clemens schuldt · 2017. 9. 27. · kultur-magazin theater on the road 12 tanz-uraufführung...

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KULTUR-MAGAZIN Theater On The Road 12 Tanz-Uraufführung Phasen.Machen 26 Klassik im Kino Royal Opera House 30 Jazz Diana Krall 42 Kunst Open Art 48 Film Körper und Seele 56 SEPTEMBER 2017 · 41. JAHRGANG · INKL. MONATSPROGRAMM E 5,00 B 3295 9/ 2017 FOTO: JAKOB GANSLMEIER SAISON 2017/18 CLEMENS SCHULDT MÜNCHENER KAMMERORCHESTER „WANDERN”

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  • KULTUR-MAGAZIN

    Theater On The Road 12 Tanz-Uraufführung Phasen.Machen 26 Klassik im Kino Royal Opera House 30 Jazz Diana Krall 42

    Kunst Open Art 48 Film Körper und Seele 56

    SEPTEMBER 2017 · 41. JAHRGANG · INKL. MONATSPROGRAMM E 5,00 B 32959/ 2

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    CLEMENS SCHULDTMÜNCHENER KAMMERORCHESTER„WANDERN”

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    Abonnementkonzert im Prinzregententheater

    Das Münchener Kammerorchester geht mit seinem neuen

    Chefdirigenten Clemens Schuldt in die zweite Saison. Nach

    Reformation 2016/17 erlaubt das Thema Wandern jetzt

    vielfältigste Assoziationen und Programmschwerpunkte,

    nicht zuletzt mit Vokalmusik in Kompositionsaufträgen an

    Jörg Widmann, Stefano Gervasoni und Fabio Nieder. Aber

    auch neue Orte erkundet das MKO – wie die White Box im

    Werksviertel.

    Wanderlust

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    Münchener Kammerorchester,

    1. Abonnement-Konzert.Xenakis, Gesualdo,

    Widmann, Schubert,Prinzregententheater,19. Oktober, 20 Uhr.

    Weitere Informationen zum Spielplan unter

    m-k-o.eu.

    Als er jung war, fuhren die Eltern mit ihm immer von Bremen aus zum Wandern. »Ob Schweizer Berge, Schwarzwald, Österreich, Mittenwald: Jedes Jahr ging es woanders hin; bis ich dann in eine Phase der Ablehnung rutschte«, gesteht Clemens Schuldt. Kein Wunder, dass er erst jetzt, nah den Alpen in München wohnend, wieder in die Berge geht (»freiwillig«) und sich mit neuen Wanderschuhen (»das war schon symbolisch«) von Gipfel zu Gipfel steigert. Natürlich ist der Chef auch dabei, wenn es zu Spielzeitbeginn am 22. Oktober eine musikalische Herbstwanderung mit Freunden, Förderern und Abonnenten geben wird.

    Wandern, Wanderschaft, AuswandernDie Assoziationen des stetigen Sichfortbewegens sind vielfältig und ganz unterschiedlich besetzt: von positiv wie auf Euphorie auslösenden Bergeshöhen, bis negativ als erzwungenes Losmarschieren bei ei-ner Flucht in Lebensgefahr. »Das innere Wandern und Suchen, das wir alle in uns tragen, kann zum Getriebensein werden und deswegen haben wir uns überlegt, wer als Komponist so ein Getriebener ist und wie sich das in der Musik ausdrückt. So kamen

    wir etwa auf Jannis Xenakis«, erzählt Schuldt. Daher beginnt das erste Abonnementkonzert des Münche-ner Kammerorchesters mit Hiketides nach Die Schutzflehenden von Aischylos von 466 v. Chr. über 50 Frau-en, die in Griechenland dank Volksabstimmung Asyl finden, und endet mit der Großen CDurSymphonie von Franz Schubert und ihrem berühmten Wander- Rhythmus. Schuldt erklärt: »Das eigentliche Ziel der Sonatenhauptsatzform ist das Zurückkommen. Nach dem Wandern – in der Durchführung – gilt es am Ende, die Heimat wiederzufinden. Aber nur, wenn die Themen in der Reprise anders gedacht, anders gefühlt und anders gespielt werden, macht das Ganze Sinn. Je dunkler oder aufregender die Durchführung war, desto wichtiger ist das.«

    Schreiten, Laufen, TanzenAuch Tempo und Art der Fortbewegung bestimmen eine Reise. So ist prozessionsartiges Schreiten im An-dante von Beethovens 7. Symphonie zu erleben und eine in sich kreisende Bewegung ist nicht nur für das Finale dieses Werks charakteristisch, sondern auch für das faszinierende dreisätzige Violinkonzert von Thomas Adès mit dem bezeichnenden Titel Concen

    Linke Seite: BMW-Clubkonzert; Mitte: Festspiel-Werkstatt; rechte Seite: Nachtmusik der Moderne

    tric Paths. Spielen wird es – flankiert von zwei Mo-zart-Symphonien – Augustin Hadelich, der das Werk 2013 auch elektrisierend aufgenommen hat. In zwei weiteren Konzerten wird unter Leitung von John Storgårds ein schon in den letzten Spielzeiten auf-regender Zyklus mit den Londoner Symphonien von Joseph Haydn und Konzerten von György Ligeti fort-gesetzt. Maximilian Hornung spielt dessen Cellokonzert und eine Uraufführung von Tobias PM Schneid. Noch vor dem ersten Abonnement-Konzert bewährt sich das MKO, angeführt von Konzertmeister Dani-el Giglberger, einmal mehr in den Semifinalen des ARD-Musikwettbewerbs als hellwacher, hochsensib-ler Begleiter von verschiedensten Geigern, Pianisten und Oboisten.

    Wechselnde OrteWie schon in den vergangenen Jahren hat das MKO als Heimat für die Abonnementkonzerte und das in diesem Jahr bereits 12. Aids-Konzert nicht nur Münchens schönsten und besten Konzertsaal, das Prinzregententheater, sondern geht auch auf Wan-derschaft innerhalb der Stadt: Da ist nicht nur die Pinakothek der Moderne für die Nachtmusiken,

    sondern auch das Schwere Reiter, in dem traditio-nell das MKO Songbook stattfindet. In diesem For-mat werden Auftragswerke für die Kernbesetzung des Münchener Kammerorchesters (sechs erste, fünfzweite Geigen, vier Bratschen, vier Celli, zwei Kontrabässe) ein zweites Mal vorgestellt und ande-ren Kompositionen für Streicher gegenübergestellt. Neben den BMW-Clubkonzerten – zusammen mit Musikern der Philharmoniker – im Harry Klein, der Roten Sonne und dem Bob Beaman gibt es erstmals einen Auftritt in der White Box, dem Werk 3 im so-genannten Werksviertel, wo im Osten Münchens ein neuer Konzertsaal gebaut wird: »Treppenhäuser, Fahrstühle, Balkone und Büroräume werden mit den Trondheim Voices und Mitgliedern des MKO zum temporären Konzert- und Klangraum, den Kompo-nistin Manuela Kerer aufreißt.«

    NachtmusikenDrei unterschiedliche, aber fast gleichaltrige Kom-ponisten werden bei den Nachtkonzerten in der Pinakothek der Moderne porträtiert. Per Nørgård (*1932) ist neben Kalevi Aho, Rautavaara und Vasks »ein genuiner Streicher-Komponist aus dem

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    Norden«, sagt Schuldt und betont, dass er »über ein halbes Jahrhundert seines Lebens immer per-sönlicher und nachdenklicher wird«. Das Konzert beginnt mit einem an Bartók erinnernden Stück (Constellations – Konzert für zwölf Streicher) von 1958 und endet nach Filmmusik zu Babettes Fest und einem Tribute to Lutoslawski (Out of this World) mit der Schubert-Hommage von 2005 (Nacht und Träume für Klarinette, Violine, Cello und Kla-vier). Schuldt schwärmt auch von Henryk Gorecki (1933-2010): »Er ist ein gutes Beispiel für eine ra-dikale Spreizung: Genesis I von 1962 ist ein radikal modernes Streichtrio, rau und abstrakt im besten Sinne. Es erinnert mich an den frühen Rihm. Dage-gen strotzt Kleines Requiem für eine Polka von 1993 nur so vor Ironie, beginnt und endet ganz einfach. Und das Konzert für Cembalo und Streichorchester (1980) ist ein wunderbar motorisches Stück, das Mahan Esfahani, unser Solist, auch schon oft ge-spielt hat.« Weil Harrison Birtwistle (*1934) eine »sehr fordernde Klangsprache« spricht, wurden für die ihm gewidmete Nachtmusik Stücke ausgesucht, »die haptisch greifbar sind«: Virelai bezieht sich als Ruhepol auf ganz Alte Musik, Carmen Arcadiae Mechanicae Perpetuum ist dagegen »unglaublich schwer zu dirigieren, weil das Stück trotz seines scheinbar durchgängigen Rhythmus so komplex ist«. Cortege – A ceremony gibt jedem der 14 Musi-ker ein eigenes Solo und Endless Parade für Trom-pete, Streicher und Vibrafon ist tatsächlich ein Paradestück für den Trompeter Håkan Hardenber-

    ger, der es mit dem Komponisten selbst einstudiert und 1987 uraufgeführt hat.

    Musik, Text, TheaterEine erfolgreiche Zusammenarbeit gibt es auch mit dem Opernstudio der Bayerischen Staatsoper. Nach Gian Carlo Menottis The Consul folgt im nächsten Jahr ein Doppelabend (Ernst Kreneks Der Diktator und Viktor Ullmanns Der zerbrochene Krug) sowie zu den Opern-festspielen 2018 unter Leitung von Ivor Bolton Joseph Haydns Orlando Paladino im Prinzregententheater. Erst-mals wird in einem Abokonzert mit George Benjamins Einakter Into the Little Hill eine konzertante (Kammer-)Oper aufgeführt, in der zwei Sängerinnen nach dem Rattenfänger von Hameln alle Rollen verkörpern, auch das Volk. Erstmals wurde mit Peterchens Mondfahrt ein Auftrag für ein Kinderkonzert erteilt: Ali N. Askin kom-poniert die Musik, Tatort-Kommissar Udo Wachtveitl ist der Erzähler. Beim Thema Wandern liegt es auf der Hand, dass ein besonderer Schwerpunkt Vokalmusik gewidmet ist: Jörg Widmann komponiert ein Stück für das Vokalensemble Amarcord, das zwischen Madrigalen von Gesualdo, die es ebenfalls beim ersten Abonnementkonzert singen wird, und zeitgenössischer Musik virtuos wandelt. Fabio Nie-der (über-)schreibt für den Bariton Michael Nagy Wander- Lieder von Franz Schubert, deren Singstimme jedoch na-hezu unberührt bleibt. Und von Stefano Gervasoni wird In die Luft geschrieben nach Nelly Sachs für die Mezzoso-pranistin Charlotte Hellekant, Harfe, Celesta, Schlagzeug und Streicher uraufgeführt. Klaus Kalchschmid

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    Linke Seite: Kammermusikfest 2017 im Museum Villa Stuck; rechte Seite: MKO Mini mit Clemens Schuldt

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    Nachtmusik Pinakothek

    der ModerneKomponistenporträts

    Per Nørgård (11. November 2017,

    22 Uhr)

    Henryk Górecki

    (28. Januar 2018, 22 Uhr)

    Harrison Birtwistle (23. Juni 2018,

    22 Uhr)