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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. Übergangsmetallkomplexe mit Schwefelliganden, LXI* [Fe(NO)'buS51, ein 19e-Nitrosylkomplex mit ungewöhnlichen Eigenschaften ^bu§5' 2 - = Dianion von 2,2'-Bis(2-mercapto-3,5-di-tertiär-butylphenylthio)- diethylsulfid). NO/CO-Austausch an Eisenschwefelzentren Transition Metal Complexes with Sulfur Ligands, LXI* [Fe(NO)'buS5'j a 19 Electron Nitrosyl Complex with Unusual Properties ('buS5'2“ = Dianion of 2,2'-Bis(2-mercapto-3,5-di-tertiary-butylphenylthio)diethylsulfide). NO/CO-Exchange in Iron Sulfur Centres Dieter Sellmann+, Klaus Höhn und Matthias Moll Institut für Anorganische Chemie der Universität Erlangen-Nürnberg, Egerlandstraße 1, D-8520 Erlangen Z. Naturforsch. 46b, 673-681 (1991); eingegangen am 19. November 1990 Iron Sulfur Complexes, ESR Spectra, Mössbauer Spectra 18 and 19 electron NO complexes with the [Fe'buS5'] moiety ('buS5'2- = dianion of 2,2'-bis- (2-mercapto-3,5-di-tertiary-butylphenylthio)diethylsulfide) have been isolated and converted reversibly into each other. The unpaired electron in meso-[Fe(NO)'buS5'], meso-1, is delocalized over the whole molecule and occupies an orbital that is antibonding with respect to Fe-N and Fe-S bonds. Consequently, the NO ligand is readily substituted under mild conditions. In contrast, the 18 electron complex w^o-[Fe(NO)'buS5']PF6, meso-2, is entirely inert towards substitution. To our knowledge the exchange of NO by CO in meso-1 via meso-2 is the first example, in which NO is displaced by CO in an isolable NO complex. The NO release from meso-1 via meso-2 can be considered a model for reversible NO bonding in sulfur coordinated metal centres of nitrogenase. It is shown that one-electron redox reactions make stable Fe-NO bonds labile, and the reversible coordination and decoordination of NO in nitro genase may be induced by a similar process. 1. Einleitung In den aktiven Zentren der meisten Nitrogena- sen finden sich Eisen und Molybdän in Koordina tionssphären, die überwiegend Schwefeldonoren aufweisen [2], Jüngste Befunde zeigen, daß auch Nitrogenasen existieren, die kein Heterometall, sondern ausschließlich Eisen enthalten [3]. Nitro genasen katalysieren die Reduktion einer großen Zahl sehr verschiedener Moleküle, von N2 über Acetylen bis hin zu Nitrilen und Isonitrilen [4], Nicht reduziert werden CO und NO. Beide Mole küle hemmen vielmehr stark nichtkompetitiv und reversibel die N2-Fixierung, woraus auf eine Blok- kade der N2-bindenden Stellen durch CO oder NO bzw. die Bildung von M -CO- oder M-NO-Kom- plexen geschlossen werden kann. Die Reversibili tät der Hemmung erfordert, daß die M-L-Bin- dungen (L = CO, NO) auch wieder gespalten wer * LX. Mitteilung s. Ref. [1]. + Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. D. Sellmann. Verlag der Zeitschrift für Naturforschung, D-7400 Tübingen 0932-0776/91/0500-0673/$ 01.00/0 den können. Eine solche M-L-Bindungsspaltung ist aber insbesondere bei Metall-Nitrosyl-Komple- xen ungewöhnlich. NO-Liganden in NO-Komple- xen sind meistens substitutionsinert, und bei Sub stitutionsreaktionen werden stets die Koliganden des NO ausgetauscht [5]. Auch gegen CO lassen sich NO-Liganden nicht austauschen, während umgekehrt der CO/NO-Austausch eine häufig be nutzte Synthesemethode für NO-Komplexe ist [6], In dem hier beschriebenen Komplexpaar meso- [Fe(NO)'buS5T + (n = 1,0) ('buS5'2~ = Dianion von 2,2'-Bis(2-mercapto-3,5-di-tertiär-butylphenylthio)- diethylsulfid) ist der NO-Ligand an ein Eisen- Schwefel-Zentrum gebunden. Es liegen in dieser Hinsicht gleiche Koordinationsverhältnisse vor, wie sie bei der Anlagerung von NO an Nitrogena- se-Zentren erwartet werden können. Um zu prü fen, ob und unter welchen Bedingungen eine Spal tung der Fe-NO-Bindung erfolgen kann, haben wir das meso-[Fe(NO)'buS5']l+0-Paar eingehend un tersucht. Das weso-Isomer stellt eines der vier möglichen Stereoisomeren dar, die bei der Bildung von sechsfach koordinierten [M(L)'buS5']-Komple-

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

Übergangsmetallkomplexe mit Schwefelliganden, LXI* [Fe(NO)'buS5 1, ein 19e-Nitrosylkomplex mit ungewöhnlichen Eigenschaften ^bu§5'2- = Dianion von 2,2'-Bis(2-mercapto-3,5-di-tertiär-butylphenylthio)- diethylsulfid). NO/CO-Austausch an EisenschwefelzentrenTransition Metal Complexes with Sulfur Ligands, LXI*[Fe(NO)'buS5'j a 19 Electron Nitrosyl Complex with Unusual Properties('buS5'2“ = Dianion of 2,2'-Bis(2-mercapto-3,5-di-tertiary-butylphenylthio)diethylsulfide).NO/CO-Exchange in Iron Sulfur Centres

Dieter Sellmann+, Klaus Höhn und M atthias MollInstitut für A norganische Chemie der U niversität E rlangen-N ürnberg,Egerlandstraße 1, D-8520 ErlangenZ. N aturforsch. 46b, 673-681 (1991); eingegangen am 19. N ovem ber 1990

Iron Sulfur Complexes, ESR Spectra, M össbauer Spectra

18 and 19 electron NO complexes with the [Fe'buS5'] m oiety ('buS5'2- = dianion o f 2,2'-bis- (2-m ercapto-3,5-di-tertiary-butylphenylthio)diethylsulfide) have been isolated and converted reversibly into each other. The unpaired electron in m eso-[Fe(NO )'buS5'], meso-1, is delocalized over the whole molecule and occupies an o rb ita l tha t is an tibonding with respect to F e -N and F e -S bonds. C onsequently, the NO ligand is readily substituted under mild conditions. In contrast, the 18 electron complex w ^o -[F e(N O )'buS5']P F 6, meso-2, is entirely inert tow ards substitution. To our knowledge the exchange o f NO by CO in meso-1 via meso-2 is the first example, in which NO is displaced by CO in an isolable N O complex. The NO release from meso-1 via meso-2 can be considered a m odel for reversible N O bonding in sulfur coordinated metal centres o f nitrogenase. It is shown th a t one-electron redox reactions make stable F e -N O bonds labile, and the reversible coord ination and decoordination o f NO in n itro ­genase may be induced by a similar process.

1. Einleitung

In den aktiven Zentren der meisten Nitrogena- sen finden sich Eisen und Molybdän in Koordina­tionssphären, die überwiegend Schwefeldonoren aufweisen [2], Jüngste Befunde zeigen, daß auch Nitrogenasen existieren, die kein Heterometall, sondern ausschließlich Eisen enthalten [3]. N itro­genasen katalysieren die Reduktion einer großen Zahl sehr verschiedener Moleküle, von N 2 über Acetylen bis hin zu Nitrilen und Isonitrilen [4], Nicht reduziert werden CO und NO. Beide Mole­küle hemmen vielmehr stark nichtkompetitiv und reversibel die N 2-Fixierung, woraus auf eine Blok- kade der N2-bindenden Stellen durch CO oder NO bzw. die Bildung von M -C O - oder M -N O -K om - plexen geschlossen werden kann. Die Reversibili­tät der Hemmung erfordert, daß die M -L -B in- dungen (L = CO, NO) auch wieder gespalten wer­

* LX. M itteilung s. Ref. [1].+ Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. D. Sellmann.

Verlag der Zeitschrift für Naturforschung, D-7400 Tübingen0932-0776/91/0500-0673/$ 01.00/0

den können. Eine solche M -L-Bindungsspaltung ist aber insbesondere bei Metall-Nitrosyl-Komple- xen ungewöhnlich. NO-Liganden in NO-Komple- xen sind meistens substitutionsinert, und bei Sub­stitutionsreaktionen werden stets die Koliganden des NO ausgetauscht [5]. Auch gegen CO lassen sich NO-Liganden nicht austauschen, während umgekehrt der CO/NO-Austausch eine häufig be­nutzte Synthesemethode für NO-Komplexe ist [6],

In dem hier beschriebenen Komplexpaar meso- [Fe(NO)'buS5T + (n = 1,0) ('buS5'2~ = Dianion von 2,2'-Bis(2-mercapto-3,5-di-tertiär-butylphenylthio)- diethylsulfid) ist der NO-Ligand an ein Eisen- Schwefel-Zentrum gebunden. Es liegen in dieser Hinsicht gleiche Koordinationsverhältnisse vor, wie sie bei der Anlagerung von NO an Nitrogena- se-Zentren erwartet werden können. Um zu prü­fen, ob und unter welchen Bedingungen eine Spal­tung der Fe-N O -Bindung erfolgen kann, haben wir das meso-[Fe(NO)'buS5']l+0-Paar eingehend un­tersucht. Das weso-Isomer stellt eines der vier möglichen Stereoisomeren dar, die bei der Bildung von sechsfach koordinierten [M(L)'buS5']-Komple-

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xen mit dem fünfzähnigen 'buS5'2 -Liganden gebil­det werden können [1],

p f 6-

me,s0-[Fe(N O )'buS5']PF6, meso-2.

2. Experimenteller Teil

2.1. AllgemeinesWenn nicht anders vermerkt, wurden alle Reak­

tionen bei Raumtemperatur unter Stickstoff in ab- solutierten Lösungsmitteln in Schlenkgefäßen durchgeführt und soweit möglich IR-spektrosko- pisch verfolgt; Lösungsmittelabsorptionen wurden dabei kompensiert. Hydrazin wurde durch zwei­malige Destillation von N2H 5OH über KOH er­halten. Die Aufnahme der Spektren wurde mit fol­genden Geräten durchgeführt: IR: Zeiss IM R25; NMR: Jeol FT-NMR-Spektrometer JNM-GX 270; UV: Shimadzu UV Visible Recording Spectrome­ter UV-260; ESR: Bruker ER 220DLR; die ESR- Spektren wurden nach [7] simuliert; MS: Varian MAT 212. Cyclovoltammetrische Messungen er­folgten mit einem PAR Model 264A Polaro­graphie Analyser/Stripping Voltammeter bei 25 °C (Ag/AgCl-Referenz-, Glaskohlenstoff- arbeits- und Pt-Gegenelektrode). Die ermittelten Potentiale wurden mit Ferrocen geeicht. Möß- bauer-Spektren wurden im Modus konstanter Be­schleunigung mit einer 30 mCi 57Co/Rh-Quelle aufgenommen. Zur Eichung der Doppler-Ge- schwindigkeit diente eine 25 //m Eisenfolie. Die Datenaufnahme erfolgte im MCS-Mode. Iso­merieverschiebungen zIEq sind auf metallisches Ei­sen bei Raumtemperatur bezogen. Magnetische Messungen wurden mit einer Johnson Matthey Suszeptibilitätswaage durchgeführt. meso- [Fe(NO)'buS5'], meso-1, wurde nach [1] dargestellt.

2.2. Synthesen und Reaktionen

Oxidation von m eso-[Fe(N O )'h"S5'] , meso-1a) M it NO in Gegenwart von NH4PF6: Durch

eine Lösung von 610 mg (0,9 mmol) meso-1 in 40 ml C H 2C12 wird 10 min NO geleitet, wobei die Farbe von grün nach braun und schließlich wieder

nach grün wechselt. Abkondensieren aller flüchti­gen Bestandteile ergibt einen grünen Rückstand, der mit «-Hexan gewaschen und in CH2C12 wieder gelöst wird. Versetzen der Lösung mit N H 4PF6 und Abkondensieren des CH2C12 ergeben ein grü­nes Pulver, das nach Waschen mit MeOH 12 h im Vakuum getrocknet und IR- sowie 'H-NM R- spektroskopisch als Gemisch von meso- und trans-2 identifiziert wurde. Ausbeute: 330 mg (45%).

b) M it Luft, / , oder HBF4: Jeweils 70 mg (0,1 mmol) m eso-1 in 5 ml THF werden mit 3 ml Luft (ca. 0,03 mmol 0 2), einem Körnchen I2 bzw.1 Tropfen HBF4 (1,6 M in Et20 ) versetzt und 4 h.5 min bzw. 3 min gerührt. Nach Abkondensieren aller flüchtigen Bestandteile wurde in den Rück­ständen IR- und 'H-NM R-spektroskopisch je­weils das [Fe(NO)'buS5']+-Kation nachgewiesen. Bei der Reaktion mit HBF4 konnte gaschromato­graphisch kein H2 nachgewiesen werden.

c) M it CH^I: 0,04 ml (0,6 mmol) CH,I in 5 ml TH F werden innerhalb von 20 min in eine Lösung von 410 mg (0,6 mmol) meso-1 in 40 ml TH F ge­tropft und über Nacht gerührt. Aus der grünen Lösung bildet sich eine braungrüne Suspension mit gelben Mikrokristallen. Das Lösungsvolumen wird auf die Hälfte reduziert und die ausfallenden Kristalle werden abfiltriert und über Nacht im Va­kuum getrocknet. Sie werden aus 5 ml CH2C12 durch Uberschichten mit 20 ml «-Hexan umkri­stallisiert (20 C —> -3 0 C), wobei sie ein gelbgrü­nes Pulver liefern. Ausbeute: 190 mg (40%). Ob­wohl trotz mehrmaliger Umkristallisationsversu- che [Fe(NO)'buS5']I nicht elementaranalysenrein erhalten wurde, konnte die Bildung des [Fe(NO)'buS5']+-Kations IR- sowie 'H-NMR-spek- troskopisch zweifelsfrei nachgewiesen werden.

Umsetzung von meso-l und CO zu m eso-[F e(C O )'hllS5'] , meso-3

100 mg (0,15 mmol) m eso-1 in 10 ml THF wer­den 2 d unter CO gerührt, wobei die Farbe der Lö­sung von grün nach braun umschlägt. Trockenbla­sen der Lösung im CO-Strom ergibt ein braunes Pulver, das durch Lösen in CH2C12 und Filtration über Kieselgel gereinigt und IR- sowie 'H-NM R- spektroskopisch als meso-3 identifiziert wurde. Ausbeute: 90 mg (89%).

Während durch mehrmaliges Trockenblasen der Reaktionslösung im CO-Strom die Reaktion nicht beschleunigt wird, läßt sich die Reaktionszeit ver­kürzen, wenn man 70 mg (0,1 mmol) meso-1 in5 ml THF unter CO-Durchleiten entweder 20 min zum Sieden erhitzt oder unter Zugabe von 0,05 ml (0,16 mmol) N 2H4 3 h bei R.T. rührt.

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D. Sellmann et al. • Ü bergangsm etallkom plexe m it Schwefelliganden 675

Umsetzung von meso-1 mit N^H4 zu [ Fe( N2H4)'buS5'J (4)

680 mg (1,0 mmol) meso-1 in 30 ml THF werden mit 0,15 ml (4,8 mmol) N2H4 versetzt und 4 h ge­rührt. Unter schwacher Gasentwicklung fällt aus der grünen Lösung ein gelbgrüner Niederschlag aus. Nach Abkondensieren aller flüchtigen Be­standteile wird der grüne NO-freie Rückstand mit 10 ml THF/«-Hexan 1:2 digeriert, mit 2x10 ml «-Hexan gewaschen und 30 h im Vakuum getrock­net. Ausbeute: 340 mg (50%).Elementaranalyse für C3-,H52FeN-,S5 (681,0)

Ber. C 56,42 H 7,69 N 4 , l l ,Gef. C 56,83 H7,81 N 2,72.

Molmasse: 681 (FD-massenspektroskopisch).Bei anschließenden Reinigungsversuchen nimmt

der N-Gehalt noch weiter ab, wobei sich rotbraune Produkte bilden. Sie lösen sich nur wenig in To­luol, THF und CH2C12, lagern kein CO mehr an und konnten nicht näher charakterisiert werden.

3. Ergebnisse

Spektroskopische Untersuchungen von m eso-[F e(N O )'huS5'J, meso-\

meso- 1 ist einer der seltenen 19-Elektronen- komplexe, die sich bei Raumtemperatur in Sub­stanz isolieren lassen. Andere Beispiele sind [CpW(NO)2(PPh3)] [8], [Ru(NO)(bpy),Cl]I [9], [Ru(NO)(py)4Cl]PF6 [10], [Fe(NO)(diars)2Cl]PF6 (diars = o-Phenylenbis(dimethylarsin)) [11] und [Fe(NO)TPP(4-MePip)] (TPP = Tetraphenylpor- phinato(2-), 4-MePip = 4-Methylpiperidin) [12], sowie [Fe(NO)'Ss'] und [Fe(NO)'NHS4'] ('NHS4'2- = 2,2'-Bis(2-mercaptophenylthio)diethylamin(2-))[13]. Über die elektronische Struktur von meso- 1 hofften wir näheren Aufschluß aus den Spektren zu erhalten. Insbesondere von Interesse war die Frage, ob sich das ungepaarte Elektron in meso-1 z. B. an der FeNO-Gruppe lokalisieren läßt oder ob die Spindichte über das gesamte Molekül de- lokalisiert ist.

ESR- und IR-Spektren

meso-l liefert im festen Zustand bei 20 °C ein für polykristalline Proben typisches isotropes Spek­trum (g = 2,017) mit einer Linienbreite von 80 G (Abb. la), in THF-Lösung bei 20 C dagegen ein Spektrum mit vier Linien unterschiedlicher Inten­

sität (Abb. lb), die bei -240 C in ein Spektrum mit 23 Linien aufgespalten werden (Abb. lc).

Überraschend ist das 4-Linienspektrum bei 20 °C in THF. Bei einer Kopplung des ungepaar- ten Elektrons mit dem 14N-Kern des NO-Liganden wären maximal 3 gleichintensive äquidistante Si­

c)

T = - 240 °C

3150 3200 3250 3300 3350 3400

[Gl

Abb. 1. ESR-Spektren (9,29 G H z, 100 kH z Feldm odu­lation) von meso-l: a) polykristalliner Festkörper (Lei­stung: 200 /iW, 20 °C), b) in T H F-L ösung (Leistung: 200 /^W, 20 °C) und c) in T H F-G las (Leistung: 6,3 mW, -2 4 0 C).

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gnale zu erwarten. Die Signale weisen jedoch alle verschiedene Intensitäten, verschiedene Abstände zueinander von näherungsweise 14,6 G, 15,8 G und 17,6 G sowie unterschiedliche Linienbreiten und eine asymmetrische Signalform auf.

Ein solches Spektrum ist nicht mit dem Vorlie­gen nur einer einzigen paramagnetischen Spezies in Lösung zu vereinbaren. Wir deuten das Spek­

trum von Abb. lb vielmehr als die Überlagerung von zwei 3-Linienspektren, die von zwei verschie­denen [Fe(NO)'buS5']-Komplexen erzeugt werden. Letztere könnten unter anderem durch eine Spal­tung der zum NO-Liganden fra/w-ständigen FeS- Bindung entstehen, so daß in Lösung ein Gleichge­wicht zwischen I und II mit 6-fach bzw. 5-fach ko­ordinierten Fe-Zentren gemäß Gl. (1) vorliegt.

01

Die vermutete Überlagerung von zwei 3-Linien­spektren ließ sich durch eine Simulation des ESR- Spektrums erhärten (Abb. 2).

Abb. 2. Simulierte Teil- und G esam tspektren des ESR- Spektrum s von meso- 1 in Lösung.

Dabei wurde angenommen, daß I und II im Ver­hältnis von 7:3 vorliegen und Kopplungskonstan­ten und Linienbreiten von 17 G bzw. 6 G sowie von 15 G bzw. 5 G besitzen. Bei Verschiebung der beiden Teilspektren um 15 G gegeneinander ergibt sich ein Gesamtspektrum, das näherungsweise mit dem beobachteten Spektrum (Abb. lb) hinsicht­lich der Linienzahl, des Intensitätsverhältnisses so­wie der Linienabstände von 13,9 G, 16,3 G und17,0 G übereinstimmt.

Das Aufspaltungsmuster bei -240 C (Abb. lc) schließlich legt nahe, daß das ungepaarte Elektron in beiden Spezies auch noch mit den aromatischen H-Atomen des 'buS5'2“-Liganden koppelt.

Die ESR-Ergebnisse weisen darauf hin, daß in Lösung zwei verschiedene Komplexe existieren, in

denen die Spindichte jeweils über das gesamte M o­lekül delokalisiert ist. Dieser Befund läßt sich mit den IR-spektroskopischen Ergebnissen vereinba­ren. Die v(NO)-Frequenzerniedrigung beim Über­gang von mes0 -[Fe(NO)'buS5']PF6 zu meso- [Fe(NO)'buS5'] ist mit 210 cm "1 zwar groß, anderer­seits aber deutlich geringer als in anderen NO- Komplexen, von denen 18- sowie 19-Elektronen- spezies nachgewiesen sind [8, 10-13], Der v(NO)- Unterschied z.B. für das [Ru(NO)(bpy)2Cl]2+1+- Paar [9] von 300 cm“1 entspricht etwa dem der NO+ —> NO0-Reduktion [14], Entsprechend wird bei diesen Komplexen auf eine Reduktion ge­schlossen, die weitgehend auf den NO-Liganden beschränkt ist, z.B. gemäß M (II)-N O + + e“ —> M (II)-N O ° bzw. dazu führt, daß das ungepaarte Elektron ein Orbital mit überwiegendem 7r*(NO)- Charakter besetzt. Nicht nur die ESR-Aufspal- tung bei tiefen Temperaturen, sondern auch die ge­ringere v(NO)-Erniedrigung weisen bei m eso - 1 demgegenüber darauf hin, daß das halb besetzte antibindende Orbital auch erheblichen Fe-S-C ha- rakter besitzt.

Für zwei unterschiedliche [Fe(NO)'buS5']-Spezies mit fünf- bzw. sechsfach koordinierten Fe-Zentren lassen sich zwei verschiedene v(NO)-Banden erwar­ten. Dies wird nicht gefunden, aber die beobachtete v(NO)-Bande ist relativ breit, was sich plausibel auf die Überlagerung von zwei v(NO)-Banden zu­rückführen läßt, die sich frequenzmäßig nur wenig unterscheiden. Der Wechsel zwischen Fünf- und Sechsfachkoordination muß die v(NO)-Frequenzen nicht unbedingt beeinflussen, wie das Komplexpaar [Ru(NO)(S2C6H4)2]-/m-[Ru(NO)(PMe3)(S2C6H4)2] mit seinen nur geringfügig verschiedenen v(NO)-

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Banden bei 1740 cm 1 bzw. 1760 cm 1 (im KBr) zeigt [15].

Dekoordination bzw. Abspaltung von Liganden aus 19-Elektronen NO-Komplexen ist nicht uner­wartet, wenn das ungerade Elektron ein Molekül­orbital besetzt, das antibindend auch bezüglich aller Metall-Ligandbindungen ist [ 16,17],

Mößbauer-Spektren

Die aus den ESR- und IR-Spektren zu folgernde Delokalisation der Spindichte in meso-1 läßt sich weiterhin durch die M ößbauer-Spektren stützen. Abb. 3 zeigt die Mößbauer-Spektren von meso-1 sowie meso-2, und in Tab. I sind die Daten zusam­men mit denen der verwandten Komplexe [18] c/s-[Fe(PMe3)(CO)'S4'] ('S4'2~ = Dianion von 1,2-Bis(2-mercaptophenylthio)ethan) und [Fe(CO)'S5'] aufgeführt.

-2.0 .0 2.0 S[mm/s] -2.0 .0 2.0 S[mm/s]

A bb. 3. M ößbauer-Spektren von a) meso- [Fe(N O )'buS5']PF6, meso-2 und b) raeso-[Fe(NO)'buS5'], meso-\.

Tab. I. M ößbauer-spektroskopische D aten schwefel­koordinierter low-spin Fe(II)-K om plexe (ö = Isom erie­verschiebung, AEq = Q uadrupolaufspaltung).

V erbindung T [K] S [mm/s] ^E q [mm/s]

mes0-[Fe(N O )'buS5'] 274 0,246 0,554meso-1 86 0,332 0,518m£’ÄO-[Fe(NO)'buS5']P F 6 274 0,011 1,293meso-2 86 0,076 1.275[Fe(CO )'S5'] 294 0,130 0,240[Fe(PM e,)(CO )'S4'] 294 0,083 0,305

meso-l und meso-2 ergeben jeweils Dubletts. Isomerieverschiebungen ö und Quadrupolaufspal­tungen zIEq weisen dabei die übliche Tem peratur­abhängigkeit auf und lassen sich in beiden Fällen mit low-spin (Fe(II)-Komplexen [19] vereinbaren. Die Isomerieverschiebung von meso-1 ist mit 0,332 mm/s (86 K) um 0,256 mm/s größer als die von meso-2, liegt aber immer noch eher in dem für low-spin Fe(II)- als für low-spin Fe(I)-Komplexe erwarteten Bereich. Die seltenen low-spin Fe(I)- Komplexe sind durchweg Sandwich-Verbindungen vom Typ [CpFeC6Me6] [20] oder [Fe(C6Me6)2]+ [20, 21] und besitzen Isomerieverschiebungen von 0,73-0,75 mm/s (293 K) [20]. Die Zunahme der Isomerieverschiebung von m eso-l gegenüber meso-2 läßt sich dabei auf die größere Abschir­mung der s-Elektronendichte am Fe-Kern durch Erhöhung der d-Elektronendichte zurückführen, d.h. die bezüglich der Metall-Ligandbindungen antibindenden Orbitale müssen beträchtlichen Metall-d-Charakter aufweisen. Bei einem Vergleich solcher in bezug auf die Liganden sehr unter­schiedlichen Komplexpaare wie [Fe(C6Me6)2]2+/1 + und [Fe(NO),buS5']+ 0 ist ferner von Interesse, daß in beiden Fällen die le-Reduktion jeweils ähnliche Erhöhungen der Isomerieverschiebungen um ca. 0,25 mm/s und Abnahmen der Quadrupolaufspal­tungen zwischen 0,44 und 0,24 mm/s bewirken [20],

Weil in beiden Fällen das einfach besetzte Mole­külorbital (SOMO) zweifellos erheblichen Metall- d-Charakter besitzt, ließe sich auch meso-1 daher notfalls als ein d7-Fe(I)-Komplex diskutieren. Für wichtiger halten wir in unserem Fall jedoch den antibindenden Charakter dieses Orbitals bezüglich der Metall-Ligandbindungen. Er erklärt die De­lokalisation der Spindichte über das gesamte M o­lekül und läßt eine Aufweitung dieser Bindungen erwarten. Da als Folge davon die Donoratome im 19-Elektronenkomplex weiter vom Fe-Zentrum entfernt sind, sollte auch der durch sie verursachte elektrische Feldgradient am Fe-Kern relativ zum18-Elektronenkomplex meso-2 kleiner sein. Dieser Effekt erklärt zwanglos die Abnahme der Quadru­polaufspaltung bei der Reduktion von meso-2 zu meso-1.

UV-Spektren

Die Elektronenspektren von meso-1 und meso-2 (Tab. II) unterscheiden sich trotz der unterschied-

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678 D. Sellmann et al. • Ü bergangsm etallkom plexe mit Schwefelliganden

Tab. II. U V -V IS-D aten von w£\«;-[Fe(L)'buS5']-Komple- xen in C H 2C12 bei 25 C.

V erbindung *max [nm ] (£max P/mol Cm])

/Ht\w-[Fe(NO)'buSs'] meso-1, grün

raes0-[Fe(N O )'buS5']PF6 meso-2, grün

w eso-[Fe(CO )'buS5'] meso-3, orange

/nt\w -[Fe(P(O Ph)3)'buS<;'] rot

295(19000); 637(800)

279(26 300); 678 (400)

305(24700); 487(500)

318 (12900); 518 (350)

liehen Elektronenkonfiguration beider Komplexe nicht nennenswert. Absorptionsmaxima liegen im gleichen Bereich, und wie ein Vergleich mit ande­ren me.w-[Fe(L)'buS5']-Komplexen zeigt, scheint die grüne Farbe von meso- 1 bzw. meso-2 typisch für die FeNO-Einheit zu sein. Diese intensitäts­schwachen Absorptionen liegen bei 637 bzw. 678 nm. Im kurzwelligen Bereich werden intensive Banden beobachtet, die den CT-Übergängen der jeweiligen [Fe'buS5']-Gerüste zuzuordnen sind.

Cyclovoltammetrie

meso-3 läßt sich in CH2C12 bis -1 ,5 V nicht re­duzieren, zeigt aber bei +0,46 V (NHE) eine quasi­reversible Oxidationswelle. Dies weist darauf hin, daß meso-3 keine Tendenz besitzt, eine 19-Elektro- nenspezies zu bilden, aber möglicherweise relativ leicht in eine 17-Elektronenspezies übergeht. Diese Annahme wird durch die chemischen Reaktionen von meso-3 gestützt. Es ist unter reduzierenden Be­dingungen, z. B. in Gegenwart von N 2H4, substitu­tionsinert, reagiert jedoch rasch mit Oxidations­mitteln wie AgC104, I2 oder Br2 unter Decarbony- lierung.

Im Gegensatz dazu läßt sich meso-2 leicht redu­zieren, aber nicht oxidieren. Das Cyclovoltammo- gramm von meso-2 in CH2C12 weist eine reversible Reduktionswelle bei 0,09 V und eine quasireversi­ble Welle bei - 1,21 V (NHE) (Abb. 4), jedoch kei­nerlei Oxidationswelle bis + 1,5 V (in CH3CN) auf.

Entsprechend liefert meso- 1 in CH2C12 eine qua­sireversible Oxidationswelle bei -1 ,18 V und eine reversible bei +0,09 V (NHE) (Abb. 4b). Dies stellt sicher, daß die reversiblen Wellen bei 0,09 V der Redoxreaktion nach Gl. (2) entsprechen.

+ emes0 -[Fe(NO)'buS5']+ *~e-> /ra\v0 -[Fe(NO)'buS5'] (2)

Bei dem zweiten quasireversiblen Reduktions­schritt von meso-2 bildet sich möglicherweise das anionische [Fe(NO)'buS5']”, das jedoch bislang nicht isoliert werden konnte.

Reaktionen von meso-[Fe( N O )'buS5'Jn+ (n = 1, 0)

Die cyclovoltammetrisch beobachteten Redox­reaktionen von meso-l bzw. meso-2 konnten auch mit chemischen Redoxmitteln erzielt werden. meso-2 ließ sich mit N2H4, N Et4N 3, NaBH4 und LiMe zu meso-1 reduzieren [1] und meso-1 nun­mehr nach Gl. (3) auch wieder oxidieren.

meso-1 + A —>[Fe(NO)'buS5']+ + andere Produkte (3) A = Luft, I2, HBF4, C H 3I, NO

Ziel der Umsetzungen mit HBF4, C H 3I sowie NO war ursprünglich die Synthese von HNO-. CH3NO- bzw. N 20 2-Komplexen [22], gebildet wurde jedoch stets das NO-Komplexkation. Bei der Reaktion mit NO in Gegenwart von N H 4PF6 wurde ein Produkt erhalten, das sich ’H-NM R- spektroskopisch als ein Gemisch von meso- und trans-2 identifizieren ließ. Die Bildung von meso- und trans-isomer in diesem Fall ist wahrscheinlich

Bu4N C 104, v = 50 mV/s).

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D. Seilmann et al. • Ü bergangsm etallkom plexe mit Schwefelliganden 679

auf die intermediäre Bildung von [Fe(NO)2'buS5'] mit dreizähnig gebundenen 'buS5'2“-Liganden zu­rückzuführen [vgl. 13]. Bei der IR-spektroskopi- schen Verfolgung der Reaktion ist zu beobachten, daß außer der v(NO)-Bande von [Fe(NO)'buS5'] + bei 1870 cm-1 intermediär zusätzlich schwache Absorptionen bei 1780 cm “1 und 1720 cm "1 auf- treten. Außerdem wird ein Farbumschlag von grün nach braun beobachtet. Bei längerem Einlei­ten von NO verschwinden die schwachen Banden wieder, die ursprünglich grüne Farbe der Lösung bildet sich zurück und im IR-Spektrum tritt schließlich nur noch die v(NO)-Bande bei 1870 cm“1 auf. Nach Zugabe von N H 4PF6 läßt sich ein Gemisch von meso- und trans-2 isolieren.

NO/CO-Austausch in meso-1Von besonderem Interesse war für uns wegen

der eingangs erwähnten Fragestellung ein NO/ CO-Austausch in [Fe(NO)'buS5']"+ (n = 1, 0). Mit dem edelgaskonfigurierten meso-2 ließ sich ein sol­cher Austausch nicht erzielen, er gelang jedoch mit dem neutralen 19-Elektronenkomplex meso-l.

19-Elektronenkomplexe sind meistens so reak­tiv, daß sie nicht in Substanz zu isolieren sind [23]. Ausnahmen bilden die hier aufgeführten 19-Elek- tronen-NO- sowie einige Sandwich-Komplexe wie z.B. [CpFe(HMB)] (HMB = Hexamethylbenzol) [20a], [Fe(HMB),]+ [24], [Cp2Co] [25], [Cp*,Co] [26],

Die Besetzung eines bezüglich der Metall-Li- gandbindungen antibindenden Orbitals durch das ungepaarte Elektron in meso-1 ließ eine erhöhte Reaktivität auch der Metall-NO-Bindung erwar­ten. In der Tat findet gemäß Gl. (4) ein NO/CO- Austausch bereits bei Normalbedingungen statt, wobei der CO-Komplex ausschließlich als meso- Isomer anfällt.

. 1 bar, THF, R.T.meso-1 + C O ----------------------> meso-3 (4)2d , -N O

Die IR-spektroskopische Verfolgung der Reak­tion zeigt das Verschwinden der v(NO)-Bande von meso-1 bei 1660 cm“1 und das gleichzeitige An­wachsen der v(CO)-Bande von meso-?» bei 1970 cm“1. Zusätzlich werden allerdings schwache v(NO)-Banden bei 1870 cm“1, 1780 cm“1 sowie 1720 cm "1 beobachtet. Sie lassen sich auf [Fe(NO)'buS5']+ (1870 cm "1) sowie das oben er­

wähnte [Fe(NO)2'buS5'] (1780 cm“1 und 1720 c m '1) zurückführen, die als Nebenprodukte bei der Re­aktion von meso-1 mit dem freigesetzten NO nach Gl. (5) entstehen.

, NO meso-1 — —*■[Fe(NO)'buS5']+ + [Fe(NO)2'buS5']

+ andere Produkte (5)

Der störende Einfluß von NO läßt sich zurück­drängen, wenn die Lösung unter CO-Durchleiten zum Sieden erhitzt wird, um das freigesetzte NO so rasch wie möglich zu entfernen. Bei gleichzeitiger Verkürzung der Reaktionszeit wird dann nur noch [Fe(NO)2'buS5'] als Nebenprodukt gebildet. Die ausschließliche Bildung von meso-3 läßt sich erzie­len, wenn der Reaktionslösung ein Tropfen Hy­drazin zugesetzt wird; außerdem ist dann der NO/ CO-Austausch nach 3 h auch bei R.T. beendet. Der Zusatz von Hydrazin verhindert vermutlich die partielle Oxidation von meso-1 zu [Fe(NO)'buS5']+ durch freigesetztes NO, das mit N 2H4 direkt zu molekularem Stickstoff und Was­ser abreagieren dürfte [27],

meso-1 reagiert auch direkt mit N2H4. Gemäß Gl. (6) tritt dabei unter Gasentwicklung eine ge­ringfügige Farbvertiefung der grünen Lösung auf, in der IR-spektroskopisch kein NO-Komplex mehr zu beobachten ist. IR-, 'H-NM R- und FD- Massenspektren des anschließend isolierten grü­nen Pulvers lassen sich mit der Bildung von [Fe(N2H4)'buS5'] (4) vereinbaren, das jedoch nicht in reiner Form zu erhalten war.

meso-1 + N2H4exc THF, R.T. 4h

[Fe(N2H4)'buS5'] + andere Produkte (6)

Schließlich fanden wir, daß meso-1 in siedendem THF beim Durchleiten eines N2-Stromes eine NO-freie Spezies ergibt, die anschließend mit CO 3 liefert. Vermutlich erfolgt dabei die dissoziative Abspaltung von NO aus meso-1 und die Anlage­rung von CO an das [Fe'buS5']-Fragment nach Gl. (7) und (8).

N „ T H F ,4 hmeso-1Rückfluß, -N O

[Fe'buS5']

[Fe'buS5'] + CO THF, R.T.

(7)

(8)

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680 D. Sellmann et al. • Ü bergangsm etallkom plexe m it Schwefelliganden

Diskussion der Reaktionsmechanismen

Für die Substitution des NO-Liganden in meso-1 lassen sich verschiedene Primärschritte diskutie­ren.

a ) t Im einfachsten Fall dissoziiert primär die Fe-N O -Bindung, und es bildet sich das koordina­tiv ungesättigte [Fe'buS5'], an das sich im zweiten Schritt der neu eintretende Ligand anlagert.

b) Die ESR-spektroskopischen Befunde weisen allerdings daraufhin, daß primär auch eine F e -S - Bindung gespalten werden kann. In diesem Fall läßt sich die resultierende freie Koordinationsstelle dann von den neu eintretenden Liganden besetzen und erst im dritten Schritt würde z. B. gemäß Sche­ma 1 der NO-Ligand abgespalten und der primär abgespaltene S-Donator wieder koordiniert.

c) Nicht gänzlich auszuschließen ist eine Substitu­tion nach dem bei NO-Komplexen häufig beobach­teten assoziativen Mechanismus [28]. Primär geht der 3-Elektronendonor NO unter Abwinkelung der MNO-Einheit in einen 1-Elektronendonor über, was gleichbedeutend mit einer intramolekularen Redoxreaktion zwischen Metallzentrum und NO- Ligand gemäß M "-N O —> M”+2-N O ist, bei der die Oxidationsstufe des Metalls um zwei Einheiten wächst bzw. ein Elektronendefizit am Metall er­zeugt wird. Koordination des neuen Liganden und Abspaltung des NO ergeben das Produkt.

Die trotz der 19-Elektronenkonfiguration rela­tiv große thermische Stabilität von meso-1 macht die primäre Abspaltung von NO am wenigsten wahrscheinlich; immerhin erfordert die thermische NO-Abspaltung aus meso-1 im N 2-Strom selbst in siedendem TH F vier Stunden. Die unter gleichen Bedingungen wesentlich rascher erfolgende Substi­

tution durch CO legt vielmehr eine Beteiligung des neu eintretenden Liganden am geschwindigkeits­bestimmenden Schritt nahe. Sowohl bei der unter b) wie unter c) diskutierten Alternative werden dann abwechselnd 19e- und 17 e-konfigurierte Zwischenstufen durchlaufen bis die stabile 18e- Spezies meso-3 erreicht ist.

Schlußfolgerungen

meso-1 ist einer der seltenen 19-Elektronenkom- plexe, die sich bei Raumtemperatur in Substanz isolieren lassen. IR-, NMR- und insbesondere Mößbauer-spektroskopische Untersuchungen des N O +/NO°-Komplexpaares zeigen, daß sich das ungepaarte Elektron in meso-1 in einem Orbital mit tt*(NO)- sowie Metallschwefel-Charakter auf­hält. ESR-Spektren im festen und gelösten Zu­stand bei verschiedenen Temperaturen weisen fer­ner darauf hin, daß in Lösung ein Gleichgewicht zwischen Komplexen mit fünffach und sechsfach koordinierten Eisenzentren besteht. Das N O +/ NO°-Komplexpaar läßt sich sowohl elektroche­misch wie chemisch reversibel ineinander überfüh­ren. Mit meso-1 ist es in einer ungewöhnlichen Re­aktion gelungen, den 3e-Donor NO gegen den 2e-Donor CO unter Normalbedingungen und der Bildung von meso-3 auszutauschen. Ein entspre­chender NO/CO-Austausch ist im 18e-Nitrosyl- komplex meso-2 nicht möglich.

Für die Aufnahme der Spektren danken wir: Mößbauer-Spektren: G. Ritter und J. Dengler (Institut für Physik, Universität Erlangen-Nürn- berg); ESR-Spektren: A. Riedel (Institut für Bio­

I " S .__ ) — I ^ S _ J >

- NO

Schema 1. N O /C O -A us­tausch unter F e—S-Bindungs- spaltung.

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D. Sellm ann et al. • Ü bergangsm etallkom plexe m it Schwefelliganden 681

physik und Physikalische Biochemie, Universität Regensburg); ESR-Spektrensimulation: G. Hetz (Institut für Physikalische und Theoretische Che­mie, Universität Erlangen-Nürnberg). Für die Un­

terstützung dieser Untersuchung durch die Deut­sche Forschungsgemeinschaft und den Fonds der Chemischen Industrie möchten wir auch an dieser Stelle herzlich danken.

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