bicyclische verbindungen, iv1). dehydratisierung von tertiären methyl-bicyclooctanolen

19
1965 W. Kraus und R. Dewald 21 Bicyclische Verbindungen, IV 1) Dehydratisierung von tertiaren Methyl-bicyclooctanolen") von Wolfgang Kraus und Renate Dewald Aus dem Chemischen Institut der Universitat Tiibingen Eingegangen am 21. April 1965 Die Wasserabspaltung aus cis- und trans-2-Methyl-bicyclo[3.2.l]octanol-(2), 2-Methyl-bi- cyclo[2.2.2]octanol-(2) und cis-3-Methyl-bicyclo[3.2.l]octanol-(3) mit Jod, Phosphorsaure, Kaliumhydrogensulf at und p-Toluolsulfochlorid in Pyridin wird gaschromatographisch unter- sucht. Die Eliminierungen verlaufen teilweise unter Umlagerung, besonders in Gegenwart von Phosphorsaure. Neu synthetisiert werden 2-Methyl-bicyclo[3.2.l]octen-(2), 2-Methyl- bicyclo[2.2.2]octen-(2) und 3-Methyl-bicyclo[3.2.l]octen-(2) durch Dehydratisierung der ent- sprechenden tertiaren Alkohole, 2-Methylen-bicyclo[3.2.l]octan, 2-Methylen-bicyclo[2.2.2]oc- tan und 3-Methylen-bicyclo[3.2.l]octan durch Wittig-Reaktion aus den zugrundeliegenden Ketonen sowie 1 -Methyl-bicyclo[2.2.2]octen-(2). Der Verlauf der Wasserabspaltungen wird diskutiert . Alkylsubstituierte Bicyclooctene sind bisher in der Literatur nur selten beschrieben Zpatief und Mitarbeiterz) erhielten bei ihren Untersuchungen iiber die Cyclisierung von Terpenkohlenwasserstoffen in Gegenwart von Aluminiumoxid unter anderem das 2.6-Dime- thyl-bicyclo[3.2. I]octen-(2) und synthetisierten ein monomethyliertes Bicycloocten3), dessen Struktur allerdings ungeklart blieb. Es konnte sich sowohl urn das 7-Methyl-bicyclo[3.2.1]- octen-(6) als auch um das 7-Methylen-bicyclo[3.2.l]octan handeln. Katalytische Hydrierung fiihrte zum 7-Methyl-bicyclo[3.2.l]octan. Alder und Mitarbeiter4) schlossen aus dem Auftreten einer Bande bei 1374 cm-1 im IR-Spektrum eines Olefingemisches, welches sie durch Wasser- abspaltung aus 2-Hydroxymethyl-bicyclo[2.2.2]octan mit Phosphorsaure erhalten hatten, auf die Anwesenheit des 2-Methyl-bicyclo[2.2.2]octens-(2), isolierten jedocli den Kohlenwasser- stoff nicht. worden. *) Herrn Professor Dr. Eugen Miiller zum 60. Geburtstag gewidmet. Wolfgang Kraus. 1) 111. Mitteilung: W. Kraus, Liebigs Ann. Chem. 685, 97 (1965). 2) V. N. Ipatieff, G. J. Czajkowski und H. Pines, J. Amer. chem. SOC. 73, 4098 (1951), dort 3) V. N. Zpatieff, J. E. Germain, W. W. Thompson und H. Pines, J. org. Chemistry 17, 272 4) K. Alder, S. Hartung und G. Hausmann, Chem. Ber. 89, 1972 (1956). weitere Literatur. (1952).

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Page 1: Bicyclische Verbindungen, IV1). Dehydratisierung von tertiären Methyl-bicyclooctanolen

1965 W. Kraus und R. Dewald 21

Bicyclische Verbindungen, IV 1)

Dehydratisierung von tertiaren Methyl-bicyclooctanolen")

von Wolfgang Kraus und Renate Dewald

Aus dem Chemischen Institut der Universitat Tiibingen

Eingegangen am 21. April 1965

Die Wasserabspaltung aus cis- und trans-2-Methyl-bicyclo[3.2.l]octanol-(2), 2-Methyl-bi- cyclo[2.2.2]octanol-(2) und cis-3-Methyl-bicyclo[3.2.l]octanol-(3) mit Jod, Phosphorsaure, Kaliumhydrogensulf at und p-Toluolsulfochlorid in Pyridin wird gaschromatographisch unter- sucht. Die Eliminierungen verlaufen teilweise unter Umlagerung, besonders in Gegenwart von Phosphorsaure. Neu synthetisiert werden 2-Methyl-bicyclo[3.2.l]octen-(2), 2-Methyl- bicyclo[2.2.2]octen-(2) und 3-Methyl-bicyclo[3.2.l]octen-(2) durch Dehydratisierung der ent- sprechenden tertiaren Alkohole, 2-Methylen-bicyclo[3.2.l]octan, 2-Methylen-bicyclo[2.2.2]oc- tan und 3-Methylen-bicyclo[3.2.l]octan durch Wittig-Reaktion aus den zugrundeliegenden Ketonen sowie 1 -Methyl-bicyclo[2.2.2]octen-(2). Der Verlauf der Wasserabspaltungen wird diskutiert .

Alkylsubstituierte Bicyclooctene sind bisher in der Literatur nur selten beschrieben

Zpatief und Mitarbeiterz) erhielten bei ihren Untersuchungen iiber die Cyclisierung von Terpenkohlenwasserstoffen in Gegenwart von Aluminiumoxid unter anderem das 2.6-Dime- thyl-bicyclo[3.2. I]octen-(2) und synthetisierten ein monomethyliertes Bicycloocten3), dessen Struktur allerdings ungeklart blieb. Es konnte sich sowohl urn das 7-Methyl-bicyclo[3.2.1]- octen-(6) als auch um das 7-Methylen-bicyclo[3.2.l]octan handeln. Katalytische Hydrierung fiihrte zum 7-Methyl-bicyclo[3.2.l]octan. Alder und Mitarbeiter4) schlossen aus dem Auftreten einer Bande bei 1374 cm-1 im IR-Spektrum eines Olefingemisches, welches sie durch Wasser- abspaltung aus 2-Hydroxymethyl-bicyclo[2.2.2]octan mit Phosphorsaure erhalten hatten, auf die Anwesenheit des 2-Methyl-bicyclo[2.2.2]octens-(2), isolierten jedocli den Kohlenwasser- stoff nicht.

worden.

*) Herrn Professor Dr. Eugen Miiller zum 60. Geburtstag gewidmet. Wolfgang Kraus. 1) 111. Mitteilung: W. Kraus, Liebigs Ann. Chem. 685, 97 (1965). 2) V. N. Ipatieff, G. J. Czajkowski und H. Pines, J. Amer. chem. SOC. 73, 4098 (1951), dort

3) V. N . Zpatieff, J. E. Germain, W. W. Thompson und H. Pines, J. org. Chemistry 17, 272

4) K. Alder, S. Hartung und G . Hausmann, Chem. Ber. 89, 1972 (1956).

weitere Literatur.

(1952).

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22 W. Kraus und R . Dewald Bd. 689

2-Athyl-bicyclo[2.2.2]octen-(2) und 2-Athyliden-bicyclo[2.2.2]octan erhielten kurzlich van Binst und Mitarbeiters) bei der Dehydratisierung von 2-Athyl-bicyclo[2.2.2]octanol-(2) mit Thionylchlorid.

Fur die Untersuchung von Umlagerungen in der Bicyclooctanreihe war es notwendig, die Methylbicyclooctene 1, 2, 3 und 4 sowie die Methylenbicyclooctane 5, 6 und 7, die bisher noch nicht beschrieben wurden, in moglichst reiner Form darzustellen.

2 - Methyl-bicyclo- 2 - Methyl-bicyclo- 3- Methyl- bicyclo- [ 3.2.1 ]octen-(2) [2 .2.2 ]octen-(2) [3.2.1 Iocten-( 2 )

1-Methyl-bicyclo- 2-Methylen-bicyclo- 3-Methylen-bicyclo- [2.2.2 ]octen-(2) [3.2.l]octan [3.2.1 Ioctan

2 - Methylen- bicyclo- [2.2.2]octan

Zur Synthese der Kohlenwasserstoffe 1 -3 bot sich die Wasserabspdltung aus den entsprechenden tertiaren Alkoholen an, die durch Grignardierung der zugehorigen Ketone mit Methylmagnesiumjodid zuganglich sind 1). Da jedoch der Verlauf der Dehydratisierung cyclischer Alkohole besonders mit tertiarem Hydroxyl stark von

5 ) C . van Binst, J . C . Nouls und R . H. Martin, Bull. SOC. chim. belges 73, 226 (1964); die Zuordnung erfolgte auf Grund der NMR- und IR-Spektren. Fur das 2-.&thyLbicyclo- [2.2.2]octen-(2) wurde die Bande bei 695 cm-1 als charakteristisch angesehen. In diesem Bereich liegen jedoch die Absorptionen der an der Doppelbindung nicht substituierten Bicyclene, wie Bicyclo[2.2.2]octen6) oder Bicyclo[3.2.l]octen-(2)7). Fur die oben genannte Verbindung sollte man eine Absorption bei 800 cm-1 erwarten7-9) (vgl. Seite 31).

6 ) J . Hine, J . A . Brown, L. H . Zalkow, W. E. Gardner und M . Hine, J. Amer. chem. SOC. 77, 594 (1955).

7) H . Krieger, Suomen Kernistilehti B 35,136 (1962) [C. A. 58, 5535 (1963)l; B 37, 148 (1964). 8) E. Pulkkinen, Suomalaisen Tiedeakatemian Toimituksia [Ann. Acad. Sci. fennicae],

9) E. Pulkkinen, Suomen Kemistilehti B 31, 125 (1958) [C. A. 52, 17315 (1958)l. Sarja A. TI. 74, 86 (1956) [C . A. 52, 1959 (1958)l.

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1965 Bicyclische Verbindungen, IV 23

der Struktur und den auBeren Bedingungen abhangt 7,10-17), muBte zunachst geklart werden, wie sich die tertiaren Methyl-bicyclooctanole bei der Wasserabspaltung mit Jod 101, Phosphorsaure7,11-13), Kaliumhydrogensulfat 7,14-16) und p-Toluolsulfo- chlorid in Pyridin17) verhalten.

Bei einer saurekatalysierten Wasserabspaltung, die im Falle der tertiaren Methyl- bicyclooctanole uber ein tertiares Carbenium-Ion verlauft, sind aus cis- und trans- 2-Methyl-bicyclo[3.2.l]octanol-(2) (8) die im Formelschema aufgezeichneten Produkte zu erwarten.

Neben der normalen Stabilisierung des Carbeniumions 8a durch Protonenabspal- tung zu 1 oder 5 ist besonders in Gegenwart von Phosphorsaure oder Kaliumhydro-

4 H3

>- cis - 8

trans-8

10) W. A. Mosher, J. Amer. chem. SOC. 62, 552 (1940). 11) J. W. Huflmun und J. E. Engle, J. org. Chemistry 26, 3116 (1961). 12) D. G . Botteron und G. P. Shulman, J. org. Chemistry 27, 2007 (1962). 13) L. S . McNumarn und C. C. Price, J. org. Chemistry 27, 1230 (1962). 14) H. Christol, R. Jacquier und M. Mousseron, Bull. SOC. chim. France 1958, 248. 15) A . W. Allan, R. P. A . Sneeden und J. M . Wilson, J . chem. SOC. [London] 1959, 2186. 16) V. P. Hirsjarvi, Suomen Kemistilehti B 36, 51 (1963) [C. A. 59, 5035 (1963)l. 17) H. C. Brown und J. Moritani, J. Amer. chem. SOC. 78, 2203 (1956).

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24 W. Kraus und R . Dewald Bd. 689

gensulfat mit Umlagerungen zu rechnen, da sich die positive Ladung in z-Stellung zum Bruckenkopf befindet, ahnlich wie dies bei Bicycloheptyl-Kationen seit langem bekannt ist7.18). Wahrend jedoch dort aus einem Bicyclo[2.2.1]heptan-System wieder ein Ricyclo[2.2.1 Jheptan-System entsteht, ergeben sich fur das Bicyclo[3.2. I]octyl-(2)- Kation zwei Moglichkeiten der Isomerisierung. Wanderung der Bindung C-1 -C-7 fuhrt iiber das Kation 8 b zum l-Methyl-bicyclo[2.2.2]octen-(2) (4), also zu einem anderen Ringsystem. Wird dagegen die Bindung C-1 -C-S gelost, so bleibt im Kation 8c/8c' das ursprungliche Kohlenstoffskelett erhalten. Durch Protonenabspaltung entsteht dam l-Methyl-bicyclo[3.2.l]octen-(2) (9). 8c' kann seinerseits durch erneute Wanderung der Bindung C-1 -C-7 in das tertiare Kation 8d ubergehen, aus dem sich die Olefine 2 und 7 bilden konnen.

Analoge uberlegungen gelten fur die Dehydratisierung von 2-Methyl-bicyclo[2.2.2]- octanoL(2) (10) (vgl. Formelschema). Direkte Protonenabspaltung aus 10a er- gibt die Olefine 2 und 7, durch Umlagerung zum Bicyclo[3.2.l]octyl-(2)-Kation entstehen die Jsomeren 1, 5 und 9 uber die Kationen 10b und 10c; 1Oc kann sich

7 6

18) Vgl. J . A . Berson, in P . de Mayo, Molecular Rearrangements, Interscience Publ., New York 1963, S. lllff.

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1965 Bicyclische Verbindungen, IV 25

unter Ruckbildung des ursprunglichen Kohlenstoffgerusts erneut umlagern, wobei uber 10d 1 -Methyl-bicyclo[2.2.2]octen-(2) (4) gebildet wird.

Umlagerungen vom Bicyclo[2.2.2]octan- in das Bicyclo[3.2.l]octan-System und umgekehrt sind bei Solvolysereaktionen von sek. Bicyclooctyl-sulfonsaureestern, die ebenfalls iiber Kationen verlaufen, und bei Versuchen zur Hydratisierung von Bicycloocten bereits mehrfach nachgewiesen worden18-20), ebenso Ubergange durch Losung der Bindung C-1 -C-8 inner- halb des Bicyclo[3.2.l]octyl-(2)-Kations 20). Allerdings handelte 2s sich bei diesen Umsetzungen um vornehmlich kinetisch kontrollierte Reaktionen, wahrend die nachstehend besprochenen Dehydratisierungen der thermodynamischen Konlrolle unterliegen.

Wasserabspaltungen Die folgenden Versuche wurden unter jeweils gleichen Bedingungen durchgefiihrt,

die Analyse der Olefingemische erfolgte ohne vorherige Reinigung der Produkte rnit Hilfe der Gaschromatographie an einer Polypropylenglykol-Kapillarsaule (Bedin- gungen und Retentionszeiten s. S. 35). Zur Jdentifizierung der Kohlenwasserstoffe dienten neben der Gaschromatographie die IR-Spektren (s. S. 31).

A. cis- und truns-2-Methyl-bicyclo[3.2.l]octanol-(2) und 2-Methylbicyclo- [2.2.2]octanol-(2) a) Mit Jod

Die Wasserabspaltung aus tertiaren Cyclanolen rnit Jod-Katalyse wurde von Moshevlo) an 1-Methyl-, 1-Athyl- und 1-Isopropyl-cyclohexanol untersucht. Hierbei zeigte sich, dal3 bevorzugt, im Falle des 1-Methyl-cyclohexanols ausschliel3lich, die Olefine rnit endocyclischer Doppelbindung gebildet werden. Die nach dieser Methode mit den tertiaren Methyl-bicyclooctanolen erhaltenen Ergebnisse sind in Tabelle 1 zusammengefal3t.

Tabelle 1. Wasserabspaltung aus cis-8, trans-8 und 10 rnit Jod

eingesetzter Reaktionsprodukte *)

Alkohol 1 2 4 5 7 9

cis4 95.0 % - 1.5% 2.0 % - 1.5% trans-8 93 .o ~- 1 .o - 4.0 2.0 10 - 84.5 % 0.5 - 15.0 % -

*) Gaschromatographisch ermittelt.

19) 19a) M. S. Newman und Y. Tien Yu, J. Amer. chem. SOC. 74, 507 (1952). - 19b) A . F. Bickel, J. Knotnerus, E. C. Kooyman und G . C. Vegter, Tetrahedron [London] 9, 230 (1960). - 1%) H. L. Goering und M. F. Sloan, J. Amer. chem. SOC. 83, 1397, 1992 (1961). - 19d) H. M. Walborsky, J. Webb und C. G . Pitt, J. org. Chemistry 28, 3214 (1963); H. M. Walborsky. M. E. Baum und A . A . Youssef, J. Amer. chem. SOC. 83, 988 (1961).

20) Vgl. J. A . Berson und P . Reynolds-Warnhoff, J. Amer. chem. SOC. 86, 595 (1964); J. A . Berson und D . Willner, ebenda 86, 609 (1964).

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26 W. Kraus und R . Dewald Bd. 689

Hieraus geht hervor, da13 aus den beiden 2-Methyl-bicyclo[3.2.l]octanolen-(2) (8), wie nach Mosher zu erwarten, das Olefin 1 mit endocyclischer Doppelbindung in weit iiberwiegender Menge gebildet wird; der Anteil an Methylenverbindung 5 (2 %) ist nur gaschromatographisch, jedoch nicht mehr IR-spektroskopisch nachweisbar. Daneben entstehen noch die Umlagerungsprodukte 4 und 9 in geringer Menge. Die Konstellation der OH-Gruppe (cis-8 aquatorial, trans-8 axial) beeinflurjt die Richtung der Eliminierung praktisch nicht (vgl. Seite 27, 33).

Das 2-Methyl-bicyclo[2.2.2]octanol-(2) (10) dagegen weicht in seiner Reaktions- weise von derjenigen seiner Isomeren deutlich ab. Hier entstehen neben 84.5% des erwarteten endo-Olefins 2 immerhin 15 ”/, der Methylenverbindung 7. Hier macht sich offenbar die gegeniiber den1 Ricyclo[3.2.l]octen-System etwas erhohte Ring- spannung des Bicyclo[2.2.2]octen-Systems bemerkbar, die sich auch im IR-Spektrum der unsubstituierten Olefine in einer Verschiebung der C=C-Valenzschwingung von 1639 und 1648 cm-1 bei Bicyclo[3.2.l]octen-(2)7) nach 1614 cm-1 beim Bicyclo[2.2.2]- octen-(2) auiuBert21) (vgl. Seite 31). Bemerkenswert ist, da13 auch in dem aus 10 er- haltenen Kohlenwasserstoffgemisch das Umlagerungsprodukt 4 (0.5 %), aber kein 9 nachweisbar ist.

b) Mit Phosphorsaure

Die Dehydratisierung mit 85-proz. Phosphorsaure lie13 nach den Ergebnissen friiherer Autoren7.11-13919) einen wesentlich hoheren Anteil an Nebenprodukten erwarten. Aus Tabelle 2 ist ersichtlich, dal3 der Anteil an Umlagerungsprodukten tatsachlich bedeutend hoher ist als bei der Eliminierung mit Jod. Aus cis- und trans-8 entsteht 1 zwar immer noch als Hauptprodukt neben 1.5 der Methylenverbindung 5, jedoch betragt der Anteil der Umlagerungsprodukte 4 und 9 zusammen immerhin uber 20 %, wovon 2/3 auf das l-Methyl-bicyclo[3.2.l]octen-(2) (9) entfallen. Die Konstel- lation der OH-Gruppe beeinfluljt auch hier die Richtung der Abspaltung nicht.

Tabelle 2 . Wasserabspaltung aus cis-8, trans-8 und 10 mit 85-proz. Phosphorsaure

eingesetzter Alkohol

nicht Reaktionsprodukte identi-

2 4 5 7 9 fiziert

cis-8 17.5 % - 7.5% 1.5% - 13.5% -

trans-8 76.5 - 7.5 1.5 - 14.5 -

10 23 .O 32.0% 12.0 1 .o 4.0% 20.0 8.0%

Das aus 10 erhaltene Olefingemisch enthalt dagegen nur noch 32 % des erwarteten 2-Methyl-bicyclo[2.2.2]octens-(2) (2) neben 4 % Methylenverbindung 7 und 64 % der Umlagerungsprodukte 1, 4, 5, 9 und zweier weiterer Komponenten (873, deren Struktur noch nicht feststeht. Moglicherweise sind sie durch Ringerweiterung, Ring-

21) P. von Ragud-Schleyer, J. Amer. chem. Soc. 80, 1700 (1958).

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1965 Bicyclische Verbindungen, IV 27

verengung oder Ringoffnung entstanden, also durch Nebenreaktionen, wie sie bei saurekatalysierten Dehydratisierungen haufig beobachtet werden22.23) ; im Falle des Hydroxymethyl-norbornans ist die Ringenveiterung sogar die Hauptreaktion 7) .

c) Mit Kaliumhydrogensulfat

Die Ergebnisse sind in Tabelle 3 zusammengestellt. Hieraus geht hervor, da13 bei dieser Reaktion Umlagerungen oder Ringverengungen, wie sie bei Cyclohexanol- derivaten gelegentlich beobachtet worden sind15,16), fast uberhaupt nicht eintreten. Dagegen wird die Zusammensetzung der Produkte stark in Richtung der Methylen- verbindungen 5 und 7 verschoben. Bei den 2-Methyl-bicyclo[3.2.l]octanolen-(2) ist ein geringer EinfluR der Konstellation insofern vorhanden, als aus der cis-Verbindung etwas mehr 5 gebildet wird als aus dem trans-Isomeren.

Tabelle 3. Wasserabspaltung aus cis-8, transd und 10 mit KHS04

eingesetzter Reaktionsprodukte Alkohol 1 2 4 5 7 9

cis-8 83.0% - - 16.0% - 1.0% trans-8 89.5 - 10 1 .o 71.5% 1.3% - 26.0 % 0.2

- - - 10.5

d) Mit p-Toluolsulfochlorid in Pyridin

Uber die Dehydratisierung tertiarer Alkohole mit Saurechloriden in Pyridin ist verschiedentlich berichtet worden. Meist benutzte man dazu Phosphoroxychlorid24). Es ergab sich, daD tertiare Cyclanole mit axialem Hydroxyl uberwiegend das Oleiin niit endocyclischer Doppelbindung liefern, sofern die OH-Gruppe an einem fixierten Cyclohexanring gebunden ist24b9 c), wahrend aus den Alkoholen mit aquatorialem Hydroxyl uberwiegeqd das Olefin mit semicyclischer Doppelbindung entsteht 24b, c).

Aus 1-Methyl-cyclohexanol bildet sich 1-Methyl-cyclohexen zu 99 %; dagegen liefert 1-MethyLcycloheptanol75 % endo- und 25 % exo-Olefin z4d). Bei der Wasserabspaltung aus den beiden Methyl-bicyclo[3.2.l]octanolen-(2) (8), in denen die Konformation der OH-Gruppen durch die diaxiale kthylenbrucke fixiert ist25), war demnach ein

22) Vgl. Lit. 11-13). 23) N . C. Deno und J. J . Houser, J. Amer. chem. SOC. 86, 1741 (1964); N. C. Deno und C. U.

Pittman j r . , ebenda 86, 1744 (1964). 24) 2 4 4 S. A. Julia und H . Heusser, Helv. chim. Acta 35, 2080 (1952). - 24b) H. Heusser,

N . Wahba und F. Winternitz, ebenda 37, 1052 (1954). - 2 4 ~ ) D . H. R . Barton, A. da S . Campos-Neves und R . C. Cookson, J . chem. SOC. [London] 1956,3500. - 24d) R . R . Sauers, J . Amer. chem. SOC. 81, 4873 (1959). - 24%) B. Cross und C . H. Whitham, J . chem. SOC. [London] 1960, 3892. - 2 4 ) R. R. Sauers und J. M. Landesberg, J. org. Chemistry 26, 964 (1961).

2 5 ) W. Kraus, Chem. Ber. 97, 2719 (1964).

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28 W. Kraus und R . Dewald Bd. 689

wesentlicher EinfluB der Konformation, und damit der Konfiguration, auf die Richtung der Eliminierung zu erwarten.

Die Abspaltung wurde mit p-Toluolsulfochlorid in Pyridin 26) durchgefiihrt. Die Ergebnisse (Tabelle 4) zeigen, daD aus der &Verbindung rnit aquatorialem Hydroxyl tatsachlich bedeutend mehr Methylenverbindung 5 gebildet wird als aus dem trans- Isomeren mit axialer OH-Gruppe, wodurch die Ergebnisse von Heusser 24b) und von Barton 24c) bestaitigt werden.

Tabelle 4. Wasserabspaltung aus cis-8, trans-8 und 10 rnit p-Toluolsulfochlorid in Pyridin

eingesetzter Reaktionsprodukte Alkohol 1 2 4 5 7 9

cis-8 58.0% - - 41.5% - 0.5 % - - - 15.0 transd 85.0 -

10 - 56.0 % - - 44.0% -

Noch deutlicher unterscheidet sich das aus 10 gebildete Olefingemisch in seiner Zusammensetzung (Tab. 4) von den nach den anderen Methoden erhaltenen Produkten (vgl. Tabellen 1 -3). Das Verhaltnis von endo- zu semicyclischem Olefin betragt 56 : 44. Hier durfte wieder die gegenuber dem Bicyclo[3.2.1]octen-System etwas hohere King- spannung eine Rolle spielen (vgl. s. 31). Die Ringspannung ist auch bei der Wasser- abspaItung aus exo- und endo-2-Methyl-norborneol mit Phosphoroxychlorid in Pyridin fur die uberwiegende Bildung des semicyclischen Olefins mit verantwortlich 24d). Um- lagerungen oder Ringoffnungen, wie sie von Sauers 24f) beim Methyl-nopinol beobach- tet wurden, treten bei den Methyl-bicyclooctanolen nicht ein.

B. cis-3-Methyl-bicyclo13.2.1 )octanol-(3) Die Ergebnisse der Dehydratisierung des cis-3-Methyl-bicyclo[3.2.l]octanols-(3) sind

in Tabelle 5 zusammengestellt. Umlagerungsprodukte sind in den Olefingemischen naturgemaB nicht enthalten, da die Hydroxylgruppe der Briicke nicht benachbart ist. Etwa 2% einer Komponente unbekannter Struktur, deren Retentionszeit zwischen der von 3 und 6 liegt, sind in allen Produkten zu finden; vielieicht entstand diese Komponente aus einer gaschromatographisch nicht nachweisbaren Verunreinigutlg des Ausgangsalkohols. Der Anteil an Methylenverbindung 6 ist auch hier bei der Abspaltung mit Kaliumhydrogensulfat und p-Toluolsulfochlorid in Pyridin etwas hoher als bei der Abspaltung mit Jod oder Phosphorsaure, wenn auch die Unterschiede bei weitem nicht so drastisch sind wie in den oben beschriebenen Fiillen. Bemerkens- wert ist, daD die Dehydratisierung rnit 85-proz. Phosphorsaure ein fast reines endo- Olefin liefert.

2 6 ) H. C. Brown und I . Moritani, J. Amer. chem. SOC. 78, 2203 (1956).

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1965 Bicyclische Verbindungen, IV 29

Tabelle 5. Wasserabspaltung aus cis-3-Methyl-bicyclo[3.2.l]octanol-(3) mit Jod, 85-proz. Phosphorsaure, KHS04 und p-Toluolsulfochlorid in Pyridin

Dehydratisierungs- Reaktionsprodukte mittel 3 6 nicht identifiziert

J2 94.0 % 3.5 % 2.5 % H3P04 95.0 2.5 2.5 KHS04 88.5 9.5 2.0 p-Tosylchloridl 91 .O 6.5 2.5 Pyridin

C. Darstellung der Kohlenwasserstoffe Zur Reindarstellung des 2-Methy/-bicyc/o[3.2.I]octens-(2) (1) geht man zweckmal3ig

von einem Bicyclooctanon-Gemisch27) aus, das nach Nedenskov28) aus 2-Hydroxy- methyl-norbornan durch Ringerweiterung zuganglich ist. Grignardierung rnit Methyl- magnesiumjodid in k h e r 1) fuhrt zu einem Gemisch tertiarer Methyl-bicyclooctanole, die man mit Jod durch mehrstundiges Erhitzen dehydratisiert. Durch Fraktionierung des mehrmals uber Natrium destillierten Rohprodukts iiber eine Drehbandkolonne erhalt man 2-Methyl-bicyclo[3.2.l]octen-(2), Sdp. 152.5", das nur noch etwas Methylen- verbindung enthalt. Der durch Hydrierung mit Palladium/Calciumcarbonat erhaltene gesattigte Kohlenwasserstoff ist laut IR-Spektrum rnit dem von Ipatief3) beschrie- benen Methyl-bicyclooctan nicht identisch.

2-Methy/-bicyclo[2.2.2]octen-(2) (2) wurde durch Wasserabspaltung aus 2-Methyl- bicyclo[2.2.2]octano1-(2) 1) mit Jod dargestellt, aber nicht weiter gereinigt (Sdp. 148.5 -149"); 3-Methyl-bicyclo[3.2.I]octen-(2) (3), Sdp. 152", erhalt man aus cis- 3-Methyl-bicyclo[3.2.l]octanol-(3)~~ rnit 85-proz. Phosphorsaure.

Als Ausgangsstoff zur Darstellung des l-Methy/-bicyc/o[2.2.2]octens-(2) (4) diente 1 -~thoxycarbonyl-bicyclo[2.2.2]octen, das nach Grob 29) aus Cyclohexadien-( 1.3)- carbonsaure-(1)-athylester mit Maleinsaureanhydrid, Hydrierung, Verseifung und oxydativer Bisdecarboxylierung des Addukts rnit Bleitetraacetat in Pyridin zuganglich ist. Reduktion des Esters rnit Lithiumalanat in lither fiihrte zum 1-Hydroxymethyl- bicyclo[2.2.2]octen-(2), Sdp.10 104", dessen Struktur durch Hydrierung mit Palladium/ Calciumcarbonat zum 1 -Hydroxymethyl-bicyclo[2.2.2]octan, Schmp. 61 -62" (Lit. 29)

61.5-62") und Uberfiihrung in dessen Tosylat, Schmp. 79-79.5" (Lit. 29) 73 und 79", dimorph) sichergestellt wurde. Mit p-Toluolsulfochlorid in Pyridin erhielt man aus dem l-Hydroxymethyl-bicyclo[2.2.2]octen das Tosylat, Schmp. 94.5 -96", und redu-

27) W . Kraus. Chem. Ber. 97, 2726 (1964). 28) P . Nedenskov, H . Heide und N. Clauson-Kaas, Acta chem. scand. 16, 246 (1962). 29) C. A . Grob, M. Ohta, E. Renk und A . Weiss, Helv. chim. Acta 41, 1191 (1958).

Page 10: Bicyclische Verbindungen, IV1). Dehydratisierung von tertiären Methyl-bicyclooctanolen

30 W. Kraus und R. Dewald Bd. 689

zierte dieses rnit Lithiunialanat in Ather zum l-Methyl-bicyclo[2.2.2]octen-(2) (4, Sdp. 140- 141". Der Kohlenwasserstoff war nach Destillation iiber Natrium gas- chromatographisch rein.

Methylenverbindungen

2-Methylen-bicyclo[3.2.Iloctan (5) lie13 sich, wenn auch nicht in reiner Form, durch Reformatzky-Synthese aus Bicyclo[3.2.l]octanon-(2) mit Bromessigsaureathylester und amalgamiertem Zink rnit nachfolgender Wasserabspaltung aus dem Hydroxyester, Verseifung und Decarboxylierung nach WaNuch30) darstellen. Nach der gaschromato- graphischen Analyse enthielt es 22 1. Bessere Ergebnisse waren mit Hilfe der Wittig- Reaktion zu erzielen, die in mehreren Varianten durchgefiihrt wurde. Die Reaktion des Bicyclo[3.2.1]octanons-(2) rnit dem nach Wittig31) aus Methyl-triphenyl-phos- phoniumbromid rnit n-Butyllithium erhaltenen Ylid fiihrte zu 2-Methylen-bicyclo- [3.2.1]octan, das nur 4.5% 1 enthielt, allerdings in einer Ausbeute von nur 23%. Aussichtsreicher erschien dagegen eine neue Methode, die kiirzlich von Corey und Mitarbeitern32) beschrieben und von Drefahl und Mitarbeitern331 rnit gro13em Erfolg zur Olefinierung von Steroidketonen verwendet wurde. Hierbei erzeugt man das Ylid mit Kalium-tert.-butylat in Dimethylsulfoxid und versetzt rnit einer Losung des Ketons in Benzol33). Die Anwendung dieses Verfahrens auf das Bicyclo[3.2. llocta- non-(2) zeigte jedoch, da13 Benzol als Losungsmittel nur bei der Darstellung kristalli- sierbarer Olefine geeignet ist. Vom 2-Methylen-bicyclo[3.2. lloctan (5) lie13 es sich trotz dessen wesentlich hoheren Siedepunkts (1 54") nur schwer abtrennen. Die Reinausbeute an Olefin betrug deshalb wiederum nur 25 %. Verwendete man Ather als Losungsmittel fur das Keton, so erhohte sich die Ausbeute auf 47.5 %. Allerdings enthielt das nach Drefahl dargestellte 5 noch 18-2004 1.

3-Methylen-bicyclo[3.2.l]octan (6) entstand bei der Wittig-Reaktion nach DrefUhW) aus Bicyclo[3.2.l]octanon-(3) in Ather in nur 12-proz. Ausbeute. Es enthielt 8 % des Isomeren 3 rnit endocyclischer Doppelbindung. Das Bicyclo[2.2.2]octanon-(2) lieferte nach dem gleichen Verfahren 25 % eines Gemisches aus 2-Metlzylen-bicyclo[2.2.2]octan (7; 83%) und 2 (17%).

IR-Spektren und Konstitution der Olefine Die Struktur der besprochenen Bicqclene wurde rnit Hilfe der IR-Spektren eindeutig

ermittelt. In Tabelle 6 sind die charakteristischen Banden der Kohlenwasserstoffe 1-7 zusammengefaRt. Zum Vergleich sind die beiden unsubstituierten Bicyclooctene mit in die Tabelle aufgenommen.

30) 0. Wallach und J . B. Churchill, Liebigs Ann. Chem. 360, 70 (1908). 31) G. Wittig und U . Schollkopf, Chem. Ber. 87, 1318 (1954). 32) R. Greenwald, M. Chaykovsky und E. J. Corey, J. org. Chemistry 28, 1128 (1963). 3 3 ) G. Drefahl, K . Ponsold und H. Schick, Chem. Ber. 98, 604 (1965).

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1965 Bicyclische Verbindungen, IV 31

Tabelle 6. IR-Spektren der Kohlenwasserstoffe 1-7, des Bicyclo[2.2.2]octens-(2) und Bicyclo[3.2.l]octens-(2)

Kohlenwasserstoff =C-H C=C =C-H -CH3 Wagging Valenz Valenz Deformation

1 2-Methyl-bicyclo[3.2.l]octen-(2)

2 2-Methyl-bicyclo[2.2.2]octen-(2) 3 3-Methyl-bicyclo[3.2.l]octen-(2)

4 l-Methyl-bicyclo[2.2.2]octen-(2) 5 2- Methylen-bicyclo[3.2. lloctan

6 3-Methylen-bicyclo[3.2. lloctan

7 2-Methylen-bicyclo[2.2.2]octan

Bicyclo[2.2.2]octen-(2)6,21,34) Bicyclo[3.2.l]octen-(2) 7)

787 cm-1 1665 cm-1 805 800 1650

(802) (1643) 819 1656 690 1614 878 1645

1770 884 1643

1780 872 1655

1755 690 1614 683 1639

(1648)

3035 cm-1 1376 cm-1

3030 1375

3035 1376 3035 1370 3070 -

3070 -

3070 -

Die Lage der =CH-Waggingschwingungen der Olefine 1-3 weist eindeutig darauf hin, daR die Doppelbindung drei Substituenten tragt, da die Einfuhrung eines weiteren Substituenten an eine cis-disubstituierte Doppelbindung, die unterhalb 700 cm-1 absorbiert 6,7,34), eine Verschiebung der Absorptionsbande nach kurzeren Wellen bedingt35). 1 absorbiert bei 787 und 805,3 bei 802und 819 cm-1, Bicyclo[3.2.1]octen-(2) selbst dagegen bei 683 cm-1. In 2 verschiebt sich die Bande von 690 (Bicyclo[2.2.2]- octen-(2)) nach 800 cm-1. Die Methylgruppen sind an den Banden bei 1376 in 1 und 3 und bei 1375 cm-1 in 2 erkennbar. Das l-Methyl-bicyclo[2.2.2]octen-(2) (4) zeigt die unverschobene =C -H-Waggingschwingung des Bicyclo[2.2.2]octens-(2) bei 690 cm-1; die Methylgruppe am Briickenkopf auRert sich in einer Bande bei 1370 cm-1. Die hier gemessenen Wellenzahlen weichen nur wenig von den an substituierten Bicyclo[2.2.1]- heptenen ermittelten Werten ab (vgl. Lit.7)).

Die C=C-Valenzschwingungsbanden bei 1665 (l), 1650 (2) und 1656 cm-1 (3) weisen ebenfalls darauf hin, daR die Doppelbindungen drei Substituenten tragen, da sie gegenuber den Banden der unsubstituierten Bicyclooctene (1639 bzw. 1614 cm-1) nach kurzeren Wellen verschoben sind34). Aus der Lage dieser Banden leiten wir auch die Struktur des Kohlenstoffgerusts ab, da die Frequenz der C =C-Valenzschwingung auch von der Ringspannung, und damit von der Struktur abhangt21,34). Das Bicyclo- [2.2.2]octen (1614 cm-1) ist starker gespannt als dasBicyclo[3.2.1]octen-(2) (1639 cm-1). Die Einfiihrung einer Methylgruppe in beide Systeme diirfte, relativ, die Ringspannung nicht sehr verandern, so da13 fur die Methyl-bicyclooctene angenommen werden kann,

34) R. C. Lord und R. W. Walker, J. Amer. chem. SOC. 76, 2518 (1954). 35) L. J. Bellumy, The Infra-red-Spectra of Complex Molecules, J. Wiley & Sons, Inc., New

York 1959, S. 34.

Page 12: Bicyclische Verbindungen, IV1). Dehydratisierung von tertiären Methyl-bicyclooctanolen

32 W. Kraus und R. Dewald Bd. 689

daR das Bicyclo[2.2.2]octen-System ebenfalls bei niedrigeren Wellenzahlen absorbiert als das Bicyclo[3.2.1]octen-System. Die gemessenen Werte (1 665 und 1656 cm-1 fur 1 und 3; 1650 cni-1 fur 2) bestatigen die im Formelschema (S. 22) wiedergegebenen Strukturen. Die Ubereinstimmung der Lage der C =C-Valenzschwingung des 1-Me- thyl-bicyclo[2.2.2]octens-(2) (4; 1614 cm-1) mit der des Bicyclo[2.2.2]octens-(2) (1 614 cm-1) beweist, daR 4 ebenfalls die angegebene Konstitution besitzt.

Auch die Struktur der Methylenverbindungen 5, 6 und 7 ergibt sich eindeutig aus den IR-Spektren. Die =C-H-Waggingschwingungen bei 878 (5), 884 (6) und 872cm-1 (7) entsprechen den Banden cyclischer Methylenverbind~ngen7~8J5). Bemerkenswert ist das Auftreten von je zwei Banden im Bereich der C=C-Valenzschwingungen, namlich 1645 und 1770 cm-1 (5), 1643 und 1780 cm-1 (6) sowie 1655 und 1755 cm-1 (7), deren Lage fur das Vorliegen von Methylengruppen spricht, ebenso wie die =C -H-Valenzschwingungsbanden bei 3070 cm-1 (5, 6 und 7)35,36).

Diskussion Aus den in den Tabellen 1 -4 zusammengefafiten Versuchsergebnissen geht hervor,

daB der in den Formelschemata erlauterte Reaktionsverlauf nur fur die Wasserab- spaltung mit Phosphorsaure voll gultig ist. Alle nach diesem Mechanismus zu erwar- tenden Produkte sind in den Olefingemischen nachweisbar. DaR aus 8 sowohl 4 als auch 9 gebildet werden, la& sich nur dadurch erklaren, daB sich das primar entstehende Carbeniumion 8a sowohl durch Losung der Bindung C-1 -C-7 in 8b als auch durch Losung der Bindung C-1-C-8 in 8c umlagert. Eine weitere Isomerisierung zu 8d, die zu den Olefinen 2 und 7 fuhren wurde, ist allerdings nicht zu beobachten. Auffallig ist, dal3 die sekundaren Ionen 8b und 8c aus einem tertiaren Ion entstehen, obwohl dieses stabiler sein sollte37), und dal3 die weitere Isomerisierung zu dem tertiaren Ion 8d nicht eintritt. An Dreiding-Modellen 1aRt sich jedoch zeigen, daR sich beim Uber- gang 8a -8b oder 8a -8c die durch die Methylgruppe hervorgerufene konformative Spannung etwas verringert, wahrend sie sich beim Ubergang 8c-8d wieder etwas erhohen wurde. Der hohere Anteil an 9 gegenuber 4 lal3t sich ebenfalls aus der Ring- spannung erklaren, die in 8b geringer ist als in 8c.

Analoge Uberlegungen erklaren den Verlauf der Dehydratisierung von 2-Methyl- bicyclo[2.2.2]octano1-(2) (lo), die samtliche sieben Olefine liefert. Auch hier entsteht unter Verniinderung der Ringspannung aus dem tertiaren Ion 10a das sekundare Ion lob, das sich d a m zu 1Oc (tertiar) weiter umlagert. 4 stellt auch in diesem Falle einen geringeren Anteil als 9.

Das Auftreten des l-Methyl-bicyclo[3.2.l]octens-(2) (9) in diesen Kohlenwasserstoff- gemischen, das als einziges Olefin dieser Reihe bisher nicht dargestellt werden konnte,

36) R. C. Gore und N . B. Colthup, J. opt. SOC. America 40, 397 (1950). 37) Vgl. z. B. E. S. Gould, Mechanismus und Struktur in der organischen Chemie, 2. Aufl.,

Verlag Chemie GmbH, Weinheim 1964, S. 300.

Page 13: Bicyclische Verbindungen, IV1). Dehydratisierung von tertiären Methyl-bicyclooctanolen

1965 Bicyclische Verbindungen, IV 33

erklaren wir durch Protonenabspaltung aus lob. Das Ion 10a kann sich zunachst nur nach 10b umlagern, alle anderen Folgeprodukte mussen iiber 10b entstehen. Die IR- Spektren der mit Phosphorsaure erhaltenen Gemische zeigen neben der Bande des l-Methyl-bicyclo[2.2.2loctens-(2) bei 690 cm-1 noch eine weitere Bande bei 683 cm-1, die wir rnit Vorbehalt dem l-Methyl-bicyclo[3.2.l]octen-(2) (9) zuordnen. Mit der Reindarstellung dieses Kohlenwasserstoffs sind wir zur Zeit beschaftigt.

DaB die voranstehend diskutierten Umlagerungen nicht uber eine nachtragliche Protonenaddition an das Primarprodukt 1 bzw. 2 mit anschlieoender Isomerisierung zustandekommen, sondern direkt iiber die zuerst entstandenen Carbeniumionen ver- laufen, lieB sich dadurch nachweisen, daB aus 1 bei der Behandlung rnit Phosphorsaure unter den Bedingungen der Wasserabspaltung (s. S. 39) keine nennenswerten Mengen an Umlagerungsprodukten resultierten").

Vie1 eindeutiger verlaufen die Abspaltungen rnit Kaliumhydrogensulfat und rnit Jod. Der nur geringe Anteil an Umlagerungsprodukten zeigt, daB die hierbei auftretenden Kationen 8a bzw. 10a anderer Natur sein rnussen als in Gegenwart von Phosphor- saure. Intermediare Bildung und Spaltung von Phosphorsaureestern kann dort zu Ionenpaaren fiihren, die eine Stabilisierung der Kationen bew n und dadurch die Voraussetzungen fur innermolekulare Umlagerungen verbessern. Dies ist in Gegenwart von Kaliumhydrogensulfat oder Jod nicht der Fall.

Die Dehydratisierung tertiarer Alkohole rnit p-Toluolsulfochlorid in Pyridin ist erst einmal erwahnt worden26). Am Beispiel des tert.-Amylalkohols, des 2.3-Dimethyl- butanols-(2) und des 2.2.4-Trimethyl-butanols-(4) stellten Brown und Mitarbeiter 26)

fest, daB der Anteil an Alken-(1) in der oben angegebenen Reihenfolge zunimmt. Die Autoren nahmen an, daB sich zunachst das Tosylat bildet, das dann unter der Ein- wirkung des Pyridins, moglicherweise in einer E2-Eliminierung, in das Olefin iibergeht. Suuers 2 4 4 gelangte bei der Wasserabspaltung aus endo- und exo-2-Methyl-norborneol mit Phosphoroxychlorid in Pyridin zu der gleichen Auffassung, konnte aber bei der Dehydratisierung von cis-und trans-Methyl-nopinol einen El -Mechanismus nicht ganz ausschlieBen Z4f). Esterbildung rnit nachfolgender P-Eliminierung nach E2 setzt einen coplanaren Ubergangszustand voraus, der rnit aquatorialen Hydroxylgruppen an fixierten Cyclohexanringen nicht moglich ist. Deshalb bildet sich in diesem Fall iiber- wiegend das Olefin rnit semicyclischer Doppelbindung Z4C). Diese Forderung wird bei der Dehydratisierung von cis-8 (aquatoriales OH) nicht erfiillt. endo- und exo-Olefin entstehen im Verhaltnis 3 : 2. Die Zusammensetzung des bei der Wasserabspaltung aus 10 erhaltenen Olefingemisches, das ebenfalls keinen coplanaren Ubergangszustand durchlaufen kann, entspricht der beim cis-8 gefundenen Produktverteilung.

Beim trans-8 rnit axialem Hydroxyl ist dagegen zwar ein coplanarer Ubergangs- zustand moglich, der Angriff des Pyridins auf das axiale Wasserstoffatom an C-3 wird

* ) Bei 24stdg. Erhitzen mit Phosphorsaure finden tiefgreifende Veranderungen statt. Hierbei entsteht ein Olefingemisch, das mindestens 15 Komponenten enthalt.

Liebigs Ann. Chern. Bd. 689 3

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34 W. Kraus und R. Dewald Bd. 689

jedoch durch die endo-Wasserstoffatonie an C-6 und C-7 sterisch stark behindert 1).

Hier sollte das Verhaltnis endo- : em-Olefin bei einer Eliminierung nach E2 im Gegen- satz zu den Ergebnissen von Burton z4c) in der Nahe von 1 oder darunter liegen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Es entstehen 85 1 (endocyclisch) und 15 % 5. Aus diesen Befunden 1aRt sich schlieBen, dal3 die Reaktion, wenn iiberhaupt, so nur zu einem geringen Teil nach E2 verlauft.

Die saurekatalysierten Wasserabspaltungen aus cis-3-Methyl-bicyclo[3.2.l]octanol-(3) (axiales OH) verlaufen im Gegensatz zu den oben behandelten Reaktionen normal. Da sich das Carbeniumion nicht in der Nachbarschaft der Briicke befindet, sind Um- lagerungen nicht ohne weiteres moglich, und es bildet sich iiberwiegend das thermo- dynamisch stabilere endo-Olefin 3 3 8 3 ) . Bei der Wasserabspaltung niit p-Toluolsulfo- chlorid in Pyridin, die hier ebenfalls zu 91 % das endocyclische Isomere liefert, ist ein E2-Mechanismus nicht ausgeschlossen, da sich ein coplanarer Ubergangszustand ausbilden kann und dem Angriff des Pyridins auf die (3-Wasserstoffitome an C-2 oder C-4 keine wesentliche sterische Hinderung entgegensteht.

Die Uneinheitlichkeit der durch Wittig-Reaktion mit Kalium-tert.-butylat in Di- methylsulfoxid32~ 33) dargestellten Methylenverbindungen (s. S . 30) war zunachst iiberraschend, da die Olefinierung nach Wittig sonst zu ziemlich reinen Produkten fiihrt. Die Arbeiten von Schriesheim und Mitarbeitern40) iiber die Isomerisierung von Olefinen im System Kalium-tert.-butylat/Dimethylsulfoxid bei Temperaturen, die denen in den oben beschriebenen Wittig-Reaktionen entsprechen, lassen jedoch auf eine nachtragliche, basenkatalysierte Isomerisierung der Methylenverbindungen zu den endocyclischen Olefinen schliefien, die auch unter diesen Bedingungen stabiler sind als ihre exo-Isomeren40). Allerdings kann die Moglichkeit noch nicht ausge- schlossen werden, daR bereits das aus Keton und Ylid gebildete Betain unter dem EinfluB des stark basischen Solvens zum Teil anders weiterreagiert, als das bei einer Wittig-Reaktion normalerweise der Fall ist und das endocyclische Olefin in einer Konkurrenzreaktion direkt gebildet wird41). Weitere Untersuchungen iiber die hier diskutierten Reaktionen sind im Gange.

Der Deutschen Forschungsgenieinschaft danken wir sehr fur die Unterstutzung dieser Arbeit . 38) R. B. Turner und R . H . Garner, J. Amer. chem. SOC. 80, 1424 (1958). 39) A . C. Cope, D . Ambros, E. Ciganek, C. F. Howell und 2. Jacura, J. Amer. chem. SOC. 81,

40) A . Schriesheim, R . J. Muller und C. A . Rowe jr., J. Amer. chem. S O C . 84, 3164 (1962), und

41) Vgl. C. WaZling und L. Bollyky, J. org. Chemistry 28, 256 (1963).

3153 (1959); 82, 1750 (1960).

fruhere Arbeiten.

Page 15: Bicyclische Verbindungen, IV1). Dehydratisierung von tertiären Methyl-bicyclooctanolen

1965 Bicyclische Verbindungen, IV 35

Beschreibung der Versuche

Gaschromatographie: Perkin-Elmer Fraktometer, Model1 1 16, rnit Flammenionisations- detektor ; 50-m-Polypropylenglykol-Kapillarsaule, Tragergas Stickstoff 0.3 at, Temperatur 130"; 0.2-0.5 p1, Empfindlichkeit 2--4. Retentionszeiten (Min., bez. auf Diathylather = 0) : 1 -Methyl-bicyclo[2.2.2]octen-(2) (4) : 6.1 ; 2-Methyl-bicyclo[2.2.2]octen-(2) (2) : 7.3 ; 1-Methyl- bicyclo[3.2.1]octen-(2) (9): 8.3; 3-Methyl-bicyclo[3.2.l]octen-(2) (3): 8.3; 2-Methyl-bicyclo- [3.2.l]octen-(2) (1) : 8.7; 3-Methylen-bicyclo[3.2.l]octan (5): 9.0; 2-Methylen-bicyclo[2.2.2]- octan (7): 9.3; 2-Methylen-bicyclo[3.2.l]octan ( 6 ) : 9.7. - IR-Spektren: Beckman Spektral- photometer IR 8, Aufnahmen als Film, Schichtdicke 0.5 mm.

cis- und trans-2-Methyl-bicyclo[3.2.l~octanol-(2) (8). - Aus Bicyclo[3.2.lJoctanon-(2) 1)

mit Methylmagnesiumjodid in Ather; Chromatographie an Aluminiumoxidl). Schmp. (cis) 109.5-lIO", Schmp. (trans) 60-60.5".

cis-3-Methyl-bicyclo[3.2.l/octanol-(3). - Aus Bicyclo[3.2.lloctanon-(3) 2 5 ) rnit Methyl- magnesiumjodid in Atherl). Schmp. 78.5-79.5".

2-Methyl-bicyclo[2.2.2/octanol- (2) . - Aus Bicyclo[2.2.2]octanon mit Methylmagnesium jodid in Ather'). Schmp. 121-122".

Wasserabspaltungen: a) Mit Jod: 0.5 g tertiaren Alkohol erhitzt man rnit einem Kornchen Jod 2 Stdn. unter RuckfluB zum Sieden, versetzt anschlieBend mit einer Spatelspitze Zinkstaub und destilliert das Produkt mit Wasserdampf ab. Das Destillat nimmt man nach Sattigen der waBr. Phase rnit Kochsalz in Ather auf, trocknet uber Calciumchlorid und destilliert das Losungsmittel uber eine Vigreux-Kolonne ab.

cis-3-Methyl-bicyclo[3.2.lJoctanol-(3). - Gaschromatogramm: 94 % 3, 3.5 % 6 , 2.5 %

Weitere Ergebnisse siehe Tab. 1 (S. 25).

b) Mit Phosphorsaure: 0.5 g tertiaren Alkohol erhitzt man rnit 1 ccm 85-proz. Phosphorsuure in einer Destillationsapparatur auf 185 - 190". Hierbei destilliert ein Teil des Kohlenwasser- stoffes ab. Den Ruckstand versetzt man mit einigen ccm Wasser und destilliert den Rest des Produkts zusammen rnit dem Wasser in die Vorlage. Das Destillat wird nach Sattigen der waRr. Phase rnit Kochsalz in Ather aufgenommen, rnit NazCO3-Losung und Wasser gewaschen und uber Calciumchlorid getrocknet.

nicht identifiziert (Ret.-Zeit 8.8 Min.).

cis-3-Methyl-bicyclo[3.2.lloctano1-(3/. - Gaschromatogramm: 95 % 3, 2.5 % 6, 2.5 % nicht

Weitere Ergebnisse vgl. Tab. 2 (S. 26).

C) Mit Kaliumhydrogensulfat: 0.5 g tertiaren Alkohol verreibt man rnit 1 .O g Kaliumhydrogen- sulfat und erhitzt in einer Destillationsapparatur auf 190". Das Olefin destilliert zum Teil ab. Weitere Aufarbeitung wie untei b).

identiiiziert (Ret.-Zeit 8.8 Min.).

cis-3-Methyl-bicyclo[3.2.lloctanol-(3). - Gaschromatogramm: 88.5 % 3, 9.5 % 6, 2 % nicht

Weitere Ergebnisse vgl. Tab. 3 (S. 27). identifiziert (Ret.-Zeit 8.8 Min.).

3.

Page 16: Bicyclische Verbindungen, IV1). Dehydratisierung von tertiären Methyl-bicyclooctanolen

36 W. Kraus und R. Dewuld Ed. 689

d) Mit p-Toluolsulfochlorid in Pyridin: 0.5 g tertiaren Alkohol in 5 ccm absol. Pyridin erhitzt man rnit 1.0 gp-Toluolsu@chlorid 12 Stdn. auf 100". Nach dem Abkiihlen hydrolysiert man rnit Eis, sauert rnit verd. Schwefelsaure an und nimmt in Ather auf. Der Auszug wird mil verd. Schwefelsaure, Wasser, Na~CO3-Losung und Wasser gewaschen und uber Calcium- chlorid getrocknet.

cis-3-Methyl-bicyclo[3.2.lloctanol-(3). - Gaschromatogramm: 91 % 3, 6.5 % 6 , 2.5 % nicht identifiziert (Ret . -Zeit 8.8 Min.).

Weitere Ergebnisse vgl. Tab. 4 (S. 28). Bei diesen Abspaltungen bleibt relativ vie1 Alkohol unumgesetzt .

2-Methyl-bicyclo[3.2.llocten-(2) (1). - 81 .O g eines nach Nedenskov28) gewonnenen Keton- genzisches27) ergeben rnit Merh~lmngnesiumjodid in Ather11 85.0 g (93 %) Alkoholg~~isch der Zusammensetzung 52% cis-8, 33.5 % trans-8, 14% 10 und 0.5 % cis-3-Methyl-bicyclo[3.2.1]- octanoL(3). Zur Wasserabspaltung erhitzt man das Rohprodukt rnit 2 g Jod 3 Stdn. unter RiickfluB. Die oben beschriebene Aufarbeitung liefert 62.0g (84 %) Kohlenwasserstoffgemisch, Sdp. 154- 158' (iiber Natrium destilliert), das man durch Destillation iiber eine Drehband- kolonne weiter auftrennt. Die ersten Fraktionen mit Siedepunkten von 148 - 152" enthalten die Nebenprodukte 2 und 4 neben etwas 1, die weiteren Fraktionen 2-Methyl-bicyclo[3.2.1]- octen-(2) (40g), Sdp. 152.5". -ZR-Spektrum: 787, 805, 1665, 3035cm-1; 1376cm-1 (-CH3).

C9H14 (122.2) Ber. C 88.45 H 11.55 Gef. C 88.73 H 11.07

2-Methyl-bicyclo[3.2. IJoctan. - 1.5 g 1 hydriert man rnit 0.5 g PalludiumlCalciumcarbonat (I % Pd) in 15 ccrn Methanol. Nach dem Absaugen vom Katalysator verdunnt man rnit 30 ccm gesatt. CaCl2-Losung (der Kohlenwasserstoff ist mit Methanoldanipf fliichtig und kann deshalb nicht durch Destillation isoliert werden), nimmt das Produkt in Petrolather (30-50") auf, trocknet rnit CaCl2 und destilliert iiber Natrium. Sdp. 156-157", 1.2 g (80%).

C9H16 (124.2) Ber. C 87.02 H 12.98 Gef. C 87.16 H 12.89

Der Kohlenwasserstoff ist mit dem von Zpatiefl3) beschriebenen Methylbicyclooctan nicht identisch (IR-Spektrum).

2-Methyl-bicyclo[2.2.2]octen-(2) (2). - 1 g 2-Methyl-bicyclo[2.2.2]octanal-(2) erhitzt man mit einem Kornchen Jod 2 Stdn. unter RiickfluB und destilliert nach Zugabe einer Spatelspitze Zinkstaub mit Wasserdampf. Die iibliche Aufarbeitung ergibt 0.45 g (52%) 2, Sdp. 148.5 bis 149" (iiber Natrium destilliert). - IR-Spektrum: 800, 1650, 3030 cm-1; 1375 cm-1 (-CH3).

C9H14 (122.2) Ber. CS8.45 H 11.55 Gef. C 88.52 H 11.43

J-Methyl-bicyclo[3.2.I]octen-(2) (3). - 1 .O g 3-Methyl-bicyclo[3.2.l]octanol-(3) erhitzt man mit 2 ccm 85-proz. Phosphorsaure auf 190" und arbeitet, wie auf S. 35 beschrieben, auf. Destillation iiber Natrium ergibt 0.55 g (57.5%) 3, Sdp. 152". - IR-Spektrum: 802, 819, 1643, 1656, 3035 cm-1; 1376 cm-1 (-CH3).

C9H14 (122.2) Ber. C 88.45 H 11.55 Gef. C 88.74 H 11.40

I-Athoxycarbonyl-bicyclo[2.2.2]octen-(2) 29). - Aus Diathylaminobutadien und Acrylsaure- athylester iiber I-Athoxycarbonyl-2-diathylamino-cyclohexen-(3) 42), dessen Hydrochlorid nach

42) S. Hiinig und M. Kahanek, Chem. Ber. 90, 236 (1957).

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1965 Bicyclische Verbindungen, IV 37

Grob 29) zum Cyclohexadien-(1.3)-carbonsaure-(1)-athylester gespalten wird. Diensynthese mit Maleinsaureanhydrid, Hydrierung des Addukts rnit PtOz in Tetrahydrofuran und Ver- seifung mit 20-proz. Kaliumhydrogencarbonat-Losung fiihrt zur 1 -Athoxycarbonyl-bicyclo- [2.2.2]octan-dicarbonsaure-(2.3), die man durch oxydative Bisdecarboxylierung rnit Bleitetra- acetat in Pyridin 29) in 1-~thoxycarbonyl-bicyclo[2.2.2]octen-(2) iiberfiihrt. Sdp.10 94-95" (Lit.29) 95-96"). - ZR-Spektrum: 695, 1615, 3050 cm-1.

I -Hydroxymethyl-bicyclo[2.2.2]octen-(2). - 9.2 g I-Athoxycarbonyl-bicyclo[2.2.2/octen-(2) in 50 ccm absol. Ather tropft man zu einer Suspension von 4.0 g Lithiumalanat in 100 ccrn absol. Ather und erhitzt anschliel3end noch 30 Min. zum Sieden. Die Aufarbeitung mit verd. Schwefelsaure ergibt 6.6 g (93.5 %) Hydroxymethylverbindung vom Sdp.10 104". - IR- Spektrum: 690, 1614, 3040 cm-1.

C9HloO (138.2) Ber. C78.21 H 10.21 Gef. C77.43 H 10.04

p-Nitrobenzoat: Mit p-Nitrobenzoylchlorid in Pyridin; Schmp. 102- 103" (aus Methanol). C16H17N04 (287.3) Ber. N 4.88 Gef. N 4.70

Hydrierung: 1.5 g Hydroxymethylverbindung werden mit 0.5 g Palladium/Calciumcarbonat in 100 ccm Methanol hydriert. Die Aufarbeitung ergibt 0.8 g I-Hydroxymethyl-bicyclo[2.2.2/- octan, Sdp.10 IOO", Schmp. 61 -62" (Lit.29) Sdp.10 98-99', Schmp. 61.5-62").

Ber. C 77.09 H 11.50 Gef. C 76.88 H 11.48 C9H16O (140.2)

Tosylat des Hydrierungsproduktes: Mit p-Toluolsulfochlorid in Pyridin (48 Stdn. bei Raum- temperatur). Schmp. 79-79.5" (Petrolather/Ather) (Lit. 29) 73" und 79", dimorph).

C16H2203S (294.3) Ber. S 10.87 Gef. S 10.68

I-Hydroxymethyl-bicyclo[2.2.2/octen-(2) -tosylat. - 4.0 g I-Hydroxymethyl-bicyclo[2.2.2]- octen-(2) in 35 ccm absol. Pyridin versetzt man rnit 5.0 gp-Toluolsulfochlorid und laBt 48 Stdn. unter gelegentlichem Umschiitteln bei Raumtemperatur stehen. AnschlieBend hydrolysiert man rnit Eis und verd. Salzsaure. Das Tosylat scheidet sich zunachst olig ab, kristallisiert aber nach kurzer Zeit. Man saugt ab, nimmt in Ather auf, wascht die Losung mit verd. Salzsaure, Wasser, NazCO3-Losung und Wasser und trocknet uber Natriumsulfat. Rohaus- beute quantitativ, nach 2maligem Umkristallisieren aus Ather/Petrolather 6.6 g (78 %) vom Schmp. 94.5-96".

C16H2003S (292.3) Ber. S 10.95 Gef. S 10.81

I - Methyl-bicyclo[2.2.2/octen-(2) (4). - 5.0 g I-Hydroxymethyl-bicyclo~2.2.2jocten-(2)- tosylat in 150 ccm absol. Ather tropft man unter Riihren zu einer Suspension von 5.0 g Lithiumalanat in 200 ccm absol. lither, kocht 24 Stdn., gibt nochmals 2 g Lithiumalanat hinzu und erhitzt weitere 24 Stdn. AnschlieRend sauert man mit verd. Schwefelsaure an, iiimmt das Produkt in Ather auf, wascht mit verd. Natronlauge und Kochsalz-Losung und trocknet uber Calciumchlorid. Destillation iiber Natrium ergibt 0.8 g (40 %) gaschromato- graphisch reines l-Methyl-bicyclo[2.2.2]octen-(2) (4) vom Sdp. 140- 141"*). - IR-Spektrum: 690, 1614, 3035 cm-1; 1370 cm-1 (-CH3).

C9H14 (122.2) Ber. C 88.45 H 11.55 Gef. C 88.45 H 11.63

*) Anmerkung bei der Korrektur (22. 9. 1965): Durch einmalige Zugabe von 5 g I i N H 4 und 48 Stdn. schwaches Sieden konnten die Ausbeuten inzwischen bis auf 69.5 % gesteigert werden.

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38 W . Kraus und R. Dewald Bd. 689

2-Methylen-bicyclo[3.2.l]octan (5) . - I ) Durch Reformatzky-Synthese30) ; 56.0 g Bicyclo- [3.2.l]octanon-(2) 1) und 83.0 g Brornessigsaureathylester in 100 ccm absol. Benzol + 100 ccm absol. Toluol tropft man unter starkem Riihren zu einer Suspension von 33 g arnalgamierteni Zink (Merck, ,,Zink fur Reduktoren") in 30 ccm absol. Benzol + 30 ccm absol. Toluol. Durch Zusatz von einigen Kornchen Jod und Erhitzen bis zum Sieden bringt man die Reaktion in Gang. Nach Beendigung des Zutropfens kocht man noch 4 Stdn. AnschlieRend hydrolysiert man rnit Eis und 10-proz. Schwefelsaure. Man nimmt das Produkt in Ather auf, wascht rnit Wasser, 10-proz. NazC03-Losung und Wasser und trocknet hber Natriumsulfat. Zweimalige Destillation i. Vak. liefert 55 5 g (58 %) des Hydroxyesters vom Sdp.12 140-143".

Zur Wasserabspaltung destilliert man den Ester (55.5 g) rnit 60.0 g frisch gegliihtem Kaliumhydrogensulfat i. Vak. in einem i)lbad von 155 - 160". Das Destillat wird nach dem Trocknen rnit Natriumsulfat nochmals rnit 30.0 g Kaliumhydrogensulfat 4 Stdn. unter Ruck- fluR auf 160" erhitzt und i. Vak. destilliert. 47.7 g (94 %), Sdp.12 123 - 130".

Zur Verseifung wird der Ester (47.0 g) in einer aus 10.0 g Natrium und 130 ccm 90-proz. Athanol bereiteten Natriumathylat-Losung 6 Stdn. zum Sieden erhitzt, wie iiblich aufgearbeitet und i. Vak. destilliert. Sdp.12 150-180". Das Produkt decarboxyliert man ohne weitere Reini- gung durch Erhitzen rnit freier Flamme, wobei das Olefin abdestilliert. Zweimalige Rekti- fikation iiber Natrium ergibt 19.1 g Kohlenwasserstoff vom Sdp. 154-155". - Gaschromato- gramm: 22% 1, 78 7; 5 . - ZR-Spektrum: 787, 805, 878, 1645, 1770, 3070 cm-1; 1316 cm-1 (schwach, -CH3).

2) Durch Wittig-Reaktion: a) Nach Wittig und Schollkopf31): Zu einer aus 0.7 g Lithium und 3.5 g n-Butylchlorid in 150 ccm absol. Ather bereiteten Butyllithium-Losung gibt man unter Stickstoff 12.85 g Methyl-triphenyl-phosphoniumbromid und riihrt 3 Stdn. bei Raum- temperatur. Danach tropft man 6.2 g Bicyclo[3.2.l]octanon-(2) in 50 ccm absol. Ather hinzu. Das Betain fallt sofort aus. Das Gemisch wird noch 3 Stdn. unter RiickfluB zum Sieden erhitzt und iiber Nacht bei Raumtemperatur stehengelassen. Nach Zusatz von Wasser nimmt man das Reaktionsprodukt in Ather auf, wascht mit Wasser und trocknet rnit Calciumchlorid. Destillation i. Vak. iiber eine kurze Vigreux-Kolonne ergibt 2.7 g Rohprodukt vom Sdp.10 20-5O0,das durch 3 malige Destillation iiber Natrium gereinigt wird. Reinausbeute 1.4 g (23 %) 2-Methylen-bicyclo[3.2.l]octan vom Sdp. 154-155". - Gaschromatogramm: 95.5 % 5, 4.5% 1 . - IR-Spektrum: 878, 1645, 1770, 3070 cm-1.

C9H14 (122.2) Ber. C 88.45 H 11.55 Gef. C 88.31 H 11.57

b) Nach Drefahl33) in Benzol: Zu 15.42 g Methyl-triphenyl-phosphoniumbromid tropft man unter Stickstoff eine Losung von 6.72 g Kaliurn-tert.-butylat in 80 ccm Dimethylsulfoxid, riihrt einige Minuten, bis sich das Bromid vollig gelost hat, und fiigt dann 2.48 g Bicyclo- [3.2.Iloctanon-(2), gelost in 80 ccm absol. Benzol, hinzu. Die Losung wird nach kurzer Zeit triibe. Nach 1 stdg. Ruhren bei 60" und 20stdg. Stehenlassen bei Raumtemperatur zerlegt man rnit Eis und Kochsalz-Losung, nimmt das Produkt in Ather auf, wascht mit CaC12- Losung und trocknet iiber CaC12. Vakuumdestillation iiber eine kurze Vigreux-Kolonne ergibt 0.85 g Rohprodukt, das durch 2maBge Destillation ubei Natrium gereinigt wird. Ausbeute 0.6 g (25%) Kohlenwasserstoff, Sdp. 154-1155". - Gaschromatogramm: 18% 1, 82% 5. - ZR-Spektrum: Das IR-Spektrum ist rnit dern des durch Reformatzky-Synthese (s . 0.) erhalte- nen Olefingemisches identisch.

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1965 Bicyclische Verbindungen, IV 39

c) Nach DrefahW) in Ather: Zu der wie unter b) bereiteten Ylidlosung gibt man 2.48 g Bicyclo[3.2.I]octanon-(2) in 25 ccm absol. Ather, erhitzt 1.5 Stdn. zum Sieden und laRt uber Nacht bei Raumtemperatur stehen. Das Gemisch wird rnit Eis und Kochsalz-Losung zerlegt, das Olefin in Ather aufgenommen, rnit Wasser gewaschen und iiber Calciumchlorid getrock- net. Dreimalige Destillation uber Natrium ergibt 1.16 g (47.5 %) Kohlenwasserstoff, Sdp. 154-155". - Gaschromatogramm: 20% 1, 80% 5. - IR-Spektrum siehe unter b).

3-Methylen-bicyclo[3.2.l]octan (6). - Aus 1 g Bicyclo[3.2.IJoctanon-(3) 2 5 ) in 20 ccm absol. Ather mit der aus 7.71 g Methyl-triphenyl-phosphoniumbromid und 3.21 g Kalium-tert.-butylat in 40 Lcm Dimethylsulfoxid bereiteten Ylidlosung nach Methode 2c). Ausbeute 0.12 g (1273, Sdp. 154-155". - Gaschromatogramin: 8 % 3, 92% 6. - IR-Spektrum: 884, 1641, 1780, 3070 cm-1.

C9H14 (122.2) Ber. C 88.45 H 11.55 Gef. C 88.60 H 11.29

2-Methylen-bicyclo[2.2.2loctan (7). - Aus 1.2 g Bicyclo[2.2.2]octanon-(2) in 20 ccm absol. k h e r rnit der aus 7.71 g Methyl-triphenyl-phosphoniumbromid und 3.21 g Kalium-tert.-butylat in 40 ccm Dimethylsulfoxid bereiteten Ylidlosung, wie unter 2 c) beschrieben. Ausbeute 0.3 g (25 %), Sdp. 154-155". - Gaschromatogramm: 17% 2, 83% 7. - IR-Spektrum: 800 (schwach; 2), 872, 1655, 1755, 3070 cm-1; 1375 cm-1 (sehr schwach, -CH3).

C9H14 (122.2) Ber. C 88.45 H 11.55 Gef. C 88.61 H 11.33

Versuch zur Umlagerung von 2-Methyl-bicyclo[3.2.Ilocten-(2) (1) mit Phosphorsaure: 0.5 g 1 erhitzt man in einer Destillationsapparatur rnit 1 ccm 85-proz. Phosphorsaure auf 180 - 190". Hierbei geht das Olefin rnit etwas Wasser uber. Man isoliert es auf die ubliche Weise und analysiert es gaschromatographisch ohne weitere Reinigung. - Gaschromatogramm: Aus- gangsverbindung: 95.5 % 1, 4.5 % 5 ; Umlagerungsprodukt: 91 % 1, 1.7 % 2, 0.5 % 4, 3.4% 5, 3.4 % 9. [66/651