Krisenkommunikationin Industrieunternehmen
Universität PotsdamPotsdam, 29.01.2009
Dr. Werner Süss, Berlin
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„If you don't manage your issues, your issues will manage you“
„Was das (operative) Management vergeigt, kann die Kommunikation nicht löten“
„Next week there can't be any crisis, my schedule is already full“ (H. Kissinger)
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Wertschöpfung muss in breitem gesellschaftlichen Sinn gesehen werden: Management ist handling of risks (and chances)
Betriebs (asset-) risiko
Markt (Produkt-) risikoKapitalmarkt (Shareholder-)Risiko• investor relations
Regulierungsrisiko • public affairs/lobbying
Motivations (Mitarbeiter)-Risiko • interne Kommunikation
Image-/Reputationsrisiko• PR/Öffentlichkeitsarbeit• Presse
Geschäftsführung
Globalisierung, Deregulierung, Restrukturierung, Mergers Change
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Corporate identity als Ergebnis einer strategisch umgesetzten Corporate visionCorporate Vision• auf Zukunft gerichtetes Selbstbild der Unternehmung→ Ausgangspunkt des unternehmerischen Strategieprozesses→ „Wie wollen wir sein, wie wollen wir gesehen werden“
Unternehmensstrategie• leitet aus der abstrakten Corporate Vision konkrete Unternehmensziele/Maßnahmen ab.• ist Handlungsweg, auf dem das Unternehmen sein Sollbild verwirklichen will
Corporate identity• Ist die strategisch geplante und operativ eingesetzte Selbstdarstellung und
Verhaltensweise eines Unternehmens nach innen und außen auf der Basis einer festgelegten Unternehmensphilosophie, einer langfristigen Unternehmenszielsetzung und eines definieren (Soll-)Images mit dem Willen alle Handelsinstrumente des Unternehmens in einheitlichem Rahmen nach innen und außen zum Ausdruck zu bringen (Birkigt)
• Basiert auf der Art des (eigenen) Verhaltens (Selbstbild) und dem externen Wahrnehmungsbild (Trendbild); hierbei ist Konsistenz notwendig.
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Public Relations: gezielte Gestaltung von Informations- und Kommunikationsprozessen (Regelkreis)
„Öffentlichkeitsarbeit oder Public Relations sind das Management von Informations- und Kommunikationsprozessen zwischen Organisationen einerseits und ihren internen oder externen Umwelten (Teilöffentlichkeiten) andererseits. Funktionen von Public Relations sind Information, Kommunikation, Persuasion, Imagegestaltung, kontinuierlicher Vertrauenserwerb, Konfliktmanagement und das Herstellen von gesellschaftlichem Konsens.“ (Bentele)
Analyse Umfeld(Markt, Wettbewerb)
Analyse (eigene)Leistungsfähigkeit
Formulierungkonkretes Ziel
FormulierungUmsetzungs-
konzept/-Strategie
Projektplanung (Budget,
Ressourcen)
Execution(operative
Umsetzung)
Feedback u.Kontrolle
Gap-AnalysisZiel-Ist
Unternehmens-strategie
(BusinessPlan)
Unternehmenskommunikation als „enabling function“ der unternehmerischen Leistungs-erbringung
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Integrierte Kommunikation: Stakeholder capital management
Corporate citizenship
Mitarbeiter• interne Kommunikation• Change Management
Kapitalmarkt• IR
Politik• Lobbying
Presse• Bilanz PK• Pressemitteilungen
PR/Marketing• Corporate/product brand
Krisen PR
Online PR
SponsoringCorporate visionCorporate identity:
ganzheitliche Kommunikationsstrategie
(issues management)
„Integrierte Kommunikation ist ein Prozess der Analyse, Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle, der darauf ausgerichtet ist, aus den differenzierten Quellen der internen und externen Kommunikation von Unternehmen eine Einheit herzustellen, um ein für die Zielgruppen der Unternehmenskommunikation konsistentes Erscheinungsbild über das Unternehmen zu vermitteln“ (Bruhn 2003)
Stakeholder capital Management: Ermittlung der Werte-/Interessen der Stakeholder und deren Integration (Internalisierung) in den Managementprozess des Unternehmens.
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„Image follows reality“: Konsistenz von Angebot, Leistung und Image
Emotionale Bindung des Kunden
• Erwartungen & Versprechen• Affinität & Bindung
• Zuverlässigkeit• Übertroffene
Erwartungen
• Nutzen/Kosten• Alternativen
Image
Unternehmens-auftritt (PR, Promotion)
ProduktPreis
KontaktService
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Unternehmenserfolg basiert auf betriebswirtschaftlichem und kommunikativem Erfolg
KommunikationsmanagementStrategie - integrierte
Kommunikation -Regelkreis
Stakeholder Images –Unternehmensreputation –
stakeholder capital
UnternehmenmanagementStrategie – business case –
Regelkreis
Markterfolg im Wettbewerb:Steigende Marktanteile/Effizienz/
Profitabilität
Unternehmenmanagement bedient unternehmerische Risiken, Kommunikationsmanagement kommunikative Risiken: Wechselbeziehung wird zunehmend erkannt
Eine corporate vision, eine Gesamtstrategie, ganzheitliches Issues Management
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Aktives Managen von Unternehmens- und Kommunikations-situationen ist gleichermaßen notwendig
Kommunikationsmanagement(Stakeholder Capital Management)
RegelkreisKommunikations-management
Gemeinsame Corporate vision/ Strategieprozess,
gleichgerichtetes Handeln
Unternehmensmanagement
Ziele Kontrolle
Planung
Planung
Ziele Kontrolle
Ausführung
Ausführung
RegelkreisUnternehmens-management
Change Management: Schlüsselbegriff Vertrauen
Veränderung
Angst
Unverständnis
Unsicherheit
Resignation
Abwehr
Vertrauen
Akzeptanz
Identifikation
„buy in“
• Information• Komplexitätsreduktion• Verhaltens-/Einstellungsänderung (Motivation)
Vertrauen als „riskante Vorleistung“
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Online-Kommunikation/Web 2.0 erzwingt neue Kommunikationsmodelle
Social Web/Web 2.0 als Gesamtheit aller offenen, interaktiven und partizipativen Plattformen im Internet:1. Publizieren/Darstellen: Weblogs, Podcasts, Videocasts2. Wissensmanagement: Wikis, social bookmarking, tagging3. Informationsverbreitung: RSS (Really Simple Syndication)4. Vernetzen: Social Networking Plattforms
Web 1.0 → Web 2.0: passiv betrachtend → aktiv partizipierend1. Traditionelles senderzentriertes Kommunikationsverständnis wird abgelöst durch „user
generated content“: Kontrollverlust2. Gleichzeitig neue Chancen durch
- fokussierte Kundenansprache (zielgerichtetes Marketing, Segmentierung, Nachfolgbarkeit)
- open innovation („gemeinsame“ Wissensgenerierung: Produktentwicklung als gemeinsamer Lösungsprozess zwischen Unternehmen und Stakeholdern)
- Aufbau von Netzwerken/social networking- Glaubwürdigkeit/Authentizität
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Krisenkommunikation: Restore Trust
• Wertvernichtung/Imageschädigung nicht nur durch Fakten verursacht, sondern auch in erheblichem Maße durch Darstellung von Problemen in der Öffentlichkeit und den daraus resultierenden Meinungen
• Ziel von Krisenmanagement/Krisenkommunikation: Rückgewinn von Glaubwürdigkeit. Vertrauen durch Sach- und emotionale Botschaften
„Es ist nicht so sehr die Tatsachen, die in unserem Sozialleben entscheidend sind, sondern Meinungen der Menschen über die Tatsachen, ja die Meinungen
über die Meinungen.“ (Epiktet, ca. 100 n. Chr.).
Krisenmanagement („Krisensteuerrad“):1) Aufklärung des Sachverhalts2) Botschaften setzen (Inhalt und Tonalität)3) Krisenstab: organisatorische Verantwortlichkeiten4) Folgemaßnahmen: Beseitigung der Defizite aus Krise/Restore Trust
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Krisenkommunikation: Krisentypen, KrisenverlaufErtragskrise• schleichend, sich verstärkend• strategische Krise → Erfolgskrise →
Liquiditätskrise
Plötzliche Unternehmenskrise• eruptiv-plötzlich• sofort operativ wirkende Krise mit
Konsequenzen für Strategie/Ertrag
Zeit
Öffentliches Interesse
schlechtesKrisenmanagement
gutesKrisenmanagement
Zeit
Öffentliches Interesse
schlechtesKrisenmanagement
gutesKrisenmanagement
Sachebene und emotionale Ebene im Krisenverlauf
t
Sachebene
Emotionale Ebene
vor Krise Krisenmanagement Recovery
Krise
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Krise: Risiko und Chance („Krise als produktiver Zustand“)
Information• Zu Krisenbeginn Sachverhalte nicht
bekannt/unklar• Schnelle „Lufthoheit“ bei
Information zwingend: wo Informationen fehlen, dominieren Gerüchte
• Akzeptanz der Rolle der Medien (Information/Aufklärung)
Kommunikation• Betroffenheit bei Stakeholdern →
Bewertungen stärker als Fakten →soziale Kommunikation/Interaktion
• Negative Einstellung gegenüber Unternehmen prägt subjektive Norm, führt zu sozialer Verhaltenskontrolle
• Eigenbild/Fremdbild• Einfühlungsvermögen des Unter-
nehmens• Vertrauen
Krise
Be sensitive, be prepared, know your risks
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Krisenvermeidung als Ziel
Issue-management
⇒ Entdecken + Aufklären
Risiko-Management
⇒ Bewerten + Vermeiden Krisen-Management
⇒ Bewältigen + Lösen
Krise
Wissensmanagement+
Change Management (Eigen-/Frembild, Krisen-Sensibilität)⇒ Verbessern + Vorsorgen
PräventionVor dem Kriseneintritt
ReaktionNach dem Kriseneintritt
„Reputations-Puffer“
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Case Study: Vattenfall
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Akutkrise und Dauerthemen - Komplexe Ausgangslage
• Krisenanlass: Doppelfehler in Kommunikation bei– Störungen in Kernkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel– Strompreiserhöhungen in Hamburg und Berlin
Verlust an öffentlichem Ansehen und GlaubwürdigkeitKundenverluste Mai-August 2007
• Strittige Dauerthemen: Widerstände gegen Kernprojekte– Fortsetzung Nutzung und Laufzeitenübertragung Kernkraftwerke– Neubau Steinkohlekraftwerk Moorburg (Hamburg)– Braunkohle Lausitz (Brandenburg)– Bau Netztrassen in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern
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28.06.2007: Zwei Ereignisse „INES 0“
Sensibles Thema Kernkraft – politisch/gesellschaftlich instabil konnotiertVorfälle: Technisch beherrscht, kommunikativ nicht im Griff behalten
KrümmelBrunsbüttel
15:02 Uhr: Reaktorschnellabschaltungdurch Brand in einem der beiden Transformatoren,die sich außerhalb des Reaktorgebäudesbefinden. Ursache des Brandes war einKurzschluss in diesem Transformator.
13:10 Uhr: Auslösung eineskraftwerksnahen Kurzschlusses infolge vonInstandsetzungsarbeiten an E.ON Schaltanlage,13:22 Uhr Turbinenschnellabschaltung im KKB mitanschließender Reaktorschnellabschaltung.
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Medienecho: Juli 2007 – Kein Monat wie jeder andere
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Krisenbewältigung: Handeln bestimmt Medienecho
10 16 23 30 1 6 13 20 27 1 3 10 17190
500
1.000
1.500
2.000
2.500
3.000Zahl der Aussagen
(10.07.-19.09., tägliche Ergebnisse)
Entlassung KK-Chef/ Rücktritt Komm.chef
Rücktritt VE-Chef Rauscher
Interview CEO Josefsson
Präsentation KK-Experten-Ausschuss
VE-Hauptversammlung
Ankündigung Vertrauensoffensive VE-Chef Cramer
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 190
100200300400500600700800900
1.000 negativohne eindeutige Wertungpositiv
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„Restore Trust“
Bürgertelefon KKWVorstandsinformation Dialog-Kampagne
• Kommunikationszentrum „Trust Office“• Information Mitarbeiter vor Öffentlichkeit• Dialog mit den Bürgern – Beispiel Kernkraftwerks-Kommunen• Dialog mit Kunden – „Customer office“• Imagekampagne: Kernthema Transparenz
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Lessons learned1. Issues Management: If you do not manage your issues, your issues will manage
you2. Kommunikationsmanagement: gezielte und Strategie-basierte
Gestaltung/Steuerung von Informations- und Kommunikationsprozessen (Regelkreis)
3. Corporate identity als Ergebnis einer strategisch umgesetzten Corporate vision 4. Stakeholder capital management als gleichgewichtige Notwendigkeit für
unternehmerischen Erfolg neben betriebswirtschaftlichem Unternehmens-management
5. Change management permanenter Vorgang als Konsequenz aus zunehmendem Veränderungsdruck in Markt und Unternehmen. Schlüsselbegriff Vertrauen
6. Kommunikativer Kontrollverlust durch Web 2.0 muss überkompensiert werden durch neue Formen partizipativer – und damit noch glaubwürdigerer –Kommunikation
7. Unternehmenskommunikation als „enabling function“ der unternehmerischen Leistungserbringung und Bestandteil strategischer Unternehmensführung. Vorwärtsintegration der Unternehmenskommunikation in operatives Geschäft (Emanzipation). (Zunehmend) Management statt Kreativität als Kern der Berufsidentität von Unternehmenskommunikation.