MASTERARBEIT / MASTER’S THESIS
Titel der Masterarbeit / Title of the Master‘s Thesis
Sushi oder Schnitzel:
Food choice einer japanischen Community in Wien
verfasst von / submitted by
Jacqueline-Marie Vith, BA
angestrebter akademischer Grad / in partial fulfilment of the requirements for the degree of
Master of Arts (MA)
Wien, 2017 / Vienna 2017
Studienkennzahl lt. Studienblatt /
degree programme code as it appears on
the student record sheet:
A 066 843
Studienrichtung lt. Studienblatt /
degree programme as it appears on
the student record sheet:
Masterstudium Japanologie
Betreut von / Supervisor:
ao. Univ.-Prof. Dr. Ingrid Getreuer-Kargl
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Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis .......................................................................................................................................... 4
1. Einleitung ........................................................................................................................................................ 5
2. Methode ........................................................................................................................................................ 13
3. Essen und Kultur ............................................................................................................................................ 18
3.1. Ernährungsentscheidungen ........................................................................................................................ 18
3.2. Essen und Identität ................................................................................................................................... 21
3.3. Esskultur – Zwischen Globalisierung und Sozialisation ............................................................................... 23
3.4. Ernährungsrichtlinien in Japan und Österreich ............................................................................................ 26
4. Gründe für eine bestimmte Lebensmittelwahl .................................................................................................... 30
4.1. Gesundes Essen ........................................................................................................................................ 30
4.2. Ernährungskosten ..................................................................................................................................... 34
4.3. Individuelle Entscheidungsgründe und Menüpläne ...................................................................................... 39
5. Ernährung und Kultur ..................................................................................................................................... 43
5.1. Österreichische Küche und Ernährung ........................................................................................................ 43
5.1.1. Gesundheit oder „Ungesundheit“ der österreichischen Küche ................................................................ 45
5.1.2. Wahrnehmung der beiden Ernährungstrends Vegetarismus und Veganismus ........................................... 48
5.2. Die japanische Küche ............................................................................................................................... 53
5.2.1. Gesundheitsverständnis durch Gemüse in der japanischen Küche ........................................................... 57
5.2.2. Wahrnehmung und Vertrautheit der japanischen Küche......................................................................... 59
5.2.3. Lieblingsspeisen als Kind und „Speisen der Erinnerung“ ....................................................................... 61
6. Food Choice – Zwischen Gesundheit und Identität ............................................................................................ 64
6. 1. Japanisches Essen als japanische Identität? ................................................................................................ 64
6.2. Ernährung und Identität von JapanerInnen in Wien ..................................................................................... 66
7. Conclusio ....................................................................................................................................................... 70
Literaturverzeichnis ............................................................................................................................................ 74
Kurzfassung/Abstract ......................................................................................................................................... 81
Curriculum vitae ................................................................................................................................................ 81
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Japanische Ernährungspyramide: Spinning top, Quelle: http://www.5aday.net/en/
(Stand: 10.08.2016) .......................................................................................................................................................... 27
Abbildung 2:Österreichische Ernährungspyramide, Quelle: Bundesministerium für Gesundheit und Frauen
http://www.bmgf.gv.at/home/Ernaehrungspyramide
(Stand: 12.03.2017) .......................................................................................................................................................... 29
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1. Einleitung
Sushi oder Schnitzel? Auf diese Frage bin ich bereits des Öfteren gestoßen, als ich mit japanischen
FreundInnen in Wien essen gehen wollte. Nicht allzu selten konnte ich dabei feststellen, dass die
Entscheidung nicht immer leicht gefallen ist. Einerseits wollten meine japanischen FreundInnen
österreichische Speisen ausprobieren, andererseits entschieden sie sich oft gerne für vertraute
Speisen, die sie auch aus ihrer Heimat kannten bzw. gewohnt waren. Auch wenn wir zusammen
gekocht haben, war meist die Misosuppe ein wichtiger Bestandteil jedes Essens, ob es sich nun um
Gulasch oder japanisches Curry handelte. Dies war für mich deshalb so interessant, weil ich diesen
Hang zu japanischen Speisen ausschließlich in Wien beobachten konnte. Bei meinen zahlreichen
Japanaufenthalten entschieden sich meine japanischen Bekannten nur selten dafür, mich in ein
„typisch“ japanisches Restaurant auszuführen, in dem noch authentisches washoku serviert wurde,
sondern führten mich meist in europäisch oder amerikanisch angehauchte Cafés oder
Hamburgerrestaurants. Natürlich ist dabei der Preisfaktor nicht ganz auszugrenzen, denn
bekanntlich ist es nicht billig, heutzutage in Japan traditionelle Speisen zu essen. Obwohl ich die
Erfahrung gemacht habe, dass bei meinen japanischen FreundInnen und ProbandInnen das
italienische Essen so beliebt ist, zählt dieses doch beispielsweise noch zu den teureren Speisen in
Japan. Trotzdem ist es noch immer billiger italienisch anstelle von washoku zu essen. Für mich
stellte sich aus diesen Erfahrungen also die Frage, warum es in Japan so beliebt ist, ausländisch zu
essen, während im Ausland eher direkt wieder auf japanische Gerichte zurückgegriffen wird. Aus
diesen einfachen Erkenntnissen entstand schließlich ein großes Interesse für die tägliche Ernährung
und dabei vor allem für die Gründe einer solchen, von in Wien lebenden JapanerInnen und somit
das Thema für die vorliegende Masterarbeit.
Diese beschäftigt sich mit der Lebensmittelwahl und dem Ernährungsverhalten von in Wien
lebenden JapanerInnen. Daraus ergibt sich auch die folgende Fragestellung: Wie sieht die tägliche
Ernährung von in Wien lebenden JapanerInnen aus? Aus diesem Erkenntnisinteresse ergeben sich
ebenfalls folgende Unterfragen: Was sind die wichtigsten Motive für die Wahl bestimmter
Lebensmittel und Speisen? Welche Aspekte sind von Bedeutung beim Kauf dieser? Wie werden
aktuelle Ernährungstrends wie z. B. Vegetarismus und Veganismus wahrgenommen?
Aus der obigen Fragestellung lässt sich auch das Ziel dieser Arbeit definieren. Sie strebt an,
einen Überblick über die tägliche Ernährung von in Wien lebenden JapanerInnen zu geben, und
diese bestimmte Ernährungsweise in kulturelle Zusammenhänge zu bringen. So soll u.a. auch
aufgezeigt werden, welchen Stellenwert die japanische bzw. die österreichische Küche einnehmen,
und wie diese beiden sowohl in Hinsicht auf ernährungswissenschaftliche Aspekte wie Gesundheit
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als auch auf kulturelle Aspekte wie Identität wahrgenommen werden. Als Ausgangspunkt für diese
jeweiligen Aspekte soll das Gesundheitsverständnis der ProbandInnen selbst sowie die
Ernährungsrichtlinien der beiden beobachteten Länder Japan und Österreich herangezogen werden.
Was die Kultur betrifft, so soll vor allem die österreichische Esskultur mit jener der japanischen
Esskultur verbunden und analysiert werden, um so auf Gleichheiten und Differenzen zu stoßen.
Aus den Fragestellungen, der bestehenden Literatur sowie meinen eigenen Erfahrungen
sowohl in Japan als auch mit JapanerInnen in Wien, ergeben sich außerdem zwei Annahmen, die in
Bezug auf die tägliche Ernährung von in Wien lebenden JapanerInnen gelten könnten. Mein erster
Gedanke, als ich angefangen habe mich mit japanischer Ernährung und Esskultur
auseinanderzusetzen, war dabei wie folgt: Die in Wien lebenden JapanerInnen werden in ihrer
Lebensmittelwahl nicht nur auf japanische Speisen zurückgreifen, sondern auch gegenüber der
österreichischen Küche sehr offen sein und sind gerne bereit Neues zu probieren. Diese Idee stützt
sich neben langjährigen persönlichen Erfahrungen mit JapanerInnen in Wien auch auf die
Forschung von u. a. Irith Freedman, die in ihrer ethnografischen Forschung zu den kulturellen
Eigenheiten als Entscheidungsgründe für ein gewisses food choice bei JapanerInnen in Japan angibt,
dass die JapanerInnen, die sie getroffen habe, immer gerne bereit waren ausländische Speisen zu
probieren und es sogar Teil der japanischen Erziehung sei, offen, und wie Freedman es beschreibt,
abenteuerlustig für neue Speisen zu sein (Freedmann 2016:141,142). Ich selbst konnte diese
Erfahrung auch mit einer meiner langjährigen japanischen Freundinnen in Wien, die sich auch
bereit erklärt hat mir als Probandin für diese Arbeit zur Verfügung zu stehen, machen als ich ihr
vorschlug zusammen abwechselnd japanische und österreichische, bzw. europäische Gerichte zu
kochen. Besonders Käsespätzle, aber auch verschiedene andere europäische Gerichte, waren neu für
sie, wurden jedoch gerne probiert. Dieses Beispiel war ein Beispiel, welches sich sehr gut in meine
Studien in Wien einfügen lässt, jedoch habe ich ähnliche Erfahrungen auch in Japan selbst gemacht,
etwa als ich meiner japanischen Gastfamilie vorschlug, mit ihnen Pellkartoffeln (gekochte
Kartoffeln mit Schale) zu kochen. Diese werden in Österreich meist als Mittag- bzw. Abendessen
zubereitet, während meine japanische Gastfamilie jedoch darauf bestand, diese bereits zum
Frühstück zu essen. Dieser Faktor ist auch essenziell, wenn die Akzeptanz von gewissen Speisen
und für welche Tageszeit diese gilt, bedacht wird. In der vorliegenden Arbeit soll deshalb
untersucht werden, in welchem Ausmaß eine Offenheit für neue Speisen bei in Wien lebenden
JapanerInnen besteht und in welchem Maße diese Offenheit auch tatsächlich ausgelebt, sprich
verschiedene neue Speisen probiert usw., wird.
Die zweite Annahme, die sich für mich genauso aus sowohl der Literatur als auch aus
privaten Erfahrungen ergab, ist die Folgende: Die derzeit in Österreich lebenden JapanerInnen
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werden, falls sie strenge Grundregeln für ihre tägliche Ernährung befolgen, den Gesundheitsfaktor
von Speisen und Lebensmitteln hoch schätzen. J. Prescott et al. führten etwa eine vergleichende
Studie über die Motive für food choice von KonsumentInnen in Japan, Taiwan, Malaysia und
Neuseeland durch und kamen dabei zu der Erkenntnis, dass für JapanerInnen der Gesundheitsfaktor
an dritter Stelle lag und damit als sehr wichtig eingeschätzt werden konnte. Die beiden Faktoren,
die laut Prescott noch bedeutsamer als derjenige der Gesundheit waren, waren der Preisfaktor,
welcher auch in meiner Arbeit an erster Stelle steht, sowie derjenige Faktor der naturbelassenen
Produktion und Verarbeitung von Lebensmitteln (Prescott et al. 2002:492). Außerdem wurde die
japanische Ernährungspyramide u. a. auch dafür vom Ministerium für Bildung, Kultur, Sport,
Wissenschaft und Technologie, dem Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales sowie dem
Ministerium für Landwirtschaft, Forsten und Fischerei angelegt, um die Gesundheit der Landsleute
zu erhöhen sowie für eine gesunde Ernährung zu werben (Yoshiike et al. 2007:149).
Hierbei muss jedoch gesagt werden, dass dieser Gedanke eines hohen
Gesundheitsbewusstseins der JapanerInnen nur für diejenigen, die derzeit in Wien leben, gilt. Denn
durch meine persönlichen Erfahrungen in Japan, konnte ich immer wieder beobachten, dass der
Gesundheitsfaktor bei Privatpersonen keinen allzu wichtigen Stellenwert in der täglichen Ernährung
einnimmt. So machte ich beispielsweise die Erfahrung, als ich mit einer japanischen Gastfamilie
zusammenwohnte, dass es für die Mutter des Hauses kein Problem war, ihren Kindern anstelle eines
selbst gekochten Gerichts lediglich schnelle Speisen wie insutanto rāmen usw. zuzubereiten. In
öffentlichen Institutionen wie z.B. an der Universität Ōsaka, an der ich auch mein Auslandsjahr
verbracht habe, konnte ich jedoch durch Poster und Flyer usw. die allgemeinen Bemühungen der
japanischen Regierung erkennen, ihren Landsleuten wieder gesundes Essen näherzubringen. Die
beiden Beispiele, die mir dabei noch sehr gut in Erinnerung sind, sind einerseits die der japanischen
Ernährungspyramide, von der ein Poster direkt in der Mensa der Universität hing, andererseits ein
Plakat, ebenfalls beim Eingang der Mensa, welches auf die Bedeutsamkeit eines reichlichen
Frühstücks hinweisen sollte. Dies brachte mich zum Nachdenken, ob die Gesundheit im heutigen
Japan von sowohl StudentInnen als auch Hausfrauen usw. wirklich noch so hoch geschätzt wird.
Andererseits war, wie bereits erwähnt, bei meinen japanischen Bekannten in Wien dieser
Gesundheitsfaktor schon immer gut erkennbar. So wurde meist zu jedem Gericht Misosuppe
zubereitet und, wenn einmal auf schnelle und leicht zuzubereitende Speisen zurückgegriffen wurde,
dann eher in der Form von japanischem Curry mit Gemüse, welches wiederum aufgrund des
Gemüses als gesund erachtet wurde.
Die vorliegende Masterarbeit fällt in den übergeordneten Themenbereich des sogenannten
food choice, die bewusste Wahl für bestimmte Lebensmittel und Speisen. Dieses ist nur eines der
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schier unendlich wirkenden Themengebiete, mit denen sich Forschungen zum Thema Essen und
Ernährung verschiedenster Disziplinen beschäftigen können. Da meine Arbeit eindeutig in einen
soziologisch, japanologischen Rahmen fällt, ist auch die Relevanz in diese Forschungsgebiete
einzuordnen. Diese Arbeit versucht daher, an die bereits bestehenden Forschungen zu food choice
von Personen im eigenen Land anzuschließen und sich mit der Wahl von Lebensmitteln und
Speisen von einer japanischen Minderheit in Wien im Genaueren zu befassen.
Obwohl die wissenschaftliche Erforschung zum Thema food choice bereits eine
jahrzehntelange Geschichte aufweisen kann, ist deutlich zu erkennen, dass diese Thematik in der
Japanforschung in der letzten Dekade stetig an Bedeutung gewonnen hat. Auch in den
Ernährungswissenschaften, in der Soziologie, in der Sozialanthropologie, in der Ethnologie, in der
Psychologie usw. ist das Thema food choice in den letzten Jahrzehnten bedeutsam geworden.
Die für diese Arbeit relevanten Werke sind einerseits jene, die sich mit dem Thema Essen
und food choice im Allgemeinen beschäftigen, andererseits jene, die auch einen japanologischen
bzw. japanorientierten Bezug auf das Ernährungsverhalten bestimmter Personen und
Personengruppen, vor allem der JapanerInnen selbst, nehmen.
Als eines der Grundwerke zum größeren Thema der food studies, in welches auch die
Forschungen zu food choice fallen, kann sicher Food: The key concepts, vom Amerikanologen
Warren Belasco aus dem Jahre 2008, bezeichnet werden. Dieses Werk ist eigentlich für den
Unterricht an Universitäten gedacht und sollte die LeserInnen zum Nachdenken über die
verschiedensten Thematiken und Probleme, die durch die Esskultur entstehen, anregen. Dieses
Werk ist für diese Arbeit auch von großer Bedeutung, da Belasco ein eigenes Kapitel der Identität
und der damit verbundenen Essenswahl widmet. Darin kommt er zu dem Fazit, dass die Identität
sehr wohl eine große Rolle für die bestimmte Wahl von Lebensmitteln spielt, jedoch auch das
Gegenteil der Fall sein könnte, dass z.B. gerade Minderheiten nicht immer nur auf die Esskultur
ihres Heimatlandes beschränkt bleiben möchten (vgl. Belasco 2008). Ich verwende dieses Werk
auch deshalb, um auf wichtige Hintergründe einer japanischen Identität und der damit verbundenen
Lebensmittelwahl schließen zu können.
Wenn food choice aus einem psychologischen Blickwinkel betrachtet werden sollte, gilt das
Werk The psychology of food choice aus dem Jahre 2006, welches von Richard Shepherd und
Monique Raats herausgegeben wurde, als Standardwerk. Dieses beschreibt in Artikeln
verschiedenster ForscherInnen die psychologischen Hintergründe für eine bestimmte
Lebensmittelwahl. Auch in der vorliegenden Arbeit wird diesen Aufmerksamkeit geschenkt, v.a.,
wenn es darum geht, wie die Identität bzw. die Gewohnheit eine bestimmte Wahl für Lebensmittel
und Speisen beeinflusst. Auch dieses Werk ist daher sehr aufschlussreich für meine Arbeit um den
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Identitätsaspekt abzudecken (vgl. Shepherd und Raats 2006).
Gerade dann, wenn es um das Ernährungsverhalten und die daraus entstehende gemeinsame
Identität eines Landes geht, darf der Aspekt des kulturellen Erbes nicht unterschätzt werden. Ein
wichtiges Werk, welches jenen Gesichtspunkt näher zu analysieren versucht, ist Edible identities:
Food as cultural heritage, aus dem Fachbereich der Ethnologie, welches im Jahre 2014 von Ronda
L. Brulotte und Michael A. di Giovine herausgegeben wurde (vgl. Brulotte und Di Giovine 2014).
Dieses Werk ist zusätzlich bedeutsam für die Japanforschung, da ein Kapitel auch dem Gemüse in
Kyōto als kulturellem Erbe gewidmet ist (vgl. De St. Maurice 2014). Die anderen Kapitel
beschreiben ebenfalls anhand von verschiedensten Speisen, die heutzutage eine kulturelle
Bedeutung haben, wie Essen bzw. gewisse Speisen zu Kulturerbguten von Ländern und Völkern
werden können (vgl. Brulotte und Di Giovine 2014). Dieses Werk habe ich herangezogen, um
eventuelle geografische Präferenzen in sowohl Japan als auch Österreich näher zu analysieren.
Ebenfalls in diese Kategorie der ethnologischen Forschung über Essverhalten und Identität
kann der im Jahre 1997 erschienene Sammelband Food and culture: A reader, welcher von Carole
Counihan und Penny van Esterik herausgegeben wurde, gezählt werden, der im Besonderen noch
den Einfluss von Essen als kulturellem Gut näher beschreibt (vgl. Counihan und Van Esterik 1997).
Von besonderer Bedeutsamkeit ist hier vor allem die Beschreibung einer Bildung von Identität in
Japan im Kindesalter von Anne Allison, die dies anhand der japanischen obentō macht (vgl. Allison
1997). Dieser Artikel ist in jenem Sinne bedeutsam für meine Arbeit, da das obentō auch für meine
ProbandInnen eine wichtige Rolle spielt bzw. in ihrer Kindheit spielte.
Die vorhergegangenen Werke waren v.a. Werke, die sich mit food choice an sich bzw. food
choice oder Essen als kulturellem Erbgut bzw. als identitätsbildendem Werkzeug beschäftigt haben.
Jedoch befasst sich diese Arbeit mit der Wahl für gewisse Lebensmittel und Speisen, weshalb auch
die Literatur zur japanischen Esskultur nicht zu kurz kommen darf und den eigentlichen Mittelpunkt
meiner Forschungen bildet.
Der Forschungsstand zur Ernährung und Esskultur in Japan besteht fast zur Gänze aus
Monografien und wissenschaftlichen Artikeln, die erst in den 2000er Jahren erschienen sind. Die
Forschung zu Esskultur in Japan stellt somit eine relativ junge Forschungsdisziplin dar. So auch:
The essence of Japanese cuisine: An essay on food and culture, aus dem Jahre 2000. In dem
Michael Ashkenazi und Jeanne Jacob die japanische Esskultur auf historischer, soziologischer und
ökonomischer Ebene ausforschen und genauer erläutern. Die wissenschaftlichen Analysepassagen
werden dabei mit den eigenen Erfahrungen der Autorin und des Autors genauer veranschaulicht.
Diese teilnehmende Beobachtung führt dazu, dass die japanische Art der Nahrungsmittelaufnahme
nicht nur aus ernährungstechnischer Sicht wahrgenommen wird, sondern auch auf
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sozioökonomische Zusammenhänge, die sich mit dem Konsum von Essen ergeben, geschlossen
werden kann (vgl. Ashkenazi und Jacob 2000). Ähnlich dazu habe ich auch versucht meine Arbeit
aufzubauen, indem ich nicht nur auf theoretische Beispiele oder Auszüge aus meinen Interviews
eingehe, sondern diese auch mit meinen persönlichen Erfahrungen abrunde.
Da Ashkenazi und Jacob als zwei der bedeutsamsten JapanforscherInnen in der Disziplin
Ernährung und japanische Esskultur gezählt werden können, ist es nicht verwunderlich, dass sie in
ihrem nachfolgenden Werk Food culture in Japan, aus dem Jahre 2003, die Zusammenhänge
zwischen den japanischen Grundnahrungsmitteln und der daraus entstandenen Ernährungsweise
noch einmal genauer analysieren. Deshalb kann dieses Werk durchaus als wichtig für das
Verständnis der japanischen Esskultur angesehen werden, da es erst einmal genauer erklärt, welche
Lebensmittel überhaupt in Japan, aufgrund der geografischen sowie klimatischen Verhältnisse,
wachsen bzw. angebaut werden können. Dies ist meiner Ansicht nach sehr bedeutend, um dem/r
LeserIn eine genauere Einführung in die Grundnahrungsmittel Japans zu geben. Ihre Analyse der
japanischen Lebensmittel und deren Ursprünge lassen deshalb sowohl auf kulturelle sowie
historische Vorbedingungen schließen (vgl. Ashkenazi und Jacob 2003). Diese beiden Werke von
Ashkenazi und Jacob wurden von mir als zwei der ersten Werke zur japanischen Esskultur
herangezogen, um mir einen wissenschaftlichen Überblick zur Thematik zu verschaffen.
Während Ashkenazi und Jacob direkt auf Lebensmittel im physischen Sinn und den Anbau
und Verzehr dieser eingegangen sind, macht Katarzyna J. Cwiertka dies eher in einem abstrakteren
Sinne. In ihrer 2006 veröffentlichten Monografie Modern Japanese cuisine: food, power and
national identity, leistet sie deshalb u.a. einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der japanischen
Esskultur in historischer, soziologischer und kultureller Hinsicht. Sie analysiert dabei die
Veränderungen sowie deren Auswirkungen der japanischen Küche vom 19. Jahrhundert bis in die
frühen 2000er Jahre. Ihre Analyse bezieht sich dabei nicht nur auf eine breite kulturelle Masse,
sondern vielmehr auf den Einfluss, die sie für die allgemeine japanische Bevölkerung darstellte bzw.
noch immer darstellt (vgl. Cwiertka 2006). Dieses Werk wird von mir u.a. auch dafür herangezogen,
um auf die Einflüsse von Esskulturen verschiedener Länder, dabei v.a. China und Korea, auf eine
japanische Esskultur schließen zu können. Ich möchte damit u.a. aufzeigen, inwieweit es eine rein
„japanische“ Ernährungskultur gibt, im Gegensatz zu einer japanischen Ernährungsweise, die auch
durch die Nachbarstaaten oder auch durch andere Länder geprägt wurde.
Während die Werke von Jacob und Ashkenazi sowie von Cwiertka sich direkt mit einigen
Aspekten wie z.B. den historischen Einflüssen von Essen oder den geografischen Bedingungen für
den Anbau von z.B. Reis oder anderem Getreide befasst haben, befasst sich der Sammelband
Japanese foodways, past, and present, von Eric C. Rath und Stephanie Assmann, welcher im Jahre
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2010 herausgegeben wurde, mit den verschiedensten Aspekten der japanischen Ernährungs- bzw.
Esskultur von der japanischen Frühmoderne bis zur heutigen Zeit. Das Werk besteht dabei aus
einzelnen Artikeln, die jeweils andere Forschungsschwerpunkte, wie z.B. die Bedeutung von
Lebensmittelanbau für ländliche Communities oder auch die Erfahrungen eines jungen Amerikaners,
der sich entschloss, in Japan einer Beschäftigung als Koch nachzugehen, haben. Die Artikel gehen
dabei, neben einer historischen Veranschaulichung u.a. auch auf Probleme der
Lebensmittelindustrie und die daraus resultierenden Folgen und Umstrukturierungen in der
japanischen Gesellschaft ein (vgl. Rath und Assmann 2010).
In meiner Arbeit spielen jedoch nicht nur die soziologischen und historischen Hintergründe
zum Essverhalten in Japan eine bedeutende Rolle, sondern ich beschäftige mich auch mit der Frage,
inwieweit eine bestimmte Ernährung maßgebend für die Entwicklung einer Identität von Individuen
ist. Ein Werk, das ich dafür herangezogen habe, ist Rice as self: Japanese identity through time,
welches von der Anthropologin Emiko Ohnuki-Tierney verfasst wurde und im Jahre 1993 erschien,
in dem die Identitätsbildung der japanischen Gesellschaft anhand der Geschichte und Bedeutung
von Reis in Japan dargestellt wird. Der Schwerpunkt der Forschungen von Ohnuki-Tierney liegt auf
der symbolischen Bedeutung von Artefakten, Speisen, Pflanzen usw. in der japanischen Kultur und
deren Geschichte. In ihrem Werk analysiert sie folgend die Bedeutung von Reis in Japan in sowohl
symbolischer als auch materieller Hinsicht. Sie arbeitet sich dabei von den Anfängen der
japanischen Mythologie bis zur heutigen Zeit vor und vergleicht dabei auch die Rolle des
japanischen Reis im Gegensatz zu Reis aus anderen asiatischen Ländern (vgl. Ohnuki-Tierney
1993). Dieses Werk gilt für mich als Grundstock zu meinen Kapiteln über eine gemeinsame
Identität der JapanerInnen.
Wie bereits erwähnt, konnte ich in Japan sehr große Bemühungen der öffentlichen Seite
erkennen, um die japanische Ernährungsweise gesünder zu gestalten. Ein Artikel, der mir sehr
geholfen hat diese Anstrengungen theoretisch zu verdeutlichen, ist „A new food guide in Japan: The
Japanese food guide spinning top“, der 2007 erschienen ist und u.a. von Nobuo Yoshiike verfasst
wurde. Dieser Artikel definiert die Grundlagen der japanischen Ernährungsempfehlungen genauer.
So wird ausschließlich die japanische Ernährungspyramide, die von den japanischen Ministerien für
Gesundheit, Arbeit und Soziales sowie Landwirtschaft, Forsten und Fischerei herausgegeben wurde,
beschrieben und deren Vorteile für die japanischen KonsumentInnen aufgezählt (vgl. Yoshiike et al.
2007). Dieser Artikel wurde für meine Arbeit v.a. deshalb herangezogen, um einen Überblick über
die Normen einer japanischen Ernährung zu erhalten.
Da mein großes Forschungsinteresse dem sogenannten food choice gilt, habe ich zu Beginn
meiner Forschungen auch Artikel herangezogen, die sich nicht nur mit Japan beschäftigen, sondern
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Japan auch in einen größeren Kontext stellen. Ein Artikel, der mir u.a. sehr dabei geholfen hat ein
Grundverständnis zu den Entscheidungsgründen für bestimmte Lebensmittel oder Speisen der
JapanerInnen zu geben war, wie bereits erwähnt, der im Jahre 2002, von John Prescott et al.
verfasste, Artikel „Motives for food choice: A comparison of consumers from Japan, Taiwan,
Malaysia and New Zealand“. Dieser gibt Aufschluss über eine bewusste Entscheidung für
bestimmte Lebensmittel von BewohnerInnen verschiedenster Länder. Das Fazit dieses Artikels
lautete im Falle Japans, dass der Preis das wichtigste Entscheidungsmerkmal für die
KonsumentInnen darstellt, gefolgt von der Natürlichkeit der Lebensmittel und dem, auch für diese
Arbeit sehr wichtigen, Aspekt der Gesundheit des Essens. Die Studie von Prescott wurde ebenfalls
als quantitative Studie durchgeführt, wobei der Bedarf an Folgestudien auch erwähnt wird (vgl.
Prescott et al. 2002). In diesem Artikel wurden aktiv Studien zu food choice durchgeführt, weshalb
sie für die vorliegende Arbeit auch vorbildlich waren und u.a. von mir für die Vorbereitung meiner
Interviews genutzt wurde.
Nachdem nun der Forschungsstand erläutert wurde, soll in den nächsten Absätzen genauer
auf den Aufbau dieser Arbeit eingegangen werden.
Das Kapitel der Methoden soll näher auf die Theorie zu qualitativer Forschung, v.a.
Interviews, eingehen. Um das Ziel dieser Arbeit zu erreichen, habe ich diese Form der Forschung
gewählt, da qualitative Interviews nicht nur mein Erkenntnisinteresse zur täglichen
Ernährungsweise der JapanerInnen in Wien beantworten können, sondern auch auf weitere sich im
Gespräch ergebende Themen eingegangen werden konnte, die für noch mehr Klarheit bei den
jeweiligen Entscheidungsmotiven sorgten.
Im folgenden Kapitel, das sich größtenteils mit dem theoretischen Rahmen dieser Arbeit
beschäftigt, soll u.a. näher auf die vier Unterpunkte food choice, Ernährungsrichtlinien,
Sozialisation und Globalisierung sowie Identität eingegangen werden. Die Thematik der Ernährung
wird interdisziplinär erforscht und hat Relevanz in zahlreichen Fachbereichen, u.a. in den
Ernährungswissenschaften, der Psychologie, der Medizin, aber auch in der Soziologie und der
Kultur- und Sozialanthropologie spielt Essen bzw. die Art und Weise wie Nahrung zu sich
genommen wird eine bedeutende Rolle. Ich möchte mich in diesem Theoriekapitel deshalb
besonders auf die zwei Disziplinen der Soziologie und der Kultur- und Sozialanthropologie stützen
und nur in kleinen Teilen auch auf andere Fachgebiete eingehen.
Im vierten Kapitel soll konkret auf die Ernährungsweise von in Wien lebenden JapanerInnen
eingegangen werden. Da sich in meinen qualitativen Interviews gezeigt hat, dass die wichtigsten
Entscheidungsgründe für die Wahl von bestimmten Lebensmitteln und Speisen die beiden Aspekte
Gesundheit und Preis sind, werde ich diesen beiden Faktoren jeweils ein eigenes Unterkapitel
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widmen und genauer auf konkrete Beispiele sowie Assoziationen eingehen. Da ich jedoch auch
sonstige Entscheidungsgründe als wichtig erachte, werde ich in einem Unterkapitel auch auf diese
individuellen Gründe für eine bestimmte Lebensmittelwahl eingehen. Im letzten Unterkapitel
möchte ich des Weiteren zur besseren Veranschaulichung noch die konkreten Menüpläne der
befragten JapanerInnen analysieren.
Das fünfte Kapitel dieser Arbeit soll sich dann mit den genaueren Unterschieden in der
Wahrnehmung der österreichischen und japanischen Küche beschäftigen. Dabei sollen u.a. die
Punkte Gesundheit sowie Identität angesprochen werden.
Im abschließenden sechsten Kapitel sollen diese beiden Unterpunkte, Gesundheit und
Identität, noch einmal aufgegriffen werden und anhand ihrer soll ein Fazit über das
Ernährungsverhalten von in Wien lebenden JapanerInnen gezogen werden.
2. Methode
Um das Ziel der vorliegenden Arbeit, die Ernährungsgewohnheiten der in Wien lebenden
JapanerInnen vorzustellen und dadurch auf kulturelle Zusammenhänge schließen zu können, zu
erreichen, wurden qualitative Interviews als Methode ausgewählt. Diese Methode soll, im
Gegenzug zu einer quantitativen Vorgehensweise, einerseits genauere Einblicke in die tägliche
Ernährung der JapanerInnen in Wien liefern und andererseits auch Zusatzbeobachtungen bei den
Gesprächen erlauben.
Als Ausgangspunkt wurde vor allem das Überblickswerk Qualitative Sozialforschung: Eine
Einführung von Uwe Flick herangezogen. Dieser Sammelband beschäftigt sich mit den
verschiedensten Aspekten bei der qualitativen Forschung und stellt außerdem zahlreiche Techniken
und Methoden vor (vgl. Flick 2002). Für diese Arbeit bedeutend sind dabei besonders das
Unterkapitel „Qualitative Interviews – Ein Überblick“, welches von Christel Hopf verfasst wurde,
sowie „Interviewen als Tätigkeit“ von Harry Hermanns, die bei den ersten Überlegungen der
Vorbereitung der Interviews behilflich waren (vgl. Hopf 2002 und Hermanns 2002).
Für meine Interviews habe ich, wie bereits erwähnt, die Form von qualitativen Interviews
gewählt, da ich neben einzelnen Gründen für eine gewisse Lebensmittel- und Speisenwahl auch die
Erfahrungen und Gedanken, die dahinter stecken, ergründen wollte. Dies zeigte sich auch in meiner
Einstiegsfrage, was die ProbandInnen die letzten drei Tage gegessen hätten und spiegelte sich auch
in den ausgewählten Themengebieten, über die ich mit ihnen gesprochen habe, wider. Insgesamt
konnte ich durch diese Methode viele neue und aufschlussreiche Erkenntnisse gewinnen, die im
Hauptteil dieser Arbeit näher vorgestellt werden sollen.
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Zunächst soll jedoch im folgenden Kapitel näher auf die Thematik des food choice und die
Ernährungsrichtlinien in Japan und Österreich eingegangen werden.
Für die vorliegende Arbeit wurden insgesamt 25 JapanerInnen, die derzeit in Wien leben,
interviewt. Unter ihnen waren 16 Frauen und neun Männer. Die ProbandInnen bestanden einerseits
aus kurzzeitigen AustauschstudentInnen aus Japan, andererseits aus Personen, die schon über einen
längeren Zeitraum hinweg in Wien gelebt haben, dort längerfristig studieren oder arbeiten. Die
einzigen beschränkenden Kriterien bei der Auswahl der Personen waren, dass diese bereits seit
mindestens sechs Monaten in Wien gelebt haben müssen und, dass sie in Japan aufgewachsen und
sozialisiert worden sind. Diese Kriterien wurden deshalb ausgewählt, da angenommen wurde, dass
sich bei kurz- bzw. langfristigen Aufenthalten auch das Ernährungsverhalten ändern würde. Die
ProbandInnen mussten außerdem in Japan aufgewachsen sein, da auch angenommen werden konnte,
dass die Ernährung in der Kindheit eine wichtige Rolle für die Ernährungsgewohnheiten im
Erwachsenenalter spielen würde. Um die Identität der ProbandInnen zu schützen, wurden ihre
Namen anonymisiert und durch andere Namen ausgetauscht. Bei JapanerInnen, die sich nur
kurzfristig, sprich nicht länger als ein Jahr in Wien aufhalten, wurde dabei ein Name beginnend mit
dem Buchstaben „K“ gewählt, während bei Personen, die sich langfristig in Wien aufhalten, ein
Name mit „F“ gewählt wurde. Dies dient einerseits dazu, dem/der LeserIn einen besseren Überblick
zu geben und dadurch für mehr Verständnis zu sorgen, andererseits ist es bedeutsam in der Analyse,
festzustellen, ob sich die Antworten jener ProbandInnen, die länger in Wien leben von jenen, die
nur kurzfristig in Wien leben unterscheiden.
Das Alter der InterviewpartnerInnen lag zwischen 20 und 64 Jahren. Es wurde dabei
bewusst versucht, eine weit gefächerte Personengruppe zu erreichen. Darüber hinaus wurde
absichtlich darauf verzichtet, Personen in Gruppen, sei es nach Alter oder Beruf, einzuteilen. Da die
durchgeführte Studie stärker qualitativ verortet ist, war es wichtig eine hohe Bandbreite an
JapanerInnen in Wien zu befragen. Dabei sollten Verallgemeinerungen ausgeschlossen werden und
sich ähnelnde bzw. stark unterscheidende Antworten analysiert werden. Außerdem war es auch ein
Anliegen, ein sogenanntes Identitätsverständnis in den Antworten der JapanerInnen herauszufiltern,
weshalb es auch von Nöten ist, die Gruppe der kurz- bzw. längerfristig in Wien lebenden
InterviewpartnerInnen genauer zu trennen. Im Nachfolgenden wird eine grobe Einteilung der
ProbandInnen gegeben, um dem/der LeserIn einen genaueren Einblick in die TeilnehmerInnen zu
bieten und damit den Lesefluss bzw. das Verständnis zu erleichtern.
Die Gruppe der japanischen AustauschstudentInnen, die sich vorwiegend an der Japanologie
Wien aufhielt bzw. dort gefunden wurde und nur ein Jahr in Wien bleiben würde, bestand aus einem
männlichen Teilnehmer und sechs Teilnehmerinnen. Sie waren dabei alle im Alter von 20 bis 27
15
Jahren.
Die Gruppe der längerfristig in Wien bleibenden StudentInnen bestand aus insgesamt 12
Personen, davon acht Frauen sowie vier Männer. Sie waren durchschnittlich 20 bis 36 Jahre alt und
lebten ca. fünf bis zehn Jahre in Wien bzw. hatten vor ihr Studium komplett in Wien zu absolvieren
und sich deshalb für eine längere Zeit in Wien aufzuhalten.
Eine Gruppe bestand überdies aus einem Japaner, der schon seit zwei Jahren in Wien als
Angestellter tätig war sowie einem Ehepaar. Diese drei TeilnehmerInnen waren allesamt Ende 30
und hatten kleine Kinder, was auch im Gespräch mit ihnen sehr interessant war. Das Ehepaar wurde
außerdem gemeinsam interviewt, wobei noch stärkere Einblicke genommen werden konnten.
Die letzte Gruppe bestand aus zwei Frauen Mitte 50 bzw. Mitte 60, die in Wien angestellt
bzw. selbstständig sind sowie zwei älteren Herren, die beide 64 Jahre alt und im Bildungsbereich
tätig sind. In dieser Gruppe befanden sich auch die Personen, die schon am längsten in Wien gelebt
hatten, so überschritt ihre Aufenthaltsdauer u.a. schon 20 oder mehr Jahre.
Die InterviewteilnehmerInnen wurden v.a. persönlich angesprochen bzw. per E-Mail
angeschrieben und auf diesem Weg um eine Zusammenarbeit gebeten. Einzelne Personen hatten
auch von FreundInnen oder Bekannten von meiner Forschung erfahren und mich dann kontaktiert,
um teilnehmen zu können.
Der Inhalt der Interviews basierte vor allem auf dem Erkenntnisinteresse der Arbeit, nämlich
die tägliche Ernährung der JapanerInnen in Wien zu erforschen und auf eventuelle kulturelle
Hintergründe schließen zu können. Die Interviews wurden als offene Interviews durchgeführt.
Deshalb wurden für ihre Realisierung fünf große Themengebiete, welche die Entscheidungsgründe
für die Wahl von bestimmten Lebensmitteln und Speisen aufzeigen sollten, ausgewählt. Nach der
einleitenden Frage, was die ProbandInnen die letzten drei Tage zum Frühstück, Mittagessen und
Abendessen gegessen und getrunken hatten und wie dies aussehen würde, wenn sie in Japan wären,
wurden themenbezogene Fragen gestellt. Die Themengruppen waren der Zeitfaktor, der Preisfaktor,
der Gesundheitsfaktor, die Zubereitung und die Vertrautheit von Speisen.
Bei der Themeneingrenzung als auch der Fragenauswahl habe ich mich u.a. auch auf das
sogenannte food choice questionnaire (FCQ) gestützt. Andrew Steptoe, Tessa M. Pollard und Jane
Wardle haben zum besseren Überblick und um Forschungen zu food choice vergleichbarer zu
machen das sogenannte food choice questionnaire (FCQ) entwickelt. Obwohl es bereits vor dem
FCQ andere Modelle, wie z.B. das health belief model, welches die Gesundheit in den Mittelpunkt
stellte, gab, waren Steptoe et al. der Ansicht, dass nicht nur gesundheitliche Aspekte zu einer Wahl
von gewissen Lebensmitteln und Speisen führen würden. Sie bezogen sich dabei v.a. auf die
Erkenntnis, dass auch die Verfügbarkeit von Speisen sowie kulturelle Faktoren eine wichtige Rolle
16
bei der Essenswahl spielten. Um andere Faktoren ebenfalls zu berücksichtigen, führten Steptoe et al.
eine Studie in London durch, bei der sie insgesamt 68 Themengebiete in Form eines Fragebogens
zur Auswahl stellten. Die Fragebogen waren dabei so aufgebaut, dass die Befragten die
Bedeutsamkeit von Aussagen auf einer Skala von eins bis vier auswählen mussten, um so
aufzuzeigen, welche Faktoren in ihrer Ernährung eine wichtige Rolle spielten. Um die 68
Themengebiete möglichst zielbringend auszuwählen, wurde u.a. der Rat von
ErnährungsberaterInnen und PsychologInnen eingeholt, sowie bestehende Literatur analysiert.
Unter den bedeutsamsten Themengebieten waren auch Faktoren wie die Bequemlichkeit beim Kauf,
umweltpolitische Aspekte sowie der Einfluss von Familienmitgliedern und FreundInnen. Aus den
Resultaten war schließlich ersichtlich, dass insgesamt neun Faktoren bzw. Entscheidungsgründe
von großer Bedeutung bei allen ProbandInnen waren (Steptoe et al. 1995:268-272).
Wie bei Steptoe et al. bereits angenommen, war bei den von Ihnen befragten ProbandInnen
der Gesundheitsfaktor von größter Bedeutung. Dabei spielte v.a. der Vitamin- und
Mineralstoffgehalt von Speisen eine große Rolle. Darauf folgte der Gemütszustand der befragten
Personen. So war diesen u.a. wichtig, dass das von ihnen gewählte Essen ihnen dabei helfen würde,
mit Stress umzugehen. Der drittwichtigste Faktor war die Bequemlichkeit. Dabei war es wichtig,
dass das Essen schnell und simpel zubereitet werden kann. Die Sinneswahrnehmung spielte
außerdem eine Rolle. Das gewählte Essen sollte gut riechen, gut aussehen, eine gute Textur
aufweisen und gut schmecken. Der fünftwichtigste Faktor waren natürliche Inhaltsstoffe von
Speisen. Dabei war u.a. von Bedeutung, dass das Essen keine künstlichen Stoffe enthält. Der
Preisfaktor landete auf dem insgesamt sechsten Platz und dabei war wichtig, dass die Speisen billig
sind und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis besteht. Der siebte Faktor war derjenige der
Gewichtskontrolle, dabei sollten die Speisen zu sich genommen werden, die wenige Kalorien haben
und fettarm sind. Der achte Faktor war die Vertrautheit von Lebensmitteln. Dabei spielte eine Rolle,
ob die Speisen regelmäßig gegessen werden, ob sie bekannt waren oder, ob sie jene Speisen waren,
die schon als Kind in der täglichen Ernährung vorkamen. Der letzte bedeutsame
Entscheidungsgrund war der ethische Aspekt. Dabei spielten v.a. die Herkunftsländer eine wichtige
Rolle. Diese sollten klar an den Produkten angeschrieben sein und von den KonsumentInnen
politisch gutgeheißen werden. Außerdem war eine umweltfreundliche Verpackung elementar
(Steptoe et al. 1995:272).
Steptoe et al. haben es in Ihrer 1995 in London durchgeführten Studie geschafft,
verschiedenste Modelle über die Entscheidungen von Individuen bezüglich ihrer täglichen
Essgewohnheiten zusammenzufassen und aus diesen, die bereits vorgestellten neun Faktoren
herauszufiltern. Sie leisten dabei einen großen Beitrag für zukünftige Studien zum Thema
17
Essverhalten. So ist es nicht verwunderlich, dass seit der Entstehung des FCQ-Models, dieses in
zahlreichen Forschungen, z.B. von Sun (2008) oder auch Cervellon und Dubé (2005) angewendet
wurde.
In meinen Interviews sind jedoch nicht alle neun Themen des food choice questionnaires zur
Anwendung gekommen, da ich aus meiner persönlichen Erfahrung und der existierenden Literatur
zu einer Esskultur in Japan darauf schließen konnte, dass die von mir gewählten fünf Kategorien
bereits sehr aufschlussreich für die Auswahl von Speisen und Lebensmitteln bei JapanerInnen in
Wien sein würden. Außerdem habe ich mich in dieser Studie auf eine qualitative Vorgehensweise
gestützt, weshalb die Bearbeitung aller Themengebiete die Interviewdauer verlängert hätte und die
von mir gewünschten längeren Antworten mit eigenen Erfahrungen der ProbandInnen vielleicht
ausgeblieben wären. Außerdem bin ich der Ansicht, dass in einer rein quantitativen Vorgehensweise,
wie der oben erwähnten von z.B. Steptoe et al., die näheren Hintergründe für gewisse Antworten
ausbleiben würden. So könnten Ernährungsentscheidungen zwar proportional erfasst werden,
jedoch geht die Individualität der Antworten verloren und sie können nicht mehr in der Tiefe
analysiert werden. Im Folgenden soll ein genauerer Überblick über die von mir gestellten
Interviewfragen gegeben werden.
Bei den Fragen zum Zeitfaktor wurden die InterviewpartnerInnen u.a. dazu befragt, ob sie
genug Zeit zum Essen in Wien hätten, wie das vergleichsweise in Japan aussieht, bzw. ausgesehen
hat, wie viel Zeit sie sich für die Zubereitung des Essens nehmen würden und schließlich, ob sich
ihr Essverhalten an freien Tagen von jenem an Tagen, an denen sie zur Universität oder zur Arbeit
gehen unterscheiden würde.
Bei dem Teilgespräch über den Preis- bzw. Geldfaktor wollte ich von den ProbandInnen u.a.
wissen, ob Geld ein wichtiger Entscheidungsgrund bei der Wahl ihrer täglichen Lebensmittel und
Speisen ist. Außerdem war es von Interesse für mich, wie wichtig JapanerInnen in Wien
Bioprodukte sind. Ich wollte jedoch nicht nur das Ernährungsverhalten zuhause analysieren,
weshalb es mich auch interessierte, wie wichtig JapanerInnen der Faktor Geld beim Ausgehen bzw.
bei einem Restaurantbesuch ist. Verglichen zu Österreich stellte sich mir die Frage, ob dies in Japan
auch so war bzw. auch so ist. Nur für mein persönliches Interesse machte ich einen Exkurs und
habe auch die Frage gestellt, inwieweit in Japan Produkte aus der Region um die Präfektur
Fukushima gekauft werden würden, wenn diese billiger sein würden.
Das Thema Gesundheit bestimmte schon bei der Vorbereitung der Interviews mein
Erkenntnisinteresse, deshalb wollte ich unter anderen von meinen japanischen ProbandInnen wissen,
ob sie bestimmte Gesundheitsvorstellungen wie z.B. ein Glas Milch pro Tag, zur Stärkung der
Knochen und des Immunsystems, hätten. Von weiterem Interesse waren auch Fragen zu
18
Vegetarismus und Veganismus und, ob die JapanerInnen eher leichte Speisen bevorzugten. Da es
sich um eine in Wien durchgeführte Studie handelt, war natürlich die Frage, was JapanerInnen von
der österreichischen Küche halten würden auch unumgänglich. Dabei wollte ich insbesondere auch
wissen, wo die ProbandInnen ihr Essen kaufen. Außerdem versuchte ich zu erläutern, ob die
Befragten oft Fertigprodukte oder Fast Food essen und was sie in Japan von bereits zubereiteten
Speisen wie z.B. obentō halten würden.
Im Teilgespräch über die Zubereitung von Speisen fragte ich meine ProbandInnen u.a., ob
sie gerne kochen, ob sie das Kochen als eine Art Entspannung ansehen oder auch, ob sie oft mit
ihren FreundInnen oder ihrem/r PartnerIn kochen würden.
Das für mich persönlich interessanteste, weil am wenigsten vorhersehbare, Themengebiet
war das der Vertrautheit. Über die Interviews hinweg konnte ich bereits das Fazit ziehen, dass von
den meisten JapanerInnen japanische Speisen bevorzugt werden, deshalb fragte ich als
Einstiegsfrage zu diesem Thema, ob sie Japan bzw. japanische Speisen vermissen würden.
Außerdem sprach ich mit ihnen darüber, ob es gewisse Speisen gäbe, die bei ihnen Erinnerungen
auslösen würden. Wir sprachen auch über Speisen, die an besonderen Feiertagen gegessen werden
oder die erste Speise, die sie gegessen haben, als sie nach Österreich kamen. Auch sehr interessant
war mein Gespräch mit den InterviewteilnehmerInnen über die Ernährung in ihrer Kindheit.
Die Interviews fanden allesamt in Wien statt. Ein Großteil dieser vor allem auch in den
Räumlichkeiten der Japanologie Wien. Die restlichen fanden entweder in Cafés oder direkt bei den
ProbandInnen zu Hause statt. Außer zwei Interviews, bei denen jeweils zwei Personen gleichzeitig
interviewt wurden, waren die Interviews Einzelinterviews. Die Dauer dieser lag dabei zwischen
einer bis zu drei Stunden. Dabei wurde das gesamte Interview, nach Erlaubnis der
InterviewpartnerInnen, auf einem Diktiergerät aufgenommen. Die Interviewsprache war Japanisch,
um den ProbandInnen eine gewisse Sicherheit zu geben. In einem Interview wollte ein
Interviewpartner jedoch etwas Englisch üben, weshalb wenige Teile des Gesprächs auch auf
Englisch geführt wurden. Die Namen von österreichischen Speisen wurden jedoch auf Deutsch
gesagt, auch weil sie unter ihrem Originalnamen bei den TeilnehmerInnen bekannt sind.
3. Essen und Kultur
3.1. Ernährungsentscheidungen
Im vorhergegangenen Kapitel wurden bereits die Forschungen zur Thematik des food choice sowie
die Vorgehensweise in dieser Arbeit näher vorgestellt. Nun soll näher auf den theoretischen
19
Hintergrund des Konzepts von food choice eingegangen werden.
Im bereits vorgestellten Sammelband The psychology of food choice beschreiben Jeffery
Sobal et al., dass food choice sowohl die Auswahl von bestimmten Speisen und Getränken als auch
die Wahl wo, mit wem und wie gegessen wird, darstellt. Sie erklären damit, dass food choice somit
eine wichtige Rolle in symbolischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht spielt und deshalb auch
ein wichtiger Faktor in der Identitäts- sowie Kulturbildung ist (Sobal et al. 2006:1).
In meinen Interviews waren diese, von Sobal erwähnten, Faktoren auch sehr gut erkennbar.
So gaben die befragten JapanerInnen v.a. an, dass sie nicht nur sehr gerne auf japanische Speisen
zurückgreifen würden, sondern auch, dass sie dies am liebsten bei sich zu Hause mit ihren Familien
bzw. japanischen FreundInnen oder aber in den zwei japanischen Restaurants Sakai oder Unkai
machen würden. In diesen Restaurants, meinten sie, sei nicht nur die Atmosphäre wie in Japan
selbst, sondern auch der Geschmack würde sehr stark an jenen herankommen, den sie bereits in
ihrer Heimat lieben gelernt hätten.
Frewer et al. erklären zudem, dass food choice auch stark von Eigenschaften der Speisen
selbst abhängen würde, wie zum Beispiel von Geschmack, Geruch oder Textur. Food choice wird
also stark von den Einstellungen der KonsumentInnen, der Qualität der Speisen oder Lebensmittel,
den Nährwerten oder auch den Risiken, die mit dem Verbrauch einhergehen, bestimmt. Als
personenbezogene Gründe für die Auswahl von Speisen und Lebensmittel werden außerdem das
Verhalten beim Kauf, der persönliche Lebensstil sowie der gesundheitliche Aspekt beschrieben.
Des Weiteren spielen auch kulturelle, soziale und örtliche, ob z.B. zu Hause oder im Restaurant
gegessen wird, Faktoren eine bedeutende Rolle (Frewer et al. 2001:5).
Wie bereits erwähnt, war bei den japanischen ProbandInnen der Gesundheitsaspekt
bedeutend. Für die meisten war dies der ausschlaggebende Grund für die Wahl der täglichen
Speisen. Aber auch die Frische und Qualität der Speisen bzw. Zutaten nimmt einen hohen
Stellenwert im täglichen Konsumleben der JapanerInnen ein. So gab Frau Furuya beispielsweise an,
sich regelmäßig auch für teurere Produkte zu entscheiden, wenn diese qualitativ hochwertiger
wären. Frau Kawahara legte ihren wichtigsten Entscheidungsgrund auf die Frische der gekauften
Lebensmittel und verriet mir zudem, dass sie sich erst dann für ein gewisses Stück Obst entscheiden
würde, nachdem sie dieses auf äußere Schrammen geprüft hätte. Für Herrn Fujimoto und Herrn
Fujita war ebenfalls die Frische der Lebensmittel ausschlaggebend, sie achteten jedoch eher auf
Bioprodukte, nicht wie Frau Kawahara, indem sie die Produkte äußerlich testen würden, sondern
dass sie z.B. frische Eier aus Freilandhaltung oder sogar Bioprodukte kaufen würde. Dies war für
die beiden Herren sehr wichtig, da sie gerne rohe Eier auf Reis verzehrten und sich dabei nicht um
ihre Gesundheit sorgen wollten. Das Ehepaar Fukunaga schließlich gab an, besonders auf die
20
Lebensmittelsicherheit zu achten, indem sie in Japan Supermärkte meiden würden, in denen es
immer noch Produkte aus der Präfektur Fukushima geben würde.
Laut Warren Belasco lassen sich die Gründe für die bestimmte Wahl von Lebensmitteln und
Speisen von drei Faktoren beeinflussen. Als ersten Punkt nennt er die Identität von
KonsumentInnen. Diese würde sich in sozialen und persönlichen Rahmenbedingungen, wie etwa
der Wohn- oder Familiensituation, widerspiegeln. Ein weiterer bedeutender Faktor sei die
Bequemlichkeit, also der Preis, die Fähigkeit zu kochen und die Verfügbarkeit von Speisen und
Lebensmitteln. Als letzten Entscheidungsgrund wird die Verantwortung genannt. KonsumentInnen
müssten sich dabei im Klaren sein, welche sozial- und umweltpolitischen Konsequenzen ihre
Kaufentscheidungen zur Folge haben werden (Belasco 2008:ix).
Wie Belasco schon theoretisch beschrieben hat, waren die Punkte Identität,
Familiensituation, Bequemlichkeit und Kochkenntnisse wichtige Faktoren bei der täglichen Wahl
von Lebensmitteln und Speisen der in Wien lebenden JapanerInnen. So meinte u.a. Frau Furutani,
dass sie sehr gerne mehr österreichische Speisen kochen würde, wenn sie wüsste, wie dies geht.
Auch Frau Fukui gab an, dass sie nur, seitdem sie von einer österreichischen Bekannten die
Zubereitung gelernt hätte, auch österreichische Gerichte wie Tafelspitz oder Wiener Schnitzel
zubereiten würde. Frau Fukui war es auch noch, die die Verfügbarkeit von Lebensmitteln in
Österreich ansprach. So meinte sie, sie hätte sich mittlerweile an andere Sorten Gemüse gewöhnt
und würde anstelle von Fisch häufiger auf dieses bzw. den in Asialäden erhältlichen Tofu
zurückgreifen.
Frewer et al. und Belasco's Gründe für eine gewisse Lebensmittelwahl erinnern dabei sehr
stark an das food choice process model, das u.a. auch in Sobal et al. vorgestellt wird. Laut diesem
Model gibt es fünf essenzielle Faktoren, die das Aussuchen von Speisen beeinflussen. Diese Gründe
sind: Ideale, persönliche Gesichtspunkte, Ressourcen, soziale Einflüsse und Kontext. Als Ideale
werden v.a. kulturell beeinflusste Regeln dafür bezeichnet, welche Lebensmittel und Speisen
gegessen bzw. nicht gegessen werden können oder dürfen. Als persönliche Gründe werden die
Identitätsfaktoren von Personen genannt. Die Ressourcen sind v.a. Geld, jedoch auch Zeit,
Fähigkeiten und Wissen. Der Speiseplan wird also nach persönlichem Einkommen, Freizeit,
Kochkünsten usw. ausgewählt. Bei den sozialen Faktoren spielen die Personen, mit denen gegessen
wird, eine große Rolle. Es wird dabei unterschieden, ob sich beispielsweise PartnerInnen an die
Gewohnheiten des jeweils anderen gewöhnen und ihre früheren Essgewohnheiten beibehalten oder,
ob sie sich an diese anpassen und dabei ihre eigenen aufgeben. Als letzter Punkt wird im Modell der
Kontext genannt. Der Kontext ist in diesem Falle der Ort, an dem gegessen wird bzw. auch eine
spezielle Saison oder Jahreszeit, in der bestimmte Speisen ausgewählt werden (Sobal et al. 2006:5-
21
6).
In der vorliegenden Arbeit soll deshalb ebenso auf diese indirekten Einflüsse und Kontexte
bei der Wahl von Speisen und Lebensmitteln bei einer japanischen Community in Wien
eingegangen werden.
3.2. Essen und Identität
Wie im obigen Kapitel beschrieben, beinhalten die meisten Theorien zum food choice auch soziale
Faktoren, die meist als Teil einer persönlichen Identität verstanden werden. Wird an die Bedeutung
von Identität gedacht, stehen meist andere Thematiken und nicht unbedingt Essen an erster Stelle.
Bei genauerer Betrachtung und Recherche wird jedoch klar, dass Identität und Ernährung als eine
Art und Weise zu leben untrennbar miteinander verbunden sind.
Warren Belasco startet sein Kapitel zur Identität, die sich im Essen widerspiegelt mit Zitaten
von Barthes und Rozin, die beide besagen, dass Essen nicht allein als eine Ansammlung von
Lebensmitteln verstanden werden kann, sondern, dass Essen auch dazu dient, Einzel- sowie
Gruppenidentitäten zu definieren (vgl. Barthes 1979 und Rozin 1999 in Belasco 2008:15).
Thomas M. Wilson diskutiert darüber hinaus, dass eine Identität, die durch Essen
hervorgerufen wird, genauso ein Teil von Einzel- bzw. Gruppenidentitäten sei wie auch eine
ethnische, soziale oder Genderidentität (Wilson 2006:12).
Wilson argumentiert des Weiteren, dass diese Suche nach einer persönlichen Identität sich
auch zum Teil mit der Globalisierungstheorie erklären lassen könnte. So würden einerseits in einer
globalisierten Welt, die Art und Weise zu Essen viele Menschen verbinden, jedoch könnte genau
diese Esskultur gewisse Völker auch voneinander unterscheiden. Deshalb wäre auch eine nationale
Küche oftmals ein Teil einer Kultur, die sich gekonnt einer Globalisierung von Speisen in den Weg
stellen und deshalb oftmals als lange Tradition eines Landes gefeiert würde (Wilson 2006:12-13).
Identität wird zumeist mit eben dieser langen Kultur eines gewissen Landes verbunden. So
verhält es sich auch mit Essen als Teil einer Gesamtkultur. In jeder gibt es dabei verschiedene
Normen, für Speisen, die akzeptiert bzw. solche, die vermieden werden (Belasco 2008:16).
Die Küche eines Landes ließe sich deshalb mit der Sprache von eben diesem vergleichen.
Das Erlernen der korrekten Ernährungsweise genauso wie das Erlernen der Landessprache würde
schon in der Kindheit beginnen und es sei schwierig, bereits erlernte Angewohnheiten wieder zu
ändern. Jede Küche würde außerdem aus den gleichen vier Grundelementen bestehen. Diese wären
eine Liste der Basiszutaten, die Art der Zubereitung, die geschmacklichen Komponenten sowie die
Art, wie gegessen wird (Belasco 2008:16-18).
Pat Caplan erwähnt in ähnlicher Weise die Theorien von Lévi-Strauss (1965, 1968, 1970)
22
und Barthes (1975), die Essen als analog zu Sprache bezeichneten und auch von der symbolischen
Bedeutung von Essen sowie damit verbundenen Metaphern und den linguistischen Codes des
Essens sprachen (vgl. Levi-Strauss 1965, 1968, 1970 und Barthes 1975 in Caplan 1997:1-2).
Wird von Essen und der damit verbundenen Identität gesprochen, so geschieht dies nicht
selten im Zusammenhang mit der Bedeutung dessen als Kulturerbe eines Landes.
Wie bereits des Öfteren erwähnt, ist Essen mehr als nur der reine Konsum von Speisen.
Essen ist jenes Element, welches alle Menschen gemeinsam haben. Sie benötigen es nicht nur um
sich aufrechtzuerhalten, sondern benutzen es auch, um sich an andere zu binden und somit gewisse
Identitäten aufzubauen. Falls diese Identität über Generationen hinweg durch gleiches Essen
aufrechterhalten wird, kann von Esskultur als Erbe gesprochen werden. Personen fühlen sich
dadurch ihren Vorfahren näher verbunden. Sie sind mit ihnen so zu sagen über die Zeiten hinweg
verbunden. Dieser Vorgang geschieht meist auf nationaler Ebene, weshalb von einer geteilten bzw.
nationalen Gruppenidentität gesprochen werden kann. Essen als Kulturerbe ist jedoch ein
konstruierter Vorgang, der heutzutage auch oft im Tourismus oder im Bewerben eines Landes
genutzt wird, was auch immer wieder zu Kritik führt (Brulotte und Di Giovine 2014:1-3).
Ein weiterer Aspekt, der durch diese Entwicklung von Essen zu einem Kulturerbe
entstanden ist, war die Bewahrung von Esskulturen über eine nationale Ebene hinweg als
Weltkulturerbe. Die UNESCO (United Nations Educational, Scientific, and Cultural Organization)
wurde ursprünglich gegründet, um internationalen Frieden und eine gute Zusammenarbeit zwischen
den Nationen zu bewerben. Bald fing diese Organisation damit an, westliche Monumente als
bedeutend für eine spätere Generation zu klassifizieren und sie deshalb zu Weltkulturerbe zu
benennen. Die Problematik mit dieser Vorgehensweise war jedoch, dass viele Kulturen eher
bestimmte Rituale praktizieren als Monumente zu schaffen, weshalb auch immaterielle Praktiken zu
Erbschaften ernannt wurden. So in etwa im Jahre 2010, als zum ersten Mal Essen in den Status
eines Weltkulturerbes erhoben wurde. Dabei handelte es sich um die mediterrane Küche, die haute
cuisine Frankreichs, die mexikanische Küche (dabei v.a. diejenige der Region Michoacán) sowie
das kroatische Knoblauchbrot (Brulotte und Di Giovine 2014:10-14).
Ende 2013 wurde schließlich die japanische Küche von der UNESCO zum Weltkulturerbe
ernannt. Dabei spielten v.a. der Gesundheitsaspekt sowie ihre lange Beständigkeit über
Generationen hinweg eine bedeutende Rolle. Die japanische Küche wird in diesem Zusammenhang
auch oftmals mit der französischen Küche verglichen, da sie die kulturellen Werte in der
Zubereitung und dem Konsum von Speisen widerspiegelt (Brulotte und Di Giovine 2014:17).
Greg de St. Maurice gibt ein Beispiel dieser japanischen Küche als UNESCO
Weltkulturerbe, indem er die Bedeutung von Gemüse aus Kyōto darlegt. Dieses wird sehr oft als
23
der wichtigste Bestandteil für authentische japanische Speisen bezeichnet. Jedoch ist diese
Authentizität laut De St. Maurice auch das Resultat einer konstruierten Identität. Kyōto wird als das
Herz Japans bezeichnet und deshalb ist es seit der Heianzeit dazu gekommen, dass Gemüse oder
auch andere Produkte aus dieser Stadt einen besonderen Stellenwert in Japan und bei der
japanischen Bevölkerung eingenommen haben (De St. Maurice 2014:67-69).
Einen noch wichtigeren Stellenwert nimmt in Japan jedoch der Reis ein. Emiko Ohnuki-
Thierney geht sogar so weit, Reis als das „Selbst“ der JapanerInnen zu bezeichnen. Obwohl der
Nassreisbau eigentlich vom asiatischen Festland, besonders China, nach Japan gekommen ist, wird
er als etwas typisch Japanisches angesehen. Reis wurde auch über die Geschichte hinweg von den
JapanerInnen als Metapher dazu verwendet, sich vom „Brot essenden“ Westen abzugrenzen. Japan
selbst wurde auch mit Reis verbunden, so stand der Reis stellvertretend für japanisches Essen und
das japanische Land. Heute noch spielt der eigene, also der in Japan angebaute Reis, eine sehr große
Rolle bei der japanischen Bevölkerung. Durch Importe gelangt zusehends Reis aus anderen Ländern,
v.a. der USA oder Thailand nach Japan, was mitunter zu starkem Widerstand in der Bevölkerung
führt (Ohnuki-Thierney 1993:4-9).
Auf die Bedeutung von Essen und der damit in Verbindung stehenden Identität der in Wien
lebenden JapanerInnen soll in einem späteren Kapitel noch genauer eingegangen werden.
In diesem Teilkapitel wurde die Bedeutung von Essen und einer damit verbundenen bzw.
dadurch erst entstandenen Identität beschrieben. Wenngleich Essen jenes Element ist, das alle
Menschen gemeinsam haben, benötigt es doch noch sehr viele nationale und kulturelle
Komponenten, um anhand einer Esskultur auch eine Gruppenidentität und damit ein Kulturerbe zu
schaffen. In Japan ist diese Veranschaulichung jedoch relativ leicht, da Reis als Symbol sowie
Metapher für eine japanische Kultur und die japanische Bevölkerung herangezogen werden kann.
3.3. Esskultur – Zwischen Globalisierung und Sozialisation
Im vorhergegangenen Teilkapitel über Essen und Identität wurde genauer auf den
identitätsbildenden Faktor einer landesspezifischen Esskultur eingegangen. Dieser wird v.a. durch
die eigene Familie vorangetrieben, weshalb oftmals von einer Sozialisation durch diese gesprochen
werden kann. In der heutigen Zeit verschwimmen die nationalen Grenzen jedoch immer mehr. Dies
ist auch bei einer Esskultur der Fall. Zwei Beispiele für eine Globalisierung der Esskultur, auch in
Japan, sind sicherlich das Fast-Food-Restaurant McDonald’s sowie italienische Restaurants.
Thomas Schwinn stellt den Globalisierungsprozess von Essen in den Zusammenhang mit
der Entwicklung einer neuer Mittelschicht in v.a. ostasiatischen Ländern. Er gibt dabei das Beispiel
24
von der Eröffnung des ersten McDonald’s Restaurants in Japan, in Tōkyō im Jahre 1971. Er
argumentiert damit, dass sich eine globalisierte Gesellschaft nur dann entwickeln kann, wenn das
notwendige Kapital vorhanden ist, also eine Entwicklung der Gesellschaft stattgefunden hat
(Schwinn 2006:164).
George Ritzer geht sogar so weit, von McDonald’s nicht nur in Bezug der Esskultur,
sondern von einer McDonaldisierung der Gesellschaften zu sprechen. Dabei definiert er den Begriff
der Globalisierung als eine Übernahme von Praktiken weltweit und das Zusammenrücken der
Kontinente und somit einen Verlust der nationalen Gepflogenheiten bzw. eine Abnahme der Essenz
dieser. Er sieht diesen Prozess nicht nur in der Verbreitung verschiedener Speisen international,
sondern spricht auch von einer Mechanisierung alteingesessener Praktiken wie z.B.
Massenvorlesungen an Universitäten anstelle von persönlichen Seminaren usw. (Ritzer 2006:238-
240).
In meinen Interviews habe ich ebenfalls einen Unterpunkt dem sogenannten Fast Food
gewidmet, dieses wurde auch von meinen ProbandInnen zumeist mit Mc Donalds verbunden. Die
Meinungen zur Gesundheit von Mc Donalds waren sehr einheitlich, so dachte keiner meiner
befragten Personen, dass es gut für die Gesundheit wäre, das Gegenteil war eher der Fall. Ein gutes
Beispiel hierfür ist Frau Kanemoto, die während unseres Gesprächs angab, nur ungern in einem
McDonald’s Restaurant zu essen, da diese Art von Fast Food einen ungesunden Ruf in ihrer Familie
genießen würde. Eine Ausnahme bildete jedoch für Frau Kanemoto ein Besuch in einem
japanischen Fast Food Restaurant, das sich ebenfalls wie McDonald’s auf Hamburger spezialisiert
hat, nämlich Mos Burger. Dieses würde sie sehr gerne aufsuchen, da der Gemüseanteil höher als
beim Konkurrenten McDonald’s sei. Bei diesem Beispiel kann wiederum diskutiert werden, ob nun
der Gemüseanteil tatsächlich höher ist oder, ob es auch regionsspezifische Gründe für den Besuch
von Frau Kanemoto bei Mos Burger gibt.
Keiko Goto und ihre KollegInnen fanden in ihrer Studie über die Wahrnehmung von
gesunder Ernährung für Kinder in einer globalisierten Welt heraus, dass japanische Mütter eher
lokale Zutaten als gesund ansahen. Deshalb war es nur natürlich, dass sie bei der Befragung auch
meinten, eher auf diese lokalen Zutaten zurückzugreifen (Goto et al. 2011:5-6).
Eine Ausnahme bildete in meinen Interviews die italienische Küche. So antwortete mir Herr
Fujimoto, der kein großer Liebhaber der österreichischen Küche ist, dass er an italienische Speisen,
wie Pasta oder Pizza, schon seit seiner Kindheit in Japan gewöhnt sei und diese deshalb für ihn
keine ausländischen Speisen darstellen, sondern zu japanischen Speisen gehören würden: „Ja,
italienische Speisen sind in Japan schon gewöhnlich, nicht wahr?! Deshalb fallen diese für mich
nicht in die Kategorie von ausländischen, sondern in jene von japanischen Speisen“.
25
Rossella Ceccarini beschreibt in ihrem Werk Pizza and pizza chefs in Japan: A culinary
globalisation account den Grund dafür, warum italienische Speisen in Japan so gut ankommen und
beispielsweise beliebter als spanische Gerichte wären damit, dass die italienische Küche eine große
Auswahl an Gerichten hat und gleichzeitig die Zutaten sehr simpel bleiben. So denkt sie u.a. an
Käse oder Tomatensoße als Basis dieser. Sie denkt, dass die japanischen Konsumenten, diese
Vertrautheit der italienischen Zutaten hoch schätzen und sie deshalb über eine große Varietät von
spanischen Gerichten stellen würden (Ceccarini 2011:81-83).
Aber auch in einer globalisierten Welt, in der die Grenzen von Nationen sehr oft
verschwinden, gibt es eine Einheit, die immer noch sehr prägend ist, dies ist die eigene Familie.
Auch im Falle des sogenannten food choice kann deshalb, neben einer nationalen Identität, die
prägend für das Essverhalten von Individuen ist, von einer familiären Identität gesprochen werden.
Sarah J. Hardcastle und Nicola Blake haben den Einfluss von Ansichten, speziell zur Gesundheit,
auf das Ernährungsverhalten jüngerer Generationen in ihrer im Jahre 2015 durchgeführten Studie
untersucht. Ihre Zielgruppe waren dabei Mütter aus einer sozialen Schicht mit wenig Einkommen.
Diese gaben an, ihre tägliche Ernährung v.a. an den Preis von Lebensmitteln anzupassen,
berichteten aber auch von den Essgewohnheiten, die sie oder auch ihre Ehemänner schon seit
Kindestagen hätten und, die sich nun auch ihre Kinder aneignen würden. In diesem Falle kann laut
Hardcastle und Blake ganz klar der übergeordnete Faktor der familiären Sozialisation erkannt
werden (Hardcastle und Blake 2015:3-5).
Christopher E. Beaudoin beschreibt den Sozialisationsprozess im Allgemeinen als einen
Prozess, bei dem Kinder Werte, Normen, Wissen und Verhaltensgrundlagen erlernen. Diese Muster
können sowohl von familiären Normen als auch von allgemeineren gesellschaftlichen Normen
stammen. Beaudoin geht des Weiteren auf die Rolle der Medien ein, die, durch ihre Werbungen für
Lebensmittel v.a. Kinder und Jugendliche im Alter von acht bis 18 Jahren prägen würden (Beaudoin
2014:544-546).
Mircea-Lucian Scrob führte Studien in Rumänien durch, die das Verhalten von
Essgewohnheiten gegenüber der rumänischen Nationalspeise mamaliga (Grießbrei, ähnlich wie
Polenta) und gewöhnlichem Weißbrot aus Weizenmehl untersuchten. Dabei wählte er
ProbandInnen aus, die bereits seit ihrer Kindheit öfters auf mamaliga zurückgegriffen haben. Er
wollte mit dieser Studie herausfinden, was die Gründe sind, dass viele Personen im
Erwachsenenalter eher auf Weißbrot zurückgreifen würden und nicht, wie die
Sozialisationstheorien vorgeben, beim Konsum von mamaliga zu bleiben. Scrob kam zu dem
Schluss, dass die befragten ProbandInnen immer noch beide Speisen verzehrten, die Wahl dieser
jedoch sehr stark von der Beilage abhängen würde. So würde zu z.B. Gemüsesuppe im
26
Erwachsenenalter eher Weißbrot gegessen, obwohl zu sonstigen Speisen noch gerne mamaliga
verzehrt würde (Scrob 2015:99-101).
In meiner Studie über die Essgewohnheiten der derzeit in Wien lebenden JapanerInnen, kam
ich ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Sozialisation, v.a. durch die eigene Familie, bei der
Essenswahl eine signifikante Rolle spielt. So gab u.a. Herr Kataoka an, jeden Tag Tomatensuppe zu
verzehren. Als ich dann fragte, ob dies auch an dem Gesundheitsaspekt dieser liegen würde, meinte
er jedoch, dass er dies schon seit jeher und auch in Japan getan hätte, weil seine Mutter und auch
Großmutter ebenfalls jeden Tag Tomatensuppe zubereiten würden. Hier ist ganz genau dieses
Beispiel der Sozialisation zu erkennen.
Jedoch kann eine Sozialisation auch durch Bekannte oder FreundInnen stattfinden. Dies war
der Fall von Herr Kanno, der mir schilderte, dass seine Vorliebe für v.a. italienische, aber auch
französische Gerichte, darauf beruhte, dass er sich während seiner Studienzeit mit dem Koch eines
italienischen Restaurants angefreundet hatte und dieser ihn dann in die Welt der ausländischen
Delikatessen eingeführt hätte.
Auch bei Frau Furutani war eine Sozialisation als ausschlaggebender Punkt für ihre Wahl
von Speisen zu erkennen. Frau Furutani greift sehr gerne auf Misosuppe und Reis zurück. Dies
hätte sie v.a. von ihrer Großmutter gelernt, die in Tōkyō unweit ihres Elternhauses gelebt und fast
täglich für sie gekocht hätte.
In diesem Kapital wurden die beiden essenziellen Faktoren der Globalisierung und
Sozialisierung für das Essverhalten von Individuen genauer erläutert. Nicht nur leben wir
heutzutage in einer Welt, in der es überall möglich ist, sich schnell eine Pizza zu kaufen, sondern
wir tun dies im Besonderen dann, wenn dies schon während unserer Kindheit häufig der Fall war.
Im nächsten Kapitel soll genauer auf die sogenannten Ernährungsrichtlinien der beiden analysierten
Länder, Japan und Österreich, eingegangen werden.
3.4. Ernährungsrichtlinien in Japan und Österreich
In den vorhergegangenen Teilkapiteln wurden die Theorien des food choice sowie jene zur
Esskultur und Identität näher erklärt. Um jedoch die tägliche Ernährung der in Wien lebenden
JapanerInnen näher analysieren zu können, ist es von großer Bedeutung auf die jeweiligen
Ernährungsrichtlinien genauer einzugehen, um somit auch einen ernährungswissenschaftlichen
Hintergrund zu erhalten.
27
Die japanischen Ernährungsrichtlinien sind in einer umgekehrten Ernährungspyramide mit
beweglicher Oberfläche festgehalten. Diese Pyramide wurde vom Ministerium für Gesundheit,
Arbeit und Soziales sowie dem Ministerium für Landwirtschaft, Forsten und Fischerei im Jahre
2005 festgelegt. Zuvor gaben diese beiden Ministerien gemeinsam mit dem Ministerium für
Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie im Jahre 2000 bereits Richtlinien für eine
gesunde Ernährung heraus, jedoch zeigten diese, aufgrund fehlender Informationen zu Art und
Menge der zu essenden Speisen, wenig Fortschritt. Deshalb wurde mit den neuen Richtlinien eine
Ernährungspyramide geschaffen, die auch die Mengen der einzelnen Gerichte anzeigt. Im
Gegensatz zu westlichen Ernährungspyramiden, bei denen zumeist Lebensmittel und noch nicht
fertige Speisen gezeigt werden, zeigt die japanische Pyramide bereits fertige Gerichte. Laut den
Empfehlungen der japanischen Ernährungspyramide sollten pro Tag fünf bis zehn Portionen an
Getreidegerichten, fünf bis sechs Portionen Gemüsegerichte, drei bis fünf Portionen Fisch- und
Fleischgerichte sowie je zwei Portionen Milch bzw. Früchte verzehrt werden. Auf der Pyramide ist
eine rennende Person und ein Glas Wasser zu sehen, was verdeutlichen soll, dass körperliche
Aktivität auch zu einem gesunden Lebensstil und damit zu einer gesunden Ernährung gehört. Das
Wasserglas repräsentiert gesunde Getränke wie Wasser oder Tee, die jeden Tag in großen Mengen
zu sich genommen werden sollen (Yoshiike et al. 2007:149-150).
Da es sehr schwierig war, die Größe von einzelnen Portionen festzulegen, wurde eine
Einheit von 40 Gramm als eine Portion festgelegt. Insgesamt sollte laut der japanischen
Ernährungspyramide eine tägliche Kalorienzufuhr von ca. 2000 bis 2400 Kalorien stattfinden, diese
unterscheidet sich jedoch nach Alter, Arbeitsanstrengung und Lebensstil und muss daher
entsprechend angepasst werden. Insgesamt wird die japanische Ernährungspyramide von Yoshiike
et al. als hilfreicher Leitfaden für Personen bezeichnet, die damit beginnen wollen, sich gesünder
und ausgewogener zu ernähren. Die Pluspunkte liegen dabei sicher in den leicht verständlichen
Abbildung 1: Japanische
Ernährungspyramide: Spinning Top
(Quelle: http://www.5aday.net/en/, 10.08.2016)
28
Mengenangaben sowie der beweglichen Oberfläche, die die individuellen Bedürfnisse von
Individuen sowie einen gesunden Lebensstil mit einbezieht (Yoshiike et al. 2007:152-153).
Im gleichen Jahr wie die japanische Ernährungspyramide wurde auch vom Ministerium für
Landwirtschaft, Forsten und Fischerei (MAFF) das Grundgesetz zu shokuiku (Ernährungserziehung)
veröffentlicht. Als Ziel dieses Gesetzes wird die Aneignung von Wissen über Ernährung sowie eine
richtige Lebensmittelwahl verstanden. Außerdem soll dadurch ein gesunder Lebensstil gefördert
werden. Insgesamt bestehen die Richtlinien bzw. Anweisungen dieses Gesetzes aus sieben
Unterpunkten. So soll unter anderem das Bewusstsein für die Lebensmittelproduktion oder
traditionelle japanische Speisen gesteigert werden. Die Lebensmittelsicherheit spielt ebenfalls eine
große Rolle. Um diese zu gewährleisten, sollten unter anderem mehr Informationen zur
Lebensmittelproduktion etc. veröffentlicht werden. Das shokuiku Programm ist auch besonders
wichtig für Eltern oder Schulen, denn sie sollten ihr Wissen an die Kinder und Jugendlichen
weitergeben. Um dieses Wissen in die Öffentlichkeit zu tragen, veranstaltet das MAFF u.a.
Informationsmessen und Tagungen. Da dieses Programm von großer Bedeutung ist, wurde der
offizielle Inhalt auch in die englische Sprache übersetzt, um diese Informationen auch
AusländerInnen, die sich in Japan befinden, zugänglich zu machen und den gesunden Aspekt der
japanischen Ernährung international hervorzuheben (vgl. MAFF 2007, 2016).
Auch in Österreich gibt es eine Ernährungspyramide, die Richtlinien zu einer gesunden
Ernährung bietet. Anna Sophie Dold beschreibt in ihrer Masterarbeit zwei Arten von
Ernährungsempfehlungen im deutschsprachigen Raum. Diese wären zum einen die österreichische
Ernährungspyramide und zum anderen der deutsche Ernährungskreis. Beide wurden mit dem Ziel
gegründet, verständliche Ernährungsempfehlungen, die auch an die jeweilige Region angepasst
werden, zu erstellen (Dold 2015:14-15).
Weil immer neue Ernährungs-, Gesundheits- und Diättrends zur Verwirrung der
KonsumentInnen geführt hatten, wurde schließlich nach Vorbild der im Jahre 1992 in den USA
entstandenen, grafischen Form, eine österreichische Ernährungspyramide entwickelt. Die
sogenannte „gesund leben“ Pyramide sollte konkrete Beispiele dazu geben, wie eine gesunde
Ernährung funktionieren kann. Dabei sollte auch die körperliche Aktivität nicht zu kurz kommen,
weshalb diese ebenfalls in die Pyramide mit einbezogen wurde (Dämon und Widhalm 2003:9).
Im Jahre 2009 wurde die „gesund leben Pyramide“ durch die „neue
Ernährungspyramide“ ersetzt bzw. verbessert. Dabei setzte der Nationale Aktionsplan Ernährung
(NAP.e) fest, dass alle Ernährungsempfehlungen in einer einheitlichen Form dargestellt werden
sollten. Durch die Zusammenarbeit von zahlreichen ErnährungsexpertInnen wurde so unter der
Führung von Dr. Michael Kunze, vom Institut für Sozialmedizin der medizinischen Universität
29
Wien, diese „neue Ernährungspyramide“ entwickelt. Im Gegensatz zu der „gesund leben“ Pyramide
ist sie grafisch modern in Drei-D-Kästchen, die sich gegenseitig ausbalancieren, dargestellt. Dies
soll auch das wichtige Verhältnis von sämtlichen Speisen und Lebensmitteln für eine gesunde
Ernährung illustrieren (Wolf 2010:24-25).
Haben sich diese Bemühungen der Erstellung einer aufwendigen Pyramide als klar
verständliche Ernährungsrichtlinie nun bezahlt gemacht? In einem im Februar 2015 erstellten
Bericht zur Evaluierung der Ernährungspyramide kam zutage, dass die Pyramide durchschnittlich
oft von der österreichischen Bevölkerung erkannt und als praktische Richtlinie sowie Hilfe für die
tägliche Gestaltung des Speiseplans angesehen wurde. Dies war besonders in der Gruppe der
Personen ohne Matura der Fall, die angaben, die Pyramide noch öfter zu konsultieren als die
Gruppe der TeilnehmerInnen mit Matura. Es spielte dabei keine Rolle, ob unter der Pyramide noch
genauere Angaben zu Portionen gemacht wurden oder nicht. In der ersten Frage des Onlinepanels
wurden die ProbandInnen nach ihren Assoziationen mit der Ernährungspyramide befragt. Die
häufigsten Antworten waren, dass genug Wasser bzw. das Richtige getrunken werden und die
Ernährung insgesamt gesund und ausgewogen sein sollte (Bundesministerium für Gesundheit
2015:2-4, 9).
In diesem Teilkapitel zu den Ernährungsrichtlinien in sowohl Japan als auch Österreich
wurde veranschaulicht, dass es in beiden Ländern eine sogenannte Ernährungspyramide gibt, die
Empfehlungen bezüglich einer gesunden Ernährung geben sollte. Auch wenn sich die Pyramiden
der beiden Länder grafisch unterscheiden, so geben sie doch im Allgemeinen die Empfehlung sich
zu bewegen und v.a. auf eine getreidehaltige Ernährung und einen hohen Konsum von Gemüse zu
Abbildung 2:Österreichische
Ernährungspyramide (Quelle:
Bundesministerium für Gesundheit und Frauen http://www.bmgf.gv.at/home/Ernaehrungspyramide,
12.03.2017)
30
achten. In Japan gibt es außerdem das shokuiku Programm, welches zusätzlich noch für die
Verbreitung von Informationen über eine gesunde Ernährung sorgen soll. Im nächsten Kapitel soll
nun näher auf die Entscheidungsgründe für eine bestimmte Lebensmittelwahl von in Wien lebenden
JapanerInnen eingegangen werden.
4. Gründe für eine bestimmte Lebensmittelwahl
In den vorhergegangenen Kapiteln wurde neben einer klaren Zielsetzung dieser Arbeit, nämlich das
Essverhalten von derzeit in Wien lebenden JapanerInnen zu analysieren und auf eventuelle
kulturelle Hintergründe einzugehen, bereits der Forschungsstand zum Thema food choice, die
Methode und theoretisches Hintergrundwissen aufgezeigt. Nun soll mit diesem Kapitel das erste
Analysekapitel folgen, in dem konkrete Beispiele aus den qualitativen Interviews mit 25
japanischen ProbandInnen in Wien über deren Essgewohnheiten gegeben werden. Das
Analysekapitel wird dabei in die zwei wichtigsten Entscheidungsgründe für eine bestimmte Wahl
von Lebensmitteln und Speisen sowie die persönlichen Entscheidungsmerkmale einzelner
TeilnehmerInnen und schließlich die konkreten Menüpläne dieser aufgeteilt.
4.1. Gesundes Essen
Im vorhergegangenen Teilkapitel wurde der Gesundheitsfaktor, insbesondere der Konsum von
Gemüse, als einer der wichtigsten Entscheidungsgründe für die tägliche Wahl von Essen anhand
von konkreten Antworten der InterviewteilnehmerInnen näher ausgewertet. Bereits während der
Interviews und dann insbesondere bei der Analyse zeigte sich jedoch deutlich, dass es zu diesen
konkreten Beispielen zum Thema Gesundheit durch das Essen von Gemüse bei fast allen
ProbandInnen noch zusätzliche Assoziationen gibt. Um diese genauer darzulegen, habe ich die
wichtigsten Vorstellungen zum Thema Gemüse als Gesundheitsträger codiert und in verschiedene
Cluster zusammengefügt. Deren Bedeutung soll in diesem Teilkapitel näher diskutiert werden.
Wie wird also Gemüse von den JapanerInnen in Wien wahrgenommen und welche
Assoziationen verbinden sie damit? Wie bereits im vorherigen Kapitel genauer beschrieben wird
Gemüse praktisch mit dem Gesundheitsaspekt gleichgesetzt. Das bedeutet zusammengefasst, dass
die von mir befragten JapanerInnen beim Thema Gesundheit durch gesunde Ernährung diese sofort
mit dem Konsum von Gemüse verbinden. Für die Erhaltung der Gesundheit sollte dementsprechend
viel Gemüse gegessen werden. Es fielen u.a. Aussagen wie: „Ja, ich habe gewisse Vorstellungen,
denke ich. Ich denke, dass ich eher auf viel Gemüse zurückgreife. Es ist für mich auch in Ordnung
nicht so viel Fleisch zu essen, denke ich“.
31
Bei meinem Interview mit dem Ehepaar Herr und Frau Fukunaga, die 38 bzw. 40 Jahre alt
waren und schon seit zwei Jahren in Wien lebten, wurde auf meine Frage, ob sie denn etwas
Besonderes für ihre Gesundheit essen würden, ebenfalls geantwortet, dass sie v.a. viel Gemüse und
auch Obst essen würden. So antwortete Herr Fukunaga zuerst: „Aber, wie erwartet, machen wir das
mit Gemüse oder Obst“. Woraufhin seine Ehefrau dies nur bestätigen konnte: „Viel Gemüse und
Obst“. Herr Fukunaga meinte dann auch noch: „Wenn es Gemüse oder Obst ist, ist es nicht so
streng, welche Sorte davon“. Frau Fukunaga ging noch zu einem anderen Punkt über, der für die
tägliche Ernährung und Erhaltung der Gesundheit ihrer Familie wichtig sei, nämlich wie bereits bei
den beiden InterviewpartnerInnen zuvor, dass wenig Fleisch gegessen werden würde: „Fleisch, also
anstelle von Fleischsorten oder so wählen wir Bohnen oder Tofu oder solche Dinge“.
Außerdem ist auf die Frische von Gemüse sowie auf frisches Obst oder frischen Salat zu
achten. Gemüse als Gesundheitsträger wurde auch mit einem wichtigen Stellenwert für Kinder
verbunden. Dabei sei es besonders bei der Essensgestaltung für die eigenen Kinder bzw. die eigene
Familie von größter Bedeutsamkeit sehr viel Gemüse zur Verfügung zu stellen.
Eine sehr wichtige Assoziation zum Thema Gemüse und Gesundheit war auch der
gemeinsame Konsum von, am besten tierischem, Eiweiß. So wurde es auch als gut angesehen,
neben Fleisch auch Gemüse zu essen, um die Balance der Ernährung aufrechtzuerhalten. Wie die
konkreten Antworten in den Interviews jedoch gezeigt haben, spielte v.a. Joghurt eine sehr große
Rolle in der Aufnahme von genügend Eiweiß.
Meine InterviewpartnerInnen gaben des Weiteren an, darauf zu achten, viel Gemüse zu sich
zu nehmen. Dabei wurden verschiedene Arten von Gemüse auch mit verschiedenen Jahreszeiten
verbunden. So gab Frau Furuya beispielsweise an, im Sommer saisonales Gemüse und im Winter
nabe (eine Art japanisches Fondue) zuzubereiten.
Gemüse wurde auch mit der täglichen Ernährung verbunden. So wurde es von fast allen
Befragten mindestens einmal täglich in Form von Suppen, Salaten oder als frisches Gemüse
gegessen. Obst sollte auch mindestens einmal täglich zu sich genommen werden. In meinen
Interviews war ersichtlich, dass dies meist zum Frühstück geschah. Die konkreten Beispiele waren
dabei z.B. eine Aufnahme von Gemüse oder Obst in Form von Minestrone, Vogerlsalat, Kiwis oder
auch Bananenmilch. Dadurch lässt sich wiederum erkennen, dass Gesundheit durch Obst und
Gemüse vielseitig assoziiert wird.
Zahlreiche ProbandInnen gaben zudem an, Gemüse schon immer gemocht zu haben und
sahen dies auch als einen Grund dafür an, warum sie nun darauf achteten, dass sie und ihre Kinder
viel Gemüse zu sich nehmen würden.
Dieser tägliche Konsum von Gemüse konnte bereits im ersten Teil des Interviews anhand
32
der täglichen Menüpläne erkannt werden. So wurde u.a. gefragt, welche Speisen die JapanerInnen
die letzten drei Tage zum Frühstück, Mittagessen und schließlich Abendessen gegessen hätten. Zum
Frühstück wurde Gemüse oftmals in Kombination mit Brot oder eiweißhaltigen Lebensmitteln wie
Milch, Schinken, Käse, Joghurt mit Bananen sowie als Salat konsumiert. Das Mittagessen bestand
zumeist aus Gemüse als Einlage in rāmen oder anderen Suppen, japanischen Eintöpfen wie z.B.
donburi, als Zutat in belegten Broten oder wieder in der Form von Salaten. Das Abendessen stellte
für die JapanerInnen die wichtigste Mahlzeit des Tages dar. Auch bei dieser durfte das Gemüse
nicht zu kurz kommen. So wurde Gemüse z.B. in Form von itame angebraten, zu Nudelgerichten
hinzugefügt, zusammen mit Reis und Misosuppe gegessen oder selten auch zu Käsegerichten
gereicht. Als Gemüse wurden hier u.a. auch Tiefkühlware von Iglo bzw. konkrete Beispiele von
Salat wie z.B. Vogerlsalat bezeichnet.
Weil das Gemüse in fast jedem Interview genannt wurde, war es für mich ebenfalls von
großer Bedeutung zu erfragen, wo dieses eingekauft wurde. Anders als etwa japanischer Tee oder
Instantprodukte wie Miso oder japanisches Curry (karē) gaben meine ProbandInnen an, Gemüse
generell nur in Wien zu kaufen und es sich nicht etwa aus Japan mitbringen zu lassen. Die Orte, an
denen Gemüse, aber auch andere Lebensmittel, eingekauft wurden waren u.a. österreichische
Supermärkte wie Spar, Billa oder Hofer, Bioläden wie Denn's Biomarkt, Wochenmärkte wie z.B.
der Meidling Markt oder auch Asialäden wie der koreanische Supermarkt Nakwon oder auch der
chinesische Supermarkt Lili Markt.
Gemüse wurde aber auch oftmals mit Ratschlägen, Erkenntnissen aus Hörensagen oder auch
anderen Aspekten assoziiert. So wurde z.B. von einigen ProbandInnen angegeben niemals auf
Tiefkühlware zurückzugreifen, obwohl andere meinten, gerne Tiefkühlware bei der Zubereitung
von Speisen zu verwenden. Gemüse wurde aber auch mit einer Diät bzw. dem Abnehmen
verbunden. So gab u.a. Frau Kawaguchi an, persönlich keinen Druck zu haben, eine Diät zu
beginnen, jedoch würde sie gerne einmal versuchen, statt Müsli, Gemüse bereits zum Frühstück zu
essen. Andere ProbandInnen wie z.B. Frau Kaneshiro gaben an, schon einmal eine Diät ausprobiert
zu haben, die v.a. daraus bestand, zum Abendessen nur auf Gemüse zurückzugreifen. Wieder
andere wie z.B. die 64-jährige Frau Fukui, die schon seit 21 Jahren in Wien lebt, gaben an, dass es
ihnen Stress bereiten würde, könnten sie einmal kein Gemüse essen. Frau Fukui assoziierte den
Konsum von Gemüse ebenfalls mit ihren nun erwachsenen Kindern, die sich immer gefreut hätten,
wenn sie Speisen mit frischem Gemüse bekommen haben. Das Ehepaar Fukunaga verband Gemüse
auch mit Sicherheit für ihre Kinder, v.a., wenn sie sich in Japan aufhalten würden, deshalb gaben
sie an Gemüse in sicheren Supermärkten wie z.B. COOP zu kaufen, da diese kein Gemüse aus
Fukushima verkaufen würden. Frau Fukunaga erinnerte sich außerdem an eine Sendung, die sie
33
einmal im japanischen Fernsehen gesehen hätte. In dieser wurde die Bedeutung von Gemüse
während der Schwangerschaft näher erläutert. Diese Sendung hätte sie persönlich sehr geprägt,
weshalb sie die dort gegebenen Ratschläge befolgte und auch nach der Geburt ihrer Kinder
weiterhin eine gemüsehaltige Kost gegessen hätte. Auch das tierische Eiweiß wurde wiederum mit
Ratschlägen verbunden. So gaben einige ProbandInnen an, ihre Familie hätte ihnen bereits in ihrer
Kindheit die Wichtigkeit von einer Ernährung mit Gemüse und tierischem Eiweiß erklärt.
Andererseits war jedoch ein anderer Aspekt, dass viele der InterviewpartnerInnen nie daran gedacht
hätten, nur Gemüse zu essen, sich also vegan zu ernähren.
Mit Gemüse wurde jedoch auch das Leben bzw. der Alltag in Japan und Österreich
verbunden. Wobei die Assoziationen sehr verschieden waren. Mit Japan und Gemüse wurde v.a. an
die Ernährung zu Hause erinnert. Zu Hause lebten meist die eigene Mutter bzw. Großmutter oder
sogar beide, welche immer darauf geachtet hätten, dass die gesamte Familie bei jeder Mahlzeit sehr
viel frisches Gemüse zu sich nehmen würde. Diese Erfahrung machte auch Frau Fukui als sie
meinte, japanische Hausfrauen hätten es schwerer als österreichische, da sie viel mehr Zeit in die
Zubereitung von verschiedenen Speisen für jede Mahlzeit investieren müssten. Sie fügte außerdem
hinzu, dass Gemüse sicher in der Generation ihrer eigenen Großeltern eine wesentlich wichtigere
Rolle gespielt hätte, als dies nun der Fall wäre. Trotzdem meinten fast alle ProbandInnen, dass
Gemüse im täglichen Leben in Japan immer noch eine wichtige Rolle spiele, sei es nun im obentō
für die Kinder oder den Ehemann, die die Mütter liebevoll mit Gemüse verzieren würden oder in
der Suppe und dem Gemüseitame, welche die Familie zum Abendessen verzehren würde.
Mit Gemüse in Japan wurde sowohl der Genuss beim Essen als auch die Freude am Kochen
selbst verbunden. So sei es sehr viel leichter als in Österreich, an qualitativ hochwertiges Gemüse
und leckeren Fisch zu kommen. Außerdem wurden auch japanische Fast Food Ketten wie Mos
Burger oder die japanischen Filialen von Subway als positives Beispiel für das schnelle Essen
genannt, da diese, im Vergleich zu ihren Konkurrenten wie Mc Donalds usw., viele Speisen und
Snacks mit hohem Gemüseanteil anbieten würden.
Die einzige etwas negativere Verbindung, die zwischen Japan und Gemüse aufgestellt
wurde, war die Tatsache, dass es in Japan keine Bioprodukte gäbe. Dies wurde von einigen
ProbandInnen als etwas ungewöhnlich oder sogar unpraktisch empfunden.
Wie wurde nun das Gemüse in Österreich wahrgenommen? In Österreich wurden v.a.
Gemüsemärkte wie u.a. der Meidling Markt als positive Beispiele für den Einkauf von frischem
Obst und Gemüse genannt. Mehr als einmal fiel außerdem die Aussage, dass in Österreich lieber
Gemüse als beispielsweise Wiener Schnitzel konsumiert würde. Auch würde bei Pausensnacks
oftmals auf mit Gemüse belegte Brote von Anker oder anderen Bäckereien zurückgegriffen werden.
34
Von vielen InterviewpartnerInnen wurde jedoch der Unterschied zu japanischem Gemüse negativ
hervorgehoben. So empfanden sie Gemüse und Obst in Österreich als von schlechterer Qualität als
das Obst und Gemüse in ihrem Heimatland. Das Positive sei allerdings, dass Gemüse in Österreich
billiger als Gemüse in Japan sei. Als leckeres Gemüse wurden lediglich österreichische Kartoffeln
oder Fenchel bezeichnet.
Bei meinen Gesprächen über Gemüse fielen auch einige Aussagen, die ich als „schlechte
Beispiele“ gruppieren konnte. Diese betrafen ausschließlich die Assoziationen zu Gemüsekonsum
bzw. das Fehlen dieses in Österreich. So wurde es als schlecht empfunden, dass das traditionelle
Frühstück in Österreich kein Gemüse enthalten würde. Auch würde es bei der Jause am Vormittag
mit einer ungesunden Wurstsemmel weitergehen. Im Allgemeinen müsste in der österreichischen
Küche mehr Gemüse verwendet werden. Ohne dieses wurde die österreichische Küche nämlich als
zu deftig, fettig und salzhaltig wahrgenommen. Der fehlende Gemüsekonsum in Österreich wurde
auch mit Zivilisationskrankheiten verbunden. So meinte Frau Fukui u.a.:
Als ich vor mehr als zwanzig Jahren nach Österreich kam, fiel mir auf, dass es hier sehr viele alte Menschen mit
schlechten Beinen oder anderen körperlichen Gebrechen gab. Ich glaube, das Problem mit Österreich ist nicht, dass
eher eine Fleischkultur vorherrscht, als viel mehr, dass es sich um keine Gemüsekultur handelt.
Dieses Fehlen von Gemüse wurde außerdem oft gleichgesetzt mit dem Fehlen von Fisch oder
anderen Meeresprodukten, die auch mit Gesundheit, u.a. mit für den Körper essenziellen Fettsäuren
wie Omega-3 assoziiert wurden. Andererseits wurden Trends wie Vegetarismus und Veganismus
zwar auch mit Gemüse verbunden, jedoch wurde kritisiert, dass es zu viele dieser Trends in
Österreich gäbe und, dass der Bedarf an Eiweiß nicht gedeckt werden könne. Auf diese Trends und
ihre Assoziationen wird jedoch an einer späteren Stelle dieser Arbeit noch genauer eingegangen.
Wie diese Ausführungen zu den Assoziationen, die mit dem Gesundheitsträger Gemüse
verbunden werden, veranschaulicht haben, wird die Bedeutung von Gemüse in den verschiedensten
Zusammenhängen von einer japanischen Community in Wien wahrgenommen. Sei es nun im
Ländervergleich Japan - Österreich, in den täglichen Menüplänen oder an den Orten, wo Gemüse
gekauft wird.
Die wichtigste gedankliche Verbindung von Gemüse ist jedoch der Gesundheitsfaktor,
weshalb immer wieder in meinen Gesprächen hervorgehoben wurde, dass eine gesunde Ernährung
v.a. daraus besteht, auf eine ausgewogene Ernährung mit einem hohen Anteil an Gemüse zu achten.
4.2. Ernährungskosten
Nachdem im letzten Teilkapitel das Gemüse als Gesundheitsträger genauer vorgestellt wurden, soll
35
in diesem Teilkapitel genauer auf den quantitativ wichtigsten Entscheidungsgrund, den Preis von
Lebensmitteln und Speisen, eingegangen werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, wurden diese Gedankenverbindungen der einzelnen Probanden
zum Thema Preise und Geld in Kategorien eingeteilt. Diese sind die Wahrnehmung von Preisen als
teuer oder billig, wobei auch darauf eingegangen werden soll, welche Produkte konkret in Japan
oder Österreich als jeweils teuer oder billig angesehen wird. Andere Kategorien sind, ob der Preis
ein wichtiger Entscheidungsgrund ist, die Bedeutung von Bioprodukten sowie, was konkret getan
wird, um den Preisfaktor möglichst gering zu halten.
Pauschal gesagt war der Preisfaktor ein wichtiger Entscheidungsgrund vieler interviewter
JapanerInnen. So gaben konkret insgesamt 16 Personen an, dass dieser Faktor sie stark bzw. zu
einem gewissen Grad in ihrer Lebensmittelwahl beeinflussen würde. So etwa Frau Furuta, die sagte,
dass sie Rabattkarten und Coupons sammeln würde und ständig auf der Suche nach billigen
Produkten sei:
Ja der Preis ist natürlich ein wichtiger Entscheidungsgrund für mich. Ich suche immer nach Angeboten, ich habe ja
auch z.B. die Billa-Vorteilskarte. Also ich schaue mir die Preise an, und falls es diesen Supermarkt bei mir in der
Nähe gibt, gehe ich hin und kaufe die verbilligten Lebensmittel.
Nur zwei ProbandInnen gaben an, dass Geld keine Rolle spielen würde. So etwa Herr Kanno, der
sehr offen mit seiner Beantwortung über den Stellenwert von Geld in seinem Privatleben sowie bei
der Bedeutung dieses bei der Auswahl von Lebensmitteln und Speisen war. Als Antwort auf meine
Frage, ob denn der Preis ein wichtiger Entscheidungsgrund bei der Auswahl von Essen wäre,
meinte er: „In meiner Familie gibt es keine solche Regel, welche die Ausgaben beschränkt“. Als ich
daraufhin meinte, dass also der Preisfaktor keine größeren Probleme darstellen würde, beschrieb er
mir ausführlich eine Reise nach Paris, die er zusammen mit seiner Ehegattin und seinem Sohn zum
Hochzeitstag unternommen habe:
Letzten Sommer, ach nein, im Sommer vor zwei Jahren feierten ich und meine Frau unseren 30. Hochzeitstag. Also
fragte ich sie, wohin sie denn gerne fahren würde. Da wir alle das Essen lieben und dies für uns schon, wie ein
Ritual geworden ist, meinte sie nur, sie würde gerne in die berühmten Restaurants von Paris fahren. Die sind sehr
teuer. Wir fuhren also eine Woche nach Paris. Dort besuchten wir nur die besten fünf-Sterne-Restaurants. Es ging in
etwa so, auf das Mittagessen folgte das Abendessen und dies ging eine Woche lang so weiter. Wir verbrachten dabei
die meiste Zeit in Restaurants. Für ein Abendessen ließen wir uns beispielsweise bis zu sieben Stunden Zeit. Jeden
Tag! Wir aßen so viel, dass wir keine Zeit mehr für irgendetwas anderes hatten. Unser Mittagessen dauerte auch drei
Stunden, also blieben uns nur noch drei Stunden, zwischen vier und sieben Uhr, um etwas von Paris zu sehen.
36
Wie aus dieser Erzählung geschlossen werden konnte, verfügte die Familie Kanno über genug Geld,
um in Paris die besten Lokalitäten aufzusuchen. Dies lässt sich aber, meiner Meinung nach, nicht
grundsätzlich auf die Ausgaben im Alltag schließen, da es sich um ein besonderes Ereignis, nämlich
den 30. Hochzeitstag gehandelt hat. Da diese Veranschaulichung auch etwas ungewöhnlich für
mich war, fragte ich des Weiteren, ob Herr Kanno denn der Meinung wäre, dass qualitative
Produkte immer teuer sein müssten. Er antwortete darauf: „Das hängt ganz von den Produkten ab.
Ja, es ist wahrscheinlich wirklich sehr stark davon abhängig, was du bekommst“.
Eine Probandin gab außerdem zu bedenken, dass der Geldaspekt nicht so wichtig sei, weil
sie für ihren Aufenthalt in Österreich zuvor viel Geld in Japan angespart hätte. Eine andere
Meinung war außerdem, dass der Preis bei guten Waren bzw. Bioprodukten keine Rolle spielen
würde. Die Eltern unter den ProbandInnen waren außerdem der Meinung, dass Geld v.a. wegen der
Kinder eine Rolle spielen würde bzw. gespielt hätte. Dabei muss jedoch unterschieden werden, dass
die gegenteiligen Antworten „ Bioprodukte sollten für die Kinder gekauft werden“ oder „Wenn
Kinder da sind, essen diese zu viel, weshalb auf Bioprodukte oder teures Essen verzichtet werden
sollte“, beide genannt wurden und es deshalb zu einer geteilten Meinung gekommen ist. Frau Fukui
beantwortete meine Frage nach der Wichtigkeit des Preises im Zusammenhang mit Kindern sehr
ausführlich:
Aaaa, aaa! Hmmm, also ich denke, das trifft nicht für Haushalte mit Kindern, die sehr viel essen zu, aber unsere
Kinder sind schon erwachsen und deshalb gehe ich jetzt für ca. zwei Drittel der Einkäufe nicht in normale
Supermärkte, sondern in den Biosupermarkt Denn's. Dort gehe ich wirklich oft hin. Zu einem Drittel gehe ich,
glaube ich, zu Billa. Spar ist zwar auch in der Nähe, aber die nächsten Einkaufsmöglichkeiten sind Denn's und Billa,
weshalb ich diese beiden Supermärkte auswähle. Fleisch kaufe ich generell nie bei Billa, sondern immer bei Denn's.
Ja, und Gemüse kaufe ich auch fast immer bei Denn's. Bei Billa gibt es zwar mehr Auswahl bei anderen Dingen,
jedoch ist bei Denn's die Auswahl an Gemüse, Gewürzen und Fleisch sicher viel größer. Natürlich ist bei Billa das
Fleisch billiger, aber da ich nicht so viel Fleisch esse ist das, denke ich, in Ordnung. Das ist natürlich nur eine
gefühlsmäßige Entscheidung, aber ich fühle mich einfach sicherer, wenn ich solche Dinge bei Denn's und nicht bei
Billa kaufe.
Für sie ist also der Bioaspekt besonders bei Fleisch, Gewürzen und Gemüse am wichtigsten und der
Preisfaktor nimmt eher eine untergeordnete Rolle ein. Gleichzeitig betonte Frau Fukui jedoch
immer wieder, wie teuer solche Supermärkte wie Denn's seien und, dass es nur möglich ist, dort
tägliche Einkäufe zu tätigen, wenn keine kleinen Kinder im Haus seien und nur wenig gegessen
würde.
Bioprodukte waren allerdings nicht nur für Eltern ein wichtiges Thema, sondern wurden bei
fast jedem Interview im Bezug auf den Preis bzw. den Geldaspekt genannt. Mit Bioprodukten
37
verbanden meine InterviewpartnerInnen u.a. eine gute Qualität, Biobananen oder die Tatsache, dass
sie teurer als andere Lebensmittel sind.
Was wurde nun in Österreich als teuer angesehen? U.a. wurden japanische Restaurants als
teuer bezeichnet und in diesen v.a. das angebotene Sushi. Ebenso war es sehr bedauernswert für die
ProbandInnen, dass die Asialäden in Österreich dieselben Produkte, die in Japan billig gekauft
werden könnten, für einen viel höheren Preis verkaufen würden. Als besonders teuer wurden in
diesen Supermärkten Produkte wie Sojasoße oder omochi (Reiskuchen) wahrgenommen. Wie Frau
Kaneshiro aber treffend gesagt hatte: „Natürlich ist es teuer, aber ich kaufe in Österreich trotzdem
Sojasoße. Omochi lasse ich mir aber aus Japan mitbringen. Der Unterschied liegt darin, dass
Sojasoße eine grundlegende Zutat ist, während ich omochi v.a. als Belohnung esse“. Genauso
wurde es auch bei vielen anderen JapanerInnen in Wien gehandhabt. Fleisch, besonders von
Schwein und Huhn, wurde in Österreich auch als sehr teuer wahrgenommen. So meinten einige
ProbandInnen, dass sie statt auf Filet auf billigere Fleischsorten zurückgreifen würden. Aber nicht
nur selbst Zubereitetes, auch das Essen in österreichischen Restaurants fanden die JapanerInnen
sehr teuer. Wichtig ist dabei festzuhalten, dass die einzigen österreichischen Speisen, die in den
Interviews genannt wurden, Wiener Schnitzel, Tafelspitz, Gulasch oder Käsespätzle waren.
Darunter wurden Tafelspitz und Wiener Schnitzel als sehr teuer empfunden. Genauso verhielt es
sich auch mit Kuchen und Kaffee in einem der zahlreichen Wiener Cafés. Diese Freuden wurden
von den JapanerInnen auch als eher teuer eingestuft. Was noch als nicht billig angesehen wurde,
war Fisch. Dieser wurde jedoch laut eigener Aussage der meisten TeilnehmerInnen fast gar nicht
konsumiert. Das jedoch wichtigste Beispiel war die österreichische Mensa. Diese wurde fast von
allen, v.a. den jüngeren InterviewpartnerInnen, als sehr kostspielig empfunden.
Natürlich war es nicht genug nur die Produkte und Speisen, die in Österreich als teuer
empfunden wurden, aufzudecken, weshalb ich die gesamten Interviews ebenfalls auf Anzeichen
von mit teuer assoziierten Lebensmitteln in Japan durchsucht habe. In Japan gab es eine eindeutige
Tendenz dazu, auswärts zu essen als nicht billig anzusehen. So wurden neben gehobenen
Restaurants auch Fast Food Restaurants wie Mc-Donald‘s, Kentucky Fried Chicken (KFC), Mos
Burger usw. als teuer empfunden. Fleisch wurde ebenfalls als sehr teuer erachtet. Ein extremes
Beispiel ist hierbei das Kōbe Beef. Aber auch Spezialitäten wie Käse, Bier oder auch Gemüse oder
Obst wurden als wesentlich teurer als in Österreich angesehen. Als teuerste Stadt wurde die
Hauptstadt Tōkyō genannt.
Was wurde nun in den beiden Ländern als preiswert bezeichnet? Als starkes, im Kontrast zu
Japan stehendes Beispiel wurden in Österreich Produkte wie Milch, Gemüse oder Obst genannt.
Jenes Produkt, welches als billigstes empfunden wurde, waren dabei die Kartoffeln. Aber auch
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Produkte wie Gemüse, inklusive Biogemüse, Obst, Wein oder Käse wurden mit billig assoziiert.
Die beiden Supermärkte, die als die billigsten und teilweise sehr gut empfunden wurden, waren
Hofer und Lidl. Das Brot im Supermarkt Lidl wurde dabei besonders als positives Beispiel
wahrgenommen. Auch Imbissstände empfanden die JapanerInnen in Wien als sehr billig, was
mitunter auch ein Grund ist, dass sie öfters auf Würstchen, Kebab oder Pizza zurückgreifen. Zwar
wurde selber kochen als das Billigste in Wien empfunden, jedoch wurden auch Beispiele für
billiges Essen auswärts genannt. Ein Beispiel darunter war das Mittagsmenü im Café Edison. Auch
interessant war, dass asiatische Produkte, die nicht in Asialäden, sondern im Supermarkt verkauft
werden, u.a. auch Tee oder Reismehl, als billig assoziiert wurden.
Obwohl die obigen Beispiele gezeigt haben, dass ziemlich viele Lebensmittel in Wien als
billig empfunden werden, gab es auch Assoziationen von preiswertem Essen in Japan. Obwohl als
teures Beispiel das auswärtige Essen genannt wurde, gibt es auch Restaurants in Japan, die als billig
empfunden werden. Darunter u.a. chinesische Restaurants und izakaya (japanische Kneipen). Das
wichtigste Beispiel für preiswertes Essen war wohl die japanische Mensa. Außerdem wurde in
Japan, im Gegensatz zu Österreich, Hühnerfleisch als billig empfunden. Auch das für Japan sehr
wichtige obentō sei billig, sofern es selbst zubereitet werde. Frau Kaneshiro empfand außerdem
Gemüse in kleinen Packungen aus dem konbini als billig. Ihr Grund dafür war, dass die Packungen
schnell und ganz aufgegessen werden könnten und es deshalb billiger wäre, als für sich alleine
Gemüse selbst zu kochen, welches dann vielleicht nicht gesamt verzehrt und schließlich
weggeworfen werden müsste. Da Wien als Hauptstadt der Kaffeekultur genannt werden könnte,
wurden Kuchen und Torten ebenfalls oftmals während der Gespräche genannt. Während diese
jedoch in Österreich als sehr teuer empfunden wurden, seien sie in Japan billig. Außerdem billiger
als in Österreich wären Eier und Pilze.
Nachdem nun die Assoziationen von billig und teuer, Geld als Entscheidungsmittel und
Bioprodukte näher beschrieben wurden, soll abschließend vorgestellt werden, was die JapanerInnen
in Wien nun konkret tun, um Geld zu sparen und trotzdem auf die von ihnen gewünschten
Lebensmittel und Speisen zurückgreifen zu können. Um auf ihre geliebten japanischen Zutaten
zurückgreifen zu können, gaben viele meiner ProbandInnen an, sich Produkte wie Tee oder Miso
aus Japan mitbringen zu lassen. Sie meinten, dies wäre immer noch billiger, als diese in einem der
Asialäden in Wien zu kaufen. Besonders meine jüngeren InterviewpartnerInnen gaben außerdem an,
sich selbst ein tägliches Geldlimit zu setzen. Meist durfte dieses zehn Euro nicht überschreiten.
Dieses Limit war zu Mittag oft geringer als zu Abend. Viele zogen auch eine Grenzlinie bei der
Entscheidung von Bio- oder Nicht-Bioprodukten. So gaben sie an, Bioprodukte zu kaufen, wenn
diese nicht mehr als drei Euro teurer als Nicht-Bioprodukte wären. Die meisten meiner
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ProbandInnen meinten zwar, dass sie beim Essen in Restaurants nicht so sehr auf den Faktor Geld
achten würden, gleichzeitig gaben sie jedoch zu, Lokale oftmals nach dem Preis auszuwählen.
Generell tendierten die JapanerInnen dazu, zu billigen Früchten zu greifen und dabei nicht auf deren
Herkunft zu achten. So wurde auch angegeben, Früchte aus Spanien usw. zu kaufen. Grundsätzlich
wurde von zwei gleichartigen Produkten meistens das billigere gekauft. Auch bei der Wahl der Orte,
an denen eingekauft wurde, wurden meist Diskonter wie Hofer gegenüber teureren Supermärkten
wie Billa bevorzugt. Der Vergleich von Angeboten spielt auch eine essenzielle Rolle in der
Lebensmittelwahl. So könne man sich für die billigsten Produkte entschieden. Frau Kawaguchi
verbildlichte dies besonders gut, als sie meinte, sie würde immer das billigste Müsli für ihr
Frühstück kaufen. Wie bereits erwähnt, meinten die JapanerInnen auch, eher zu kleinen Packungen
zu greifen, dies v.a. darum, weil sie oft alleine oder nur zu zweit leben würden. Abschließend kann
noch gesagt werden, dass billiges Fleisch von beinahe allen ProbandInnen als von schlechter
Qualität assoziiert wurde. Sie würden deshalb bei Fleisch eher kleine Mengen kaufen oder Fleisch
generell nur zu besonderen Anlässen konsumieren.
In diesem Teilkapitel wurden die Assoziationen zum Thema Geld bzw. Preis genauer
vorgestellt. Die befragten, in Wien lebenden JapanerInnen achten auf ihre Ausgaben und gaben
auch an, dass der Preisfaktor sehr wohl eine gewisse Rolle bei der Entscheidung für ihre tägliche
Ernährung spielen würde. Bioprodukte genossen ein generell gutes, jedoch sehr teures Image. Als
teuer wurden in Österreich Fisch, Schweine- und Hühnerfleisch oder japanische Produkte in
Asialäden wahrgenommen. In Japan hingegen wurden Restaurants und Fast Food als teuer
angesehen. In Wien seien österreichische Spezialitäten wie Käse, Milch, Gemüse, Kartoffeln und
Wein billig. In Japan wiederum schlugen die Mensas an Universitäten jeden Rekord, wenn es um
eine preiswerte Küche geht.
Im nächsten Teilkapitel sollen nun die vorhergegangenen Teilkapitel noch einmal genauer
aufgegriffen werden, indem die individuellen Entscheidungsgründe für gewisse Lebensmittel und
Speisen der ProbandInnen vorgestellt werden.
4.3. Individuelle Entscheidungsgründe und Menüpläne
In den vorhergegangenen Teilkapiteln zur Lebensmittelauswahl einer in Wien lebenden japanischen
Community wurden bereits die beiden, auch quantitativ, wichtigsten Entscheidungsgründe, Preis
und Gesundheit, genauer beschrieben. In diesem Kapitel soll nun versucht werden anhand der
dreitägigen Speisepläne von ausgewählten JapanerInnen, auf deren individuelle
Entscheidungsgründe stärker einzugehen.
Als letzten Punkt meiner ausführlichen Gespräche mit JapanerInnen, die schon seit
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mindestens sechs Monaten in Wien leben, wurde abschließend noch einmal auf ihre persönlichen
Entscheidungsgründe für ein bestimmtes Essen eingegangen. Dabei sollte zum einen kontrolliert
werden, ob die vorhergegangenen Antworten mit den eigentlichen Intentionen zusammenpassen
und andererseits noch einmal auf neue Erkenntnisse gestoßen werden.
Insgesamt wurden 25 JapanerInnen im Alter von 20 bis 64 Jahren interviewt. Diese
Personen wurden alle nach den Speisen, die sie die letzten drei Tage gegessen hatten sowie nach
den allgemeinen Gründen für ihre Lebensmittelwahl befragt. Dabei war es auch möglich, mehrere
Gründe anzugeben.
Neben den bereits ausführlich besprochenen Gründen des Preises sowie der Gesundheit für
eine bestimmte Lebensmittelwahl gaben die JapanerInnen des Weiteren noch 27 andere individuelle
Gründe für ihre persönliche Ernährungsweise an. Da die qualitative Beschreibung dieser den
Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, soll in diesem Kapitel ausnahmsweise eine quantitative
Reihung mit qualitativen Beispielen vorgenommen werden.
Der nach den beiden Faktoren Preis und Gesundheit insgesamt drittwichtigste Punkt war,
dass die Speisen gegessen würden, die von den jeweiligen ProbandInnen gemocht werden.
Insgesamt fünf ProbandInnen gaben diesen Entscheidungsgrund an. Unter ihnen befand sich auch
Frau Furutani, die diesen sogar als Hauptentscheidungsgrund ihrer täglichen Ernährung angab.
Der nächstwichtigste Entscheidungsgrund war ein sehr ähnlicher, nämlich jener, dass gerade
das gegessen werden würde, auf das die JapanerInnen im Moment Lust hätten. Insgesamt wurde
dieser Grund viermal genannt.
Gleichauf liegt das Sicherheitsverständnis. Hierbei war es den befragten ProbandInnen
wichtig, dass ihr Essen sicher wäre. Dieser Punkt spielte jedoch v.a. dann eine Rolle, wenn die
Ernährungsgewohnheiten in Österreich und Japan und deren Besonderheiten beschrieben wurden.
So meinten u.a. Herr und Frau Fukunaga, dass dieser Punkt in Österreich nicht von zu großer
Bedeutung wäre, sie in Japan jedoch niemals auf Produkte aus der Region Fukushima zurückgreifen
würden und dies sogar bei ihrer Auswahl von Supermärkten ein wichtiger Entscheidungsgrund wäre.
Insgesamt kann jedoch gesagt werden, dass die JapanerInnen in Wien ein sehr großes Vertrauen in
die österreichische Lebensmittelindustrie haben und sogar bei Produkten, die aus anderen
europäischen Ländern wie Spanien oder Italien stammen, ungezwungen zugreifen.
Ein Punkt, der insgesamt dreimal als wichtiger Entscheidungsgrund genannt wurde, ist die
Frische der Lebensmittel. Ein Beispiel dafür ist Frau Fukuda, für die die Frische sogar den
wichtigsten individuellen Entscheidungsgrund darstellt. Bereits während unseres Gesprächs fiel mir
auf, dass Frau Fukuda immer wieder betonte, besonders auf frische Speisen wie Salate oder
Gemüsesuppen zurückzugreifen. Deshalb wollte ich mich zuletzt noch einmal vergewissern, ob
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denn diese Frische bei Lebensmitteln einen wichtigen Entscheidungsgrund darstellte. Daraufhin
antwortete Frau Fukuda:
Ja, genau so [lacht]. Ja, natürlich achte ich auf die Frische beim Essen, außerdem kann es schon vorkommen, dass
ich etwas kaufe, was gerade im Angebot ist. Ich möchte außerdem Zutaten kaufen, die leicht zuzubereiten sind.
Zuletzt entscheide ich mich meistens einfach für jene Dinge, die ich gerne essen möchte.
Ebenfalls gleichauf mit der Frische der Speisen und Zutaten, liegt der individuelle Grund, viel
tierisches Eiweiß zu sich zu nehmen, welcher auch insgesamt dreimal genannt wurde. Als Klassiker
für die tägliche Eiweißzufuhr wurde Joghurt genannt, welches v.a. zum Frühstück verzehrt würde.
Besonders in Erinnerung ist mir hierbei Frau Furuya geblieben, die sehr darauf achtet, mindestens
eine Woche lang dasselbe Joghurt zu essen, damit der Eiweißhaushalt und somit die Darmflora
angeregt werden würde.
Jeweils zweimal genannt wurden die Entscheidungsgründe der langen Haltbarkeit,
Bioprodukte, Geschmack und, dass es sich um qualitativ hochwertige, gute Zutaten handeln müsse.
Die lange Haltbarkeit wurde u.a. von Frau Furukawa erwähnt, die weil sie alleine lebt, großen Wert
darauf legen würde, dass sich die Lebensmittel lange halten würden und sie vorzugsweise auch auf
Lebensmittel zurückgreifen würde, die nicht im Kühlschrank gelagert werden müssten. Bei den
Bioprodukten ist Frau Fukui wohl das Paradebeispiel, denn sie legt sehr großen Wert auf diese, vor
allem bei Gemüse und Fleisch. Ihr einziger Anbieter ist der Biosupermarkt Denn's, bei dem sie vor
allem die Frische und Auswahl der Produkte schätzt. Jedoch meinte sie auch, dass sie sich das nur
leisten könne, oder alle Personen allgemein sich so einen Biosupermarkt nur leisten könnten, wenn
sie keine kleinen Kinder mehr hätten, die viel essen müssten, denn z.B. Denn's würde für seine
Produkte bis zu fünfmal mehr Geld verlangen als andere Supermärkte wie z.B. Billa oder Spar.
Der Entscheidungsfaktor Geschmack wurde bei zwei männlichen Probanden als wichtiger
Faktor für die tägliche Wahl von Lebensmitteln und Speisen genannt. Dabei war den beiden Herren
v.a. wichtig, dass dieser Geschmack auch an den Geschmack der Speisen in Japan herankommen
könnte. Frau Furuya, die bereits eine Ernährung mit tierischem Eiweiß als wichtig empfand, war
eine derjenigen ProbandInnen, die anstelle des Geldfaktors eher den Faktor der qualitativ
hochwertigen Produkte zu schätzen wusste. So gab sie an, dass sie sich meist für gute Produkte,
auch von v.a. Wochenmärkten, entscheiden würde.
Jeweils einmal genannt wurden solche Entscheidungsgründe wie: leicht zuzubereitende
Speisen, traditionell japanische Speisen, Speisen, die aufgrund bestehender Allergien problemlos
gegessen werden können, ein breites Angebot an Speisen, Abwechslung von Speisen verschiedener
Länder usw.
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Zu Beginn meiner Interviews fragte ich die ProbandInnen, was sie an den drei Tagen vor
unserem Gespräch zum Frühstück, Mittagessen und Abendessen gegessen hätten. Wie ich in meiner
Annahme schon gedacht hatte, bestätigte sich, dass die JapanerInnen in Wien häufig japanische
Speisen essen würden. Eine große Ausnahme war jedoch das Frühstück, bei dem v.a. Joghurt oder
Früchte, aber auch süßes Brot gegessen wurde. Müsli oder Toast standen auch auf der Liste der
beliebtesten Frühstücksarten. Sogar von Frau Furuya, die sonst nur japanische Speisen zu sich
genommen hatte, wurde zum Frühstück am liebsten Joghurt und Porridge verzehrt. Die Getränke
waren ebenfalls eine bunte Mischung aus Kaffee, Tee, Wasser und Fruchtsäften, die entweder frisch
gepresst oder fertig gekauft wurden. Ich fragte jeweils auch noch, wie es denn in Japan ausgesehen
hätte und dabei bestand der größte Unterschied beim Frühstück. Die ProbandInnen gaben an, in
Japan eher auf Misosuppe, Fisch und Reis zurückgegriffen zu haben.
Das Mittagessen bestand jedoch bei den meisten ProbandInnen, ähnlich wie in Japan, aus
kleinen, leichten Speisen, die schnell zubereitet werden konnten. Hierbei dominierten v.a. insutanto
rāmen, udon, belegte Brote von Bäckereien, Reste von Speisen des Abendessens vom Vortag, wie
z.B. Gemüse und Reis oder auch ausländische Speisen wie Nasi Goreng oder Chili con Carne. Das
Mittagessen in Japan bestand ähnlich wie jenes in Österreich meist auch aus kleinen Snacks wie
insutanto rāmen oder udon, die aber anders als in Österreich, auch auswärts, z.B. in kleinen
Restaurants, gegessen wurden. In Österreich wird das Mittagessen v.a. daheim gegessen, bzw. zur
Arbeit oder an die Universität mitgenommen.
Das Abendessen könnte jedoch als typisch japanisch eingestuft werden. Bei diesem gaben
die befragten JapanerInnen an, sich besonders viel Zeit bei sowohl der Zubereitung als auch dem
Verzehr zu nehmen und dieses deshalb besonders auszukosten. Hierbei wurden v.a. traditionelle
japanische Speisen wie tonkatsu, Misosuppe, nimono, agemono, Reis usw. genannt. Das
Abendessen in Japan sehe auch meist sehr reichhaltig aus, meinten die befragten JapanerInnen,
wobei es in Japan noch mehr Auswahl an Fisch und Meeresfrüchten geben würde, auf die gerne
zurückgegriffen werden würde.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die JapanerInnen neben den beiden wichtigsten
Entscheidungsmerkmalen des Preises und der Gesundheit auch auf die Frische, Qualität und
Sicherheit der Zutaten achten. Außerdem entscheiden sie sich meist einfach nur für Speisen, die sie
gerade gerne essen möchten. Dies spiegelte sich auch in den Menüplänen wieder, die besonders
abends von japanischen Gerichten dominiert wurden.
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5. Ernährung und Kultur
Im vorhergegangenen Kapitel wurden die beiden wichtigsten Entscheidungsfaktoren Gesundheit
und Preis, sowie die individuellen Gründe der einzelnen JapanerInnen für eine gewisse
Lebensmittelwahl genauer analysiert. Ziel dieses Kapitels ist es nun, die kulturellen Hintergründe
sowie die Wahrnehmung einer japanischen und österreichischen Küche näher zu beschreiben.
5.1. Österreichische Küche und Ernährung
Bevor auf das eigentliche Ziel, die Wahrnehmung der österreichischen Küche, bei schon seit
längerer Zeit in Wien lebenden JapanerInnen, eingegangen werden kann, sollen kurz einige Details
zu den zwei bedeutsamsten Gerichten dieser Küche sowie der Ernährungsweise der
ÖsterreicherInnen gegeben werden.
Wer kennt es nicht, das berühmte Wiener Schnitzel, doch wie kam es eigentlich dazu, dass
diese Fleischspeise weltweit bekannt und auch beliebt wurde? Mit Fragen wie dieser beschäftigt
sich auch der Kulturwissenschaftler Peter Peter. So erklärt er, dass die österreichische Küche ihre
Anfänge bzw. wichtigsten Einflüsse eigentlich aus den früheren Mitgliedsländern der
österreichisch-ungarischen k. u. k. Monarchie erhielt. Ob Mehlspeisen aus Böhmen oder Korn und
Gemüse aus Galizien, die Monarchie verfügte über eine unendliche Auswahl an Gerichten und
kulinarischen Schätzen aus allen Teilen ihres Herrschaftsgebietes. Eine Besonderheit der
österreichischen Küche liege laut Peter auch darin, dass sie an traditionellen Speisen festhalten und
sich nicht zu sehr von außen beeinflussen lassen würde. So gäbe es heute zahlreiche alteuropäische
Speisen nur noch in Österreich. Gegenteilig dazu stellt der Kulturwissenschaftler die kulinarische
Bedeutung der österreichischen Bundesländer dar. Sei es eine alpine Küche in Vorarlberg und Tirol
oder auch Weinanbaugebiete im Burgenland. Jede regionale Eigenheit würde somit der
österreichischen Küche dazu verhelfen, das zu bleiben, was sie heute wäre (Peter 2013:7).
Um zum Wiener Schnitzel zurückzukommen, erzählt Peter die lange Geschichte der
Ähnlichkeit zwischen zwei panierten Fleischspeisen. So soll es General Radetzky gewesen sein, der
während seiner Zeit in Mailand der 1850er Jahre das costoletta alla milanese (paniertes Kotelett
italienischer Herkunft) zu schätzen lernte. Um diese Köstlichkeit ebenfalls in sein Heimatland zu
bringen, soll er das Rezept einem Wiener Hofkoch mitgeteilt haben. Diese Legende ist jedoch nicht
die Einzige, die sich um das wohl berühmteste Gericht Österreichs rankt. Wie viele andere Speisen
auch erhielt das Wiener Schnitzel seinen regionsspezifischen Namen erst dadurch, dass im Ausland
darüber berichtet wurde. In Österreich selbst erhielt das „Wiener Schnitzel“ erst 1902 seinen
offiziellen Namen, der als Reaktion auf ausländische Publikationen dieses Rezeptes ganz bewusst
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den Ortsnamen Wien enthielt (Peter 2013:91-94).
Neben dem Wiener Schnitzel ist der Tafelspitz ein weiteres Gericht, das die traditionell
österreichische Küche dominiert. Als Österreich und Ungarn nach dem Ersten Weltkrieg zu eigenen
Staaten wurden, wurde die Bezeichnung Tafelspitz eingeführt, um die Qualität von
österreichischem Rindfleisch noch einmal hervorzuheben und dieses nicht nur als typisches Gericht,
sondern auch als charakteristischen Wiener Lebensstil zu vermarkten. War laut Peter die Auswahl
an Beilagen zu dieser Zeit größer, wird die Speise heutzutage meist mit Apfel- bzw.
Schnittlauchsoße serviert (Peter 2013:99).
Für ein Verständnis einer bestimmten regionalen Küche ist es außerdem von größter
Bedeutung die Grundnahrungsmittel der jeweiligen Länder genauer zu erläutern.
Tanja Resch geht in ihrer 2008 veröffentlichten Diplomarbeit auf diese essentiellen
Lebensmittel und die Veränderung ihrer Bedeutung in der Ernährung der österreichischen
Bevölkerung ein. Zu einem der wichtigsten Lebensmittel in sowohl Österreich als auch in den
meisten Industrienationen weltweit kann immer noch Fleisch gezählt werden, dies obwohl
zahlreiche Trends, auf die teilweise an späterer Stelle noch eingegangen wird, den Konsum von zu
viel Fleisch und Fleischprodukten als ungesund bzw. unmoralisch bezeichnen. Laut Resch war der
Verzehr von Fleisch im Österreich der 1960er Jahre ein wichtiger Beleg des hohen Lebensstandards
im Land. Dies war jedoch historisch betrachtet nicht immer der Fall. So konnte sich v.a. im 18. bzw.
19. Jahrhundert nur eine Elite den Konsum von Fleisch leisten, während eine ärmere Schicht auf
diesen fast gänzlich verzichten musste. In Österreich herrschte während der Zeit des Zweiten
Weltkriegs ein akuter Mangel an Fleisch, dies obwohl während der späten 20er Jahre ein relativ
hoher pro Kopf Verbrauch gemessen werden konnte. Nach dem Zweiten Weltkrieg glich sich dieser
Mangel für kurze Zeit wieder aus, bevor es in den 1950ern abermals zu Engpässen bei der
Lieferung von Fleisch aufgrund außenpolitischer Probleme kam. Während bis in die frühen 1960er
Jahre Fleisch nur am Wochenende verzehrt wurde, fanden sich Fleisch und Fleischprodukte ab dem
Ende dieses Jahrzehnts vermehrt auf den Tellern der ÖsterreicherInnen und wurden innerhalb der
nächsten Jahrzehnte zu etwas Alltäglichem. In der Gegenwart hat der zu hohe Fleischkonsum längst
schon zu gesundheitlichen und umweltpolitischen Problemen, wie z.B. Übergewicht und
Abholzung, geführt (Resch 2008:11-14).
Die Problematik, die mit einem erhöhten Fleischkonsum einhergeht, hat sicher auch dazu
geführt, dass im Jahre 2000 in einer von Kiefer, Haberzettl und Rieder durchgeführten
österreichischen Ernährungsstudie, ein Drittel der männlichen und noch mehr weibliche
ProbandInnen angaben, ihr Essverhalten dahin gehend verändert zu haben, weniger Fleisch zu sich
zu nehmen. Die ProbandInnen gaben außerdem an, eher wenige Fleischgerichte zu essen, sondern
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auf Pasta, Gröstl oder andere Gerichte zurückzugreifen, die nur wenig Speck oder Schinken
enthalten. Generell ist für eine ernährungsbewusste österreichische Konsumentenschaft wichtig,
sich fett- bzw. kalorienarm zu ernähren (Kiefer et al. 2000:3-4).
Ein weiteres, besonders als Abgrenzung von Europa und Asien, immer wieder gebrauch-
findendes Lebensmittel ist Brot bzw. andere Getreideprodukte. Laut Resch galt Brot insbesondere
nach den harten Kriegsjahren als wichtiger Energielieferant. Dieser Trend ging jedoch bis zu den
späten 80er Jahren kontinuierlich zurück. Mit Vollkornprodukten zu Beginn der 90er Jahre erlebte
der Konsum von Brot und Gebäck jedoch wieder einen Aufschwung und liegt gegenwärtig im
Mittelfeld eines europäischen Gesamtkonsums (Resch 2008:15).
Auch in der Studie von Kiefer et al. zeigt sich die Liebe der österreichischen Bevölkerung
zu Brot und Gebäck. Diese spiegelt sich v.a. beim gewöhnlichen Frühstück wieder, welches meist
aus einem Marmeladen- bzw. Honigbrot bestehen würde. Auch bei den Zwischenmahlzeiten
würden Wurstsemmel und andere Brotsnacks einen wichtigen Stellenwert einnehmen (Kiefer et al.
2000:4-6).
Als drittwichtigste Grundnahrungsmittel werden von Resch Milch- bzw. Milchprodukte
bezeichnet. Galt der Konsum von Milch, besonders in der Form von Milchsuppe, bis zum 20.
Jahrhundert v.a. für eine ländliche Bevölkerung als essenzieller Bestandteil der Ernährung, so
wurde er spätestens in den Jahren während des Zweiten Weltkriegs wesentlich bedeutender. U.a.
wurde zu dieser Zeit auch eine Schulmilchaktion, die dabei helfen sollte, Kinder im Schulalter mit
wichtigen Nährstoffen zu versorgen, gestartet. Diese Aktion dauerte bis in die Mitte der 90er Jahre
fort. Seitdem sank jedoch auch der allgemeine Konsum von Milch rapide. Zu den anderen
nennenswerten Milchprodukten, die in Österreich gerne verzehrt werden, zählen Joghurt, Käse,
Butter und Sahne. Obwohl der Verbrauch von besonders Käse nur im europäischen Mittel liegt,
nimmt besonders die Bedeutung von Joghurt als Lieferant für probiotische Wirkstoffe stetig an
Bedeutung zu (Resch 2008:16-17).
Nachdem nun anhand Peters kulturwissenschaftlicher Forschung zur österreichischen Küche
der Ursprung der beiden wichtigsten Gerichte, Wiener Schnitzel und Tafelspitz knapp erläutert und
Fleisch, Brot und Milch bzw. Milchprodukte als drei essenzielle Lebensmittel in Österreich
aufgezählt wurden, soll im nächsten Teilkapitel auf die Wahrnehmung des Gesundheitsaspekts der
österreichischen Küche, bei den JapanerInnen in Wien, eingegangen werden.
5.1.1. Gesundheit oder „Ungesundheit“ der österreichischen Küche
Während der Gespräche mit den japanischen ProbandInnen wurde deutlich erkennbar, dass einer
ihrer wichtigsten Entscheidungsgründe für die Auswahl der täglichen Mahlzeiten der
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Gesundheitsaspekt war. Dies wurde umso deutlicher, als die Gespräche auf die österreichische
Küche und das Denken zu dieser fielen. So kann zusammengefasst gesagt werden, dass die
Mehrheit der befragten JapanerInnen diese Esskultur als ungesund, da zu fett- bzw. salzhaltig,
wahrnimmt. In diesem Teilkapitel soll deshalb genauer auf diesen Sachverhalt und die Gedanken
der einzelnen InterviewpartnerInnen eingegangen werden.
Wie wird nun die österreichische Küche wahrgenommen? Generell sind die meisten
JapanerInnen der Meinung, dass Österreich keine große Gemüsekultur besitzt. Gemüse werde zwar
gegessen und besonders die Salate in Restaurants genossen ein sehr positives Image, jedoch sei
generell eine Fleischkultur vorherrschend.
Ein weiterer Punkt, der bei österreichischem Essen kritisiert wurde, war die geringe
Auswahl an Süßigkeiten, Gemüse, Fertiggerichten und generellen Zutaten. So erzählte mir Frau
Fukui von den Erfahrungen ihrer Kinder, als sie vor mehr als zwanzig Jahren nach Österreich
kamen:
Als meine Kinder in den Supermarkt gingen und sich dort die Süßigkeiten ansahen, kamen sie ganz enttäuscht zu
mir zurück und meinten, dass es in Österreich überhaupt keine Süßigkeiten gäbe. In Japan ist das nicht so, es gibt so
viele Leckereien, sogar Marshmallows, in Österreich gibt es nur Schokolade, das fanden sie etwas eintönig.
Das wohl wichtigste Image von österreichischen Speisen ist wohl, dass sie simpel seien.
Während in japanischen Menüs viele verschiedene v.a. kleine Nebengerichte gereicht werden,
kritisierten die JapanerInnen, dass österreichische Mahlzeiten meist nur aus zwei, höchstens drei
verschiedenen Speisen bestehen. Es gebe größtenteils nur Fleisch, Nudeln und Kartoffeln.
Besonders beim Wiener Schnitzel wird die Beilage des Kartoffelsalats bemängelt.
Wie bereits erwähnt, genießt das österreichische Essen neben einem einfachen auch ein fett-
und salzhaltiges Image. Dies auch besonders deshalb, weil es aus zu vielen Fleischgerichten bestehe.
Herr Fujimoto war wohl jener Proband, der von der österreichischen Küche am wenigsten begeistert
war. So war diese für ihn ein Inbegriff von ungesundem Essen: „Warum?! Weil die österreichischen
Speisen zu viel Salz und Fett enthalten. Das ist wirklich nicht gesund. Das ist sogar sehr ungesund!
Auch für den Körper ist das nicht gut“. Er war sogar so schockiert, dass er noch auf gewisse, seiner
Meinung nach für die Gesundheit schlechten Speisen einging:
Also ich denke, dass die österreichische Küche fast zur Gänze zu deftig ist. Das Wiener Schnitzel ist z.B. viel zu
fettig. Also auch diese Schweinshaxe oder wie das heißt … Ja diese Schweinshaxe ist viel zu deftig. Sie ist
ungeheuer salz- und fetthaltig. Ich werde sie bestimmt kein zweites Mal mehr essen.
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Diese Meinung wurde jedoch nicht von allen ProbandInnen geteilt. Zu der Frage, ob Herr
Fujimura österreichische Speisen ebenfalls fettig finde, meinte er, dass er gerne auf etwas deftigere
Speisen zurückgreife und dies deshalb für ihn kein Problem darstelle. Er meinte außerdem, dass
auch in Japan viele Speisen wie z.B. tempura oder rāmen sehr fettig seien. Nach der Frage, ob er
österreichisches Essen simpel finden würde, meinte er, ihm sei es lieber, so wie in Österreich simple
Speisen zu essen als sich durch eine falsche Art zu essen zu blamieren, wie das in Japan oftmals
passieren könne.
Die meisten InterviewpartnerInnen meinten auch, dass sie nie oder sehr selten
österreichische Speisen selbst zubereiten würden. Das Problem dabei liege v.a. darin, dass sie
einfach nicht wissen würden, wie diese Speisen gekocht werden müssten. Generell zeigten jedoch
die meisten ProbandInnen ein großes Interesse daran, auch die Zubereitung österreichischer Speisen
zu erlernen. Frau Fukui war eine derjenigen, die eine große Neugierde zur Zubereitung von
österreichischen Gerichten zeigte und auch das Glück hatte, sich diese von einer österreichischen
Bekannten erklären zu lassen:
Ja, das war Monika. Sie kam extra aus dem Burgenland zu uns nach Wien und erklärte mir und noch ein paar
anderen Japanerinnen, wie österreichische Speisen einfach und schnell zubereitet werden könnten. Seit diesem
Treffen koche ich auch manchmal Tafelspitz oder Wiener Schnitzel selbst. Ohne Monika wäre das nicht möglich
gewesen.
Bei der Zubereitung wurde u.a. auch kritisiert, dass es sehr lange dauern würde, auch wenn
einfache österreichische Speisen zubereitet werden. Dies sorge für sehr viel Abschreckung,
österreichische Speisen auszuprobieren.
Wichtig ist auch noch zu erwähnen, dass grundsätzlich nur drei bis vier Speisen als
österreichisch wahrgenommen wurden. Diese waren die beiden oben vorgestellten Tafelspitz und
Wiener Schnitzel sowie Gulasch. Einige ProbandInnen gaben auch noch die Käsespätzle als typisch
österreichische Speise an. Darunter genoss Tafelspitz das beste Image, da die Sauce aus Gemüse
bzw. Äpfeln besteht und deshalb als gesünder empfunden wurde. Das Wiener Schnitzel wurde als
ungesündeste Speise Österreichs wahrgenommen, da es alle ungesunden Faktoren, wie zu viel Salz,
zu viel Fett usw. enthalten würde.
Der letzte Punkt, der direkt mit einer österreichischen Küche wahrgenommen wurde, waren
die beiden beliebtesten Lokale mit österreichischer Hausmannskost nämlich, das Plachutta und das
Figlmüller (vgl. Mario Plachutta Ges.m.b.H. 2016; Figlmüller GmbH 2015). Diese beiden
Restaurants wurden als Einzige namentlich genannt, wenn es darum ging, wo in Wien
österreichisch gegessen werden würde.
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Was die Meinungen der Gruppe schon aufgezählt haben, bestätigte sich auch bei der
Analyse der Einzelpersonen. So wurde die österreichische Küche größtenteils als ungesund
angesehen, da sie zu salz- oder fetthaltig wäre. Generell kam jedoch durch die Gespräche ebenfalls
zum Ausdruck, dass österreichische Kost als Ausgehkost angesehen wird, während zu Hause v.a.
japanisch gekocht werde. Sehr interessant war außerdem, dass bei den einzelnen
InterviewpartnerInnen, die die österreichische Küche als nicht so ungesund bezeichnet haben, die
chinesische oder deutsche Küche über ein noch ungesünderes Image verfügt. So wurden diese
beiden Ernährungsweisen als noch fetthaltiger bezeichnet.
5.1.2. Wahrnehmung der beiden Ernährungstrends Vegetarismus und Veganismus
Im vorhergegangenen Teilkapitel wurde die Wahrnehmung der österreichischen Küche genauer
analysiert. Das vorherrschende Image war dabei die österreichische Kost als ungesundes Essen.
Dieses wurde als zu fett- bzw. salzhaltig angesehen. Dieses Gesundheitsbewusstsein war auch
Anlass für mich, die ProbandInnen auf Themen wie Vegetarismus, Veganismus, Diät- und
Kurtrends usw. anzusprechen. Während bei der Frage nach einem etwaigen Diäthalten von nur
einer Frau und zwei Männern angegeben wurde, für einen Gewichtsverlust v.a. am Abend keine
fettigen Speisen, sondern nur noch Gemüse zu essen, war dieser Trend insgesamt kein wichtiges
Thema in meinen Gesprächen. Beim Thema Kur hatte ich den Eindruck, dass die ProbandInnen
sehr interessiert waren, beim Gespräch jedoch eher meine Ausführungen und weniger die
individuellen Ansichten der JapanerInnen selbst im Zentrum standen. Die beiden Trends, die jedoch
für sehr viel Diskussionsstoff sorgten, waren eindeutig der Vegetarismus und der Veganismus.
Da ich mich selbst zumeist fleischlos ernähre und einige ProbandInnen dies bereits vor
unserem Gespräch wussten, rechnete ich mit einer Verschiebung der Ergebnisse hin zu einem
positiven Image des Vegetarismustrends. Dies war jedoch nicht der Fall, weshalb ich denke, dass
die Ergebnisse zum Thema Vegetarismus tatsächlich die Meinungen der Befragten widerspiegeln.
Vegetarismus wird von Tina Rauter als eine Ernährungsform mit außergewöhnlich
verschiedenen Ansätzen und Formen beschrieben. Gemeinsam ist diesen jedoch, dass auf einen
Konsum von Fleisch und Fleischprodukten verzichtet wird und eine pflanzliche Kost eindeutig im
Mittelpunkt steht. Bei den verschiedenen Ansatzweisen wird jedoch noch genauer abgestuft, wie
viele bzw. welche tierischen Produkte vermieden oder überhaupt nicht verzehrt werden. Die
wichtigsten Arten des Vegetarismus sind dabei: der Lacto-Ovo-Vegetarismus, bei dem auf den
Verzehr von Fleisch und Fisch verzichtet wird; der Lacto-Vegetarismus, bei dem neben Fleisch und
Fisch noch zusätzlich auf Eier verzichtet wird und schließlich der Ovo-Vegetarismus, bei dem
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neben Fisch und Fleisch auch keine Milch konsumiert wird (Rauter 2010:8-9). Eine Sonderform
bzw. eigene Ernährungsweise nimmt der Veganismus ein. Bei diesem Ernährungstrend wird auf
jegliche Art von tierischen Produkten verzichtet. Nicht nur wird weder auf Fleisch, Fisch oder
andere tierische Lebensmittel wie Milch, Eier, Honig usw. zurückgegriffen, sondern es wird auch
der Lebensstil entsprechend angepasst. Strenge VeganerInnen verzichten somit auch auf
Lederwaren, Wolle, Seife und Kosmetika, die tierische Partikel enthält. Außerdem liegt ihnen der
Tierschutz am Herzen, weshalb sie oft sogar keine Haustiere halten, Massentierhaltung ablehnen
und Zoos oder Zirkussen fernbleiben (Schleinzer 2012:13).
Vegetarismus und Veganismus werden jedoch oftmals mit einem Gesundheitsaspekt
verbunden. So wird diesen beiden Ernährungstrends eine starke Rolle in der Gewichtskontrolle oder
zur Vorbeugung von ernährungsbedingten Erkrankungen wie etwa Diabetes mellitus Typ 2
zugeschrieben (Becvar und Radojicic 2008:93). Aber auch unterschiedliche Lebensmittelskandale,
wie BSE (Bovine spongiforme Enzephalopathie oder Rinderwahnsinn) usw., haben dazu geführt,
dass einer fleischlosen Ernährung ein erhöhter Sicherheitsfaktor zugeschrieben wird. Generell wird
besonders bei Fleisch als Lebensmittel ein erhöhter Wertewandel festgestellt. Galt Fleisch lange
Zeit als Indikator für Wohlstand, wird es heute auch vermehrt mit gesundheitlichen Problemen bzw.
unmoralischem Verhalten wie Massentierhaltung, verbunden. Diese und andere Faktoren sorgen
dafür, dass sich der Fleischkonsum entweder verringert oder sogar gänzlich eingestellt wird
(Deimel et al. 2010:13-15).
Wie nehmen nun die JapanerInnen in Wien diese beiden Trends im Bezug auf einen
gesundheitlichen Aspekt wahr? Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass der Vegetarismustrend
einen sehr viel besseren Ruf als der des Veganismus genießt. So meinte ein Großteil der
ProbandInnen, dass es die eigene Entscheidung jedes Menschen sei, sich so zu ernähren, wie es zu
einem passt. Sie gaben außerdem an, dass sie nicht über die Ernährungsweise von anderen Leuten
urteilen würden. So meinte Herr Fujita, dass es verschiedene Typen von Menschen gebe und es
daher nur logisch sei, dass diese auch unterschiedlichen Ernährungsweisen nachgingen.
Vegetarismus nahm oftmals auch ein positives Image ein. Unter meinen Befragten hätten
sich einige sehr wohl gut vorstellen können, sich fleischlos zu ernähren. Einer von ihnen war Herr
Fukumoto, der meinte: „Ich könnte mir eigentlich sehr gut vorstellen Vegetarier zu werden, solange
ich Eier, Milch, Tofu usw. essen dürfte“.
Herr Kanno ging sogar so weit, die Ethik und Moral von Fleischessern infrage zu stellen. So
erklärte er mir, dass Vegetarismus eigentlich seine Idee von einer perfekten Ernährung sei:
Darum ist es gut! Das ist genau die Art, wie ich denke. Es ist meine Idee! Ich denke nämlich, dass Tiere Lebewesen
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sind und es daher eine Sünde ist [sie zu töten] und es wird dich verfluchen, also das Leben. Ich denke deshalb, dass
der Vegetarismus das Beste ist, auch weil ich Tiere sehr liebe, ja.
Der interessante Aspekt dieser Aussage ist jedoch, dass Herr Kanno kein Vegetarier ist, sich aber
mental sehr zur Lebensweise des Vegetarismus hingezogen fühlt.
Doch obwohl der Vegetarismustrend, vereinzelt als positiv wahrgenommen wurde, wie auch
anhand der obigen Beispiele verdeutlicht werden konnte, gilt dieser immer noch als sehr
gewöhnungsbedürftig bei einer japanischen Community in Wien.
So gab u.a. Frau Furukawa zu bedenken, dass sie zwar persönlich nie Fleisch und auch
keinen Fisch zubereite, Gerichte, die diese Lebensmittel enthielten aber sehr wohl in Restaurants
oder auswärts essen würde. Sie meinte grundsätzlich, sich auch vorstellen zu können selbst
vegetarisch zu leben, jedoch würde sie es wahrscheinlich aufgrund des großen Drucks, den sie von
außen verspüren würde, nicht durchziehen können. Sie gab mir dabei das Beispiel mit der Wahl
eines Restaurants, wenn sie und Bekannte oder FreundInnen in Wien essen gehen würden. Bei
dieser würden oftmals Lokalitäten gewählt, die über keine fleischlosen Speisen verfügten und aus
diesem Grunde würde sie auch Fleisch essen, um ihren FreundInnen bei der Planung nicht im Wege
zu stehen. Frau Furukawa verband also Vegetarismus als generell nicht schlecht, jedoch gleichzeitig
als eine Einschränkung ihrer Freiheit bei einer Auswahl von Restaurants.
Frau Kaneshiro meinte, dass es schade um das ganze gute Essen wäre, dass als VegetarierIn
nicht gegessen werden könne. Sie gab auch an, dass sie keine japanischen FreundInnen oder
Bekannten hätte, die VegetarierInnen seien. In Wien habe sie nur eine österreichische Freundin, die
sich fleischlos ernährte.
Einen gesundheitlichen Hintergrund bedachte Herr Fujimoto. Er sagte mir ganz konkret,
dass er es sich persönlich nicht vorstellen könne, selbst Vegetarier zu werden. Erklärend fügte er
hinzu, dass Vegetarismus wohl ein Problem der Balance wäre. Herr Fujimoto legt großen Wert auf
eine genügende Eiweißzufuhr und war auch der Meinung, dass nur tierisches Eiweiß zu einer
Aufrechterhaltung der Gesundheit führen könnte.
Frau und Herr Fukunaga waren keine großen Freunde der Vegetarismusbewegung. Sie
meinten, auf Fleisch könnten sie wenn nötig verzichten, jedoch nicht auf Fisch. Besonders Herr
Fukunaga gab an, dass seine Lieblingsspeise Sushi sei und er sich aus diesem Grund schon gar nicht
vorstellen könne Vegetarier zu werden. Frau Fukunaga wies daraufhin, dass Japan ein Inselstaat sei
und deshalb Fisch, als ein Grundnahrungsmittel angesehen werde. Deshalb meinte das Ehepaar
abschließend, dass es unmöglich sei, als VegetarierIn japanisch zu essen, weil immer Fisch oder
andere Bestandteile von Meeresprodukten in japanischen Speisen zu finden seien.
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Selbst keine Vegetarierin jedoch an Vegetarismus auch in Japan gewohnt, war Frau
Katayama. So meinte sie, dass sie in Japan auch eine ältere Studentin gekannt habe, die
Vegetarierin gewesen sei. Zu Beginn habe sie diese Form der Ernährung noch etwas seltsam
gefunden, jedoch hätte sie sich mit der Zeit daran gewöhnt, weshalb sie diesen Trend auch in Wien
nicht als besonders oder eigenartig empfinde.
Frau Fukui meinte ebenfalls, dass sie eine japanische Freundin habe, die Vegetarierin sei,
weil sie Fleisch schlichtweg nicht besonders gut aufnehmen könne. Sie erzählte dann des Weiteren,
dass sie sich vorstellen könnte, dass junge Mädchen Vegetarierinnen werden würden, weil sie nicht
an Gewicht zunehmen wollten. Generell sagte sie jedoch, dass JapanerInnnen den guten Geschmack
des Fleisches kennen und schätzen würden und es deshalb wohl nicht so viele japanische
VegetarierInnen gebe. Abschließend fügte sie noch hinzu, dass Sicherheitsproblematiken wie ein
Ausfall von Fleisch aufgrund von BSE oder anderen Krankheiten in Japan wohl kein allzu großes
Chaos verursachen würden, da Japan keine Fleischkultur habe.
Wie diese ausgewählten Beispiele gezeigt haben, ist die Wahrnehmung von Vegetarismus
bei den in Wien lebenden JapanerInnen nicht grundsätzlich schlecht, jedoch im besten Falle etwas
gewöhnungsbedürftig. Ganz anders sah dies bei der Rezeption von Veganismus aus.
Die einzige Probandin, die selbst eine Veganerin in ihrer Familie hatte und diesen Trend
deshalb als sehr gut empfand, war Frau Kawahara. Während unseres Gesprächs erzählte sie mir,
dass ihre Großmutter auch Veganerin sei, weshalb dieser Trend keinen komischen Beigeschmack
für sie habe. Sie erklärte mir außerdem, dass ihre Großmutter dies, ähnlich wie auch in Indien,
wegen der Religion und auch teilweise wegen der Gesundheit mache. Sie selbst würde den
Veganismus, wie auch den Vegetarismus, sehr interessant finden, könnte sich aber nicht vorstellen
selbst vegetarisch oder vegan zu leben, da es in Japan sehr schwierig und teuer werden könnte.
Diese Erfahrung habe sie auch schon persönlich gemacht, als sie z.B. ihre Großmutter in eines der
wenigen Geschäfte für VeganerInnen in Japan begleitete.
Der Großteil der restlichen InterviewpartnerInnen nahm den Trend des Veganismus jedoch
eindeutig negativ wahr, und begründete ihre Ansicht damit, dass dieser nicht gut für die Gesundheit
sei.
So auch Herr Kataoka, der mir von einer vegan lebenden Freundin erzählte. Er meinte, sie
würde irgendwie ständig kränklich und schwach wirken und er könne sich dies nur durch ihren
Ernährungsstil erklären. Deshalb meinte er auch, dass es gesünder sei, alle Arten von Lebensmitteln
zu essen und sich keine strikten Grenzen aufzuerlegen.
Veganismus wurde auch in der Gesamtheit mit einem Mangel an, für die Aufrechterhaltung
der Gesundheit, essenziellen tierischen Proteinen assoziiert. So meinte etwa Herr Fukumoto, der
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sich vorstellen könnte Vegetarier zu werden, falls eiweißhaltige Produkte vorhanden wären, dass
der Trend zum Veganismus für ihn doch sehr unverständlich und extrem sei. Er bedauere an diesem
Ernährungstrend v.a. den Mangel an eben diesen wichtigen Eiweißstoffen, die seiner Meinung nach
nur durch Milch, Käse oder sogar Fisch und Fleisch aufgenommen werden könnten.
Sogar für Frau Furukawa, die ebenfalls angegeben hatte sich gut als Vegetarierin vorstellen
zu können, war dieser Mangel an Eiweiß ausschlaggebend dafür, den Veganismus als ungesund zu
erachten.
Nicht unbedingt als schlecht für die Gesundheit, jedoch als zu streng, da kein Honig
gegessen werden darf, empfand Frau Furuta den Trend zu Veganismus. Außerdem war sie während
unseres Gesprächs auch der Meinung, dass es zu viele Ernährungstrends, wie FrutarierInnen usw.,
gebe.
Die Ansichten zum Veganismus waren auch bei sowohl Frau Fukuda als auch Frau
Fukuhara strenger als beim Vegetarismus. Sie beide meinten das VeganerInnen nicht in Restaurants
gehen sollten, besser gesagt, waren sie der Meinung, dass es unmöglich sei, als VeganerIn japanisch
zu essen. Noch schlimmer fanden sie jedoch den neuen Trend der FrutarierInnen, die sich nur von
heruntergefallenem Obst ernähren, da sie glauben, dass auch Pflanzen Schmerzen erleiden können.
Sie glaubten, dass dieser Trend eindeutig nicht gut für die Gesundheit sei. Sie erzählten mir des
Weiteren, dass zurzeit in Japan ein neuer Trend aufgekommen sei, bei dem lebende Organismen zu
sich genommen werden sollten, dies v.a. in der Form von Lacto-Bakterien im Joghurt usw.
Da mir während meines Interviews immer wieder eine Tendenz zum Konsum von Joghurt
auffiel, bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass Joghurt und Gemüse als die zwei wichtigsten
Gesundheitsträger von meiner befragten japanischen Community erachtet werden. Wie schaut
jedoch der Konsum von Joghurt in Japan aus? Laut der offiziellen Webseite, der Japan Dairy
Industry Association, wurden in Japan schon seit der Narazeit joghurtähnliche Produkte wie
Kondensmilch, Kuhmilch usw. gegessen bzw. getrunken. Seit Mitte der Meijizeit, also ab der
späteren Hälfte des 19. Jahrhunderts, kam es dazu, dass die Teile der Milch, die nicht verkauft
worden waren, gegärt wurden und somit eine Art Joghurt entstand. Dieses wurde besonders als
Speise für ältere oder kranke Personen gebraucht. Die heute weltweit bekannte Form von Joghurt
fand jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Japan Verbreitung (vgl. Japan Dairy Industry
Association 2010).
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Trend zu einer Ernährung, die sich auf
keinerlei tierische Produkte stützt, vom Großteil der befragten JapanerInnen als zu extrem und sogar
unverständlich angesehen wurde. Besonders kritisiert wurde ein Fehlen von tierischem Eiweiß.
Dieses tierische Eiweiß war, der Meinung der ProbandInnen nach, der Schlüssel zu einer
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Aufrechterhaltung der körperlichen und geistigen Gesundheit. VeganerInnen wurden deshalb mit
schwachen und kränklichen Menschen assoziiert.
In den beiden vorhergegangenen Teilkapiteln wurde genauer auf die Wahrnehmung von
österreichischen Speisen sowie den in Österreich immer beliebter werdenden Trends hin zu einer
fleischlosen Ernährung durch Vegetarismus bzw. Veganismus, eingegangen. Dabei konnte abermals
erkannt werden, dass der Gesundheitsaspekt der vorherrschende Faktor in der Ernährung bzw. der
Auswahl dieser, bei einer japanischen Community in Wien darstellt. In den nächsten Teilkapiteln
sollen nun die Gedanken der JapanerInnen zu einer japanischen Küche sowie dieser als
ausschlaggebender Faktor für ihre Kultur und Identität näher analysiert werden.
5.2. Die japanische Küche
In den folgenden Kapiteln sollen die Strukturen der japanischen Küche genauer erläutert und auf die
Assoziationen der in Wien lebenden JapanerInnen mit der Küche ihrer Heimat eingegangen werden.
Obwohl jedes Land seine eigene ganz typische Esskultur und dazugehörige Speisen besitzt,
kann gesagt werden, dass sich diese nicht innerhalb kurzer Zeit etabliert hat. Dieser Prozess dauerte
meist Hunderte von Jahren oder sogar länger. Japan bildet dabei keine Ausnahme, weshalb auch die
„typisch“ japanische Küche immer zeitlich und in einem historischen Rahmen gesehen werden
muss, in dem sie auch starken Veränderungen unterliegen kann und dies auch in der langen
Geschichte Japans ständig tat (Sahara 1999:27-28).
Um die Entstehung der japanischen Küche genauer zu verstehen, muss diese in einem
geografischen und historischen Kontext betrachtet werden. Japan ist einer der wenigen Inselstaaten
der Welt. Vollkommen vom Meer umschlossen bildete sich daher auch eine rege Fischereikultur
und auch weitere Meeresprodukte wie Algen finden eine rege Verwendung in der japanischen
Küche. Das Klima Japans trug außerdem zur Entstehung dieser Esskultur bei. Das kalte Hokkaidō
im Norden weist andere Spezialitäten auf, als das subtropische Okinawa im Süden Japans. Laut
Ashkenazi und Jacob gibt es insgesamt drei Arten einer japanischen Landschaft, die maßgeblich
zum Anbau von bzw. zur Beschaffung von Lebensmitteln beitragen. Diese sind die Flüsse und
Flussdeltas, die Berge und natürlich das Meer. In den Flussdeltas Ōsakas und Kyōtos bildete sich
sozusagen die Gemüsekultur Japans. Dies lag u.a. daran, dass in weiten Teilen dieser Gebiete kein
direkter Zugang zum Meer möglich war, weshalb auf Flussfische sowie Gemüse und Getreide usw.
zurückgegriffen wurde. Dieses Gebiet war auch jenes, in der sich die Küche der Reichen und
Aristokraten bildete. Doch nicht nur das Gemüse auf Feldern spielte von jeher eine große Rolle,
auch das sogenannte Wildgemüse der Berge wurde gerne verzehrt. Zu diesem gehörten auch
verschiedenste Arten von Pilzen oder Wurzeln. Schließlich bietet das Meer unzählige Schätze und
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v.a. die Inlandsee zwischen Ōsaka und Shikoku wird weitestgehend für den Fischfang und den
Transport wichtiger Güter innerhalb Japans genutzt (Ashkenazi und Jacob 2003:1-4).
In der frühen aristokratischen Periode, zu Beginn des fünften Jahrhunderts, wurden noch
vorwiegend Zehrwurzeln, Hirse oder Süßkartoffeln geerntet und bildeten somit die Basis einer
frühjapanischen Ernährung. Dies veränderte sich grundlegend, als aus China der Reis, der bis heute
als das wichtigste und symbolträchtigste Lebensmittel Japans angesehen werden kann, eingeführt
wurde. Durch den Anbau von Reis war es möglich in kürzerer Zeit ein reichhaltigeres Lebensmittel,
als es z.B. die reine Hirse war, zu ernten und dies spielte auch eine Rolle bei der Etablierung eines
kaiserlichen Hofes während der Heianzeit (794-1185). Bald kamen außerdem andere
Errungenschaften aus China wie z.B. die bedeutende Misopaste oder der Gebrauch von Stäbchen
nach Japan. Auch die Teekultur wurde aus China übernommen und später den japanischen
Gegebenheiten angepasst, wodurch sich eigene Zeremonien, Teesorten usw. bilden konnten. Die
Zeremonien nahmen dabei ihren Anfang in buddhistischen Klöstern, wo Tee als Medizin oder zur
Meditation genutzt wurde. Im 16. Jahrhundert schließlich fand der erste Kontakt mit Europäern in
Japan statt, die neue Esstechniken wie das Backen nach Japan mitbrachten. Besonders im
Sondergebiet Nagasaki, wo sich v.a. Personen aus den Niederlanden niedergelassen hatten und dort
Handel treiben durften, entwickelten sich erste Restaurants und Trinkstätten. Dadurch wurden
lokale Spezialitäten noch bekannter und bald verbreiteten sich die Lokalitäten im ganzen Land. Zu
dieser Zeit erlebte auch der Sake, der japanische Reiswein, einen neuerlichen Aufschwung.
Ebenfalls im 16. Jahrhundert begann die Reiselust der reicheren Bevölkerungsschicht und Bräuche,
wie das Mitbringen von Souvenirs, omiyage, oder das Mitführen von Essen in Form eines obentō,
die sich bis heute gehalten haben, nahmen ihre Anfänge. Diese Mitnahme von Essen führte auch zur
Entwicklung einer frühen Form des heutigen Sushis, da fermentierter Reis zur Erhaltung der Frische
von Fisch genutzt wurde. Zu Beginn der Meijizeit wurde die Regierungsform Japans revolutioniert
und es kam zu einem Trend, alles Westliche zu adaptieren bzw. zu übernehmen. Dies war laut
Ashkenazi und Jacob auch der Fall mit der v.a. europäischen Esskultur (Ashkenazi und Jacob
2003:4-11).
Eine Sonderstellung nahmen die chinesischen bzw. koreanischen Speisen im kolonialen
Japan ein. Obwohl Miso, wie bereits erwähnt, eine der ersten Speisen war, die aus China
übernommen wurde, kam es erst viel später zu einer Etablierung von chinesischen Restaurants in
Japan. Als während des 19. Jahrhunderts chinesischen BürgerInnen der Zugang zu Japan, meist als
ArbeiterIn bzw. Dienstbote/in, gestattet wurde, nahm diese Minderheit auch ihre Ernährungsweise
mit nach Japan. Dies erweiterte sich in den 1870er und 1880er Jahren, als chinesische
Geschäftsleute sich unabhängig in Japan niederließen. Jedoch hatten die ChinesInnen in Japan,
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besonders seit dem sinojapanischen Krieg im Jahre 1895, ein schlechtes Image und die Chinatowns
wurden von der japanischen Bevölkerung gemieden, da sie als unhygienisch, gefährlich und
kriminell galten. Die ersten chinesischen Restaurants außerhalb dieser Chinatowns wurden
allerdings bereits in den Jahren 1879 bis 1884 in Tōkyō gegründet. In den 1920er Jahren erlebte der
Chinaboom jedoch seinen Höhepunkt, was sich auch bei chinesischen Restaurants widerspiegelte,
die plötzlich nicht mehr nur für eine chinesische Minderheit in Japan, sondern v.a. für die
japanische Bevölkerung zu beliebten Lokalitäten wurden. So kam es auch dazu, dass die
chinesischen Nudeln, shina soba, bald zur Urform der bis heute beliebten rāmen wurden (Cwiertka
2006:140-145).
Eine andere Küche, die bis heute in Japan sehr geschätzt wird, ist die koreanische Küche.
Wenn auch schon während der vorherigen Jahrhunderte immer wieder Kulturgüter, u.a. von China,
über Korea nach Japan gebracht wurden, kann von einer ersten Akzeptanz der koreanischen Küche,
durch eine breite Masse der japanischen Bevölkerung, erst in den 1940er Jahren gesprochen werden.
Japan annektierte im Jahre 1910 die Halbinsel Korea. Dieser Annektion folgten, besonders in den
1920er und 1930er Jahren, starke Immigrationswellen nach Japan. So wurden v.a. koreanische
Männer als Zwangsarbeiter für japanische Fabriken rekrutiert. Der wohl größte Unterschied in einer
japanischen und koreanischen Ernährungsweise zu dieser Zeit lag darin, dass in Korea der Brauch
vorherrschte, auch Innereien zu verzehren, während diese Sitte in Japan als unrein angesehen wurde.
Dies änderte sich jedoch abrupt, als in den 1940er Jahren die Hungersnot zu stark wurde. Auch in
den Nachkriegsjahren wurde dann in Japan diese Art des gesamten Fleischverzehrs beibehalten.
Dadurch entstanden auch die bis heute als luxuriös und besonders geltenden yakiniku-Restaurants,
die u.a. auch Innereien als sogenanntes horumonyaki anbieten (Cwiertka 2006:148-151).
Eine weitere Neuheit, die die japanische Esskultur betraf, war die Einführung von
Kochbüchern. Die ersten Kochbücher, die in Massen gedruckt wurden, wurden zu Beginn der
Meijizeit (1868) als sogenannte Richtlinien für die neue Rolle der Frau, als ryōsai kenbo (gute
Ehefrau und weise Mutter), zu Themengebieten wie Erziehung, Kochen und Haushalt veröffentlicht.
Davor gab es bereits im 13. Jahrhundert die sogenannten hidensho (geheime Bücher), die jedoch
nur für Köche einer Samurai- und Aristokratenklasse gedacht waren. Die ersten theoretischen
Kochbücher wurden während der Edozeit veröffentlicht. Sie wurden u.a. von bekannten Restaurants
verfasst oder es wurden auch ausländische Rezepte, wie z.B. solche aus China, vorgestellt. Diese
Kochbücher dienten zwar gleichzeitig auch als Reiseführer, jedoch war ihr Zielpublikum eine
männliche Elite, die eher selten die Rezepte nachahmte, sondern solche Kochbücher als
Unterhaltungsmedien nutzte. Generell wurden Kochbücher, die auch als Anleitung zur Zubereitung
von Speisen gedacht waren, nach der Öffnung Japans und zur Beginn der Meijirestauration
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veröffentlicht. Diese richteten sich jedoch auch noch an eine männliche Zielgruppe. Die ersten
Kochbücher für Frauen entstanden in den 1890er Jahren. Wie bereits erwähnt, sollten diese als
Anleitung für Frauen, wie sie zu guten Ehefrauen und Müttern werden könnten, dienen, sie stellten
jedoch auch einen Übergang von einem Haushalt, in dem sich auf eine Dienerschaft verlassen wird,
zu einem, in der die Hausfrau selbst für jegliche Arbeiten zuständig ist, dar (Higashiyotsuyanagi
2010:129-135).
In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg kann wiederum von einem einschneidenden
Ereignis in der japanischen Esskultur gesprochen werden. In jener Zeit eines Wiederaufbaus und
einer Loslösung von den Kriegswirren kam es, wie oben bereits erwähnt, dazu, dass vermehrt
Milch- und Milchprodukte, aber auch Fleisch in Japan gegessen wurde. Heute ist der Fleischverzehr
ca. mit jenem in Europa zu vergleichen und Japan wurde zu einem wichtigen Exporteur von
probiotischem Joghurt und Aloegetränken (Ashkenazi und Jacob 2003:13-15).
Als die drei Grundnahrungsmittel in Japan können zweifelsohne weißer Reis, Misopaste und
dashi (Fischfont aus Bonito) bezeichnet werden. Besonders dem Reis wird eine wichtige Rolle in
sowohl der japanischen Ernährung, Religion, Symbolik sowie Sprache zugeschrieben. So gilt er
generell als Speise Nummer eins und wird mit zahlreichen Beilagen wie Gemüse, Fisch oder auch
Fleisch zu fast allen Gerichten des Tages gegessen. Sprachlich zeigt sich diese Bedeutsamkeit
ebenfalls in der Übersetzung gohan, was sowohl Reis, als auch Gericht selbst heißen kann. Generell
gibt es für Reis unzählige Wörter, je nachdem, ob er geschält, roh oder gekocht vorliegt. In der
Religion wird Reis besonders häufig in Ritualen des Buddhismus, aber auch zur Ehrung der toten
Vorfahren verwendet. Misopaste stammte ursprünglich aus China, wurde jedoch in Japan
aufgenommen und adaptiert und arrangierte so zur vielleicht wichtigsten Basis für Suppen und
andere Gerichten. Es gibt verschiedenste Sorten von Miso, wobei auch die regionalen Unterschiede
von Bedeutung sind. Als drittes Hauptnahrungsmittel kann dashi bezeichnet werden. Dashi wird
meist als Basis für Fischfont verwendet und ist u.a. auch in der traditionellen Misosuppe enthalten.
Es wird einerseits aus Bonitoflocken und andererseits aus konbu (Meeresalgen) zubereitet
(Ashkenazi und Jacob 2003:29-36).
Trotz der großen Bedeutung von Reis in den verschiedensten Aspekten japanischer Identität
und Ernährung wird von v.a. japanischen ForscherInnen immer wieder darauf verwiesen, dass Reis
nicht die einzige Zutat in der japanischen Küche sei. So u.a. auch von Miyamoto Tsuneichi, der
während der zweiten Hälfte der Shōwazeit (1926 bis 1989) ländliche Gegenden Japans in u.a.
Kyūshū und Tōhoku besuchte und feststellen konnte, dass eine rurale Bevölkerung in ihrer
täglichen Ernährung noch eher einen höheren Stellenwert auf Wildschwein oder Süßkartoffeln legte
(Miyamoto 1999:48-56).
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In diesem Teilkapitel wurde ein kurzer Überblick über die wichtigsten historischen
Gegebenheiten bei der Etablierung einer „japanischen“ Esskultur gegeben. Außerdem wurde auf die
Hauptnahrungsmittel und dabei v.a. auf die Rolle von Reis eingegangen. Im nächsten Teilkapitel
soll nun die Bedeutung von Gesundheit und Gemüse in einer japanischen Ernährung aufgedeckt
werden.
5.2.1. Gesundheitsverständnis durch Gemüse in der japanischen Küche
In Kapitel 4.1. wurden bereits die Assoziationen einer gesunden Ernährung durch den Konsum von
Gemüse dargelegt. Nun sollen anhand einer kurzen theoretischen Ausführung näher auf den
ernährungswissenschaftlichen Nutzen der japanischen Küche eingegangen und die zwei wohl
bedeutsamsten japanischen Gemüsesorten, Rettich (daikon) und Rüben (kabu) sowie deren Anbau
kurz vorgestellt werden.
Die japanische Ernährung genießt, besonders im Westen, das Ansehen eine der gesündesten
Ernährungsweisen weltweit zu sein. Nicht umsonst werden in zahlreichen Fernsehdokumentationen
und anderswo immer wieder die langlebigen JapanerInnen und deren Lebensumfeld gezeigt. Wird
jedoch ein Blick hinter die Fernsehfassade geworfen, so wird erkannt, dass besonders japanische
Angestellte, die sogenannten sarariman, einen stressigen Lebensstil führen. Trotzdem liegt die
Lebenserwartung in Japan über dem Durchschnitt (Ashkenazi und Jacob 2003:169-170).
Ashkenazi und Jacob zählen insgesamt sechs Punkte auf, die den japanischen Ernährungsstil
zu einem Gesunden machen. Diese sind: viel Gemüse, wenig Fett, viel Fisch, frische Produkte,
kleine Portionen und Lebensmittel, denen eine besondere Wirkung zugesprochen wird (Ashkenazi
und Jacob 2003:170-172).
Bei japanischem Gemüse wurde traditionell in zwei große Arten, sansai (Wildgemüse) und
saina (Gemüse aus landwirtschaftlichem Anbau) unterschieden, wobei diese jedoch im Laufe der
Geschichte im generell verwendeten Begriff yasai (Gemüse) zusammengefasst wurden. Obwohl in
Japan immer noch der Reis als einzige Hauptspeise genannt wird, belegt das Gemüse doch den
wichtigsten Platz in einer Rangliste der Beilagen. Gemüse wird einerseits wegen seiner Nährstoffe,
v.a. Vitamine und Mineralien, gegessen, andererseits wurde es schon seit jeher als funktionelles
Lebensmittel geschätzt. Die beiden Gemüsesorten, die schon ab ca. dem Ende der Meijizeit zu
tsukemono (eingelegtes Gemüse) verarbeitet wurden und deshalb für eine gute Nährstoffbalance in
der japanischen Bevölkerung sorgten, waren Rettich und Rüben. Vor dem japanischen
Wirtschaftsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg war es noch eingelegter Kohl, der am meisten
angebaut wurde, jedoch nahm seine Bedeutung stetig ab und daikon und kabu wurden zu den bis
heute wohl beliebtesten Gemüsesorten Japans (Yazawa 1997:153-157).
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Einen besonderen Stellenwert hat heute außerdem Gemüse aus Kyōto, welches nur aufgrund
seiner Herkunft teurer als anderes Gemüse verkauft werden kann und bis heute als Erbe einer
japanischen Kultur angesehen wird. Dies hängt sicher auch damit zusammen, dass die Stadt Kyōto
generell als typisch japanisch empfunden und wahrgenommen wird, deshalb ist es nur
selbsterklärend, dass Gemüse aus Kyōto einen ebenso großen Stellenwert einnimmt. Dieses
Phänomen ist im heutigen Japan auch mit Tee zu beobachten (vgl. De St. Maurice 2014).
Japanisches Essen genießt außerdem den Ruf fettärmer, als andere Speisen zu sein. Dies
trifft zwar nicht für alle Speisen zu, so wird z.B. bei tempura Gemüse oder Fisch sogar frittiert,
jedoch wurde schon seit jeher das Kochen von Fleisch und anderen Speisen dem Braten vorgezogen.
Ein weiterer Grund für das gesunde Fett in der japanischen Küche ist der Gehalt von guten Omega-
3 Fettsäuren in z.B. Fisch oder Gemüse, durch deren Verzehr diese wichtigen Nährstoffe
aufgenommen werden können. Der Aspekt der Frische von Lebensmitteln wird in Japan ebenfalls
sehr hoch geschätzt. Dies lässt sich wiederum am Verzehr von Fisch und Meeresfrüchten oder auch
Gemüse erläutern. Bei diesen Lebensmitteln ist es bekanntermaßen essenziell, auf frische Ware
zurückzugreifen, da sie sonst verderben und sogar zu gesundheitlichen Problemen führen könnten.
Einigen Lebensmitteln wie Pilzen oder Tee wird in Japan außerdem aufgrund ihrer Inhaltsstoffe,
wie beispielsweise Tannine, eine besondere Wirkung zugeschrieben. Der letzte wichtige Punkt ist
laut Ashkenazi und Jacob, dass japanische Gerichte meist aus verschiedenen kleinen Portionen
bestehen. Es herrscht die Qualität der Speisen über der Quantität dieser. Jedoch ist auch in Japan
nicht alles gesund. So wird oft bemängelt, dass japanische Speisen zu salzhaltig seien. Ein gutes
Beispiel für einen übermäßigen Salzgehalt bietet die japanweit beliebte Sojasoße. Außerdem ist
Japan für seine Instantgerichte, wie z.B. insutanto rāmen, bekannt. Diese schnelle Zubereitung der
Speisen, welche nur durch den Gebrauch zahlreicher Konservierungs- und anderer synthetischer
Zusatzstoffe möglich ist, wird auch als ungesund betrachtet. Sogar das Hauptgrundnahrungsmittel
Reis wird teilweise in den Ernährungswissenschaften als ungesund angesehen. Der Grund dafür
liegt darin, dass es sich um geschälten, weißen Reis handelt, dem dadurch essenzielle Nährstoffe
verloren gingen (Ashkenazi und Jacob 2003:170-174).
In diesem Teilkapitel wurde genauer auf den theoretischen Gesundheitsaspekt der
japanischen Küche eingegangen. Während einige Faktoren wie der hohe Konsum von Gemüse
durchaus positiv sind, gibt es natürlich auch negative Punkte, wie beispielsweise den hohen
Salzgehalt von Gerichten. Im nächsten Teil soll nun auf die Assoziationen einer japanischen
Community in Wien zum Thema japanische Küche eingegangen werden.
59
5.2.2. Wahrnehmung und Vertrautheit der japanischen Küche
In diesem Teilkapitel soll auf die Assoziationen von in Wien lebenden JapanerInnen zum Thema
japanische Küche eingegangen werden. Des Weiteren soll anhand der konkreten Antworten der
ProbandInnen auf die Bedeutung der japanischen Küche für die einzelnen Personen geschlossen
werden.
Was waren nun die Verbindungen, die mit dem Thema japanische Ernährung und Esskultur
gemacht wurden? Der ausschlaggebendste Punkt war sicherlich derjenige, dass fast alle
ProbandInnen angaben, sehr oft japanisch zu essen. Die Orte, an denen dabei gegessen wurde,
waren sehr vielseitig. Japanische Speisen wurden selbst gekocht, als obentō zur Arbeit oder an die
Universität mitgenommen, am Arbeitsplatz (japanisches Restaurant) verzehrt oder es wurde
auswärts, besonders im japanischen Restaurant Sakai in Wien, gegessen. Das Sakai genießt
allgemein einen sehr guten Ruf bei der japanischen Community. So wird es als authentischstes
japanisches Restaurant in ganz Wien, oder sogar ganz Österreich, bezeichnet. Hoch geschätzt
werden neben den frischen Zutaten auch, dass der Geschmack der Speisen derselbe sei, den die
InterviewpartnerInnen schon in Japan geliebt haben. Neben dem Sakai wurde nur noch das Unkai in
einem Gespräch erwähnt, was es eindeutig als populärstes japanisches Restaurant in Wien
auszeichnet (vgl. Restaurant Sakai 2016 und Restaurant Unkai 2017).
Japanisches Essen wird auch immer mit leichter Kost verbunden. Wie in vorhergegangenen
Kapiteln schon praktisch und theoretisch beschrieben, verbinden JapanerInnen die Esskultur ihres
Landes mit dem Konsum von viel Gemüse sowie tierischem Eiweiß. Damit zeigt sich ganz deutlich,
dass die Kost Japans als gesund betrachtet wird.
Der Gesundheitsfaktor war auch der zweitwichtigste Entscheidungsgrund, wobei er laut
Assoziationen eigentlich als wichtigster Aspekt gezählt werden könnte. Der gewollte Verzehr von
japanischen Speisen als konkreter Entscheidungsgrund war aber auch für sehr viele ProbandInnen
von größter Bedeutung. So gab eine Mehrheit an, japanische Gerichte zu mögen und sich deshalb
auch in Österreich für diese zu entscheiden.
Daraus ergibt sich auch die nächste Assoziation zum japanischen Essen, und zwar die, dass
japanische Speisen als selbst gekocht und österreichische Speisen eher als Restaurantspeisen gelten.
Die meisten ProbandInnen gaben dabei an, dass es für sie kein Problem darstelle, japanische
Gerichte zuzubereiten. Sie würden diese Art des Kochens schon seit Kindheitstagen kennen. Auch
wenn mit Freunden oder Bekannten gemeinsam gekocht werde, stünden meist ausschließlich
japanische Gerichte auf dem Speiseplan.
Die Kindheit spielt auch eine wichtige Rolle in der Assoziation von einer japanischen Küche.
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Erinnerungen an Speisen, die gegessen und an die sich gewöhnt wurde, beeinflussen ebenfalls das
positive Image.
Besonders für japanische Eltern in Wien war es deshalb natürlich, dass ihre Kinder an eine
japanische Ernährungsweise angepasst werden sollten. Die Esskultur sei dabei nur ein Teil der
Gesamtkultur Japans, die jeder/jede JapanerIn erlernen müsste.
Die japanische Küche in Japan selbst wurde als sehr vielseitig und mit einer großen
Auswahl an verschiedenen Speisen beschreiben. Sei es Gemüse oder seien es Snacks wie senbei
oder mochi, die zahlreichen verschiedenen Sorten werden von den JapanerInnen hochgeschätzt.
Sehr interessant waren die Assoziationen der typisch japanischen Zutaten. Diese waren
insgesamt fünf: Reis, dashi, Sojasoße, mirin (süßer Reiswein zum Kochen) und nihonshu
(japanischer Reiswein). Diese waren eigentlich für alle ProbandInnen dieselben und sie gaben an,
dass sobald diese fünf Zutaten vorhanden seien oder gekauft werden könnten, die Zubereitung
japanischer Gerichte auch im Ausland gelänge. Dieser Meinung waren auch Frau Fukuhara und
Frau Fukuda. Sie beide gaben an Japan etwas zu vermissen, bzw. genauer gesagt den japanischen
Geschmack, in ihrem Beispiel den Geschmack von Sojasoße. Deshalb würden sie bei ihren selbst
gemachten Speisen immer versuchen, diesen Geschmack zu treffen. Außerdem meinten sie, dass sie
schon seit ihrer Kindheit an den Geschmack japanischer Speisen gewöhnt seien und ihn deshalb
vermissen würden. Außerdem sei japanisches Essen einfach sehr lecker. Für Frau Fukuda und Frau
Fukuhara war die Assoziation mit japanischem Essen deshalb eindeutig der Geschmack von
Sojasoße. So war es auch denkbar, dass ihre Lieblingsspeise als Kind diesen Geschmack auch
enthielt. Frau Fukuda aß als Kind am liebsten Gemüse und andere Speisen, die mit Sojasoße oder
mirin gewürzt wurden. Frau Fukuhara liebte als Kind ebenso gekochtes Gemüse mit Sojasoße.
Auch Frau Kanemoto meinte, dass sie japanische Speisen nicht wirklich vermisse, jedoch ab
und zu den Geschmack von Sojasoße:
Also, das, was ich manchmal vermisse [lacht], ist Sojasoße. Aber ich denke nicht oft so etwas wie, oh ich möchte
jetzt japanische Gerichte essen. Wenn ich jedoch nachdenke, was ich essen könnte, kommt natürlich etwas aus dem
japanischen Rahmen, aber ich vermisse japanische Speisen nicht wirklich [lacht].
Den Erwerb von japanischen Zutaten, wie den oben genannten, wurde mit hohen Kosten
assoziiert. Trotzdem gaben die meisten JapanerInnen an, sich bewusst für diese, auch aus dem
Asialaden, zu entscheiden. So u.a. auch Frau Kaneshiro, die meine Frage, ob sie Japan sehr stark
vermissen würde, nicht bejahen konnte, jedoch angab, dass sie den Geschmack Japans vermissen
würde. Dies sei auch der Grund dafür, dass sie auch in Wien trotz der erhöhten Preise usw. öfters
auf japanische Speisen zurückgreifen würde.
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Die letzte Assoziation war diejenige mit einer japanischen Küche als Seelentröster. So gaben
sehr viele ProbandInnen an, falls sie traurig oder gestresst seien, sich japanisches Essen, auch in
Restaurants, zu gönnen. Dies würde wie Medizin helfen und dazu beisteuern ihren Gemütszustand
wieder ins Gleichgewicht zu bringen. So etwa Frau Fukui die meinte, dass sie Japan vermissen
würde und deshalb besonders in Zeiten, in denen sie sehr angespannt oder gestresst sei, gerne
japanische Speisen zu sich nehmen würde. Sie erwähnte dabei auch das Unkai, das japanische
Restaurant im Grand Hotel in Wien, das sie immer wieder gerne aufsuche (vgl. Restaurant Unkai
2017). Natürlich habe sie sich schon an das Leben und Essen in Wien gewöhnt, jedoch freue sie
sich trotzdem immer, wenn sie zurück nach Japan gehen und japanisch essen könnte. Abschließend
meinte sie noch, dass ihr Körper, wenn es ihr schlecht gehen würde, nicht nach Fleisch, sondern
nach Fisch verlangen würde: „Also, wenn ich dann so gestresst bin, reicht es mir nicht nur japanisch
zu essen, irgendwie möchte mein Körper dann anstelle von Fleisch lieber Fisch“. Da Frau Fukui aus
Kyūshū stammt, erzählte sie mir, dass sie in ihrer Kindheit am liebsten die dortigen Spezialitäten
gegessen habe und diese nicht nur nach ihrem Umzug nach Wien, sondern bereits nach ihrem
Umzug nach Tōkyō, sehr vermisst habe.
Ein Proband, der angab japanische Speisen in Wien nicht zu vermissen und nur selten zu
essen, war Herr Kanno. Als Grund dafür meinte er, immer auf der Suche nach neuen Speisen zu
sein und die Speisen in Wien sehr gut zu finden: „Überhaupt nicht, weil ich es mir immer zur
Aufgabe mache, neue Gerichte zu probieren. Also ich glaube ja, dass es viele gute Speisen in Wien
gibt, deshalb möchte ich sie alle kosten“. Herr Kanno erzählte mir sehr ausführlich von seiner
Kindheit und dem Essen. Da er in der Nachkriegszeit geboren wurde, war das Essen oft rar. Seine
Mutter sei jedoch eine sehr gute Köchin gewesen, die es immer geschafft hätte, etwas Gutes auf den
Tisch zu bringen.
Insgesamt kann gesagt werden, dass die JapanerInnen zumeist Japan an sich nicht sehr
vermissen, jedoch die Vertrautheit der japanischen Gerichte seit ihrer Kindheit dazu führt, dass sie
die Esskultur ihres Heimatlandes stark vermissen. Diese Esskultur, bzw. der Geschmack dieser lässt
sich jedoch laut Ansicht der meisten ProbandInnen auch relativ problemlos in Österreich herstellen,
indem z.B. Gemüse mit Sojasoße gewürzt würde usw. Diese Sojasoße steht dann sozusagen
stellvertretend für eine japanische Esskultur.
5.2.3. Lieblingsspeisen als Kind und „Speisen der Erinnerung“
Nachdem im letzten Teilkapitel die Wahrnehmung von japanischen Speisen, auch in Österreich,
genauer beschrieben wurde, soll in diesem Teilkapitel noch einmal kurz auf die Lieblingsspeisen
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der JapanerInnen als Kind und diejenigen Speisen, an die sich die JapanerInnen gerne erinnern
eingegangen werden. Bei meiner Wahl der InterviewpartnerInnen war es für mich von größter
Bedeutung, dass die ProbandInnen ihre gesamte Kindheit in Japan verbracht hatten. Ich sehe diesen
Faktor nämlich als eine Art der Sozialisation an. Sozialisation in dem Sinne, dass die Erziehung in
Japan nach einer japanischen Art und Weise stattgefunden hat. Durch das Heranwachsen im
gleichen Land konnte bei allen interviewten Personen eine gemeinsame Identität entstehen. Im Falle
dieser Arbeit spiegelt sich diese in der Esskultur wieder.
Wie bereits im Kapitel der individuellen Entscheidungsgründe erwähnt, würde eine
genauere, rein qualitative Beschreibung den Rahmen dieser Arbeit sprengen, weshalb die
Antworten der ProbandInnen zu ihrem Lieblingsessen als Kind sowie den Speisen, an die sie sich
gerne erinnern, in zusammengefasster quantitativer Form präsentiert werden sollen. Es soll dabei
mit den Lieblingsspeisen als Kind angefangen werden.
Mit insgesamt vier Nennungen lag karēraisu (japanisches Curry) an erster Stelle der
Beliebtheitsskala. Dieses wurde nicht nur mit dem Essen zu Hause, sondern auch mit Essen in der
Schule oder bei besonderen Anlässen oder Veranstaltungen verbunden. Besonders beliebt war es
auch noch, weil es leicht mit dem Löffel zu essen war und praktisch überall gegessen werden
konnte, auch in Restaurants.
Mit jeweils drei Nennungen waren hanbāgu (japanische Fleischlaibchen) und okāsan no
ryōri (alle Speisen, die von der eigenen Mutter zubereitet wurden), die zweitbeliebtesten Gerichte
der befragten JapanerInnen zu deren Kindheit. Hanbāgu war, ähnlich wie bereits karēraisu, v.a.
deshalb so beliebt, weil es schnell und leicht gegessen werden konnte. Die Speisen der eigenen
Mutter spiegeln wieder die bedeutsame Rolle der eigenen Kindheit und Sozialisation wieder. Das
Essen, welches bereits während der Kindheit gern gemocht wurde, an welches sich Menschen
sozusagen gewöhnt haben, wird auch während des Erwachsenenalters meist noch gerne gegessen.
Zwei ProbandInnen gaben außerdem an, dass das Essen ihrer eigenen Großmutter als Kind
zu ihren Lieblingsspeisen gezählt hätte. Auch hierbei gilt das eben erwähnte Prinzip der
Sozialisation.
Ebenfalls jeweils zwei JapanerInnen sagten, Speisen mit Sojasoße bzw. karāge (frittierte
Hühnchenteile) als Kind am liebsten gegessen zu haben. Dieses Gernhaben von Sojasoße spiegelte
sich auch in anderen Aspekten der Interviews wider. So wird, wie bereits im vorherigen Kapitel
erwähnt, Sojasoße als eine der Hauptzutaten der japanischen Küche von in Wien lebenden
JapanerInnen angesehen.
Andere Speisen, die als Kind am liebsten gegessen wurden, waren u.a. verschiedene
japanische Speisen wie Sushi, korokke (ähnlich wie Kroketten), rāmen, omuraisu, gyōza, meronpan
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(Melonenbrot) usw. aber auch westliche Speisen wie Steaks.
Wie bereits erwähnt, interessierten mich im Zusammenhang mit der Vertrautheit von
Speisen auch diejenigen Speisen, die bei den JapanerInnen einen bleibenden Eindruck hinterlassen
haben und an die sie sich gerne zurückerinnern.
Da für mich persönlich japanische Speisen einen sehr guten Eindruck hinterlassen haben
und zu meinen „Speisen der Erinnerung“ geworden sind, war ich zu Beginn meiner Interviews der
Meinung, dass dies auch bei meinen ProbandInnen der Fall sein würde. Ich nahm deshalb an, dass
die Speisen, an die sich erinnert würde, v.a. österreichische Speisen, bzw. im Allgemeinen sogar
diejenigen Speisen sein würden, die verzehrt wurden, als die ProbandInnen zum ersten Mal nach
Österreich gekommen sind. Es stellte sich jedoch heraus, dass wiederum Speisen, die seit der
Kindheit gerne gegessen worden waren bzw. Speisen, die mit bestimmten Personen der eigenen
Familie verbunden werden in der Erinnerung der ProbandInnen geblieben sind.
Vorherrschend waren dabei v.a. die Speisen, die von der eigenen Großmutter, der eigenen
Mutter oder sogar dem eigenen Vater zubereitet wurden. Als konkrete Beispiele nannten meine
InterviewpartnerInnen z.B. den hanbāgu der Mutter, die tsukemono, den Kartoffelsalat, die veganen
Gerichte oder die Tomatensuppe der Großmutter oder auch allgemein die Speisen, die mit der
gesamten Familie gegessen wurden wie beispielsweise Sushi oder die Speisen aus der Präfektur der
Eltern. Ein Proband erzählte mir auch noch, dass ihm das dashi seines Vaters, welches er selbst
zubereitete, sehr gut in Erinnerung geblieben war. Aber auch Speisen nach bestimmten Ereignissen,
wie z.B. der erste Fisch nach dem großen Tōhoku-Erdbeben oder das erste okonomiyaki nach dem
Abschluss der Universität usw. wurden als Speisen genannt, an die die JapanerInnen in Dankbarkeit
zurückblicken. Meine Annahme, dass sich v.a. an österreichische Speisen erinnert werden würde,
bestätigte sich nur in zwei Fällen, nämlich bei Schnitzel und Tafelspitz, welche im Restaurant
Figlmüller gegessen wurden und an die sich auch gerne erinnert wird.
Für eine Probandin waren weder japanische noch österreichische Speisen diejenigen, an die
sie sich am liebsten zurückerinnert, sondern die Käsespätzle, die sie von ihrer deutschen
Gastfamilie zubereitet bekam, als sie zum ersten Mal nach Europa gekommen war.
Wie in diesem Kapitel zu den beliebtesten Speisen als Kind bzw. denjenigen Speisen, an die
sich besonders gerne zurückerinnert wird, veranschaulicht wurde, verbanden die befragten
JapanerInnen Essen meist mit Personen, die sie sehr gerne haben. Sei es nun die eigene Familie, im
Besonderen die eigene Mutter oder Großmutter, oder auch die Gastfamilie, die sie herzlich
willkommen geheißen hat. Für den Großteil der JapanerInnen waren die Lieblingsspeisen jedoch
immer japanischer Art. Dies könnte wiederum mit einer Sozialisation an japanische Speisen bzw.
auch mit einem schlichten gewohnt sein dieser interpretiert werden.
64
6. Food Choice – Zwischen Gesundheit und Identität
Wie in den letzten beiden Kapiteln bereits aufgezeigt werden konnte, liegt eine bewusste Auswahl
für bestimmte Lebensmittel oder fertige Speisen bei in Wien lebenden JapanerInnen zwischen
einem Achten auf gesundheitliche Aspekte und einer starken Identität als JapanerIn.
Dieses Kapitel soll sich deshalb mit einerseits den theoretischen Hintergründen von
japanischem Essen als Faktor für eine japanische Identität sowie dem konkreten Ausleben dieser
Identität durch in Wien lebende JapanerInnen anhand deren täglicher Ernährung, beschäftigen.
6. 1. Japanisches Essen als japanische Identität?
In Kapitel 5.2. wurden bereits die theoretischen Grundelemente der japanischen Küche genauer
vorgestellt. In diesem Teilkapitel sollen jedoch im Besonderen auf die äußeren Einflüsse in der
japanischen Küche und deren Auswirkungen auf eine japanische Identität eingegangen werden.
Wie bereits zu Beginn dieser Arbeit gesagt, wird die Identität eines Landes in großer Weise
von ihrem Essen mitbestimmt. Die typischen Landesspeisen werden von Generation zu Generation
weitergegeben und werden somit, ähnlich wie die Landessprache, zu einem Kulturerbe (vgl.
Brulotte und Di Giovine 2014).
Kann nun von einer charakteristischen japanischen Küche, die als Wegweiser für eine
japanische Identität gilt, gesprochen werden? Wie bereits in Kapitel 5.2. aufgezählt, waren auch in
der japanischen Küche große äußere Einflüsse, v.a. aus China oder Korea, zu spüren.
Sogar die Form, die als ethische japanische Esskultur angesehen werden kann, nämlich das
sogenannte kaiseki, wurde teilweise durch eine Übernahme der Praktizierung und der Riten des
Buddhismus aus China und Korea übernommen. Generell war die Ursprungsstätte jedoch Indien.
Kaiseki folgte der buddhistischen Tradition einer vegetarischen Ernährung und wurde in Japan noch
verfeinert. Dies führte dazu, dass Japan eines der wenigen Länder mit einem sehr hohen Standard
der vegetarischen Küche wurde. Durch kaiseki und die Opfergaben an die kami (Götter) wurde
außerdem die Liebe zu Blumen in Japan noch stärker anerkannt, da diese gemeinsam mit Essen
dargebracht wurden. Japan ist des Weiteren eines der wenigen Länder der Welt, in dem zwei
Religionen problemlos nebeneinander bestehen konnten. So war es auch normal, den kami des
shintō, der ersten großen Religion Japans, Opfergaben in Form von Essen zu übergeben. Ein
anderes Beispiel für eine Speise, die heute eindeutig mit Japan verbunden wird, ist Sushi. Diese
eigentlich zur Konservierung von Fisch angewendete Methode mit fermentiertem Reis wurde u.a.
auch in Südostasien oder Korea angewendet (Ashkenazi und Jacob 2000:40-44).
Mit der Ankunft der ersten Europäer in Japan wurde der Rahmen der japanischen Küche,
65
insbesondere ab dem Beginn des 16. Jahrhunderts ebenfalls ausgeweitet. Zwei frühe Beispiele für
das Übernehmen und Modifizieren von europäischen Speisen sind die bis heute existierenden
Spezialitäten tempura und kasutera. Sowohl die frittierten Gerichte als auch die soften Teigkuchen
wurden von den Portugiesen übernommen. Ein anderes Beispiel ist das allseits beliebte japanische
Curry (karēraisu), welches durch britische Handelsreisende und Diplomaten von Indien nach Japan
kam und heute zu den meist geschätzten Gerichten Japans gehört. Als nicht unbedingt europäisch,
jedoch zweifelsohne als westlich zu bezeichnen, war der Import von Fast Food, besonders durch
amerikanische Restaurantketten wie Mc-Donald‘s oder Kentucky Fried Chicken (KFC) (Ashkenazi
und Jacob 2000:44-45).
Während Mc-Donald‘s und KFC jedoch noch immer klar als ausländische Speisen in Japan
wahrgenommen werden, mit Ausnahme der japanischen Fast Food Kette Mos Burger, die als
gesünderer Konkurrent zu Mc-Donald‘s gilt, gibt es auch ebenso japanische Spezialitäten, die als
solche weltweite Bekanntheit genießen, deren Ursprung jedoch in anderen Ländern liegt. Das
berühmteste Beispiel dafür wären die bereits erwähnten, aus China stammenden shina soba, die
dann in Japan unter dem Namen rāmen beliebt wurden. Heute gibt es wohl nur wenige Länder, in
denen nicht zu mindestens eine Sorte von insutanto rāmen zu finden ist (Cwiertka 2006:140-145).
Natürlich ist das Übernehmen und die Adaption von ausländischen Speisen kein
abgeschlossener Prozess, weshalb es sicher noch zahlreiche andere Beispiele von ausländischen
Speisen in einer japanischen Küche geben würde. Auf diese einzugehen würde jedoch den Rahmen
dieser Arbeit sprengen und wahrscheinlich schon zu einer anderen Forschungsdisziplin gehören.
Eine Problematik, die hier jedoch noch kurz angesprochen werden soll, ist jene des Imports
von sowohl rohen Lebensmitteln als auch fertigen Speisen nach Japan. Im Jahre 1988 wurden
beispielsweise trotz einer großen Fischereiindustrie in Japan 35,9 % Fisch und Schalentiere nach
Japan importiert. Bei Getreide lag der Anteil bei 14,6 %. Bei Fleisch sogar etwas darüber mit 14,8%
und schließlich Früchte und Gemüse bei einem Anteil von 12,7 %. Die Länder, aus denen
eingeführt wurde, waren dabei v.a. die USA, Australien oder andere asiatische Länder. Besonders
problematisch ist jedoch der Import von Reis. Reis hat in Japan nicht nur eine wichtige Rolle als
Hauptnahrungsquelle, sondern wird auch, wie bereits beschrieben, als die Grundlage Japans und
eines „Japanisch-seins“ angesehen. Außerdem wird Reis auch in verschiedenen religiösen Ritualen,
wie z.B. dem Totenritual, zur Hilfe genommen. Dass dieses Lebensmittel, welches in gewisser
Hinsicht als das Land selbst angesehen wurde und noch immer angesehen wird, nun importiert wird,
ist nicht nur für die japanischen Reisbauern problematisch, sondern führt zu immer mehr
Abneigung in der gesamten Bevölkerung Japans. Heute ist es jedoch so, dass nicht nur Reis
importiert wird, sondern, es ist schon zur Tatsache geworden, dass auch traditionelle japanische
66
Gerichte nur noch teilweise aus japanischen Zutaten bestehen und meistens auf billige Importe aus
dem Ausland zurückgegriffen wird (Ohnuki-Tierney 1993:25-27).
Wie in diesem Kapitel erläutert wurde, wird jede Kultur von etlichen äußeren Einflüssen
geprägt. So auch die japanische Esskultur, ob durch frühe Einflüsse wie das religiöse kaiseki oder
auch neuere wie rāmen. Trotzdem gehören alte genauso wie neue, als japanisch geltende Speisen
grundlegend zur Bildung einer japanischen Identität. Die Ausmaße dieser Identität und die
Wahrnehmung von einer japanischen Identität aufgrund ihrer täglichen Ernährung, sollen im
nächsten Kapitel anhand der konkreten Ernährung der in Wien lebenden japanischen Community
erläutert werden.
6.2. Ernährung und Identität von JapanerInnen in Wien
Wie in den vorhergegangenen Abhandlungen schon beschrieben wurde, ist die Ernährung von
JapanerInnen in Wien zugleich vielseitig und doch eindeutig von der japanischen Küche beeinflusst.
In diesem letzten Analysekapitel soll deshalb die tägliche Ernährung der JapanerInnen in Wien
noch einmal veranschaulicht und auf eine etwaige gemeinsame Identität dieser geschlossen werden.
Bezug nehmend auf eine alltägliche Ernährung kann gesagt werden, dass die Gerichte der
JapanerInnen in Wien aus einer Mischkost von japanischen, europäischen und anderen asiatischen
Speisen aufgebaut sind.
Ein typisches Frühstück in Wien konnte bei den befragten ProbandInnen sowohl westlich als
auch japanisch sein. Während bei einem westlichen Frühstück v.a. auf Joghurt und Früchte sowie
auf Müsli, Porridge usw. zurückgegriffen wurde, enthielt das als japanisch charakterisierte
Frühstück traditionell neben Reis auch Misosuppe oder nattō. Als Getränke wurden Kaffee oder
Tee getrunken. Aus diesen Speisen könnte sich eine teilweise japanische Identität durch Reis und
Misosuppe entwickeln, da diese als Hauptnahrungsmittel angesehen werden können. Sehr auffällig
ist jedoch, dass ProbandInnen, die eher am Mittag oder zu Abend japanische Speisen zu sich
nehmen, am Morgen weniger darauf zurückgriffen, sondern sich eher für westlich angehauchte
Speisen entschieden.
Ein generelles Mittagessen war ebenfalls sehr japanisch angehaucht. Die ProbandInnen
gaben an, ähnlich wie in Japan auf schnelle Gerichte wie insutanto rāmen oder Eierreis
zurückzugreifen. Einige gaben auch an, in einer der verschiedenen Mensas der Universität Wien
bzw. bei Mc-Donald‘s gegessen zu haben oder sogar öfter zu essen. Bei den Mensas waren v.a. die
große Mensa im Obergeschoss des NIG (Neues Institutsgebäude) sowie die afro-asiatische Mensa
in der Türkenstraße sehr beliebt. Diese beiden wurden einerseits wegen des günstigen Preises und
andererseits wegen der großen Portionen gewählt. Relativ selten gaben die ProbandInnen an auf
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belegte Brötchen zurückzugreifen. Einzig Frau Furukawa meinte, gerne Brötchen zu essen, da sie
durch diese noch mehr Gemüse zu sich nehmen könnte. Auch nicht sehr oft wurden Mittagsmenüs
in Restaurants in Anspruch genommen. Einzig Cafés wurden gerne besucht und in diesen anstelle
eines Mittagessens ein Stück Kuchen genossen.
Das Abendessen war sehr japanisch geprägt. Fast alle ProbandInnen gaben an, zumindest
zweimal in drei Tagen ein charakteristisch japanisches Abendessen mit Reis, Misosuppe, nattō usw.
gegessen zu haben. Auch Fleischgerichte wie donburi gehören zu einem typisch japanischen
Abendessen in Wien. Das Abendessen ist sehr kennzeichnend für eine japanische Kultur. Die
ProbandInnen gaben auch an, dass sie sehr von japanischen Zutaten geprägt seien, weil sie diese Art
zu essen schon seit ihrer Kindheit in Japan gewöhnt seien. Natürlich wurden auch Pasta, Chili con
carne oder andere westliche Speisen als Abendessen angegeben, jedoch stand immer zumindest ein
japanisches Element wie z.B. ein Salat, der mit Sojasoße oder mirin gewürzt war, auf dem
Speiseplan.
Die Getränke, die über den Tag verteilt getrunken wurden, bestanden neben Kaffee,
Schwarztee und Grüntee auch aus Leitungswasser oder Sodagetränken wie Almdudler usw. Die
Getränke zeigen somit nicht unbedingt eine japanische Tendenz an.
Auffällig ist des Weiteren die Wahl der Zwischenmahlzeiten. Generell gaben nur wenige
ProbandInnen an, zwischen den Hauptmahlzeiten überhaupt etwas zu sich genommen zu haben.
War dies jedoch der Fall, so handelte es sich nie um japanische Snacks wie senbei, sondern
ausschließlich um Kuchen oder Kekse. Diese wurden, wie bereits erwähnt, auch anstelle eines
warmen Mittagessens zu sich genommen.
Auch selten wurde in Restaurants gegessen. So gab nur eine ProbandIn an, in den
vergangenen drei Tagen in einem Restaurant gefrühstückt zu haben. Bei diesem Frühstück handelte
es sich um ein Wiener Frühstück mit Semmeln, Butter, Marmelade usw.
Vielleicht die wichtigste Erkenntnis in Bezug auf eine japanische Identität durch eine
gewisse Ernährungsweise in Wien ist, dass sich das Essverhalten der in Wien lebenden
JapanerInnen im Laufe ihres, meist langjährigen, Aufenthalts sehr stark verändert hat. So gab Frau
Furutani an, sie habe die ersten zwei Jahre nur österreichische Speisen gegessen und auch
österreichische Zutaten für die Zubereitung ihrer Gerichte benutzt, jedoch sei es ihr nach dieser Zeit
einfach zu deftig geworden bzw. sie habe die japanische Küche so sehr vermisst, dass sie wieder auf
diese als Nahrungsmittelpunkt zurückgegriffen habe. Sie schilderte diese gleiche Erfahrung auch
von einer ihrer Freundinnen. Auch Herr Kataoka und Frau Kawaguchi haben ähnliche Erfahrungen
gemacht. Als sie gerade erst nach Wien gekommen sind, hätten sie lieber österreichische Speisen
gegessen, während sie nun wieder japanische Speisen verzehren würden. Für Frau Kawaguchi und
68
Herrn Kataoka war dabei der Gesundheitsfaktor ausschlaggebend. Sie meinten, dass ihnen nach
einiger Zeit das österreichische Essen einfach zu deftig und schwer geworden sei. Auch Frau Fukui,
die schon seit mehr als 20 Jahren in Wien lebt, machte die gleichen Erfahrungen und greift heute
auch für ihre Gesundheit auf japanische Zutaten zurück.
In den Interviews wurde auch sehr schnell klar, dass die JapanerInnen in Wien eine gewisse
Verbundenheit zueinander zeigten. So gingen sie bei ihren Antworten oft weniger auf sich selbst als
auf die JapanerInnen in Japan oder Wien ein. Am deutlichsten wurde dies bei der Frage, ob denn
leichte Kost einer schweren deftigen Kost vorgezogen würde. Die Antwort auf diese war
unabhängig voneinander oft eine solche wie die Folgende: „Also JapanerInnen essen generell lieber
leichte Speisen als fettige“ usw. Dies lässt eindeutig auf eine Gruppenidentität, die durch das Essen
gezeigt wird, schließen. Das Besondere an einer japanischen Esskultur ist auch, dass unabhängig
von den einzelnen Präfekturen immer Reis, Soja, Fisch usw. als Hauptnahrungsmittel angesehen
wird. Dies gilt sowohl für Fischerdörfer wie auch für Großstädte. Auch bei meinen Interviews hatte
ich das große Glück, mit Personen aus den verschiedensten Präfekturen sowie aus Städten oder
Dörfern stammend, zu sprechen. Natürlich wurde das Zugehörigkeitsgefühl zur eigenen Präfektur
bzw. der Heimatpräfektur oft noch durch geliebte Speisen verdeutlicht, jedoch wurde auch
angegeben, generell Reis gerne zu essen.
Als letzten großen Punkt in meinem Gespräch mit den ProbandInnen wollte ich mich nach
Speisen erkundigen, die bei ihnen eine bleibende Erinnerung hinterlassen haben. Dabei gab ich
nicht an, ob diese nun japanisch oder österreichisch, oder auch Speisen aus anderen Ländern sein
müssten. Die meisten InterviewpartnerInnen gaben an, sich an japanische Speisen aus ihrer
Kindheit oder auch jene nach großen Katastrophen wie z.B. nach der Dreifachkatastrophe im Jahre
2011, erinnern zu können. Im Konkreten waren dies Speisen wie sekihan, Sushi, Fisch, der nach der
Katastrophe gegessen wurde usw. Interessanterweise wurde auch von Herrn Kanno erwähnt, dass
für ihn besonders italienische und auch französische Speisen im Japan seiner Studienzeit einen
bleibenden Eindruck hinterlassen hätten. Er erzählte mir dabei u.a., dass er sich als junger Student
von ausländischem Essen fasziniert, mit dem Besitzer eines italienischen Restaurants angefreundet
habe. Dieser Freund habe ihm schließlich zum ersten Mal die Wunder der italienischen und
französischen Küche näher gebracht.
Unter den Erinnerungen an österreichische Speisen waren meist der erste Besuch in einem
typisch alt-wienerischen Restaurant wie den beiden berühmten Figlmüller oder Plachutta. Die
Speise, die ihnen dort besonders im Gedächtnis geblieben sei, war das Wiener Schnitzel oder
Zwiebelrostbraten.
Auch süße Speisen wie die berühmte Sachertorte gehören eindeutig zu den Erinnerungen der
69
JapanerInnen in Wien.
Ein Punkt, der in diesem Kapitel noch angesprochen werden muss, ist jener der Akzeptanz
bzw. Wahrnehmung von ausländischen Speisen in Japan. Die japanischen ProbandInnen gaben an,
in Wien auch gerne asiatische Restaurants aufzusuchen. Als ich sie jedoch fragte, ob dies auch in
Japan der Fall gewesen sei, meinten sie, dass sie ganz klar eine asiatische Küche schätzten, jedoch
in Japan eher auf europäische Speisen wie Pizza oder Pasta zurückgreifen würden. Herr Fujimoto
sprach sogar von der italienischen Küche als Teil der japanischen: „Es gibt überall in Japan
italienische Restaurants. Italienische Speisen zähle ich deshalb nicht zu ausländischer Kost, sie
gehören schon zu einer japanischen Küche“. Wenn also von einer japanischen Identität durch eine
japanische Küche im Allgemeinen gesprochen wird, ist es sehr schwierig herauszufiltern, in
welchem Ausmaß diese japanische Küche wahrgenommen wird. Wird, wie bei Herrn Fujimoto,
eine italienische Kost auch dazu gezählt? Was ist mit Speisen, die eigentlich nicht japanisch waren,
jedoch in Japan adaptiert und an den japanischen Geschmack angepasst wurden, wie z.B. rāmen,
tempura oder karē? Im Falle meiner ProbandInnen war ganz deutlich ersichtlich, dass eine
Mehrheit zwar der Ansicht von Herrn Fujimoto nicht zustimmen könnte, dass für sie jedoch die
übernommenen Speisen ganz klar zu einer japanischen Küche gezählt werden könnten. Dies zeigt
sich auch in den Kindheitserinnerungen der meisten TeilnehmerInnen, bei denen, wie bereits
erwähnt, ein Großteil der Personen meinte, ihre Lieblingsspeise sei karē gewesen.
Zum Abschluss soll noch einmal auf die Wahrnehmung der Gesundheit eingegangen werden.
Bei der Auswertung der einzelnen Entscheidungsgründe für eine gewisse Lebensmittelwahl zeigte
sich, dass die beiden Aspekte der Gesundheit und des Preises als wichtigste für eine tägliche
Ernährung angesehen wurden. Besonders der Gesundheitsaspekt wurde dabei als typisch japanisch
bezeichnet. Dies zeigte sich ebenfalls wieder durch eine gemeinsame Gruppenidentität. So fielen
immer wieder Aussagen wie: „In Japan denkt man, dass Mc-Donald‘s nicht gesund ist, deshalb esse
ich es nicht“ oder „Die JapanerInnen mögen sehr gerne Gemüse und deshalb ist es für alle in
Österreich anstrengend, dass es hier nicht so viel Gemüse gibt“ oder auch „Also, in Japan ist jetzt
eher nicht Vegetarismus oder Veganismus von Bedeutung, sondern es wird gesagt, man soll
lebende Organismen essen. Dies sei sehr gesund“. Wie diese Beispiele zeigen, ist es für die meisten
JapanerInnen ganz klar, dass ihre Ernährungsweise zu einer der gesündesten der Welt gehört und
dies u.a. auch deshalb der Fall ist, weil sie sich auf Gemüse stützt. Während ich als Österreicherin
niemals verallgemeinert sagen könnte, dass alle meine Landsleute Gemüse oder Fleisch sehr gerne
essen, stellen verallgemeinerte Aussagen wie diese für JapanerInnen kein Problem dar. Die
Gesundheit, besonders in der Form des Verzehrs von genügend Gemüse und tierischem Eiweiß
kann deshalb nicht nur als der zweitwichtigste Entscheidungsgrund neben dem Preis, sondern auch
70
als Indikator für eine gemeinsame japanische Identität angesehen werden.
Ein interessantes Ergebnis war, dass die JapanerInnen den hohen Salzgehalt in
österreichischen Speisen kritisierten, obwohl einige japanische Speisen durchaus als besonders
salzhaltig angesehen werden können. Darunter auch die, von meinen ProbandInnen hoch geschätzte,
und als essenzielle Zutat für japanische Speisen bezeichnete, Sojasoße. Wie bereits erwähnt,
beschreiben auch Ashkenazi und Jacob die Folgen dieser salzhaltigen Ernährung am Beispiel des in
Salzlake eingelegten Gemüses, welches zu fast jedem japanischen Abendessen verzehrt wird. Laut
ihnen ist eben dieses Gemüse einer der Faktoren, warum die Zahl der an Darmkrebs erkrankten
JapanerInnen gestiegen ist. Aufgrund dieses Anstiegs gäbe es auch Kampagnen der japanischen
Regierung, um den Genuss von stark salzhaltigen Speisen in der japanischen Bevölkerung zu
verringern (Ashkenazi und Jacob 2003:173).
Obwohl die tägliche Ernährung der in Wien lebenden JapanerInnen als eine Mischkost aus
japanischer und nicht-japanischer Küche bezeichnet werden könnte, ist die japanische
Ernährungsweise von großer Bedeutung. Besonders der Verzehr von Gemüse zusammen mit
tierischem Eiweiß wird mit dieser verbunden.
7. Conclusio
Die vorliegende Arbeit beschäftigte sich mit dem sogenannten food choice bei derzeit in Wien
lebenden JapanerInnen. Das Erkenntnisinteresse lag darin, die tägliche Ernährung dieser
aufzuzeigen und aus diesen Ergebnissen auf kulturelle Zusammenhänge zu schließen. Die zu
beantwortende Fragestellung und die sich daraus ergebenden Unterfragen lauteten dabei wie folgt:
Wie sieht die tägliche Ernährung von in Wien lebenden JapanerInnen aus? Was sind die wichtigsten
Motive für die Wahl bestimmter Lebensmittel und Speisen? Welche Aspekte sind von Bedeutung
beim Kauf dieser? Wie werden aktuelle Ernährungstrends wie z.B. Vegetarismus und Veganismus
wahrgenommen?
Die Frage nach der täglichen Ernährung einer japanischen Community in Wien kann mit
einer Mischkost aus japanischen, österreichischen und sonstigen ausländischen Speisen beschrieben
werden. Für die von mir befragten JapanerInnen war es von Bedeutung, dass die Speisen, die sie
täglich zu sich nehmen, aus mindestens einer Portion Reis sowie japanischen Geschmackszutaten
und Würzstoffen wie Miso, mirin, dashi und Sojasoße bestehen würden. Die allgemeine Meinung
der JapanerInnen war, dass falls diese Gewürze vorhanden seien, überall auf der Welt japanisch
gekocht werden könnte.
Außerdem war es für die ProbandInnen sehr wichtig, dass anstelle einer großen Portion
71
einer bestimmten Speise, wie dies z.B. beim Wiener Schnitzel der Fall wäre, mehrere kleine
Gerichte gleichzeitig gegessen werden. Innerhalb dieses beschriebenen Rahmens war die Ernährung
der ProbandInnen sehr flexibel. So war es für die meisten JapanerInnen auch kein Problem auf nicht
so landestypisches Gemüse wie z.B. Zucchini zurückzugreifen, wenn dieses mit japanischen
Würzstoffen zubereitet würde. Dadurch kann zusammenfassend gesagt werden, dass es bedeutsam
für JapanerInnen ist, dass das Essen, welches sie täglich zu sich nehmen, v.a. ausgewogen ist und
viel Gemüse, aber auch tierisches Eiweiß enthält.
In meinen Interviews war das Gemüse ein Stellvertreter für den Gesundheitsaspekt. Dieser
Gesundheitsaspekt kann, wie gesagt, wohl als der qualitativ elementarste Entscheidungsgrund für
den täglichen Menüplan angesehen werden. Ein wichtiges Ergebnis war jenes, dass die
JapanerInnen ein Essen ohne Gemüse nicht als richtige Mahlzeit ansehen würden. Gemüse wird zu
allen Mahlzeiten und in den verschiedensten Formen zu sich genommen. Während zum Frühstück
v.a. Salate oder auch Suppen wie Miso- oder Tomatensuppe gegessen werden, wird Gemüse zu
Mittag oder am Abend in Form von nimono, tsukemono usw. zubereitet. Auch in europäische
Gerichte wie Pasta wird Gemüse hineingegeben. Gemüse wird aber auch mit der japanischen Küche
verbunden. In Japan würde laut den ProbandInnen der Schwerpunkt der Küche auf dieser Zutat
liegen. U.a. wurde die österreichische Küche als ungesund wahrgenommen, da sie sich nicht auf
Gemüsegerichte stütze. Mit diesem Gemüse als Vertreter des Gesundheitsaspekts konnte auch die
Annahme, dass sich eine japanische Community v.a. vom Gesundheitsaspekt bei ihrer täglichen
Lebensmittelwahl leiten lassen würde, bestätigt werden.
Was die, von den ProbandInnen gegessenen, Speisen jedoch nicht enthalten sollten, war zu
viel Fett oder Salz. Dies steht aber in einem starken Widerspruch zu Gerichten in Japan, die auch
als sehr fett- bzw. salzhaltig bezeichnet werden können. Tempura oder Sojasoße sind nur zwei
Beispiele dafür. Auch in Japan sind die Zivilisationskrankheiten aufgrund einer zu fett- und
salzhaltigen Ernährung deshalb bereits auf dem Vormarsch, weshalb u.a. von der japanischen
Regierung zu einer Verringerung von Salz und Fett aufgerufen wird.
Der quantitativ wichtigste Entscheidungsgrund bei einer täglichen Wahl von Lebensmitteln
und Speisen war der Preisfaktor. Beim Preis ist den ProbandInnen ein gutes Preis-Leistungs-
Verhältnis wichtig. Sie sind oftmals bereit mehr zu bezahlen, falls es sich um qualitativ hochwertige
Produkte handelt. Dementsprechend wurden auch Bioprodukte gekauft und geschätzt. Andererseits
wollten v.a. jüngere InterviewpartnerInnen eher auf die billigsten Produkte zurückgreifen, waren
jedoch generell der Ansicht, dass das Preisniveau in Österreich sowieso auf einem niedrigeren
Niveau liegen würde als in Japan und deshalb nie so viel Geld wie in Japan gebraucht werden
würde.
72
Mein Erkenntnisinteresse zu den Ernährungstrends in Österreich und der Wahrnehmung
dieser konnte durch meine Interviews mit den JapanerInnen ebenfalls ausführlich beantwortet
werden. Dabei konnte ich zu dem Ergebnis gelangen, dass Diät- oder Kurtrends nur mit wenig
Neugier betrachtet wurden, während hingegen Ernährungsstile wie der Vegetarismus und der
Veganismus mehr Interesse hervorgerufen haben. Der Vegetarismus wurde von einer japanischen
Community in Wien als generell positiv angesehen. Bejahend wurde empfunden, dass sich diese
Ernährungsweise v.a. auf Gemüse und Milchprodukte usw. stützen würde und somit zur
Gesundheitsvorstellung der JapanerInnen, mit Gemüse und tierischem Eiweiß, passte. Der
Tierschutz wurde eher zweitrangig als Grund für Vegetarismus angesehen. Nur wenige
ProbandInnen erwähnten diesen oder Tiere im Allgemeinen.
Der Veganismus andererseits wurde meist als negativ empfunden. VeganerInnen würden
ihrer Gesundheit schaden, da sie keine essenziellen Eiweißstoffe zu sich nehmen würden. Während
einige TeilnehmerInnen sich vorstellen könnten, fleischlos zu leben, widersprachen alle der
Vorstellung, sich vegan zu ernähren. Aber auch in einem kulturellen Zusammenhang wurde der
Trend des Veganismus kritisiert. So sei es in Japan unmöglich sich vegan zu ernähren, weil Fisch
ein Hauptbestandteil der japanischen Küche sei. Dass dies jedoch möglich ist, konnte von einer
Probandin erfahren werden, deren Großmutter sich in Japan vegan ernährt.
Im zweiten Teil dieser Arbeit wurde auf kulturelle Aspekte und eine sich durch die jeweilige
Esskultur eines Landes bildende Identität eingegangen. Essen gehört zum Leben der Menschen
eines jeden Landes und einer jeden Generation. Es ist sogar möglich, dass Essen zu einem
kulturellen Erbe wird und somit über Generationen hinweg überdauert.
Bezug nehmend auf eine gemeinsame japanische Identität konnte herausgefunden werden,
dass diese sich sehr stark in einer japanischen Ernährungsweise in Wien zeigt. Dies mag nicht
immer in der Form von ausschließlich japanischen Gerichten erfolgen, jedoch werden spezielle
Zutaten als ausschlaggebend für eine japanische Ernährung und somit als Faktor einer japanischen
Identität bezeichnet.
Außerdem bemerkenswert für eine japanische Ernährung und Identität ist, dass sich die
meisten ProbandInnen im Laufe vieler Jahre wieder auf eine japanische Küche verlassen,
wohingegen sie zu Beginn ihres Lebens in Wien auch österreichische Zutaten verwendet hatten.
Hierbei kann auch die Annahme, dass die JapanerInnen in Wien offen für neue Speisen sind und
gerne österreichische Speisen probieren, bestätigt werden. Auch während meiner Gespräche wurde
mir erzählt, dass v.a. von bereits seit Längerem in Wien lebenden JapanerInnen nach einiger Zeit
der Wunsch nach japanischem Essen größer werde und deshalb vermehrt auf die Speisen des
Gastlandes verzichtet werde. Diese Erkenntnis spiegelte sich auch in der Trennung zwischen lang-
73
bzw. kurzfristig in Wien lebenden JapanerInnen wider.
Generell spielt die japanische Küche eine sehr große Rolle im Leben der JapanerInnen in
Wien. Diese wird als gesund wahrgenommen. Außerdem sei sie die Ernährungsweise, an die jedes
Individuum bereits seit der Kindheit gewöhnt sei.
Ausschlaggebend für diese japanische Identität durch eine japanische Küche ist sicherlich
auch, dass sie mit der Familie in Japan verbunden wird, dabei v.a. mit der Mutter oder Großmutter.
Diese seien für die Gesundheit und Erziehung zuständig. Sicher kann auch gesagt werden, dass sich
eine gemeinsame Identität als JapanerIn auch durch die Mutter und Großmutter bildet.
Diese Arbeit versuchte, die tägliche Ernährung von derzeit in Wien lebenden JapanerInnen
in Wien und die sich daraus ergebende Identität genauer zu erläutern. Natürlich konnte nicht auf
jedes Detail der Gespräche eingegangen werden. Besonders im Bereich des Sicherheitsaspekts für
die Ernährungswahl, auch unter Berücksichtigung der Ereignisse nach der Dreifachkatastrophe,
könnte sicherlich noch sehr viel geforscht werden.
74
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Kurzfassung/Abstract
Forschungen zum sogenannten food choice, die bewusste Wahl für bestimmte Lebensmittel und
Speisen, sind vor allem während des letzten Jahrzehnts stetig gestiegen. Dies spiegelt sich nicht nur
in modernen westlichen Ernährungstrends sondern auch weltweit wider. Die vorliegende Arbeit
beschäftigt sich daher mit der Lebensmittelwahl und dem Ernährungsverhalten von in Österreich,
genauer gesagt in Wien, lebenden JapanerInnen. Das Erkenntnisinteresse lautet folgendermaßen:
Wie sieht die tägliche Ernährung von in Wien lebenden JapanerInnen aus und ist sie ein Spiegelbild
für eine japanische Lebensweise und Identität auch abseits Japans?
Das Ziel dieser Arbeit ist das Ernährungsverhalten von JapanerInnen in Österreich näher zu
analysieren. Um dies zu erreichen, werden derzeit in Österreich lebenden JapanerInnen zu ihren
Essgewohnheiten und Präferenzen befragt. Die Vorgehensweise ist dabei eine qualitative Befragung
in Form von persönlichen Interviews. Die Ergebnisse der Befragung werden schließlich zusammen
mit der bereits bestehenden Sekundärliteratur analysiert um so die Fragestellung zu beantworten.
Research concerning the choosing of certain groceries and dishes over others rose steadily over the
last decade. This tendency not only is shown in modern occidental nutritional trends, but also in
eating habits worldwide. This thesis attempts to identify the motives for a certain choosing of food
and eating habits in a Japanese community in Vienna. The question of interest is: How does the
daily diet of Japanese living in Vienna look like and is it a reflection for a Japanese lifestyle and
identity outside Japan?
The intention of this thesis is to further analyze the daily diet of the Japanese living in Austria,
especially in Vienna. To reach that goal a Japanese community now living in Austria is interviewed
and asked about their preferences and daily eating habits. The method of those interviews is a
qualitative one in the form of one on one interviews. The results of those interviews will finally be
analyzed and compared to an existing literature in order to answer the question of interest.
Curriculum vitae
10/2014 – 05/2017 Masterstudium an der Japanologie der Universität Wien
10/2009 – 08/2013 Bachelorstudium an der Japanologie der Universität Wien
09/2013 – 09/2014 Auslandsstudium an der Osaka University, Japan