft weiterhin ein Uhrmacher zur Verfügung. Damit hat die Firma Beyer Uhren & Juwelen ihr Kompetenzzentrum an der Bahnhofstrasse weiter ausgebaut und kann ihren Kunden einen noch schnelle-ren und besseren Service bieten.

AUSWERTUNG UMFRAGE

728 Teilnehmer, Skala: 6 = ausgezeichnet Wie gefällt Ihnen das «beyond» grund-sätzlich?

5,38Wie gefällt Ihnen der Inhalt?

5,08Wie gefällt Ihnen die Gestaltung?

5,25428 Teilnehmer möchten lieber 3 statt 2 Hefte pro Jahr

465 möchten die Messeneuheiten in gedruckter Form beibehalten.

Den Internetauftritt haben 371Personen gesehen. Der Auftritt erhält im Durchschnitt die Bewertung

5,2.Wir danken allen Teilnehmenden fürs Mitmachen und nehmen auch weiterhin sehr gern Anregungen entgegen.

UMFRAGE GUTE WERTE FÜRS «BEYOND»

Glück gehabt: Eric René Nef.

Sanfte Linienführung und raffi nierte Details machen die Linea zu einem zeitlosen Klassiker femininer Anmut, die stets mit den Höhepunkten des Lebens assoziiert wird. Jede Linea ist mit einem austauschbaren Armband ausgestattet. www.baume-et-mercier.com

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Sanfte Linienführung und raffi nierte Details machen die Linea zu einem zeitlosen Klassiker femininer Anmut, die stets mit den Höhepunkten des Lebens assoziiert wird. Jede Linea ist mit einem austauschbaren Armband ausgestattet. www.baume-et-mercier.com

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What’s up

SANDUHRRené Lutz: «Nichts anderes symbolisiert das Zerrinnen der Zeit so dramatisch wie die Sanduhr. Das Sujet sagt: Bleiben Sie stehen, lassen Sie sich Zeit und geniessen Sie den Blick über den See, denn die Zeit vergeht sonst viel zu schnell!»

TRÄUMERené Lutz: «Wir Gärtner sind verwurzelt mit dem Boden. Gleichzeitig sind Träume wichtig, um kreativ zu bleiben. Dieses Sujet verbindet für mich unsere Wurzeln mit den Träumen.»

GROSSVATERS TASCHENUHRRené Lutz: «Mein Gross-vater war Antikschreiner und besass neben der Wochenuhr eine Sonntags-uhr. Dieses Sujet wäre eine Hommage an ihn.»

BEYER BLUMENUHR

IHRE MEINUNG IST UNS WICHTIGSeit 1985 lässt Beyer die Blumen-uhr am Bürkliplatz als Geschenk an die Stadtbevölkerung jeden Winter neu gestalten. Seit zwei Jahren sind Martina und René Lutz (www.der-gaertner.ch) für die Sujets und die Bepfl anzung zustän-dig. Und zum ersten Mal möchten wir nun unsere Leserschaft mitentscheiden lassen. Welches Sujet gefällt Ihnen am besten?

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WÄHLEN SIE DAS WINTERSUJETWelche Uhr soll Gärtner Lutz nächsten Winter realisieren?

Schicken Sie ein Mail mit Ihrem Favoriten an [email protected] oder eine Postkarte an Beyer Chronometrie, Bahnhofstrasse 31, 8001 Zürich. Einsendeschluss ist der 30. September 2012.

DIESE WINTER SIND VORBEIIm Winter wird die Blumenuhr zum wetterfesten Kunstwerk aus Stein und Kies. Zuletzt gestaltete Gärtner Lutz den «Freundeskreis» (oben), weil lange Winterabende ideal sind, um Zeit mit Freunden zu verbringen. Im Winter davor wählte er als Sujet die «Zeitspirale», die bei einer Uhr den Takt angibt.

BREITLING.COM

TRANSOCEANNAVITIMER CHRONOMAT

Mit dem Manufakturkaliber 01 hat Breitling das zuverlässigste, präziseste und leistungsstärkste automatische Chronografenwerk kreiert, das vollständig in den hauseigenen Ateliers gefertigt und von der COSC als Chronometer zertifi ziert wird. Eine absolut logische Meisterleistung für eine Marke, die sich im Bereich der mechanischen Chronografen als das Mass aller Dinge durchgesetzt hat.

Ein Herz Drei Legenden

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Chefsache

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Mit 425 Erstlehrjahr-Stiften lernen in der Schweiz so viele junge Menschen Uhrmacher wie noch nie. Warum dieser Trend?Einerseits will sich die Branche für die Zukunft absichern und schafft immer mehr Lehrstellen. Anderseits wünschen sich die Jungen vielleicht wieder einen Beruf, bei dem sie nicht ratlos vor einem Computer sitzen, sondern am Abend sehen, was sie den ganzen Tag geleistet haben. Dieser Rekord freut mich natürlich.

Auch Beyer beschäftigt Uhrmacherlehrlinge. Was bringt das dem Betrieb?Lehrlinge sind der beste Weg, um gestan-dene Uhrmacher fi t zu halten. Durch die Lehrlinge bleiben die Uhrmacher auf dem aktuellen Wissensstand. Als ich Uhrmacher lernte, beschäftigten wir uns noch mit Pen-dulen und mit ganz anderen Uhrenkalibern als heute. Der Beruf verändert sich.

Die Jugend ist überdigitalisiert, alles funktioniert mit Touchscreen – und doch wollen sich so viele wieder mit Feile und Lupe beschäftigen?Das ist das Irrationale am Luxus. All die Mikrochips und hochkomplexen Mate-rialien, die man heute nun mal braucht, nimmt man zur Kenntnis. Aber das Ge-räusch einer tickenden Uhr kann keine elektronische Uhr ersetzen.

Das passt zum aktuellen Retro-Trend …Die Uhrenindustrie produziert faktisch immer noch Dampfl okomotiven. Aber sind wir ehrlich: Wenn ein Vater seinen Sohn

Das kann Stunden dauern, manchmal Tage. Aber dann kommen sie immer wieder.

Letzten Spätherbst prophezeiten Sie an dieser Stelle ein eher unsicheres Jahr für die Uhrenbranche. Gibt es erste Tendenzen? Lacht. Ja – dass ich mich seit langem mal geirrt habe. Sowohl die Branche wie auch unsere Firma sind ausgezeichnet ins Jahr gestartet. Allerdings werden Sie kaum je-manden fi nden, der sich bezüglich der zweiten Jahreshälfte aus dem Fenster lehnen und eine Prognose abgeben würde bei diesen Konjunkturverhältnissen.

Aus welchen Märkten kommen die Kunden heute?Wir treffen eine völlig neue Situation an und sind wie nie zuvor von der Schweizer und der asiatischen Kundschaft abhängig. Die USA, Südamerika, das alte Europa sind als Märkte praktisch weggebrochen. In den Uhrenkapitalen, Zürich, Genf, Luzern und Interlaken, lässt es sich dank den Chinesen und Schweizern aber gut wirtschaften.

Die Uhrenbranche zeigt sich erstaunlich resistent gegen die Krise.Ich weiss nicht, wie lange wir noch solche Erfolge verbuchen können, während die meisten anderen Sektoren taumeln, von der Kleiderbranche über Lebensmittel bis zu den Banken. Die Zeiten, als man von der Marge leben konnte, sind dort vorbei. Mit dem Umsatz können sie knapp die laufenden Kosten decken. Da sind wir zum Glück noch weit davon entfernt.

«DIE SCHWEIZ IST NICHT MEHR DER NABEL DER WELT»

René Beyer freut sich über den Rekord bei den Uhrmacher-lehrlingen, erklärt, was eine Uhr und eine Dampfl okomotive

gemeinsam haben, und blickt fasziniert nach China.

Von Matthias Mächler Illustration Adrian Hablützel

fragt, ob er mit der Dampf- oder der Elek-trolok fahren will, wird jeder die Dampf-lok wählen. Das ist auch bei Uhren so.

Sie sind eben aus Hongkong zurückgekehrt. Wie wars in der «neuen» neuen Welt?Es herrscht der schiere Gigantismus. Hong-kong ist für Festlandchinesen das Tor zur Welt. Wenn man da als Marke nicht ver-treten ist, wird man schlicht nicht wahr-genommen. Darum überbieten sich die Uhrenmarken mit riesigen Shops und verdrängen sogar erfolgreichste Ketten wie Starbucks von den besten Lagen.

Die Chinesen als wirtschaftliche Hoffnungs-träger unserer Zeit kaufen künftig ihre Uhren daheim statt bei uns?Diese Shops funktionieren eher wie Schau-fenster. Die Asiaten werden auf die Marken sensibilisiert, kaufen sie aber – vorderhand noch – lieber in der Schweiz, weil das eine besondere Geschichte ist, ein Mythos. Die Schweizer Uhr funktioniert als Statussymbol erst wirklich, wenn sie hier gekauft wurde.

Was müssen wir Schweizer im Umgang mit Chinesen besonders beachten? Die grösste Falle ist unsere Selbstherrlich-keit. Die Schweiz ist längst nicht mehr der Nabel der Welt, das sollten wir endlich begreifen. Wir müssen vom hohen Ross runterkommen und dringend Demut lernen. Mit Asiaten und insbesondere mit Chine-sen kommt man erst ins Geschäft, wenn man eine herzliche, echte Beziehung auf-baut, auf ihr Wesen und ihre Kultur eingeht.

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MAULTIER GESUCHT

Jeder, der sich ein wenig mit Uhren beschäftigt hat, weiss: Uhren

führen ein Eigenleben. Sie sind Persönlichkeiten, denn jede ist

anders. Sind sie also Lebewesen? Na, so weit wollen wir jetzt

doch mal nicht gehen. Immerhin stehen Uhren still, wenn sie

nicht bewegt und aufgezogen beziehungsweise ihre Batterien

nicht ersetzt werden. Sie sind dann so leblos wie ein ge-

parktes Fahrrad. Der Gedanke ist aber verführerisch:

Was wäre, wenn Uhren Lebewesen wären, also

eine eigene Gattung; wenn sie sich gar selbst

fortpfl anzen oder zumindest – wie gewisse Pfl an-

zen – gekreuzt werden könnten?

Ich denke, es wäre vielleicht sogar zum Vorteil

des Genres – denn man weiss aus der Menschen-

und Tierkunde ja, dass Kreuzungen, Hybride

und Bastarde oft robuster, kräftiger, energie-

reicher und zäher als das genetische Ur-

sprungsmaterial, das dem neuen Wesen zu-

grunde lag. Man schaue sich nur mal ein

Maultier an: Es ist grösser als der Eselsvater, dazu belastbarer

und ausdauernder als die Pferdemutter. Und sein Charakter

wird erst noch als «gutmütig und geradlinig» beschrieben.

So eine Uhr hätte ich also auch gern: ein Maultier von einer

Schweizer Qualitätsuhr. Ich würde dazu wohl eine «Swatch

Touch» mit einer «Nautilus» von Patek Philippe kreuzen oder

eine Tissot «T-Touch» mit einer Jaeger-LeCoultre «Grande Re-

verso». Vielleicht gelänge mir auch die Züchtung eines Hybriden

zwischen einer Certina-Sportuhr und einer «Royal Oak» von

Audemars Piguet? Oder noch besser: Ich würde gern ein iPhone

mit einer IWC «Portugieser» kreuzen – die sind ja beide nicht

ganz klein, könnte also passen.

Auf Seiten des Benutzers sähe ich viele Vorteile:

die Robustheit und Vielseitigkeit der neuen,

hybriden Uhr nähmen wohl um ein Vielfaches

zu, während der Preis drastisch sänke. Sie hät-

te deutlich mehr Funktionen und dennoch einen

Grossteil des Prestiges, das für die Schweizer

Horlogerie ein so kostbares Gut ist. Vielleicht

entstünden sogar neue, selbstständig fort-

pfl anzungsfähige Typen, die eigene Marken

würden?

Für die meisten Anbieter sind solche

Gedankenspiele aber verbotenes Terrain.

Sie sind zu beschäftigt mit der reinen Lehre der Mechanik und

dem Repetieren einer lupenreinen Markenbotschaft. Man darf

gespannt darauf sein, wie lange es dauert, bis der Erste aus

dieser kreativen Lähmung ausschert. Ansonsten ist zu befürch-

ten, dass Apple bald allen zeigen wird, wie man im dritten

Jahrtausend die Zeit abliest.

Jeroen van Rooijen (42) ist Zeitgeistbeobachter und Stilkritiker

der «Neuen Zürcher Zeitung» und bei Radio DRS 3.

Kolumne

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Classic Fusion Extra-thin Skeleton King Gold. Ultrafeiner Mechanismus aus einer

neuen, einzigartigen Legierung: King Gold. Skelettiertes Zifferblatt. Armband aus

Kautschuk und schwarzem Alligatorleder. Auf 500 Exemplare limitierte Serie.

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Classic Fusion Extra-thin Skeleton King Gold. Ultrafeiner Mechanismus aus einer

neuen, einzigartigen Legierung: King Gold. Skelettiertes Zifferblatt. Armband aus

Kautschuk und schwarzem Alligatorleder. Auf 500 Exemplare limitierte Serie.

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Die Beyers (3)

s geschah in den geheimnisum-witterten Ateliers von Patek Philippe: Nach der Uhrmacherlehre absolviert Adelrich in der Genfer Nobelmanufaktur ein Vo-lontariat. Dabei lernt er die gleichaltrige Marie Valentine Meylan kennen. Der statt-liche Zürcher und die quirlige Berufs-kollegin verlieben sich und sehen in ihrer Beziehung neben der Romantik bald auch den Nutzen: Er ist designierter Geschäfts-führer der bedeutenden Chronometrie Beyer, sie stammt aus einer bekannten Uhrmacherfamilie. Ihr Urgrossvater fer-tigte zusammen mit Daniel Piguet Uhren, die zu den feinsten ihrer Zeit gehörten und bis nach China verkauft wurden.

Die beiden wollen heiraten. Doch die katholische Kirche ist gegen ein Bündnis mit der Protestantin aus der Romandie. Da Adelrich ein Mann der Tat ist und lieber handelt als lange fackelt, heiratet er seine Geliebte 1883 ohne kirchlichen Segen.

DER REFORMER: ADELRICH BEYERDer Urgrossvater des heutigen Geschäftsführers stellte die Liebe über den kirchlichen Segen. Das hatte Konsequenzen für die ganze Familie.

Die gesamte Familie Beyer wird aus der katholischen Kirche ausgeschlossen – und tritt zum reformierten Glauben über.

Die 1880er-Jahre sind keine einfache Zeit. Durch die Industrialisierung gibt es viel Armut, die Bevölkerung explodiert. Massen von Schweizern wandern nach Amerika aus. Die schlechte wirtschaftliche Lage zwingt 1891 auch die autonome Ge-meinde Aussersihl, die Stadt Zürich um Eingemeindung zu bitten. Zusammen mit

Lernten sich bei Patek Philippe kennen: Adelrich Beyer und Marie

Valentine Meylan.

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Ein Leben voller Arbeit: Adelrich Beyer (rechts) um 1910 mit einem Mitarbeiter vor dem Gebäude der ehemaligen Kreditanstalt.

zehn weiteren Gemeinden wird diese 1893 vollzogen, und Zürich wird in fünf Stadt-kreise eingeteilt.

Adelrich verschreibt sich ganz und gar dem Geschäft am Paradeplatz, im stolzen Hauptgebäude der Kreditanstalt. Marie Valentine hilft ihm, wo sie nur kann, auch nach der Geburt des ersten Kindes Alice Hermine. 1887 kommt Sohn Theodor Julius zur Welt, 1988 Helena Adelheid. Bei

der Geburt des vierten Kindes 1892 stirbt Marie Valentine mit nur 34 Jahren im Wochenbett. Adelrich kann sich unmöglich um Geschäft und Familie gleichzeitig küm-mern und heiratet 1894 ein zweites Mal. Mit Anna Brügger bekommt er zwei wei-tere Söhne, Adelrich Theophil und Theo Philipp Marius. Nach einem harten Leben voller Arbeit stirbt Adelrich Beyer 1915 im Alter von 57 Jahren.

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Lesen Sie im nächsten beyond die wechselvolle Geschichte der Halbbrüder Theodor Julius und Adelrich Theophil Junior.

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Fotos Roland Tännler Styling Mirjam Kaeser

Der Frühling ist bunt, und Nachbarschaft verbindet: Unsere schönsten Schmuck-stücke und Uhren haben wir bei Grieder mit der aktuellen Mode kombiniert.

Bijoux Beyer: Ohrhänger «Marina Divina», Weissgold mit Brillanten und Turmalinen, CHF 8980Beyer: Ring «Marina Divina», Weissgold mit Brillanten und Rubellit, CHF 6150Hublot: Uhr «Big Bang», Rotgold mit Brillanten, CHF 28 900(Seidenbluse von Schumacher, Clutchbag von Jimmy Choo, Kleid rechts von Joseph, alles bei Grieder les Boutiques)

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Beyer: Ohrstecker «Principessa», Rotgold mit champagnerfarbenen Diamanten, CHF 13 200Beyer: Ring, Rotgold mit champagnerfarbenem Diamanten, CHF 8400Stenzhorn: Collier aus Weissgold, CHF 550 Anhänger, Rotgold-Weissgold mit Tsavoriten, CHF 9850Stenzhorn: Ring, Rotgold mit Brillanten und Tsavoriten, CHF 9650Rolex: «Oyster Perpetual Day-Date», Everose-Roségold, CHF 34 350

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Beyer: Ohrstecker, Weissgold mit Brillanten, CHF 5320Frieden: Collier, Weissgold mit Brillanten, CHF 97 500Beyer: Solitaire- Einhänger, Weissgold mit tropfenförmigem Diamant, CHF 98 900Beyer: Ring, Weiss-gold mit Brillanten, CHF 7100Beyer: Ring «Alliance», Weissgold mit Princess- Diamanten, CHF 17 750(Seidenkleid von Diane von Fürsten-berg bei Grieder)

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Beyer: Ohrstecker «Principessa», Rotgold mit champagnerfarbenen Brillanten, CHF 13 200Patek Philippe: Ring, Roségold mit Brillanten, CHF 8000Patek Philippe: Uhr «Nautilus», Rotgold mit Brillanten, CHF 38 000*(Seidenblusenkleid von Diane von Fürstenberg, Clutch von Tory Burch, alles bei Grieder)

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Beyer: Ohrstecker «Principessa», Gelbgold mit cognacfarbenen Brillanten, CHF 13 770Wellendorff: Collier, dreistrangig, Gelbgold mit Brillant, CHF 15 780Wellendorff: Anhänger, Gelbgold mit Brillanten, CHF 19 480 Wellendorff, Ring, Gelbgold mit Brillanten, CHF 23 500Jaeger-LeCoultre, Uhr «Reverso», Rotgold, limitierte Aufl age, CHF 15 000(Seidenblusenkleid von Diane von Fürs-tenberg bei Grieder)

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Verdi: Bracelet, Rotgold mit Brillanten, CHF 35 750(Kleid von Akris Punto, Peeptoes und Sandalen von Fendi, smaragdgrüne Tasche von Chloé, alles bei Grieder)

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Antikuhren

«DAS IST SCHÖNSTES KOPFKINO»

Von Simone Bischofberger-Gumpp Fotos Mathias Zuppiger

Antikuhren haben einen wesentlichen Vorteil, sagt Jürgen Delémont: Sie haben bereits bewiesen, dass ihr Design die Zeit überdauert.

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Jürgen Delémont, Sie betreuen bei Beyer neu die Abteilung Antikuhren. Was gefällt Ihnen an alten Dingen?Die Sehnsucht nach Vergangenem, nach einem Traum vielleicht auch, nach den «Good Old Times», die wohl gar nicht so toll waren, wie sie uns im Nachhinein erscheinen. Aber diese Dinge haben bereits eine natürliche Selektion überlebt. Sie haben bewiesen, dass sie einen Wert besitzen und wohl auch in Zukunft Freude machen.

Sind Sie ein Nostalgiker?Bestimmt. Mich treibt aber auch die Neu-gier auf die Geschichte der Menschen an. Meine Liebe für antike Uhren ist vielleicht vergleichbar mit der Leidenschaft eines Archäologen für steinerne Botschafter aus einer anderen Zeit.

Was für eine zusätzliche Ebene sehen Sie in diesen Uhren?Antike Uhren haben eine Seele und erzäh-len Geschichten, wie es eine neue Uhr noch nicht kann. Sie wecken Bilder, die wir in uns tragen von einer Zeit, die so anders tickte. Das ist wie bei einem alten Haus: Man fragt sich, wer wohl darin gelebt haben mag. Eine solche Vorstellung inspiriert.

Und was inspiriert einen wahren Sammler?Die begehrtesten Modelle sind rare Kom-plikationen wie Repetitionsschlagwerke für Viertelstunden oder die sehr seltene Minutenrepetition. Ebenfalls gesucht sind Doppelchronographen, also Chrono-graphen mit zwei Sekundenzeigern, vor-zugsweise in Kombination mit einem Jah-reskalender – aber da greifen wir bereits zu den Sternen.

Ist derzeit ein besonderer Trend auszu-machen?Besonders gefragt sind Antikuhren mit emaillierten Oberfl ächen. Auch farbstein-

DER NEUE MANN FÜR ALTE UHRENJürgen Delémont führt neu die Abteilung Antik-uhren im Hause Beyer, wo er seit 2008 arbeitet. Zuvor war er vier Jahre bei Cartier in Deutsch-land. Auf den Geschmack von Vintage-Uhren kam Delémont in den 1980er-Jahren, als ihm sein Grossvater eine Art-déco-Uhr der Marke Bifora schenkte. Eric Ritter, der während neun Jahren die Antikuhren betreut hatte, übernahm letzten Sommer die Leitung der neuen PatekPhilippe Boutique.

1 Patek Philippe,

CHF 14 800

2 Jaeger-LeCoultre,

CHF 8800

3 Patek Philippe,

CHF 14 800

4 Patek Philippe,

CHF 18 500

5 Rolex,

Preis auf Anfrage

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besetzte Gehäuse, die mit dem weissen Metall kontrastieren, sind gesucht.

Worauf sollte man bei einer solchen Uhr achten?Die Herkunft soll dokumentiert und ver-trauenswürdig sein. Als Eins-a-Zustand gilt ein Gehäuse ohne Dellen, ein Zifferblatt ohne Haarrisse oder Absplitterungen, Uhr-werksbrücken ohne Kratzer, die auf un-sachgemässe Reparatur hindeuten würden, und bei Emailfl ächen keinerlei Beschädi-gungen der Farbfelder.

Was bedeutet «vertrauenswürdige Herkunft»?Im Idealfall gibt es einen Stammbuch-auszug, der die Uhr mitsamt den Gehäuse-, Werk- und Referenznummern bestätigt. Auch eine Reparaturgarantie durch den Verkäufer ist von Vorteil.

Weshalb erlebt auch die Taschenuhr ein Revival?Eine Taschenuhr hebt sich sowohl von antiken wie auch neuen Uhren ab. Durch die Kette symbolisch mit seiner Uhr ver-bunden, bestimmt der Träger allein, wann sie wer betrachten darf. Diese diskrete Art, sich am Luxus zu erfreuen, unterscheidet sich stark vom Tragen einer Armbanduhr. Sie hat was Erhabenes.

Sind Taschenuhren eher Sammlerstücke oder werden sie auch getragen?Feine, elegante Taschenuhren sollte man genauso tragen wie schöne Armbanduhren. Besonders stilvoll ist es, wenn man sie am Wochenende zum schwarzen Anzug kom-biniert.

Ist die antike Uhr per se ein Männertraum?Keineswegs: Auch Damen erfreuen sich

an verzierten Antikuhren, besonders an denen aus der Art-déco-Zeit. Die feinen mechanischen Uhren wurden damals oft auch als Schmuck an einer Kette am Hals getragen.

Welchem Vintage-Stück trauern Sie nach?Ach, ich fuhr einst eine Lambretta aus dem Jahr 1952. Wo immer ich damit hinfuhr, reagierten die Leute positiv, hatten Freude. Das machte natürlich Spass. Heute be-schränke ich mich neben gewissen Einrich-tungsgegenständen vor allem auf das Sam-meln alter Magazine. Nur schon anhand der Werbung darin lässt sich nachvollzie-hen, wie sich die Gesellschaft veränderte.

Welche Epochen sprechen Sie am meisten an?Die Formsprache der 1930er und das Design Ende der 1960er-Jahre: Von der Ästhetik her waren diese Zeiten einmalig. Viele Dinge wurden damals schlicht per-fekt gestaltet – und sind heute Klassiker.

Gibt es Menschen, die sich heute noch über Dinge von gestern defi nieren?Mehr, als man denkt. Kürzlich kam ein junger Musiker in den Laden. Er ist aus Los Angeles und gab in Zürich ein Kon-zert. Er trug Schuhe aus den 1940er-Jahren und fragte nach alten und explizit nach gebrauchten Lederbändern. Alle seine Kleider waren Vintage – mit einem enorm hohen Sinn für Handwerk und Qualität. Ich denke, Vintage ist auch eine Gegen-bewegung zur anonymen Welt der Mas-senproduktion.

Was geniessen Sie am meisten an einer antiken Uhr?Eine antike Uhr öffnet den Blick in die Vergangenheit. Das ist schönstes Kopf-kino.

«Ich denke, Vintage ist auch eine Gegenbewegung zur anonymen Welt der

Massenproduktion.»

1 Vacheron Constantin,

CHF 48 000

2 Patek Philippe,

CHF 34 000

3 Patek Philippe,

CHF 29 800

4 Cartier,

CHF 28 800

5 Movado Savonette,

Preis auf Anfrage

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Gespräch

Von Matthias Mächler Fotos Sigrid Reinichs

«DIE UHREN SCHIENEN MICH ZU HEILEN»

Fast Tag und Nacht füttert Gerd-Lothar Reschke sein Uhren-Wiki mit neuen Daten. Das sei zwar Sisyphusarbeit, sagt er – aber mache glücklich.

30 Herr Reschke, Ihr Uhren-Nachschlagewerk umfasst 6631 Seiten und 2614 Beiträge. Das allermeiste haben Sie geschrieben. Was für ein Mensch muss man sein, um sich diesen Aufwand anzutun?Lacht. Das ist wohl eine Form von Ver-rücktheit, eine Leidenschaft, die rational nicht erklärbar ist. Es gibt Menschen, die im Team aufblühen. Ich aber bin allein am kreativsten. Wenn ich Feuer fange, arbei-te ich Tag und Nacht und gewinne daraus Unmengen an Energie.

Was hat diese Leidenschaft entfacht?Ich war lange Zeit krank, lag untätig im Bett, langweilte mich. Bis ich ein Uhren-magazin geschenkt bekam mit goldenem Umschlag und unglaublich schönen Fotos von Uhrwerken. Es war, als würde die Energie direkt in meinen Körper fl iessen: Diese Uhren und ihre handwerklichen Werte schienen mich auf wundersame Weise zu heilen. Ich begann, jede Zeile über Uhren zu lesen und mein wachsendes Wissen systematisch einzuordnen.

Sie gingen damit ins Internet, in einer Zeit, als noch kaum jemand an dessen Kommerzia-lisierung glaubte.1995 war ich tatsächlich einer der ersten im Internet. Nach einigen Monaten pro-grammierte ich sogar eine Rolex-Seite. Sie erschien bei Google lange an erster Stelle, da es noch keine offi zielle Seite der Firma gab. Da fühlt man sich schon ein bisschen Sieht sein Uhren-Wiki als Orientierungshilfe für Konsumenten: Gerd-Lothar Reschke.

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Degustation einer Rarität: Beim Montaniola-Balsamico werden die Zutaten auf aufwendige Weise mitvergoren.

Gespräch

«Die Uhren schienen mich zu heilen»

Was es über Uhren zu wissen gilt, steht in seinem Uhren-Wiki: Gerd-Lothar Reschke füttert es Tag und Nacht mit neuen Daten. Das sei zwar eine Sisyphusarbeit, sagt er. Aber sie mache glücklich.

Text: Matthias Mächler Fotos: Sigrid Reinichs

Herr Reschke, Ihr Uhren-Nachschlagewerk umfasst 6631 Seiten und 2614 Beiträge. Das Allermeiste haben Sie geschrieben. Was

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«Eine mechanische Uhr ist eine Uhr mit Pulsschlag. Sie zeigt Herzenszeit,

eine Quarzuhr Verstandeszeit.»

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Gespräch

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als Pionier. Und will immer mehr von diesem befl ügelnden Gefühl. Irgendwann sagte ich mir: Das ist doch dumm, das alles gratis ins Netz zu stellen. Ich nahm 95 Prozent wieder raus und verarbeitete es in meinem Buch.

Diese Infos sind jetzt wieder im Netz: Heute betreiben Sie das Uhren-Wiki. Da ist Sach-lichkeit geboten. Wie kann man bei einer Leidenschaft sachlich bleiben?In meinem Uhrenbuch und auf meiner Plattform Zeitgefuehl.de pfl ege ich durch-aus auch eine emotionale Seite. Da erzäh-le ich die Geschichten hinter den Fakten aus dem Uhren-Wiki. Ich habe also beides. Ausserdem macht auch der sachlichste Text über eine Uhr mehr Spass als die Programmiersprache.

Was fasziniert Sie an der Welt der Uhren am meisten? Das Immaterielle am Materiellen. Wie bei einem schönen alten Sportwagen schimmert bei Uhren eine Botschaft durch die Mate-rie, ein höherer Wert. Wenn Sie eine gute Uhr in der Hand halten, ist das jedes Mal wieder ein Erlebnis.

Für welche Marke schlägt Ihr Herz? Nach der ultimativen Marke oder der ulti - mativen Uhr zu suchen, ist, wie wenn Sie in den botanischen Garten gehen, um die schönste Pfl anze zu fi nden, also unmöglich, die reine Barbarei. Natürlich habe ich ge-wisse Lieblingsmarken. Auch wegen der Menschen, die dahinterstehen. Ich mag etwa Richard Mille, das ist ein Verrückter wie Jean-Claude Biver, einer, der über die Grenzen hinausgeht.

Welche Grenzerfahrungen bei Uhren mögen Sie denn besonders?Seit ein paar Jahren wird die Uhr mehr und mehr vom zweidimensionalen zum

dreidimensionalen Objekt und funktioniert ähnlich wie eine Bühne. Zifferblatt und Werk werden regelrecht inszeniert. Das empfi nde ich als wahres Schauspiel.

Was für eine Uhr tragen Sie?Eine Rolex «Explorer II». Ich erwarb die-se Uhr völlig unvernünftig, eine Woche, nachdem ich schon eine Breitling Chro-nomat 96 gekauft hatte. Aber das ist so bei Uhren: Man schaltet den Verstand aus, geht hin, kauft die Uhr und ist ein neuer Mensch. Denn man gibt sich selbst einen neuen Wert, jenseits von Vernunft. Das hört sich zwar pathetisch an, aber das ist so. Das Erlebnis eines Uhrenkaufs gehört für mich zu den grossen, unvergesslichen Momenten im Leben.

Warum?Anders als etwa ein Auto tragen Sie eine Uhr stets bei sich. Dabei ist es nicht ent-scheidend, dass Sie mit Ihrer Uhr am Handgelenk die anderen beim Meeting beeindrucken. Der Effekt ist: Sie haben mehr Respekt vor sich selbst. Und zwar aus einem inneren Wissen heraus. Und das nutzt sich über die Jahre kaum ab – nicht bei mechanischen Uhren von einem gewissen Wert und einer gewissen Klasse.

Von Quarzuhren würden Sie das nicht behaupten?Meine erste teure Uhr war eine Jaeger-LeCoultre – mit Batterie! Damals, Anfang der Achtziger, gab es nicht viel anderes. Aber ich bereue den Kauf heute noch. Für mich ist eine mechanische Uhr eine Uhr mit Herzenszeit, eine Uhr mit einem Puls-schlag. Eine Quarzuhr ist eine Uhr mit Verstandeszeit und für mich gefühllos.

Sie sagen, Sie sind ein Einzelkämpfer. Ist es überhaupt möglich, ein Uhren-Wiki allein zu managen?

Ein paar wenige Menschen helfen mir manchmal. Heute gibt es so viele verschie-dene Modelle und Firmen, dass man Voll-ständigkeit kaum anpeilen kann. Das Uhren-Wiki deckt die bedeutendsten Mar-ken ab, die Uhrenmessen und die wichtigen Detaillisten – als Orientierungshilfe für den Konsumenten.

Was macht Ihr Nachschlagewerk einzigartig?Ich nehme einen anderen Standpunkt ein als die meisten Branchenvertreter und schaue mit dem Herzen auf die Uhrenwelt, mit den Augen eines Liebenden. Die Bran-che sieht oft vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr, muss Verkaufszahlen gerecht werden. Ich werde nicht von der Branche bezahlt, bin unabhängig.

Können Sie von den Werbeeinnahmen aus dem Uhren-Wiki leben?Ich verdiene leider noch nicht genug damit, als dass ich die andere Arbeit aufgeben könnte. Aber ich strebe das an.

Worin fi nden Sie die grösste Genugtuung?Wenn mir Profi s an Uhrenmessen sagen: «Wenn ich was nicht weiss, schlag ich im Uhren-Wiki nach», das ist für mich das schönste Kompliment.

«Das Erlebnis eines Uhrenkaufs gehört für mich zu den grossen,

unvergesslichen Momenten im Leben.»

VOM INFORMATIKER ZUM UHRENWÄCHTERGerd-Lothar Reschke wurde am 13. März 1953 bei Stuttgart ge-boren und studierte in den Sieb-zigern Informatik. Er arbeitete bei verschiedenen Computerfi r-men, bevor er sich selbstständig machte, eine Verwaltungssoft-ware für Ärzte programmierte und amtlich zertifi zieren liess. Neben dem Vertrieb dieser Soft-ware begann er 1996 auf seiner Website www.zeitgefuehl.de über Uhren und das Wesen der Zeit zu schreiben. 2005 folgte das viel beachtete «Zeitgefühl-Uhren-buch». Seit 2008 betreut und textet er das Nachschlagewerk www.uhren-wiki.net.

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Zeitreise

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Die Schweizer sind das pünktlichs-te Volk der Welt, heisst es immer. Dabei müsste der Titel eigentlich den Chinesen gehören. Bin ich in Shanghai um elf Uhr vormittags verabredet, ist mein Gegenüber oft schon um Viertel vor da. Um fünf vor elf schickt er eine SMS: «Bin am Treffpunkt und warte auf Sie.» Es klingt manchmal wie ein Vor-wurf. Vor einigen Wochen sprach ich am Bahnhof mit einer Wander-arbeiterin. Es war Nachmittag, ihr Zug in die Provinz fuhr aber erst um Mitternacht. Sie wollte sicher-gehen, sagte sie mir, dass sie ihn nicht verpasst. Pünktlichkeit be-deutet im Reich der Mitte Respekt, Überpünktlichkeit wohl pragma-tische Voraussicht: Schliesslich droht in Chinas Millionenmetropolen immer irgendwo ein Stau dazwischenzu-kommen.

Man sagt auch: Chinesen denken nicht in Jahren, sondern in Dynastien. Dazu gibt es die nette Anekdote, wonach der frühe-re Premier Zhou Enlai auf die Frage von US-Präsident Nixon, wie er die Französische Revolution bewerte, geantwortet haben soll: Es sei noch zu früh, um dies zu beur-teilen. Dabei bezog sich Zhou, stellte sich später heraus, eigentlich auf die Pariser Studentenrevolte von 1968.

Mir kommen im Alltag ohnehin oft Zweifel, ob Chinesen wirklich so weit in

CHINESISCHES ZEITGEFÜHL

Andere Völker, andere Sitten: Xifan Yangerklärt, wie die Chinesen ticken.

die Zukunft denken. Dann zum Beispiel, wenn der Handwerker das kaputte Rohr der Klimaanlage mit Klebefi lm reparieren will. Im modernen China muss alles schnell schnell gehen, 300-Meter-Türme werden innert sechs Monaten hochgezogen, Stras-senkarten sind nach einem Jahr veraltet, alle paar Tage verschwinden alte Häuser-zeilen aus meinem Quartier. Meine chine-sischen Freunde, viele mit Jobs in interna-tionalen Firmen, in die sie bis spätnachts und am Wochenende eingespannt sind, reagieren darauf nur mit Schulterzucken: Vergangenem nachzutrauern, dafür ist hier schlichtweg keine Zeit. Doch nur zwei

Autostunden von Shanghai ent-fernt pfl ügen Bauern ihre Felder noch von Hand und richten sich nach dem traditionellen Mondka-lender. Zeitangaben ausser «mor-gens», «nachmittags» und «abends» gebrauchen sie nicht.

Zu den Gleichzeitigkeiten Chi-nas zählt auch, dass das Riesen-reich geografi sch zwar fünf Zeit-zonen umspannt, tatsächlich aber die Uhr Pekings den Takt vorgibt und die abendlichen Sieben-Uhr-Nachrichten in allen 23 Provinzen zur selben Zeit gesendet werden. An der Ostküste ist es da längst schon dunkel, im 3000 Kilometer westlich gelegenen Urumqi dage-gen gefühlt noch Nachmittag. Eines jedoch haben alle Chinesen ge-

meinsam: Zweimal am Tag – Punkt zwölf und Punkt sechs – wird alles stehen und liegen gelassen; Mahlzeiten gelten hierzu-lande im wörtlichen Sinn. Genussmenschen trifft man nicht selten schon um fünf Uhr nachmittags in Restaurants an. Wie gesagt, Chinesen sind gern überpünktlich.

Xifan Yang wuchs im deutschen Freiburg auf und berichtet für «Stern», «Geo Special», «Neon» und «Spiegel Online» aus China.

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Von Max Küng Fotos Hans Schürmann

IM FLUSS DER ZEIT

Nach dem Uhrmacherkurs I wagt sich unser Autor an den Profi kurs – und baut

seine eigene Uhr zusammen. Dabei erfasst ihn ein ungeahnter Glückszustand.

Uhrmacherkurs

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Ein Mysterium mit 200 Teilchen und unzähligen Tücken: Wer seine Uhr selber zusammengesetzt hat, für den bekommt ihr Ticken eine neue Bedeutung.

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Uhrmacherkurs

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cherweise steht mir Herr Clémençon zur Seite, der Atelierchef: ein Uhrmacher, eine Instanz, ein Crack.

Ich lerne Wörter kennen wie «Zifferblatt-schellen» und «Stundenrohr», sehe, wie ein Zifferblatt von hinten aussieht, und komme immer besser zu Gang. Ein paar Dinge weiss ich schon, denn vor einer Weile habe ich den Uhrmacherkurs I besucht. Daher ist mir das spektakulär feine Innenleben bereits etwas vertraut, und ich kenne ein paar Ge-setze: Niemals etwas mit blossen Fingern anfassen. Die Arme immer schön auf dem Tisch abstützen. Und was ich auch noch weiss: Die kleinen Schrauben können zu Flöhen werden. Ein bisschen zu viel Druck auf die Pinzette, und schon jagt eine Schrau-be durch den Raum. Eine so kleine Schrau-be auf dem Boden zu suchen, das ist eine grosse Unternehmung, die nicht zwingend von Erfolg gekrönt sein muss. Denn die Welt hält viele Orte bereit, wo eine Schrau-be für immer verschwinden kann.

EIN ZEIGER, DÜNN WIE HAAR

Diese Lektion hab ich bereits gelernt. Was mir Herr Clémençon nochmals einschärft, ist die Wahl des richtigen Werkzeugs. Ein Schraubenzieher darf nicht zu gross sein und nicht zu klein. Ist er zu gross, besteht die Gefahr, sich mit unschönen Kratzern auf dem Werk zu verewigen (denn natürlich besitzt die Uhr einen Boden aus Glas). Ist er zu klein, kann man die Schraube ruinie-ren. Und nur mit Gefühl geht es; der Ein-satz von Kraft ist hier eine feine Sache.

Das erfahre ich spätestens, als ich die Zeiger montiere mit der Hilfe eines Hölz-chens und von Rodico Premium. Rodico Premium ist ein Wunderzeugs: eine Knet-masse, mit der man sämtliche Abdrücke und Spuren von Oberfl ächen wegtupfen

«Der Einsatz von Kraft ist hier eine

feine Sache.»

uhe, nein: Stille. Ich habe ver-gessen, wo ich bin, denn in jenem Au-genblick gibt es nur noch ein dünnes Stück Metall, eingespannt in einem Schraubstock, der aussieht wie ein Spiel-zeug, so klein und fein ist er. Es gibt eine Feile, meine Finger, meine Augen, die durch eine Lupe blicken, und diesen Auftrag: Das Ende des Metallteils so zu feilen, dass es kürzer wird und konisch und perfekt, so wie es sein muss, damit es passt. Denn für das Unperfekte ist hier kein Platz. Dass wieder eine Stunde vergangen ist, das nehme ich wie durch Watte wahr: Gleichzeitig schlagen viele Uhren die Stunde in diesem alten Atelier, ein Konzert von weichen Klängen, viel-stimmig, kurz. Dann herrscht wieder diese Stille, und mittendrin bin ich ver-sunken, ich und meine zwei ungeübten Hände mit ihren zehn willigen, dicken Fingern vornedran.

Es gibt diesen Ausdruck in der Psycho-logie: «Flow». Er bezeichnet das Gefühl der völligen Vertiefung und des Aufgehens in einer Tätigkeit. Ein Psychologe mit einem Namen, der komplizierter ist als ein Uhr-werk, nämlich Mihály Csíkszentmihályi, schrieb: «Flow kann als Zustand beschrie-ben werden, in dem Aufmerksamkeit, Motivation und die Umgebung in einer Art produktiven Harmonie zusammentref-fen.» Und: «Flow ist eine Form von Glück, auf die man Einfl uss hat.» Das perfekte Glück also. Und diesen Zustand habe ich erreicht durch meine Aufgabe und den Ort. Am Ende dieses Kurses wird eine Uhr an meinem Handgelenk das Atelier verlassen. Denn es ist meine Uhr, die ich hier zusammenbaue.

Anfangs ist mir unklar, wie ich das schaffen soll. Ich sehe diese vielen Einzel-teile vor mir an dem charakteristisch hohen Arbeitsplatz eines Uhrmachers, und man sagt mir, daraus wird die Uhr entstehen. Aber wie bloss soll das gehen? Glückli-

kann. Wegen ihrer rückstandslosen Kleb-rigkeit ist sie aber auch ideal, um auf sanf-teste Art die feinen Zeiger an den richtigen Ort zu hieven. Fingerspitzengefühl ist ein Wort, das man gern für dies und jenes verwendet, aber hier erfährt man, was es wirklich heisst. Ist der Zeiger, dünn wie Haar, endlich an seinem Ort, gilt es ihn zu fi xieren. Eben dort braucht es Kraft, aber nicht zu viel, sonst ist der Zeiger krumm – und was krumm ist, das ist kaputt. Den vermurksten Zeiger übergibt mir am Ende Herr Clémençon, nicht ohne Schmunzeln, als zusätzliches Andenken.

Stück für Stück entsteht die Uhr. Nun fehlt noch die Aufzugswelle, an deren äus-serem Ende die Krone fi xiert wird, mit der man die Uhr richten und stellen kann. Aber eben: Momentan gibt es die Aufzugs-welle noch nicht, dafür ein hauchdünnes Stück Eisen. Dieses wird im kleinen Schraubstock fi xiert. Mit einer Feile rücke ich dem Teilchen zu Leibe. Und dies nun ist eben der Punkt, an dem ich die Dinge um mich vergesse, an dem ich mich in dieser Aufgabe verliere. Und ein Gefühl für das Glück des Uhrmachers bekomme, für die tiefe Befriedigung, die dieser Beruf geben muss. Immer wieder prüfe ich die Länge der Welle, bis sie schliesslich passt und auch Herr Clémençon zufrieden nickt.

Nach guten drei Stunden ist die Uhr zusammengebaut, sie ist frisch geölt, gerich-tet, getestet auf ihre Wasserdichtigkeit und geprüft auf ihre Ganggenauigkeit in allen Lagen, sie bekommt ein Band und fi ndet ihren Bestimmungsweg an mein Handge-lenk, wo sie tickt, so leise, dass die groben Ohren von uns Menschen sie nicht hören. Ausser man hält sie sich ans Ohr und lauscht dem metallischen Trippeln, dem Zusam-menspiel all dieser winzig kleinen Teile, mit denen ich nun per Du bin.

Alle können über ihre Uhr sagen: «Es ist meine Uhr, denn sie gehört mir.» Aber kaum jemand kann sagen: «Dies ist meine Uhr. Ich habe sie selber zusammengebaut.» Ich kann das. Und das ist schon ein sehr besonderes Gefühl.

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uhrmacherkurs II: DIe reIse Ins Innere Der uhr geht weIter Das Uhrmacher-Atelier von Beyer führt regelmässig Uhrmacherkurse durch. Nur wer den Grundkurs absolviert hat, wird zum Fortsetzungskurs zugelassen. Dort setzt man unter Anleitung von Profis in rund drei Stunden eine Beyer-Uhr zusammen, die man schliesslich auch behalten kann. Der Kurs kostet 1000 Franken, was dem Wert der Uhr entspricht. Die nächsten Uhrmacher-kurse II finden am 4. August und am 6. Oktober statt. Infos auf www.beyer-ch.com.

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Unter Anleitung von Atelierchef René Clémençon feilt Autor Max Küng an der Perfektion.

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Handwerk

Unabhängige Emailleure gibt es kaum mehr. Aurèle Bourquin ist

einer der Letzten dieser Zunft.

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Von Thomas Wyss Fotos Hans Schürmann

Der farbenmagierIn einer ausgedienten Omega-Fabrik im jurassischen Les Genevez kreieren Aurèle Bourquin und seine Frau Nadine Email-Zifferblätter für Luxusuhren.

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Handwerk

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ihr Dach holten und eigene Handwerks-ateliers für Uhrenkunst einrichten liessen.

Die Nachfrage bei den unabhängigen Zulieferern ging markant zurück, Entlas-sungen wurden unumgänglich. Heute, sagt Bourquin, gebe es seines Wissens in der Schweiz noch sechs selbstständige Email-leure, im restlichen Europa seien es wohl nochmals ähnlich viele. Dennoch blickt der 55-Jährige optimistisch in die Zukunft. In den letzten Jahren, erzählt er, habe sich die Auftragslage wieder stabilisiert, sogar verbessert. Insbesondere Kunden aus dem obersten Luxusuhrenbereich greifen für limitierte Serien vermehrt auf Email-Zif-ferblätter zurück. Konkrete Namen aber, man verstehe das bestimmt, wolle er lieber keine nennen.

DIE SACHE MIT DEM KÄLTESCHOCK

Sichtlich stolz präsentiert Aurèle Bourquin den Fotokatalog mit seinen Sujets, ein jedes handgefertigt. Dabei erklärt er auch, wie Email entsteht: Zuerst wird ein Spezialglas zum Schmelzen gebracht, dann eiskalt abgeschreckt. Die durch den Kälteschock entstandenen Körner werden zu feinem Emailpulver gerieben, das von Hand auf ein hauchdünnes, meist aus Kupfer beste-hendes Plättchen gepudert und bei 800 bis 900 Grad Celsius eingeschmolzen wird. Dieser Vorgang wird solange wiederholt, bis eine gleichmässige, glänzende Ober-fl äche entsteht – ist sie farbig, liegt das an

«Der Prozess dauert zwischen zwei Tagen und zwei Wochen und ist enorm heikel. Zwei identische Stücke gibt es nicht.»

EMAILS UND GRAVURENAurèle und Nadine Bourquin fertigen auch Emails und Gravuren für Privatkunden. Die Aurèle Bourquin SA steht an der Route Cantonale 59 in Les Genevez im Kanton Jura. Kontaktieren kann man sie per Mail ([email protected]) und per Telefon (+41 32 484 90 21). urèle Bourquin braucht keine

Fragen, um Antworten zu geben. Er nimmt einen Schluck Milchkaffee, und ab geht die Post. Der Monolog führt in seine Vergangenheit, via Zwischenhalt bei der renommierten Klientel in die Zukunft und schliesslich zum Herzstück, also zu seiner Kunst, deren Geheimnis im Detail liegt – und in der Verschwiegenheit. Ja, und irgendwann stehen wir in einem hel-len Fabrikraum mit Dutzenden von schwe-ren Gravur- und Stanzmaschinen, und Bourquin setzt ein Schmunzeln auf, macht eine ausholende Handbewegung, wie ein Cowboy, der seinem Sohn voller Stolz sein riesiges Weideland zeigt, und sagt: «Voilà!» Es dauert ein paar Minuten, bis man sich von dieser wilden Tour d’Horizon wieder erholt hat. Dann endlich kann man Block und Stift zur Hand nehmen und die Ein-drücke und Fakten niederschreiben.

Dies ist die Geschichte der Bourquins: Das Gebäude im Juraweiler Les Genevez, in dem Aurèle Bourquin mit Gattin Nadi-ne lebt und arbeitet, war vor vielen Jahren eine Werkstätte der Uhrenmarke Omega. Bis zur Jahrtausendwende hatten die Bour-quins sieben Mitarbeiter, die Nachfrage der Haute Horlogerie nach kunstvollen Email-Zifferblättern und feiner Handgravur war riesig. Doch dann folgte die Phase von 1999 bis etwa 2002, in der Konzerne wie Richemont, Swatch Group und LVMH unzählige bekannte Uhrenmarken unter

beigegebenen Metalloxiden. Danach wer-den, je nach Auftrag, Ziffern, Verzierungen oder fantastische Figuren hinzugefügt; entweder durch einen speziellen Druck-stempel oder durch das sachte Auftragen von Pulverfarben mit feinen Pinseln. Die-se Pulverfarben werden ebenfalls einge-bannt. Die letzten Schritte sind das Bohren des Zeigerlochs sowie der Schliff des Plätt-chens auf den richtigen Durchmesser. Der gesamte Prozess, der zwischen zwei Tagen und zwei Wochen dauert, sei enorm heikel, kann Email doch im Ofen bersten oder beim Bohren zerspringen. Zudem gebe es auch nie zwei identische Stücke, betont Bourquin. «Abweichungen sind allerdings oft nur mit der Lupe erkennbar.»

Aller Raffi nesse ihrer Tätigkeit zum Trotz verstehen sich die Bourquins gleich-wohl nicht als Kunstschaffende: «Gute Guillocheure beispielsweise, das sind wah-re Künstler. Was wir machen, ist anständige Handarbeit.» Dass die Preise gleichwohl hoch sind – einfache Arbeiten kosten 800 Franken, komplexe Zifferblätter bis zu 2500 Franken – liegt an der relativ hohen Ausschussquote, aber auch am teuren Spe-zialglas. Woher kommt denn dieses spezi-elle Glas, Herr Bourquin? Er schmunzelt und sagt: «Pardon Monsieur, aber auch das ist ein Berufsgeheimnis.»

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Poetische Zauberei: Glaskörner werden zu Emailpulver, Metalloxide sorgen für Farbe, hauchdünne Kupferplättchen für die Struktur.

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MIT ROLEX AM CSI ZÜRICH

40 Rolex- und Beyer-Kunden durften das glamouröse Turnier von den besten Plätzen aus erleben. Zwischen exzellen-tem Essen fi eberten sie mit den Reitern mit und genossen die Shows.

Die 24. Austragung des Mercedes-CSI vom 27. bis 29. Januar im Zürcher Hallenstadion war einmal mehr ein voller Erfolg. Mit erstklassigem Sport, einer fulminanten China-Show und einer attraktiven Expo bot das höchstdotierte Hallen-Springreitturnier der Welt drei Tage lang Unterhaltung auf höchstem Niveau. 35 100 Besucher verfolgten die verschiedenen Prüfungen. Den sport-lichen Höhepunkt bildete auch dieses Jahr der Rolex FEI World Cup.

Sonja Antoniazzi und Nicolas Steinmann

Madeleine Carolina Reichelt und Tochter

Im Zentrum der Show: Pferdestärken

Sieger des Rolex Cup: Steve GuerdatEin Abend, eine Marke: Rolex

Jeannette Hug, Nathalie von Niederhäusern und Pascal Zbinden

Sportlicher Höhepunkt am CSI Zürich war auch dieses Jahr der Rolex FEI World Cup.

Highlights

Dein Schutzengel

Wellendorff • Tel. +41 79 716 70 05 • www.wellendorff.com

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Dein Schutzengel

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Highlights

FIRMENSEMINAR IM UHRENMUSEUM Die Zürcher Firma Meyerlustenberger lud am 25. Januar ausgesuchte Kunden und Mitarbeiter zum Diamantseminar ins Uhrenmuseum Beyer. Die Gäste zeigten sich äusserst interessiert und liessen sich von Schmuckchef Carlo Mutschler gern in die Geheimnisse der Edelsteine einweihen. Die glückliche Gewinnerin eines Diamanten heisst Natalia Forster.

Margrit SulligerClaudia Held

Rannveig Borg, Matthias Studer und Brigitte Vianin

Barbara Herrmann, Karin Oberlin und Ancelica Sola

Alexander Barbier, Peter Schramm und Daniel Schoch

Vesna Nevistic und Branko Pantelic Fredy Fischer

ZU GAST IM PARKHOTEL WEGGIS Am 12. November 2011 führte Atelier-chef Carlo Mutschler ein Diamantsemi-nar im wunderbaren Parkhotel Weggis durch. Der Andrang war wie immer gross. Auch diesmal wurde unter den Teilnehmern ein Diamant im Wert von rund 2000 Franken verlost. Gelohnt hat sich das Seminar aber nicht nur für die Brillant-Gewinnerin Claudia Held.

Patrick Sulliger

Kerem Kern, Peter Schramm und Brigitte Kistler

Sie gewann einen Brilllant: Natalia Forster mit Kursleiter Carlo Mutschler

IM BANNE DER DIAMANTEN Auch dieses Jahr waren die Beyer-Diamantseminare fast so begehrt wie die Edelsteine selber.

Beyer Uhren & JuwelenBahnhofstrasse 31 8001 Zürich Tel +41 (0)43 344 63 63 beyer-ch.com

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Alle Zeit der Welt – seit 1760«Diamonds» by Beyer

In unserem Atelier werden Träume fassbar. Diamant-Ring und Diamant-Ohrhänger ausedlem Platin mit geschliffenen Diamantenim «Square Emerald Cut». Ring 2.01 ct.,

Ohrhänger mit funkelnden 5.01 ct.

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Museum

Von Monika Leonhardt

DIE NEUE LEICHTIGKEIT

Der Jugendstil brachte Kunstwerke zum Blühen und behielt manch süsses Geheimnis für sich – wie die

Geschichte der Broschenuhr einer gewissen Belle.

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Von Charles für Belle: Im Namen der Liebe reiste die Möwen-Uhr um die halbe Welt.

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Museum

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enn man die kleine Broschenuhr mit dem betörenden blau-grünen Möwenmotiv (Bild Seite 47) öffnet, fi ndet sich im Innern die Inschrift «Charles to Belle 1906». Allein das befl ügelt die Gedanken. Wer war Belle? War sie Charles’ Gattin, seine Geliebte, seine Muse? Der Vorname deutet Richtung Amerika. Doch die Spur führt vorerst nach Paris.

Im Staubdeckel ist nämlich eine weitere Gravur zu lesen: «Longines» und «Grand Prix Paris 1900» steht da. Letzteres bezieht sich auf die Weltausstellung im Jahr 1900, die mit ihren Dekorationen und Produkten im Stil der «Art nouveau» als Höhepunkt der unbeschwerten Zeit vor dem Ersten Weltkrieg gilt: der Belle Epoque. Mit Or-namenten in stilisierten Pfl anzenformen und fl iessenden Linien wenden sich der «Jugendstil» (auch «Art nouveau») überall in Europa gegen die starren historisie-renden Formen der Kunstakademien und bildet das wichtige Bindeglied zur Klas-sischen Moderne.

Um 1900 ist «Art nouveau» insbeson-dere auf Plakaten allgegenwärtig. Sogar die Eingänge zur Pariser Metro erhalten gusseiserne Hinweisschilder mit verfl och-tenen Pfl anzenranken. Die Uhrenhersteller in der Schweiz entdecken den neuen Stil auf ihren Reisen in die europäischen Haupt-städte, wo sie die Uhren vertreiben, und sind davon verzaubert. Die neuen Deko-rationsformen fi nden auch Eingang in die Privathäuser der Wohlhabenden von La Chaux-de-Fonds, das nach einem Brand ab 1835 nach nüchternen Vorgaben im Schachbrettmuster neu aufgebaut und bald zu einer wichtigen Schweizer Stadt wird. An der dortigen Kunstgewerbeschule ent-wickelt sich ab 1900 eine eigene Variante des Jugendstils: der «Style sapin».

Seit der ersten Weltausstellung, die 1851 in London stattfand, hat sich die Produk-

tionsweise der ausgestellten Waren sehr verändert, besonders die Herstellung von Uhren. Bereits 1876, an der Weltausstel-lung in Philadelphia, zeigt sich die ameri-kanische Produktionsweise von Uhren mit der Mechanisierung von Arbeitsabläufen überlegen, wie der junge Ingenieur Jacques David von Longines den versammelten Schweizer Uhrenherstellern berichtet. In der Folge wird auch in der Schweiz, die weltweit die meisten Uhren herstellt, die Produktion zunehmend von der Heimar-beit und von Ateliers in Fabriken verlagert. Longines in Saint-Imier gehört zu den Pionieren dieser Entwicklung und unterhält bereits um 1900 eine der grössten Fabriken der Region. Über 600 Arbeiterinnen und Arbeiter sind dort beschäftigt.

werden Uhrengehäuse etwa nach Vorlagen des berühmten tschechischen Plakatkünst-lers Alphonse Mucha (1860–1939) deko-riert. Wer das wunderschöne Schwertlilien-motiv für eine silberne Herrentaschenuhr im Besitz des Uhrenmuseums Beyer (Bild rechts, oben) geschaffen hat, lässt sich heute leider nicht mehr feststellen. Die Silberarbeit aber ist vom bekannten ört-lichen Atelier Huguenin. Ebenfalls von Zenith stammt eine der schönsten Taschen-uhren des Uhrenmuseums Beyer: Ihr Ge-häuse mit einem Reigen tanzender Frauen verwirklicht einen Entwurf des Glaskünst-lers René Lalique – davon gibt es auf der ganzen Welt kaum mehr als ein halbes Dutzend (Bild rechts, Mitte).

Solche Schmuckuhren sind in der «Belle Epoque» sehr gefragt und erreichen eine neue Blüte. Insbesondere die Technik des Emaillierens wird in höchster Perfektion zelebriert. Hunderte von Menschen sind in der Schweiz nur mit dem Verzieren von Uhren beschäftigt. Und die sind auf der ganzen Welt gefragt. Sogar der berühmte Juwelier Tiffany in New York bestellt bei Patek Philippe Damen-Taschenuhren mit Jugendstil-Motiven (Bild rechts, unten). Mit der Verbreitung der Armbanduhren allerdings wird diese Schmuckkunst – vor-übergehend – bedeutungslos.

Doch zurück zu Belle, wer immer sie war. Bestimmt war sie entzückt ob der zierlichen Broschenuhr. Und bestimmt hegte sie die Uhr als besonderen Schatz, ist sie doch heute noch in bestem Zustand. Ob es wohl ein Grosskind von Charles und Belle war, das die Uhr fast 75 Jahre später in New York bei einer Auktion von Sotheby’s an Theodor Beyer verkauft hat? Jedenfalls meinen wir noch heute etwas zu spüren von der Aufregung und Freude, die Belle damals empfi nden musste, als sie diesen besonderen Schmuck mit dem schö-nen Schwung eines Möwenfl ügels geschenkt bekam von ihrem Charles. Wer immer dieser Mann mit dem guten Geschmack auch war.

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Unsere kleine Uhr ist also in einem der damals modernsten Betriebe angefertigt worden. Informationen über den Herstel-ler des Gehäuses gibt es leider nicht. Die Uhr wird aus der Fabrik am 11. April 1903 an die Firma Hauser in Paris verkauft, einem Longines-Vertreter für Frankreich.

Zu den sehr fortschrittlichen Herstellern von Uhren gehört in dieser Zeit auch die «Fabrique des Billodes» (heute Zenith), die 1865 in Le Locle von Georges-Emile Favre-Jacot (1843–1917) gegründet worden ist. Sie beschäftigt um 1905 über 500 Personen. Favre-Jacots Präzisionstaschenuhren ge-niessen einen ausgezeichneten Ruf und gewinnen ab 1903 regelmässig Wettbe-werbe des Observatoriums in Neuchâtel. Für die Gestaltung der Uhrengehäuse bemüht sich Favre-Jacot um die Zusam-menarbeit mit bedeutenden Künstlern. So

«Die Uhrenhersteller entdecken den neuen Stil auf ihren Reisen in die

europäischen Hauptstädte und sind verzaubert.»

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Oben: Die Silberarbeit dieser Taschen-uhr stammt aus dem bekannten Atelier Huguenin in Le Locle (um 1904). Mitte: Die äusserst rare Jugendstil-Taschenuhr zeigt ein Glaskunstwerk von René Lalique (um 1907).Unten: Die Damen-Taschenuhr wurde von Tiffany New York bei Patek Philippe in Genf bestellt (um 1900).

VOR DER SANIERUNG GRATIS INS MUSEUMNach einem Wasserschaden im Untergeschoss muss das Uhrenmuseum Beyer kom-plett geräumt werden, um das Mauerwerk zu sanieren. Das Museum bleibt von Mitte Mai bis zirka Mitte Oktober geschlossen. Eventuell werden Teile der Ausstellung an einem anderen Ort gezeigt (Infos auf www.beyer-ch.com). Damit man die eindrückliche Sammlung nochmals richtig geniessen kann, ist der Eintritt ins Musem am 14., 15. und 16. Mai gratis.

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Von Hans Holzach

So funktioniert ein CHRONOGRAPH

Dank Paul Newman gilt die Rolex Daytona als berühmtester Chronograph der Welt. Wir erklären, was sein Innerstes bewegt.

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AtelierWissenAtelierWissenAtelier

AUF DEN LETZTEN DRÜCKER

ie Uhr ist im Film «Winning» (1969) interessanterweise kaum je am Handgelenk von Paul Newman zu erkennen. Trotzdem wurde die Rolex Daytona dank diesem Film zum Kultobjekt. Denn mit dem Streifen begann Paul New-man seine Karriere als Autorennfahrer, und die Legende sagt, dass seiner Frau Joanne Woodward ihm zu diesem Anlass die Uhr geschenkt habe, damit sie ihm nicht nur die exakte Zeit anzeigt, sondern auch Glück bringt. Newman soll sie sein Leben lang getragen haben, bis zu seinem Tod 2008. Doch wie funktioniert so ein Chronograph eigentlich?

Im Gegensatz zu Bedienungsanleitungen von Mobiltelefonen oder einer Software-Installation nimmt sich die Gebrauchsan-weisung eines Chronographen wohltuend einfach aus: Oberen Knopf drücken, um ihn zu starten und zu stoppen; unteren Knopf drücken, um die Zeiger auf Null zu stellen. Aber wie so oft in der Uhrmacherei verbirgt sich hinter dieser einfachen An-wendung ein komplizierter Mechanismus. Der 1862 von Adolphe Nicole ersonnene Schaltrad-Mechanismus ist so durchdacht und so einfach zu bedienen, dass er in wenig veränderter Form noch heute eingesetzt wird. Ein in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhun-derts entwickelter Typ, der Chronograph mit Nockensteuerung, ist zwar ebenso zuverlässig, gilt aber als weniger edel.

Für jede der drei Funktionen Starten, Stoppen und Nullstellen ist ein Hebel zu-ständig: die Kupplungswippe (siehe Illus-tration auf der nächsten Doppelseite, Punkt 8), der Stopphebel (13) und der Herzhebel (26). Die Stellung der Hebel wird vom Schaltrad (5) gesteuert. Das Schaltrad (auch Säulen- oder Kolonnenrad genannt) besteht aus einem Rad mit 16 Zähnen, auf dem

DTickende Legende: Rolex Daytona

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Ein Mann, eine Uhr: Paul Newman am Start zum 24-Stunden-Rennen in Daytona Beach.

Der kleine UnterschieDChronographen sind zwar auch Stopp-uhren, aber eine Stoppuhr ist noch lange kein Chronograph. Schon 1800 gab es Taschenuhren mit stoppbarem Sekunden-zeiger. Durch das Stoppen wurde jedoch das gesamte Uhrwerk angehalten, so dass beim Stoppen von Zwischenzeiten der Zeitraum, in dem die Uhr angehal-ten war, zur Endzeit addiert werden musste. 1862 wurde die erste als Chro-nograph voll taugliche Taschenuhr vorge-stellt, 1880 entstand der heute gängige Zusatzmechanismus für den Stoppzeiger, ab 1930 setzten sich Armbanduhren mit zwei separaten Drückern durch.

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Wissen

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acht Säulen stehen. Wenn die Nase eines Hebels vor einer Säule liegt, kann der Hebel nicht weiter gegen das Zentrum des Schaltrads bewegt werden. Wird aber das Schaltrad um einen Zahn gedreht, fi ndet die Nase zwischen zwei Säulen Platz, und der Hebel wird etwas weiter bewegt.

Das Mitnehmerrad (7) sitzt fest auf der Achse des Sekundenrads, dreht sich einmal pro Minute und treibt das Kupplungsrad (11) an. Liegt die Nase der Kupplungswip-pe auf einer Säule, dann berührt das Kupp-

GENIALES HIRN1862 erfand Adolphe Nicole den Schaltrad-Mechanismus. Er bestimmt noch heute das Chronographenwerk.

des Stopphebels (13) zwischen zwei Säulen, und sein verlängertes unteres Ende berührt das Chrono-Zentrumrad (12). Sofort steht der Chronograph still. Einen winzigen Au-genblick später wird die Kupplungswippe gehoben und die Verbindung zum Mit-nehmerrad (7) unterbrochen. Der Chrono-graph kann nun mit dem Start/Stopp-Drü-cker wieder in Gang gesetzt werden.

Um den Chronographen auf null zu stellen, muss der Rückstellknopf (23) ge-drückt werden. Dabei wird das Schaltrad nicht bewegt, aber der Herzhebel (26) wird freigegeben. Weil seine Nase zwischen zwei Säulen liegt, erreicht sein Arm das soge-nannte Herz (24), das auf der Achse des Chrono-Zentrumrads liegt, und dreht dieses, bis der Chrono-Sekundenzeiger auf null steht. Auf seinem Weg Richtung Zen-

lungsrad das Chrono-Zentrumrad (12) nicht, und der Chrono-Sekun-denzeiger steht still. Wird nun der Start/Stopp-Drücker (1) betätigt, so

wird das Schaltrad um einen Zahn weiterbewegt, die Nase der Kupplungs-

wippe fällt zwischen zwei Säulen, das Kupplungsrad greift in das Chrono-Zen-trumrad ein, und der Chronograph wird gestartet. Ganz kurz zuvor wurde noch der Herzhebel (26), der den Chrono-Se-kundenzeiger in der Nullposition festhielt, gehoben und arretiert. Seine Nase liegt nun vor einer Säule, weshalb der Chro-nograph nicht auf null gestellt werden kann, solange er läuft.

Das Schaltrad dreht sich um einen wei-teren Zahn, wenn der Start/Stopp-Drücker nochmals betätigt wird. Jetzt fällt die Nase

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1 Start/Stopp-Drück- verlängerung

2 Schalthebel

3 Schalthebelhaken

4 Schalthebelfeder

5 Schaltrad

6 Schaltradraste

7 Mitnehmerrad

8 Kupplungshebel

10 Kupplungsbrücke

11 Kupplungsrad

12 Chrono-Zentrumrad

13 Blockierhebel

14 Blockierhebelfeder

15 Schaltfi nger des Chrono-Zentrumrads

16 Mitnehmerrad für Minutenzählerrad

17 Umsteller

18 Umstellerfeder

19 Minutenzählerrad

20 Minutenzählerrad- Raste

21 Feder für Minuten- zählerrad-Raste

22 Chronographenbrücke

23 Nullsteller

24 Herz des Chrono- Zentrumrads

25 Herz des Minuten- zählerrades

26 Herzhebel

27 Herzhebelfeder

28 Herzhebel- Verriegelungswelle

29 Feder für Herzhebel- Verriegelungswelle

30 Exzenter für Kupp- lungsdrehpunkt (Kupplungs- und Mitnehmerrad)

31 Exzenter für Kupp- lungsanschlag (Kupplungsr- und Chrono-Zentrumrad)

32 Exzenter für Umschal- ter (Schaltfi nger des Chrono-Zentrumrads und Mitnehmerrad des Minutenzählers)

trum hat der Herzhebel noch den Stopp-hebel vom Chrono-Zentrumrad gelöst, weil sonst die Verzahnung dieses Rads beschädigt würde. Damit ist der Chrono-graph wieder auf null gestellt und bereit für eine neue Messung.

Bei der Original-Daytona, die von 1963 bis 1988 produziert wurde, trieb noch ein Valjoux-Werk die Uhr an. Danach, bis ins Jahr 2000, wurde das berühmte El-Prime-ro-Werk von Zenith eingebaut. Die Ver-kaufszahlen der Daytona explodierten, und die Nachfrage übersteig bald das Angeobt. An der Begehrtheit änderte sich auch nichts, als Rolex die Uhr mit eigenem Werk neu aufl egte, denn die Stückzahl hielt man jetzt bewusst begrenzt. So kann es durchaus sein, dass man heute mehrere Jahre auf eine Daytona warten muss.

DREI KLASSIKER – NEU AUFGELEGTNeben der Daytona sind sie die Stars am Chronographenhimmel.

BREITLING NAVITIMER Der Fliegerchronograph wurde 1952 erstmals ge-fertigt. Seine komplexe Lünette verfügt über eine beidseitig drehbare logarith-mische Rechenschieberskala, mit der sich Treibstoff-verbrauch, Steig- oder Sinkfl ugraten und Durch-schnittsgeschwindigkeiten berechnen lassen.

CHOPARD MILLE MIGLIA Die italienische Rallye Mille Miglia fand ursprünglich von 1927 bis 1957 statt und wurde 1977 als Old-timerrennen wiederbelebt. Chopard sponsert die Rallye seit über zwanzig Jahren und stellt jährlich eine limitierte Uhr mit diesem Namen vor. Die Firma produziert das Kaliber mit Automatik-aufzug und 46 Stunden Gangautonomie selbst und lässt es offi ziell als Chrono-meter zertifi zieren.

IWC FLIEGERUHR CHRONOGRAPH Die «Fliegerchrono» wurde 1994 zum Erstfl ug frei-gegeben – und löste einen eigentlichen Fliegeruhren-Boom aus. Ihre Merkmale sind auch beim neuen Modell IW377701 das hochwertige Chronographenwerk und die Robustheit. Das Edel-stahlgehäuse birgt ein Innen-gehäuse aus Weicheisen zur Magnetfeldabschirmung.

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Swiss made

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STARS & STRIPESIn der Schule wurde unser Autor wegen seiner Künzli-Turnschuhe gehänselt – Jahre später war er mit denselben Sneakers plötzlich ein Trendsetter.

lenden wir zurück ins Jahr 1974. Der Jahreshit stamm-

te von Terry Jacks und hiess «Seasons In The Sun», bei reiferen

Schweizern war Ascona (der Opel und die Ortschaft am Lago

Maggiore) populär, und am 7. Juli gewann die BRD gegen die

Niederlande den WM-Final mit 2:1. Neben Musik und Boliden

war der Match wegweisend für uns Buben. Wir hatten zwar auf

Holland gehofft, aber letztlich orientiert man sich an Siegern.

Und die trugen nun mal Adidas.

So wurden die drei Streifen zum Statussymbol. Sie bestimm-

ten, wer «mittschutte» durfte, wer an Geburtstagsfeiern eingela-

den wurde und wen man links liegen liess. Zum Beispiel mich.

Meiner Tollpatschigkeit fi elen Unmengen an Kleidern zum

Opfer, darum kaufte das Mami meine Turnschuhe eben in der

Migros. Und die hatten blöderweise nur zwei Streifen. Tja. Dann

erlitt ich einen Bänderriss. Der Arzt sagte zu den Eltern: «Jetzt

braucht er Künzli-Schuhe, die bieten den besten Halt.» Als ich

sie anprobierte, dachte ich: «So lässig, die haben sogar fünf

Streifen!»

Zurück in der Klasse, musste ich feststellen, dass zwei Streifen

zu viel noch übler waren als einer zuwenig – ich wurde jetzt nicht

länger ignoriert, sondern als «Künzli-Bünzli» gehänselt. Schlim-

mer dran waren nur noch die armen Hippiekids, die in Birken-

stock-Sandalen auf die Strasse mussten. Kurz und nicht so gut:

Von Thomas Wyss Foto Martina Meier

1974 war für mich ein «annus horribilis», wie die Queen jeweils

so gescheit zu sagen pfl egt.

So was prägt, und so kam es, wie es kommen musste: Kaum

erwachsen, kaufte ich Monat für Monat jene Turnschuhe, die

laut Zeitgeist «voll angesagt» waren: Adidas, Nike, Reebok, Puma,

Asics, wieder Adidas, Onitsuka Tiger, Le Coq sportif, Converse.

Ich trug sie im Büro, auf Hawaii, beim Opernball, im Schnee, an

Beerdigungen, einmal sogar im Bett. Das war dann zu viel des

Guten: Urplötzlich hatte ich mein trendiges Getue satt. Um mich

wieder zu «erden», entschied ich vor etwa drei Jahren, fortan in

uncoolen Schuhen durch die Welt zu gehen.

Dabei erinnerte ich mich natürlich an die alte «Künzli-Bünzli»-

Story. Diese stieren Treter, dachte ich, sind perfekt für meine

Mission, und fuhr zum Fabrikladen in Windisch. Da angekommen,

glaubte ich, die Augen würden mich anlügen. Ich sah Stil! Und

Style! Und dann hatten die coolen Modelle auch noch originel-

le Namen wie «Goldesel», «Stradivari» oder «Blues»! Es machte

mich fertig, aber ich konnte nichts tun. Also erwarb ich die

«Stradivari» – und wurde damit widerwillig zum Trendsetter:

Es dauerte nämlich keine Woche, da hatten zwei junge Büro-

kollegen ebenfalls Künzli-Sneakers an den Füssen. Dabei sagte

einer voller Euphorie: «Fünf Streifen, Mann! Adidas ist ein Witz

dagegen.»

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bald mit klötzchen

Die Streifen sind Geschichte! Die Firma Künzli, 1927 in Trimbach bei Olten gegründet und seit 1959 im aargauischen Windisch daheim, verlor ihr Markenzeichen nach einem Rechtsstreit mit der Schuhfirma K-Swiss im Februar 2012 in letzter Instanz. Die Folge: Künzli muss in Deutschland auf die fünf Streifen verzichten. Als Nachfolgesymbol hat man fünf quadratische Klötzchen kreiert. Erstmals zu sehen sind sie auf den Neuheiten im Juli.

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DER BÜRKLIPLATZText Thomas Meyer Fotos Nathalie Bissig

Im wenig hübschen Kratzquartier entstand Anfang 19. Jahrhundert eine weite Fläche. Heute bildet sie das Zentrum des Geschehens – als Marktplatz, Verkehrsknotenpunkt, Aussichtspunkt und Party-Place.

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Ziel vieler Träume: Am Wochenmarkt treffen Gourmets auf Geniesser, am Flohmarkt Schnäppchenjäger auf Nostalgiker, an der Street Parade Raver auf Touristen.

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E s gab einmal eine Zeit, da war ein Platz noch ein Platz – eine leere Ebene unter freiem Himmel, da und dort von einzelnen Menschen und

Fuhrwerken durchkreuzt. Wer sich damals an einem solchen Ort aufhielt, muss ein Gefühl von endloser Weite und kraftvoller Stille empfunden haben.

Diese Zeit ist längst vorbei. Nüchtern besehen, handelt es sich bei den meisten Plätzen der modernen Welt um hektische Verkehrsknotenpunkte. Auch den Zürcher Bürkliplatz hat dieses Schicksal ereilt – we-nigstens in seiner einen Hälfte, wo sich die Trams von früh bis spät queren und die Autos vierspurig hintereinander hersausen. So schlimm ist es mit ihm gekommen, dass der Volksmund bloss noch jene Fläche als Bürkliplatz bezeichnet, wo die Märkte statt-fi nden und der Musikpavillon steht. Tat-sächlich jedoch umfasst der Bürkliplatz das gesamte Gebiet von der Nationalbank bis zum Seeufer und zur Quaibrücke hin. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts sah die Stadt

Wo die Zeit nicht stehen bleibt: Die Blumenuhr von Beyer ist heute eine beliebte Touristenattraktion.

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Der Bürkliplatz im Jahresrückblick: Hier werden Kerzen gezogen und Weihnachts-bäume verkauft. Hier wird gefeilscht, fl aniert, umgestiegen – und innegehalten.

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an dieser Stelle noch ganz anders aus. Das wenig hübsche Kratzquartier war solid ummauert vom äussersten Gürtel der Stadtbefestigung, hinter der sich 1799 die französischen Revolutions- und Besat-zungstruppen gegen die Russen und Ös-terreicher verteidigten und dank der 1802 Zürich von der Erstürmung durch die Truppen unter dem helvetischen General Andermatt verschont blieb.

EIN EPOCHALER DISPUT

Nur dreissig Jahre später lagen diese spek-takulären Ereignisse bereits in einer ande-ren Zeit. Es herrschte Frieden, und die Landbevölkerung verlangte nach Gleich-stellung mit der Stadt – und damit nach einem Abbruch der Schanzen, wie die massiven Bollwerke genannt wurden.

Es entbrannte ein wilder Streit: Die Schanzen seien ein überholtes Machtsym-bol, sagten die einen, unterstützt von denen, die darin eine Behinderung des Handels sahen, der sich durch die wenigen Tore zwängen musste. Andere befürchteten, die Stadt würde ohne Mauern in «ein offenes Dorf» verwandelt. Es war ein buchstäblich epochaler Disput. Schliesslich wurden die Schanzen geschleift. Einzig der Schanzen-graben ist übriggeblieben. Sein gezackter Verlauf zeigt noch heute, wo die kantigen Bollwerke einst standen.

So machte Zürich den ersten Schritt zur Weltoffenheit und erlebte einen unver-gleichlichen Aufbruch: Durch die Auf-schüttungen am Seeufer mit Material der ehemaligen Schanzen wurde Bauland gewonnen, übrigens exakt 216 256 Quad-ratmeter, und die radikale Umgestaltung des Kratzquartiers nahm ihren Anfang: 1864 entstand durch die Zuschüttung des Fröschengrabens die Bahnhofstrasse, 1887 wurden die neuen Quaianlagen eingeweiht, die der höchst umtriebige Stadtingenieur Arnold Bürkli geplant und verwirklicht hatte.

So war von der Enge bis zum Riesbach-quartier eine durchgehende Promenade

entstanden, mit Alleen, Wiesen, Parks und dem glanzvollen Herzstück, dem Stadt-hausplatz mit seiner Terrasse direkt am See. Am 2. und 3. Juli 1887 fand ein grosses Einweihungsfest statt, mit «Freiconcerten an den Quaiufern» und «Bombardement zur See», wie das «Programm der Festlich-keiten» verkündete.

1908, fünfzehn Jahre nach Bürklis Tod, wurde der Platz ihm zu Ehren in Bürkli-platz umbenannt. Eine Fotografi e aus dem Jahr 1893, aufgenommen aus dem Grand-hotel Bellevue, erzählt, wie der Platz damals ausgesehen hat: Auf der neuen Quaibrücke herrscht reger Verkehr – vier Gespanne und zwei Trams – und im Hintergrund ist der weitläufi ge und fast leere Bürkliplatz zu sehen, umgeben von vielen Bäumen. Ein Radfahrer hat ihn gerade überquert, und eine Frauengestalt im bodenlangen Rock spaziert zu seiner Mitte hin.

Es liegt viel Ruhe in diesem Bild. Weil der Platz so leer ist, weil er so offen ist und so weit. Weil er eben noch ein richtiger Platz ist, wie man es heute nicht mehr kennt – ein kleines Tor zum Himmel.

PLÄNE FÜR DAS BUNDESHAUSAls am 12. September 1848 die Schweizer Bundesverfassung verkündet wurde, wollte Zürich auf dem Gelän-de des heutigen Bürkliplatzes das Bundeshaus errichten. Hochtrabende Pläne wurden in Auftrag gegeben (Bild). Doch Bern erhielt den Zuschlag, und das bitter enttäuschte Zürich durfte dafür die ETH bauen.

Damals hiess er noch Stadthausplatz: Das Prunkstück 1893, kurz nach der Einweihung.

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Zeitgeist

1__ Welche Tageszeit ist Ihnen am wichtigsten, und wieso?In den Bergen der Morgen, wenn die Luft noch kristallklar ist. Am Meer der Nachmittag, wenn er langsam in den Abend übergeht.

2__ Wofür nehmen Sie sich gern Zeit, und warum?Um mit meinen Liebsten zusammen zu sein. Weil es nichts Schöneres und Wichtigeres gibt.

3__ Wann spüren Sie die innere Uhr?Wenn mir die Augen zufallen.

4__ Wann waren Sie das letzte Mal unpünktlich?Ich bin gerade dabei, toleranter mit mir zu werden … Das heisst, ich mache mich nicht mehr verrückt, wenn ich ein paar Minuten zu spät bin. Ausser bei der Arbeit natürlich. Wenn das Signet von «10vor10» läuft, gehts los, da gibts nichts zu verhandeln.

5__ Worin sind Sie der Zeit voraus, und wie tun Sie das?Ich glaube nicht, dass ich irgendwo der Zeit voraus bin. Wie kann ich das wissen, wenn ich doch mit-tendrin bin?

6__ Was verkörpert für Sie den heutigen Zeitgeist?Die Smartphones.

7__ Welche Zeitzeugen bewundern Sie?Einen Mann wie Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt: Unerschrocken und unbeirrbar steht da wie ein Fels. Eine Frau wie Lotti Latrous, die ihr Leben gibt für andere und dort anpackt, wo es am dringendsten ist.

8__ In welcher Zeit hätten Sie gern gelebt?Ich bin gern jetzt hier. Es sind spannende, turbulen-te Zeiten mit vielen Chancen und Möglichkeiten.

9__ Welche Erinnerung verbinden Sie mit Ihrer Armbanduhr?Sie ist ein Geschenk von meinem Mann. Es ist das zweite Exemplar: Das erste ist mir in Daressalam in Tansania während Dreharbeiten gestohlen worden.

10__ Was ist Zeit, ausser Geld?Die Zeit mag eine feste physikalische Grösse sein; in unserer Wahrnehmung ist sie es nicht. Sie quält einen fast täglich, ob sie nun zu schnell oder zu langsam verrinnt. Und ist sie einmal vergangen, kehrt sie nicht wieder zurück.

ist seit August 2011 Moderatorin der Nachrichten- sendung «10vor10» und prägte zuvor während zehn Jahren die Diskussionssen-dung «Club» im Schweizer Fernsehen. Die beliebte Schweizer Journalistin (46) ist verheiratet mit David Dimitri und hat zwei Kinder.

CHRISTINEMAIER

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