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one step ahead HR- und Recruiting-Trendbarometer von StepStone Österreich Digital People Management HR neu denken

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one step aheadHR- und Recruiting-Trendbarometer von StepStone Österreich

Digital PeopleManagementHR neu denken

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Digital People Management - HR neu denken

Rudi BauerGeschäftsführer StepStone Österreich

Liebe Leserinnen und Leser,

ich freue mich, Ihnen die zweite Ausgabe von one step ahead, dem Recruiting-Trendbarometer von StepStone Österreich zu prä-sentieren. Derzeit wird kein ande-res Thema so heiß diskutiert wie die Digitalisierung und die damit einhergehenden Veränderungen für Geschäfts- und Arbeitsleben.

Die Digitalisierung macht auch vor der HR-Abteilung nicht Halt. Der Trend geht eindeutig in Rich-tung mobiler, cloud-basierter Lösungen und Apps. Ein moder-nes People Management verlangt nicht nur veränderte Organisa-tionsstrukturen und moderne

Leadership-Modelle, sondern auch neue Wege der Mitarbei-terbindung. Außerdem verlangen neue Formen des Arbeitens auch neue rechtliche Rahmenbedin-gungen: Soziale Absicherung, faire Entlohnung und Gesund-heitsschutz müssen weiterhin ge-währleistet sein.

HR benötigt Innovation statt Ad-ministration und vor allem mehr Zeit für strategische und wert-schöpfende Themen. Der Perso-nalabteilung sollte bei der Digi-talisierung im Unternehmen eine tragende Rolle zukommen. Nicht zuletzt, da es ihre Aufgabe sein sollte, Führungskräfte und Mit-arbeiter auf die zu erwartenden Veränderungen vorzubereiten.

Viele Veränderungen stehen an. Muss sich HR neu erfinden? Lesen Sie selbst und lassen Sie sich inspirieren.

Ihr Rudi Bauer

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4 5IMPRESSUM Ausgabe 01/2016: Herausgeber & Medieninhaber: StepStone Österreich, 1040 Wien, Frankenberggasse 13/17, Tel.: +43 (0)1 405 00 68 – 0, Fax: +43 (0)1 405 00 68 50, E-Mail: [email protected], Internet: www.stepstone.at , www.jobnews.at, Geschäftsführung: Rudi Bauer, für den Inhalt verantwortlich: Mag. Barbara Oberrauter und MMag. Andrea Heider, Bildrechte: StepStone Österreich, www.istockphoto.com, ZVG: S15, S17, S20, S28, S33, S35, Druck: druck.at Druck- und Handelsgesellschaft mbH, 2544 Leobersdorf, Aredstr. 7/EG/Top H 01, E-Mail: [email protected], Internet: www.druck.at

Inhalt

06 HOMO DIGITALIS

People Management 4.008 PEOPLE MANAGEMENT NEU DENKEN

10 DIGITAL NATIVES - DIGITAL NEWBIES

12 SIND SIE ONLINER ODER OFFLINER?

Digital Recruiting 14 MUT ZUR FARBE

16 WE WANT YOU!

Virtuelles Arbeiten18 DIE HOHE KUNST DER ZUSAMMENARBEIT

20 MEIN KOLLEGE AUS DER CROWD

22 SCHLUSS MIT RUMSITZEN

25 VOM KOPF IN DIE CLOUD

26 TIEF DURCHATMEN

Organisation 4.028 DIGITAL DISRUPTION

30 INNOVATION STATT ADMINISTRATION

32 OFFEN, FREI UND KOOPERATIV

34 INSIDE SILICON VALLEY

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Digitalisierung ist längst kein Trend mehr, son-dern Realität. Sie hat

Einzug gehalten in Wohn- und Arbeitszimmer, Privat- und Ar-beitsleben. Die Auswirkungen sind auf allen Ebenen spürbar. Für HR ist dies eine Chance, sich neu zu positionieren und zum Change Agent des digita-len Wandels im Unternehmen zu werden.

Nach den ersten drei industriellen Revolutionen, die Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeitswelt nach-haltig veränderten, befinden wir uns mitten in der vierten Revo-lution – in der Digitalisierung. Vollständig digitale und vernetz-te Wertschöpfungsketten eines Produktes, miteinander kommu-nizierende Maschinen, die selbst-ständig Produktionsschritte bu-chen, sowie effizient und schnell auf Kundenwünsche eingehen, sind in der Smart Factory bereits Realität.

Tätigkeiten, die früher von Men-schenhand erledigt wurden, wer-den von Maschinen, Robotern und künstlichen Intelligenzen übernommen. Veränderungsbe-reitschaft und Flexibilität sind ge-fordert, vor allem auf Seiten der Arbeitgeber, aber auch auf Seiten der Arbeitnehmer. Die Digitalisie-rung verändert unser Kommuni-kationsverhalten, unsere Art zu

Arbeiten und nimmt Einfluss auf Wirtschaft, Alltag und Gesell-schaft. Der „Homo Digitalis“ ist 24 Stunden online, vernetzt und informiert – Smartphones, Tab-lets und Soziale Medien machen es möglich.

DIGITALE PERMANENZ

Arbeitswelt 4.0, also der digita-le Wandel, birgt Chancen, aber auch Risiken für Wirtschaft und Gesellschaft. Durch die Digita-lisierung steigt die globale Ver-netzung, neue Jobs entstehen. Manuelle und routinierte Arbeits-schritte werden allerdings zuneh-mend von Maschinen übernom-men. Es kommt aber auch zu einer Verdichtung von Arbeit. Das bedeutet: Arbeitsabläufe werden komplexer und schneller, Teams arbeiten oft nur noch virtuell.

Flexible Arbeitszeiten und stän-dige Erreichbarkeit führen dazu,

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Homo DigitalisUnsere Welt im digitalen Wandel.

dass die Grenzen zwischen Beruf und Freizeit immer durchlässiger werden. Die Taktung zwischen Arbeit und Freizeit wird immer geringer. Die „digitale Perma-nenz“ hat Auswirkungen auf unser Leben und unsere Gesund-heit. Ein achtsamer Umgang mit Verfügbarkeit und Erreichbarkeit einerseits und die Frage nach der Entschleunigung anderer-seits werden für Arbeitnehmer in diesem Zusammenhang immer wichtiger.

PERSONALER ALS CHANGE AGENT

Digital Nomades, Digital Natives, Digital Newbies, Onliner oder Offliner – die Digitalisierung macht vor niemandem Halt. Gut vorbereitete Unternehmen können vom digitalen Wandel profitieren. Bei all den techni-schen Veränderungen dürfen wir

allerdings nicht vergessen, dass Arbeit menschengerecht bleiben muss. Denn technische Innovati-onen benötigen immer auch so-ziale Innovationen.

In diesem Sinne ist auch HR ge-fragt, sich im Unternehmen neu zu positionieren und sämtliche bevorstehende Change-Prozes-se zu begleiten, denn Perso-naler sind immer auch Change Agents. Dabei bleiben folgende Fragen offen: Wie können wir den digitalen Wandel als Chance nutzen? Welche Auswirkungen haben virtuelle Teams auf Füh-rungs- und Unternehmenskul-tur? Wie lassen sich Beruf- und Privatleben vereinen?

7www.stepstone.at www.stepstone.at

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Digital People Manage-ment und Personal-ar-beit 4.0 erfordern ein

modernes Human-Capital-Management-System – und zwar schnell. Sonst macht die Digitale Transformation den Personaler überflüssig, be-fürchtet Dr. Ursula Christina Fellberg im Gespräch mit one step ahead.

Die Voraussetzungen für eine ziel-gerichtete Umsetzung der Digita-len Transformation im Unterneh-men sind die Formulierung einer spezifischen Personal-Strategie, das Schaffen von Akzeptanz bei Führungskräften, Mitarbeitern und Personalern, sowie die Ein-leitung eines langfristig angesetz-ten, vom Management gestütz-ten und geförderten Prozesses, ist sich Dr. Ursula Christina Fell-berg, langjährige Managerin im Siemens-Konzern, Strategiebera-terin und Autorin, sicher. „Zuerst muss die Vorstandsebene wis-sen, was Digitale Transformation überhaupt bedeutet und welchen Einfluss diese auf ihr künftiges Geschäft inmitten des Wettbe-werbs und sich rasant ändernden gesellschaftlichen und wirtschaft-lichen Entwicklung haben wird“, erklärt Fellberg.

VOM ADMINISTRATOR ZUM BERATENDEN BUSINESS COACH

Die Digitale Transformation ver-langt einen Wandel der Rolle des Personalers, weg vom Administ-rator und hin zu einem „beraten-den Business Coach“, der als Part-ner des Managements akzeptiert wird. Dadurch wird der Personaler der Rolle des Gestalters der Digi-talen Transformation gerechter, ist Fellberg überzeugt: „Verwalten und Beobachten war gestern, wertschöpfendes und vor allem wertschätzendes People Manage-ment ist zukünftig gefragt: ins-pirierend, vorausschauend, agil, digital und steuernd. Personaler müssen Coaches für Management und Führungspersönlichkeiten wer-den und sich auf wertschöpfende Personalprozesse fokussieren, die definiert, optimiert, gesteuert und nachhaltig umgesetzt gehören. Das aber erfolgt nicht mehr allein durch Personaler, sondern durch Führungspersönlichkeiten und die Mitarbeiter selbst.“

Personalarbeit muss also kurz- oder langfristig neue Strategien auspro-bieren. „Leider hat sich die strate-gische Ausrichtung der Personal-arbeit in den vergangenen Jahren nicht signifikant verbessert“, so

Fellberg. „Personaler sehen man-gelnde Kapazitäten und die Domi-nanz operativer Aufgaben sowie das Alltagsgeschäft als wesentli-che Hürden an. Auch die Weiter-entwicklung der Organisation der Personalbereiche ist ins Stocken geraten“, analysiert die langjäh-rige Siemens-Managerin. „Perso-nalthemen werden zwar deutlich hörbarer und selbstbewusster an-gegangen, die Themen an sich sind jedoch nicht neu. Die größten Um-setzungsschwierigkeiten und damit unzureichende Akzeptanz liegen im Personalbereich selbst, unter anderem aufgrund unzureichender Verhaltensänderungen der Perso-naler und ihrer fehlenden digitalen Kompetenzen.“ Das Motto der Autorin lautet „Taten statt Reden“. Sie ist überzeugt: „Es muss nun endlich gehandelt werden, sonst wird die Digitale Transformation die Personaler überflüssig machen.“

MODERNES HUMAN CAPITAL MANAGEMENT

Der Personaler als Visionär ist in erster Linie Gestalter der Digita-len Transformation und Vermitt-ler zwischen Arbeitnehmer- und Personalvertretung sowie Unter-nehmensführung bzw. politischer Führung und Führungskräften. „Die Rolle der Personaler als

8 – People Management 4.0

People Management neu denken

Modernes People Management braucht mobile Personalarbeit.

Dr. Ursula Christina FellbergStrategieberaterin und Autorin

ES MUSS NUN ENDLICH GEHANDELT WERDEN,

SONST WIRD DIE DIGITALE TRANSFORMATION DIE

PERSONALER ÜBERFLÜSSIG MACHEN.

Business Partner ist in einigen Un-ternehmen umgesetzt bzw. im Fokus künftiger strategischer Neu-ausrichtungen. Mit der Digitalen Transformation geht es aber einen Schritt weiter: Personalprozesse werden nicht (mehr) nur Auf- gabe der Personaler sein, sondern sollen zum täglichen Geschäft eines jeden Mitarbeiters gehö-ren.“ Fellberg rät daher zu einer einheitlichen, ganzheitlichen und globalen HCM-/Cloudlösung, die den „Beratenden Business Coach“ in der Personalarbeit un-terstützt und Freiräume für bera-tende Aufgaben schafft.

In den letzten Jahren führen tatsächlich immer mehr Unter-nehmen zur Reformierung ihrer Personalorganisation, kontinu-ierliche Prozessoptimierung mit modernen HCM-Systemen ein. Auch Fellberg ist überzeugt: „Mit einem zukunftsorientierten HCM-System in der Cloud wer-den Unternehmen in der Lage sein, qualifizierte und erfolgreiche Mitarbeiter einzustellen und zu binden, auf kritische Mitarbei-terdaten sicher zuzugreifen und ihre Mitarbeiter und Manager mit einer Vielzahl von Selbstverwal-tungsfunktionen auszustatten. Administrative Personalstandard-themen werden von externen Personal-Dienstleistern einge-

People Management 4.0 – 9www.stepstone.at www.stepstone.at

Arbeiten in der Cloudü „Strategische“ Personalthemen sollen in die Cloudü Mitarbeiter sind flexibel („einfach“) in globale und lokale Prozesse einzubindenü Cloud ermöglicht Mobilität von „unterwegs“ und vom Home- Officeü Geringerer Aufwand für Betrieb und Nutzung von HCM- Systemen in der Cloudü Cloud-Akzeptanz steigt, Sicherheitsbedenken sinken

Quelle: Wie die HR Cloud Software zukunftsorientiertes HR Management erfolg-reich unterstützen kann, IDC White Paper Personalwirtschaft extra 11/2014 und Sind Sie fit für die Digitale Personalarbeit @2020?

Empfehlungen g „Personaler“ müssen Gestalter der Digitalen Transformation werden g HCM-System muss konkret, aktuell, global, einheitlich unterstützen g Starten oder intensivieren Sie Digitale Veränderungsprozesse

kauft und die Anwendung des People Managements erfolgt auf mobilen Endgeräten an jedem Ort und zu jeder Zeit.“ Einerseits wird also der Mitarbeiter zum „Digita-len Nomaden“, seine Ansprüche an mobile Anwendungen von unterwegs und daheim steigen rasant. Andererseits bedeutet dies, dass Personaler sich darauf einstellen müssen, dass sie nicht mehr „Personalarbeit vor Ort“, sondern „Personalarbeit an je-dem Ort“ machen werden.

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10 – People Management 4.0 www.stepstone.at People Management 4.0 – 11www.stepstone.at

Digital Natives – Digital NewbiesVier Generationen unter einem Dach.

sich eine Kluft auf zwischen den „Digital Natives“ und den „Digital Immigrants“.

Letztere sind laut dem amerikani-schen Autor und E-Learning-Ex-perten Marc Prensky Menschen, die erst im Erwachsenenalter mit digitalen Technologien in Berüh-rung gekommen sind. Ihr Um-gang mit der Digitalisierung ist teilweise noch von Vorsicht, Ab-warten und Abwehrreaktionen geprägt.

„Digital Natives“ hingegen sind mit Smartphones, Internet und Social Media vertraut und beherrschen die Klaviatur der digitalen Medien wie aus dem Effeff.

DIE KOMMUNIKATION WIRD PERSÖNLICHER

Genau das sei eine Kompetenz, die sich „Digital Immigrants“ in Un-ternehmen von jüngeren Kollegen abschauen können, sagt die deut-

sche Forscherin Cornelia Daheim. „Die jüngere Generation, die jetzt nachkommt, kommuniziert an-deres. Diese Generation setzt auf kleinteilige Kommunikation, wie sie bereits in Messaging-Formaten von Whatsapp, Facebook und Co. zum Einsatz kommt.“

Mit kürzeren Kommunikations-wegen und knapperen Mittei-lungen fielen auch viele der alten Formalitäten, mit denen man sich in der beruflichen Korrespondenz bisher oft herumplagen musste, weg. „Die Kommunikation wird positiv, einfacher, persönlicher und authentisch.“

GENERATIONEN LERNEN VONEINANDER

Damit die Generationen voneinander lernen, schlägt Hellmuth Leinfellner, Berater bei Capgemini, „digitales Mentoring“ vor: „Damit die ‚Immi-grants‘ von den ‚Natives‘ nachhaltig lernen können, braucht es Teams

Digital Natives, Millenials, Ge-neration Z: Die jungen Leute,

die jetzt ins Berufsleben kommen, haben viele Namen. Gemeinsam ist ihnen allen eines: Sie sind mit dem Internet aufgewachsen und legen das Smartphone praktisch nie aus der Hand. Das unter-scheidet sie von Menschen, die seit vierzig Jahren in derselben Firma arbeiten – und sich ihre Mails noch vom Sekretariat aus-drucken lassen.

DIGITALISIERUNG FÜR ALLE

Erstmals seit Jahrzehnten arbei-ten mehrere Generationen unter einem Dach, zeigt die Studie „4G Workplace“ von Ricoh und Cole-man Parkes. Das wirkt sich in der täglichen Zusammenarbeit aus: 65% der befragten Personen sind der Meinung, dass es klare Unter-schiede in der Art und Weise gibt, wie Menschen aus unterschiedli-chen Generationen arbeiten. Vor allem in puncto Digitalisierung tut

mit hoher Diversity, in denen die Ex-pertenrolle hin- und herwechselt.“ Gerade digitalen Skeptikern müsse ein spielerischer Zugang zur Technik vermittelt werden: „Man muss den Leuten die Angst nehmen, etwas zu nutzen. Es geht darum, Dinge einfach auszuprobieren und wieder von vor-ne anzufangen, wenn es nicht klappt. Besonders wichtig ist dabei, den Be-teiligten einen Gesichtsverlust zu er-sparen.“

Sein Rat: Unternehmen sollten sich genau anschauen, welche Strategie oder welches Tool gut zur jeweili-gen Gruppe, dem Projekt oder in die Abteilung passe. Und den digi-talen Zugang nach Möglichkeiten unterstützen. Etwa durch unein-geschränkten Zugang zum firmen-internen WLAN oder BYOD (Bring your own Device), auf denen Mitar-beiter beruflich sowie privat digital unterwegs sein können. „Das ist für die Mitarbeiter auch eine Art Bo-nus“, weiß Leinfellner. „Und so holt man letztendlich auch Skeptiker mit ins Boot.“

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Sind Sie Onliner oder Offliner?

Analog oder digital? Zu-nehmend leben wir in beiden Welten – wir

sind online und offline gleich-zeitig. Doch was ist eigentlich mit jenen, die die Digitali-sierung verweigern bzw. ihr skeptisch gegenüberstehen?

Gehen die Entwicklungen der Arbeitswelt 4.0 nur in eine Rich-tung, nämlich in Richtung Di-gitalisierung oder gibt es auch eine Gegenkultur, eine Kultur der Analogen und der sogenannten „Offliner“? Ja, die gibt es in der Tat. Doch wie geht HR mit diesen Subkulturen im Unternehmen um? one step ahead hat mit Dr. Joël Luc Cachelin, Autor des Bu-ches „Offliner. Die Gegenkultur der Digitalisierung“, über Digita-lisierungsskeptiker im Unterneh-men und das richtige Verhältnis von on- und offline in der Zusam-menarbeit gesprochen.

FREMDBESTIMMTE DIGITALI-SIERUNG HINTERFRAGEN

Unter dem Begriff „Offliner“ versteht Cachelin keine Digita-lisierungsverweigerer, sondern vielmehr Skeptiker, die mehr Transparenz und Selbstbestim-mung fordern: „Offliner sind eben gerade keine Verweigerer. Sie sind aber Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen die selbstverständliche und fremd-bestimmte Digitalisierung kritisch hinterfragen.“

Dem Autor zufolge sind Offliner eine heterogene Gruppe mit ver-schiedenen Beweggründen für ihre Skepsis, die diese am ehesten im Gespräch offenbaren: „Die Motive sind sehr unterschiedlich und reichen vom Datenschutz über die Globalisierungskritik bis hin zur Entschleunigung. Identi-

12 – People Management 4.0

Dr. Joël Luc Cachelin Buchautor

JE STÄRKER DIE DIGITALISIERUNG, DESTO

WICHTIGER WIRD DAS VERHÄLTNIS VON

ANALOGER UND DIGITALER ZUSAMMENARBEIT.

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„Der digitale Lebensstil wird zu einem differenzierenden Merkmal wie Geschlecht, Herkunft oder Sexualität.“

fizieren kann man diese nur im Gespräch, zum Beispiel indem man sich über mögliche Szena-rien der digitalen Zukunft unter-hält.“ Offliner machen also nicht jeden Trend mit und hinterfragen so manche Entwicklung in der Ar-beitswelt kritisch.

DURCH TRANSPARENZ ÄNGSTE NEHMEN

Digitalisierung wird oftmals mit Innovation und Fortschritt in Ver-bindung gebracht. Cachelin ist jedoch überzeugt, dass zukunfts-orientierte Unternehmen auch Offliner brauchen. Ihm zufolge entstünden durch diese nämlich auch neue Märkte, etwa für Ent-schleunigung, Datenschutz oder Regionalisierung.

Er geht davon aus, dass auch die Prozesse von HR digitaler werden. Hier geht es vor allem darum, Mitarbeitende zu befähigen und ihnen durch Transparenz Ängste zu nehmen. Wichtig für HR ist jedoch, nicht auf die Offliner zu vergessen, denn diese sind für die Diversität des Unternehmens von Bedeu-tung. „Durch die Digitalisierung

eröffnet sich eine neue Dimen-sion der Diversität. Der digitale Lebensstil wird zu einem diffe-renzierenden Merkmal wie Ge-schlecht, Herkunft oder Sexuali-tät. Unternehmen, die innovativ sein wollen, sind also gut beraten, auch diese Diversität abzubilden. Dabei geht es nicht um Mitleid oder Rücksicht, sondern darum, unterschiedliche Perspektiven, Visionen und damit Innovations-potentiale im Gedankenpool der Belegschaft abzubilden“, meint der HR-Profi.

SEHNSUCHT NACH ORIEN-TIERUNG UND IDENTITÄT

Onliner, Offliner, analog oder di-gital – wie werden diese unter-schiedlichen Interessensgruppen mit auseinanderdriftenden Le-bensstilen im Unternehmen zu-künftig zusammenarbeiten? „Je stärker die Digitalisierung wirkt, desto wichtiger wird das Verhält-nis von analoger und digitaler Zusammenarbeit. Die Dezentrali-sierung der Arbeit wird dazu füh-ren, dass wir uns weniger phy-sisch treffen. Das macht auch aus Effizienzgründen Sinn. Es macht keinen Sinn, wenn mehrere Men-

schen gleichzeitig in einem Raum an einer Powerpoint-Präsentation arbeiten. Wenn wir uns aber we-niger physisch treffen, braucht es eine stärkere Reflexion der Frage, warum wir uns überhaupt noch treffen sollen.“

Cachelin ist auch der Meinung, dass virtuelles Zusammen- arbeiten die Rolle des Unterneh-mens zunehmend verändern wird – vom Arbeitsplatz hin zur heimat-, sinn- und identitätsge-benden Institution: „Ich beob-achte außerdem eine steigende Sehnsucht nach Orientierung, Identität und Heimat. Arbeitge-ber werden sich Gedanken ma-chen, wie sie diese Bedürfnisse – jenseits der eigentlichen Arbeit – befriedigen können.“ Dies stellt vor allem Großkonzerne vor neue Herausforderungen. Der Autor ist überzeugt, dass das richtige Verhältnis von on- und offline im Unternehmen entscheidend zum Unternehmenserfolg beitragen wird.

People Management 4.0 – 13www.stepstone.at

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In vielen Unternehmen verläuft der Recruiting-Prozess bereits fast komplett digital. Online-Formula-re und Bewerberdatenbanken er-möglichen die automatische Vor-auswahl von Kandidaten anhand ihrer Berufserfahrung und Quali-fikation. Durch Daten, die online verfügbar sind, erhalten Recruiter zwar einen Einblick in die Quali-fikation eines Bewerbers, nicht jedoch in dessen Persönlichkeit. „Soft Skills, wie etwa Kreati-vität, Führungs- und Verhand-lungsfähigkeiten oder auch der sogenannte ‚Cultural Fit‘ eines Kandidaten, also ob er ins Un-ternehmen und Team passt, wer-den jedoch für eine erfolgreiche Stellenbesetzung immer wichti-ger“, sagt Constantin von Runds-tedt, Managing Director bei von Rundstedt Executive Search, im Gespräch mit one step ahead.

HERR RUNDSTEDT, WELCHE TRENDS GIBT ES IM DIGITALEN RECRUITING?

Digitales Recruiting bedeutet, dass der Recruiting-Prozess in vielen Unternehmen nahezu komplett digital verläuft: Stel-lenanzeigen werden in Internet-portalen geschaltet statt in Print-Medien. Bewerber werden in Onlinebusiness-Netzwerken wie Xing oder Linked-In gesucht und angesprochen. Bewerbungsun-terlagen werden immer seltener per Post versendet. Die E-Mail-Bewerbung ist heute der Normal-fall. Insbesondere Konzerne nut-zen Online-Formulare mit einer angeschlossenen Datenbank, die eine automatische Vorauswahl

ermöglichen. Auch Online-As-sessments und Erstgespräche via Webcam werden immer häufiger eingesetzt. Diese Entwicklung wird weiter voranschreiten und die Talentsuche und -auswahl prägen.

INWIEFERN HABEN DIE GENERATIONEN Y UND Z ANDERE ERWARTUNGEN ANS RECRUITING?

Die Generationen Y und Z sind mit dem Internet groß gewor-den. Sie sind es gewohnt, ständig online zu sein und den Großteil ihres Lebens online zu organisie-ren, auch die Jobsuche. Sie wol-len sich nicht mehr auf klassische Ausschreibungen bewerben. Und müssen es auch nicht. Gerade die

14 – Digital Recruiting

Hochqualifizierten können sich zwischen zahlreichen Jobange-boten entscheiden. Die aktive Ansprache von High Potentials im Social Web, vor allem über die Business-Netzwerke, wird sich deshalb als fester Bestandteil im Prozess der Mitarbeitergewin-nung etablieren.

WANN STÖSST DIGITAL RECRUITING AN SEINE GRENZEN?

Über die online verfügbaren Da-ten erhalten Unternehmen zwar einen sehr detaillierten Eindruck der Kompetenzen, Fähigkeiten und fachlichen Qualifikationen der Kandidaten. Eine Einschät-zung der Persönlichkeit hin-ter dem Talent ist so aber nicht möglich. Doch gerade die Per-sönlichkeitseigenschaften und Soft Skills sind immer häufiger ausschlaggebend für eine erfolg-reiche Stellenbesetzung. Bei der Einschätzung, ob Kandidaten über Kreativität, Führungs- oder Verhandlungskompetenz, diplo-matisches Geschick oder Einfüh-lungsvermögen verfügen, sind die Erfahrung und Expertise eines HR-Spezialisten nicht zu ersetzen. Dazu kommt: Top-Manager und Kandidaten mit seltenen Profilen findet man nicht in Online-Netz-werken. Viele von ihnen zählen zu den „Digital Sceptics“ und sind online nahezu unsichtbar. Kandidaten für solche Positionen finden wir über die Direktan-sprache. Hier sind Headhunter erfolgreich, die über ein breites Netzwerk, persönliche Kontakte und ein großes, offline erworbe-nes Wissen über geeignete Kan-didaten und deren Fähigkeiten verfügen.

DIE HR-BRANCHE IST IM WANDEL, WIE WIRKT SICH DAS AUF RECRUITING UND EMPLOYER BRANDING AUS?

Die klassische Leiterkarriere wird immer weniger die Regel sein. Wir sind davon überzeugt, dass Karrieren in der Zukunft eher einem Mosaik aus sich abwech-selnden unterschiedlichen Auf-gaben, Funktionen und Einsät-zen als Fach- und Führungskraft sowie in Projektteams gleichen werden. Somit werden Brüche im Lebenslauf keine Seltenheit mehr sein. Kandidaten mit einem solch bunten Lebenslauf, der auch Brü-che enthalten kann, fallen heute noch zu oft durchs Netz der Re-cruiting Software. Dies werden sich Unternehmen zukünftig nicht mehr leisten können. Aber auch hier nimmt die maschinelle Intelligenz exponentiell zu. Ich gehe davon aus, dass wir hier bereits in 5 bis 7 Jahren ebenfalls Veränderungen erleben werden.

Hinzu kommt, dass Bewerber bei der Auswahl ihres Arbeitgebers immer anspruchsvoller werden. Ihnen ist nicht nur wichtig, dass sie ihre Arbeitssituation an ihre aktuelle Lebensphase anpassen können, sondern auch, dass die Unternehmenswerte mit ihren ei-genen in Einklang stehen. Stellen sie fest, dass dies nicht der Fall ist, verlassen sie das Unterneh-

men schnell wieder. Wir emp-fehlen Unternehmen daher, bei der Mitarbeiterauswahl stärker darauf zu achten, dass diese in Bezug auf ihre Werte, Visionen, Motive, Haltung und Ziele zum Unternehmen und zu ihrem Team passen. Wir sprechen hier vom sogenannten „Cultural Fit“. Da wir diesen gerade bei der Rekru-tierung von Führungskräften für entscheidend halten, haben wir ein Tool zur Messung der kultu-rellen Passung entwickelt.

SCHLAGWORT DIGITALISIERUNG: WIE SIEHT DER RECRUITER DER ZUKUNFT AUS?

Social Media, Prozessautoma-tion und Analyse-Tools werden weiterhin eine wichtige Rolle in der Personalgewinnung spielen, denn sie führen zu einer Ar-beitserleichterung und eröffnen neue Möglichkeiten. Sie können Entscheidungen im Talentma-nagement absichern. Und im Wettbewerb um Talente und die Kandidaten ist mit Sicherheit die Geschwindigkeit ein sehr großer Vorteil, der durch Automation und Digitalisierung von Prozessen erreicht werden kann.

Die Entscheidung jedoch, in welchen Bereichen der Personal-suche und -auswahl eine Soft-ware sinnvoll eingesetzt werden kann, kann nur ein HR-Spezialist treffen. Der Recruiter der Zu-kunft unterstützt Unternehmen somit bei Auswahl und Einsatz der richtigen Tools und reduziert einen Bewerber nicht auf seinen Lebenslauf. Er verschafft sich ein ganzheitliches Bild und öff-net den Blick der Unternehmen auch für Kandidaten, die auf den ersten Blick vielleicht durch das Raster gefallen wären, bei genau-em Hinsehen aber für das Unter- nehmen oder die Aufgabe bren-nen.

Digital Recruiting – 15

Mut zur FarbeKandidaten mit bunten Lebensläufen und Mosaikkarrieren fallen noch zu oft durch das Netz der Recruiting Software.

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Constantin von RundstedtManaging Director bei

von Rundstedt Executive Search

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We want you!

Employer Branding 4.0: 10 Thesen zur Kandidatensuche im digitalen Zeitalter.

THESE 1: DIE NEUE KONKURRENZ

Nicht nur traditionelle Arbeitge-ber suchen Mitarbeiter, sondern auch Projekt- und Entwicklungs-gemeinschaften. Menschen arbeiten temporär und unterneh-mensübergreifend zusammen, nicht primär für ein Unterneh-men, sondern für eine „coole, geile, abgefahrene“ Forschungs-frage oder Idee. Dieser Level an inhaltlicher Auseinandersetzung hat ebenso Zugkraft wie die Ge-wissheit, bei etwas dabei zu sein, das „ahead of times“ ist. Attrak-tive Arbeitgeber stellen künftig Content vor Kontrolle und be-treuen Coworking-Spaces und Labs wie Key Accounts.

THESE 2: DIE NEUEN FÄHIGKEITEN

Die Überlebensfähigkeit von Un-ternehmen hängt auch an IT- und HR-Verantwortlichen, die smar-

ten digitalen Workflow und neue Arbeitsmodelle bieten müssen. Was für HR-Arbeit konkret heißt: Die digitale Infrastruktur von Un-ternehmen und Führungskräften mit der Fähigkeit, in dieser digita-len Welt zu „führen“, werden zu den wichtigsten Wettbewerbs-faktoren im „War for Talent“.

THESE 3: DAS NEUE SELBSTVERTRAUEN

Der berufliche Leidenswille der Menschen nimmt ab. Programme wie Bildungskarenz oder Sabbati-cal fördern diesen Umstand ebenso wie die Tatsache, dass Mitarbeiter verstärkt darauf achten, ob Werte und Haltungen des Unternehmens auch zu ihren eigenen passen. Da-rauf müssen Unternehmen reagie-ren: Ein guter Mitarbeiter bekommt anderswo einen besseren Job? Am besten gratuliert man herzlich und verabschiedet sich unter gebühren-der Würdigung erbrachter Leistun-gen von ihm. Denn: Man trifft sich sicher wieder.

16 – Digital Recruiting

THESE 4: DIE NEUEN KOMBINATIONEN

„Slashies“ sind die mobilen, flexi-blen Projektarbeiter unseres Zeit-alters und integrieren unterschied-liche Tätigkeiten zeitlich so, dass am Ende des Monats in etwa das Einkommen einer klassischen Voll-zeitbeschäftigung steht. Mehrere Jobs zu haben, ist nicht nur hip – es schafft auch Unabhängigkeit vom klassischen Arbeitgeber und bereitet HR-Managern zunehmend Kopfzerbrechen.

THESE 5: DIE NEUEN LEBENSSTILE

Die Städte gewinnen weiter an Be-deutung, das Rekrutieren an der Peripherie wird noch schwieriger. Der Anziehungskraft urbaner Zen-tren steht jedoch auch der Wunsch nach nachhaltigem und ökologi-schem Lifestyle gegenüber. Das lässt sich gerade in Randgebieten hervorragend inszenieren.

THESE 6: DAS NEUE MITEINANDER

Die Zukunft ist weiblich: Vernetzt, teamfähig, flexibel sind die per-fekten Eigenschaften im digitalen Zeitalter. Auch der „neue Mann“ verlangt nach neuen Denkweisen und einer Abkehr vom Dogma der

Büro-Präsenz. So fordert der „Fe-male Shift“ von HR-Verantwortli-chen, in Lebensphasen zu denken und nicht in Altersgruppen.

THESE 7: DIE NEUEN UN-TERNEHMENSKULTUREN

Mobiles Arbeiten kann man nicht mit Organisationsrichtlinien steu-ern – es entzieht sich den übli-chen Kontrollmechanismen. Wer seine Mitarbeiter remote steuert, kommt nur dann zu überzeu-genden Ergebnissen, wenn das Endergebnis zählt und der Weg dorthin dem jeweiligen Mitarbei-ter überlassen wird. Gute Unter-nehmenskulturen sind Möglich-Macher-Kulturen, in denen Spaß an der Arbeit, Gestaltungsraum und Hausverstand zählen und die sich von den üblichen Standards nicht beeindrucken lassen.

THESE 8: DIE NEUE KUNST DES FÜHRENS

Resonanz-, Gestaltungs- und Begeisterungsfähigkeit werden die Schlüsselhaltungen sein, die man künftig in Leadership-Pro-grammen entwickeln muss. Füh-rungsmantra: „WIR ist wichtiger als ICH. Mein Job ist es, Dinge möglich zu machen. Das beste Argument zählt, nicht die Hierar-chie.“

THESE 9: DER NEUE QUALIFIZIERUNGSDRUCK

Sollten bis 2050 tatsächlich 59 % der Arbeitsplätze durch Automa-tisierung wegfallen, führen mit-telmäßige Ausbildungen direkt in die Arbeitslosigkeit. Durchsetzen werden sich einmal mehr „Ta-lente“, die wach, aufgeweckt und unternehmerisch sind und das Leben im immerwährenden Entwicklungszustand erfrischend normal empfinden. HR-Manager müssen daher ein Umfeld schaf-fen, das möglichst viele Men-schen befähigt, ihre besten Sei-ten weiter zu entwickeln.

THESE 10: NEUES DENKEN

Europa verspielt derzeit auf vielen Ebenen seine Attraktivität und Vor-reiterrolle – auch als Arbeitsplatz für Digital Leaders. Employer Branding 4.0 hat aktuelle wirtschaftliche Ent-wicklungen am Radar, erweitert seinen Aktions- und Suchradius, unterstützt weltweite Talente-Ko-operationen und agiert so global, wie es heute schon in den Job-anzeigen von den Kandidaten und Kandidatinnen verlangt wird.

INFO: http://www.identitaeter.at/

Digital Recruiting – 17

Gastartikel von Karin Krobath, Partnerin der Internal & Employer Branding Agentur IDENTITÄTER

Employer Branding ist re-lativ jung: Im deutschen Sprachraum ist die Disziplin

gerade erst zehn Jahre alt. Den-noch sieht das Gebiet manch-mal ganz schön alt aus – etwa wenn mit analogem Denken der digitale Brückenschlag ver-sucht wird. Karin Krobath, Part-nerin der Internal & Employer Branding Agentur IDENTITÄTER, fasst die bisherige Entwicklung zusammen und denkt 10 The-sen voraus.

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Karin KrobathPartnerin der Internal & Employer

Branding Agentur IDENTITÄTER

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Die hohe Kunst der ZusammenarbeitVirtuelles Arbeiten verlangt Selbstmanagement.

Alles wird anders – die Digitalisierung verspricht

weitreichende Umwälzungen auf Mikro- und Makroebene, weiß Jutta Rump vom Ins-titut für Beschäftigung und Employability in Ludwigs- hafen im Gespräch mit one step ahead.

„Auf Mikroebene werden sich Arbeitsplätze, Arbeitsprozesse und Arbeitsbedingungen ändern. Mitarbeiter müssen lernen, mit steigender Geschwindigkeit und Komplexität sowie zunehmender Vernetzung umzugehen“, erklärt die Hochschulprofessorin für Per-sonalmanagement. Auf Makro-ebene stellt sich die Frage, wie sich der Arbeitsmarkt allgemein entwickeln wird: „Durch die Digi-talisierung werden neue Arbeits-

plätze entstehen, alte allerdings wegfallen. Algorithmen werden bestimmte Tätigkeiten überneh-men.“

FÜHREN UND ARBEITEN IN VIRTUALITÄT

Feste Arbeitszeiten werden flexi-bel, physische Teams virtuell. Der fixe Arbeitsplatz wird mobil. „Je globaler und vernetzter ein Un-ternehmen ist, desto eher und häufiger werden Teams virtuell zusammenarbeiten. Auch hin-sichtlich flexibler Arbeitszeiten oder Home Office wird man um das virtuelle Team nicht herum-kommen“, ist sich Rump sicher. Virtuelles Zusammenarbeiten verändert die Art und Weise der Kommunikation allerdings gänz-

lich: „Teams sind entkoppelt von Zeit und Raum. Dadurch wird die Fähigkeit, mit Komplexität und Abstraktion umzugehen, immer bedeutender“, erklärt Rump, die selbst seit 15 Jahren ein virtuelles Team führt.

„Wir sehen unsere Kollegen nicht mehr, nehmen keine Mimik und Gestik wahr. Meist hören wir nur die Stimme oder kommunizieren ausschließlich per E-Mail.“ Virtu-elle Rahmenbedingungen erfor-dern auch ein anderes Führungs-verhalten, für das Mitarbeiter und Führungskräfte erst sensibilisiert werden müssen: „Wir brauchen verbindliche Kommunikationsre-geln, klar vordefinierte Arbeits-pakete und viel Zeit für wert-schätzende Zusammenarbeit“. Für Führungskräfte bedeutet vir-

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tuelles Führen, dass sich die Füh-rungsspanne halbiert: „Im selben Zeitraum, in dem ich früher 10 Leute führen konnte, bleibt un-ter diesen Bedingungen nur noch Zeit für fünf Leute. Virtuelles Ar-beiten ist die hohe Kunst des Zu-sammenarbeitens.“

CHANGE MANAGEMENT UND SOZIALE INNOVATIONEN

„Mitarbeiter müssen mit diesen rasanten Veränderungen mit-halten können. Sie müssen dar-auf vorbereitet sein“, meint die Hochschulprofessorin. „Mit all diesen Veränderungen ist funk-tionierendes Change Manage-ment im Unternehmen wichtig“. Vor allem HR kommt bei diesen Change-Prozessen eine tragende

Rolle zu, denn der Personaler ist immer auch Change Agent. Da-bei ist wichtig, wie der Change- Prozess im Unternehmen gestaltet wird.

Die Herausforderung für Un-ternehmen wird in diesem Zu-sammenhang sein, die soziale Thematik in der Digitalisierung wahrzunehmen. „HR muss die Bedeutung der sozialen Innovati-on erkennen und die Herausfor-

derung annehmen“, hofft Rump. „Viele glauben, dass durch die Digitalisierung alles besser wird – technisch gesehen ist das richtig. Aber faktisch gesehen brauchen Mitarbeiter genügend Skills, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten“, warnt die Expertin. „Sonst werden sie zum Hamster im Rad“. Rump ist überzeugt, dass technische Innovationen im-mer von sozialen Innovationen begleitet werden müssen.

Virtuelles Arbeiten – 19

„HR MUSS DIE BEDEUTUNG DER

SOZIALEN INNOVATION ERKENNEN“

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20 – Virtuelles Arbeiten www.stepstone.at Virtuelles Arbeiten – 21www.stepstone.at

Der Kollege aus der Crowd

Wer die besten Köpfe sucht, wird heutzutage oft nicht mehr in-nerhalb der eigenen Belegschaft fündig, sondern in der so ge-nannten „Crowd“: Mitarbeiter „auf Zeit“, deren Know-how von außen auf Projektbasis ins Unternehmen geholt wird. Wie Unternehmen Crowdsourcing am besten für eigene Ziele einsetzen und temporäre Mitarbeiter ideal in Projekte einbinden, erzählt Dennis Schenkel, stellvertretender Vor-standsvorsitzender vom Crowd-sourcingverband Deutschland, im Gespräch mit one step ahead.

ONE STEP AHEAD: HERR SCHENKEL, WAS GENAU IST CROWDSOURCING BZW. CROWDWORKING?

Beim Crowdworking gibt eine Fir-ma Aufgaben in eine Cloud, die nicht direkt fassbar ist, und be-kommt ein Resultat zurück. Die Arbeit übernehmen Menschen außerhalb des Unternehmens.

WELCHE VORTEILE HABEN UNTERNEHMEN, DIE CROWDWORKER EIN-SETZEN?

Unternehmen können externes Know-how nutzen, ohne neue Leute einzustellen. Crowdworker sind zeitlich flexibel einsetzbar: Wenn ich zu einem Zeitpunkt ge-wisse Arbeitsspitzen habe, können Ressourcen dazugebucht werden. Dazu kommt, dass Crowdworking regional ungebunden ist – durch das Internet ist es möglich, mit Menschen auf der ganzen Welt zu-sammenzuarbeiten. Das kann ein deutscher Ingenieur sein, der sich auf den Malediven ein schönes Le-ben macht und zwischendurch an Projekten mitarbeitet, oder Mutter-sprachler aus einem Land, für wel-ches ich eine einheimische Experti-se brauche.

FÜR WELCHE AUFGABEN EIGNET SICH CROWD- ODER CLOUDWORKING SPEZIELL?

Dennis SchenkelCrowdsourcingverband Deutschland

UNTERNEHMEN KÖNNEN EXTERNES KNOW-HOW

NUTZEN, OHNE NEUE LEUTE EINZUSTELLEN

Cloudworking erfordert Problemlösungskompetenzen und Kommunikationsstärke – mehr denn je.

Neben ganz alltäglichen Aufgaben wie etwa Produktbeschreibungen können Sie in der Crowd auch ganz innovative Projekte entwickeln las-sen. Ein Modelabel hat beispiels-weise den kompletten Entwurf seiner Kollektion der Crowd über-lassen, auch die Herstellung wurde mittels Crowdfunding finanziert. Ein anderes Beispiel ist das Unter-nehmen Local Motors, in das auch der Flugzeughersteller Airbus in-vestiert hat. Das Unternehmen aus den USA hat ein komplettes Auto in der Clowd entwickeln und mit-tels 3D-Druck produzieren lassen.

VERSCHWIMMEN DAMIT DIE GRENZEN ZWISCHEN MITARBEITERN UND KUNDEN?

Gerade mit der Digitalisierung ändert sich die Selbstwahrneh-mung dahingehend, Kunden als

Teil des Unternehmens zu verste-hen. Firmen kommunizieren mittels Social Media immer direkter mit ihren Stakeholdern und können sie über Crowdlösungen aktiv in ihre Wertschöpfungskette miteinbezie-hen. Sie haben dann ein Produkt, das von Kunden für Kunden ent-wickelt wurde. Das Unternehmen schreibt nicht mehr vor, was ge-kauft werden muss, die Prozesse werden demokratischer und trans-parenter – näher am Menschen so-zusagen.

WIE KANN ANGESICHTS DIESER ENTWICKLUNG EIN GEWISSER QUALI-TÄTSSTANDARD EINGE-HALTEN WERDEN?

Natürlich müssen Sie vor allem am Anfang flexibel mit den Ergebnis-sen umgehen. Ich empfehle, erst kleinere Projekte in die Crowd zu geben und zu schauen, wie sich das bewährt. Wenn das gut funkti-oniert, kann ich komplexere Projek-te auslagern. Wichtig ist, jemanden im Unternehmen zu haben, der auf das Qualitätsmanagement achtet.

WELCHE AUFGABEN SOLL EIN SOLCHER QUALITÄTS-MANAGER ÜBERNEH-MEN?

Gerade bei komplexeren Projek-ten brauchen Sie im Unterneh-men eine Schnittstelle, die die Zusammenarbeit mit der Crowd koordiniert und Informationen verteilt. Dieser Koordinator muss komplexe Sachverhalte so ein-fach auf den Punkt bringen kön-nen, dass eine breite Community, die über den gesamten Erdball verstreut ist, sie auch versteht. Das ist oft ein gegenseitiger Lern-prozess: Es braucht Zeit, bis die Crowd versteht, was ich brauche – und bis ich die Leute identifizie-re, die mir auch die besten Ergeb-nisse abliefern.

SOLLTE ICH MIT DIESEN TOP-PERFORMERN EINE VERSTÄRKTE ZUSAM-MENARBEIT ANSTREBEN?

Natürlich ist die Qualität der Ar-beit dann am besten, wenn ein gewisses beiderseitiges Vertrau-en herrscht, man schon Projekte miteinander umgesetzt hat und weiß, wie man miteinander reden muss. Crowdworker, die sich be-währt haben, können Sie daher versuchen, mit anderen Vertrags-formen an das Unternehmen zu binden, wenn diese das auch wollen. Einige Unternehmen setzen Crowdworking schon im Personalmanagement ein, um talentierte Nachwuchskräfte zu finden.

WAS IST MIT DER BESTE-HENDEN BELEGSCHAFT? WIE WIRKT SICH DAS ARBEITEN MIT EINER CROWD AUF MEINE FIXEN MITARBEITER AUS?

Da gibt es immer wieder den Vorwurf, dass Cloudworking Ar-beitsplätze vernichten würde. Ich sehe das entspannter: Die zentrale Arbeit wird sich verän-dern, aber nicht wegfallen. Mit-arbeiter brauchen vielmehr Pro-blemlösungskompetenzen und Kommunikationsstärke, um mit „Kollegen“ aus der Cloud zusam-menarbeiten zu können. Auch die Einschätzung von Arbeitser-gebnissen wird vor diesem Hin-tergrund immer wichtiger: Man möchte schließlich die Qualitäts-standards, die Sie vorhin schon erwähnt haben, nicht aushöhlen.

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auf kollektive Expertise setzenden Arbeiten, das die digitalen Techni-ken mit sich bringen, erfahren die ‚typisch weiblichen‘ Kompeten-zen eine enorme Aufwertung.“

Ehemalige „Soft Skills“ würden zu „Hard Skills“ der modernen Arbeitswelt: „Gefragt sind agile, vernetzte, kommunikative, inte-grative Community-Manager, die Teams in flachen Hierarchien zum

gemeinsamen Erfolg führen. Es wird kaum mehr Bühnen für in-dividuelle Selbstinszenierungen, wie wir sie heute noch kennen, geben. Damit sind Frauen die ide-alen Change Agents der digitalen Transformation.“

FRAUEN MÜSSEN „DIGITAL SKILLS“ WEITERENTWICKELN

Das scheinen sie auch selbst zu wissen: So stehen Frauen den veränderten Anforderungen in der hypervernetzten Welt grund-sätzlich positiv gegenüber, zeigt eine aktuelle Studie des Consul-ting-Unternehmens Accenture. „Vor allem Frauen in Österreich, Deutschland und der Schweiz halten sich für gute Zuhörerinnen

und glauben damit, eines der wichtigsten Skills für die Karriere im digitalen Zeitalter mitzubrin-gen“, erklärt Sandra Babylon von Accenture.

Sie fordert Unternehmen dazu auf, die Digital Skills von Frauen weiterzuentwickeln, um der Transformation in eine Ar-beitswelt 4.0 gut gerüstet gegen-überzustehen. „Unternehmen müssen mehr tun, um qualifizier-ten Frauen den beruflichen Auf-stieg zu ermöglichen und dabei ihre digitalen Kompetenzen voll auszuspielen. Nur wer das Po-tenzial aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter voll einzusetzen weiß, wird langfristig erfolgreich sein können.“

Virtuelles Arbeiten – 23www.stepstone.at

„FRAUEN SIND DIE IDEALEN CHANGE

AGENTS.“

Schluss mit Rumsitzen

Die Digitale Transforma-tion verändert die Ar-beitswelt – und damit

auch das Verhältnis zwischen den Geschlechtern. Erste Er-kenntnisse deuten darauf hin, dass die digitale Disruption gerade Frauen neue berufliche Entwicklungsperspektiven er-öffnet. Denn: Ihnen bietet der Wandel die Chance, Beruf und Privatleben besser zu vereinba-ren – und gleichzeitig an der ei-genen Karriere zu feilen.

DIGITALE ABKEHR VOM PRÄSENTISMUS

Möglich wird das durch die ver-stärkte Entkoppelung von beruf-licher Leistung und Anwesenheit am Arbeitsplatz, ist die deutsche Forscherin Annette Kirschenbau-er überzeugt. Sie hat die Auswir-kungen der Digitalisierung auf männliche und weibliche Berufs-verläufe untersucht und fordert eine Abkehr vom – derzeit noch überall herrschenden – Präsentis-mus.

„Durch den Einsatz neuer Tech-nologien verändern sich Arbeits-weisen, Arbeitsstrukturen und damit Hierarchien und Kommuni-kationsweisen fundamental. Die Präsenzzeit der Arbeitnehmer am

Arbeitsplatz geht in ihrer Bedeu-tung zurück, es kann vermehrt mobil und zeitflexibel gearbeitet werden. Das macht individuel-le Aushandlungen möglich und stellt rollentraditionelle Aufteilun-gen in Frage. Darin liegt großes Potential zur Neuaushandlung der Geschlechterverhältnisse hin-sichtlich einer besseren Verein-barkeit von Erwerbs- und Privat-sphäre.“

FÜHREN IN TEILZEIT – FÜR MÄNNER UND FRAUEN

Gerade die junge Generation ist oft mehr an einer verbesserten Work-Life-Balance interessiert als am klassischen Karrierefort-schritt. „Wir konnten feststellen, dass immer mehr der befrag-ten männlichen Erwerbstätigen Ansprüche entwickeln, ihre Ar-beitszeit zu reduzieren. Außer-dem verliert Präsenz und Anwe-senheit durch den Einsatz von Social Business Software immer mehr an Bedeutung. Hier ist ein Ansatzpunkt, um Teilzeitarbeit auch für Führungskräfte und für Unternehmen attraktiver zu ma-chen: Ist Präsenz am Arbeitsplatz nicht mehr ausschlaggebend für die Karriere, wäre auch „Führen in Teilzeit“ möglich, für Frauen und Männer.“

Grundlegend, da sind sich die Experten einig, macht die Digi-talisierung Arbeit komplexer und verlangt nach kollektiv vernetzten Strukturen und geteiltem Wissen statt nach Einzelexpertisen und „Silo“-Denken. Die Fähigkeit, Ideen und Konzepte verständlich zu kommunizieren, wird damit ebenso wichtig wie soziale und integrative Kompetenzen und neue Modelle der Partizipation. Im global vernetzten Arbeiten steht das Team im Mittelpunkt und nicht ein einzelner „egoisti-scher Macher“: Machtmenschen, die von oben herab diktieren, was zu geschehen hat, sind in Zeiten von mobiler Arbeit, Crowdwor-king und vernetztem Denken nicht mehr zeitgemäß.

KLASSISCHE „FRAUENKOMPETENZEN“ GEWINNEN AN BEDEUTUNG

All dies bietet für Frauen, denen von jeher die Fähigkeit zur Em-pathie, zum vernetzten Kom-munizieren und zur Einbindung zugeschrieben wird, große Chan-cen, ist Kira Marrs vom Münchner Institut für Sozialwissenschaftli-che Forschung überzeugt: „Beim vernetzten, kooperativen, trans-parenten, Wissen teilenden und

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Das Ende der Präsenzkultur birgt viele Chancen vor allem für Frauen.

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Virtuelles Arbeiten – 25www.stepstone.at24 – Virtuelles Arbeiten www.stepstone.at

nizieren, wird Wissen auch wirk-lich transparent.“

DIGITALE SOZIALE NETZ-WERKE VERMITTELN WISSEN

In der einheitlichen Struktur von Wikis sind Informationen leicht wiederauffindbar und können so für neue Projekte genutzt werden. Zudem lassen sich Wikiseiten mit entsprechenden Ansprechpartnern oder weiteren Dokumenten verlin-ken und sind einfach bedienbar. Da-mit kann sowohl implizites als auch explizites Wissen unkompliziert do-kumentiert und vermittelt werden.

Extra-Funktionen wie Chats und Fo-ren dienen dazu, sich über Spezial-fragen auszutauschen, und bringen Wissen unabhängig von Zeit und Ort auch in die entlegensten Gebie-te eines Unternehmens. Und weil hinter den Inhalten wirkliche Kolle-gen aus Fleisch und Blut stehen, ist auch die Glaubwürdigkeit von Wi-kis am höchsten, sagt Grabmeier. Denn: „Das größte Vertrauen legen wir in usergenerierten Content.“

Es gilt als wichtigste Res-source im Unternehmen und kann in Zeiten der di-

gitalen Disruption über Erfolg und Misserfolg eines gesam-ten Unternehmens entschei-den: Das Wissen und Know-how, das sich über die Jahre innerhalb der Organisation an-gesammelt hat. Jeder einzelne Mitarbeiter besitzt spezifische fachliche Kompetenzen, die erfolgreich kommuniziert und verteilt ein unschätzbares Ka-pital darstellen.

Der Einsatz von Wissensmanage-ment ist daher essentiell für den langfristigen Unternehmenser-folg. Das Problem: Durch Gene-rationenumbrüche und moderne Arbeitsformen wie Crowdwor-king, Remote Work und Projekt-arbeit ist Wissen oft unstrukturiert vorhanden und fließt – Stichwort Pensionierungswelle – auch lang-sam aus den Unternehmen ab. Wissensmanagement versucht daher, ein Umfeld zu schaffen, in welchem sich das Wissen aller Mitarbeiter miteinander vernet-zen kann.

WIKIPEDIA ALS VORBILD

Welches Wissen relevant ist, sollte dabei der kollektiven In-telligenz überlassen werden, ist Stephan Grabmeier, Chief Inno-vation Evangelist der Haufe-um-antis AG und Experte für digitale Transformation, überzeugt. Er sagt: Unternehmen müssten end-lich verstehen, die Entwicklungen der letzten 20 Jahre im Netz auch in die Organisationen zu über-tragen. Das sei das Um und Auf für die Verteilung und Vermeh-rung von organisationsinternem Wissen.

„Der ursprüngliche Glaube, durch redaktionelle Auswahl wichtige Themen zu ermitteln und top-down an Menschen wei-terzugeben, wird von den Men-schen nicht mehr akzeptiert. Was wirklich funktioniert, ist der com-munitybasierte, vernetzte Ansatz, wie ihn auch Wikipedia als welt-weit größte und beste Wissens-community hat. Nur dort, wo Menschen sichtbar werden und die Möglichkeit haben, ohne Re-gularien miteinander zu kommu-

Vom Kopf in die CloudWissen wird digital.

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gegensteuern. Wenn ich nicht auf mich höre, habe ich gar keine Macht, etwas zu ändern.“

Im Kern der Achtsamkeit steht Achtung und Wertschätzung der eigenen Gefühle: „Wir set-zen uns mit unseren Emotionen erst auseinander, wenn sie sehr extrem sind, wenn sie so präsent sind, dass wir uns damit beschäf-tigen müssen. Alles, was vorher passiert, ist ganz zart, und wir achten nicht mehr darauf, weil wir ständig abgelenkt sind.“ Sein Rat: Mehrmals pro Tag kurz inne-halten und den Moment wahr-nehmen. „Da geht es darum, einfach zu schauen, wie fühle ich mich gerade, ohne Bewertung. Das ist etwas sehr Persönliches, sehr Zartes, das muss man erst lernen.“

DEN EIGENEN MEDIENKON-SUM BEWUSST MACHEN

Ironischerweise kann die moder-

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ne Technologie dabei helfen, den täglichen Gefühlscheck zur Ge-wohnheit zu machen. So bieten zahlreiche Apps kostenlose Me-ditationen und Reminderfunk-tionen an. Innehalten und tief durchatmen per Smartphone-Erinnerung ist aber nur der erste Schritt: Wie Unternehmen sollte sich auch der durchschnittliche Online-User eine ganz persönli-che Social-Media-Strategie zule-gen und überlegen, wie man auf welche Plattform reagiert und was sie mit der eigenen menta-len Gesundheit macht, rät Mile-na Glimbovski, Geschäftsführerin von Original Unverpackt und Mit-autorin von „Ein guter Plan“.

Sie ist davon überzeugt: Die Di-gitalisierung ist überhaupt nicht das Problem. „Das einzige Prob-lem sind wir selber, weil wir nicht gelernt haben, damit umzuge-hen. Wir wissen nicht, wie man auf sich selber aufpasst, auf seine Gesundheit und seinen eigenen Medien- und Onlinekonsum.“ Im

Gegensatz zu ihren Eltern wür-de sie sich beispielsweise immer wieder im Netz oder auf Social Media verlieren, weil immer mehr Videos, Blogs, Artikel und lustige Katzenbilder ihre Aufmerksam-keit verlangen.

Ihre Lösung: Eine genau defi-nierte Erwartungshaltung, mit der man an digitale Medien he-rangehe. „Wir leben im Internet. Um sich da nicht zu verlieren, ist es wichtig, vor einer Aufgabe kurz innezuhalten und sich klar-zumachen, was genau man jetzt erledigen möchte. Und wenn es lustige Katzenvideos sind: Wenn ich ganz klar für mich beschließe, dass ich mir das jetzt bewusst an-sehen möchte, kann ich das viel mehr genießen, als wenn ich mir währenddessen immer wieder denke, dass ich jetzt eigentlich arbeiten müsste..“

INFO: http://enfants-terribles.org/http://einguterplan.de/

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Twitter, Snapchat, Face-book Notifications und Katzenvideos: Im digita-

len Zeitalter prasseln alle paar Sekunden digitale Angebo-te auf uns ein. Ablenkungen führen dazu, dass unsere Auf-merksamkeit immer breiter verteilt und die Konzentration auf eine einzige Sache schwie-rig wird. Am Ende des Tages stehen oft Überforderung und Frust.

STOPP UND ZURÜCK AN DEN START

Um wieder durchschnaufen zu können, wächst bei vielen der Wunsch nach Ruhe und Fokus-sierung. Sinnvolle Entschleuni-gung heißt aber nicht völlige Abkehr von der digitalen Welt: Vielmehr geht es darum, einen guten Umgang mit digitalen Ka-nälen und Tools zu finden und darüber hinaus den Kontakt zu sich selbst neu herzustellen, sagt Marion King, Gründerin von LES ENFANTS TERRIBLES, einer Schule für neues und achtsameres Arbei-ten.

„Achtsamkeit hat erstmal nichts mit der Digitalisierung zu tun, sondern ist ein uraltes Thema. Im Zeitalter der Digitalisierung wird es aber sehr relevant. Es geht darum, dass man bei allen Anfor-derungen und Reizen von außen wieder den Bezug zu sich und sei-

nen Gefühlen herstellt – nicht zu-letzt, um gut für sich selbst, seine Mitmenschen und insgesamt für unseren Planeten sorgen zu kön-nen.“

Diese Fähigkeit oder Wahrneh-mung sei jedoch nicht zuletzt aufgrund immer schnellerer Entwicklungen im Moment bei vielen Menschen nicht wirklich präsent, so King. „Wir sind in ständigen Veränderungen, in einer Zwiespältigkeit zwischen schnell und langsam, groß und klein. Ich habe das Gefühl, wir sind für dieses Tempo gar nicht gemacht, sondern für viel langsa-mere Veränderungen. Das zeigt sich auch darin, dass viele Leute mit dem überfordert sind, was in den letzten Jahren alles auf uns zugekommen ist.“

INNEHALTEN UND DEN MO-MENT WAHRNEHMEN

Gerade, wenn man nicht mehr weiß, wo einem vor lauter Mails, Messages und Social-Media-Kommentaren der Kopf steht, kann Achtsamkeit mehr Ruhe und Gelassenheit ins eigene Le-ben bringen, sagt Jan Lenarz, Autor von „Ein guter Plan“, dem „Terminplan für ein radikal-acht-sames Leben“. Den Bezug zu sich selbst herzustellen, sei gleichzei-tig auch Empowerment, so Len-arz: „Erst wenn ich mir meiner Gefühle bewusst bin, kann ich

DIE BESTEN APPS FÜR MEHR ACHTSAMKEIT

Die Achtsamkeit App Geführte Meditatio-nen auf Deutsch in unter-schiedlichen Längen sowie Gongmeditationen.

Buddhify2 Geführte Meditationen inkl. Meditationen zum Training der Achtsamkeit beim Internetsurfen.

Mindful Mynah Erinnert durch einen sanften Ton daran, achtsam zu sein. Ton und Intervall werden selbst bestimmt.

Headspace 10 geführte Meditatio-nen à 10 Minuten zur Ver-fügung sowie jede Menge Zusatzmaterial (Podcasts, Videos etc.).

Mindfulness Daily Einstimmungsmedi-tation am Morgen, Pause während des Tages und Abendreflektion.

Quelle: Today is a good day | Digitale Persönlichkeitsentwicklung für mehr Glück, Zufriedenheit und Lebens-qualität

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Tief durchatmenMit digitaler Achtsamkeit zu Ruhe und Fokussierung.

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der Konversion, stecken schon viele Unternehmen: Bestehende Prozesse werden von analog auf digital über-führt, ohne dass sich am Prozess selbst etwas ändert. In der zweiten Phase geschieht die Transformati-on: Hier wird versucht, auf Basis der elektronischen Daten Mehrwert zu generieren, etwa anhand von Ana-lysen. Und erst die dritte Phase ist die digitale Disruption.

WAS GENAU GESCHIEHT DA?

Unter digitaler Disruption versteht man die Verdrängung eines beste-henden Angebots durch digitale In-novationen. Etwa, wenn ein großes, meist schon etwas älteres Unterneh-men durch ein Start-up in seinem Geschäftsmodell gefährdet wird, Stichwort AirBnB oder Uber. Dahin-ter steht eine ganz wichtige Aussage über Innovationskultur: Wenn einge-sessene Firmen mit zahlreichen Res-sourcen nicht gegen junge Start-ups ankommen, müssen sie sich überle-gen, warum es nicht gelingt, diese Schätze zu heben und offenbar vor-handene Bedürfnisse zu befriedigen.

WIE KÖNNEN UNTER-NEHMEN AUF DIGITALE HERAUSFORDERUNGEN REAGIEREN?

Dafür brauche ich ein neues Maß an Innovationskultur, das ich ins Unternehmen hineintreibe. Es geht nicht darum, ein bestehen-des Produkt oder Leistungen um drei Prozent billiger anbieten zu können, sondern die Frage muss sein: Wie schaut ein Produkt der Zukunft aus, das wir um 30 Pro-zent teurer anbieten können? Wenn Sie in diese Richtung den-ken wollen, brauchen Sie neue Organisationsmodelle im Unter-nehmen, die Denkprozesse viel offenherziger angehen. Sie müs-sen von der Innovationskraft vie-ler profitieren, ob diese jetzt im Unternehmen sitzen oder drau-ßen.

ZUSAMMENARBEIT ÜBER DIE UNTERNEHMENS-GRENZEN HINAUS?

Gerade in Österreich gibt es viele mittelständische Betriebe, die eine hohe Innovationskraft haben. Wenn ein großer Konzern mit einer Vielzahl von kleineren zusammenarbeitet, könnte da viel gelingen. Kein Unternehmen, egal wie groß oder klein, kann die Zukunft absichern, indem es nur auf sich selber schaut. Die Strukturen sind dermaßen ver-netzt, jedes Unternehmen ist von Kunden, Lieferanten, Partnern

und letztendlich auch vom Mitbe-werb abhängig. Ich muss daher ein vitales Interesse daran haben, dass ich mit meinen Wettbewer-bern gemeinsam Dinge vorantrei-be. Die Zukunft lebt von Model-len der Vernetzung, Plattformen und gemeinsamer Zusammenar-beit.

DAS KLINGT SEHR EGALITÄR. SIND DIE ALTEN HIERARCHIEN DAMIT OBSOLET?

Als Führungskraft muss man mittlerweile anerkennen, dass man angesichts sehr komple-xer Sachlagen nicht immer die Deutungshoheit hat. Ich muss daher die Verantwortung von der Spitze des Unternehmens weiter in die Organisation hineintreiben: Mehr Menschen in Prozesse in-volvieren, mehr Menschen Ver-trauen geben, und mehr Men-schen ermöglichen, Dinge zu tun. Führungskräfte sollten die Entscheidungshoheit damit in die Organisation hineintragen. Nur so gelingt Innovation – und damit schlussendlich auch die Umstel-lung von analogen auf digitale Unternehmen.

Organisation 4.0 – 29www.stepstone.at

Digital Disruption

Die Digitalisierung ist längst in Österreich an-gekommen. Warum Un-

ternehmen sie nicht allein der IT-Abteilung überlassen soll-ten und wie digital verstärkte Zusammenarbeit eine neue In-novationskultur fördern kön-nen, erzählt Franz Kühmayer, Trendforscher am Zukunftsins-titut, exklusiv im Gespräch mit one step ahead.

ONE STEP AHEAD: HERR KÜHMAYER, WELCHE AUSWIRKUNGEN HAT DIE DIGITALISIERUNG AUF DIE ARBEITSWELT?

Franz Kühmayer: Digitalisierung ist nur am Rande ein technischer Aspekt. Vielmehr kann man sie als technischen Antreiber für Kultur- und Organisationsent-wicklung verstehen, vor deren Hintergrund die Entwicklung von Führungskräften und Geschäfts-modellen stattfindet. Die Digita-lisierung umfasst und beeinflusst den gesamten Arbeits- und Wert-schöpfungsprozess.

WAS BEDEUTET DAS FÜR UNTERNEHMEN KONKRET?

Sie können das Thema Digitalisie-rung nicht mehr an die Technikab-teilung wegdelegieren und sich da-rauf verlassen, dass die IT-Abteilung

alles richtet, was digital abläuft, während sich der Rest auf eine reine Benutzerebene zurückzieht. In Zukunft muss jeder Mitarbeiter selbst zum Softwareexperten wer-den und lernen, aus umfangrei-chen Datenmengen Ergebnisse zu filtrieren. Das sind digitale Schlüs-selqualifikationen der Zukunft.

OFT HÖRT MAN, DIE DI-GITALE DISRUPTION SEI SCHON LÄNGST IM GAN-GE. WAS IST DRAN AN DEN GERÜCHTEN?

Der Glaube, es passiert alles blitzar-tig von heute auf morgen, ist nicht haltbar. Die Digitalisierung kommt in drei Wellen. In der ersten Welle,

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Unternehmen brauchen eine neue Innovationskultur.

Franz KühmayerTrendforscher

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Innovation stattAdministrationÖsterreichische Unternehmen haben starken Aufholbedarf bei der Digitalisierung.

DER UMBRUCH KANN INITIALZÜNDUNG FÜR

MODERNISIERUNG SEIN

Julian MauhartPartner bei Deloitte Österreich

„Unternehmen sind gefordert, mit der disruptiven Veränderung der Geschäftswelt Schritt zu halten. Sie sollen ihre Organisations-struktur verändern, Leadership-Modelle anpassen und neue Wege in der Mitarbeiterbindung gehen“, meint Julian Mauhart, Partner bei Deloitte Österreich.

Österreich hat starken Aufhol-bedarf bei der Digitalisierung: HR-Abteilungen brauchen mehr Innovation statt Administra-tion, Organisationen müssen neu erfunden werden – dieser Meinung sind 92% der 7.000 weltweit befragten HR-Leiter und Geschäftsführer, die bei der Deloitte-Studie „Global Human Capital Trends 2016“ teilge-nommen haben. Sie sehen die Notwendigkeit, Organisations- strukturen an neue wirtschaftli-che Herausforderungen anzupas-sen.

Extrem selbstständige Teams, komplett frische Management-Modelle sowie junge, global vernetzte Teamleader sind die

Zutaten für diese neuartigen Or-ganisationen. Das Schaffen und Designen einer gemeinsamen Kultur im Unternehmen sowie einer Arbeitsumgebung, die mo-tiviert und inspiriert, als auch die Kreation neuer Leadership- und Karriere-Modelle sind dabei die Herausforderungen für HR-Ver-antwortliche und Entscheidungs-träger. Die Rolle von HR ist bei diesen disruptiven Veränderungs- prozessen wesentlich. Der HR- Beauftragte wird zum Designer der bestmöglichen Arbeitsum-gebung für zufriedene Mitarbei-ter und nachhaltigen Unterneh-menserfolg.

STARKER AUFHOLBEDARF BEI DIGITALISIERUNG

Österreichs Unternehmen fühlen sich auf digitale Trends jedoch nicht gut vorbereitet. Der sich seit Jahren abzeichnende Trend zu einer radi-kalen Veränderung der Arbeitswelt kommt allmählich im Unterneh-mensalltag an. Daraus resultieren zwei Hauptaufgaben: HR muss

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Führungskräfte und Mitarbeiter auf die Digitalisierung vorbereiten und die Prozesse und Abläufe in der HR-Abteilung müssen stärker digitali-siert werden.

Dazu meint Mauhart folgendes: „Im HR-Bereich dominieren starre, unflexible und wenig benutzer-freundliche Systeme. Der Trend geht aber eindeutig in Richtung mobiler, cloud-basierter Lösungen und Apps. Viele Unternehmen stellen hier gerade die richtigen Weichen.“ Aufgrund der geringen Automatisierung von HR-Prozessen steht in Österreich die operative HR-Arbeit im Vordergrund. Weni-ger als die Hälfte der Zeit kommt strategischen und wertschöpfen-den Themen zu Gute – das sind 20% weniger als im internationa-len Durchschnitt. Dadurch büßen HR-Abteilungen Innovationskapital ein.

CHIEF DIGITAL OFFICER

Unternehmen sollten sich besser schnell als langsam auf umfas-sende Digitalisierungsprozesse

einstellen, um am Markt beste-hen zu können. Doch wer im Unternehmen ist dafür eigentlich verantwortlich? Die wenigsten Unternehmen beschäftigen eine Führungskraft, die im Betrieb für die digitale Transformation zu-ständig ist. Tatsächlich gibt es nur in 11% der Firmen einen Haupt-verantwortlichen für die Digitali-sierung von Geschäftsmodellen und Prozessen, so eine aktuelle Kienbaum-Studie. 48 Prozent der Unternehmen haben die Verant-wortung für Digitalisierung keiner speziellen Abteilung zugeordnet. Langfristig gesehen ein grober Fehler, ist Fabian Kienbaum, ge-schäftsführender Gesellschafter von Kienbaum überzeugt: „Ers-tens braucht es einen klaren Ver-antwortlichen, der das gesamte Thema steuert und vorantreibt. Zweitens: Ein innovativer Ansatz ist der Aufbau einer so genann-ten Digital Unit, also einer sepa-raten Einheit neben der Organisa-tionsstruktur des Unternehmens, die Digital-Projekte entwickelt und vorantreibt und so als Inno-vationsabteilung agiert. Dafür

bedarf es neben einer passenden Strategie für das digitale Zeitalter eines kompetenten Chief Digital Officers und eines Teams, das die relevanten Methoden für Innova-tion und Digital Business Deve-lopment beherrscht.“

Mauhart ermutigt dazu, die-se Veränderungen als Chance zu sehen: „Wir müssen diesen Umbruch als Chance verstehen. Dann kann er auch eine Initial-zündung für Modernisierung und Innovation in unserer Arbeitswelt sein.“

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Cornelia Daheim Zukunftsforscherin

DIE WENIGSTEN FIRMEN HABEN ERFAHRUNG DAMIT,

MOBILE ARBEIT ZU ORGANISIEREN.

„über Plattformen, die zum Teil auf ganz spezielle Themen hin ausge-richtet sind.

WIE OPERIEREN UNTERNEHMEN IN DIE-SEM SPANNUNGSFELD ZWISCHEN FLEXIBILITÄT UND DER NOTWENDIG-KEIT NEUER REGULIERUNGEN?

Es hat sich gezeigt, dass die Ar-beitskultur der Kern des Ganzen ist. Die alten Führungsmodelle funktionieren heute nicht mehr. Digitalisierung bedeutet Trans-parenz und ganz andere Flüsse von Informationen. Unterneh-men müssen rein in die digitale Arbeitskultur, das heißt Öffnung, Freiheiten, ein ganz anderes Ko-operationsprinzip. Können alle Google Docs benutzen, können alle ins Skype, sind die neuen Tools da, um rasch und effizient zu kommunizieren? Das gekop-pelt mit agiler Planung und Pi-lotprojekten, wo getestet und probiert wird, sind die Herausfor-derungen für die Führungskräfte der Zukunft.

WOHER KOMMT DAS DIGITALE KNOW-HOW? ZUKAUFEN, SELBST LERNEN?

Oft ist es schon im eigenen Haus vorhanden. Die oft zitierten „Millenials“ haben uns da eines voraus: Sie sind digital aufge-wachsen, ständig online und ver-netzt. Die kommunizieren ganz anders, da wird nicht mehr der große Business-Stil zelebriert. Für einen „Digital Native“ ist es beispielsweise völlig unverständ-lich, wenn eine Führungskraft erst eine Woche später auf eine E-Mail antwortet. Hier können die Generationen im gegenseiti-gen Dialog voneinander lernen. Das kann sich auch positiv auf die

Kommunikationskultur im Unter-nehmen auswirken: Vielfach sind diese neuen Formate einfacher, persönlicher und authentischer. Infokasten: Die wichtigsten Studienergebnisse www.future-impacts.de

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2050: Die Zukunft der Arbeit. Ergebnisse einer internationalen Delphi-Studie des Millennium Project.

Ausgewählte Aussagen im Überblick:ü Immer mehr Aufgaben können von Maschinen erledigt wer- den. Robotik, künstliche Intelligenz und Technologie-Kon- vergenz treiben die Entwicklung voran. Zentral ist der rasche, anhaltende technologische Fortschritt unter den Vorzeichen der Digitalisierung, der nahezu alle Berufsgruppen erfasst und dessen Tempo wahrscheinlich noch zunimmt.ü In einer Transformationsphase über die nächsten ein bis zwei Dekaden werden immer mehr Berufsgruppen und Tätigkeiten durch Automation ersetzt, bis schließlich ein gänzlich neues System des Arbeitens und Wirtschaftens am Ende der Entwick- lung steht. ü Arbeit ist heute schon mobil und multilokal, morgen ist sie virtuell und findet im kollektiven virtuellen Raum statt. ü In den Sektoren Freizeit, Erholung und Gesundheit, in techno- logienahen Feldern und mit neuen Berufsbildern vom Em- pathie-Interventionist bis zum Algorithmen-Versicherer entsteht neue Arbeit. Es bilden sich Arbeitsbereiche und Beru- fe heraus, die geprägt sind von ureigenen menschlichen Fähigkeiten wie Empathie oder Kreativität.ü Technologische Kompetenzen sind zukünftig dringend zu vermittelnde Basis-Kompetenzen.

Link zur Studie: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/2050-die-zukunft-der-arbeit/

Die Digitalisierung hat längst in der Arbeits-welt Einzug gehalten:

Nicht nur einfache Produkti-onszweige werden automa-tisiert, sondern auch qualifi-zierte Aufgaben: So gibt es in den USA mittlerweile Bots, die Berufungsschreiben ge-gen Parktickets formulieren. Für Unternehmen wird es vor diesem Hintergrund immer wichtiger, sich auf die Digi-talisierung einzustellen, sagt die Kölner Zukunftsforscherin Cornelia Daheim im Gespräch mit one step ahead.

ONE STEP AHEAD: FRAU DAHEIM, WIE VERÄNDERT DIE DIGITALISIERUNG DIE ART UND WEISE, WIE WIR ARBEITEN?

Ganz zentral ist die Frage, wie viel und welche Arbeit es eigentlich noch gibt, wenn wir einen hohen Grad an Digitalisierung erreicht haben. Es zeichnet sich immer stär-ker ab, dass mehr Arbeit automati-sierbar wird, gerade im Zusammen-hang mit künstlicher Intelligenz. Man stellt sich immer vor, dass eher einfache Tätigkeiten der Digitalisie-rung zum Opfer fallen, aber mittler-weile können auch Akademikertä-tigkeiten digital umgesetzt werden.

WAS BEDEUTET DAS GANZ KONKRET IM HIER UND JETZT?

Immer mehr Tätigkeiten werden digital erfasst, digitale Fähigkei-ten werden daher immer wichti-ger. Und: Mit der Digitalisierung hat sich die Frage, wo wir arbei-ten, ganz radikal verändert. Ein Kunde von mir sagt: Die Digitali-sierung befreit die Arbeit von der Tyrannei des Bürotisches.

ARBEIT ÜBERALL UND JEDERZEIT?

Wenn es um Wissensarbeit geht, sind wir mittlerweile prinzipiell komplett befreit von der Frage, wo wir arbeiten. Arbeiten ist heute im Home-Office möglich, in Kaffeehäusern, Shared Spaces oder in öffentlichen Verkehrsmit-teln. Wenn Sie heute in Deutsch-land in einen ICE steigen, haben Sie den Eindruck, Sie steigen in ein rollendes Büro. Das heißt auf der einen Seite natürlich größe-re Wahlfreiheit. Auf der negati-ven Seite geht aber natürlich die Frage der Entgrenzung damit einher: Mit der Flexibilisierung der Arbeitszeiten und -orte muss man auch die Grenzen neu defi-nieren.

WAS HEISST DAS FÜR UNTERNEHMEN?

Die wenigsten Firmen haben Er-fahrung damit, mobile Arbeit zu organisieren. Das fängt schon damit an, dass man Firmenlap-tops mit einem Sicherheitsscreen versieht, dass nicht jeder Sitz-nachbar die Powerpoint-Präsen-tation mit vertraulichen Unter-nehmensdaten mitlesen kann. Wir müssen uns fragen, wie wir das regulieren, wenn Arbeit po-tentiell immer dabei ist. Man ver-gisst oft, wie viel Druck mit der Digitalisierung auf die Leute wei-tergegeben wird, auch immer er-reichbar zu sein und Dinge auch spätnachts noch zu erledigen. Wie bekommt man diese ständi-ge Präsenz mit der Notwendigkeit von Entspannung zusammen?

AUF DER ANDEREN SEITE WIRD ARBEIT DADURCH AUCH FLEXIBILISIERTER MÖGLICH.

Es gibt ganz neue Formen von Arbeit, etwa über Crowd-Platt-formen, wo einzelne Tätigkeiten an Gruppen außerhalb des Un-ternehmens weitergegeben wer-den. Haben Unternehmen früher einzelne Dienstleister für diese Dinge beauftragt, läuft das jetzt

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Offen, frei und kooperativ

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Unternehmen müssen umdenken und Mitarbeitern Freiräume geben.

Page 18: Digital People Management - Jobbörse StepStone · Wirtschaft, Alltag und Gesell-schaft. Der „Homo Digitalis“ ist 24 Stunden online, vernetzt und ... „Die Rolle der Personaler

phone zum Arbeiten. Das Zu-sammenarbeiten ist geprägt von collaboration: Das „Wir“ steht immer im Fokus, man nutzt ge-meinsame Ablagesysteme, um eine Datei gemeinsam weiter-zuentwickeln. Über dieses Data Sharing passieren die Schnellig-keit und der Ideenaustausch.

VERÄNDERT DAS AUCH DIE ARBEITSWEISE VON FÜHRUNGSKRÄFTEN?

Natürlich ändert sich damit auch die Führungskultur. Drei Aspek-te sind dabei laut unserer Studie ausschlaggebend: Zum einen geht es bei der Führung in der digitalen Welt um „modera-ting human networks“, also das Moderieren von vernetzt arbei-tenden Mitarbeitern. Die Füh-rungskraft achtet darauf, dass alle Schnittstellen hergestellt und die Ressourcen gut verteilt sind. Das zweite Thema ist Führen mit Visionen, konkret mit Storytel-ling. Ich muss in einer vernetz-ten, digitalen Arbeitswelt, in der meine Mitarbeiter oft über den gesamten Globus verteilt sind, eine Geschichte erzählen, in den Köpfen meiner Mitarbeiter über Geschichten präsent sein. Und als dritte Komponente brauche ich ein gutes Beziehungsmanage-ment: Die Führungskraft hilft ih-ren Mitarbeitern über gezieltes Coaching, noch innovativer, noch besser zu werden, und fungiert dabei als Ratgeber und Sparrings-partner, auch bei Fragen der per-sönlichen Weiterentwicklung und Karriere.

STICHWORT MITARBEI-TER: WIE LÄUFT DAS RECRUITING IM SILICON VALLEY AB?

Im Silicon Valley wird viel über Netzwerke und Empfehlungen rekrutiert. Die ideale Bewerbung ist – siehe Storytelling – auch eine

Geschichte: Man muss emotional und sehr persönlich erzählen kön-nen, warum man in genau dieses Unternehmen möchte und was man dazu beitragen kann, das Un-ternehmen nach vorne zu bringen. Für die Firmen zählen das, was man schon bewirkt hat, und die eigene Persönlichkeit mehr als Zertifikate oder Ausbildungszeugnisse.

IST DER KLASSISCHE LEBENSLAUF – AUSBIL-DUNG, 40 JAHRE IM SELBEN UNTERNEHMEN, PENSION – IN SEINER STARRHEIT DAMIT VERGANGENHEIT?

Die Arbeitsverhältnisse sind viel kurzfristiger. Man arbeitet bei-spielsweise ein, zwei Jahre in ei-nem großen Unternehmen wie Google, wechselt dann in ein Start-up oder baut eines mit auf und kommt später vielleicht wie-der zurück. Die großen Unterneh-men fördern das: Die nehmen Leute, die beispielsweise ihr ei-genes Start-up gegründet haben, gerne wieder zurück. Schließlich ist so eine Gründung mit enor-mer Erfahrung verbunden – die im Unternehmen dann wiederum sinnvoll eingesetzt werden kann.

IHR FAZIT? WAS KÖNNEN UNTERNEHMEN VOM SILICON VALLEY LERNEN?

Das Silicon Valley ist ein eigenes Ökosystem, das man nicht eins zu eins übertragen kann. Aber man kann von den Wirkprinzipien ler-nen und versuchen, sie auf die eigene Situation anzupassen: Da-ten als neue Währung, Schnellig-keit und Innovation. Traditionelle große Unternehmen können sich viel von Start-ups abschauen: Flexibilität bei Arbeitszeit und -ort, das Zulassen von innovati-ven Prozessen und Strukturen, Kollaboration und das Teilen von Daten sowie Design Thinking als neue Arbeitsmethode. Die junge Mitarbeiter-Generation braucht die digitale Arbeitskultur – und Unternehmen, die mit guten Ide-en die Welt bewegen.

Organisation 4.0 – 35

Sabine RemdischPsychologin und Professorin,

Leuphana Universität in Lüneburg

DAS SILICON VALLEY IST EIN EIGENES ÖKOSYSTEM, DAS MAN NICHT EINS ZU EINS

ÜBERTRAGEN KANN.

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Nirgendwo ist die Digi-talisierung so weit fort-geschritten wie in der

Gegend rund um den US-Tech-nik-Hotspot Palo Alto: Mitten in der Wüste ist nicht nur die Arbeit, sondern das gesamte Leben digital. Start-ups, die diese Entwicklung vorantrei-ben, schießen nur so aus dem Boden – und Unternehmen hierzulande können einiges von ihnen lernen, sagt Sabi-ne Remdisch, Psychologin und Professorin für Wirtschafts-psychologie an der Leuphana Universität in Lüneburg, im Gespräch mit one step ahead.

ONE STEP AHEAD: FRAU REMDISCH, SIE HABEN LANGE ZEIT SELBST IM SILICON VALLEY AN DER UNIVERSITÄT STANFORD GEFORSCHT. WAS IST IHNEN AUS DIESER ZEIT BESONDERS IM GE-DÄCHTNIS GEBLIEBEN?

Besonders beeindruckt hat mich die Kultur des permanenten Ver-änderns. Innovation ist absolut positiv besetzt, man geht mit Ei-fer, Schnelligkeit und Neugierde an die Dinge heran. Das ist mir hierzulande noch nicht so inten-siv begegnet, bei uns ist Inno-vation meist auch immer etwas angstbesetzt.

WAS GLAUBEN SIE: WEL-CHES MINDSET STECKT HINTER DIESER BEGEISTE-RUNG FÜR DAS NEUE?

Das hängt mit der ausgeprägten Gründer-Mentalität zusammen, die dort alle zeigen: Jeder hat Ideen für eine Firmengründung, für neue Produkte und wie er die Ideen zur Marktreife führen kann. Eine wirksame Methode zum Innovationsmanagement ist Design Thinking: Dem begegnet man im Silicon Valley permanent, das ist Teil der täglichen Arbeits-kultur.

WAS STECKT HINTER DEM OFT BENUTZTEN SCHLAGWORT DES DE-SIGN THINKING?

Design Thinking bedeutet zum einen, dass man Ideen sofort in einen konkreten Prototypen um-setzt, der Fokus liegt also auf dem „Machen“. Im zweiten Schritt zeigt man diesen Prototypen dann dem Nutzer, dem Kunden, und fragt nach Feedback. Die Perspekti-ve des Kunden wird direkt in den Entwurf integriert. Das schafft von Anfang an eine Qualitätssicherung und macht auch die Entwicklungs-prozesse sehr schnell.

WIE SEHEN ARBEITSPLÄT-ZE IM SILICON VALLEY AUS?

Man findet hier „smart work-places“: Knowledge Worker im Silicon Valley brauchen nur ihren Rechner, WLAN und ein Smart-

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Design Thinking als Teil der Unternehmenskultur.

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Inside Silicon Valley

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StepStone Österreich steht Ihnen als eines der führenden Recruiting-Unternehmen bei der Suche nach qualifiziertem Personal zur Seite. Als Gründungsmitglied von THE NETWORK bieten wir Zugang zum

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