diplomarbeit - othes.univie.ac.atothes.univie.ac.at/36015/1/2015-02-10_0906263.pdf · bigger...
TRANSCRIPT
DIPLOMARBEIT
Titel der Diplomarbeit
Hinweisreizeffekte von Furcht und Ekel
auf die Aufmerksamkeit
Verfasserin
Erika Krcal
Angestrebter akademischer Grad
Magistra der Naturwissenschaften (Mag. rer. nat.)
Wien, 2015
Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 298
Studienrichtung lt. Studienblatt: Psychologie
Betreuer: Univ. -Prof. Dr. Ulrich Ansorge
Danksagung:
Vielen Dank an Shah Khalid und Nikola Komlenac für die Unterstützung.
Zusammenfassung:
In der vorliegenden Studie wurden Hinweisreizeffekte bei zwei Emotionen negativer
Valenz, Furcht und Ekel, erforscht. Diese Emotionen, dargestellt in Gesichtsausdrücken,
agierten innerhalb dieser experimentellen Studie als Hinweisreize. Erwartet wurden
größere Differenzen zwischen validen und nicht-validen Durchgängen bei
Furchtbedingungen sowie auch dass diese größer ausfallen, als bei neutralen und
Ekelbedingungen. Dafür wurden Furcht und Ekel ausdrückende Hinweisreize sowohl mit
neutralen Hinweisreizen als auch miteinander verglichen. Als Kontrollbedingung wurden
alle erwähnten Vergleiche auch mit auf den Kopf gestellten Hinweisreizen (umgedrehte
Bedingung) durchgeführt, um einen möglichen Effekt in aufrechter Bedingung entweder
auf die spezifische Emotion oder aber auf Gesichtsabhängigkeit zurückführen zu können.
Gewählt wurden sakkadischer Antwortmodus und kurze Hinweisreiz-Darbietungsdauer
(20 ms). Reaktionszeiten zeigten die erwarteten Effekte nicht, in Fehlerraten konnten
valenzspezifische Effekte von Furcht im Vergleich zu neutraler Bedingung gefunden
werden. Ein Hinweis auf die Tendenz zum erwarteten emotionsspezifischen Effekt
konnte durch eine höhere Fehlerrate bei Furcht- als bei Ekelausdruck, gezeigt werden.
Abstract:
In this current study cueing effects of two emotions of negative valence, fear and disgust,
were being investigated. These emotions, depicted in facial expressions, were used as
cues in this experimental study. Bigger differences in accuracy and reaction time between
valid and invalid trials in fearful faces as compared to neutral and disgusted faces were
expected. Fearful cues were compared to both neutral and disgusting face cues. All the
mentioned comparisons were done also in inverted form as a control condition. This was
done to attribute possible cueing effects to emotional characteristics and not low level
salience features of the faces, as therefore effects should vanish with inversion. Saccadic
response mode and short cue durations (20 ms) were used. Reaction times didn´t show
the expected effects, error rates showed valence-specific effects of fear compared to
neutral. Still, higher error rates in fearful than in disgusted face cues must be pointed out
as a tendency towards the expected emotion-specific effects.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ..................................................................................................................... 9
1.1. Furcht und Ekel ................................................................................................... 10
1.2. Das Hinweisreizparadigma.................................................................................. 10
1.3. Operationalisierung ............................................................................................. 13
1.4. Erkennung von Emotion ...................................................................................... 14
1.5. DerBedrohungsvorteil – Pro und Contra ............................................................. 15
2. Methode ...................................................................................................................... 18
2.1. Versuchspersonen ................................................................................................ 18
2.2. Messgerät und Rahmenbedingungen................................................................... 19
2.3. Stimuli ................................................................................................................. 19
2.4. Prozedur............................................................................................................... 21
3. Ergebnisse................................................................................................................... 23
3.1. SakkadischeFehlerraten (SFRs)........................................................................... 24
3.2. SakkadischeReaktionszeiten (SRZs) ................................................................... 27
4. Interpretation und Diskussion..................................................................................... 28
5. Literatur ...................................................................................................................... 32
6. Anhang ....................................................................................................................... 35
6.1. Abbildungsverzeichnis ........................................................................................ 35
6.2. Curriculum Vitae ................................................................................................. 36
9
1. EINLEITUNG
Aufmerksamkeit stellt ein enorm breites, umfangreiches Themengebiet in der
wissenschaftlich - psychologischen Forschung dar, welchem sich weltweit zahlreiche
Forscher seit langem widmen. Aufmerksamkeit kann definiert werden als
„beschreibender Begriff, der verschiedene Formen der Selektivität der Wahrnehmung
bezeichnet“ (Ansorge & Leder, 2011, S. 17). Jedes Individuum ist Tag für Tag mit
unterschiedlichen Formen dieser selektiven Wahrnehmung konfrontiert. Unzählbar viele
visuelle, akustische, haptische, gustatorische und olfaktorische Reize treffen auf einen
Menschen an einem Tag ein. Einigen davon wendet man sich absichtsgesteuert, anderen
automatisch, weiteren überhaupt nicht zu. In anderen Worten: Manche Reize, denen wir
täglich begegnen, scheinen die Kraft zu besitzen, unsere Aufmerksamkeit auf sich zu
lenken, andere nicht.
Die Selektion von Informationen scheint bestimmten Gesetzen zu unterliegen. Die
zugrundeliegenden Faktoren derjenigen Umweltreize oder Merkmale dieser Reize, die
besondere Anziehungskraft für die menschliche Aufmerksamkeit besitzen, wurden bisher
schon vielfach erforscht. Im Fokus dieser Arbeit steht die Beachtung von Reizen mit
emotionalem Gehalt im Vergleich. Welche Emotion übt besondere Anziehungskraft auf
die Aufmerksamkeit aus? Gibt es eine Prädisposition des Menschen für die Beachtung
eines Gesichtes mit einem bestimmten Emotionsausdruck? Die bisher publizierte
Literatur führt uns dabei zur Emotion Furcht als potenziell aufmerksamkeitserregenden
Ausdruck (Öhman & Mineka, 2001). Ist es aber die Emotion selbst oder bloß der negative
emotionale Wert dieser Emotion, also die negative Valenz, welche uns dazu veranlasst,
möglicherweise aufmerksamer zu sein? Zur Klärung dieser Frage wird mit einer weiteren
Emotion negativer Valenz, Ekel, verglichen. Dieses Vorgehen stellt einen Schritt in eine
bislang weniger angetastete Herangehensweise der Erforschung von Effekten emotionaler
Reize auf die Aufmerksamkeit dar.
In weiterer Folge wird an die experimentelle Herangehensweise der vorliegenden Arbeit,
das Hinweisreizparadigma (engl. “cueing paradigm”) herangeführt. Weiterführend
werden auf die Möglichkeiten der Messung von Aufmerksamkeit sowie auf
Emotionserkennung eingegangen. Anschließen werden bisherige Ergebnisse der
Forschung vorgestellt, um die explizite Fragestellung erklären und begründen zu kö nnen.
10
1.1. FURCHT UND EKEL
Es ist zu beobachten, dass Furcht in der einschlägigen Literatur scheinbar standardmäßig
zur Erforschung emotionsbedingter, aufmerksamkeitsanziehender Effekte eingesetzt
wird. Begründet werden kann dies durch Theorien, die belegen, dass eine menschliche
Prädisposition zu sehr rascher Orientierung hin zu Furcht besteht (Öhman & Mineka,
2001). Auch Bannerman, Milders und Sahraie (2010a), welche Furcht ausdrückende mit
neutralen Gesichtsausdrücken verglichen, fanden stärkere Aufmerksamkeitsanziehung
durch Furcht.
Warum werden nun aber häufig gerade die Emotionen Furcht und Ekel zum
Vergleich herangezogen? Es ist zu beobachten, dass sich bereits viele Forschergruppen
genau diesen Emotionen bedient haben. Erklärt wird diese Auswahl zum Beisp iel von
Carretie, Ruiz-Padial, Lopez-Martin und Albert (2011) durch ähnliche Erregung und
Valenz der Emotionen. Hier konnte anhand einer Kategorisierungsaufgabe gezeigt
werden, dass Ekel enthaltende Distraktoren aufmerksamkeitserregender sind als Furcht
enthaltende Distraktoren (Carretie et al., 2011). Auch Van Hooff, Devue, Vieweg und
Theeuwes (2013) fanden, dass Ekel evozierende Bilder die Aufmerksamkeit länger halten
als Furcht evozierende Bilder.
Diese Befunde rechtfertigen die aktuelle Intention zur weiteren Erforschung der
beiden beschriebenen Emotionen im Vergleich unter bestimmten Bedingungen. Diese
Bedingungen werden im Kapitel “1.5. Der Bedrohungsvorteil – Pro und Contra” näher
erläutert.
1.2. DAS HINWEISREIZPARADIGMA
Zur Erforschung relevanter Fragestellungen innerhalb der räumlichen, selektiven
Aufmerksamkeitsforschung hat sich ein bestimmtes Untersuchungsvorgehen, das
sogenannte Hinweisreizparadigma, erstmals postuliert von Posner (1980), durchgesetzt.
Als Hinweisreiz (engl. „cue“) ist ein visueller Reiz zu verstehen, welcher zeitlich vor dem
Aufscheinen eines Zielreizes (engl. „target“) dargeboten wird. Dieser Hinweisreiz ähnelt
dem Zeilreiz zumeist in keinster Weise. Der Hinweisreiz wird entweder auf derselben
Position gezeigt wie der nachfolgende Zielreiz. In diesem Fall wird angenommen, dass
der Hinweisreiz die Position des Zielreizes korrekt bzw. valide anzeigt. Aus diesem
11
Grund werden solche Durchgänge von Posner (1980) valide Durchgänge genannt. Im
Gegensatz dazu kann in manchen Durchgängen der Hinweisreiz an einer anderen Stelle
am Bildschirm gezeigt werden als der Zielreiz. In solchen Fällen zeigt der Hinweisreiz
eine nicht korrekte bzw. nicht valide Position des Zielreizes an. Deshalb wird hier von
Posner (1980) von nicht-validen Bedingungen gesprochen. Die Darbietungszeit des
Hinweisreizes kann variieren. Sie liegt zumeist zwischen 20 und 500 Millisekunden.
Posner (1980) unterscheidet auch zentrales und peripheres Cueing. Zentrales Cueing ist
durch einen Hinweisreiz, der sich im Zentrum des Bildschirmes befindet, charakterisiert.
Hierbei zeigen Pfeile in der Mitte des Bildschirmes in die Richtung einer möglichen
nachfolgenden Position des Zielreizes, welcher von der Bildschirmmitte peripher
verschoben gezeigt wird. Beim peripheren Cueing wird der Hinweisreiz in der Peripherie
des Bildschirmzentrums dargeboten. In dieser vorliegenden Arbeit soll uns das periphere
Hinweisreizparadigma näher interessieren. So wird ein Versuchsdurchgang, bei welchem
beispielsweise ein Hinweisreiz auf der linken Hälfte des Bildschirms dargeboten wird,
gefolgt von einem zu detektierenden Zielreiz auf der rechten Bildschirmseite als nicht-
valider Durchgang bezeichnet. Einen validen Durchgang beschreibt die Darbietung eines
Hinweisreizes und des Zielreizes auf derselben Seite des Bildschirms. Die Lokation eines
Hinweisreizes kann also mehr oder weniger Vorhersagekraft für den Ort des Zielreizes
haben. Besitzt ein peripherer Hinweisreiz keine Vorhersagekraft, so zeigt dieser den Ort
des Zielreizes und die verlangte Reaktion nicht überzufällig richtig an (Ansorge, 2006).
Die bisherige Forschung zur Aufklärung von möglicherweise vorhandenen Vorteilen bei
der Erfassung von Furcht enthaltendem Material bedient sich jedoch auch anderen
Ansätzen. Eine oftmals herangezogene Herangehensweise ist die der visuellen Suche, der
sich beispielsweise Eastwood, Smilek und Merikle (2001) bedienten. Dabei wurden die
Versuchspersonen aufgefordert, einen bestimmten Zielreiz (ein herausstechendes,
positives oder negatives schematisches Gesicht), innerhalb einer Menge von mehreren
Distraktoren (neutrale, schematische Gesichter) zu suchen. Negative Gesichter wurden
dabei rascher erkannt als positive Gesichter (Eastwood et al., 2001). Dieser Effekt konnte
durch ein weiteres Experiment auf affektive, valenzbasierte Ursachen zurückgeführt
werden, nicht aber auf merkmalsbasierte Ursachen, wie die nach oben oder unten
gebogenen Kurven der Linie, welche den Mund darstellte (Eastwood et al., 2001).
12
De Oca und Black (2013) fragten sich, ob es Bedrohung oder eher Relevanz des
dargebotenen Stimulusmaterials verantwortlich für die Anziehung der Aufmerksamkeit
sei. Dabei wird die Hypothese eines „relevance superiority effect“ in den Raum gestellt,
die postuliert, dass Objekte aus dem Grund Aufmerksamkeit anziehen, weil sie subjektiv
relevant und nicht bloß bedrohlich sind. Dabei wurden Fotographien von Waffen als
bedrohliches Material, Nahrung als motivational relevantes, freundliches Material sowie
Blumen und Stühle als neutrale, wenig motivational relevante Stimuli eingesetzt und die
Reaktionszeiten innerhalb der Methode der visuellen Suche verglichen. In ausbalancierter
Häufigkeit wurden entweder „gleiche“ oder „diskrepante“ Displays gezeigt: Ein gleiches
Display bestand aus fünf Bildern derselben Kategorie (bedrohlich, motivational relevant
oder neutral), ein diskrepantes Display enthielt vier Bilder derselben Kategorie und ein
Bild einer anderen Kategorie. Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie sollten jeden
Durchgang möglichst rasch als „gleich“ oder „diskrepant“ erkennen und per Tastendruck
zuordnen. Nahrung wurde rascher entdeckt als Blumen, was die „relevance superiority“ –
Hypothese stärkt. Ein relevanter Reiz (Nahrung) zog stärker Aufmerksamkeit an als ein
nicht relevanter neutraler Reiz (Blumen).
Einige Forschergruppen bedienten sich aber auch der sogenannten “Dotprobe”-Aufgabe
(Bradley & Mogg, 1998; Koster, Crombez, Verschuere & De Houwer, 2004). Dabei
werden zeitgleich zwei Reize präsentiert, wonach einer davon von einem oder mehreren
Punkten gefolgt wird, auf deren Position so rasch wie möglich reagiert werden soll
(beispielsweise anhand von Tastendruck). Jedoch erlaubt diese Methode keine
Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Prozessen der selektiven Aufmerksamkeit,
dem Schnappen und Lösen (Koster et al., 2004). Näheres zu den Teilprozessen der
Aufmerksamkeit findet man unter „1.3. Operationalisierung“.
In der vorliegenden Studie wird jedoch aufgrund seiner Bewährung auf das
Hinweisreizparadigma zurückgegriffen. Auch aufgrund von Bannerman et al. (2010a),
die die zum Teil zu erwartenden Effekte (siehe 1.5. „Der Bedrohungsvorteil – Pro und
Contra“) unter bestimmten Bedingungen zeigen konnten, wurde die auch von ihnen
gewählte Methode des Hinweisreizparadigmas übernommen und für die aktuelle Studie
eingesetzt.
13
1.3. OPERATIONALISIERUNG
Strikt zu unterscheiden ist der Unterschied zwischen Aufmerksamkeit und Blickrichtung.
Als offene (engl. „overt“) Aufmerksamkeit ist die Übereinstimmung der Orientierung von
Augen- oder Kopfbewegungen und der Aufmerksamkeit zu verstehen, wobei ein nicht
übereinstimmender Lokus von Blickrichtung und Aufmerksamkeitsorientierung als
verdeckte (engl. „covert“) Aufmerksamkeit bezeichne t wird (Posner, 1980). Das
Hinweisreizparadigma gewährleistet die Möglichkeit der Erfassung von verdeckter,
bottom-up-kontrollierter Aufmerksamkeit. Zieht ein Hinweisreiz ohne unsere willkürliche
Absicht Aufmerksamkeit an, so spricht man von bottom-up-kontrollierter
Aufmerksamkeit. Die Instruktion für die Versuchsperson, sich auf den Zielreiz und die
jeweilige zu tätigende Reaktion zu konzentrieren sowie die kurze Hinweisreiz-
Darbietungsdauer erlauben es der Versuchsperson nicht, den Hinweisreiz direkt
anzublicken. Trotzdem, oder gerade aus diesem Grund, kann Aufmerksamkeit gemessen
werden: Ist die Fehlerrate unter nicht-validen Bedingungen signifikant höher als in
validen Bedingungen, so hat wahrscheinlich der Hinweisreiz automatisch den Blick und
die Aufmerksamkeit angezogen (bottom-up-kontrollierte Aufmerksamkeit). Ist die
Reaktionszeit unter nicht-valider Bedingung signifikant erhöht, so bedeutet das, dass der
Hinweisreiz, ohne diesen tatsächlich angesehen zu haben, mit hoher Wahrscheinlichkeit
die Aufmerksamkeit eingenommen hat (die Aufmerksamkeit ist verdeckt und bottom-up-
kontrolliert). Nimmt also der Hinweisreiz Aufmerksamkeit ein, so wird das Auffinden
und Reagieren auf den Zielreiz unter valider im Gegensatz zur nicht-validen Bedingung
erleichtert (und kann rascher und/oder fehlerfreier erfolgen), da sich die Aufmerksamkeit
bereits am Zielreizlokus befindet, welche sich sonst erst dorthin bewegen müsste.
Hingegen zieht der Hinweisreiz in nicht-valider Bedingung die Aufmerksamkeit
wahrscheinlich vom Ort des Zielreizes weg, was verursacht, dass erst mit Auftauchen des
Zielreizes die Aufmerksamkeit dorthin verlagert werden kann (demzufolge entstehen
Einbußen in der Reaktionszeit und/oder der Fehlerrate). Einen signifikanten
Reaktionszeitunterschied (oder signifikant höhere Unterschiede in den Fehlerraten)
zwischen einem validen und einem nicht-validen Durchgang unter den gleichen
Hinweisreiz-Bedingungen nennt man Hinweisreiz-Effekt (engl. „cueing effect“).
Das Zeitintervall zwischen Auftauchen des Hinweisreizes und Auftauchen des Zielreizes
kann im Hinweisreizparadigma variiert werden. Man spricht dabei von „stimulus onset
asynchrony” (kurz „SOA“). Die Hinweisreizdarbietungsdauer ist aber nicht mit SOA zu
14
verwechseln: Nach Auftauchen des Hinweisreizes könnte das SOA beispielsweise durch
einen blanken Bildschirm oder eine Maske gedehnt werden. In der vorliegenden Studie
wird ausschließlich ein SOA von 20 ms eingesetzt, detailliertere Erläuterungen zum
methodischen Ablauf des Experiments findet man im Methodenteil.
In welche Teilprozesse kann nun der Prozess der Aufmerksamkeitsausrichtung auf einen
Reiz zerlegt werden? Wird die Aufmerksamkeit von einem Reiz auf einen neuen gelenkt,
so muss das Individuum zuerst seine Aufmerksamkeit von dem aktuellen Reiz lösen
(Posner, 1980). In weiterer Folge muss die Aufmerksamkeit von dem neuen Reiz
geschnappt werden und als dritter Schritt wird sie auf den neuen Reiz fokussiert und
gehalten (Posner, 1980). Durch Heranziehen der Cueing Prozedur können diese
Teilschritte gemessen werden: In valider Bedingung wird die Aufmerksamkeit potenziell
von dem Hinweisreiz geschnappt und dann auch gehalten, da der Zielreiz sich am selben
Ort befindet wie der Hinweisreiz und somit die Beachtung nicht räumlich
weiterverschoben werden muss. In nicht-valider Bedingung wird die Aufmerksamkeit
möglicherweise von dem Hinweisreiz zuerst geschnappt, muss aber danach wieder gelöst
werden um sie zum Ort des Zielreizes zu bewegen. Ist das Lösen erschwert, resultiert dies
in erhöhten Reaktionszeiten und Fehlerraten und spricht für aufmerksamke itsanziehende
Wirkung des Hinweisreizes. Das Hinweisreizparadigma, welches in dieser Studie
herangezogen wurde, ist besonders sensitiv gegenüber den beschriebenen Löseeffekten
(Fox, Russo, & Dutton, 2002).
Als Messgrößen werden in der vorliegenden Studie sakkadische Reaktionszeiten und
Fehlerraten herangezogen.
1.4. ERKENNUNG VON EMOTION
Zur Untersuchung von Auswirkungen verschiedener Emotionen werden häufig Gesichter
mit jeweiligem Emotionsausdruck (Bannerman, Milders & Sahraie, 2009; 2010a) aber
auch Ganzkörperdarstellungen mit unterschiedlichen Körperhaltungen (Bannerman,
Milders & Sahraie, 2010b; Koster, Crombez, Verschuere, Vanvolsem, & De Houwer,
2007) oder Objekte mit unterschiedlichem emotionsauslösenden Charakter (Koster et al.,
2007) als Stimulusmaterial herangezogen. In der vorliegenden Studie werden
15
Auswirkungen von Emotionen, welche sich in Gesichtsausdrücken manifestieren,
erforscht.
Aus der bisherigen Forschung haben sich bestimmte Merkmale von Gesichtern wie
Augenbrauen oder Mundpartie und deren besondere Ausprägungen als besonders relevant
für Kategorisierungsvorgänge herausgestellt. Zum Beispiel konnten gesichtsspezifische
Marker wie große Augen, welche als Charakteristikum für Weiblichkeit postuliert
werden, die Wahrnehmung von Gesichtern mit Furchtausdruck erleichtern (Sacco &
Hugenberg, 2009). Zornige Gesichtsausdrücke konnten hingegen schneller und genauer
an männlichen Gesichtern erkannt werden (Becker, Kenrick, Neuberg, Blackwell, &
Smith, 2007). Hess, Adams, Grammer und Kleck (2009) konnten zeigen, dass
Versuchspersonen, welchen ein Gesicht mit Zornausdruck präsentiert wurde, diesen eher
mit einem Mann als einer Frau assoziieren. Furcht und Fröhlichkeit scheinen mit
Weiblichkeit einherzugehen und wurden eher als weiblich bewertet (Hess et al., 2009).
Da die Emotion Furcht in der vorliegenden Studie von Relevanz ist, wurde dieser
konfundierende Faktor selbstverständlich für das hier herangezogene Stimulusmaterial
berücksichtigt. Genauere Angaben zur Adjustierung der Stimuli findet man im dem
Kapitel “2.3. Stimuli“.
1.5. DERBEDROHUNGSVORTEIL – PRO UND CONTRA
Unter dem Bedrohungsvorteil (engl. „threat advantage“) ist nun die postulierte
Prädisposition zu verstärkter, also erleichteter Aufmerksamkeitsanziehung durch Furcht
zu verstehen (Öhman, Lundqvist & Esteves, 2001).
Die unterschiedlichen Ergebnisse aus verschiedenen Arbeiten zahlreicher
Forschergruppen, welche den Bedrohungsvorteil zu erforschen suchten, lassen
unterschiedliche Herangehensweisen innerhalb des Cueing-Paradigmas beobachten, wie
zum Beispiel eine Variation der Darbietungsdauer des Hinweisreizes von 20 ms bis zu
500 ms. Auch der Antwortmodus der Testperson ist in der einschlägigen Forschung
variiert vorhanden. So kann die Reaktion manuell durch Tastendruck oder durch
Augensakkaden die Zeit gemessen werden, die vergeht, bis die Testperson ihre
Augenfixation vom ständig vorhandenen Fixationskreuz löst und zum Zielreiz bewegt.
Solche schnellen Augenbewegungen, bei denen das Ziel, das mit dem Blick fixier t wird,
16
geändert wird, nennt man Sakkaden (engl. „saccades). Die Erfassung von Augensakkaden
bietet, entgegengesetzt der häufig eingesetzten Methode der manuellen
Verhaltensreaktionserfassung, eine direkte Messung der Aufmerksamkeitsausrichtung
(Bannerman et al., 2009).
Koster et al. (2007) konnten bei einer kurzen Darbietungszeit des Hinweisreizes von 28
ms weder erhöhte Aufmerksamkeitseinnahme durch Furcht ausdrückende Reize, noch
erschwerte Lösung der Aufmerksamkeit von solchen feststellen. Diese Ergebnisse werden
auf die, so Koster at al. (2007), zu kurze Darbietungszeit des Hinweisreizes
zurückgeführt, welche, laut Autoren, den Furcht auslösenden Effekt des Bildes nicht zum
Vorschein bringe. Diese Ergebnisse können jedoch durch aktuellere Befunde
gerechtfertigt werden, welche ausschlaggebende Differenzen zugunsten des
sakkadischen im Gegensatz zu dem von Koster und Kollegen (2007) herangezogenen
manuellen Antwortmodus postulieren (Bannerman et al., 2009). Durch Erfassung der
Reaktionszeiten des okulomotorischen Systems ist es möglich, die kleinen
Reaktionszeitunterschiede, die bei solchen Untersuchungen vorkommen, zu untersuchen.
Beim Erfassen mittels Tastendruck gehen die Reaktionszeitunterschiede verloren, da
viele weitere psychologische Verarbeitungsschritte nötig sind, um den richtigen
Tastendruck zu tätigen. Eine Sakkade auf einen Furcht ausdrückenden Reiz auszuführen
hingegen, erfordert keine Überlegung des richtigen Reaktionsverhaltens und kann somit
direkter aufmerksamkeitsbezogene Vorteile in der Erkennung des Zielreizes detektieren.
Furcht auslösendes Stimulusmaterial kann also schneller über das okulomotorische
System detektiert werden (Bannerman et al., 2009). Für die Existenz eines
Bedrohungsvorteils sprechen Resultate von Bannerman et al. (2010b), welche belegen,
dass durch sakkadische Messung auch Furcht auslösende Körperhaltungen sowohl bei 20
als auch bei 40 ms Darbietungsdauer, Effekte auslösen.
Bannerman et al. (2010a), zogen für ihre Arbeit aus Zwecken der Gegenüberstellung
sowohl den sakkadischen als auch den manuellen Antwortmodus heran. Ebenso wurde
die Darbietungszeit der Hinweisreize manipuliert, es erfolgten sowohl Durchgänge mit
kurzer (20ms) als auch mit längerer Darbietungsdauer (100ms). Als Hinweisreize
agierten Gesichter, welche entweder Furcht oder einen neutralen Ausdruck zeigten.
Entsprechend der von Bannerman et al. (2009) geschilderten Ergebnisse, konnte gezeigt
werden, dass über alle Bedingungen hinweg generell nur im sakkadischen im Gegensatz
zum manuellen Antwortmodus Effekte in erwarteter Richtung gefunden wurden
17
(Bannerman et al., 2010a). Es stellte sich heraus, dass innerhalb des sakkadischen
Antwortmodus hinsichtlich der Darbietungszeit der Hinweisreize von 20 ms signifikante
Effekte bestehen: Hinweise sowohl auf die stärkere Aufmerksamkeitsausrichtung hin zu
Furcht enthaltenden Hinweisreizen (durch die raschere Reaktionszeit von Furcht als
Neutral in valider Bedingung), als auch auf erschwerte Lösung der
Aufmerksamkeitsausrichtung von einem Furcht enthaltendem Reiz (durch die
langsamere Reaktionszeit von Furcht als Neutral in nicht-valider Bedingung) konnten
gefunden werden (Bannerman et al. 2010a).
Damit inhaltlich einhergehend, konnte auch in nicht-validen Durchgängen eine deutlich
geringere Genauigkeit (Prozentsatz der korrekten Augenbewegungen hin zum
Zielreizlokus), hier aus Gründen der besseren Vergleichbarkeit angegeben als höhere
Fehlerrate (Prozentsatz der Augenbewegungen in die gegenüberliegende Richtung des
Zielreizes) bei der Darbietung von Furcht (M = 13.8%) als bei neutralem Reiz (M =
7.7%) festgestellt werden (Bannerman et al. 2010a). Allerdings konnten all jene soeben
geschilderten Ergebnisse auf Basis sowohl von Reaktionszeiten als auch Fehlerraten nicht
bei einer Darbietungszeit des Hinweisreizes von 100 ms entdeckt werden (Bannerman et
al. 2010a). Dies nährt die Annahme, dass sakkadische Hinweisreizeffekte kurzlebig sind
(Bannerman et al., 2010a).
Die vorliegende Arbeit soll nun die Spur des Konstrukts des Bedrohungsvorteils
weiterverfolgen. Aus diesem Grund wird zuerst auf die Replikation der Effekte von
Bannerman und Kollegen (2010a), durch kurze Darbietungsdauer des Hinweisreizes (20
ms) im sakkadischen Antwortmodus abgezielt. Die von Bannerman und Kollegen
(2010a) dargelegten Ergebnisse zeigen allerdings ausschließlich einen Hinweisreizeffekt
von Furcht im Vergleich zu neutralem Gesichtsausdruck. Hier ist also nicht klar, ob die
Ursache für den Effekt emotionsspezifischer Natur ist. Belegt werden kann bislang einzig
eine valenzbasierte Ursache, also einen Effekt aufgrund der negativen Valenzinformation
der Emotion Furcht (Bannerman et al., 2010a).
Durch die vorliegende Studie möchte nun herausgefunden werden, ob sich jedoch ein
emotionsspezifischer Effekt von Furcht finden lässt. Darum wird eine weitere Emotion
mit negativer Valenz, Ekel, zum Vergleich herangezogen. Erwartet wird ein signifikant
größerer Hinsweisreiz-Effekt bei Furcht als bei Ekel. Gemessen werden Reaktionszeiten
sowie Fehlerraten. Ist das Intervall zwischen validen und nicht-validen Durchgängen bei
18
Furcht ausdrückenden Reizen signifikant größer als bei Ekel ausdrückenden Reizen, so
spräche das für den erwarteten Effekt. Kann man hingegen keine signifikanten
Unterschiede zwischen Hinweisreizeffekten der beiden Emotionen feststellen, deutet dies
auf einen valenzbasierten Erklärungsansatz hin.
2. METHODE
2.1. VERSUCHSPERSONEN
Für die vorliegende Studie wurden insgesamt 24 Versuchspersonen (12 Frauen, 12
Männer) über das Rekrutierungssystem Allgemeine Psychologie („recruiting system
Allgemeine Psychologie“- RSAP) des Institutes für Psychologische Grundlagenforschung
und Forschungsmethoden der Universität Wien rekrutiert. Die Erhebung dauerte maximal
90 Minuten und startete, nachdem die TeilnehmerInnen schriftlich durch Unterzeichnen
einer Einverständniserklärung (engl. „informed consent“) an einer freiwilligen Teilnahme
am Experiment einwilligten. Alle VersuchsteilnehmerInnen studierten Psychologie und
erhielten für Ihre Teilnahme 1,5 Versuchspersonenstunden, welche als Prüfungsbonus
genutzt werden konnten. Der Altersdurchschnitt betrug M = 22.8 Jahre. Um die
Zustandsangst, also Angst als vorübergehenden emotionalen Zustand, sowie die
Eigenschaftsangst, also Angst als situationsüberdauernde Eigenschaft, kontrollieren zu
können, wurde das das State-Trait-Angstinventar (STAI; Laux, Glanzmann, Schaffner &
Spielberger, 1981) am Ende des Experiments vorgegeben. Dabei handelt es sich um die
aktuelle deutsche Version, die von Spielberger, Gorsuch und Lushene (1983) übersetzt
und aktualisiert wurde. Alle TeilnehmerInnen wiesen im Normalbereich liegende Werte
der Zustandsangst (engl. „state“; M = 35.4, SD = 7.3) und der Eigenschaftsangst (engl.
„trait“, M = 38.1, SD = 8.7) auf und berichteten über normale oder durch Sehhilfen
korrigierte Sehschärfe.
Nach dem Experiment wurden die Versuchspersonen über das Ziel und die Methode des
Experiments aufgeklärt.
19
2.2. MESSGERÄT UND RAHMENBEDINGUNGEN
Es wurde mit einem 19“ Kathodenstrahlröhrenfarbbildschirm (engl. „CRT monitor, Sony
Multiscan400), welcher über eine Bildwiederholungsfrequenz von 120 Hz verfügte,
gearbeitet. Zur Aufzeichnung der Augensakkaden wurde ein SR Research Ltd. Eye-Link
1000 Eye Tracking Gerät herangezogen, wobei die Blickpositionen mit einer Rate von
1000 Hz aufgezeichnet wurden. Das Gerät befand sich auf dem Tisch zwischen dem
Monitor und der teilnehmenden Person. Um einen standardisierten Abstand von 57 cm
vom Bildschirm zum Auge jeder Versuchsperson zu gewährleisten, ruhte der Kopf der
teilnehmenden Person über das gesamte Experiment in einer Kinnstütze, welche am Tisch
fixiert war.
Das Experiment wurde als Individualtestung durchgeführt und fand im Testraum K7 der
Fakultät für Psychologie, 1010 Wien, statt. Allen Versuchsteilnehmern wurden dieselben
Lichtbedingungen gewährleistet: Hinter dem Bildschirm befand sich eine kleine
Lichtquelle, im Versuchsraum wurde die Deckenbeleuchtung ausgeschalten sowie auch
der natürliche Lichteinfluss durch das Fenster abgeschirmt. Nachdem die Versuchsperson
das Informationsblatt über Datenschutz und Versuchspersonenrechte unterzeichnet und
eine angenehme Sitzposition eingenommen hatte, konnte die Kalibrierung der
Augenbewegungen erfolgen. Überschritten Abweichungen der Blickpositionen 0,5°
nicht, war die Kalibrierung gültig und das Experiment konnte durch Betätigung der
Leertaste vom Versuchsteilnehmer selbst eingeleitet und gestartet werden. Das
Experiment wurde mit MATLAB (MathWorks Inc., Natick, MA;
http://www.mathworks.com) mit Psychophysics toolbox – 3 (http://psychtoolbox.org)
programmiert. Die Messung der Sakkaden erfolgte monokular, aufgezeichnet wurde
jeweils das besser kalibrierte Auge.
2.3. STIMULI
Das als Hinweisreiz agierende Stimulusmaterial bestand aus insgesamt 30 Bildern aus der
Karolinska Directed Emotional Faces (KDEF) Datenbank (Lundqvist, Flykt, & Öhman,
1998). Es handelt sich dabei um Bilder von Gesichtsausdrücken von 10 Individuen (5
Frauen, 5 Männer), wobei jedes Individuum insgesamt 3 verschiedene Emotionen bzw.
Gesichtsausdrücke zeigt: Furcht, Ekel und Neutral. Um die Bilder möglichst einheitlich
20
zu halten und Geschlechtsmerkmale auszuschließen, wurden die Bilder in ovale Form
zugeschnitten und nicht farbig, sondern in graustufiger Farbe dargeboten. Die Bilder
wurden vor weißem Hintergrund durch den oben beschriebenen Monitor angezeigt.
Durch Anwendung von MATLAB wurden alle Bilder hinsichtlich der Lichtmenge (engl.
„luminance“) ausgeglichen. Der Kontrast der Bilder hatte ein quadratisches Mittel von
M = 77.87 (SD = 0.03) und die Amplituden der Powerspektren lagen bei M = 91.19 (SD
= 1.90). Abbildung 1 zeigt das gesamte als Hinweisreiz agierende Bildmaterial in den 3
Bedingungen Furcht, Ekel und Neutral.
Abbildung 1: Oben: Set aller weib lichen Gesichter mit den Ausdrücken Neutral, Furcht, Ekel. Unten: Set
aller männlichen Gesichter mit den Ausdrücken Neutral, Furcht und Ekel.
21
Als Zielreiz wurde ein Plus-Zeichen (1,5° x 1,5°) herangezogen. Die Bilder und das Plus-
Zeichen wurden, wie auch bei Bannerman und Kollegen (2010a), entweder auf der linken
oder der rechten Seite des Bildschirms (9,2°) dargeboten.
2.4. PROZEDUR
Die Erfassung der zu interessierenden Informationen wird mit Hilfe des
Hinweisreizparadigmas realisiert.
Jeder Durchgang startete mit einem schwarzen, mittigen Fixationskreuz für 1000 ms.
Gefolgt wurde dies durch einen 200 ms dauernden blanken Bildschirm, da Fischer und
Weber (1993) zeigen konnten, dass dadurch die darauf folgende Sakkade rascher
eingeleitet wird. Danach folgte ein Hinweisreiz für 20 ms, der entweder auf der linken
oder rechten Seite des Bildschirms aufschien. Schließlich folgte der Zielreiz, ein
schwarzes Plus-Zeichen, für 1000 ms, welches entweder auf derselben Bildschirmseite
des Hinweisreizes oder auf der gegenüberliegenden Seite aufschien. 50 % der
Durchgänge bestanden aus validen, die andere Hälfte aus nicht-validen Durchgängen.
Die Instruktion für die VersuchsteilnehmerInnen, angezeigt am Bildschirm, forderte diese
auf, zuerst das mittige Fixationszeichen zu fixieren und dann so rasch und akkurat wie
möglich auf den rechts oder links am Bildschirm aufscheinenden Zielreiz zu blicken,
ohne auf den zwischengeschalteten Hinweisreiz zu achten. Die VersuchsteilnehmerInnen
wurden ebenfalls darüber informiert, dass in einigen, aber nicht allen Fällen, der zu
detektierende Hinweisreiz und der Zielreiz auf derselben Bildschirmseite aufscheinen
würden. Nach jedem Durchgang konnte die Versuchsperson selbst durch Drücken der
Leertaste den Start des nächsten Durchganges einleiten.
Mit dieser Versuchsanordnung wurde sich an die Vorgabe von Bannerman und Kollegen
(2010a) gehalten. Jedoch wurde für die vorliegende Arbeit ausschließlich die Bedingung
mit einer Darbietungszeit des Hinweisreizes von 20 ms eingesetzt, da Bannerman und
Kollegen (2010a) bei dieser kurzen SOA signifikante Hinweisreizeffekte bei
Furchtausdruck berichteten. In Abbildung 2 ist die Versuchsanordnung eines
Durchganges in valider Bedingung veranschaulicht.
22
Abbildung 2: Ein valider Durchgang mit Furchtausdruck. Der Pfeil beschreibt die zeitliche Abfolge des
Durchgangs.
Jede Versuchsperson hatte insgesamt 4 Blöcke, bestehend aus jeweils 160 Durchgängen
zu durchlaufen. Nach Beendigung jedes Blocks hatte jede Versuchsperson die
Möglichkeit, eine kurze Pause einzulegen. Je 2 Blöcke enthielten aufrechte und je 2
Blöcke umgedrehte Gesichter als Hinweisreize, je 2 Blöcke enthielten Gesichter mit
Furchtausdruck und je 2 Blöcke enthielten Gesichter mit Ekelausdruck. Die Blöcke waren
also folgendermaßen charakterisiert: Aufrecht-Furcht, Aufrecht-Ekel, Umgedreht-Furcht,
Umgedreht-Ekel. In jedem der einzelnen Blöcke war jedoch die Hälfte der Hinweisreize
neutral. Die Vorgabereihenfolge der 4 Blöcke wurde bei je einem Viertel der
Versuchspersonen variiert. Jeder Block enthielt 40 Durchgänge aller Kombinatione n aus
Emotion (Neutral vs. Furcht oder Ekel) und Validität (valide vs. nicht-valide). Bevor die
23
Daten tatsächlich aufgezeichnet wurden, gab es ein Training von 20 Durchgängen vor
Beginn des ersten aufrechten oder umgedrehten Blockes. In jedem Block wurde jede
Bedingung gleich oft und in pseudorandomisierter Abfolge dargeboten. Ausschließlich
das direkte Aufeinanderfolgen von zwei identischen Hinweisreizen sowie das
Aufeinanderfolgen derselben Bedingungen (Emotion, Validität, Geschlecht,
Bildschirmseite) öfter als 6 Mal wurden ausgeschlossen. Das Experiment dauerte
insgesamt ca. 1 Stunde.
Gemessen wurde die Differenz der horizontalen, sakkadischen Reaktionszeit zwischen
dem Aufscheinen des Fixationskreuzes, also Zeitpunkt 0, und dem Start der
Augensakkade („sakkadische Reaktionszeit“; in weiterer Folge genannt SRZ). Es wird
ein stärkerer Hinweisreizeffekt, also größere Differenz sowohl der Reaktionszeiten als
auch der Fehlerraten zwischen validen und nicht-validen Bedingungen bei Furcht als bei
neutraler Bedingung erwartet. Dies spräche für einen affektspezifischen Effekt von
Furcht als negativ valente Emotion auf die Aufmerksamkeit (vgl. Bannerman et al.
2010a). Anschließend wird ein derartiger Vergleich valider und nicht-valider
Bedingungen von Ekel und Neutral angestellt. Schließlich wird ein stärkerer
Hinweisreizeffekt von Furcht im Vergleich mit Ekel erwartet. Evidenz für einen
emotionsspezifischen Einfluss, der die Wirkungsweise der Emotion Furcht per se auf die
Aufmerksamkeit erklärt, wäre somit deutlich.
3. ERGEBNISS E
Einige der erhobenen Daten konnten nicht in die Analyse mit einbezogen werden:
Aufgrund von besonders hohen Fehlerraten, Sakkaden, die nicht innerhalb von 2° der
Bildschirmmitte begannen und Sakkaden, die sich nicht hin zum Zielreiz bewegten,
mussten Daten von 4 Versuchspersonen ausgeschlossen werden. Einzelne Daten der
bleibenden 20 Versuchspersonen wurden ebenfalls aussortiert, wiederum aufgrund von
Sakkaden, welche nicht innerhalb von 2° des Fixationskreuzes begannen, durch
Lidschlag gestörte oder fehlende Sakkaden.
24
Um der Anforderung gerecht zu werden, (teilweise) die Ergebnisse von Bannerman und
Kollegen (2010a) replizieren zu können, wurde die Vorgehensweise übernommen und
Furcht aber auch Ekel mit neutralen Hinweisreizen durch jeweils eine ANOVA
verglichen. Um eine Aussage hinsichtlich möglicher emotionsspezifischer, statt wie bei
Bannerman und Kollegen (2010a) affektspezifischer Effekte machen zu können, wurde
anschließend eine weitere ANOVA durchgeführt, bei der Furcht und Ekel einander
gegenübergestellt wurden.
3.1. SAKKADISCHE FEHLERRATEN (SFRS)
Als SFRs werden Sakkaden bezeichnet, die sich in gegenüberliegende Richtung des
Zielreizes bewegten. SFRs waren in nicht-validen Bedingungen erhöht, besonders in der
nicht-validen, aufrechten Bedingung mit Furchtausdruck. Abbildung 3 zeigt SFRs in
aufrechter Bedingung.
Abbildung 3: Orientation 1: Aufrechte Bedingung. Emotion 1: Neutraler Ausdruck
Emot ion 2: Furchtausdruck. Validity 1: valider Durchgang. Validity 2: n icht -valider Durchgang.
25
Für die Bedingung mit Furchtausdruck wurde eine 2 x 2 x 2 ANOVA durchgeführt, mit
den Variablen Orientierung (aufrecht vs. umgedreht), Emotion (Neutral vs. Furcht) und
Validität (valide vs. nicht-valide). Es wurden Bonferroni Korrekturen für multiple
Vergleiche gemacht und ein Alpha Level von α = .05 gewählt. Für alle in dieser Arbeit
berichteten signifikanten multiplen Interaktionen werden Greenhouse-Geisser Werte für
Signifikanz angegeben. Die ANOVA ergab folgende Ergebnisse. Der Haupteffekt für
Validität war signifikant, F(1, 19) = 18.77, p < .001, partielles η2 = 0.50, Leistungen
waren genauer in der validen Bedingung (MSFR = 0.1%, SD = 0.04) als in der nicht-
validen Bedingung (MSFR = 6.4%, SD = 1.45). Die dreifach-Interaktion von Orientierung,
Emotion und Validität war signifikant, F(1, 19) = 5.96, p < .02, partielles η2 = 0.24.
Zur weiteren Exploration dieses Ergebnisses wurden weitere ANOVAs durchgeführt.
Dabei wurde eine signifikante zweifach-Interaktion von Orientierung und Emotion
gefunden, F(1, 19) = 6.12, p < .02, partielles η2 = 0.24. SFRs zwischen verschiedenen
Emotionen unterschieden sich signifikant in der aufrechten Bedingung (Neutral: MSFR =
2.1%, SD = 0.54 vs. Furcht: MSFR = 3.8%, SD = 0.91, t(19) = 2.69, p < .01) aber nicht in
der umgedrehten Bedingung (Neutral: MSFR = 3.6%, SD = 0.96 vs. Furcht: MSFR = 3.4%,
SD = 0.89, t(19) = 0.36, p > .71). Es wurden keine anderen signifikanten Effekte oder
Interaktionen gefunden, alle Fs < 1 mit p > .05.
Eine weiterführende ANOVA in der aufrechten Bedingung mit den Variablen Emotion
und Validität zeigte einen signifikanten Effekt von Emotion, F(1, 19) = 7.25, p < .01,
partielles η2 = 0.28. Die Leistungen waren genauer in der neutralen Bedingung (MSFR =
2.1%, SD = 0.54) als in der Bedingung mit Furchtausdruck (MSFR = 3.8%, SD = 0.91).
Ebenso signifikant war der Effekt der Validität, F(1, 19) = 19.07, p < .001, partielles η2 =
0.50. In der validen Bedingung (MSFR = 0.0%, SD = 0.00) waren die Leistungen genauer
als in nicht-valider Bedingung (MSFR = 5.9%, SD = 1.35). Die zweifach Interaktion von
Emotion und Validität war signifikant, F(1, 19) = 7.25, p < .01, partielles η2 = 0.28. SFRs
zwischen den beiden Validitätsbedingungen unterschieden sich weniger im Falle der
neutralen Bedingung (valide: MSFR = 0.0%, SD = 0.00 vs. nicht-valide: MSFR = 4.1%, SD
= 1.08, t(19) = 3.83, p < .001), mehr in der Bedingung mit Furchtausdruck (valide: MSFR
= 0.0%, SD = 0.00 vs. nicht-valide: MSFR = 7.6%, SD = 1.82, t(19) = 4.19, p < .0001). Des
Weiteren konnte durch Anwendung eines Zweistichproben- t-Tests ein signifikanter
Unterschied zwischen der nicht-validen neutralen Bedingung (MSFR = 4.1%, SD = 4.8)
und der nicht-validen Furchtbedingung (MSFR = 7.6%, SD = 8.1) gefunden werden. Eine
26
Varianzanalyse für die umgedrehte Bedingung mit denselben Variablen Emotion und
Validität zeigte einzig einen signifikanten Effekt der Validität, F(1, 19) = 14.76, p < .001,
partielles η2 = 0.44, die Leistungen der Versuchspersonen waren also in der validen
Bedingung genauer (MSFR = 0.1%, SD = 0.09) als in der nicht-validen Bedingung (MSFR =
6.9%, SD = 1.74). Es wurden keine weiteren signifikanten Effekte oder Interaktionen in
beiden Varianzanalysen gefunden, alle Fs < 1 mit p > .05.
Für die Ekelbedingung wurde ebenfalls eine 2 x 2 x 2 Varianzanalyse mit den Variablen
Orientierung (aufrecht vs. umgedreht), Emotion (Neutral vs. Ekel) und Validität (valide
vs. nicht-valide) durchgeführt. Es wurde ein signifikanter Haupteffekt der Validität
festgestellt, F(1, 19) = 13.70, p < .001, partielles η2 = 0.42. In der validen Bedingung
wurden weniger Fehler gemacht (MSFR = 0.1%, SD = 0.07) als in der nicht-validen
Bedingung (MSFR = 4.9%, SD = 1.31). Ebenfalls konnte eine fast signifikante zweifach-
Interaktion zwischen Emotion und Validität gefunden werden, F(1, 19) = 4.17, p = .055,
partielles η2 = 0.18. SFRs zwischen den beiden Bedingungen der Validität und über die
Orientierung hinweg unterschieden sich weniger bei neutralem Ausdruck (valide: MSFR =
0.1%, SD = 0.09 vs. nicht-valide: MSFR = 4.3%, SD = 1.21, t(19) = 3.39, p< .003), mehr
bei Ekelausdruck (valide: MSFR = 0.1%, SD = 0.06 vs. nicht-valide: MSFR = 5.6%, SD =
1.48, t(19) = 3.76, p < .001). Keine anderen signifikanten Effekte oder Interaktionen
konnten gefunden werden, alle Fs < 1 mit p > .05.
Zum Vergleich der SFRs von Ekel vs. Furcht wurde eine Varianzanalyse mit den
Variablen Orientierung (aufrecht vs. umgedreht), Emotion (Ekel vs. Furcht) und Validität
(valide vs. nicht-valide) durchgeführt, welche signifikante Haupteffekte von Validität,
F(1, 19) = 16.96, p < .001, partielles η2 = 0.47, und Emotion, F(1, 19) = 4.75, p < .04,
partielles η2 = 0.20 zeigte. Die Leistungen waren genauer in valider (MSFR = 0.1%, SD =
0.04) als in nicht-valider Bedingung (MSFR = 6.4%, SD = 1.55) und bei Ekel- (MSFR =
2.8%, SD = 0.74) als bei Furchtausdruck (MSFR = 3.6%, SD = 0.84). Es wurden keine
anderen signifikanten Effekte oder Interaktionen gefunden, alle Fs < 1 mit p > .05.
27
3.2. SAKKADISCHEREAKTIONSZEITEN (SRZS)
Hierfür wurden ausschließlich die korrekten Antworten herangezogen und der Mittelwert
der Reaktionszeiten, die jede Versuchsperson für die Einleitung der Sakkaden benötigt
hat, berechnet. Durchgänge, in denen die SRZ rascher als 80 ms oder langsamer als 3
Standardabweichungen von der individuellen, korrekten sakkadischen Reaktionszeit (vgl.
Bannerman et al., 2010a) war, wurden von der Analyse ausgeschlossen (3.0 %).
Für die Bedingung mit Furchtausdruck wurde eine 2 x 2 x 2 Varianzanalyse mit
Messwiederholung mit den Variablen Orientierung (aufrecht vs. umgedreht), Emotion
(Neutral vs. Furcht) und Validität (valide vs. nicht-valide) durchgeführt. Es konnte dabei
ein signifikanter Haupteffekt der Validität gefunden werden, F(1, 19) = 50.75, p < .001,
partielles η2 = 0.73. Sakkaden waren rascher in valider (MSRZ = 153 ms, SD = 4.29) als in
nicht-valider Bedingung (MSRZ = 181 ms, SD = 4.42). Ebenfalls konnte ein signifikanter
Haupteffekt der Orientierung gefunden werden, F(1, 19) = 4.22, p = .05, partielles η2 =
0.18. SRZs waren rascher in umgedrehter (MSRZ = 164 ms, SD = 4.11) als in aufrechter
Bedingung (MSRZ = 170 ms, SD = 4.26). Es wurden sonst keine weiteren signifikanten
Effekte oder Interaktionen gefunden, alle Fs < 1 mit p > .05.
Nachfolgend wurde eine Varianzanalyse für die aufrechte Bedingung mit den Variablen
Emotion und Validität durchgeführt, welche einzig einen signifikanten Effekt der
Validität hervorbrachte, F(1, 19) = 55.51, p < .001, partielles η2 = 0.75. SRZs waren
rascher in validen (MSRZ = 155 ms, SD = 4.23) als in nicht-validen Durchgängen (MSRZ =
185 ms, SD = 4.98). Es wurde die gleiche Varianzanalyse für die umgedrehte Bedingung
durchgeführt, bei der ebenfalls einzig ein signifikanter Effekt der Validität gezeigt
werden kann, F(1, 19) = 39.92, p < .001, partielles η2 = 0.68. In validen Bedingungen
waren die SRZs rascher (MSRZ = 151 ms, SD = 4.59) als in der nicht-validen Bedingung
(MSRZ = 177 ms, SD = 4.34). Ansonsten wurden in keiner der beiden Varianzanalysen
weitere signifikante Effekte oder Interaktionen gefunden, alle Fs < 1 mit p > .05.
Für die Bedingung mit Ekelausdruck wurde eine Varianzanalyse mit den Variablen
Orientierung (aufrecht vs. umgedreht), Emotion (Neutral vs. Ekel) und Validität (valide
vs. nicht-valide) durchgeführt, welche alleinig einen signifikanten Effekt der Validität
zeigte, F(1, 19) = 43.61, p < .001, partielles η2 = 0.70. Es erfolgten raschere SRZs in
validen (MSRZ = 155, SD = 4.71) als in nicht-validen Fällen (MSRZ = 180 ms, SD = 5.59).
28
Es wurden sonst keine signifikanten Effekte oder Interaktionen gefunden, alle Fs < 1 mit
p > .05.
4. INTERPRETATION UND DIS KUSSION
Die vorliegende Studie beschäftigte sich mit emotionalen Aufmerksamkeitseffekten
zweier negativ valenter Emotionen, Furcht und Ekel. Es wurden Furcht und Ekel
enthaltende Hinweisreize zuerst mit neutralen Hinweisreizen und auch miteinander
verglichen. Erwartet wurde ein stärkerer aufmerksamkeitsanziehender Effek t von Furcht
als von Ekel, was für die Existenz eines Bedrohungsvorteils spräche. Die Daten zeigen
Tendenzen zum erwarteten Effekt, jedoch ausschließlich in Fehlerraten, nicht aber in
Reaktionszeiten.
Die Furchtbedingung verursachte mehr Fehler, auch die Differenz zwischen validem und
nicht-validem Fall war in Furchtbedingung wesentlich größer als in neutraler Bedingung,
was den valenzspezifischen Effekt von Bannerman und Kollegen (2010a), zumindest in
Fehlerraten, repliziert. Auch ein Vergleich zwischen nicht-validen Fällen zeigte, dass
Furcht zu mehr Fehlern leitete als Neutral. In aufrechter Bedingung unterschieden sich,
wie erwartet, die Fehlerraten zwischen Furcht und Neutral signifikant, nicht aber in
umgedrehter Bedingung. Damit kann gezeigt werden, dass der Effekt in aufrechter
Bedingung gesichtsabhängig ist. Interessant dabei ist jedoch das Zustandekommen dieses
Effekts: In umgedrehter Bedingung erhöhte sich bei neutralen Hinweisreizen die
Fehlerrate, nicht aber fiel diese bei Furcht enthaltenden Reizen. In aufrechter Bedingung
zieht also Furcht die Aufmerksamkeit mehr an als Neutral, wohingegen sie in
umgedrehter Bedingung Furcht und Neutral in etwa gleichermaßen anziehen.
Bei der Analyse des Ausdrucks Ekel konnte durch eine beinahe signifikante Interaktion
gezeigt werden, dass die Ekel im Vergleich zur neutralen Bedingung größere Differenzen
der Fehlerraten zwischen validen und nicht-validen Fällen zeigte. Es scheint also, als
hätte auch die Emotion Ekel eine Tendenz zu stärkeren aufmerksamkeitsanziehenden
Einfluss als die neutrale Bedingung.
29
Die signifikant höhere Fehlerrate bei Furcht im Vergleich mit Ekel deutet auf eine
allgemeine Tendenz zum Bedrohungsvorteil hin. Jedoch ist die Interaktion zwischen
Emotion, Validität und Orientierung nicht signifikant und es dürfen keine Aussagen zur
Differenz zwischen validen und nicht-validen Fällen der Furcht- im Vergleich zur
Ekelbedingung in bestimmter Orientierung gemacht werden.
Leider ergaben Analysen der Reaktionszeiten von sowohl Furcht als auch Ekel im
Vergleich mit der neutralen Bedingung nichts als einzig Effekte der Validität. Der
erwartete Effekt blieb also aus. Worauf kann das nun zurückgeführt werden? Dazu
werden die Unterschiede zwischen dem Vorgehen von Bannerman und Kollegen (2010a)
und diesem Forschungsbestreben erläutert, um möglicherweise darin Erklärungen zu
finden.
Bannerman und Kollegen (2010a) bedienten sich der Methode der Elektrookulographie
(kurz „EOG“) zur Messung der Sakkaden. Über 4 mm große Elektroden, die dabei an
den Augenwinkeln platziert werden, kann das elektrische Feld zwischen diesen
Elektroden erfasst werden. Dieses elektrische Feld basiert auf dem stabilen
Spannungsunterschied zwischen Horn- und Netzhaut (Bannerman et al., 2010a). Die
Daten jeder Versuchsperson wurden anschließend dekodiert und der jeweiligen
Bedingung zugeordnet (Bannerman et al. 2010a). Eindeutig beobachtbar sind die deutlich
längeren Reaktionszeiten bei Verwendung einer EOG im Vergleich zur
Sakkadenmessung anhand des hier verwendeten Eye Tracking Geräts. Es ist also
augenscheinlich, dass aufgrund der herangezogenen Messmethode ein qualitativer
Unterschied vorzuliegen scheint, der für den Unterschied der Reaktionszeiten der
Versuchspersonen und möglicherweise auch für das Ausbleiben der Effekte
verantwortlich sein könnte.
Jedenfalls wird dabei deutlich, dass die Operationalisierung von Aufmerksamkeit nicht
einfach und für das inhaltliche Forschungsergebnis von großer Bedeutung ist. Da
Blickrichtung und Aufmerksamkeit nicht gleichzusetzen sind, muss angemerkt werden,
dass keine absoluten, kausalen Schlüsse aus der Operationalisierung durch
Augensakkaden, wie sie in dieser Studie gewählt wurde, gezogen werden können.
Da die vorliegende Studie höhere Fehlerraten aufweist (welche zu den oben dargestellten
Effekten führten), als Bannerman und Kollegen (2010a), könnte der Schluss gezogen
werden, dass die hier untersuchte Stichprobe an Versuchspersonen in ihrem
30
Antwortverhalten liberaler vorging. Bannerman und Kollegen (2010a) machen weder
genauere Angaben über die Versuchspersonen, noch über Ausschluss des gesamten
Datensatzes einer oder mehrerer Versuchspersonen, während in der aktuellen Studie die
Daten von 4 Versuchspersonen aufgrund von zu wenig akkuraten und
instruktionswidrigen Reaktionen ausgeschlossen werden mussten.
Die oben dargestellten Effekte in Fehlerraten sind, da kaum Fehler in validen
Bedingungen gemacht wurden, hauptsächlich auf Fehler in nicht-validen Bedingungen
zurückzuführen. In einer solchen Bedingung wird die Aufmerksamkeit potentiell vom
Zielreiz geschnappt und gehalten, die Aufmerksamkeitskomponente des Lösens nach
Posner (1980) spielt dabei jedoch eine besondere Rolle. Es handelt sich dabei um die
Schwierigkeit, die Aufmerksamkeit vom sich am falschen Zielort befindenden
Hinweisreiz zu lösen, um sie zum richtigen Zielreizort zu bewegen. Jedoch könnte es
auch eine andere, bislang unbeachtete Ursache für die erhöhten Fehlerraten (und auch
Antwortzeiten) in nicht-validen Durchgängen geben: Die Aufmerksamkeitskomponente
des Schnappens könnte stärker sein, wird möglicherweise aber in valider Bedingung
durch einen Bodeneffekt begrenzt und ist dadurch nicht mehr mess- und vergleichbar.
In dieser Studie wird ausschließlich das Zeitintervall zwischen dem Aufscheinen des
Fixationskreuzes und dem Start der Augensakkade gemessen. Es könnten aber doch auch
weitere Aufmerksamkeitsverschiebungen, die zu späterem Zeitpunkt des
Sakkadensprunges oder einfach nach dem Schnappen der Aufmerksamkeit einsetzen,
weitere Effekte, wie beispielsweise einen IOR Effekt („inhibition of return“: Hemmung
der Rückkehr der Blickbewegung auf einen bereits angeblickten Ort), verursachen. Durch
Variierung der SOA (Zeitintervall zwischen Aufscheinen des Hinweisreizes und
Aufscheinen des Zielreizes) kann das Ausmaß des IOR Effekts Auskunft darüber geben,
ob ein Furcht enthaltender Reiz im Vergleich mit einem Ekel enthaltenden oder
neutralem Hinweisreiz die Aufmerksamkeit länger hält (und somit nicht gelöst werden
kann). Wird die Aufmerksamkeit länger auf dem Furcht enthaltenden Reiz gehalten und
richtet sich nicht weiter an einen anderen Ort, so resultiert dies in einem reduzierten IOR
Effekt (vgl. Fox, Russo & Dutton, 2002).
Im Zusammenhang mit dem Level an Ängstlichkeit der Versuchspersonen fanden
Bradley, Mogg und Millar (2000), dass Personen, deren Ängstlichkeit als stabile
Eigenschaft im mittleren oder hohen Bereich liegt, aufmerksam gegenüber
31
furchtenthaltende Gesichter sind, während dieser Effekt bei Personen mit niedrigem
Ängstlichkeitsstatus nicht gefunden werden konnte. Dabei wurden die Versuchspersonen
unter Heranziehung des State-Trait-Anxiety Inventory (Spielberger et al., 1983) bis zu
einem Wert der Eigenschaftsangst von 32 als wenig ängstlich, zwischen einem Wert von
33 und 40 als mittelmäßig ängstlich und ab einem Wert von 41 als hoch ängstlich
eingestuft. Betrachtet man die trait-Werte der in der vorliegenden Studie getesteten
Versuchspersonen (M = 38.1), so wird klar, dass eine Kategorisierung wie jene von
Bradley und Kollegen (2000) sinnvoll erscheint, was als Implikation für zukünftige
Studien zu betrachten ist.
32
5. LITERATUR
Ansorge, U. (2006). Die Rolle von Absichten bei der automatischenVerarbeitung visuell-
räumlicher Reizinformation. Psychologische Rundschau, 57 (1), 2 – 12.
Ansorge, U. & Leder, H. (2011). Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. Wiesbaden: VS
Verlag.
Bannerman, R. L., Milders, M., & Sahraie, A. (2009). Processing emotion: Comparison
of saccadic and manual choice-reaction times. Cognition and Emotion, 23, 930-954.
Bannerman, R. L., Milders, M., & Sahraie, A. (2010a). Attentional bias to brief threat-
related faces revealed by saccadic eye movements. Emotion, 10, 733-738.
Bannerman, R. L., Milders, M., & Sahraie, A. (2010b). Attentional cueing: Fearful body
postures capture attention with saccades. Journal of Vision, 10, 23, 1–14.
Becker, D. V., Kenrick, D. T., Neuberg, S. L., Blackwell, K. C., & Smith, D. M. (2007).
The confounded nature of angry men and happy women. Journal of Personality and
Social Psychology, 92, 179–190.
Bradley B. P., Mogg K., Falla S., & Hamilton L. R. (1998). Attentional bias for
threatening facial expressions in anxiety: Manipulations of stimulus duration.
Cognition and Emotion, 12, 737–753.
Bradley B. P., Mogg K., & Millar N. H. (2000). Covert and overt orientation of attention
to emotional faces in anxiety. Cognition and Emotion, 14, 789–808.
Carretie, L., Ruiz-Padial, E., Lopez-Martin, S. & Albert, J. (2011). Decomposing
unpleasantness: Differential exogenous attention to disgusting and fearful stimuli.
Biological Psychology, 86, 247-253.
De Oca, B. M., Black, A. A., (2013). Bullets versus Burgers: Is it threat or relevance that
captures Attention? The American Journal of Psychology, 126, 3, 287-300.
Eastwood, J. D., Smilek, D., & Merikle, P. M. (2001). Differential attentional guidance
by unattended faces expressing positive and negative emotion. Perception &
Psychophysics, 63, 1004-1013.
33
Fox, E., Russo, R., & Dutton, K. (2002). Attentional bias for threat: Evidence for delayed
disengagement from emotional faces. Cognition and emotion, 16, 355-379.
Hess, U., Adams, R. B., Jr., Grammer, K., & Kleck, R. E. (2009). Face gender and
emotion expression: Are angry women more like men? Journal of Vision, 9(12):19,
1–8.
Koster, E., Crombez, G., Verschuere, B., & De Houwer, J.(2004). Selective attention to
threat in the dot probe paradigm: Differentiating vigilance and difficulty to
disengage. Behaviour Research and Therapy, 42 (10), 1183–1192.
Koster, E. H. W., Crombez, G., Verschuere, B., Vanvolsem, P., & De Houwer, J. (2007).
A time course analysis of attentional cueing by threatening scenes. Experimental
Psychology, 54, 161-171.
Laux, L., Glanzmann, P., Schaffner, P., & Spielberger C. D. (1981). State-Trait-
Angstinventar (STAI). Weinheim: Beltz Testgesellschaft
Lundqvist, D., Flykt, A., & Öhman, A. (1998). The Karolinska Directed Emotional Faces
- KDEF, CD ROM from Department of Clinical Neuroscience, Psychology section,
Karolinska Institutet, ISBN 91-630-7164-9
Öhman, A., Lundqvist, D., & Esteves, F. (2001). The face in the crowd revisited: A threat
advantage with schematic stimuli. Journal of Personality and Social Psychology,
80, 381-396.
Öhman, A., & Mineka, S. (2001). Fears, phobias, and preparedness: Toward an evolved
module of fear and fear learning. Psychological Review, 108, 483-522.
Posner, M. I. (1980). Orientation of attention. Quarterly Journal of Experimental
Psychology, 32A, 3-25.
Sacco, D. F., & Hugenberg, K. (2009). The look of fear and anger: Facial maturity
modulates recognition of fearful and angry expressions. Emotion, 9, 39–49.
Spielberger, C. D., Gorsuch, R. L., Lushene, R., Vagg, P. R., & Jacobs, G. A. (1983).
Manual for the State-Trait Anxiety Inventory. Palo Alto, CA: Consulting
Psychologists Press.
34
Van Hooff, J. C., Devue, C., Vieweg, P. E., & Theeuwes, J. (2013). Disgust- and not fear-
evoking images hold our attention. ActaPsychologica, 143 (1), 1-6.
35
6. ANHANG
6.1. ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Gesamtes als Hinweisreiz agierendes Bildmaterial..................................... 20
Abbildung 2: Versuchsanordnung eines validen Durchganges mit Furchtausdruck ......... 22
Abbildung 3: Sakkadische Fehlerraten in aufrechter Bedingung ...................................... 24
36
6.2. CURRICULUM VITAE
Erika Krcal
Adresse: Hütteldorfer Straße 128/2/4, 1140 Wien
Mail: [email protected]
Tel.: 0650 8308975
Geburtsdatum: 26.01.1988
Geburtsort: Stockerau
Staatsbürgerschaft: Österreich
Ausbildung
Seit Oktober 2009 Studium der Psychologie
Universität Wien
2006 – 2009 Ausbildung zur Musicaldarstellerin
Joop van den Ende Academy Hamburg
1998 – 2006 Bundesgymnasium Stockerau mit Matura
Praktika
06/2014 – 10/2014 Kinderpraxis Wien-West
Durchführung und Auswertung psychologisch-diagnostischer Testverfahren, Unterstützung der klinischen Psychologin bei Beratungs- und
Explorationsgesprächen sowie der klinisch-psychologischen Befunderstellung
01/2014 – 03/2014 Management & Personal Partner GmbH
Begleitung, Berurteilung und Berichterstattung von Assessment Centern
37
07/2013 – 10/2013 Sozialmedizinisches Zentrum Ost
Selbstständiges Durchführen von psychologisch-diagnostischen Testverfahren, selbstständige
Moderation psychologischer Gruppensitzungen
Berufstätigkeiten als Werkstudentin
08/2014 – 02/2015 GGL Retail GmbH
Mitarbeiterin im Verkauf
10/2011 – 08/2013 L´Occitane en Provence GmbH
Mitarbeiterin im Verkauf
06/2010 – 10/2010 Praxisgemeinschaft ARTHROS
Ordinationsassistenz für 9 Ärzte und 3
Physiotherapeutinnen
Sonstige Kenntnisse
Absolvierung des Ausbildungskurses “Progressive Muskelentspannung” nach E. Jacobson
MS Office (sehr gut)
Sprachen: Deutsch (Muttersprache)
Englisch (sehr gut in Wort und Schrift)
Französisch (Grundkenntnisse)
Ausbildung zur Visagistin