ferdinand lassalle: tagebuch

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Ferdinand Lassalle: Tagebuch

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UNIVEROTY OF TORONTO

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\ Peter Kaye

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U?cmC cSm&ctu.

iFerbutanb £affalles Sagebnd).

Page 6: Ferdinand Lassalle: Tagebuch
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in 2010 with funding from

University of Toronto

http://www.archive.org/details/ferdinandlassallOOIass

Page 8: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

fcrtnnanb Xaffallcg ^ugcnbüttönife.

Page 9: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

ftrtonunli itfita Iw^ü-

herausgegeben unb tnlettung perfer/en

f w.

üon

jjaul fin>au

Breslau.

<2d)lefifd)e Sudjbrucferei, ftunft- unb Betfag8.«alt

üormafö 5. Sdiotttaenber.

1891.

Page 10: Ferdinand Lassalle: Tagebuch
Page 11: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

I

Sduifei><£cid und -üuft in fövesiau,

Vflxt einer Einleitung t>on $aiü £inbttlt.

Page 12: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

Page 13: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

Einleitung.

<9te Sfofgridjnungen, bie mir im -Kadjfieljenben oeröffents

liefen, bürfen in mein* als einer SSejieljuttg ba§> Sfatereffe ber

weiteren Greife in 2fafprudj nebmen. £** finb bie Sage*

bimjblätter [eine§ nngetuöbnlid) begabten jungen 2ftenfdjen

auf ber [©djroette, bie uom Sttter be§ Knaben 31t bem be3

3üngKng3 njnüberfüljrt. $)er £anptiuertt) btefer Slufeetdj-

mmgett 6eritl)t in ber üollften 2(nfrid)tigfeit. tiefer Qaib-

fötabe, öalb - Jüngling ift gerbtnanD £ äff alle — ßaffal,

ttrie er fidj bamafö nodj fdjrieb, bie franjöftfdje 8cf;reib=

weife feinet SRamenS natnn er erft nadj feinem ^Sartfcr

SInfentljalte im .^abre 1846 an.

$)aS Stogebudj beginnt mit bem 1. Januar 1840 unb

enbet im grütjjaljr 1841. gerbinanb Saffatte, geboren am

11. Sfcpril 1825, batte alfo &ur 3^7 d& er °^e crPen

Seiten füllte, ba§ fün^eljnte Sebensjaljr noefj nidjt erreicht,

nnb fdjrieb als fanm Sed^etjnjaljriger bie legten Seiten.

2lber btefer 3eitranm ift einer ber mid)ttgften für feine QnU

roicKung.

Page 14: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 8 —

Sctffatte ift auf beut 3ftagbalmm=©rnnnaftum ^u ^Breslau

oecimbaner. Sitte möglidjen ^iberroärttgfeiten madjen ibm

ben Slufentbaft im elterlichen £aufe unb in feiner SBaterJtabt

unleiblidj, unb er felbft benimmt feinen Sßater ba§u, Um auf

bie ganbeföfdjule nacf) Seipjig &u fctjicfen. fortbin begiebt

er ftd^ im 9Jiat 1840. SBäljrenb feine* etwa ein Sabr

bauernben 2lufentl)a(tes in Seidig als £anbelSfdjüler wirb

üjm flar, baf$ er als Kaufmann unglüdiid; werben würbe.

Unb er erfennt mit unbeimlid^r ©eutltdjfeit feine 3^nft

in ber agitatorifdjen £§ätigfeü beS ÄffenJdjafterS. ©r ioet&

feinen $ater baju ju bewegen, ümt 51t geftatten, bie untere

brodienen ©ijmnafialftubien wieber aufzunehmen, um fidj ber

2Biffenfd)aft §u wibmen. 3)aS ^agebud) behandelt alfo baS

(e|te SSiertetjabr feiner regelmäßigen önmnafialftubien in

Breslau unD bie Gwifobe ber ipanbelsfdjufe in ßeqj&ig.

Söäre ber junge UÄenfdj, ber faft regelmäßig am Slbenb

alles 23emerfen?wertlie feinet ©afeinS uer^eidjnet bat, audj

ein weniger bebeutenber Tiaxm als gerbinanb Saffatte, fo

würben biefe fdjriftlidjeu Selbfigeftanbniffe, biefe unbelaufdjteu

\\irjenSergiiff e, bod) uon nid)t geringem ufrjdjo(ogifd)en SBertbe

fein. Ttcca fietjt in ber SSfat, wie fid) l)ier ein Gbarafter

btlbet, wie bie ßeime reifen, wie ber unfirfier umbertaftenbe

ftnabe atlmäb(id) jum entfd)l offenen Qüngling mit bem Set*

ftanbe unb ber SBittenSfraft eines faft reifen ÜRarateS wirb.

@3 ift baS SBerben eines Sflenfdjen, baS \n\* ijier in naiofter

Page 15: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 9 —

unb glaubnmrbigjler Sßeife ueraufcluutiiäjt wirb, ttnb biefer

3Kenfdfj ift gferbmcmb Saffatte!

3cf)on liier itn 3ute^e ^ 2Berben3 unb in ber

tlnfertigfeit lieben fiel) in fdiärfften Umrifjltnien alle jene

©igentfiümüdjfeiten be3 Gharafter* unb be3 Temperamente^

ab, bie fpäter bie bejetd)nenben GigenthümficWciten bes reifen

Wanne* fein foHten. Smmer fdiarfcr unb fantiger tritt bie

©igenart biefeä feltfamen 9ftenf<$enrmbe3 beruor. Uno mit

einer ^(arbeit, bie, wenn man an ba3 2Kter beä 3dweiber-:>

benft, gerabeju unbeimlid) wirft , fient btefer frtabenhafte

Süngling feine ganje gufrntft oor ftdi. 3a, e3 geljt bnrdi

biefe Sagebudjblätter fdjon ein bumpfeä 3(tmen bee oer<

^dngnifetjotten (Snbe§. 3n btefer öejietyung (inb bie in Seipjig

gefdjriebenen Blätter au3 ber feiten jQälfte beä ^aliree 1840

unb Slnfang 1841 in nödjftem ©rabe beadjtemSmertb.

SDie wäljrenb ber Secunbanerjeit in Sre^Iau gemachten

^ufoetdjnungen be§ t'annt fmtnebujährigen fötaben befaffen

fid) nod) nid)t ober tgemgftenä nidit beuntfjt mit hen

t'ommenbeu Sagen. fiter lernen mir baz &inb im fiaufe

ber Altern unb ben 3duüer be3 ©pmnaftumä fennen. 3X6er

wie ßaffaHe in feiner Greife ba3 Öelieimnits kfeffen bat,

bnrdi alle feine ©anblungen bie ^beilnabme and) ber SBtber*

jrrebenben 51t erzwingen, fo feffeln uns immer wieber unb

wieber all' bie flehten ©efdjtdjten, bie ßaffatte von fid) unb

Page 16: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 10 —

feiner nädjften Umgebung $u erzählen bat. Hub au* biefen

xBertdjten entftebt mit banbgreiflidjer 2(nid)aulid)feit bq| öilb

btcfeö frühreifen, (jeifjblutigen, mit aKerrjanb Stebenemürbig^

feiten unb recbt bebenffiäjen Unarten auegeftatteten jungen.

&>ir fefjen nidjt nur Ujn, mir ieben aud) feine gange gamilie

leibhaftig cor klugen. SBit lernen feinen Umgang genau

fenuen. Unb mir liaben ba3 beftimmte G)efüb(: fo mufj e§,

genau fo, in ben iuof)(t)abenben 33re3lauer tfaufmann^familieu

m jener 3 e^ auegefeben baben. 3n ltnferen &agen be*

gefdnnacflofen unb muffen 2fatijemttentfwms in e* faft be=

oenflicb, bei ber objectben 2d)i(berung einer Sßerfönlidjfett

bog Gonfefuonetfe bernormlieben. 3fn biefem A-alle aber mürbe

ee ein SBerftofj gegen bie Dbjecturität fein, barüber oorjtdjtig

(jinmeg^ugteiten. Dtitr catö ber Glitte be3 promnjietten Suben*

tfjunrä heraus, fo, mie e3 Saffatte idjilbert, unb fo, mie es

unberoufjt ^u ©ufeenben neu 3Men &um S)urdjbrudj fommt,

iü biefer Jerbinanb Saffatte nollfommen 3U begreifen.

Saffalle fetbft be^eidntet nd) uneberbolt cd* einen editen

uottblütigen Suiten — nid)t als einen neu ber nachgiebigen

Demütbigen Sorte, ber }id) ld)inben unb pfotfen läßt, er

gehört ^u ben f'anunesluftigen, m ben tliatfräftigeu unb reoo=

(mionären 3uben —, ber bie 2d)mad), bie feinem Soße

angetban mirb, tief emminber, unb ber mie ber äRaccabäer

(£iner in ber Siefe feines ©erjenS ben SBunfdj trägt, mit

oem 2d)iuerte in ber $anb gegen feine Verfolger aufm-

Page 17: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

- 11 —

ftefjen. @r würbe „felbft ba§> Scbaffot ntdjt freuen, tonnte

er bie 3ubeu lieber 31t einem gearteten Softe tttadjen."

(Stetje 2. gebruar.)

3n beut SBerl)äftniJ3 3U feinen ©Item, mit betten er itt

meCett fünften burdjauS nic^t einoerftanbeu ift, über bte e»

fogar an ftarfen Söoften nicfjt fefjft, 3eigt fidj bod) immer

nrieber her eigentbütttlid) fdjötte 3U9 öer tiefften pietätvollen

SBerefjrung unb be3 unbebingten ©eljorfamS. 3m etterüdjen

ipauje leuchtet nidjt immer bte Sonne be§ griebett*. SaffatteS

SBater, §etjmann Saffat, ift ein Keiner §au*tnrattn, ungebulbig

unb neroö*. Jerbinanb beutet baS an oieten Stellen itt

unuerfeunbarer Sßeife an. 3(ber er fügt regelmäßig fog(eid),

ate ob er ba§> Sebfirfnifj fütjle, ftd) wegen feiner Sßietäis

loftgfeit 51t rechtfertigen nttb ba§ untuitlturlid) auSgefagte

£erbe 31t befd)ir>id)tigett, bte fidjerlidj burd)au§ reblidj ge=

ttteitttett Setfyeuerungen feiner unbegrenzten 2iebe unb Qanh

barfeit für bett guten, forgettbett unb nadrftdjtigen SBater

luuju. (§& giebt oiel Streit in ber gamilie. 2)ie Sdnuefter

grieberife befinbet ftd; in einem 3^ftanbe d;ronifd;er ©ereigt^

l;eit, unb ber ift eigentlich erftärlid;. Sie ift mit einem

getuiffen X. fo gut wie uerlobt geroefen. £>ie järtliäjften

Briefe finb jauifctjen ben jungen Seuten gewed)fett roorben.

£a» $erl;ältnif$ I;at fidj gelöft, unb ber frühere Bräutigam %.

benimmt fidf» itt unjartefter SGBetfe. ®r geigt bte Briefe

grieberifen§ in ber Stabt fjeruttt unb bereitet feiner früheren

Page 18: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 12 —

Braut itnb bereu Jamtfte, vot Mem beut SBater, ben fdnuerften

Kummer. Qn^uüfcben [)at fidj grteberife mit einem fetter,

gerbinanb grrieblänber, ber nä) fpäter griebfaub nennt,

üerlobt. tiefer ift nad) ^ßariS gegangen, nnb bie Otöroefen*

beit be* Bräutigam* benufeen bie übrigen äJfttafteber |ber

£affal'fd)en gamiüe, bie biefer Partie nid)t grün gefinnt

fmb, ba$u, um grieberüen gegen benfetben einzunehmen. Gine

Söeile wirb fte aud) fdnuanfenb, unb neue Berbeiratfumge-

combinationen erfdjeinen auf bem ^ßCafee. 516 er fcbliefsHd)

Heißt grieberife bod) ftanbhaft unb [erwartet bie dxüätefyx

üjre» Bräutigame au* $ßari§. tiefer uon ber gamtfie

fdnueigfam unb laut getmfjbifftgte BrautftanD macf)t Das S&mä

be§ alten ßaffal 51t einem wenig gemütlichen. 3)te ©efdmmter,

gerbinanb unb grieberife, pertragen fidj fc^Ced^t. gwifdjen

ben ©ttern fommt es oft pm Streit £)er Wie, ber ein

recfjt uermögenber, a6er nidjt gerabe reifer SJtann ift, ift

in atfen feinen ^edjnungen aufterorbenttid) genau unb ärgert

fief) nament(id) barüb er, wenn fein Sobn für Reibung guoiet

ausgiebt. äöegen einer fotdjm £oi(ettenfrage entfpinut fidf>

3wifdjen!

Bater unb 8o(m einmal ein febr heftiger 8treit.

©er a(te .gepmann prügelt feinen Qungeu gehörig burd), nnb

biefer füfjlt fidj in feinem Stolpe fo getniuft, Dan er be-

fd/äeftf, feinem Seben ein CimD^ m madnt. Irr wirb uou

feinem Sater Daran uerbinbert, unb biefer febeint nun wirf*

(id;e diene nvgeu feiner übertriebenen öefttafeit 511 empftnben

Page 19: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 13 —

unb ü&erfdjüttet gerbinanb mit Seioeifen ber väterlichen

Siebe imb S&rtßdjfeit.

^ie Spraye im Saufe SaffalleS hat burdjauä bett

©fjarafter feiner fierfunft, fo ba$ sarjtreidje SBörter unb

SBenbungen in feiner ©arfteHung mit unterlaufen, 3U bereit

SBerftönbntfj man ben Mail) eine» ber rjebräifdjen Spraye

Aunbiaen einbolen muß.

65 ift übrigens bemerfen*wertl), wie bie Stftffagljeit

in bem jungen Surfdjen, man möchte fagen: gefüffentlidj

großgezogen wirb. Unb er jeigt fet)r beutlid) bie bei fyilb=

mad^fenen jungen Beuten übrigens fetneSToegS feftene Neigung,

mit Vorliebe ben SSerfe^r mit kelteren unb Reiferen auf-

Sufudjen, wenn er and) mit feinen 2Witf<$ülem unb Sttter^

genoffen nebenbei immer in regftem ^erfebr bleibt. 2föer

31t ben kelteren, namentlich 31t benen, bie um für voti

nehmen, wie Dr. 3'lnff unb Sordjert, fülift er ffdj oor Memtjmgegogen. S)er erfte confuftirt ben nodfj nidjt 3&nfte$n?

jährigen in einer galanten SieBeSgefdjidjte, unb gerbinanb

giebt bem jungen $)octor gute Ohtbfdjläge, wie man fiä)

grauen gegenüber 31t benehmen (jabe, bereu (Uunft mau er=

werben wolle. 3Wit Sord&ert beljanbelt er bie emftbafteu

gragen be3 Berufe unb bergleidjen. 2(6 er oor Klient wirb

ibm oon Un 3 einigen in ber gamilie eine Stellung einge=

räumt unb eine Sebeutung beigefegt, bie bei ber 3ugenb

gerbtnanbS ferjr feltfam erfcfjeint, um fo feltfamer, als ba^

Page 20: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 14 —

fetbe Äinb, beffen Stimme im gamÜienratlje eine grofse

23ead)tung jtubet, nebenher nn'eber wie ein bummer, unge-

zogener ^unge befjanbelt wirb. 3n ber Angelegenheit aber,

bie bie gamtfie p jener $tit am tiefften beroegt, in ber

Jyrage, ob grieberife üjren fetter gerbinanb ^rteblänber

beiratben foll oOer nitfjt, wirb bie Stimme be* jungen ^rubere

nidjt nur geljört, fte finbet aud) bie emftbaftefte 23ead)tung.

9Jttt befremb(id)3r ^iid^terrtrjeit unb G5efc^äftCtcf)fett erörtert

ber junge gferbinanb ^it ben Semigen für ben mll ber

Slupfung ber Verlobung $rieberifen§ mit ibrem fetter bie

©uentuaütät einer cmberen SBerbinbung. @r fennt ganj genau

Die ^mögeneoerfjättniffe be§ neuen öeiratt^canbibaten, mtb

er folgert au* ben ibm bekannten Sbatfadien bie gorberungen,

bie 3ener mobl auffteflen würOe. ©r beredmet fobann,

was ber ^Bater feiner Sajwefter geben werbe, warnt Oie

IKntter oor übertriebenen Dpfem unb fd)ä£t bie älteren

^onüge unb bie 23ilbung feiner Sd)wener auf ^elmtaufenb

lhaler. (6. gebruar.) Kurzum, er geigt in btefer 3ad)e,

oie mit oottfornmener Sßoefteloftgfett bebanoelt wiro, Oie ®e*

wauOtbeit eines Ijanbwerfemämgen ^eiratbsiHTiuittler*.

e öebeutung, bie oem jungen in Oeu micbtigften

fragen oon ben Seinen beigelegt wirb, Oie 2lrt unb SBeife,

wie bie in ben ,

x\abren Borgerütfteren mit ihm oertelnvn,

ftnb bam angetbau, Oie (ritelfeit biefeS itugewölmlidi oer*

anlegten unb aufgettfeeften >>albjünglimv> m jdntreu. Jttefe

Page 21: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 15 —

Gitelfeit ift in Dem jungen gerbinanb in ber £t)at fdjon

in bohem ©rabe entroufeft. Sie roirb mit Der Qext geraDeut

maüloe. 93cit 3Bo$gefatten notirt er, tote eine fd)öne junge

grau §u feiner 3d)tr>efter fagt: „3ftr trüber ift geiftreicb,

unb bieg felir," unb rote biefe barauf antwortet : „2Ber

jroetfelt Daran?" (2. Januar.) „3d) batte nod) nid)t ge=

ölänjt/' fdireibt er nad) einer ©efeftfdjaft. SSon einem jungen

Söienfdfjen, mit bem er in einer G5efef{fcr)aft ^ufammentrifft,

fagt er: „3)er Gfell 2tt3 roetm er, nod) breimal fo grof} als

er ift, 51t mir beraufb liefen tonnte!" (23. Januar.) (Stettin

oeneidmet er mit greuben Die tHeimerungen etttes etroa3

Vetteren, ber §u ibm fagt: „3ie finb ein rotziger ßerf,

weit gefdieiDter , al§ Sfyre Safjre iKTmutbeu (äffen. Syenit

Sie fünf {jaljre lueroen älter, ba wirb e§ Die SSelt nidit

mit hinten aushalten." (15. gebruar.) Cr nmnbert ftd)

Darüber, bafs einige feiner SOiitfdmler , „bie mir bod), rote

id) felbft fagen tratfj, an Talent, Dlufiammgegabe, (Seme,

-^eurtbeilungefraft, $erftanb, Gkift , nadnteben — unb Die*

fo weit!" — gute 3eu9,wfe bekommen, wäbrenb bie feinigen

redit unbefriebigenb auefallen. (21. gebruar.) Unb er Der-

gleidjt fid) inmitten feiner (Bdjüler mit Dem feingebilbeten

Dtömer, ber, unter rotföes£ölferfd)aften nerbannt, mehmütbig

barüber flagt, ba£ er als Barbar gelte, roeü er nou ihnen

nidit nerftanben werbe. Sott bem ßomtraS feinet 5Bater3

fagt er: „3ch bin ibm unenblicb überlegen außer an Corona,

Page 22: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 16 —

an SMIbung, £ournüre, Qeift, Q?erftanD, (Mb, DCnjefjen.

(1. ätfärg.) 2cldie Olenüenmgen eine3 für einen fo jungen

DJienjd)en bod) fettenen 2e(bftbemnf3tfetne tebren nocf) häufig

lieber, nnb tö märe nrirfßdj ntdjt nötbig geroefen, ben non

feiner förr>er(id)en nnb geifftgen Ueber(egenbeit mehr als nötfjtg

burcfjDrnngenen -Jjumjen nod) bnrcf) übel angebrachte Gomuli;

niente in feinem 2eibftgefüb( 31t üärfen. DIber nidjt nur

fdjone Junge Tarnen fagten ifmx in'* ©eüd)t, baß er ein

gang merfmürbig fmger nnb geiftDolter junger 2ttami fei,

audj nerftänbige äftämter geigten mit ihrem £obe nidjt. 2&n

24. 3ftärg hatte er eine itnterreonng mit $>ord)ert, ber ihm

in'e Gkftdit jagt, er fei fein gemöbn(id)er 5tnabe: „idi fei

genial, nnD e^ mürbe ihn um fo mehr fäjmergen, menn

mein ©eift eine faljdje Dfädjtung neunte/ ßaffatte fügt

rjin^u: „Denn irr biefet bordiert ein ^tenfd), Dem id) meljr

glauben form, al§ jeDem äfabern, meit er nid)t jdjmeiaVlt.

gubem ift er ein 2ttann, ber im hödmen QraDe Den sens

commun beutet. Dr. 3biff hat mir DaMetbe nerftdjert.

3d) merbe anfangen e3 &u glauben." Tiefe Sdjlnmnorte

jtnb in ihrer gemoüten Diaiuetät nidjt gang aufrichtig. Ct mar

(ängft oon feiner Sebeutung tief burdjbrungen.

2Bie fdiou au§ einigen SGBorten in Den lunlier angeführten

2leufjerungen SaffaleS erftd)tlid) ift, bilDet jidj Der junge üDfann

nidu mir auf fein ©enie nnD auf Die SBorgüge fernem ®eijie3

febr niel ein, er ift and) im D(eunerlid)en eitel. (St l

Page 23: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 17 —

oft über bte sBeidjaffenbeit feinet 2tnpa§. @r ner^eidmet

mit SBoWaefcttten feine Stumpfte auf einem 9)?a§fenfdjet$e,

§u bem er ate SCmor erfcfyeint, unb er freut ftd) barübet, baf$

er einen anbern 3tmor burdj bie Sftumdjfj feiner ©tfdjeinung

2tu3 btefer Gitelfeit erklären ftd) fiele anbete Unarten:

fein r-orlaute* SBefen in bet ©efettfdjaft Weiterer, feine Suft

am ßrafefjten, feine Stuffäfftgfett gegen bie Sebter. Qu jeher

größeren ©efettfdjaft fommt e3 jrmfdjen bem jungen gerbinanb

unb irgenb einem anbern, weniger fd)(agfertigen unb unbe-

holfenen ($a)te $u einem Keinen Sfanbal, unb bie Sadje vex-

läuft immer 10, bar, }yext)u\a\\o mafjfo* au^fattenb mirb, hen

2Inbern blamtrt unb ju einem bemütbigen #rieben<cfd)(uffe

jroingt. Sind) mit einem gtetnben ben er im ßircu» trifft,

bänbett er au, mit einem §ertn mit einer £fteitpeitfd)e in ber

£anb, „ber idj gern m einer näheren £>efanntfd)aft mit feinen

Dbren uerboifen bätte." (5. 5(ptil. ) Unb norlaut mar er aud)

in ber 3d)ule. 3o fctjrieb er auf eine feiner natüt(id) fd)(ed)ten

(Senfuten: „Söabrbeit unb 2)id)tung." (28. gebruar.) Unb

er fdjeint ftd) nodi Darüber 31t umnbern, ba& et belegen

t-om Sebtet einen Büffet befommt.

©r ift überhaupt ein miferabter 3d)ü(er. @r beftfct

eigentlid) alle ©igenfcfyafteu, bie einen fd)(ed)ten 3d)ü(et au§*

madjen. ©ein betragen läßt nalje§u Sitte» $u roünfdjen

übrig. @t betrachtet bie Seftret a(§ feine gefdiraorenen %einbe

$auf Sinbau, A-crbinanö SaffatfeS Sagebud). 2

Page 24: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

18

unb betiagf, ftdj beftänbig barü&er, rote angeregt er beljanbeft

wirb. 2Btr fpredjen immer nur non feiner 33re3lauer (Sinn-

nafia^eit. üEßit werben febeu, baB fidj ba§ Spiel auf ber

jQcmbeföfdjule in Seip^ig nocf) fortfejt unb nericbärft. $)afj

bie Seljrer ibm nidjt morjfgefinnt ftnb, ift Durd)aue ertläriid).

(S& tarnt irjnen nidjt entgehen, Daf$ ihr Sanier ungemöbn^

Iid)e ^erftanbeegaben 6eft|t, eine teilte Sütffaffungegabe, ein

auegejeicfjnete^ ©ebädnnif}, eine für feine 3<rfjre tiö^ft be=

ad)ten*mertbe 3d)ärfe be§ Unheil*. Dem entfnredjenb tollten

and) bie Seiftimgen fein. Diefe (äffen aber fein* nie! ;u

umnicrjeu übrig. Denn ber junge gerbinanö ift namenlos

fauf. Qn bem ganzen £agebud), in bem er alle* ^iögtic^e

mit noltfontntenfier Qenauigfeit nex^eicr)netr finbet fid) and)

nid)t eine einige 2(ubeutung ü6er eine 3d)ularbeit, bie er §u

§aufe gemalt ijat 2Ba>3 er treibt, wenn Die klaffe ge=

id/ofjen ift, werben mir fpäter felien. gür Die 3dmle arbeitet

er iebenfaH§ nidjt. 3 eine ßrercitieu erlebigt er in ber 3ett

bie uti§ befd)äftigt, immer in ber klaffe felbft, unb jroar ge*

möbnüdj in ber 3tunbe, benor bie fdwiftlidjen arbeiten ab-

gegeben werben muffen. ©r finbet e* gang felbftuerftänMid),

Dan er bie (rreroitien utdjt fetter mad)t, fonbern abfdneibt,

unb er ift empört über bie Ungefäüigfeit eine*v))iitidmler«>,

Der ihm bog .Sooft verweigert. 3Wit einer braftifdien Slnföau«

:idneit, bie in Obermann eine frennDlidu1 @rhmenmg au

überftanDene 3d)ülerleiDeu auf Den häuten be3 ©innnaftunt*

Page 25: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 19 —

wachrufen nrirb, fdjilbert er feine Seiben unb jeine ülngft, all

ber erwartete ©uccurä aulbfeibi. (24. gebruar.) Söäfjrenb

ber ©tunbe felbft ift er jerftreut, weif? gar nidjt, monon bie

9?ebe ift, unb all er aufgerufen wirb, nimmt er feinem 9iad)bar

gan§ rurjig ba* 23ud) weg unb lieft aul btefem ab. ®r

madfjt ftd) audj nid)t bal geringfte (Sewiffen baraul, wenn

e§ ibm gerabe paftt, 3U fd)wän§en. 2ln einem «Sonntag tjat

er fid) amüfirt. 2)ienftag unb 2Rtttn)odj ift bie ©djute ge=

fd)lo[fen. 2)a fdjreibt er am Montag: „§eut will id) nidEjt

erft fjtngefjen. 3dj befam Seibfdjmetgen." fügt er mit trocfener

ßomif hinju. (2. Wair^) ©in anbermal gebt er §u fpät

non fiaufe weg, unb um nid)t ju fpät ju fommen, fdiwäust

er lieber gan^, fud)t einen guten greunb auf, nefpert mit

biefem, unb bie jungen Seute fpielen harten. (16.. 9Mr§).

3Xm 19. Wtatft fdjreibt er: „.3$ liatte mir fdwn längft einmal

norgenommen, 31t fdjroangen, unb tljat es t)eut." 2)a fudjt

er feinen greunb im ©efdjjaft auf unb frübftüdt mit ihm.

3111 er 3U einer Soweit eingetaben ift, fdjreibt er fid) felbft

einen ©ntfdmlbigungl^ettel mit ber gefällten Unterfdjrift feine!

Malere, oerläfjt bie ©djule fd)on um jeljn Uljr, gebt jum

Gonbitor unb non ba %um grifeur. (23. Januar.)

Unb biefer ungezogene Beugel wunbert ftd) barüber,

baft er fd)led)te geucmiffe befommt. „(Sonbuiten" mürben

biefe geugniffe auf bem 23rellauer ©nmnafium genannt. Unb

ba biefe ntdjt nad) bem 2öunfd)e bei Secunbanerl aulfielen,

0*

Page 26: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 20 —

unb er unangenehme Auftritte mit feinem heftigen unb leidet

erregbaren Sßater fürd)tet, fo macht er furzen ^roceB. ®r

fälfdjt bie llnterfdjriften feiner Gütern. 3u"äd)ft untertreibt

er ben tarnen feiner SOiutter. Unb er mad)t einen red)t

übeingebrachten 2Öi£, inbem er fagt, feine Kurier habe ia

procura. (Sdjließlidj fällt bem Seftrer auf, ba§ feit einer

geraumen 3 e^ niemals ber Spater untertreibt, unb er t>er=

langt, ba$ baz näd)fte 3eu9ntB unbebingt nom 33ater unter-

fcr)rieben raerben folle, fonft werbe er mit iljm fpredjen.

•ftun befommt gerbinanb afferbing£ einige 9lngft. 516 er mit

ber üjm eigentümlichen greube am ^Debuciren unb <Spinti=

firen mad)t er fid) flar, bafj er eigentlich febr mof)! be-

rechtigt fei, audi bie Unterfd)rift feinet 23ater* in biefem

gaffe 5U fälfdjen. S)enn fein SSater nahm bie ©efd)idjte riel

ju tragifd). @r mürbe fid) xM mehr über ein fd)(edjte§

geugni^ ärgern, aU e§> bie (Sadje nerbiene. Unb fo mad)t

er ftd) benn fctyief^id) fein (Senriffen barau*, and) ben ge-

fällten tarnen feinet ^atere unter bie ßenfur 31t fe^en.

@8 gef)t ihm burd)au3 nid)t nahe. ®r rodelt barüber fogar

in red)t unr>erautuiortlid)er 2Beife. „2lm anbern Sage braute

id) meine Cenfur nom SSater unterfd)riebeu, nämiidj t>on

mir, ber id) nad) Sebürfmfj SBater, SUhttter unb 3olm bin/'

(28. Februar.) Tiefe gätfdjungen verübt er feit geraumer

Seit mit bebauerlidnT :)iegelmänia.t'eit. 3 chliofU teil t'ommt

bie Nefd)id)te berank, unb )ic ift Der eigentlidK Nrunb, baf)

Page 27: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

21

gerbinaub, ber fid) auf bem ©ijmnaftum $u xBreelau niä)t

mei)v galten fann, ben ©ntfdjluB faftt, Kaufmann ju roerben.

2)ie Eingabe ber früheren 23iograpl)en Saffalle», bajs

gerbinanb t)on feinem SSater §um $aufmaun3[tartbe beftimmt

fei, imb baB er raiberftrebenb fiel) baju f)abe geroiffermaßen

fingen (äffen, rairb burd) Die nacf)ftel)enben 2lufjet(^nungen

üolltommen mtbertegt. 8m ©egentfyeil, ber alte Saffal mürbe

e3 offenbar lieber feljen, menn fein 3olm ftubirte. 215er

gerbinanb felbft brängt feinen Sßater ba^u, ilm au» 33re3lau

fortzunehmen, ©r felbft mit Kaufmann werben.

3n biefem Slbfdjuitt feine» 2tben» beutet in ber Sljat

auBer einem angeborenen latente nocf; niä)t» barauf l)in,

baB gerbinanb Saffalle jemals in ber SSiffenfäjaft eine 9Me

fpieten meroe. £>er SÖiffen^brang unb bie greube an ber

Arbeit enoaäjen erft tuet fpäter in ibm. guY» ©rfte er=

lebigt er notbbürftig unb unluftig feine $laffenpenfa unb faft

immer in ber Schule felbft. 3obalb er bie Sdjule t)er=

laffert l;at, Ijat er feine anbere 3orge, al» bie langweiligen

£el)rftunben §u oergeffen. ©r geljt fpajiren, befugt feine

greunbe, Ineipt in allen , möglichen ßonbitoreien 23re»lau3

Ijerum unb fpielt raie eine alte Spielratte täglid) ftunbenlang

entraeber 53iKarb ober ^artenfpiele, befonber» Dn^et-bemi,

©carte, ®e^»unbfe^ig unb mitunter auä) SSierfuB- Slugerbem

lernt er uocf) äöljift in ber 3e^- ^u$ frn 3d)aä) oerfu^t er

ftd). 3m ^öillarb t)at er es fc^on ju einer bemerrensioertijen

Page 28: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 22 —

SMfommenljeit gebracht. ®r gewinnt beinahe immer. 3n

ben nad)ftebenben ^uftetdmungen babeu mir Die meiften 2tn-

gaben be3 jungen gerbinanb Saffatte über fein ©pielconto

geftridjen, fte bieten fein Snterejfe; mir tiabeu nur biejenigen

fielen (äffen, bie un» c^arafteriftifcb erfreuten.

©r ift ber richtige S5ummetfri|e. 2Ran febe nur, ma»

er an einem einigen £age (eiftet. (18. Qanitar. ) @r fpielt

Simädjft \täß Partien sBitfarb mit einem greunbe, nou Da

gel)t er gutn Gonbitor, r>on Da in eine anbere 2Btrt£)iä)afi,

rao $raei 8oule3 gefpielt werben, Darauf fpielt er mieberum brei

Partien, Dann fpielt er nod) mit einem Zubern menigftene

Drei Partien, bann gel)t er nad) iQoufe, fpielt mit ber 3Wutter

©carte unb fctjtieftfid) mit einem igausfreunb nod) Cn^e-et^bemi.

Unb fo äl)nlid) verlaufen alle 3onntage. Stber aud) an SBodjen-

tagen fpielt er febr oft unb, nad) bem Quantum ber Partien

§u urteilen, febr lange. SBenn er uiel oerliert, gelobt er

jebesmal 23efferuug, aber bie guten SBorfäfce batten nid)t

lauge an.

AÜr einen 3ecunbauer ift fein £mbget §iemlid) reidb

bemeffen; feine 2lu*gaben an Karten^ unbs

OTarbgetb, au

Gonfum in Den oerfdjiebeueu öffeutlidjen &>irttifd)aften, nament-

Lid) in Den Goubitoreieu, unb au 3 piolneriun fiub nidrt

geringe, ituD er ift feto oft in (MMuTlegeulieit. ®c fud)t

feine ginanjen Dann mobl aud) auf anbete SQ&etfe aufmbefferu.

Page 29: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 23 —

3n jenen Keinen Souf^gef^aften, bie allerorten unter Den

©djitfem gang unb gäbe finb, bewährt er eine merfmüroige

3d)taubeit unb eine faufmänntfdje illugljeit, bie ilni and) §u

jener Karriere, für bie er fidj 3imäd)ft beftimmt hat, befonberS

51t qualtficiren fdjeint. Gr taufet affee 93iöglicbe, SBüdjer,

Ubren n.f.

n>., unb immer mit ©eroinn. ©r jdjadjert and)

mit feiner üRutter. ©r tauft oon einem greunbe ein geber*

meffer für fieb eneinftalb ©übergroßen unb bietet es feiner

Butter für jebn 3üb ergrofdjeu an. (29. gebruar.) 3(m

Sonntag ben 15. 2ftärg treibt er freubtg auf, bar, eä tum

gelungen ift, fein gebermeffer an äftama ju oerfaufen, für

jeljn ©Übergroßen, „jtoei gute ©roßen Profit."

©am fcnuutlös gebt er übrigens in feinen finanziellen

Operationen nßt immer ju SBerfe. Gt leint ein Sud), bas

er febr lange behält, unb ber Sejifeer beanfpnßt bafür oter

Großen. @r fjat bas 3hu$ an einen geroijfen Samberger

weitergelieljeu, unb biefem SSamberger „preßt" er roirflß bie

oier Großen ab, wie er felbft ßreibt, „ftern aber/' (Der

Söefifcer) fügt er bimu, „mirb einen 3tupp in bie 3äbue

bekommen ftatt oier ©roßen." (9. Sanuar.) SSon feinem

Söater tagt er fß fünf ©übergroßen für ben Rebell geben,

giebt biefem aber blos ^raetetntjalb. (14. Januar.) £)er

Seitjbibliotbefar forbert für einen anbern lange behaltenen 23anb

uneber ©trafgelb, gerbtnanb er!(ärt, baf? er bttrdjaus ntct)t

gefonnen fei, bieg ©trafgelb §u bejahen. „Stuf jeben gatt"

Page 30: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 24 —

bemerft er bann, „preßte idfj Samberger nrieber nier gute

(Stoffen ab." (16. Sanitär.)

£)er Jmd) her böjen S^at, bafj fte forr§euaen3 33öfe§

ttimj gebären, wirft and) liier üer^anpifjnoü* weiter. Sie

gcttfdjung ber Unterschrift unter ben 3euöitiffen nötbigt Saffatte,

bie 23atjrbett ben fiebrern wie ben Gitem gegenüber beftänDig

311 entfteuen. Urtb 10 gerätb er berat in ba3 gewobnfyeit^

mäßige Sügen ijinein. Gr treibt alio feinem Setter naa)

Sßarig, Dafj ee um bie Verlobung mit grteberifen gut ftebe,

obwohl er von bem ©egentheil über§engt iit. (10. Januar.)

Sie 3ufamrnenfiettung ber Sitaenbfünben, Die fiel) gerbte

nanb atä 3ecunbaner 51t 3d)ulben fontmen fäfjt, »irrt in

unierer 3d)i(berung rnefteidn 51t narr". @3 jtnb afterbinge-

böje Summejungenitreicbe, bie ^erbtnanb Saffatte uerübt.

Slber Daneben fpridjt aw> Den Seiten Dieiec i£agebudje3 aud)

fetjr Siele*, Das un§ Durchaus angenehm unD fmmblicfj berührt,

unb baB un§ bafür bürgt, bafj e3 ftdj in ber £bat nur

um leid)tfinntge Streike eines ungezogenen 3d)lingeb> baubelt,

nidjt aber um mirt'lidie Gemeinheiten. 3 eine öerjenSfreunb*

febaft mit 3fibor Qeritenberg ift rührenb, edjt unb wahr, ferne

üart'e Siebe für feine Serwaubten, befonberS für feinen Sater,

lauter wie Öolb. Gr ielbft djarat'tevifirt fieb wohl am rid)tig(ten,

wenn er fdfjretbt: ,,M) wem nicht, nrie e3 tommt, id) fpiele

alle 3ounabenb Sittarb, nutö mir mein Sater Dod) 10 ftreng

verboten, untendneibe mir meine (SonDuiten, was Dod) eben--

Page 31: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 25 —

falle Unrecht i% uub liebe meinen SSater bocf) bi§> gnr (Sfftafe,

rote ein ßtnb nur lieben fann. 3ä) würbe freubig mein

Seben Eingeben, wenn idj ifym nü|en fönnte, nnb bod) . . .

2lber ba§ fommt t)on meinem Seidjtfinn. 3m ©rnnbe be§

Sergeng bin M) gut." (14. Sanuar.)

3a, er ift gut, aber er ift eben leid)tfinnig nnb t>or

allen fingen unglaubltdj leibenjd)aftlic§. @r l;at Sftedtf, wenn

er an; erften £age feiner täglichen ^uf^eidmungen t)on feinem

fauguinifcfjen Temperamente fpricf)t. £>ie Seibenfdjaft treibt

tljn baju, bem ©ebanfen besl SetbftmorbeS näljer ju treten.

2113 fein SSater ttnt geprügelt Ijat, rottt er fiel) in§ Söaffer ftürjen.

(29. Sanuar.) Unb aß bie gälfrfmng ber Unterfdjriften

tyerauSfomtnt, fc&ltefjt er fitf) in fein Simmer ein unb grübelt

TOteber über bie grofee grage be» <Sein§ ober 9fädjtfem3

(13. Sipril), uub nur bie Siebe für feine Altern beftimmt

if)u ba^u, ben 3elbftmorbgebanfen aufzugeben, ©eimfc ift

t)iel ^atl)o§ ber Unreife unb jugenblidje llebertreibung habet,

aber al§ eitel glunferei barf e§ ntdjt betrautet werben. £>a§

Sagebutf) ift uon Anfang bis §u @nbe uollfommen erlief) unb

aufrichtig, e3 barf utd)t baran gezweifelt werben, bafe ber

leibenfdjaftfidje junge 9Jienfd) nadj ber bemüt^igenben ©träfe

unb in ber Verzweiflung über feine Untaten aU (Schüler bem

©ebanleu, fid) ba3 £eben zu nehmen, wirflirf) nal)e getreten ift.

©3 ift auä) etwa* burd)au3 Ungewöhnlich, baf$ ein

ßnabe in bem Stfter fo letbenfdjaftttdj, fo glüljenb Ijagt, wie

Page 32: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

- 20 —

gerbinanD Sajfoße. llnb mit Dem Öefübl be§ §affe3 empfmbet

er fogletd) aud) Den berrifdjen Traug ber SJBieberoergettung.

Sluge um äfage, 3^ um ftofynl Itnb er (eiftet fürdrterlidK

diber bafi er nidjt ruben, nid)t raften merDe, bte er ftd)

gerächt habe. 3h etnent ^ani mit ber 3d)ir<efter nrirft er

ftd) auf bte &utee unb fd)reit mit einem fotdjen SCufroanbe

Don färaft, baß f^ine Stimme beifer tuirb: „©ort, ©Ott, gieb,

bafj id) nie biefe 3tunbe uergeffe! 3d)(ange mit Tobten

tofobitetbreinen, biefe 3tunbe folift Xu bereuen! 23ei ©ott!

td) fdnnöre e§! IXttb lebt' id) fünfzig, unb lebt' id) fyunbert

3abre, id) null fte auf bem Tobtenbette uidit uergeffen! 2(ber

Tu folift & aud) nidjt!" (11. 3anuar.) $>em üftaime, ber

bte ßfjre [einer Bcfnuefter 311 beflecfen fndtf, ruft er nadi:

„gludj auf ihn! Uno mäbrte e3 nod) jtoangig Saljre, id)

werbe 31t (trafen unb Die beteibigte ©tjre meinem geliebten

SOater* 51t racbeu mnfen!" (12. 3anuar.) 2tt3 er uer^eidmet,

Dafs er in Der 3dntle uon einem Setter idiledit bebauDelt

fei, fdjreibt er: „Qebulb, GieDulD, Die 3 e^ nfab t'onumn!"

Sömt einem 9Jtitfdjwer, ber iim fdjabeufrob aufteilt, fduetbt

er: „Tiefer t^iid bat aud) in mir ßafj gegen ilm enftünbet,

£af3, ber, bei meinem SBort, lauge währen fofl, bis er ftd)

gefügt bat. 3$ Wfa aufjer ihm nur nod) einen SRenfdjen,

uud ba$ ift 2. (Der frühere Bräutigam feiner 3diwefter).

IHluT bei ©ott! biefer §afj nnro ewig Dauern! Tod ibm!

IrleuD! Söermdjtung loerDe id) bi* \u meinem Cefeten fingen-

Page 33: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 27

blide Uim nmnfdjen unb, bei ©Ott! e§ ntdjt beim bloßen

SBünföen bemenben (äffen! 3e(bft £anb an'3 2Serf gelegt!"

3a, er fteigert biefe Senminfdjungen nod).sDtit ber alt-

teftameutarifd)en Söutt) einer Seborab, erbebt er fid) unb ffttdjt:

„$en föreäfopm glucf) über mid) felbft, wenn idj rüde,

bis id) geragt, fürd)ter(id) gerächt i)abe an biefem ©unb

meine @änt>efter, meinen SSater! äöenn id) je baran »ergeffe,

nriH id) uerflud)t fein, t)ter unb bort. Sßenn id) ifjm Die

Setben nid)t je^nfad^ surüderftatte, bie er meinem SSoter,

meiner Sdjujejler ^gefügt, möge id) oerbammt fein! ®ott,

hu t)örft e*." (8. 3flctts.)

Unb mit btefer Söteberuergettung fpafjt er burdjauS ntdjt.

@r empfinbet eine innige 3d)abenfreube, wenn e* feinen

geinben fd)(ed)t ergebt. $>ian glaubt mitunter ben ^fatmiften

§u f)ören, ber Die «Benützung feiner geinbe inbrünftig erftebt.

@r jaudrgt auf, ate er einen 9)tenfcben !ran! geärgert tjat.

(1. 30ftör§.)

Sttg id) biefe teibenfd)aftlid)en stellen fa§, mußte id)

lebhaft beffelben Saffaffe gebenfen, wie id) i(m fpäter, 1864,

in 3fer(o£m auf ber «Rebnerbüfrte oor ben Saufenben ber

Arbeiter mit erhobener 9ted)ten, mit ffommenben Slugen ba^

fielen fat) unb mit fürd)ter(id) bonnember Stimme ausrufen

hörtet „2)a* f)aben bie Bourgeois ber gortfc^rittspartet für

@ud) Arbeiter .getban! ©#toört mir, fdjmört, baB 3^ e* i&nen

gebenfen toottt!" ®er 9Jtonn aus bem 3a()re 1864 unb ber

Page 34: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 28 —

Ttann au* bem 3af)re 1840, ne (Itib in äöoljrljeit ein nnb

baffetbe SBefen.

Sehen mir uns mm Die Umgebung Dec- jungen fterbmanb

£affafte 51t Anfang beä .^atu^ec-« 1840 etwa* nüber an. 3$bin in biefen Angaben über bie Sreälauer Setfjaltmffe, 5ßers

fönlicbfeiten nnb Soealttöten, Die 511m rotten Serftänbntffe

ber nad)[tebenoen Blätter unerläjslidj ftnb, unb auf bie 0er

Sefer öfter jurüd^ugreifen genötigt fein wirb, ba id) bie

£affatte'fd)en Sfafäeidjnungen nidjt mit einem Sattaft Don gufc

noten befct)raeren möchte, non einem SreSlauer 3ugenbfreunb

gferbinanb SaffatteS in banfen3u>ertf)efter SSeife unterfru|t

woroeit.

Saffaiiee Sater molmte in bem itjm gehörigen (i'dbanie

ber 3d)[of3|tra|3e unb be3 jftofemarftee, an beffen Hinterfront

bie jegt jugefdjüttete Cl)(e norbeiflofj. gn bleiern au* beu

jioanjiger Sauren ftammenben Qebäube inm .Saffatte* Sater,

ber ein beträd;titcf;ec- @ngro3gefd)afi in S©eiben= nnb SerttU

maaren betrieb, einen offenen Saben, in SreSlau nrie and) in

einigen anbeten Stäbten „Öemöibe" genannt, unb in biefem

^anfe molmte aua) bie gamilie. Der alte ©enmamt fiaffat

mar eine ftattlidje, üorneljme ©rf^einung, grofj unb fräftig

gebaut, mit t'lugem nnb angenehmem ©eftdjt. Crr lebte in

guten Setfjaftniffe« unb erfreute üa) eine* uortreffiiaVn 9toife$.

(rr mar heftig, bi^mcileit fogar jähzornig., im ©raube aber ein

braoer unb feinen 2oim ^anlief) [iebenber Sater. 3Rit Der

Page 35: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 29 —

SJhttter, bte immer fragte, mar bae Sebett nicöt gan§ bequem,

ba§u lam nodfj, baß grau Saffat fdjioerbörig mar. Bor Ammar e§ bie ©emofmfyeit be§ alten Saffal, jeben 9?aä)mittag

in bie faufmännifdje Sfteffource §u geben — es mar bieg eine

gefellige Bereinigung, äbnlicb bem berliner Brüberoerein —

,

bie oft $u lianhieben Scenen führte, grieberife, ba§ äftefte

$inb, mar ein fd^öneg, frifd)e3, (ebbafte* 9)cäbcben, gerbinanb

ein gleichfalls febr bübfäjer Burfdj, für fein 2l(ter eber groß

afe ftein, oon guter Haltung, ber $opf auffattenb runb, mit

üppigen, bunfetblonben, fraufen paaren, (joljer Stirn, geraber

9tafe unb großen, fingen, blauen Stugen. 2Iußer ben beiben

Äinbern (ebte im SaffaPfdjen fiaufe noct) eine SSaife, (Smifte,

bie rjalb gamiüeumitgüeb, fjafb £)ienftbote gemefen ju fein

fdjeint. Slußerbem erfahren mir ge(egentlid), baß in bem

£>au§ftanbe nocf) eine Sdtaßerin — bei nn§> nennt man e<§

£au§mäbdjeu — unb eine Mfyin befcfjäftigt finb. Unten im

öeraötbe meröeu bie ©efdjäfte außer com Bater non bem

Gommi* Drater beforgt. 3tt§ £<w3är§te (ernen mir bie

2)octoren Ghtttentag unb ^ßaetjotb, einen tüdjtigen Gbirurgen,

tennen.

£)ie näcbften Slnoermaubten finb bie gamitien grieblänber.

3)er eine Dnfet griebtänber unb feine £odjter ©ordnen oer*

febren oiel im £aufe. Sein Sobn, oon Saffatte gemöbnlidj

0ܧ „Better gerbinanb" be^etcfinet, batte fid) mit grieberifen

oerlobt. tiefer gerbinanb gfrteblcmber, ber fitfj fpäter (Slieuatier

Page 36: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 30 —

fyrieblanb nannte, war ein fein* begabter nnD unternehmen-

ber junger 93t ann. @T batte mit beut öerjog t

£>e§cc%eä eine

Dreife nacfj fernen gemadit, Aufgang ber breimger Saljre.

Cime eine regelrechte polntedmifdje 2Kßmng genoffen 51t baben,

leiftete er bod) als 3ngenieur felw 33ea(^tenswertf)es. (rr war

e§ aud), ber bie Gasbeleuchtung für 33re§lau einführte uub

organifirte. Später 30g er nad) ^rag. Beine ^lugrjeit unb

fein Qefcrjicf nntrben überall anerfannt. (rr galt and) afe ein

febr liebenswürdiger ?Jienfdi, unb fein Gbarafter würbe non

9liemanb bemängelt, aber er ftcmb, man weif*, nidjt red)t,

wesbalb, im :)tufe, ein wenig Abenteurer 511 fein. Sßir werben

feben, bau gerbinanb, als er feiner Sdiwener bie Verlobung

mit bem fetter ausreben vM, bas" aud) gegen biefe äußert.

(Später änbert ber junge gerbinanb SaffaHe fein ttrtfjeil über

ben fetter. 3fm ^weiten 2Ibfd)nitte werben mir febjen, bog

gerbinanb feinen 2öiberftanb uollfommen aufgegeben bat unb

bem liebensmürbigen, llugen unb we(terfal)reuen fetter am?

sparte bas güuftigfte 3eu3n if> auefteflt.

$on ben 2>erwanbten Saifalles wirb enblid) nod) £ante

'Imrgbeim genannt, eine ebrwürbige Patrone.

Sie iübifd)e ©emeinbe SreSfonS mar ju jener 3°ü to

^wei Sager gefpalten. 2fa ber ©pifce beS einen ftaub ber

ftreng ortbobore, bie rituellen formen mit 3tarrbeit aufregt

erbaltenbe Cberrabbiner Xictin. Tiefem gegenüber würbe mm

ben Areifinuigeu ber fehr finge, uuterriditete unb beS 8ßorte$

Page 37: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

3 1Ol —

in f)obem ©robe mctäjtige Rabbiner Dr. ©etger angefteftt,

ber m ben intimften m-eunbeu be§ Saifal'ito Saufeg ge*

borte, ©ie d'ftem befugen an jebem 3abbatb ben Tempel,

in beut Dr. ©eiger prebigt, unb aud) ber junge gerbinanb

begleitet bie @(tern oft bahnt. 3)te ©eigenen ^rebigten

machen auf ben jungen üölann einen tiefen (Einbaut

3u ben öauefreunben geboren noch bie TOgüeber ber

gamiße ©futfdj, Siebid) (SBeintjdnbter), Sabig, SBolßietm,

Don benen «Dtotfjilbe unb Siegfrieb SBoOtyetm namentlich auf-

geführt werben (vooty ©ejdjnrifter be§ in Berlin t>or einigen

Satiren oerftorbenen bebeutenben M)lenl)aubler* (Jäfar 2M=

beim), gerner oerfebren in beut £aufe ein Dr. Sbiff, ber

jur Seit al§ ©oft in 23reelau weilt, unb bordiert, ein feljr

begabter Ttcam, ber fpäter potittjd) Karriere madjt unb

aud) SIbgeorbneter mirb. tiefer ift t%, ber eigentlidj SaffatteS

jufünftige ^ebeutung suerft in uottfter ßlarbeit erfennt unb bie

Unnorftdjtigfett begebt, mit bem gang jungen 9)ienfd)en barüber

offen ju jpredjen. 35>tr machen bort aud) bie 23efanntfd)aft

mit sBraineretfbrf, ber als mifciger galanter ©efeßfdjafter ftd)

in ben Greifen, in benen bie gamilie Sqffal nerfebrt, einer

großen Beliebtheit erfreut. (Sin greunb be* £auje*, $arfd)atf,

ftirbt. (31. Sanuar.) lieber jroei £odr5eiten, bie Dr. Sangen^

borffcbe (23. Januar) — Dr. Sangenborf ftammtc am? einer

augeiebenen ^aufmannefamilie — unb bie SanbSberger'fdje

(1. 3Jlär&) mirb au*fübv(id) berietet. SanbSberger, einer ber

Page 38: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

32

bret (Boden ber girma ©. & Sanbeberget, geborte 51t ben

üornefjmften ^aufleuten 23re*laue. 2)ie girma, bereit beibe

anbere Qnfya&er bie Ferren Gommergtenratf) grieblaenber unb

Uffmann — Sdjwager oon gerbinanb griebtaenber — waren,

befaß außer einem beträchtlichen Sßoffgefdjäft erheblichen

0runb= unb ©rubenbeftfe in Cberfdjteften. (Sie ftebt nodj

§eut in Ijofjem Slnfefyen. 23et biefen unb anberen gefeiligen

©etegenfjeiten werben nodj fefjr mele gamilien genannt, über

bie an btefer Stelle nidjt* 23efonbere§ §u fagen ijt.

Saffaffe ^atte §unäd)ft ba§ reformirte önmnafium befucftt.

SDte ©rünbe, bie il)n veranlaßt Ijaben, baffelbe gu nerlaffen,

ftnb uns1

nic^t befannt. Sie (äffen fid) otme Wtöfye erraten.

Saffaffe wirb auf bem reformirten ®nmuaftum ein eben fo

fd)(ed)ter Schüler gewefen fein, wie im 9ftagbalenens©ijmnas

(tum, unb ftcfj bort eben fo wenig wo()(gefüI)tt fjaben wie

tjier. 3ur 3eü unfere* Sagebudje*, Qanuar 1840, war er

Secunbaner be* ^lagbalenen^Örjmuaftum*. 2)te Sebrer btefer

Slnftalt, bie er nennt, unb bie otnte 2lu3nal)me uem bem

Sd)üler wenig freunblid)e (Eenfuren bekommen, ftnb ber SMrector

Dr. Sd)önboru, Dr. £fd)imer, ber wol)l fein •JCrbiuariu* ges

wefen fein wirb, sJtubiger, ber franjöfifdje Seljrer, Ritter

unb föödjer. Unter ben vDJiitfd)ülent Saffaffe* finben wir bie

tarnen S&fylex, Solm be§ Drganifteu an ber @tifabetl)firdje,

ber al§ (sh)innnfiaft ein gang nugeroölmlidie* ßetcbeutaleut oer-

rietb, 2Mfcen, ^rofeffor au ber öcriinet Uuiuerutär unb ©elj.

Page 39: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 33 —

3£egienmg3rat§, .soabn, ben früheren Seiter unfereS mtmjierietten

SßrefSmreauS, Herausgeber ber^^ProoitQiatsßorrefpoTibcng" unb

ber ^ivinarcffdien Sieben — biefer «öafnt tfi im eäjten ©djüfe

ftnue Saffalles getiefter „%tirfo" —, &aber, einen S8er=

raubten non 3iegmunb §aber, bem berannten §umoriften,

SSerfaffcr beS SnftftvielS „@tn 3tünbcben auf beut Gomptoir"

unb -Webacteur beS „V£tu, unb Rubere.

Saffatfe* befte gremtbe unb bie beiben ßerftenberg, hie

3 ohne eines SotteriecollecteurS. ©er ältere, ©antuet, mar

ein ruhiger, tücbtiger Kaufmann, ber ans feinem beferjeibeneren

^irfungSfreife nie herausgetreten in.

2lut näcbften SaffafteS Sergen ftelit aber ber jüngere

©erftenberg, Qfibor, ber bamalS etiua fieb^ebn $abr alt

mar, unb für ben er bie märmften ©efurjfe aufrichtiger

greunbfebaft empfinbet. tiefer ^Ubor ©erftenberg, ber mit

großen £>erftanbeSgabeu unb eblen Gbaraftereigenfhaften a\bh

geftattet mar, madjte bann auc^ fpäter eine gläu^enbe Karriere.

$on Breslau aus begab er fidj nad) fur^em 5Xufentba(t bei

feinem Dn!e( SouiS ©erftenberg in Hamburg na$ ®ntfanbr

blieb einige 3e^ ™ 2Kandiefter , unb ließ ftdj bann in

Sonbon bauernb nieber. ©ort enoarb er fid) burdj feine

£üd)tigfeit unb feinen Qbeenreidjttmm eine ber auSge^eidjnetften

raufmännifeben Stellungen. 9iad)bem er burdj ben längeren

Slufentbalt bie gulaffung sunt 3toderd)ange erlangt borte,

gewann er febr balb baS Vertrauen ber größten Sonboner

$aul Sinbau, gerbtnanb ÜaffatfeS 2age6ud). 3

Page 40: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 34 —

©efdjäftefeute. (h* mar ber Crrfte, ber bie 3bee anregte

irnb burdnübrte, p gememfamem 2dnr| ber Snlja&er frcmber

SiBerttypapiere, bie burdj bte Unpaerlafftgfeü ber fremben

Regierungen frarf gefäbrbet waren, eine Bereinigung aller

Vetbeitigten ju 6ilben/ um mit pereinten Gräften bie dlecfyte

ber in ihren 3ntereffen bebrotjten Vefißer foldier ^oeifelbaften

2£erthpaptere, bte 3nfmber pon Obligationen frember 3taate-

fd)ulben, ya fcfnifeen. ^}lur feine Veranlaffung unb unter fetner

regften Spätigfeit entftanb bie G5efeHfd;aft ber Vonbeholbere.

^Xiefe Koalition foftte mit allen ju Qebote ftebenben -Oiitteln

burd) bie greife, burd) ^uterpentton ber bipfomatifdien Ver-

treter, burd) Telegirte, bie non ber Gjefeüfdnrft eoeittueU an

Crt unb Stelle m fenben mären, bie 3dnt(b ber fäumigen

3ahler eintreiben ober bafür enentuell anbere SBertbobjeete,

lleberlaffung non Sänbereien unb bergleidien, burdnet3en, mit

einem SEorte: ba? europäifd)e Kapital nad) Gräften idiüfeen.

Tie 3bee fanb gronen Entlang unb leiftet nod) bie« 31t biefettt

Sfagenbltcf ber faufmännifdien SBeft bie erbeblidmen Tienfte.

3ftbor ©erftenberg erhielt ben Gbreupoften eiltet Kamlere

biefer VonbM)olberö=Cs)efel{fd)aft. Crr felbft gewann bei bieiem

Unternehmen ein 6eträd)tlid)Cc Vermögen, (rbenfo waren

anbere "großartige faufmännifcb: ilutemelmtungeu, an bereu

Spi|e er ftanb, für ihn iit hohent ©rabe geminubringenb.

@r mar eS unter Ülnberm, ber bie erfte telegranhifdie Ver*

biubuug uoifcbeu (Sngfcmb unb beut CSoutineut, ba£ Slabel

Page 41: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 35 —

gnrifdjen £ot>er imb (Salate, berftettte. ^a§> SBermögen, ba§

er fidj burdj feine großartige fanfmdnniftfje Veranlagung unb

feinen Unternefmumgefmn erworben Ijatte, nntrbe auf etwa

eine 9Mion Sßfunb Sterling gefaxt. Ginem greunbe er=

jäblte er etnft lädjelnb, ba£ er in (Exuabor Sänbereien im

Umfange t>on 2700 Quabratmetlen befifee, bie er für eine

fdjledjte (Sdjutb übernommen tjatte. 3ftbor ©erftenberg befaß

auf allen (Mieten ein umfaffenbe* SBiffen. @r mar Stutobibaft

im beften Sinne be3 2öorte§. @r r>er!e()rte in Sonbon mit

ber ausgeroäfjlteften ©efeflfc^aft. 2luäj Sotljar Vudjer, ber

bamalS ai§ Gorrefponbent ber „9lattonal'3eittmg" ™ Bonbon

lebte, gehörte gu ©erftenberg§ intimem SBerfefjr. Sßaljrfc^ein'

(idj l)at ©erftenberg bie Vefanntfdjaft SudjerS mit SaffaHe

rermittelt. SBtr wiffen, wie fid) biefe beiben bebeutenben

Scanner fpäter näherten, unb beftfcen in bem meifterbafteften

$Pampf)let ber neueren 3e^ „Qulian ©$mibt, ber Siterar-

t)iftorifer" ein bauernbe* Seugniß biefer geiftigen ©tntradjt.

2ludj gerbinanb grei(igratl) war ein intinter greunb Qfibor

©erftenbergg. Von Meu, bie Um näljer fennen, wirb

3fibor ©erftenberg al» ein großartiger faufmannifdjer $opf,

al» ein ibeenreidjer foliber, mit ber äftadjt be» <Rapita(§ au§=

geftatteter GJroßfaufmann bejetöjnet, al§ ein Unternehmer im

größten Stil, futm unb bäbei bod) ruljig, muttjig unb be=

fonnen.

3fibor ©erftenberg fjatte ein tragifdjeS @nbe. Sei

3*

Page 42: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 36 —

einem fetner Bebentenben Unternehmen batte er erbebttcbe

SBerlufte erütten. 6r mar emfig befcbäftigt, biefe Stäben

möglidrft £U verringern nnb 51t erhalten, waz 51t erhalten

mar. £)a brad) in einer feiner gnbrtfen eine Grplofton aus,

bie ibn jmar felbft nid)t befd)äbigte, aber bie Sfebfinfhmgen,

bie er einatbmete, matten ibn getftoetfig (eibenb. 3 ein Kopf

mar benommen, feine Sltbrnungercerr^euge Rotten gelitten.

Um ©enefung von feinem Setben 51t fudjen, mottle er ftdj

— e» mar im Qatjre 1876 — nadj einem Kurort begeben.

33ei her nädjtüd^en Ueberfabrt oon S)or>er nadj (Calais füblte

er ftd) in ber ßajüte ntd)t mobl, ging auf 2)c<f nnb jpajierte

bort auf nnb ab. Sabet batte er bas VLncjtM, in ben burd)

einen unoer^ei^i^en £eid)tftnn oben nidjt gefcfjfoffenen nnb

nicr)t beleuchteten 9.)tafd)htcuraum §n führen, mo er non ben

eifemen Ernten gepadt nnb jerquetfcrjt mürbe, greilid) mottte

bie ©efettfdjaft, um ben SBorantrf be§ freoelljaften SeidjtjumS

oon fidj ab.mmäl^n, bie 33ef)auptung aufftetten, ©erftenberg

fei nicfjt bei Sinnen gemei'en. 216 er bie Stuefage ber g(aub=

mürbigen Senden Mfa* oa* ©egentbetf mit ^eftimmtbeit

annehmen, unb feftgeftettt ift, baf$ ber Säftafdjinenraum fiufter

unb baß bie Deffnung nid)t nergittert mar. Sftbor ©erstens

berg {unterließ bei feinem £obe ein Vermögen, baS freilief;

nid)t ganj fo bebeuteub mar, mie man geglaubt hatte, aber

ba£ immerhin uod) ein fein beträdrtlidie* genannt werben

barf, etwa jefyn 3Kittionen 9Jtorf. $h\<$) nadj ben 8fo}

Page 43: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 37 —

Zeichnungen be3 jungen gerbinanb SaffaHe erjctjeint ber ba-

ma(» nodj blutjunge Sftbor ©erftenberg ai§> ein burct) unb

burdj frjmpatljifajer unb üebenSrourbiger Sftenfdj.

3Jlit tt>m unb anberen greunben befitcfjt SaffaEe regeU

mäfsig unb natürlich verbotener 3Beife roofjl fo §temliäj alle

Gonbitoreien unb Kneipen 23re»lau3 be» 3atjre3 1840. 3)a

(erneu mir fennen „baä ©äfel", bie 2Strt£;fc§aften unb ßon-

bitoreien t>on fieffe, ^aftner, ^Dtaixatfc^al, Crlanbi, Stoffe.

£a wirb aucfj mebrfad) ba% ©tabliffement t)on toll genannt,

ba§ ber junge gerbinanb mit feinen ©Itern unb ben greunben

feiner gamiüe befugt, ein großartige» ©lasfjau» mit 2te

gnügung§garten. 2ludj t>on ber ^eftauration, in ber ber

Dtyetnlcmber ßüßjer bie bamal3 noct) fetjr feltenen Sluftem

nad) 33re»fau brachte, ift bie 9rebe.

£>er meljrfact) genannte $em ift 23udjl)änbler unb in

einer £eü)bibliotl)ef angeftettt.

gür diejenigen, bie ^Breslau nietet fennen, ift noct) §u

bemerfen, ba§ ba§> einigemal enoäfmte ^(einburg, ba§ je|t

eine §um Stabtbejirf gehörige 3]orftabt ift, bamats noct) non

ber Stobt buret) eine brei 35ierte(ftunben lange (Stjauffee

getrennt mar. ^(ettenborf liegt eine $ierte(mei(e hinter

^leinburg.

2)er erfte Slbfcjmitt be» £agebud)*, 1. Januar 'U§> WutSlpril, ben mir „Sdjüler-Seib unb =£uft in 23re»lau" über*

fajrieben fjaben, ift %voax ber weniger bebeutenbe, aber er tjat

Page 44: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

38

immerhin für bie tantntis bee Sehern unb SBefenS gerbhtaub

SaffafteS eine nidit $u unterfdjäfeenbe Sßidjtigfeit. 6t §eigt

uns, rate bem SreSlauer (Secunbaner burdj aderbanb Dumme

Streike baS fernere Verbleiben auf bem Ghmmafium uner=

träglid) urirb, unb melctje Befonberen £(iatfact)en ibn bap uer-

anlaffen, feinen Vater brittaenb $u bitten, ibu uon ber Satein-

fdntle megmnetmten unb ü)n Kaufmann werben 31t (äffen,

gür bie ßemttnifj ber äußeren SebenSumftänbe De* jungen

SaffalTe unb feines Gbarafter* finb biefe ^Blätter in (lof.em

Örabe begetdjnenb. Sljren soften SBertl) erlangen fie inbeffen

erft im Sufammeurjang mit bem ^weiten Sfbfdjnitt, in bem bie

grage, rote ftd; bie gutunft geftalten werbe, Die im erfreu

2tbfdmüte ftd) nur jdjudjtern regt unb nur mtbetmtfjt $um

2üt*brud gelangt mit SUarbeit unb (£ntfd)iebenl)eit an ben jungen

Tiann herantritt unb euergifd) beantwortet nrirb. Tillen btefen

(Seiten, ben in 23res(au, tote ben in Seipjtg getriebenen,

ift Gme* gemeinfam: bie uoltfommene, mitunter bie Brutalität

ftreifenbe 2(ufrid)tigfeit. Xiefe fdjonumvMofe £brltd)t'eit bünft

uu* bie uorueljmfte Gtgenfdjaft btefer ?luf}eidmungen ju fein.

Um itnettuillen feilen mir Dem jugenbüd)eu 3trid, ber fein

Programm, ftct) felbft gegenüber mabr m fein, mit eifere

ncr Gonfequen^ burdjfüfjrt, fo SRandjeS nad;, toaä unter beud)-~

(erifcl)er Befdjönigung unuer^etblicb feilt mürbe.

3n biefeu 2elbftbefenntntffen eine* ungeniöbultd) ge-

fd)eibten jungen §eigt fiel) Der gtmefpaß untbreuD feine-

h

Page 45: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

39

SßerbeproceffeS im reignoHften ßidjte. Stuf her einen Seite

baben nrir e3 mit einem richtigen ßtnbe 51t tbun , mit

finbKdjen Unarten, fmbßdjem Uebermutb unb rmbftäjem

3 dunen . 2&if her anbent Seite gtauben mir beinafje fdjon

einem Wtcame gegenüberjufterjen, her unljeimlid) fertig tft,

non bem fid) ©rroadjfene Dfatf) erSitten, ber in ben «n^ttgs

pten ^amilienfragen feine Stimme ergebt, ber im jroeiten

2(bfdmitt nadj allerlei feefijdjen Sdjroanfungen fdjftefjlidj

jtelberomst bog Programm jetner 3ufunft auffteüt, ber al3

nod) nid)t Seänelmjäbriger burdj ben bunffen ©rang, ber

iim ganj beberrfdjt, mit ©eroalt fdron nad) jener Dridjtuug

Eingetrieben roirb, bie er fpäter mit Karer (Srfenntntg ein=

jdjtägt, ber fidj afä Kämpfer, SHebner, Stgitator füljft unb

oline befonbere ÜMlje, roie eä fdjeint, feinen oertrauenben

SSater basu beftimmt, ibm 31t geftatten, fid) auf biefe 33)ätigs

feit, bie er als feine ße&en3aufga&e betrautet, roiffenfdjaftlid)

oorjuBereiten. 06 e3 nun gerabe ber red)te 2Beg ift, ba3 foll

bier nidjt entfdjieben werben. Sie burdjbriugenbe Scbärfe

be* S>erftanbec, bie üoftfommene ^üdfidjtelofigfeit, ber leiben«

fdjaftliäje £>aß gegen afte biejenigen, bie i(;m entgegenftetjen,

ber fefte ©ntfdjluf}, ba, roo Ueberrebung nid)t3 Ijilft, utr

©eroatt 51t greifen, — all' biefe ©igentbümtidtfeiten finben

fdjon in biefen intimen SÄuf&eidfjnungen be3 fnabenbaften

3üngling3 einen erftaun(id) djarafteriftifdjen 2lu§bru<£

2lm roobttbuenbften berübrt im ©egenfafe 51t biefen Sorten

Page 46: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 40 —

unb Bewarfen betv innige nnb rjerjlidje SBertjälturä, ba» üjn

an feine £8erwanbten fnüpft. Wtit feiner 3d)ir>efter grieberife

ftebt er jiuar junädjfl im elterlichen §aufe ntdjt auf gutem

Auf}, aber bie 23e3iet)ungen beffern fid) mit ber 3e^ immer

me()r, unb fobalb t)on autsen r)er feiner 3d)wefter Unan=

nel)mücf)!eiten broljen, tritt er mit ber leibenfdjaftlid)en brüber=

iittjen Siebe unbebingt für fte ein. (5r ifx feme3roeg§ bliub

für bie 3d)wädjen feiner Aftern, aber immer unb überall

fommt ba» finblid)e ©efm)I ber Unterordnung , aud) ba,

wo fein ^erftanb mit ben 2Inorbnungen feiner Crttern nidjt ein-

nerftanben tft, — eine tiefe unb wabre Sßtetäi unb eine

$ärtlid)e ed)te tfinbe»tiebe 3um 2>urd)brud).v

£efonber» im

^weiten Slbfdwitt, ba er fem non ben Seinen weilt, wirb

ttjm bewutst, wie er mit allen gafern feine» 3ein» mit ben

Seinigen unlösbar nerbunben ift. Hub wenn er feine»

Iier^eneguten Skter» gebeult, ftnbet er nidjt genug 2£orte

überfd)wänglid)er Saufbarfeit.

3n bem erfreu Otbfdmüt, mit beut nrir im* ^tnäcim

§u befdjäftigen babeu, wirb ber junge ©ecunbaner von ben

uHbiroerfdjulbeten Sdmlforgen unb nou bem innigften SSer«

langen, möglidjft balo catö ber unleiblicben Situation ber^

aiKsufommen, faft au»fd)tieJ3tid) beberrfdjt. Crr bat feine gett

unb feine i'uft, fid) wäbrenobem um feine 3utitnft &W t'ümmern.

Sßä^renb feiner SBreSfouet ©ecunbaner^ett ünnt er über

nidjt» 9lnbere3, al£ wie et ben Obliegenheiten Der Schule

Page 47: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 41 —

fidj möglidjft ent§tef)en forme, unb tüenn er ntdjt mit feinen

ßftera an gefettfd^aftlidjen 3er^reuun9e^ beteiligt töirb,

fuctjt er bie ©efettfctjaft feiner greunbe auf, um mit itjuen

§u bummeln, harten unb 23ittarb ju fpieien.

@§ erübrigt un3 nod; ein Söort über bie SCrt unb SBetfe,

rote töir bie Slufsetdmmtaen be» jungen Saffatte für bie

Ceffent(id)!eit benu^t [jaben. ©etbftüerftänblict; traben mir

nicbt ben gertngften 3uia£ 3um ^e#e gemacht, bagegen fyahen

mir öiete» (Sleiäjgüttige, namentlidj) bie genauen Angaben

über fein ©etüinn= unb SBerhtftconto im ©piel, geftridjen, an

gToei ober brei (Stellen un^uläfftge £)erbt)etten im 2lu§brud

burd) ftnnentfpredjenbe tlmfctjreibungen gemtfbert, unb bie

tarnen einiger ^perfonen, über bie Saffatte fict) mit uuge=

tüöfmdctjer £ärte au»fpricfjt, befeitigt, be^ieljentüct) burdj einen

£md)ftaben bejeidjnet. £)at3 ba» Sagebud) Saffatte» öott^

fommen auttjentiftf;, bajs eZ öou ber erften bi£ jur testen

Seite öou feiner eigenen §anb getrieben ift, unterliegt md)t

bem geringften ßroetfd.

% s.

Page 48: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

Scbüler=£etb unb =£uft in Breslau.

Januar bis 2JUtte STprü 1840.

Sßorüegenbe Statter ftnb benimmt, äffe meine öanbfungen,

meine ^efjter, meine guten Saaten atmunebmen. 3äj vMmit ber größten ©errnffen^afrigfeit unb 2Cufrid)tigfeit in tlinen

nid)t nur ba3 aufgeidjnen, wa* id) tftat, fonbern and) Die

Wtotxpe btefer ficmbhmgen angeben. mir jeben 5Ütenfc^en in

ee feiir nmnidjenemerti), feinen eigenen Gbarafter feunen m(ernen. Unb raie man in einem Vornan au§ ben £>anb=

hingen unb ©efprädjen ber oerfd)iebenen ^erfonen and; ibren

Gbarafter feinten lernen tarnt, fo form and) xooU Qeber, ber

fein Sagebud) anfmertfam unb ofme baß inn bie (Eigenliebe

oerbfenbet — wenn er anberS fid) mit ©eredjttgfett unb

ftreng gefdjUbert bat — burdjlieft, Ijieraue |tdj felbft fenneu

(ernen. Unb wenn idj eine ungeredjte i£fjat oerübt babe,

werbe tdj bann nid)t errötben, menn id) [te liier aurVidme?

Unb werbe id) uid)t nod) mehr errötben, uvnn idi üc [päter

überleieV 2)iefe3 boppelten moraliiaVn groedeS mitten, mie

and) roofjl belegen, luetl e£ Vergnügen gewährt, wenn man

Page 49: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 43 —

nad) 3a§ren lieft unb fid) in'3 ©ebädjrmfj suriitfruft, maä

man oor 3a^ren genoffen ober erlitten bat, f)abe id) t%

unternommen, ein £agebudj 51t ftreiben.

1. Sanitär 1840. gerbinanb SaffaL

SKotto: 23afir&cu? SEie ? 3la4 2Baf>rf)eit

Streb' idj ja atfeinl

(©äjtffer. 1

SlHttmod), 1. 3anuar 1840.

Waü) einer l)alb burdjjubeften 9ead)t ftanb id) nm adjt

Itbr 2Korgen3 fibel wie immer attf. 3$ m mtd) an unb

ging jn 3ftbor ©erftenberg in ba§ ©etoölbe. tiefer, beut

id) meine öelbnotlj flagte — id) fyxüe ©ntoefter all' mein

©elb bis anf fünf ©ilbergrofdjen oerfpielt —, bot -mir an,

mir 51t borgen. Mein id) fd)lug bie3 aus. darauf ging id) §u

SRanatfdjal früliftüden, oetge^rte brei ©ilbergrofdjen unb las

ba§ „Qournal be§ 2)ebat3." SBorljer mar id) mit £ein §u

geffe gegangen, nm Sittarb §u fpielen, f'onnte bieg aber

nid&t, ba e* mäljrenb ber Slirdje nid)t erlaubt ift. SSon

Söianatfdjal ging id) nad) Saufe unb oon ba 51t Samuel

©erftenberg in fein Sogi». @r mar foeben aufgejlanben,

fleibete fid) an unb ging mit mir im w©äfet'4

Sittarb

fpielen. SSir fpielten 23eibe fel)r fd)led)t, unb bie Partien

bauerten lange. Einige antoefenbe au3ge§etdjnete Spieler

mürben hierüber ungebulbig unb bespöttelten unfer Spiel, fo

Page 50: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

44

bafc idj mid) genirte unb Mo» jwei Partien fpiette, bie id)

beibe gewann. Sarauf farj id) bem Spielen ber Ruberen jtt.

Xer (Eine befonber» fpielte mirftid) ausgejeidmet. (Er fd)ien

mir ein foldjer $u fein, beffen Öeroerbe 33iHarbfpte(en ift.

@r parirte meift auf einzelne 23ätte unb fpielte faft immer

um (Mb. (Er mar ein (Eljrtft unb eben nidjt au* ben oberen

Stäuben. (Er bot Samuel eine Partie um t>ier gute (3rofd)en

an, mobei er ifjm merjig rorgeben wollte. 3$ fagte nun

Samueln, id) motte für üjn auf fein Dxiftco fpielen. Samuel

wollte midj baju permooiren, §roet gute (Srofdjen baju $u

geben, aber umfonft. 3dj blieb feft. (Enblid) Bereinigten

mir un§ bafjin, baf$ idj mit jenem Spieler um §wei gute

Orofctjert fpielen wollte, rooju Samuel bte Hälfte gab. Sie

erfte Partie nerlor id), bie zweite, brttte unb t>ierte gewann

id). dlun mottte idj aufhören, troj allem Schreien unb

Samten meinet Gegner». 3$ ^atte ungern bie erfte Partie

gefpiett — beim e3 war gegen meine ©runbfä|e — unb

mottte nun nidjt meiter. Senn wenn idj audj nod) gern

^illarb fpiele, fo ift e» mir bod) nidjt mefw Seibenfdjaft.

-Otein ©egner aber, ber nier ©rofdjen verloren Ijatte, ner=

langte burdjau», \d) fottte um biefe oier ©rofdjen mit ihm

fpielen. 3d) weigerte mid), gab aber nad), als" audj Samuel

mir surebete, madjte aber oorljer au8, baft id) mm bie (efete

Partie ipiefte. 3<$ gewann, tlieiite meine adjt gute Nroiebeu

mit Samuel unb ging, meinen fidj ungemein ärgeruben

Page 51: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 45 —

©egner tjerfadjenb , baoon, oerabrebete nod), bafs id) um

graei llt)r in ©erftenbetQä 3Bolmung rmnmen fofite. darauf

borgte id) mir oon Qfibor actjt gute ©rofdjen, um ben Waü)-

mittag @e(b §u t)aben, unb ging nad) £auje. @S mar

3mö(feinba(b U'br. 2Iuf ber treppe begegnete id) bem Rabbiner

©eiger. Dben mar ©futfd) mit ber Sodjter. 3fteht äBater

fragte micr), warum id) ^u jpät fäme, unb id) oerfügte

mid) in meine Stube, ©er fal; id) einen Qaromtr*) unb

biefe* sBucr) liegen. Seidjt errtetb id), ba§ 23eibe3 für mid)

märe. 3$ tjatte gegen meinen $ater ben SBmtfdj geäußert,

einen S£)(ip3 §u bekommen, unb mein $ater tjatte mir einen

Qaromir gefauft, ba er glaubte, bajs id) mir einen fo(djen

münfd)te. 3d) naljm mir aber oor, meinen SBater nid)t

auf biefen 3rrtr)um aufmerfjam ju machen. «Sein 3™^mar boct), midj &u erfreuen burd) bie ^eatiftrung meine»

SBimfäjeS, Unb id) bin oie( 31t jartfübfenb, ai§> ba{$ id) l)ätte

fagen formen: „Wlän $ater, <£)u trrft 2)id), ein jo(d)e§

STu^ erfreut mid) nicEjt." 3$ ät)ne(e Ijierin nidjt meiner

Sftutter. Ueberfjaupt mar id) gerührt oon ber ©üte meinet

$ater§, um fo me^jr, al£ id) eben oom 23iHarbfpie(en lam,

*) Saromtr tourbe ein breiter f^atolarttger ^opffcfiu^ genannt,

ber Dfyren unb £at§ beberfte. Sit biefcr Skrmumtmmg erfaßten ber

Sarftetler be§ Dtäuber Saromtr in ©riaparserS „2^nfrau", unb don

biefem erhielt ba§ ßadjeneg feinen Manien.

Page 52: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 46 —

bttS er mir bod) »erboten batte. 016er nrnruut ioiele id) beim

SiüarbS

3äj iiabe ben gebier, Den 93efe$en, Die mir mein -Inner

giebt, nidjt blinblutge §u gebordjen, was wobl beiier nnire,

jonbem erft über fte naclföubettfen nnb midi m befragen:

warum befieb(t mir mein SSäter biee? 3o bin id) aljo, §u

bem üteinltat gefommeu: mein Vßaiex bat wobt nidjtg Da-

gegen, wenn id; in einer müßigen 3tunbe eine Partie jpiete,

aber er »erbot el mir gänjlidj, bamit e§ mir nidjt — roeß

bei meinem fanguinifdjen Temperamente gut nermntben war

— §ur Seibenidiaft würbe, gfrufjer übertrat ict) ba§ Verbot,

roeü mir bat Spiel Seibenjdjaft mar. ^e^t ifi eS mir aber

uidjt mebr £eiDenid)aft nnb rann e§ nie mebr werben, Da

außer Der Siebe nie eine nnb biefelbe £eiDenjd)aft zweimal

ba£ ©erg eiltet 3Kenfdjen gerretfet. 5o(gltdj fann id) intelen,

obne Den 3 hm De>> näterlidien (Gebotes 51t übertreten; Denn

id) batte oie( anf jenen §ftt§fprudj:

Xer ^udiüabe tobtet,

Ter Seift madjt lebenbtg.

ÜBBemt id) atio bei jenem Verbote Den Söudjftaben übertrete,

io übertrete id) bod) nid)t Den ©eift, ben etgentlidjen 3inu,

ba§, wa3 mein SBater bewerfen wollte. Db icb bieran Umredit tbite ober nidjt, weiß idi nicbt. Tod) genug bieroon.

Seim ÜDfcittageffen ermblte id) Dem SBater, baß id) baä

„Journal be^> T»''bat*" aelefeu hatte, (St fragte mid):

Page 53: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 47 —

„2Bo?" nnb aß idj antwortete: „33ei üfianatföal", fo fagte

er mir: ei fdjitfe ftdj nodj nidjt für m% sunt Gonbitor §u

gefjen. 9fadj beut Offen fdjitfte midj mein 33ater mit fmtfeig

Malern pm Dr. ©uttentag. tiefer war äußern freunbüd;

imb unterlieft ftd) lange mit mir.

2wenb3 ging tdj mit 3ftbor unb einer gangen Suite

§u geffe, mo mir jmei sBoitfeS fpietteu, oon betten idj eine

gemann. Später fpietten mir nod; Dn^etsbemi bei ©erfreu*

6erg§. M) gemauu.

®onnerftag, 2. Januar.

Vormittag fiel nidjtö SebeutenbeS uor. 9iadmtittagc>

(jatte bie 2flutter §errn unb gräufein Sfutfdj, Mabame ft

unb Goumte £)ordjen aufgeforbert, &u ßrotf ju fommen.

Später foUte mau bei un3 foupireu. £ie Q)äjte oerfammeften

üd) um jmei. %u$ Dr. 3iitff tarn, 3dj 30g mi$ an unb

ging in ba§> Serfammlung^immer. „Dr. 3 triff", fagte idj

(eife 3U üjm, „urie gefätft 3fjnen üftabame 3ß?" „9feöejetc^net

! D, roerai id) bei ber anfommen tonnte . .."

„WifytS leidjter a(e bog", ermiberte id). „3dj nriH 3f)nen,

ma* burdjaug nöttjig ift, bie näheren Setatte mitreiten, bann

probireu Sie frifdjmeg.

Somm ben SBetbern fartft entgegen,

Su getmnnft fie, auf mein 2Bort!

Page 54: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 48 —

Socf) toer füf)ii ift unb bermegen,

£ommt gerotB nod) beffer fort."*)'

So recitirte id) faft laut unb fuhr bann Cetfer fort: „3$gtaube, biefe i^emmg roicb am beften mit 3turm genommen.

„Sit bift ein (rngel!" rief ber SDoctor, steppte midj

51t 93tabame 9c. unb fing nun bort an, fidj üebensruürbig

51t madjen.

9Jcan fufjr §u ßroff. (Segen fa§3 Uhr fam man jurücf

unb ging in bie ^orberftube, 100 ber £tfdj gebecft ftano.

2(uf allgemeines Verfangen ging Dr. 3t)iff $um Warner.

35i§ baijin batte id) nod) gar nid)t geglänzt, mir aud) nodj

nidjt? mit ÜSfobame 9c. §11 tliim gemadjt, weil id) fetjr große

3almfd)mer3en hatte. 2K3 man aber jum Souper ging,

äftabame 9c. fidj auf3 3oofia iefcte, 3'liiff feinen 3tuhi bart

*j Saffatte cittrt faft immer ungenau — eine Unart, bie er

audj im reiferen Slltcx nicht abgelegt rjat. £ie SBorte eine* „fc

fafjrenen" au§ bem laufen» ätfmanad) lauten:

„®erj' ben Leibern gart entgegen,

Du gerammt fie, auf mein 2Bort.

Unb raer rafd) ift unb üerroegen,

ftommt tiiefleicrjt noch beffer fort."

Sie eigentliche ^otntc fjat ßaffalle meggetaffen. 3ie lautet:

„loch raem menig bran gelegen

Scheinet, ob er rei^t unb rührt,

Xer beletbigt, ber üerfütjrt."

Page 55: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 49 —

cm'3 ©opfja rütftc, fo fe|te tdj mtdj gttr anbent Seite ber

Üft. auf* Kanapee, inbem idj fetbft aufforberte, biefe Ungebühr

p bemerfen. 9hm naljmen wir — Stjiff unb id) — Die

9?. in'3 feu^feuer. £)er £)octor ift geiftreid), atfo gegen

biefe ©eite tonnte fie nidjt§ ausrichten. 3dj fpradj aud) an

biefem 2lbenb gut. ©triff I)örte mir, wenn idj rebete, minuten-

(ang §u unb jagte bann: „gerbinanb, £)u bift gar nid)t

bitter." @r jagte bie* aber fo (angfam unb emft, ba$ er e3

wirf(id) §u glauben friert.

•Jtfabame 31. brad) nun in eine SButl; oon Komplimenten

gegen midfj au*. Später breite fid) ©tyiff gegen meine

©d)wefter unb fagte ju u)x: „3tjr trüber ift getftreidj, unb

bki fetjr." „20er ^weifett baran?" erwiberte fie prätentiös.

$piÖfcli<$ fagte Sfyiff §ur 31.: „Sttabame, id) t)ätte ©ie

a(§ 23raut feiert mögen!" ,,3d) bin fo gtücftid) gewefen,

SDoctor!" rief idj begeiftert aus. „Unb nie werbe idj ben

^ugenbtid wrgeffen, d§> Gabarite, §ur Trauung fdjrttt.

teufen Sie ftd) bie§ feetenooEe 2ütge fyalb geöffnet, Ijatb §u

SBoben gefdjlagen, mit ben S^ränen ringenb, bie e3 $u

üerbunfetn breiten, ein 9Jiurtenfran$ im bräutlidjen §aar,

ein raufd)enbe§ weife 2ftla*gewanb um biefe rei^enben

©lieber . .."

„©enug, mein ©olm, £>u wirft §u poetifefj," rief

tnein SSater Ijalb jdjergenb, tjalb mißfällig. Sftabame brücfte

mir faft ju järttidj bie §anb, unb ber (Bebaute ftieg in mir

$aul Sinöau, gerbmanb SaffaüeS Sagebucfi. ^

Page 56: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 50 —

auf: SBare id) bod) fdjon snurmüg 3ö^e a(t! „3$ gab' id)

roetfj nid;t maä Darum, meint id) Die Gnmft btefeä SBetbeS

erringen tonnte!" rief ber £octor, uom Srfdje aufforiugenb, mir

51t. „§a!" lächelte id). „SSäre id) nur etwa* älter! . .."

„Sföer rattje mir, mein Chtgel!" rief er.

„Igoren 3ie. 3ie begleiten bie 3i. nacb £>aufe unD

fragen auf bem 2Bege um (Maubnii}, ob 3ie morgen fie be=

fudjen Dürfen. 3ie wirb ee Sfpten nict)t abidjlagen. ;£>ann

geben 3ie morgen 3U ibr. 3br 3Jtomt oerreift, ibr 3d)mager

\h im ©efdjaft — matnicrjehUid) in fie atiein. Hub bann

mutbig woran! 3$ wette Monsier, vous serez äplaindre . .

."

'äbenbZ, d§ Gabarite 9t. beimeüeu mollte, batte üd)

3R. $aäß ibr burdj meine 3d)mefter 311m Begleiter anbieten

(offen unb mar natürlich angenommen. 3biff ging auf meinen

Mati) bennod) mit. Qd) will gleid) ben weiteren Verlauf

Des Unternehmen* fjier mittbeilen. 3l)tff mollte fie megen

£ad)*' Olmoefenljeit nict)t um Grlaubnifj, fie jU befudjen, bitten,

befudjte fie aber bennod) am anbem Sage. lluglücfl'idier

SBeife mar Die 3d)mägerin Da. Sei uns e^äblte man, Dan

bie 91 fid) iebr über Die 3ubrmgß$feü De* 3biff geiouuDert

babe. $)a id) es au* jtoei Duellen gehört babe, balte id)

ov für mabr. Sod) erfläre id) es mir fo: Die iW. loirD etwas

freuublid) gegen 3l)iff geioefen fein, Darüber mirb Die3diwägeriu

fie nacbber in £ad)S' (Gegenwart aufgewogen haben, unb fie

mag, um fid) \n recbtfertiaeu, auf 3hiff raiionuirt babeu.

Page 57: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 51 —

3l)iff erjagte mir cmdj, ba$ fie gegen um fe(;r freunblid)

war. @r ließ fid) melben, 06 er genehm wäre, unb fie

tarn felbft ft* auf ben' glur unb nötigte ifyn jum 2ßieber=

fommeu. 903 Sljiff aber ifjre STeußerungen oon mir ijörte,

befdjloß er, barüber beleibigt, fie nid&t ^u befugen. 2Bäre

ba* mdjt, fo märe 2fömfteut dl mof)l fdfjort p beflagen.

greitag, 3. Januar.

£)ie Waüjjt hatte idfj in wütljenbem Safmfömers burrfjraft.

borgen« lieg i<$ mir ben Salm stehen. ©in r,eftige§ gieber

rüttelte mid). 3äj mußte midj ju $>ett legen. Dr. ©uttentag

r-erorbnete mir Sftebi^in.

3onnabenb, 4. Januar.

3$ fonnte meiner ttranfljeit raegen nid&t bie 9tebe be£

Dr. ©eiger anhören. Ueber^aupt fiel bie ganzen £age meiner

ßranfljeit nid^te 23ebeutenbe3 oor, ate baß i<$ erfannte,

baß meine guten, guten Cetera mid) lieben, immerfort ©carte

fpiefte unb mir meine 2Jhttter einen SDucaten ^um Sßerbraud)

fdjenfte.

Sonntag, 5. Januar.

3)tein greunb 3ftbor befugt mid). @r ift mir raaljrlidj

ber liebfte oon meinen Sefatmten. 2Bäl)renb bie Ruberen ade

bloS fogenannte gute greunbe finb, ift er mein greunb.

3$ äußerte bie* aud) gegen meinen $ater. „Siel)/7

fagte

4*

Page 58: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 52 —

idj §u tfpn, „od (Einer ftaj um micb bekümmert? SBirflid),

•Sftbor liebt midj unb id) iint."

IDcontag, 6. Januar.

Qd) fRiefte in bie Schute, meine 2Öm>efen!jeit §u ent*

fdjulbtgen, nnb überfanbte ba§> 2d>u(ge(b.

iDiittroodj, 8. Qanuar.

£)aJ3 bod) meine 3Jhtfter, bte fonft fo gut ift, bte Uns

tugenb nidit ablegt, ju feifen unb 31t jmtfen. Sie madjt

bamit meinen geliebten 23ater unb ftd) feCbft unglüd(id).

Sßegen eines Stücken Raubes fann fte fid) Raufen. Dlieber ©ort, gieb bodj, bat] enblid) Dfatlje bei un§ einfetjre,

9tuf)e unb grieben!

@3 fam 23rief üon gerbmanb.*)

$)onnerftag, 9. Januar.

3?dj ftanb aus bem Sett auf.. Hornberger fam midj

gu befugen. 3fibor (;at mir gejagt, baft £ern nod) uier

©rofdjett forbere, weit id) 2t. 9fa)dfje**) fo lange behalte,

unb 35. f)at ben erften 23anb gelejen. 2ütf jeben gall preßte

id) 23. bie uier ©rofdjeri ab. ßetn uürb aber ioal)rfd)ein=

lid) einen ©tupp in bie Qofytlt befommen, ftatt oiet örodjen.

*) Ter imdjmaliflc Chatte ber Sdjtucfter fyerbinanb 2affatte8.

**) „@t. Dtorfje", ein bamatö ütel getefenet Montan üoii Henriette

üon ^cuUjoiu.

Page 59: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 53 -

ftadjmittag jpielte tdj mit Dnfet grieblänber gtoei Partien

<&ä)aä) imb geroantt oier gute Örojdjien. 2htdj gut. SBafjrenb

meiu Körper jcfyoad) ift, toirb meine Sörfe geftärft. 2I6er

irf) fürchte, bajj mit bem 3uneIJmen meines Körpers meine

SSörfe abnehmen wirb.

Slbenb* fprad) idj mit $ater oon Dr. 3., ber noäj

immer in Breslau ift, unb bieg, roie mein $ater glaubt, toeil

er bie 9iteä)nung feinet 2Sirtlje3 nictjt begaben f'ann. „ÜRein

(Botin," jagte ber SBater Bei biefer Gelegenheit, „ein 93iann,

ber tote 3. in ber 9iafyt nod) fiütfjer jnringt, ju öffnen, bamit

er Slufteru effen tarn, an bem ift nicöto." 3$ jcfyoieg,

backte aber: D mein SBater,

Sluftern effen ift fo übet nid)t.

äRein Sater nennt bie* Seben ein tübertidjes. 3fom fjätte

id) aber Beilagen an einem folgen (überliefen Seben.

greitag, 10. Januar.

3ufäHig erjagte meine Sftutter früf), bat3 fie einmal

bas grofje £oo» in fber Seinen Sotterie gewonnen unb e§>

oortjer geatntt tjabe. 3$ jagte nun, ba§ idj mit Sfibor in

bie Sotterie fefcen motte, unb bag e§ mid) atme, idj mürbe

getoinnen. Unb mirflid) bin idj jo tf)örid)t, bie§ faft mit 23e-

ftimmttjeit p glauben.

$d) jdjrieb einige ©ruße an gerbinanb oon feinem

„lieben Sdjroager," toie tdj mid) au$brü<fte, unb benadj;

Page 60: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 54 —

nötigte itjrt non bem Steigen feiner Aktien, obwohl idj efcer

ba$ ©egentljeil banon glaube.

IRadfjtmtiagS wollte grieoeriefe §ur £ante gtiebtänber

geben. 3)a fte aber erft am nötigen 3(benb gegen ben

Sßitlen bersDJiutter bort geiuefen mar, fo wollte e§ bieie

unb auä) ber Sätet nid)t erlauben, darüber nerbrieBlidj

legte fte fiel) in» 23ett. 23a(b Darauf tarn 3. unb erzählte

mir, baB er non Dtiefdjen beleibigt morben fei, ba fte

93itttn>odj§, eben al» fie ju Rxott fuhren, auf fernen ©ruf?

ni(f)t gebanft unb feine Inrebe ni<$t ermibert habe, genter

Tagte er mir, baB er mit einem 9tecenfenten Dtto 2Öeibe-

mann, ber ilm nerleumbet, ficb auf ^iftolen gefcblagen

habe, bafe aber deiner nerraunbet fei. darauf fcbicfte er

§u 9tief(^en: „fte möchte auffteben unb bineinfontmen." Unb

fiefje ba . . . fte tfjat e». £)er Slbenb nerging, oljne baB

etwa* norriel. tSc Tollte einem fcbrecflicben borgen tylak

machen.

Sonnabenb, 11. Qanuar.

Steine geber fdjaubert jmrücf, ba fte bie Scenen biefed

9)iorgen3 befd;reiben foff. SIber idj habe mir SBaljrtjeit gelobt.

3ajon beim ftaffeetrinfen, afö meine ÜJhtttet wieber«

l)olt barauf aufmerffam machte, ba}3 [Rieften S.'S wegen

fo fdjnell aufgeftanoen fei, rief mein SBater umoiltig : ,,3'djou

genug, fcbou genug \"

Page 61: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 55 —

9Jton räumte auf. pö|lid) erljob fid) iu ber ginter*

ftube ein Särm. (Smilie Jjatte raieber ben Sdjranf, in raeldjem

bie filbernen Seudjter, einige Soeben Seinraanb u. f. m. liegen,

offen fielen (äffen. Stteine SOcuttev lam in bie Stubiunb

mürbe t)on geregtem Unraillen ergriffen. Sie rief (Smilien:

„Sd)on raieber lagt ®u ben Scbrant auf!" unb gab ibr,

worin fie t>ielleid)t 311 weit ging, eine Ohrfeige, ©mtlie

meinte unb plärrte unb fudjte ftdj §u entfdjulbigen. SÄuf ben

Samt eilte meine Sdjraefter Inneiu.

,,2Id)!" jammerte bae bumme unb, wie id) feit jenem

Sage befttmmt roetfj, falfd)e Girier, „bie 93cabame ohrfeigt

mid; fo."

Steiner 3d)mefter fam bie* gelegen. 9M) fodjte bie

SButf) in il)r, baB fie nic^t Sage oor^er §u griebtänberS

geljen fonnte. ©ie überhäufte bie Butter mit $orraürfen.

2)er ßärm oert)ielfad)te fid). 3d) ftürjte Ijinein, rifc meine

Sdjraefter raeg unb 30g fie in bie anbere Stube. £ier, in

@egenraart meinet $ater*.fprad) fie: „2(d), ®u bift rot*

barmtyergig. ©milie null fort, fie roitf burd)au§ fort."

„9hm," entgegnete id), „meine Butter befiehlt ja,

fie fott nod) beute fort."

„Kummer Qwtgel" rief mein SBater. „§at man fie

benn auf ber Strafe gefunben? Wan mufj mit bem

SBormunb fpredjen." Steine ©djraefter eilte raieber fjerein.

„£)u bleibft t)ier!" Ijerrfdjte mir mein Sßater 51t.

Page 62: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 56 —

Irinnen benahm ücb, nrie tdi fpätet borte , ineine

Scfiniefter fefjr fdtfedjt.

„Sit totHfi eine äßaife fct)(agen?" rief fte mieberbolt.

„$u?"

•Dtem $ater tarn aua) Oaju, nmrbe febr (jifeig, ja er ging

io lueit, bau er meine Untier bei ber £anb fafete. „$&)

iaife in meinem öaufe feine &>aife fdjtagen!" bonnerte er

unb ging raüttjenb beraue.

Gr ging mit meiner 3dimefter 31t (feigere -}>reoigt.

93ieine Butter blieb meinenb bei mir , bem ©einenben

•mrücf. -3cb mar erbittert gegen meine 3dimefter, ja fogar

gegen meinen ^ater, berni er mar offenbar 31t meit gegangen.

3äj tröftete meine Wainew

,,?(d)!" jammerte meine Butter, „SBater* ^Benebmen

fränft midj nidjt einmal fo, a(e ba§ meines eigenen ßinbe*!"

9tuu mar iä) in meinem 3orn gegen meine 3cbmefter fo un=

gart, meiner 9Wutter Sßorroürfe $u macben, bajs fte in ber

3acbe mit £.*) fo febr Partei für Dftefdjen genommen

unb $ater unb mieb fo oiefe lOionben burd), burdj bitten,

Saufen unb SPorroürfe, ltnglücfiicb gemad)t habe. 3$ rebete

ibr baranf gut ju unb gab ibr and; $erba(tungemam-

egeln

:

*) 2)et nod) bietgenannte X. fdjetiit ftd) um OferbbtanbS Scbtoefter

beworben 311 fyaben. StaS ber äStrlobuitfl mürbe iridjtS. X. benahm

ficli gegen bie Familie £afi'atte3 überaus unsart. fyerbtnanb Ijafete

btefen X. fanatifd).

Page 63: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 0/ —

fie möchte bodj fieben gerctbe fein [offen unb befonber» in

2>atere ©egentoart meber Sftiefdjen, noef) ©mute, uod) bie $öd)in

ausmachen. 2(dj! wenn bod) bie 3Jhttter biel tbäte, mie fiel

Unannebm(id)feiten mürben erfpart werben.

£)er 33ater fam nad) Saufe. Qv mar aber fdjon be^

ruliigt. darauf fam üitefdjen, unb SBater ging ine Gkraölbe.

9cun fing 3Jhttter an unb wollte mit Dftefdjen ben £an§

beginnen; jebodj beiuog idj fie, rurn'g $u fein, ba idj fürchtete,

ber Söater mürbe ba(b berauffommen, unb es mürbe eine

neue ©cene fein, wenn er 9Jiutter im Streit mit 9ttef<$en

begriffen fänbe. Mo§> burd) biefe SBorte madjte id) meinem

erbitterten ©efüble £uft: „$)a§ glaube mir, ein <Rinb, meiere*

e§ fo raeit bringt, baß prifdjen ben ©Item oon Sdjeibung

bie 9tebe ift, bem fann e* nid)t gut get)en.y/

Sie fudjte fid) 31t nertbetbigen, fpradj aber babei feljr

übet, ober bart nietmeln, üou ber 9Ktttter. „$e§, gel)!"

fagte vfy, tnbem id) fie beim Sinn ergriff unb — bod) üou

Brüden mar bie entfenttefte Qbee nid)t — ber $L§ür ^u=

manbte. 9lun mar fie gegen mid) erbittert, ba fie fid)

x>on ber tftidjtigfeit meiner Vorwürfe getroffen füblte. 3(^neH

alfo ergriff fie triefen $ormanb unb, irjre Sßerftettungsfunft

ju £i(fe netjmenb, begann }k ein tjeftige* ©efdjrei, preßte

^brauen aus ben 3lugen unb rief: „SBie, £>u raagft es,

mid), 3)etne Sdjmefter, fragen ju motten?" Sei biefen

Söorten brang fie auf mid) ein unb fd)htg nad) mir. 3$

Page 64: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 58 —

rootfte ben 3d)lag erraibem, aber meine 9Jcittter nerbinberte

mid) Daran. 3Keine Scbmefter jebod) lief in bie $>orftube,

warf ftd) auf einen Stubl imb fdnie unb meinte, ab? hätte

icb fie maifacrirt. Da erfaßte midi namenlofe 3£utii.

3d) fal>, morauf 2XCIe^ beredmet mar. $)et ^ater muffte,

ba cS ©ffen^eit mar, balb berauffommen. (rr bätte, menn

er fie fo gefunben, balb anf bie 3Jhtttet geDadjt, unb e£

märe eine }meite Scette geworben, in Deren 9cad)fpiel id)

mobl eine bebeutenbe ütotle bätte fnielen fönnen. 3d) Mfdjon meinen geliebten 2>ater bleid) imb nerftört ebne 9}iittag=

eiien &ur Stube l)inau?fd)reiten, meine geliebte, feit einiger 3^io imterbrucfte äJhtfter meinenb. 3n einem 2lugenblicf ft&er-

badjte id) ba* Olllee. ütafenb flturjte id) in bie Stube, mo

meine Sdjmefter mar. 33ang eilte meine Butter mir nad).

Sdjäumenb nor SButb marf id) mid) auf bie £niee, rang

raie mabnfinnig meine §änbe unb fd)rie mit einem folgen

3(ufraanb uon fcrft, bats meine Stimme fogleid) Reifer mürbe:

„©Ott, Qott, gieb, Dafs id) gebenfe, gieb, bafs id) nie . . .

nie biefer Stunoe uergeffe .... £>a, 'Seetange mit Deinen

Sh'ofobiletbräueu . . . ba*, biefe Stunoe follft Du bereiten

. . . Sei ©ort, bei ©Ott, bei ©ort, id; fdimöre es! Uno

lebt' id) fünfzig, unb lebt' id) buubert 3abre . . . . id)

mill fie aur Dem Dobtenbette nidft uergeffenl 8fl>er Du follft

eS and) uid)t ..."

Dlad) biefem 2fo$6rudj Der bödmen jffitttl) loar id) gan;

Page 65: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 59 —

erfdjöpft. Steine Butter i)kit mid) fortroäfyrenb, unb meine

©djroefter Ijatte aufgehört §u meinen nnb ftanb roirflid) tx-

fdjrotfen ba. Nur mit Wafyt liefe id) mid) befänftigen. Slber

mie ^rieben nur burd) förieg erlangt mirb, fo mar audj

nnr mein übergroßer 3°nt ba§ Glittet gemefen, Nube mRaffen. Steine Sdjraefter, biefe fonft fo ftofye Natur, mar

eingeflüstert. 3ie begab fid) nad) ber §interftube.

2)er Dr. 3. fam unb balb barauf ber SSater. 2Btr

binirten. @3 mar 2Ctte§ gan^ rufyig mie gemöimlid), nur

bafj Sater mit buttern nidjt fpradj. @. oerliefe uns.

Qfibor madjte mir einen Sefudj. 2Bäf)renb id) mit ü)m

(Bfyad) fpielte, borte id) meine ©dpefter §um $ater leife fagen:

„9Nan er^cujlt fidj fd)recftid)e Neuigkeiten in ber Stabt . .."

hierauf ffilfterte fie leife etma*, wa§> id) nid)t nerftanb,

roorauf mein $ater antwortete: „Das fann mid) nidjt im

©eringften, gan$ unb gar nidjt befremben."

2)a* feauZ Senoni Jpernnann u. (Somp. ift banferott.

2lbenb3 fpradjen mir We non biefer ^Begebenheit.

©er $ater pries — unb mit Ned)t — ba$ ©iücf,

bafj er fxd) in feine SBerbinbung eingelaffen Ijabe. S)enu

bann fyäXit 9)carcufe big na<$ ber ^od^eit ben fjfatt aufge=

galten, unb bann, bann märe bie gan^e Saft auf meinem

Sßater gelegen. @r r;ätter feinen erjrlicfien Namen §u retten,

für feinen od)nnegerfolm gejatjlt unb gegast unb märe

— entfefclidjer ©ebanfe! — mit banferott geworben. 3d>

Page 66: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 60 —

behaupte, Dem X. meine 3'djniefter gar niebt mirflid) ge=

liebt habe, jonbem ba$ er unb 2ftarcufe bnrd) eine 2>er=

binbung mit meinem 3?ater (enteren plünbem roftten. 3)afj

triefet tenfüferje Sßlan nicf)t in ©rfüHung gegangen, bafür

S)anf ©ott unb meinet Rarere öeljarrfidjfett.

•Sonntag, 12. Sanitär.

Cnfel griebfänber befugte une, unb }iehe ba, er mußte

iebon uon jenem ©retauifj. SBiebenmt jüracben mir oon ber

3d)ted)tigfeit jene* ^cenjdjen, ber, nad)bem er ein fdpoadpeä

3Mbä)en berücft, im* ine lluglücf mitten roottte. ߣ.)

äftetn SBater jagt, er grollt ilim nidit. 3pt ee aber jo, mie

id) glaube, Mü jene Ätebelei Mos eine pottttfdje 3uecu(ation

mar, bafj er üd) nid)t bamit begnügte, ein üDftibäjen gut

3d)led)tigfeit gegen ihre Altern gebraut, eine ebrenroertlje

g-amilie im Qfanerflten ihrer 3eele gefrauft, ibre ütube, ibren

grieben nernid)tet 31t baben, bats er iogar ibren äußern

SBoblftanb uemidjten moüte, unb bafs att' Meiern iogar —mc& Um 3raar and) nid)t entidmlMgen form — nid;t einmal

£eibenfd)aft $u ©runbe liegt, baß 2ttlee bfoS teuftifd;e $e=

redmung ift, unb e* ift matjr, bat'3 er nun orahlerifd) bie

Clire biefeS }iiäbd)en beflecft, bann glud) auf itm, bann

roerbe id), unb mährte e£ nodj Moanjig 3abre, &u ftrafen

unb bie beleibigte Obre meines geliebten Katers ut rächen

troffen.

Page 67: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 61 —

Dnfel grieblänber Jjolte uns ßudjen non üKanatjäjal.

2öa§ tljut man nid)t, eine 3d)it)iegertod)ter &it gewinnen! . . .

Sfoufcmtttag wollte meine 9Jiutter nad) £leinburg fatjren.

3$ follte bie 23rod)e hinaufbringen. $ater weigerte fid) gwar

anfangs, aber er gab fie mir nebft bem tabanb auf mein

Sitten bod) IjerauS. ®ie Dljrringe berieft er für ftdj.*)

3d) meinerfeits wollte ben ^adjmittag unter meinen

Sefannten r-erleben. W& id) alfo meiner Butter 2tbieu

jagte, fo mar fie überragt unb ärgerlid), batf icf) nidjt mit

tyr fabreu wollte. 3* beirrte barauf, p gel)en. „9fom, fo

fage e§ roentgftenä bem 2Sater, bamit er fid) nid)t munbert,"

rief fie mir 51t.

3d) ging ins ©ewölbe. 2tHeö ging gut. 3$ ^atte

meinem $ater Slbieu gejagt unb fdjon ben ©riff ber %i)üv

in ber £anb, als er plöfelt<$ rief: „2Bol)in?" „3« meinen

greunben." „Sit fäljrft mit uns."

3$ weigerte miäj unb brang in meinen $ater, mid)

gelten %a (äffen.

„3Rettt 3otw," fagte er, mid) füffenb, „bleibe bei mir.

2)u bift ja blos nod) fo fur§e 3eit im uäterlidjen §oufe

. . . SBift S)u mir benn gar nid)t gut? Öift $>u lieber bei

*) 2) er atltc t)atte bie ber Butter nadj bem efjeüdjen 3ß>ift

abgenommenen ©tfratueffachen nad) bem im (Srbgeftfjofe gelegenen Äauf*

laben (©emölbe) gebraut.

Page 68: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 62 —

©erftenberg de bei mir?" 3d) ftanb unentfd)loffen ba.

„Weibe bei mir, mein Soim," fubr mein fßatex iärtlidj fort.

„2£a3 foU id) bei Siebid)* anfangen? SDtit her Wbxtiex fann idj

mid) nid)t unterhalten, »eil üe nid)t gut bort. Dtiefdjen ift ein

einfältige^ -Oiäbtt)en. Wlit 5)tr fann id) wenigsten* ptaubem."

3)ie» beftimmte mid). £ätte mir mein $ater ftreng

befohlen, würbe id) nid)t fo leidjt geborgt baben. Slber idj

bin überhaupt burdj (Mte leidet §u (enfen, unb mein SSater

ift fo gütig, fo järtlidj, wie ee gewiB wenige fetter ftnb.

^landjmal, wenn er mid) anbücft, liegt ein foldjer 9luebru<f

reiner üäterfidjer Siebe barin, ba§ ber Öebanfe in mir auf;

fteigt: er fjätte einen folgsameren Sofm nerbient.

23et)or id) aber ful)r, ging id) ju Sfibor, um ü)m ju

fagen, idj ginge fpa$ieren, er fotte mid) bis fünfeinhalb Uljr

in feiner 2£obnung erwarten, id) fäme bann auf jeben %a\L.

2Bir gingen 3U Stebiäj*, nadjbem wir auf ber (Ebauffee

gefahren. 3dj amüfirte mid) jiemttdj. Wtä wir aber nadj

.öaufe famen, nerbot mir mein $ater, uod) auejugeljen. 3$tobte, aber eä balf ntdjt3. Gmilien fd)icfte id) $u 3ftbor, mid)

wegen meinet 9ftd)tfommen* 511 entfd)ulbigen. 21benb£ fpielte

id) mit 3Jhttter ©carte unb Biquet.

Dienftag, 14. 3anuar.

3n ber Sdmle fiel nid)tv $ebeutenbe£ oor. 2Ü3 id)

beu 9Satet mm Crffen heraufbolto, wmfte idi mit Sabanbt,

Page 69: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

63

her wirflid) unoerfdjämt ift @r fpielte immer auf etwas

an. 3$ glaube, Q3lod) wirb ujm ba» erjagt (jaben, wa§ £.

erbidjtet uub mir meine Sdjwefter erjagt fyd. Dladj bem

@ffen frug midj mein SSater plö^lid): „Sage mir einmal,

gerbinanb, wie ift benn ba§> mit ber Gonbuite? 3Me (3efd)id)te

!ommt mir nid)t rtdjtig t>or. 3$ ^e fdjon feit einem balben

3al)re feine gefeiten."

9>iir mar hierbei nit^t wobl, bod) oerfe^te id) unbefangen

unb obne unrubig §u ffeinen: „£)u weifet ja, wiefo ®u bie

norle^te unb le|te ßonbuite nidjt befamft."

„9tan, id) glaube ba3 nid)t! . . . . 3)ie (Sonbuiten

werben bod) ni^tununterfdjrieben non ben£el)rera angenommen.

2ßeifet £)u aud), bafe idj an ben 3?ector fd)reiben werbe?"

©ott! . . . 2ßenn mein $ater an ben D^ector fd)riebe

. . . bann . . . brr . . . brr . . .

3$ liefe mir fünf 3ilbergrofd)en für ben Rebell geben,

gab biefem jebod) blo* zweieinhalb Silbergrofd)en. 3$ weife

ntcbt, wie e§ fommt, id) fpiele alle Sonnabenbe ^öittarb,

wtö mir mein $ater bodj fo ftreng t-erboten, untertreibe

mir meine (Sonbuiten, waz bod) ebenfalls unrecht ift, unb

liebe meinen $ater bod) bis jur ©fftafe, wie ein $inb nur

lieben fann. 3$ würbe freubig mein Seben Eingeben,

wenn id) it)m nü|en tonnte, unb bod) . . . 2lber baz

fommt oon meinem £eid)tfinn ... 3m ©runbe bee ^erjens

bin id) gut . . .

Page 70: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 64 —

SJteine 3c6wefter iaä Dem Sater einen ^olterabenb-

fdjerg oor, ben angeblich -ötonfieur 9)cori£ Urbad) sunt

Sßofterabenb uon 9)iatt)iibe 3d)roei|er gemalt haben jotf.

©» mar bie3 eine Dcooelle, betitelt: „Ser grieblänber unb

bie Sdjnjetterm''. Cbmorjl nun befagte Sftoüelle gan$ unb

gar nit^t gut ift, fo berrfd)t eine 3prad)e in ü)r, bie, bei

meinem SBarte, 3Wort| Urbad) im £eben nid)t tjerfteben mirb,

gefdjraeige benn felbft führen tonnte, ©r f)at fogar meiner

3d)mefter einige oon feinen Sattaben Dorgelefen ! ! ! 2)er

3pafj ift toftlid). (Ein folcfjer 3ftenfdj omnis humanitatis

expers will 23atlaben machen.

2lber näcbften* will id) „ein SÖort mit biejem ©eift ^u

reben fjaben", unb bann motten mir fernen, mie fid) btefer

„Sattctbenbtdjter'' herauswinben wirb. Qd) [q§ bie gort-

iefcung be* (^etiterfebere oon X. Y. Z.

•üiittwod), 15. Januar.

üftadjmittag hotte id) mir mein Sotterteloos. (§& mar bie

Dhnnmer 79886. SBenn iü) ftat^oltf märe, fo Kefje id) mir

üon einem Pfarrer ba§ SooS fegnen unb mit S3Seü)rocffet

besprengen. 2o aber muß mein Segen hinreisen.

Wt Samuel fpiette id) StbenbS bei ßeffe Stilarb.

Qd) ging nach öaufe. (§& fd)lug fieben, adjt, nenn Uhr.

£)te HWuttet tarn nod) nidjt. ttm"neundnhalb Uhr tarn Oer

SBater. 3Btr roaren 93eibe äitgftlidi roegen btefeg fo auffaffenb

Page 71: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 65 —

fongen SBegbleibenS unb befötoffen enbtfdj gu ßroff $u

geben. Sfotf bem äßege unterhielten wir uns uon £. unb

jenem $erbä(tmffe, r-on bem, roaä itfj für ober miber ge=

tban, wobei iäj aber bie ftrengfte 2BaI;r£;eit beobachtete, ®te

äRutter mar nidr)t bort. SBtr eilten pafiä, feierten aber 311=

oor hei 50ianatf(3t)at ein.

2tt3 mir gu igaufe angelangt waren, fanben mir bie

DJiittter anmefenb. (Sie rjatte fidj oon Dr. 3. überrebeu

(äffen, 311 „@uibo unb ©ineora"*) %u get)en. S. (jatte, mte

er jagte, einen Wtam $u un* gefdjitft, ber uns benachrichtigen

jotfte, baft Butter im Sweater märe. @. felbft uerfdjroanb,

fobatb Ußutter in ber Soge mar, ol)ne fie mit ßettel ober

©efangbudt)**) 31t uerforgen. 211» er nact) einer Stunbe er=

jebien, fo entf<3t)utbigte er ftdt), er märe franf geraejen. SBätjrenb

feiner 9Ibmejenl)eit mar i£fjoma3 ber (Sar-atter ber tarnen,

unb biefe gelten fidt) nodj ferner an i()n, S. über bie 8c£)u(ter

febenb.

*) „©uibo unb ©inebra" ober „2)ie Sßeft in glorcng", große

Oper in fünf 2Tcten bon 6cri6e, )Sln\\t bon §alebt) tourbe in

$ari§ im Safjre 1837 ober 1838 gutn erften 9M aufgeführt, toar

alfo bamal§ in S3re»lau gang neu. Sie Ober ift früfier in $eutfa>

lanb öfter gegeben loorben, aber fett einer Otetfje bon 3arjren bom

SKebertotre berfdirounben.

**) Xestbu*.

$aui Sin bau, gerbinemb SaffaffeS Saßebudj. 5

Page 72: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

66

Xonnerftag, 16. Januar.

Öente tjatte td) wieber einmal in her Sdjufe nid)t roemg

ju erbntben. Dr. £fd)irner gab Cbi)ffee;3tnnbe. fer fragte

einen mir nafje fifeenben Büßtet nad) einer ber tmdjttajten

grammatifa(ifd)en Regeln. 3d) • ttmfjte üe, er m^t £fd)imer

fragte weiter, weiter, gaft 9flle wußten ue nid)t. 3$ brannte

cor grenbe. Qd) faf) bie 3ra9e ^ an :m$ gefommen, ba

beantwortete fte ber t>or mir Si&enbe. Stergerüct) Uiäte

idj an§ bem %$vufy. 3k biefem 2lngenb(id fragte mid) Dr.

£. Dlatürüd) fonnte idj nidjt antworten, nnb nnn begann

miäj £ anf eine SBeife an^umadjen, bie mirf(id) idired(id)

war. 3)a§ Sfctt fdjofj mir in bie Söangen. 3a, idj weinte,

i$ weinte. Sßegert einer folgen ßteinigfeit fo gefränft, atö*

gemalt, angefahren $u werben! @ebn(b, ©ebutb, bie ^c\t

wirb fommen!

9?ad)mittag I)o(te idj mir tum öamberger ben 3weiten

£Ijetl nnb brachte ifjn 31t ßem. 3'dj fprad^ nur ben ©teuer,

ber mir fagte, idj werbe Strafgefb satten muffen, roaS icb

jebod) ganj nnb gar nid^t ju tfjun gefonnen bin. 2luf jeben

gall preßte id) SBamberger wieber trter gute ©rofdjen ab.

^adjtnittag wußte idj nm brei nidjt, n>a3 id) tlnm follte,

nnb ging baber \u Garnier i^iüarb fpielen.

IKein $ater war wieber fein jartltdj. (rr fügte midj

nnb fagte immer: ,,M), wenn 2)u gut fein wirft!"

Unb id), id) foiefe 2Bo<$entag3 33ittarb! 9fceitt, ictj

Page 73: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 67 —

gelobe, nie SBodjentagS 33tffctrb 31t fptelen unb aud) 3onn=

abenb unb ©otmtagS e§ auf alle SBeife 5U oermeiben.

grettag, 17. Sanitär.

@3 fte( Vormittag uidjte 23ebeutenbev uor. Sftacfjmittag

fdjrteo id; in her frangöftfdjen 3tunbe nid)t mit unb tarn

ungtüdlidjer 2£>eije im SBorlefen brau. Schnell unb gemanbt

nahm idj meinem -ftadjbar baS §eft raeg, aber bieje3

Srampeltljier benahm fid) bei ber beften SCbfidjt jo unge-

faßt, baB e3 9?ubiger merfen mußte.

SCbenbl fing ber $ater plöfetid) an: „gerbinanb, e»

wirb £ir fd)(ed)t gefjen, menn $Du mtd) betrügft. SHe 3adje

mit ber (Eonbuite tft auf feinen §aH rtdjtig." 3d) blieb

rubig, aber wie idj gitterte, totrb mir Qeber glauben, 3)ie

gan^e 9iad)t mar id) barüber in Sorge.

3onuabenb, 18. Qanuar.

Um 12 Uljr fam ber 2>ater nad) §aufe unb jagte:

„2ÖetBt S)u, mein 3obn, id) glaube je|t je(bft, bafe e» roal;r

ift, baB S)u, wie 2)u jagft, bie^mat feine (Eenfur erhalten

fjaft. Qdj (jabe joeben gehört, baB unjer Dberrabbiner Siftin

ben Dr. 3djönbom r>erf(agt l)at, er juringe bie 3djü(er

mofaifdjen ®(auben§, 3ounabenb3 ju jdjreiben."

£)a3 Oefüt)^ ba§ fid) je|t meiner bemächtigte, (äfet fid;

nidjt betreiben. 2Jufrid)tig banfte id) (Sott für biefen 3ufa^/

r\%

Page 74: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 68 —

ndjm aber waljr, ba6 idfj btefen Slugenblitf benutzen muffe.

$Die» tEjat idfj benn aud) unb wie idfj glaube, mit ©rfofg.

Sftaäjmittag befugte idj Sftbor, fpielte mit ibm bei ßafhter

fedjj» Partien, t>on benen idfj brei oertor. hierauf gingen

wir 51t Drfanbi unb von ba 3U ßeffe, wo mir 3acobfobn,

8cf)(eftnger unb ©uttentag trafen. 2öir fpielten gtoet Söoufes.

'Die erfte gewann idj, in ber ^weiten Ejatte idfj e§ blo* mit

einem (Segner nod) 3U tbun. 3$ nerlor $war, bodj 50g id£>

meinen Ginfa^. Qeftt fpielte idfj mit Qfibor bret Partien,

worauf er jur Sansftunbe ging. Qd) blieb nodfj unb fpielte

mit 3d)leftnger um einen Silbergrofcfjen unb oerlor babei

brei 3ilbergrofdf)en. 211» id) wegging, Ijatte idfj fecp (Siföer*

grofdfjen an ben 9Jiarqueur, bret (Sitöergrofdfjen an S. ju

jabfen. Sei (Saftner fyaüt idfj lty, bei Crlanbi brei 3ilber=

großen bejaht, bagegen IV2 in 23oule gewonnen. Summa

summarum jtöötf Silbergrofdjen ausgegeben. SBief ^otj.

211* itfj nad) §aufe fam, fpielte idfj mit ÜDiutter ©carte

unb gewann fieben 3ilbergrofdf)en.

9)iit Dr. Sljiff fpielte idfj Onje-et-bemi. guerft ge=

wann idfj nie!, t>erlor eS aber wieber. SBtr fpielten ^>oint

einen 3ilbergrofdf)en. ©6en wollten wir aufboren unb id)

mein (Selb, baä fidfj nt<f)t oermebrt nod) oerminbert batte,

einfteden, als 3. mir fünf 3ilbergroid)en wegnabm mit ben

2B orten: „%ftt Gcarte, bezahle Teilte 3d)ulb."

SBaier fdjieu nidjt fein* aufrieben, baf, idj fo bod) fpielte.

Page 75: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 69 —

Sonntag, 19. Sanitär.

9J}ittaa3 war wieber $rieg, nnb ÜJhttter war ber

fdjidbige £fjetl. Sie weinte nnb sanfte unanffyörtid). Wtccn

fprad) baoon, bafc %. nad) Dfti&tanb gegangen fei. Steine

SDhttter fagte: „%m, es werben wofjt nod) mandje große

Sente fjier banferott werben/' Sie fagte bie» aber mit

„iln<o meinft 3)n bod) nidjt?" fragte id).

„9hm, wer weiß!" entgegnete meine untrer.

9fotür(id) geriet!) mein 3>ater in gorn. Qdj machte

meiner 9)iutter Vorwürfe, fie würbe böfe auf midj nnb

wollte bie ad)t3e()n Silbergrofdjen mir ntdjt bellen. Q'dj

bat bamm nid)t, fonbern 30g g(eid)gü(tig meinen dtod au»

nnb ftellte mid) an ben Dfen.

„3Earum gefjft 3)u nid)t au3?" fragte meine -Diutter.

3$ antwortete, ba$ iä) feinen Pfennig (Selb f)ätte nnb

alfo nidjt ausgeben fönne. ^)abnr<^ enbüd) bewogen,

bradjte mir -iDiutter ha* ®e(b non fetbft. üftun ging id)

in Qfibor^ ©ewö(be, fanb aber bie» fdjon gefdtfoffen. $on

ba begab idj mid) §u Sftanatfdjal nnb fanb Qfibor barauf

in feiner SÖobnung. 2Sir gingen in» Sfjeater, wo „Lurn-

paci vagabundus" aufgeführt würbe. ©3 war fdjrediidj

00H. 93ian quetfcbte mid) faft 3U £mtterteig. 21(1 e» 3U

@nbe war, ging id) mit 3fibor 3U Stoffe, wo wir 23ittarb

fpielten. Qd) fyahe Ijente gofgenbe» abgegeben: 3 ll)et Si(ber=

Page 76: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 70 —

großen bei 9Jianatfd)al, §elm ©ilbergrofdjen für ßhrtree in»

Stjeater, brei Silbergrofdjen ner^ebrte idj bei SUo[fe unb t>on

elf Partien 3Marb verlor unb besäße id) \vSfi Partien,

a(fo and) fedjä ©ilbergrofdjen. 9hm ftnb aber jtöri unb

§efjn unb brei unb fed)* ©tObergrofdjen einunbjwan^ig 8ilber=

großen. 2m einem Sage emtmbjtoanjtg Silbergrofdjen, ba3

ift t)te(, feljr nieL 3)a3 ift fogar lüberlid).

Montag, 20. Sanitär.

21(3 idj Mittag und) föaufe tarn, rief mir meine

Dhttter entgegen: „Wfy, fjöre nur, wie ungebilbet fid; Dr. 3.

geftern aufgeführt I;at. ©ben afe id) in Soiree fahren

wollte, fommt 3., unb inbem er fortwäbrenb aueruft:

,Seute Ijabe id) feine Sun, in Soiree ju fommen, bin

audj nttf)t ange!(eibet!;

fo bittet er mid) bodj enblid), ilim

5U erlauben, mitjufalireii. Gr wollte Mo* in bie äMarb*

ftube gef)en. 2tt3 nun bie geit jum 2lbeubeffen fam, fo fagte

id) 3um SBater: ,33eftetle nidjt 511 niel ßffen, beim tdj bin

fron! unb fann nidjts effen,' fo t)öre id) com SBater, bafs

Dr. 3. jdfjon 3u ibm gekommen ift unb m ilim gejagt luvt:

,9Wr. Saffal, forgeu Sie nur für mid) für einen Pa|beim Crifen.' ®enfe Xir nun btefe Unärrigfeit!" 3$ fanb

natürlid; babei uidjt*, aber SDhtftet war felir erbittert.

Diadimittaa. nun* Vhtttec bei Saute ^urgheim. Dr. 3.

befudite und. 2tfö mm bie äJhttter nad) gaufe fam unb

Page 77: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 71 —

borte, 3. wäre ba, wollte fte nidjt fjineinfommen, fefcte

fidfj in bie öinterftube unb raifonnirte auf 3. t>erfä)iebeue*

3eug. 3dj nabm midj jetner fefjr an. 3Jhttter war fogar

ielir aufgebradjt gegen midj unb e§ gelang mir nur mit

ÜRülje, jte 31t besänftigen. 3. fdjriefc einen 35rief an fte,

aber fte la» it)n nidjt einmal.

Xienftag, 21. Januar.

3ß>enb3 war 3. wieber bei uns. 3Jhttter war auSge*

gangen, unb al§ fie nad) £aufe fam, erfuhr fte biegmal

nidjt 3.'* (Segenwart unb trat in ba§> Simmer, wo wir

waren. 9hm wollte fid) ©. rertljeibigen unb fragte be^balb

$httter, we*balb fte jürae, unb weffen man iim befd)ulbige.

$>ie 9)iutter wid) aber au§, behauptete immer, man §ätte

ibn nidjt oerleumbet. Gmblid) führte id) einige Slnflagepunfte

an. darüber würbe üDiutter wütljenb unb Ijolte ben $ater,

ber ftdj fteHen mufjte, alz wenn er auf midj böfe wäre.

ilnb nur mit 2Jtölje gelang eä mir, Butter §u berubigen.

$iittwod), 22. Januar.

@3 ging mir (jeute in ber Sdmle gut. £fd)irner

jdjeint mid) feit einiger $e\t tii(^t fo 3U oerfolgen.

(Einen befto größeren geljler Ijabe id) mir üfta^mittaa,

311 3d)itlben fommen (äffen. 3$ §&* nämlich gegen mein

mir fetbft gegebene» SBerfpredjen I;eitt mit Samuel 23iHarb

gefpieft. 3d) war rotrffidj fdjwad) genug, e» 31t bredjen.

Page 78: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 72 -

Sonnerftag, 23. Sanitär.

SBeil \d) um ein Vfyt ivcc &ofy/it beä Dr. Sangen*

borf gefjen foftte, fcf)rie6 id) mir invito patre einen Qditl,

id) möchte um jefjn nad) §aufe fommen, unb ging bamit

3um £fd)irner, ber mid) an ben Dtector rote*. Qd) erlangte

auä) (Maubniß unb fd)ob fog(eid) fort ju Crlanbi unb non

ba $u Sominif, mid) friftren }U [äffen.

SSir fuhren jur ßodföett. Suerft mein $ater unb meine

SOhttter, bann 9ftefd)en unb id).

2Sir traten in ba$ 2ocai Qdj ße& n^tne 3d)mefter

in oen Saal treten unb ging in bie Dcebenftube. Sauge

nerfcf)o6 id) ben peinlichen -iDcoment, ber 23raut, biefer gee,

bie $anb }u füffen. 21b er er mußte fommen. 3dj trat

in bm 3aaL trompeten unb Raufen mirbelten. Sludj

gut! 2Benigften* übertönten fie bie Un^l (Beufser, bie mit

odifenmäßigem ©ebrüll mir ber Scfjmerj auepreßte, kleine

Steine befamen ben Krampf unb wollten retrograbe gelten,

unb bie Umftel)enben mußten benfen, id) mollte mid; im

ßiertanj probuciren. Die SBahrfjeit aber mar: id) backte,

eS mürbe ein anberer Gkft fommen, bann märe id; au&

gemid;en. 2)er Ijätte feine Gratulation angebracht, unb

id; märe glüdlid) baoongefonimen. 2(ber e£ foHte nid;t fein.

$)as unerbittlid;e 3d;idfal wollte nicbt. Qd; fprad; mir felbft

ilKutl) ein, gab mir eine -Dtenge gute Seiiren auf ben 2Beg

mit, trat in ben ftrete, faßte ihre \\ntb

Page 79: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 73 —

„Sa jjlöfcltdi nun umbiiftert fld) mein ©inn,

2Bea. mar SSefonnenljett, SSeiDUßtfein Ijin.

ffloä) heute toeife tdj md&t, ob id) unb roa§ tdj forad),

2In SBorten mir e§ tDofjI bei folgern Seib gebracf)."

2lfe i$ raieber §u mir fam, fanb tdj mtdj in bem £rei3

her jungen Seute unb war aufierfl frof). 3dj fanb einen

geroiffen £., ben tdj nodj au3 ber San^ftunbe lenne. @§

ift bieg ein redjt gemütlicher, bummer, jübifdjer Saben-

commte, begabt mit Sabenbienernri^en, arrogant, non gutem

«Öer^en, mit einem SBort ein böfer Dcarr. SSetI id) ü)tn

nun biefe meine Stuftet metjreremal bemonftrirte, fo ift er

mir feinb, unb glaubt mid) §u ärgern, roenn er midj „2a))aU

djen" ober „f(einer Saffat" nennt. 2)er @fel! 2tt§ rcenn

er, nodj breimal fo grofl ai§ er ift, ju mir IjinaufMiden

fönnte!

•Jftan tanjte. 3dj tankte fiel, be!am gute Sängerinnen

unb amüfirte mid). 9fom wollte tdj mit ber einen 9Md),

bie mit 2. tankte, eine ©aftrode geben. 3d) ging r)m

unb bat bie 2)ame um eine ©aftroUe. ©djon gab fie mir

bie §anb, afe & fagte: „9tan, meine ©ante tan§t nidjt."

9?atürlidj mar ba3 gräutein gelungen, jurütfjutreten. „S'cfje,"

fagte tdj ju btefem etroa§ laut, „id) werbe S)te eine 9?ege(

geben: antworte nid)t efjer, als ©u gefragt wirft. 3d) Ijätte

©idj aud) gefragt, bie 9M)e märe an ©id) gekommen.

23ei mir jdjabet e* nid)t, benn idj bin ©ein greunb. (£a,

Page 80: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 74 —

mefdje fronte!!!) (Sin Ruberer gtebt Xir eine Section.

3d) toeifj, bat3 man £ir 10 ettoaä uidjt übelnebmen famt.

(gg eutfpriugt uidjt au* böfetn Milien, fouberu au* tätiget

an savoir vivre. ilnD toeuu £)ir oudj ein 3tocffreniDer

bog aufeben fann, jo fannft Xn bod) UnamtefmtlidjtV.ten

faben."

„3äj mettj jajon fefijft, wie id; midi benehmen foff,"

antwortete & nnb taugte rajdj baoon, mit einer ineiteren

Strafprebigt 3U entgegen. (Eines£iertelmmbe joäter fer;e \§

& bei ben WiM)t ftefien nnb ifjnen ben §of madjeu. „£

geberbet jidfj wie bie Wtcatö in ben jed;* SBodjen," jage id)

31t beut jüngfren Slodj, ben tdj am ?(rme batte. „Gebe bin

uub fage ifwt bat." 9tid)tig gefjt ^3(ocf; bin nnb jagt e§ ibm

oor ben Xanten, bie in ein fürdjterlidie* Gefaxter au*;

bredjen. & erblaßt nnb ftammelt: „2-u biß ein Dcarr."

Tarn warb eä mir (eidjt, 23(od) jo auf & 31t betten, ba3 ibm

ba3 Seben janer würbe nnb er ftcf) c§ wobt ^ebnmaf uer*

müujdjte.

3^) fer)e &. bei Saiuofd) fiten. Milbig nebnte tdj

mein Dcoti^utd) fjerau* nnb fange an 31t jeidjueu. „3Ba3

madjft £u ba?" fragt midj 53(od). „^d) miü biejen 3fo&

brnef von (Mutrmlidjfeit nnb SDüfere auf &'$ dienen ab=

jetd&uen," antwortete id) lacuenb. „9hm, gelingt eä 3Mr?"

„33i3 jefct nod) uiefit." „Suchte codi einen ©fetöfopf bin,

btft Tu gleid) fertig." 2cballenoe* Cs>eläd)ter 001t allen

Page 81: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 75 —

Seiten. & ftürjt nnitbenb weg. 3$ werfe mid) ladjenb

neben Samofd) nnb rubele auf Sv baf$ fein gutes £aar an ibm

blieb.

2Bir fefcen un§ gur £afe(. 3$ mit 23ert()a SJhmfter*

berg fomme neben & ju ftfcen. tiefer fefet fö unb flemmt

mit bem Stuljl bas £(eib meiner Hernie ein. „514" ^ttet

tiefe, „mein gerr, ergeben Sie fid), Sie serreigen mein

ßleib."

„&," fange id) an, „id) raerbe SMr eine Seljre geben:

Söenn 2)u £>id) fefeeft, fo erfordert bie £öf(id)feit, 1° ™mm

2>id) in Stäjt, baS £(eib einer Stame gu gerretgen." S.

fpringt raeinenb nom Stuf)l unb fd)idt feinen ßoufin §u

mir mit her Sitte, bie geinbfeligfeiten einpjktten. .

3Me ältere sDii(d) gefällt mir.

Sonnabenb, 25. Qanuar.

Nachmittags befudjte id) 3ftbor unb traf ilm 31t gaufe.

2)od) quälte er midj auf eine f)orrib(e SGBeife mit $or(efung

von Briefen, an feinen Dnfel &mte ©erftenberg in £am*

bürg gefdjrteben, ben id) bod) gar nid)t fenne. 2)iit 9teu*

mann unb 3are£fr>, bie bei i()m raaren, ging id) mit idm

§u §effe. Stöenbä fam Sacobfofrt aud) Ijin. 3d) freue

midj immer, wenn id) ben bort felje, weil id) mir baut:

immer fage: „2)as ift ein fleißiger Äerl, unb bodjfpieft er

alle Sage 23iEarb." 3$ ging zeitig nad) fiaufe. Butter unb

Page 82: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

76

Sater waren nid)t ba. 3$ fefete midj rjin unb (a3, atö

$)3apa tarn, ftdj freute, midj fcfjorx ju treffen, unb mid) mit

$u Utfmann, wo Butter war, nafim, unb wo er mir brei

©Übergroßen, bie er rwn §errn Uttmcmtt gewann, jcfjenfte.

Montag, 27. Januar.

2lbenb» ging tc^ $u ttroadjg rnnauf. S)ort erfuhr id),

ba£ Dr. Sf)tff, ber bod) gegen un» gejagt Ijatte, bafe er

fortführe unb 2C6fd^ieb genommen l)atte, nod) £;ter wäre unb

bei eauls fein Quartier aufgefdjlagen Ijabe, wo er feljr jur

Saft falle. £a id; fat), bafe ber junge Urbad), 9Jeabame

^5. unb gräulein 9i etwa» raifoniren wollten, fo t>erbarb idj

itjnen ben Spafe. 3$ üertljeibigte ben Dr. ©. nta)t, id) ließ

üjtt gar nid)t in 2JnrTage$uftanb r-erfe^en. 8$ erflärte mid)

fo für feine Partei, fpradj fo für ifjn, nid)t mit Söärme,

c&3 ob id) ifjn üertfjeibigen wollte, fonbem fo, d% wenn e£

fidj ganj r>on felbft r-erftünbe, unb ale wenn Urbad>5 mit

mir eincerftanben wären, bat"} fte fdjweigen mußten.

9cun wollte id; ben „23allabenbid)ter" in bie (Sitae

treiben. Qd) liefe mir ben „23erengar" norlefen. 3ufätlig

fanb id; „Dtomanje" brüber.

„<&€& nenne id; bod) feine ^oman^e."

„Wein," fagte er, „id; wollte ben Stoff &u einer

Diooelle anleimen, unb bann foHte bieo ©ebidjt brin oors

t'ommen."

Page 83: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 77 —

„£)amt märe e* bod) feine SHoman§e geroefen?" fragte

idj. „2Ba3 nennen Sie benn eine ^tomanje?" fuftr tdj fort.

Unb £err Uroadj gab mir bie merfmürbige Cmfärung:

„^omanje ifi, raenn idj meine ©efüljle auebrüde."

„©ans nnb gar nidjt! 2ftetne3 SebünfenS brüdt bte

Snri! bte ©efüfjte aitv. Sie halten affo bte <2djitfer'fd)en ©e=

bid)te für 9famtcm§en?"

„9km/1

faßte er, ,,.^ürgfd)aft', ,6(ode' ftnb 2Maben."

„2fl>er mein ©ort! bie ,©(odec

ift bod) ein bibaftiftöes

©ebid)t!"

tag er vertiefte fidj immer meljr. UebttgenS glaube

idj feme&oegS, bat3 bie* (Midjt, ba3 jiemlid) gnt ift, baZ

feinige märe. 2ludj fein fogenannte» £)rama: „Söafmfinn

catö SBerbredjen/' bc& ein ©emifd) tollen Unfinns ift, ift fein

GteifteSprobuct nidjt, obgfeidj man biefen Tanten nidjt fo

entioeif)en foK.s

SHenftag, 28. Qanuar.

iftadjmittage !ant idj bran im Gicero=2luffagen. £a=

rauf t)atte tdt) mid) fdjon (ängft gefreut. Stber Sfdjirner batte

es) ftdj einmal norgenommen, mid) anmfdjnau^en. Sagte

idj einmal „sed" für „at", fo fdjuttelte er beit 5topf,

unb a(» idj t)oUenb» ,,nama für „enim" fagte, wobei idj

mid) jebod) fogteidj corrigirte, fagte er: „®ebt fdjtedjt." Qdj

fpradj unwillig weiter. Sadjen, bie er bei Ruberen gar nidjt

Page 84: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 78 —

rügte, würben mir 311m $erbredjen angerechnet, nnb icf)

»erbefferte mid) jogleicfj immer. 3e|t tarn idj an bie Stelle

„et liberos tuos, nepotes Q. Fadii" 2c. ..Cigii Fadii"

»erbefferte Sjdjirner. „Quinti", roieberljolte icf) — benn

bieg mar ba3 Dxidjtige — mit 9tad)brucf nnb ftar! betonenb.

ßr biü bie Sippen sujammen, ein 3ei$ert fetner SBntfj, nnb

batb Ijieranf tief? er mid) aufhören mit ben Sßorten:

„3cf)(ecl;t, jeljr fc§[ed)t!" Sa fatfte mid) nnbänbige Söutf).

8$ meinte, benn eine joldje Ungerechtigkeit mar mir

balb nid)t gefommen, rote mir alle Umgebenben eingeftanben.

3'n biefem 2Ingenblid Ijätte iclj i£fdjirner3 Mut trtnfen

tonnen.

9Jtittrood), 29. Januar.

Mittag raufte mir 9)cutter eine üUHifce. 2lud) gnt!

•ftadjmittag rootfte id) meine 3nerprej(ible* roed)jelu.

(r-> roaren feine knöpfe baran. darüber entftanb £ärm.

Siein 3ftenfdj batte grit, mir roeldje anzunähen. $ater

befal)( mir, bie ^antalcm§ roieber an£- nnb meine alten an-

jujieljen. ,,3d) feibe nid)t, ba$ £)u fo eitel bift," jagte er.

tßä)," entgegnete id) unmuttjig, ,,e» finb ja beibe* Sßhtttbern."

hierüber rourbe er fe£;r jornig nnb prügelte auf mid) lo§,

inbem er mir 5ugleict) baS Söeinen »erbot 3ebeS äßort, ba£

id) jagte, brachte ibn m neuer Sßuti).

„3$ [äffe mid) nidit fo prügeln," brüllte idj in Sutanen

Page 85: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 79 —

jerfftefjenb. £)te3 machte tfm nun oottenbä uuitbenb. £t

fiel über midj der unb prügelte miäj fdjredlidj. £)ie3

bradite midj nom Söeinen plö^lid) ab. 3d) trottete meine

Thräneu unb Hielte böbnifd) brein, aber 10 btafj falj id)

au§, bafj id) nor mir felbft erfdjrai 2Ba§ aud) mein Sßater

fagte, id) antwortete &IoS burdj ein tro|tg böbuifdje* Sädjefa,

ba§ meinen Werter reigte mid) tn§ <5>eftd;t 31t fdjlageu. 3od)

hielt er an ftdj.

üütbig 509 id) mid) an, fagte bafj id) 31t Silier muffe,

unb ging mit bem SBorfa| hinunter, mtdj in bie Dble 3U

roerfen.

2tfg id) an ba§ ©etember trat, blieb id) fielen. Qd)

überlegte, roie id) e§ madjen foHte.

„S)u gelift bie Stufen bimmter," fagte id) 31t mir

felbft. „$8tft bu anf ber legten, fo ftedft £>u einen gufe

btl Gaffer, barauf fjebft bu ben anbern in bie igölje;

uatürlid) ftürjeft $)u vornüber unb bift frei."

§ier badjte id) an meine Butter, aud) moljt an meinen

jßater. £od) fd)ritt id) entfd)loffen nad; ber treppe 31t,

beim meine Stufregung mar 3U grofe.

Sa plö|lidj l)örte id) rufen: „gerbinanb!" 3d) breite

mid) um. 50ietn Sßater ftanb (unter mir, Metamer nod) al§

id) felbft.

„2Ba3 maä))t ©u t)ier?"

,,3d) fel)e mir baZ gfofj an."

Page 86: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 80 —

„2>u braucht nid)t in bie 3tunbe 311 geben, geh' m§

Gomptoir."

3$ folgte, fe|te mid) aufs Sopfja, unb in einer falben

3tunbe fanb id), baß id) febr Unrecht getrau habe, einen

folgen SBorfafc gefaxt unb meinem Sater fo(d)e gurdfjt oer=

urfad)t 31t Ijaben. £>enn bafs er meinen Sptan merfte,

geigte mir feine 23(äffe, fein Verbot, in bie ©tunbe 3U geben

— er raoUte mir öetmutljltdj 3 e^ geben, midj 3U beruhigen

— unb aud) ber llmitanb, bafj er breimal fpäter f)inauf=

tarn, ftdj 3U erfunbigen, ob id) ba wäre. @ott! überlegte

id) mir nadjfjer, wenn id) mir ba£ Seben genommen (jätte, rote

ung(üdlid) [jätte icfj nidjt meine (Säten gemadjt! £u! mid)

fdjaubert. Xom friert.

£)odj moftte id) burdjaue beute etwa* Unrechtes tl)itn.

Xarnm ging id) 3U Samuel, tfjn aufforbem, mit mir 33idarb

fpieten 3U geben, £od) biefer wollte nidjt, beim er bat mit

feinem $ater um 2 2/3 Spater gewettet, 6t3 ben 1. SJJfärj

nid)t söillarb 31t fpielen. £od) nerfprad) er mir, 3U mir 3U

f'ommen. föern braute id) ben britten i£§ett oon 3t. -ftodfje,

unb er forberte nidjt einmal (rntfdjäbigungegelb. 30>enb3

fam (Samuel 311 mir. 2Sir ftrießen Dt^et*bemi mit ab-

medjfetnbem ©lücf. 3uk# ™ar *<$ ^N e^nen S^aler neun

3 übergroßen fdjulbig. 3d) fefete ben Sfjaler. Samuel, Der

fid) immer ärgerte, roenn id) oerlor, unb ber nidjt* febnlidjer

umnidjte, als batl id) bie jroei Später «riebet jurütfgenrotnen

Page 87: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 81 —

follte, gewann. 2)a nabm tdj bie gan^e (Summe non $wei

Malern neun ©Übergroßen unb gewann. 2Bir waren quitt.

Samuel Ijatte aber bie m'er Silbergrofdjen jurürfgewonnen,

bie er üorber nerloren. M§> er baran backte, rerÜärte fid)

fein 2mtli| in bimmüßer greube, bae bod) t)orf)in, a£§

er 5wei Sbaler gewann, trübe gewefen. Qdj fjatte fort*

wäbrenb oerjtdjert, bau id) bie §wet Xljatev begabten würbe.

3tber id) fenne Samuel §u genau, um nid)t §u wiffen,

ba£ er fie nic^t nehmen würbe. £)od) war e» il)m juwtber,

ba er midj nid)t g(eid)fam bemütbigen wollte, unb biefer 3bt§*

gang war ibm ber erwünfd)tefte.

SDonnerftag, 30. Qanuar.

xBarfcf)atl ift felw frcmf.

Sftittag* fvrad) id) mit 9iiefd)en non ^eiratben unb fudjte

tbr gerbinaub auß bem $opf $u reben. Denn bei (Sott!

biefe Partie ift, wie iäj immer mel)r etnfetje, äufjerft fd)led)t,

unb wirb fid) ^ief^en, wenn fie ifjn nimmt, brei Qabre

nad) ber Crlje fefjr unglücflid) fügten. 9lucf) gelang e§> mir,

fie für Dr. %t. p ftimmen. hiermit ging idj ju ÜDhttter

— ließen war babei — unb fagte il)r, Sdjjwefter wolle

gr. nel)men. SSir fpradjen nod) üiel barüber.

NB. Qd) b<*fo mit Mjler nerabrebet, ibm meine llljr

ju geben, für feine unb einen Später, ©r willigte ein.

£)ocb erbat id) mir feine Ubr au*, um §unt Ul)rmad)er erft

$aul Sin bau, ^ferbinanb 8afiaße§ Sagebutf). 6

Page 88: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

-vO

geben §u tonnen. „SBetnt mid) bie Reparatur" — feine Uhr

get)t nicf)t — „ntelir a(e einen Zbater foftet, wirb an* unferm

£>anbel nidjte," fagte icf). Ter Ubrmacber forberte >ehn Silber-

grofcben, nnb id) ßefj fte ü)tn Dorr.

gfrettag, 31. Sanuar.

äSarfdjatt in tobt

£ö()lern brachte id; ben ^3eid)eib, icf) tonne ben kaufet)

nid)t eingeben, ba mid) bie ^reoaratur juräet forte. So vex-

forad) er mir beim — imb id) fenne Hobler, anf fein Söort

form id) bauen — Sonntag einen Syrier, ben 1.v

^iär> groölf

gute Grofdjen p geben,

?tad) Saufe gefommen, ioracben mir lieber oon gerbtnanb.

grieberife t)errl)eibigte ihn tiente triet wärmer. 3$ bßbe einen

gebier begangen, bars id) io enrfd)ieDen gegen ihn anfrrat.

(£Ü3 liegt in grieberifene Gbarafter, Durd) offenbaren 2£iber*

iorud) in ihrer SWentung befrartr 31t werben, 3$ werbe

umiarteln, mid) roieber auf ihre nnb feine Seite icbjagen,

ihr ^ted)t geben, ihr nicht miberfüredjen nnb )k bod) unoer-

mert't oon ümt abgehen.

Sonnabenb, 1. gebruar.

Sätet wollte, id) folle nm jetm Uhr nad) ioauic fommen,

um Die ^reoigt ©eigerä hören 311 tonnen. , uli aber oerfd)ob

$ auf über ad)t Zage, weil nur ba ^rioatlectüre haben.

Page 89: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 83 —

Mjler braute mir ben Später. @r ift gan§ gtücfCict)

über feinen $auf nnb fd)i(t mid) einen Darren. S)a aber

£fd)irner raifonirte, ba b(o» einige SBenige ba§ Sd)ii(ge(b

nidjt mithatten, fo padte id) ben einen S^aler fier ©rofd)en

ein, aber ofyne mir qnütiren $u laffen.

9^a$ §aufe gefommen, fjörte id), ba$ bie ^rebigt gan§

aufterorbentlid) geioefen fein foff. @3 tt)at mir ungemein (eib,

ifm nid)t gehört gu tjaben, nnb id) Ijabe befd)(offen, bei feiner

^prebigt $u fehlen.

9iad)mittag ging id) ju Sf^or. $on meinem £)ucaten

ijabe id) b[o<B nod) §elm Silbergrofdjen. @3 ift fd)recftid).

£>en 12. Qannar ging idj ba§ erfte 9M an^. £)ama(§ t)atte

id) in Summa 5 Später 18 Sitbergrofdjen. S^e^ne id)

16 ®rofd)en für bie Dbuffee, 5 ©i(bergrofd)en für Gramer, 10

für Qfibor (bellte (Bfyulb) ab, fo fyabe id) r>om 12. bi§

31. Qanuar 4 Später 13 Silbergrofdjen abgegeben, £)ie $m©übergroßen, bie mir nod) blieben, -gab id) tjeute ridjtig au$.

Um achteinhalb mar 'idj §u §aufe, ganfte mid) mit

^iefdjen, fpiette mit 9Jtutter @carte, lieg mir r>om Sßater

bie §ä(fte feiner Sd)ulb, id est 6 gute ©rofdjen bellen nnb

legte mid) fd)(afen.

Sonntag, 2. gebruar.

§eute foDC 23arfd)afl begraben werben. Um achteinhalb

ging idj mit 9)iutter Ijin §u ber unglücflidjen Sßittroe. (Sie

6*

Page 90: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

84 —

faß ftill roeinenb auf Dem 3oima. 3ebr rührte midj ber

3fabß<f SBiOjete, ber, bk ©röfje feines SBerfaftee fjatb

afmenb, jtdj ba§ ttabijd) (ernte. 2Bir gingen in bie anbere

3tu6e. £>ier mar bie Seitfie be3 fo friüj geworbenen -üftamtee.

Sie Gonboürenben jpradjen in einzelnen ©nippen ron Meiern

traurigen gobeäfaOL Sa führte ber Sef>rer SBUfiefat an bie

Seite fernes Katers. „£>ier fielift Du/' jagte er (etje ^u

bem raeinenben Knaben, „Seinen Später. Su jte^ft um Wer

nicfjt mieber. SBerfpridj mir an Meier ©teile, Seiner Butter,

bie nun aud} Sein $ater i% immer ein guter 3ofm §u fein

unb in 3fllem gblge 511 leinen." llnb Der Keine 2Bt(^e(m

jdjhtg treut)er$ig in bie ilim Dargereichte §anb. Wdx gingen

bie Singen über. 3$ roenbete midj ab.

Dton bob bie Seidje in benßoffer*), r>erid)(of$ ifin unb

*) 2)te 3u^en mürben bamafö ntcfjt im Sarge begraben, fte

mürben tüetmeljr, tüte oben berietet tuirb, im Srauerbaufe in einen

ftoner gelegt unö öon ba in frfitparjem üoftfornmen bebecftem Setd»en=

magen nad) bem 2?egräbniBpmt$e überfübrt. SCCSbann mürben fie nacö

ber rituellen Reinigung gtuifdien lofen Brettern in bie ©rbe gefenft

unb begraben. £erSabtfd), autf) ftaboftf), ftibufcfi gejd)rieben, bitbet

ba§ @d)IuBgebet ber gotte§bienftlid)en £>anblung ber 3fraeüten. üNan

fennt bie £>eine'fd)en i*erje:

„ftetne äfteffe mirb man fingen,

deinen Äabofdi mirb man fagen.

?Hd)t§ gejagt unb nid)t* gelungen

SBttb an meinen Sterbetagen."

Page 91: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— S5 —

fd)ic£te fidj au, fie hinunter %a tragen, S)a ftürgte bie be=

jammemsiüerttje grau laut jdjreteub aus tyrem Säumer. „9)iein

3ftann! mein guter, guter 3Jtonnl" fd)rie fie mit einem

folgen Mu#bmä bes ©djmerje§, baß Sitte, bie zugegen raaren,

%n meinen anfingen. 9tur mit TOtlje fonnte man fie ab-

galten, ber £eid)e 51t folgen. 3ie fiel laut fd^reienb in bie

Sinne ber grauen, unb nodj unten Ijörte man iljr frampf=

Ijaftes ©efdjret

Unterwegs unterhielt id) mid) mit xBCoctj. @r wollte fid)

ein 2lir geben unb nannte fid) einen Steiften. SttS er aber

faf), baß id) ganj anberer Meinung war, fo fattelte er aud)

um. SBtr fpradjen Diel von Seelenwanberung, von (Seiger

unb bem Subentljum, unb er umuberte fiel), baß id) mid) fo

be» jübifdjen ©lauben» annehme. 25 er ©fei! 31(3 wenn man

nidjt treife*) effeu unb bod) ein guter 3ube fein formte.

3d) jagte ü)m bie», unb in ber Xfycü, id) glaube, iä)

bin einer ber befteu 3nben, bie e» giebt, otjne auf ba%

@eremouialgefe| §u adjten. 8$ könnte tote jener ^nbe in

Sßutwers „£eila" mein £eben wagen, bie 3uben aus üjrer

jetzigen brücfenbeu Sage 5U reißen. 8$ mürbe fetbft bas

Sdjaffot nid)t freuen, fönnte id) fie wieber §u einem ge-

arteten SBotfe machen. D, wenn iä) meinen finbifc&en

**) „Greife", ba* narf) iübtfdjem OtttuS Unreine, im ©egenjag

gu „fofdjer", bem rituell deinen.

Page 92: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 86 —

träumen nadtotge, 10 tft e§ immer meine Steblingeioee,

an ber 6pi|e ber 3uben, mit ben SBaffen in bcr ioanb, fte

felbftänbig §u machen.

2Bir waren anf bem Rirdjhof angelangt. Iqu, wie

fd)recf(id) Hebt 23arfd>aII aue! 3$ eilte tief erschüttert pon

feinem SJnblid anf bat ©rab meiner Sdjwefter, wo id)

meinen ^ater weinenb traf, meiner Schwerter, bie fo frühe,

früfye rjingeraeCft! Sic fata volunt.

©3 mar porbei, nnb id), feit langer 3eü wirfüdj tranrig,

machte mid) anf ben ^tüdmeg. Qm $u «dauie gelang e*

mir, bie büfteren ©ebanten weg^iKbenen.

9cad)mittag (a* id) meinem -Inner Den „©eifterfeber"

por. Garant wollte id) weggeben, aber mein Sater wollte

e3 nicf)t erlauben.

„2)u warft geftent aud) 31t lange weg," fagte er. „y

2i>ohin

roiüft 2)u je£t get}en?"

„Spalieren," antwortete id).

„•iftun, id) will mit SMr gelten, mein lieber 3obn. Sffiittfi

£)u $u Siebid) ober nad) &leinburg, oDer willn Xu Dir ben

äöallfifd) anieben?"

Qd) mar bierpon gerührt, ^umal Da ia) einjab, Dan mein

Sater nid)t Unredjt habe. ®r hätte mir früher Darauf be=

harren folleu. 3)od) beftauD id) auf meinen Sitten. Sater

erlaubte mir aber nid;t länger als 6t3 fünf wegzubleiben.

Ohm war' idi nicht weggegangen, wenn utdn gerabe Sauet

Page 93: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 87 —

gekommen wäre, mit bem id) nun 51t £>effe ging. 3$ t>erlor

unter fedjS Partien eine, darauf fpielte id) mit Sittauer

fed)§ Partien. @r gab mir bretfjig oor. 3)rei geroann, brei

nertor id).

9hm ging id) nad) Saufe, wo id) 2)ord)en grieblänber

traf, tue mid) fefjr ennuptrte. Gsrftenä Ijinberte fie mid),

mit 9)iutter ©carte $u fpielen, bann, Da id) nerbrietfüd) mar,

janfte fie ftdj faft fortioäbrenb mit mir. (Srft fpät, um

neuneinhalb, fpielte id) mit 9)cutter ©carte. 3ie uertor §ioei

©iföergrofdjen. SBater fpiette nun mit mir uttb verlor mer

Si(bergrofd)en.

Sftontag, 3. gebruar.

8d) §abe mit Qaim 3onnabeno meinen 3um# 9e3mfeinen älteren eingetauscht, inbem er mir uerfprad), feine

ßicero'Ueberfe^ung uon fjeut bi* (Honnabenb 3U borgen. 3d)

empfing ben 3umP*/ D0$ °^e Ueberfe&ung batte er rergeffen-

3d) fd)(ucfte feit einigen Magert fo oft imb fo ungemein

ftarf, oft ftunbenlang mit geringer Unterbrechung, ba$ mein

SBater mid) belegen gu ©uttentag fdjicfte, ber mir etwa*

uerfdjrieb. Um brei Ut)x ging id) m Samuel, ber in midj

brang, it)m 5U nerfpredjen, nid)t vox 1. 50tärj S3tffarb §u fpiefen,

mdtyeä SSerfpredjen er griebtänber, @rfd) unb fidj felbft ab-

genommen bat. 3d) (eiftete e* aber nid)t.

id) uon Samuel wegging, fiel xd) bid)t an meinem

Page 94: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 88 —

£aufe fo fd)rediid) nieber, Oub id) gleid) am SJtofc unb 5)hmb

3u bluten anfing ©in 3Jiann bob midj auf unb braute

mid), ber id) räum geljen tonnte, 311m Söater tn3 öeroölbe.

Softe biefer fid; eridjraf, gebt über alle Sefdjretbung. Da er

borte, bav, ÜDfottter weggegangen fei, brachte er mid) Ijinauf,

madne mir Umid)iäge mit faltem Gaffer. iDietne gan^e Dcafe

uno mein äRunb waren fc^redltcf) gejcr) wollen, überall «aut

loegeriffen, xoaä mir t-iel Sdmterjen mad)te. 3Mn SSater

fragte mid) beftänbig, wo id) 3d)mer3en l)abe, ja, er meinte

beinabe, ber gute fßater.

(St r-erbot mir, 311 filier 31t genen. 3d) ging aber,

meil id) votiere Stunbe gefetjtt tjarte. Sod) tbat eä mir nad)-

l;er leib, ba mir filier jagte, wenn ein £üftd)en 31t Der

Gkjdjwulft tarne, fo bliebe biefe lebewMänglid). tiefer ©es

banfe uerurjad)te mir bod) einige* Unbehagen. 3fibot traf

id), ber jid) wirflid) über mein ütejebeu entfette unb felir

Dtel Sljeilnabme 3eigte.

2(1* id) uadj &aufe tarn, war Die ÜDatttet ba, bie uod)

t)on nid)t3 mußte unb fid» baljer ntdjt wenig eridnaf, als

id) ihr mein Olbenteuer enatilte. 2Ü>enb3 lief) $ater mir

^aer^olb holen, Oer mir Umjd)läge mit Gjftg oerorbnete. od)

babe große, große mxd)t, bafs mir bie Dtafe bleiben wirb,

fo enflöe, bejonber* ift e$ meine 3d)wefter, bie Dtoc- beftätigt.

9to, unb wenn bieg gejdjeheu jollte, mein ®efiä)tdjen wäre

bann jtoot bin, aber id) glaube, id) mürbe mtd) am (iube

Page 95: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

89

uid)t fel)r betrübet betrüben. 9(ber bieg roeifc icf) oofitto, ba$

id) äße £>amengefetlfd)aft fliegen würbe; beim beim Slnbütf

einer jeben mürbe her ©ebanfe in mir aufsteigen: wieoiel

Sriump^e Ijätteft 3)u nict)t fetern fönnen, wenn nidjt ber

uerbammte gatt gewefeu fein würbe. 3d) würbe mid) blo»

auf ben &rei» männlidjer ©efellfdjaft befdjränfen, leid)tfinnig

wie id) bin, würbe id) mtdj wegfegen über meine 9kfe. 2lber

eine aewtjfe Brutalität würbe fid) meiner bemäd)tigen, wie

e3 {jcbem ergeljt, ber fid) uid)t in 2)amengefel{fd)aft bewegt.

SHenftag, 4. gebruar.

grül) ÜDtorgen» fd)idte mid) ber Bater m Dr. ©utten=

tag, ob idj au»get)en bürfte. £)od) er fowoljl als ^ae^olb,

ber brüben war, verboten e» mir auf» ©trengfte. Qd/weifj

nid)t, ob id) mid) barüber freuen ober ärgern fott. Bi3

3oitnabenb ijaben wir ^rioatlectüre, bie id) je£t §u §aufe

nidjt madjen !anu, weil id; ben jweiten £l)eil £>omer» oerloren

Ijabe, ferner Cicero- uub Xenoplwn^efte Sonnabenb abm=

geben, ^eute follte id) non Nobler £enopl)on', dou §atm

Gicero-Ueberjetmug befommen, unb nun feljle id). SBenn id)

nun and; Sonnabenb feljle, um pr ^rebigt ju gelten, fo wirb

£fd)irner bod) 9Jlontag mid) überfein l'affen unb mir meine

§efte abforberu. deswegen fd)rieb id) an &öl)ter einen

rüljrenben Brief, in welchem id) ü)n bat, mir um gtuölf

feine £euopl)on= unb §al)n3 §icero=lleberfe§ung ju bringen.

Page 96: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 90 —

gerner jagte id) ihm, er möchte fid) an Öünebnrg in Cbertertia

menben, ber mürbe ihm einen £>omer für mtd) anehänbigen.

(Lüneburg hatte mir ihn fcfjon uorigee Wcal geborgt, Unb

ftefje ba, ber fleine 3dntft tarn gar nicht.

Nachmittag las id) Gart Julius hebere Xemofrit.

Sßirflid; ein trefflichem £md). Sann fptelte icf) mit Blatter

©carte unb gewann fünf 2ilbergrofd)en. Dr. Ghtttentag oer=

fieberte mid), i)at3 bte Sicfigfeit meiner 9tofe jpurfo* vex-

fdnoinben werbe nnb verbot mir, anzugeben.

SIbenb* lieB midi mein guter 3ärtlid)er Batet nidjt hin=

aufgetjen in bte Mte jdjlafen, jonbern id) mußte midi mit

t()m in fein Bett legen.

9)iittn)od), 5. gebrnar.

©eftent mar, wie id) oeraejfen 5U erjagen, 23rief oon

gerbinanb an ^tiefchen angefommen, ben ftc mir gar nicht

nnb ber 3Jhttter erft fpäter geigte; unb wiewohl id) ihn

fpäter fanb unb lejen tonnte, fo tbat id) ee bod) nidit,

weil id) mir ben Qnhalt fo ju fagen catö betn Ringer fdmi&en

fonnte. ,,3d) nehme mir geroinanb bod)/- jagte ittiefdien

$um Skter, ber ihr ben Brief brachte, afö ue ihn geleien

hatte, unb bieS in einem tälfdjenben, probirenoen £one.

,,9Mrrd)eleben/' (ad)te ber Batet, Tu glanbft, wenn

er Xir ^ärtiidje Briefe jebreibt, mufft £u ihn heirathen? panier

ift gebulbig, unb in $ari£ lernt man Komplimente machen."

Page 97: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 91 —

3fdj ftieß 9Jhttter an, unb btefe liefe ftd) nun in ein weit*

läufige* ©efpräd) ein, worin fte ermähnte, baß and) id), ber

id) bod) früher fo ungemein für btefe SBerbinbung gewefen

fei, jefct bagegen fei.

„£u meinft aud), bau e3 ntdjtö tft, gerbinanbleben?"

fragte mid) mein SBater näljertretenb.

„SBarwn fprid)ft $)u gar nid)t einmal fo mit bem

SBater?" fagte meine 9)iutter äugfeid).

„äöeil e3 mir nid)t jiemt, bafe id) meinem Rkter

barüber fprecEje. 2Benn mein $ater mit mir einmal

barüber wirb fpreisen wollen, fo werbe id) ibm bann

and) meine 9Jieimmg an ben Sag legen."

•Jftein ^ater fdnoieg nnb empfahl ftd) ba(b barauf.

üUhttter nnb ^te!d)en fprad)en nun piel mit mir In'erpon.

,,3d) möcbte gerbinanb fdjon nehmen," fagte 9tie!d>en §n

mir, „aber wenn 3)u mir foldje 2lngft mad)ft, baß id)

bann wie eine 3ecretairsfrau unb fo (eben müßte . .."

„dlofy ärger, nod) ärger! (iebe (Sdjwefter," fe^te idj

in sutraulidjem £oue Ijütju, „glaube mir, £>u bift grenzen-

foS unglüdlid), wenn 2)u btefe Partie eingebt, 2)u l;aft

feinen begriff baoon."

9tiefd)en würbe nadjbenfenb, traurig.

Butter trat je£t aud) mit größerer 3uoerftd)t auf/

weil fte gefetjen, baB $ater aud) nid)t fo bafür wäre, wie

fte el immer glaubte unb 9tiefd)en e§ ü)r glauben mad)en

Page 98: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 92 —

wollte, trofcbem octB id) fie m ubetgeugen fudjte, bau man

ftdj in S&rtet taufte. Sie* geftern.

igente fam nun Dnfel griebfänber, ber erfahren wollte,

rocß gerbinanb an 3t gefdwteben bätte. 3u^ e^ Dai er

iHiefdjen, eine Antwort fettig gn machen.

3Q)enb3 nmtbe xM hierüber bieputirt. Dinner rietf),

gar nierjt ju fcrjreiben, benn wenn 3fäefdjen wieber einen 23rief

im gewöhnlichen SiebeSfüI fdwiebe, fo muffte gerbinanb benfen,

bau nod) SCtfes feinen alten ©ang ginge. 3dj tbat itjr

aber bar, wie gerblnanb, wenn er feinen Srief erhalte, allen

anbeten ilrfacben 3a)nlb geben tonnte nnb, wenn er ganj

aljitte, bod) feine ©erotfjlieit batte.

„2Ba3 ift aifo $u tlntn, fragte ?3intter.

„Gin Sörief mufj gefdwieben werben, aber ber ^ittjalt

beffelben eben ber fein, baf} Dfäefdjen feine Jraw nicfjt werben

fönne."

äJteme 2Jhttter gab mir r)tecf)t.

„2Ba$ foü id) aber mit Dnfel Jrieblanber machen?"

fagte ^tiefdjen. „2£enn er morgen fommt, fo erhallte id) Unit

9flle3, wae ^br fagt nnb ber -Inrter, unb bafj ntdjtS oarait*

wirb." .

(3Mobie: „Me, 30Ie, Sfia^et ift fein' ftatte, hoffen

ift fein Gboifen" ic. ic.*)

*) 2>te ©acf)e ift au5, ftabel ift feine SBraut unb 9Jatl)an fein

Söräutigam mefji.

Page 99: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

93

„£bue bete," meinte Ttvsüec, „erft aber foge e§ bem

SBater, fo wirft £)u bodj feine Slntroort boren."

3$ fd^üttefte mit bem $opf.

„SBag meinft 2>u?" fagte Butter.

„3$ meine, baß Später ber S^tefe gar feine Antwort

geben wirb, bod) bann mag fie e§> 2Ibettino immerhin er*

Steine Sßropljegeiimg ging in (Erfüllung, Skter anU

roortete gar ni^ts anf Sfäefdjjen* Sßorftettungen. $odj a(§

Cnfel griebfänber anberu %a(fi tarn unb fragte, ob fie fcfjott

getrieben fjabe, gab fie feine beftimmte Antwort, fonbem

entfdjuüngte ftd) mit ÜDfangeC an 3eü.

„gerbinaub läßt SMdj in feinem 23rief grüßen/' be*

gann 9tiefä)en §u mir. „@r metß tiidjt, wie $)u 2)tä)-ges

änbert fjaft. £>u mußt bod) einen ©rnnb tjaben. 9?enne ir)n

mir."

Qdj weiß wabr(id) fetbft ntd)t, wiefo idj mid) fo ge*

änbert, ber idj fonft an einer einmal gefaßten Meinung fo

feftbänge unb bod) gewiß triebt wanfetmütfiig bin. Sfeußere

Ginbrücfe finb e§ nidtjt. JMn Sftertfäj bat mid) gegen

üjn einnehmen motten, Unb id) bin audj nid)t einer t)on

benen, bie i()re Ueber^eugung aufgeben, burd) bie Autorität

Ruberer bewogen. @» tft ein geimffe» je ne sais quoi.

Dfttr tft ba§ £>erä bertocttibelt unb qetoenbet,

@§ fliegt üor btefem fj-erbinanb äitrücf.

Page 100: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 94 —

Xod) mirflid), wenn id) nur isn minbeüen glaubte, bau

an ber Sßartte ums wäre, fo mürbe id) nidjt bagegen fein.

SIber id) fjabe bie feuerte Ueber^eugung, bog mttfyen un-

glüdlid) werben würbe, weil bie 2(bbängtgfeit, in ber fie fidj

beftnben würbe, gar $u (äftig, ber Mangel gar ^u brüdenb

wäre. S)a$u fommt, bafj idj ^Kiefdjen fenne. 3$ ty&*

aber aud) bie feftefte Ueber$eugung, bat} cut§ biefer Partie

nidjts wirb.

£onnerftag, 6. gebruar.

©leid) früf) tarnen mir mieber auf imfer alte* abge=

brofcfyene* Sliema suriief in betreff ttfietxbene unb gerbinanb*.

(Gelobte: ©buarb unb Äunigunbe.) jHieixöen meinte unter

2(nberm: „Unb wenn id) aud) gerbinanD nid)t nebme, ben

erften heften werbe id) nid)t nehmen. (£§ in gar feine

Partie ha/'

§lug* entgegnet' id) brauf ber alfo fpredjenben 3 d) weiter:

„2o nimm bod) ben £-. au* ^nowratfaiu,"

3d) wei|3 nidjt, ob id; feiner hier fdjou (rnuäbmmg

getban habe, wenn nid)t, yax 3ad)e: (§3 jift biei ein SBer*

wauDter non äftabame Sßaierf, ein junger 3Wann, ioridit

vier Sprachen, von febr reifer gamilie, bat felbft 30—40,000

Sljaler unb tarnt ftä mit biefem nervus rerum anüebelu

wo er will, oerlaugt eine gftau mit 16,000 £baleru — beim

ba bie grau bie Hälfte be8 3ttanne3 ift narii ber heiligen

Page 101: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 95 —

23ibe(, fo foü fte and) bie Hälfte feines Vermögens Ijaben

—, bod) tft fte l)übfd) unb gebitbet, 10,000. 9Jtobame

SPaiert vM nun t^n mit beut SBater ju granffurt 23efannt=

fd)aft madjen unb bann tjerrommen (äffen.

" ,,&"/ entgegnete bie 9)iutter, „wirb wenigstens 8000

£tia(er motten, unb SBater giebt bie nid)t."

„mqtr„Stein, er tfyut fidj fdjou, menn er 6000 Später giebt.

5000 Xfyalet giebt er wenigstens, bei 6000 Spater ftrengt

er fid) an. SBenn er fte aber mit 8000 witt, will iä) meine

diamanten herausgeben unb fie nerfaufen. ©a merbe tdj

and) 2000 Spater bekommen."

9ta, frage td), giebt e§ nod) fo eine Butter? -Wein!

nein! nein! Qdj aber mürbe gornig in geregtem Unwillen

unb erinnerte üftutter an jenen 23erS über granffurtS Sporen.*)

SBater tarn fpät 216enb» nad) £aufe.

Diittter unb 9tiefd)en Ratten ftdj 9tad)mittag fe£)r gekauft

unb sJtiefd)en t;atte fidj fd)on um fünf in» söett gelegt.

SDieS flagte nun 3Jhrttet an SBater.

*) £affatte meint ben ©prutf), ber neben einer an mandjem

8tabtttjor 9corbbeutfd)Ianb§ aufgehängten ®eule angebrad)t ift:

2ßer feinen Ämbern giebt ba§ Orot

Unb leibet nad)tnal§ felber 9totf),

2)en fott man fdjlagen mit ber tele tobt.

Page 102: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 96 —

,,2(d)!" feufete biefer, „eä ift ein trauriges Gkfdjid,

jeben £ag rieten 51t muffen jtmfdjjen Jsvau unb Soditer,

Üftutter unb fönb. 9)cein (Botin," fagte er, inbetn er mir

bie §anb gab unb mit mir auf unb ab ging, „mein *3ohn,

obne grömmler ju fein — ba£, weifst Su, bin id) nidt)t

—, glaube mir, ift es ba* 23efte, ftd) auf Öott ueiiaffen,

rate unfere beilige 3d)rift fagt: ,Uebergieb bem §errn ^Deine

2Bünfd)e, unb er nrirb für £)tdj forgen.'*) 3iefje, xä) tjabe

traurige, traurige Qabre Deriebt unb banfe nod) Öott, bafc

er mir bie Energie r>erliel), nid)t nachgeben. 5lber T>u

luetlst nidjt, raie unglücflid) \ä) mid) füljle. £)a DfieMjen

fo betjarrlid) raar bei ibrer unglüdlid)en Neigung, fo raar an

feine balbige ätufföfung 511 beuten. £>ier in Breslau raupten

e* We, unb fein anftänbiger junger 90?ann Ijätte ein 9Jiäod)en

genommen, baS einen O'fabern liebte unb (iebt. 3$ formte

mid) auf gar feine $bee einer auswärtigen 2>erbinbung ein=

taffen, weil Seber, ber in foldjer 2lbftd)t bierbergefommen

raäre, audj jenes unglüdticfye $ert)äftmfj erfahren bätte. 5(n

eine Partie, fo fange jene Siebe anhielt, war alfo iiidit ;u

benfen. Hub bod) hatte id) früher geglaubt, burdj 9ttef<$en£

ßigenid)aften, burd) meine Stellung, meine 5Bert)äftniffe an*

ftänbig $u forgen. 3d) rmißte gar feinen SfoStoeg. S)a t>er-

*) „befiehl bem *oerrn Seine ii>ecje unb hoffe auf ihn; er toirb

es tuot)[ machen." ^falm 37, 5.

Page 103: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 97 —

liefe id) midj auf ©ort. Qd; fjatte bal fefte Vertrauen, ball

er Weä jiuit ©uteri teufen un'rb. (Et bat mir mt(^ bie

Qbee eingegeben , immer gegen bie SBerbinbung 51t fein.

SDenn glaube mir, alle menfdjfidje $lugt)eit reidjt nidjt au§."

So fpradj mein roürbiger SSater.

Sonn ab enb, 8. Februar.

Qd) batte rro| ber Sitten meiner 3Jhttter befdjloffen,

beute jur Sßrebigt 51t gerjen. Söäftrenb mir um anzogen,

fam Staun au* Qlafe, ber Butter febr animirte, fommenben

Sommer nadj (Srafenberg 31t geben.

2Btr traten in ba§ öotteetjau*. (Eben f;atte (Seiger bie

fanget betreten, unb nadj einem rurjen ©ebet für fidj fprad)

er mit falbung§oollem Son bie SSorte feines Sterte*: „§err,

fo mir einen %$au unternehmen, unb S)u fegnejt ibn nidjt,

was fottte es ba für ein 23au werben!" 2c. unb fefcte nun

auseinauber, bafj bie» wol)l r-on jebem Sau gemeint fei,

ber in bie äußere ©rfMeinung tritt, mie and) r>on jebem

23au, ben mir in unferm Snnem unternehmen. „3n eurem

Innern fottt ibr betn £erm 'Stempel bauen." darauf

fam er auf bie Sßorte ber Sdjrift: „S)a3 ift ein £ifdj be*

§errn." „So ibr reblid; eud) euer 23rob erworben, fo f'önnt

ibr fagen: bas1

ift ein Sifdjjjes £>errn. :

: 3o aber an euren

Speifen ba3 Stut berer flebt, bie \i)x unterbrüdet, in euren

©etränfen bie Sbränen ber SSittroen unb SBaifen finb, bie

5J5 au r Sinb au, yferbinattb SaifatteS Saflebucö. 7

Page 104: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 98 —

M) mit fHecfjt über endj beflagen, roie mottet üir bann bin=

treten oot hen §emt nnb itmt banfen für bo§, bog er encf)

gegeben, roerni ibr e3 feinen öefdiöpfen entriffen babt!"

3d) lab mid; bei biefen Porten nad) emtgen 8e*

formten um.

(rr berübrte barauf ben 3afe, bafj bie (Mehrten nnb

Reifen nidjt mit ibrem SBtffen pntnfen Tollten. 3ie fottten,

wie es in ber 3d)rift fjeijjt, einen ^ecfel barüber Rieben.

„Dlber boct) fallt ibr, lieben Jreunbe, euer SBiffen änf3er=

lief) erfennen (offen , bnrdj eure Saaten. 3w3 euren

Saaten fod man nrtbeilen fönnen nnb bie -}kad)t eureä

2ötffen3 erfennen." Unter Smberm roarnte er oot ßebenS«

überbrufj. „Oft fdjetnt 3Jtondjen ein @)t)ere3 in btefem

\icben ntcfjt ba 51t fein, uc fetten genen fterben in 2(rmntb

nnb 3enen leben in Itebermutb nnb fpredjen: ,2(cb, eS ift

nickte ^ötjerec- im £eben\ Stber, lieben jjvreimbe, »erat bie

Sonne nidjt ftrablt, fo ift e§ nidjt, roeil uc ihren &ian]

oerloren bat, fonbern Mos roeil SSotfen über ber (rrbe ilire

3trablen auf einen Sfoaenbttdf nidjt but^brinaen raffen."

ßurj, ©etger madjte, obmobl biefe feine Sßrebigt lange

nidjt feine ootige erreidjt, roie man fagt, einen großen ©hu

bntd auf midj.

•Radjntütag ging idj ut ^fiDor, Der mich fehr über

meine üftafe bebanerte. äSHr gingen ;n ©effe, wo id) beute

rrterhöfirbiaeS §ßedt) hatte nnb fieben Sitbergrofdjen ausgab.

Page 105: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 99 —

Sfibor ging in bie San^ftunbe, ify 51t 9)ianatfd)a[, dou ba

nad) igaufe. 2ßir fpieften Biquet, imb Butter fonnte Ijeute

fein etnjtge^ Spiet gewinnen.

Montag, 10. gebruar.

21(3 idj am ber Schule wieber nad) §aufe tarn, war

wieber — 511t 2ß>wedjfelung — großer Saat gwifcfjen -ftiefdjen

imb 3Jhctter gewefen, unb 23eibe weinten fd)red(id). WM

nun $ater 3Jltttag3 effen tarn unb bie 3Wutter wieber feljr

$u weinen anfing, würbe er, wie natürlich, fel;r 6öfe unb

üerbrietfticf) unb afs feinen 33tffen. 3'dj rebete fo r>iel wie

mögtfd; 9ftefd;en unb 3ttutter gut ju, gab Reiben 9ied)t unb

Reiben Unrecht, fo ba§ fie fid) etwas näherten. M§> 8töenb3

SBater nad) £aufe fam, fo wollte er anfangs nid)t effen. 3)od)

t>ermod)te \ä) üjn enb(id) baju.

SMenftag, 11. gebruar.

$ater bradjte mir (jeute ben Sßtan uon bem ßeipjiger

unb Hamburger Qnftitute. Qdj la§ ir)m beibe twr, bod)

eutfdjteb er fid) nod) ntd;t für eine*. 3)a3 in Hamburg

fdjeint mir weit praftifdjer 51t fein, aU in ßeipjig, wo e3

meljr fdmtenmäfng ift. Sind) jieljt e§ mid) fdjon besbalb

nad) Hamburg, weil bie ©tobt größer unb fd)öner ift, unb

and) in 33ejie()ung auf baZ I)äno(id)e Seben man bort lange

utdjt fo gefeffett unb bemadjt ift, wie e-3 axß bem Seidiger

7*

Page 106: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 100 —

Dregnfatiü beroorgebt. 2Bertn idi aber nad) Hamburg fomme,

fo gefd)iebt bieg erft im Sunt, ba bcr SSater bann erft 3«t &at

9fttttraod), 12. 5 e bmar.

3$ ging bente ptn 3dmeiber 2BoIf unb fragte ibn, ob

er einen 2Imor Ijahe. ßx bejante bie*, fagte mir ben Sßreiä

(p>ei Sbater) nnb befteüte mid) anf ©ormerfkg Mittag. 2ff3

iä) nnn nad) iganfe fant nnb Driefdben ee ber üDfctttet er=

jäbtte, fo mollte biefe ibr ^enorecben, mir einen £baler

ba$u ^n geben, riitrüdnebmen. Sie batte mir 'xaa,* oorber

einen 2Tba(er oeriorodjen 51t einem ©efdienf für bie 23rant

ober einer äßaSfe. §s tarn ut einem flehten C^änf, nnb

td) fagte, roae \§ and) baften werbe, baf$ idi obne 51t Renten,

nnb obne 3Jto§fe nid)t geben mürbe.

Sonnentag, 13. ^vebrnar.

3n ber 3d)nfe mad)te idj mein 6ebicbt für Den Wolter;

abenb. $lati) &auk mrüdgefebrt, enoirfte id) bie (§xlaubmfj

burd) oie(e^ bitten, afä 3(mor geben p tonnen. Untier gab

mir 6r(anbnit3 ju geben, aber fein C^elb oaut. Butter fdienfte

mir einen Sbaler. StöenbS madite idi ein ßeDidit für

9Hef<$en als ^ortnna.

Freitag, 14. Februar.

Diadimittaa,* nm vier Mir licü idi mir meine 3Ra$fe

bofen nnb fanb, baß (U mir fdiöu ftaitb.

Page 107: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 101 —

Sonnabenb, 15. gebrückt.

3<f) ging ju ©eigerS Sßrebigt. ^adjmittag 30g id) mir

meine SQtefe an. SBir warteten jeljr lange anf Bingens

berge. 3ie tarnen uidjt, nnb wir nutzten enblict) oljne fie

fahren. 2fof bem ^olterabenb felbft amüfirte id) midj feljr

gut. äSefonberS meine 9)ia*fe als 31mor gab mir Stoff ju

Dielen äSejiefjungen. s8raiuer*borf» ©ruber (Spaner!) mar

ebenfalls afe Amor ba. Die Seute wollten mir oerftdjern,

bafj id) }d)'6n auejälje, jowoljl fernen al» Damen, söefonber»

mit Chnma fraget amüfirte id) rmdj jeljr gut, bie id) mit

bem 3flori| Sera; fefjr aufeog. SJtefer, ©raefenljageu, be=

fonberS Spanert, behaupteten, Amor Ijätte eine ©eoonre ©ifen.

Sefonberä mein Streit mit Spanerl amüfirte midj jeljr, bem

id) mid) freunbicfjaftlid; anfdjfofj nnb fogar bnjte. „gören

Sie, Sajfaf, 3ie ftnb ein oerbammt matitiöfe* £uber, aber

ein nrifctger, ercetlenter £erl nnb weit gejdjeibter, als 3§re

Qat;re es fermntfjen (äffen. SBenn Se fünf 3a§re werben

älter, ba wirb e§> bie 28eft nicf;t mit 3§nen au§|aften."

SÖSaS mein llrtiieil über Spanerl betrifft, fo ift er erftenS ein

n»|iger, geiftreidjer &erl, fpridjt gnt franjöftfd), nnb fjat

norf) alte gebiegene ©Übung, ba er fdjon Abiturient war.

Sonntag, 16. gebruar.

2Bir fuhren gut god^eir. öäniger, olim Q3acdm»,

SSeba, geftent Apollo, nnb \d), amüfirten un§ auf eigene

Page 108: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 102 —

muh, mäbjrenb ber etroaä [angtoeiligen (Spodje uor ber

^rebigt. (Seiger l)ie(t barauf eine fefjr rüljrenbe 9tebe. §icr=

auf tranfen mir Kaffee nnb allen, wobei id) mid) über ben

§eif3f)unger fiäniger* nnb ä3eba§, 3paner(e nnb 3d)fod)ow*

febjr amüfirte. darauf tiefen mir in ben Giaterien hemm,

hiß e§ jnm Gffen ging. Tarn tl;at fttfj bie neunte Gompagnie,

beftebenb aus fedje jungen Seuten, unter 3paner( jufantmen,

bie feine ©amen engagirten. 3d) trat ifjr bei. 9hm wollten

©panerl unb 2Ben|e( nnb ein dritter inconnu mid) burdjs

au§ befoffen madjen, aber id) bad)te an £rappi£ unb hütete

mtd). 2Senfce( er!(ärte nticr) ein über ha* anbere 2M für

uncommentmäfng, unb id) würbe nerbammt, mid) immer auf

üoHe 6(äfer fjerauempaufeu. 3d) toat e§ immer, aber tränt'

babet eben fooiel GJläfer Gaffer, erging mid) in ber -Weben*

ftube unb Ijütete mid), wie in ^rapuife, fünen unb fauren

SBein 511 mifdjen. 3panert felbft fagte mir bann, er wnnbere

}iä) f bat"} id) nidjt betrunken geworben bin.

Um oier Uhr tarnen wir nad) £ann\

Montag, 17. geh mar.

Soor ad)t Ubr brad)te mir Werftenberg nod) meine

beutfdje Arbeit. Qd) batte ihm näm(td) 3onnabenb erzählt,

bafj id) eine febr lange beutfd)e Arbeit über Sonntag mmad)on hätte, bteS bod) aber fd)ted)terbingv uid)t angelv. Cr

l)attc fiel) fogleid) erboten, fte mir m madjett Ta bteS aber

Page 109: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

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nidjt gebt, weit bie Arbeit bie Sßfjilippi'fdje Siebe betrifft, fo Iiatte

id) ifjtii nad) R3erabrebung Sonntag mein Unreines gegeben,

nnb nun braute fte mir. ber gnte 3unge mä teilte getrieben.

3n ber 3dnt(e fcf)Cief id) ben ganzen Sag.

itebrigeu* ()abe id; gefunben, bats midj bie £iod)3eit

and) mel Gelb gefoftet. Vorigen Sonntag fjatte id) einen

Spater ad)t;elm Silbergrofdjen: einen Xljakx non ^ötjler,

adfeelm ©ilberarofdjen üoh 9)i"ama. 3e|t Ijabe idj nur nod)

§ef)ti ©übergrofdjen in ber 23örfe, t)on benen id) (tebenetn^att

meiner 2d)toefter fd)it(big bin, nnb bie idj, mei( e§ nid)t*

£al6e» nnb nidjtS ©angeä ift, fo fdjnell at* möglich aus*

geben roitf, um bann gan$ anf bem Srodenen 31t ft|en.

Male parta. male delabuntur.

9Jtittiuod), 19. gebruar.

Tat meinem ©elbe bin idj fertig, nnb ben Statte* ijabe

id; nnn.

SBater fragte mid), ob e* ma()r märe, baft idj in einer

G5efeHfcr)aft gefagt fyaben fott: „Sföein SBater wirb nid)t feine

einzige Softer einem Sßartfer mit (eeren Saften geben."

23er mir biefe fdjänblidje £üge erbietet, roeif} id) nicr)t. SBater

aber fyat fte nom Dnfel griebtänber.

£)onnerftag, 20. gebruar.

od) fteftte meinem Spater beute r»or, ba$ midj bie

§od^eit einen Sbafer r>ier gute 6rofd)en gefoftet bätte, nnb

Page 110: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 104 —

bat Um, mir boct) ehoaS bagu $u geben. ®3 mar umfonft.

3$ 6at um jeljn Sübergrojdjen für ben llbrmacrjer, aber

SBater meint, bie§ fäme mir 51t mit meinem ^Tafcrjengeibe 511

beüreiren. Denn bat id) um bie mergeln Sübergrofdjen

^rafcrjengelb, bie idfj m forbent tyibe. SCber Sater gab fte

mir rndjt, nntrbe jornig, fdjrte midj febr an nnb befallt mir,

ba3 3Jfaul 31t ijaiten, obgleich idj üorfteüte, bau id) feinen

Sßfemrig ©e(b iiärte. £a mar mein ®ntfd>&tfj gefaxt 3d)

nalmt meinen Soft nnb meinen Sfogujl nnb ging bamit 311m

Antiquar, ber reichte mir fedj§§efm 3i(bergrofcr)en bar.

Freitag, 21. Jebruar.

3n ber 3dmle erfuhr id), ba bie Goubuiteu fdion

circuliren, bau mir i£fdjtraer getrieben liatte: ber Sitte. Unb

ba3 fränfte mMj feijr. 3$ ^atte mid) feit voriger (Senfur

etiuac- mefjr angeftrengt nnb bebentenb mebr geleiftet. @3

irr, rote id) ofme ^arteüidjfeit für mid; fagen rann, eine

Ungeredjtigfeit. 3<lj machte Setradjtungen. 34) Dadjte nad),

rote e3 fäme, bafj fo ein Mennige, -^reifer, Die mir bod),

roie idj felbfr lagen mufj, an Talent, SfoiffaffungSgabe,

tie / öeurtfjeuungSfraft, ^erftanb, ©eiji nadmelien —nnb bieg fo weit! — gute Gcnturiren befommen, roafjrenb

id; feine &iemß4Je erlangen fann. 34) badjte nad), rote es

fommt, baß ein 2Boff(jetm, ber jToar Diel Genie liat, aber

}o faul ift roie id), auf Der erfreu 8anf ui3t unb id) auf

Page 111: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

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ber inerten. &Öl;(er jagte in ber Stnnbe gu mir: „äBeifet

£n, Saifal, üfj tjabe fo oft über wtö 23eibe nad)gebad)t, unb

£)u fannft ee mir mirflid) glauben, wir 23eibe paffen anf

lein ©ijmnafium." Unb en verite, id) tarnt leinen anberen

Sdtfufj sieben a(3 ben:

Hie surn barbarus, quia non intelligor Ulis.*)

Souuabenb, 22. gebruar.

•Dladjmittag ging idj ju Stomtmf, mid) frifiren 51t iaffen,

ba totr 3nm SEfjee bei ©. £eoi>3 intntirt waren. 21(3 icf)

nadj §aufe lam, waren bie Cetera fd>on angezogen, unb

SSatet lam mir entgegen mit einer Dljrfeige, ba er über mein

langet fcbleiben pifirt unb 9)cutter ängftiid) mar. £>od)

mar idj nod) frob, ba& SBater nid)t aljnte, wo id) gemefen

mar. Sei Sern;» amüfirte td) mtdj fefjr gut. SBefonberS

bie £ab(eaur unb bie ©ebidjte dou ©manuet maren tjerrücr).

8dj afs unb tranl nad) 2tfögftdjfeit vxd, aber feit ber ©e^

idn'djte mit &rappi§ Ijüte idj mid) mof)(, über mein 9Jiaf3

binau^ugeljen.

ÜWontag, 24. gebruar.

@» ging mir §eute redjt lomifd) in ber edjnte, unb

e§ fann mofjt fein, ba§ id) redjt r>ie( Erfahrungen in jroet

') Barbarus hie ego sum etc. Ovid. Tristia lib. V. X. 35.

Page 112: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 106 —

3?.Btimben gemad)t habe. 3$ ging nämlid) in bie 2d)n(e,

wie gewöt)n(id), ofjne mein gried^ifd^eS unb [atetntfdjej Grer-

ctthtm 311 baben, wie id) ne beim feit einem liaiben Sa^re

immer erft in ben 3timben ßödjerS unb DfäibtaerS madie.

3dj fann mirf(id) bentlid) an mir jeden, maä Ungetetpafeit

nid)t bewirfen fannl Site id) nad) Secunba fam, mar id)

mirf(id) fteifng nnb ftrengte mid) an. 2tfS mm ^3robe ge=

jd)rieben würbe, fo t)erfid)erten mir alle Sßatteilofen ber ßfoffe,

bafs id) Gmter ober 3toeitet ber Dienen werben würbe; fogar

meine geinbe jagten, bog id) nm oier bfö fünf berauffomni en

würbe. 3U )ener 3e^ erinnerte id) mid), in ber grölen SBer«

witnbentng über meinet -JtadjbarS ganibeit geweien m ;

a(e id) ilm einmal feine (rrereitien in Der Stunbe, Die Der

lateinijdjen norberging, mad)en fall. 3n Der 2din:e frembe

arbeiten m mad)en, bog war nidite Itngewönnlicii^, aber jo

— wie jott id) jagen? — jo fid) auf fein ante* ©lud moerlaffen, bafj man bie arbeiten, b

:

e man in einer ©tunbe

abgeben mufj, eine StitnDe vorher anfertigt! Sturg barauf

fefete STdjtrner mid) eine San! liimtnter. Tan e§ bie totalfie

Ungered)tig!eit war, fagte bie gange Klaffe, nnb roal imvr,

mein Gewußtjein. Unb feit jener 3«* bm id) in A-anllunt

öerfaffen, bamit id) bod) baä §erunterfefeen niän nnoerbient

erleiDen möd)te, unb biefe Aanlbeit ift wirt'lid) nidit gar m gering.

Tod) mr 2ad)e. Qd) fam wie gewölmlid) olme Cr-

ercitien in bie 2dntle uhb wollte (te roieber wie gewöbmich.

Page 113: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 107 —

von £enfel Borgen. 2Ö>er mit bem ©rtedjifdjen war er

nodj nidjt gang fertig, imb ba* Sateinifdje gab er eben

§al)n. @* ift biefer Qafyn ein 93ieufd), her alle 2/nlage

Ijat, ein waljrljafter 23öfewid)t 51t werben. Dtabifdi, finbet

feine fd)war^e Seele in ntdjtä meljr Vergnügen, als* in

ber SDtifere Stnberer. £)abet Ijat er einen fdjarfen, bitrd;=

bringenben SBerftanb, xM Slusbauer, 2Bi£ nnb geigbeit. 2Me

feine ficmbhmgen werben iwn bem fd)red:lid)ften ©tgennufc

geleitet, ber fidj benfen täfjt. 9)iid) Ijaftt er, wie id) e£

woljl weift aber biefer ipaft, fonft fo beuttidj au§gefprod)eu,

tritt jebe§ntal in ben ^intergrnnb, fobalb e£ feinen SBortfjeil

gilt, fobalb er mir etwas oerfaufen ober von mir etwa§

fanfen will, ©efdjäfte, beren id) vki mit ifmt gemacht l)abe,

benn id) gelje gern mit iljm um — ba£ Reifet, luoS m ber

(cdjule —, nm meinen S3lid 31t üben in ber 9Jcenfc(jenfenntmf3.

tiefer £al)n nnn bemüljte fidj eben, als £enfel mir

oa* griedjifdje, ©rercitinm reiben wollte, e§ mir oor ber

9?afe wegjnfdmappen, imb e§> gelang il)m. Unb merfmürbig,

id) fonnte Ijent fein (Srercitium befommen. Ml)ler Ijatte

feine an Sturm geborgt. Sangen nnb $od arbeiteten. $><§

wnrbe wirflid) et\va§> ängftlid). 6& wirb immer fpäter nnb

id) Ijabe nod) fein ©rercitium. £)a breite id) mid) nm unb

auf mir rul)t fd)abenfrol), teuflifd) lädjefnb, §al)n* tüdifdjeS

2luge. tiefer 53lic! geigte mir bie gräfilidjfte Sdjabenfreube,

bie ilm belebte; aber biefer 23licf f)cd aud) in mir §af3 gegen

Page 114: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 108 —

it)n ent^üiibet, gafj, ber, bei meinem SBort, lange wahren foll,

bis er ft<$ gefüt)(t tjat. 3dj Ijaffe außer ttjm nur uodj

einen ätfenfdjen, nnb ba§ ift £ 216er, bei Sott! tdj

glaube, biefer £aJ3 — nnb gegen (enteren befonber» —rairb emig banern !!! 93iein Leiter jagt, er gönnt iljm nidjtS

33öfe£. £a, über bie gutmütigen 2öeib*naturen, £ob

üjm! @(enb! öerntdjtung werbe idfj bie 5n meinem legten

2(ugenblide ilmt müufd)en nnb, bei ®ott! e3 ntd)t beim

bloßen SBünfdjen bemenben (äffen. „Selbft £anb an* Sßerf

gelegt" nnb „SBon ber Stinte Ijeifj" :c.

G* fdjlägt nenn, nnb id) £;a6e uocf) fein Grercitium.

S)a menbe tdj midj an teilen, ber erft rurjtidj ju uns oom

reformirten Ghjmnafium getonten, nnb ber mein befter

grennb mar, fo lange tdj jene* ©nmnafium befudjte. 0(n

il)it manbte tdj mtdj in meiner tjödjfteu dloti). 3djon glaubte

idj and) tn'er eine abfdjlägige Antwort baüonptragen, aber

nein, er jagte e» mir jn, bod) wollte er es fiel) blo* nod;

burdjfefjen. ^d) wartete eine SSterteTftunbe. Gr mar uod) nid;t

fertig. (£ine Ijalbe 3tnnbe verging, ba befam id; bie 2mt=

mort: er fjabe es fid) %um ©runbfe^ gemadjt, feine (hmitien

nid)t Sit verborgen, nnb rootte baber feine 2(u*nal)me madjen,

fo (eib es iljm and) tl)äte. 3$ lad)te laut über ben guten

Areunb. S)a eublid) erljielt id; ein (hvreitium. „Diad; fo

Dielen Seiben" :c. Stoet ber beutige Vormittag bat tiefen

Ginbrutf auf midj gemadjt.

Page 115: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

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grettag, 28. gebrnar.

Seilte fam ber Dtector mit ben donbuiten. 3Keine

mar, wie tdj roransfeben fonnte, §temßdj fd)fed)t. S5a rief

ber Sftector meinen -Warnen. 3$ ftanb auf, nnb afe er mir

bie fdj(ed)ten geitamfie norfa», enoiberte id): idj wüfite nidjt,

wie id) bog oerbient Iiätte.

„3a, ja, Saffaf," entgegnete Sdjönbom, „man läfst

36ren SBerbtenften mir feine ©eredjtigfeit wiberfa^ren. Tod)

— nnb bierbet langte er mir bie ßonbnite ju — fagen

Sie, warum felie id; nid)t bie llnterfd)rift 3bre§ 3Sater§

unb immer bie 3fyrer SOtittter?"

„23ei( mein SBater öftere- abwefenb ift," ertmberte id).

llnb in bem 8utöe Mätternb, fügte id) Inn^u: „Tod) ift and)

feine ttnterfd)rift ba."

„Soffen Sie bod) einmal feben, mo baS ift."

3d) (angte ba* £md) binüber.

„Gin einige* Wal hat Qftr SBafer untertrieben nnb

ba* mar noriges 3a()r. 3ft 3br $ater fd)on ein 3abr ab*

mefenb, ober Mos immer, wenn Sie bie (Senfuren bekommen?"

„Dcein," enmberte id) nnb id) glaubte feft, ber -ftector

würbe jn meinem Später fdjtcfen nnb iljtt bitten (äffen,

fetbft 311 nnterfd)reiben. „Söemt SSater and) ba ift, fo lätlt

er bod) mandmtal bie Genfur non 9Jtutter nnterfdjreiben/'

„Ta§ miß id) 3(men erflä'ren!" fdjrie Sd)önborn.

„SBeü Sie bie denfnr nie bem $ater nnb nur ber

Page 116: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 110 —

SJcutter seigenl" ©er Wlcam untfste nidit, Dais idi es in

Sirtuofitat io weit gebracht babe, fte Diiemanb 31t jetgen.

„3tt>er baS verbitte id) mir! £ie Unteridirift 3brer untrer

gilt gar rridjtS."

„.looiio!" badjte idj, „meine 3Kutter bat procura."

8e|t gab er mir ba3 Sudj nrieber. (Eine Gentnerlaft

fiel non meiner Sruft c&3 id) ba3 Keine Südjlein nod; in

ber §anb Iiatte. 3)odj mar mir baS ©enge iebr unangenebm,

unb id; mit! aud) gleid) lagen, warum. Si3 jefet Iiatte id;

immer ben tarnen meiner äJhrtter uuteridirieben, unb es bielt

mid) eine gemiffe (2l;rfurd;t bauen ab, baß gen)id;tige J&qp

mann Saffal" l;imuid;reiben. 3)ie3mat mußte id; aber bieje

2d;eu ablegen, unb 10 bradite id) anbem %aqß meine Geniur

üom Sater unterfd;rteben, nämlid; von mir, ber id) nad)

Sebürfnifj Sater, 9Wutter unb 2obn bin.

2£irflid;, wenn mein Sater über ba§ ©onbuitenroefen

bie rid;tige 0(nfid;t bötte, id; mürbe üjm bie ©onbuiten jetgen,

unb menn mid; bie Ijärtefte Strafe erwartete. SCber mein

Sater mürbe fid; mirflid; 51t iebr ärgern, e* mürbe ilm auf

SBodjen angreifen, er mürbe M) SBunber waS für Gebauten

über meine Untauglidifeit macben unb nie red;t glauben,

menn id; il;m juriefe:

„Safc 2>td) nidjt irren bes SßobelS ©efdjret,

* 3Hd)t öen 3rrtf)um rafenber Kioreii."

Page 117: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 111 —

©onnabenb, 29. gebruar.

SBon STfctjirner erlieft id) eine 9cafe, weil id) auf ben

%M meiner Genfur gefdnieben: „2Baf)rf)eit unb $>iäjtung."

Spielte bei -£effe. kaufte pn§f für ftebeneaujatb ©über*

grofdjen gebermeffer ab unb wollte ee meiner 3ftutter für

jefjn Silbergrofdjen »erlaufen. 3ie uerfprad) mir, fünf bam

$u geben. Spielte Pquet.

Sonntag, 1. 3flär§.

£ente fottte Sater abreifen, m id) aufftanb, faub

icb fon)o()l Um, afö Butter fe()r nerbrie^id) gegen 3eba*

mann. @§ faub and) ein fteineS ganlbuett ftatt. Unb

ate äßater abreifte, gab ibm 9Mter, als er ftc järttid)

umarmen wollte, leinen ^fötebSfufj. 2Bir madjten un*

barauf fertig jur SanbSbergifdjen Soweit. 9cun fjatte id)

leine £anbfd)ul)e, leine 9Jtonf$etten, fur$, id) wollte gar

nicf)t fahren, liefe midj aber ba$u bewegen.

3flan tanjte. 3uld)en Sffower, bie id) jum (Mopp

engagirt fjatte, faub id) nid)t unb naijiu mir eine anbere

Same. 2tber plö^lid) ftetjt fie leibhaftig uor mir. 3$ fteffe

fie mit einer (Saftrolle aufrieben, worüber Drgfer aß chapeau

cVhoiineur (chapeau ordinaire) brummte.

Waä) bem Sans pacft mid) Drgier an unb erjagt mir:

„©anrollen leibe id) ntdjt §u geben, burdjauS nid)t. £>u

wet&t, id) bin u!d)t fein." ©a, bad)te id), ba§ me$ ©Ott!

Page 118: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 112 —

£)er i£<mg beginnt. 3'dj war nidjt engagirt, gef>e ^u

Drgfer, tl)ne ifjm bie» fimb nnb madje baber 2mjprüd)e

auf eine (Saftrolle. 2lber er meint, idj muffe burd)ait->

mit ben übriggebliebenen, id est nidjt tanken fömtenben

tarnen tanjett. Stöer idj gebe auf bie jüngere £. 51t, bie

mir jeljr gut gefiel:

,,^er Sitno gleid) an 2öitd)§,

Ser 2}enu§ 9tet3

Snt Ijolbert ^ngefirfjt."

3'dj magte e» nnb tankte frijdj brauf. 3(6 er o impn-

dentiae praedicandam nee feren dam ! 1 ! Drgfer fttfjt bie

3Joift! aufboren. 3$ fübre meine ©ante ^um $ß(afc. Sicfe

©rille. 3$ trete r>or nnb rufe: „£err Crgler, idj werbe

eine G5aftroHe geben, unb obraobt chapeau d'honneur, baben

«Sie ntd)t ba§ ^Red)t, e3 mir §u verbieten. SBtr finb nidjt

auf bal pare, aud) nid^t bei knappe, fonbern anf einer fiodjjeit."

©leid) ungeheurer Snmiilt. ßeute, bie auf mid) unb

it)n julaufen, um uns §u begütigen. (Snblidj gelingt bteS

meiner ©dJTüefter. 215er eine diadje behielt id) mir uor.

3d) raarf mit Sfajügßdjfetten berum. 33ei ben wenigen

©tubentert nannte id) um homo expers humanitatis et

communis vitae ignarus, bei ben Tanten, bie gebilDet,

fprad) id; uom savoir vivre, Sfaberen fagte id), er muffe

bie* iual)n"d)eintid) bei ßafperfe gefelien haben.

Drgler, bor bieg 2Ille* borte — id) rid)tete e$ banadj

Page 119: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 113 —•

ein — würbe wütbenb unb fdn'tfte mir feinen Chapeau

d'honneur^ut. 3d) ncttjm ifm, warf üjn fjod) in bie

fööbe unb jagte, ba|3 ein iput, ber r>on Oraler getragen

werbe, nicbt würbig fei, von mir getragen p werben. $)a

wütbete Crgler, fprang mir nad) — 511m ©lud war

Sfäemanb Dabei, benn e§ gefcbab, im Nebenzimmer — unb

rief: „Stet wif( id) ®tdj nicbt ohrfeigen, bier nidjt." 3d)

lacbte lant unb ging in ben (Baal, 2)odj badete id) oa-

rüber nad), iöa3 ntdjt üier 3al)re machen. Söäre id) neun*

jelm 3^bre, fo bätte nfy Drgter biee nidjt gegen ben eobn

feine* ^rincipall unterftanbeu, er Ijätte and) bie 30cunf nidjt

aufhören [äffen. Unb bin id) nid)t fo fdjon ibm unenb(id)

überlegen, außer an Corpus, Silbung, £ournüre, ©eifr, 33er*

(tano, ®eß>, Stnfeben! 8fefi|e id) r>on atte beut wenig, fo

beftft er bod) nod) unenblid) weniger. Unb wäre mein

SBater bier, fo wäre Drglern bäS S)ro£)en mit Ohrfeigen

fd)led)t befommen. £)od) ärgerte idj Drgter fo, ba£ er fron!

würbe, fxdj £bee mimte fodjen laffen. 3)od) blieb er. Bei

Sifcb taut er p mir, mir gi^utrmfen. 9?ad^ STifcfje würben

auf allgemeine* Verlangen öaftrollen gegeben.

Montag, 2. !Jftär§.

£)a Dienftag unb sDiittwocb leine Schute war, wie idi

wußte, fo wollte id) beute erft md)t geben unb betam £eib=

fdjmerjen.

^aut Sinbott, tyerbtnanb t'affatteS Sagebud1,

Page 120: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 114 —

mttmofy, 4. Wävy

§eute ärgerte idj meine gute äJhtttet fcfi| bttrdj meine

A>i$e, rotä idj mirflid) ernftlidj bereue. 3ie ift eine fo gute

lauter, itnb bocfj *ergejfe idj) mid) fo oft.

3onuabenb, 7. Wlax%.

Tie -}?rebig.t be* Dr. (Seiger mar ausgebet djnet. i»caa>

mittag ging idj §u £ejfe: gört! bort! 34 9«& brehmbwamig

3ilbergroid)en am. Diein, idj fdnuöre hiermit bei Wtm,

meß beilig, bei meiner (ritern Seben, uor Dem erften Dloril

fein diene amurübren.

Bonntag, S. DJtän.

2Btr arbeiteten Die gange 3eü baran, Die Briefe $tt er«

balteu, bie Otiefdien an i£. gefdnieben. $)erat triefet fdjledjte

tferl gebt nun Darauf aue, beu Dvuf cHiefdjene 51t ^erftören.

Hub nun jeigt er allen feineu 23efannten unb jeDem JremDen

fogar ibre Briefe, Die mirflid) fo gefdjrieben finD, bafj mau

3d)limmee von ilir beuten tonnte. 2Bit laboriren nun

Darüber, üe ;u erbalten. 3$ meinte, Durd) ^eftedjung Der

Xlenüboten %.'$, unb ^Dbanu uutrDe in* Sntereffc ge=

jogen. Tod) febe id) nodj fein ^efultat. £ad)* fofl m^T. geben, bie Briefe $11 lefen roüttjdjen uuD Den einen

— Denn einer ift eS bauotiädilidi — ;erreiüeu.

8eba unb ätolf follen m X. geben, oorgeben, eine

Page 121: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 115 —

SBette gemalt ju (jaben, bak ba§ unb bei* nidjt in ben

Briefen ftänbe, unb il)m bie Briefe entreißen. 9iiefd)eu

l;at il)in ein £ajd)enbud), 9?abe(bü(^fe 20., 2lnbenfen, ba

er fie etgennüfcig fc^intpfte^ burd) ©ujtel jurMgefdn'cft. @r

leugnet, bas 9?abelbüd)jel empfangen 31t Ijaben. 34 mieber-

t)o(e nur: glud), ben jd>redlid)ften %iufy über mid) jeibft,

wenn id) ru!)e, bis id) gerächt, fürd)terlid) gerächt l)abe an

biejem §unb meine Sdjioefter, meinen Leiter! SSenn id) je

baran nergeffe, mid id) t>erflud)t fein, f)ter unb bort, äßenn

id) itjm bie Seiben nid)t getjnfad^ ^urüderftatte , bie er

meinem &ater, meiner 3d)mefter zugefügt, möge id) uer-

bammt fein! ©Ott, bu börft e».

£eut 9cad)mittag trat ber 2>erjud)er ju mir in ber

Öeftalt grieblänber* unb forberte mid). auf, mit -ifjm

£Htfarb §u jpieten. 3lber idj verneinte.

9-Kontag, 9., SMenftag, 10., 9J 1 1 1 1 in et), 11., £onner*=

tag, 12. v3)iär§.

mein $erf)ä(tnif3 in betreff ber &ä)\xte wirb immer

unerträglid)er. ^mmer mebr fudjt mid) Sjdjirner $u fränfen

unb lädjerlid) r>or ber ganjen klaffe 3U madjen, unb ha*

Gittere, bog ein jeber jo(d)er Vorfall bei mir äurMäftt,

beftärft mid) in meinem Unflei^. 3d) füt)le e§ mirflid),

menn id) Dftern — xotö ©Ott t>ert)üte — nid)t nad) £eip§ig

fomme, jo raerbe id) mid) in fet)r, fe£)r mif3lid)er Sage befinbeu.

8*

Page 122: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 116 —

Sonnabenb, 14. 3Mr$.

ÜRein Rxrter fam beute. 2Bie eä idieint, fo in ee nodj

feljr gtoeifelFjaft, 06 id) Cftent nad) ßeipjig fomme. £iei"er

©ebanfe rierfefete midi in eine 10 trübe mifautbropljifdie

Stimmung, DaB ic^ nidjt 511 ©erftenberg ging, Derjprodjener-

mafjett, fonbern ju fiaufe blieb. Stbet 3fibot befud)te mtdj,

unb id) ging mit ibm 51t öeffe, too id) jebocb fein Dueue

berührte.

Sonntag, 15. 3Mr§.

greitag mar ee mir gelungen, mein AeDenneifer an

93cama §u nerfaufen, für jefm Silbergroidien. (3^ei gute

©rofd)en Profit. ) 3$j ging 511 DJcanatfcbal, ^>erini, gab fünf«

einnalb Silbergrofaien au* unb [iefj für meine Sdnuefter einen

Sßfamtfttdjen bolen.

Montag, 16. 2Rar&.

2l(* id; SRadjmittag. in bie Sdmle ging, fd)tug es ba(b

bret Ubr. 3dj wollte midj baber ntcbt nrieber r>on £fd)irner

berunterpu^en (äffen, fonbern ging m 2amuel. SBtr ta-

xierten äöurft mit Sdmaps, unb id) bezahlte ed. ^Darauf

tarn ein geuuifer gfränfel unb wollte Aorten bolen, um

Pn$e*etsbemi m ioielen. 3$ willigte ein. Stt8 er ging,

erzählte mir Samuel, er babe neulidi jefjn Silbergrofdum

an Um verloren, er babe nerbammtev OUücf, unb id) würbe

Page 123: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 117 —

raaljrfdjeiuttd) verlieren, warnte miti) baljer, ju fptelen. ^d)

merfte gleid), baß gränfel alle Harten fenne, bod) fjalf e»

ibm nid)t, er verlor ad)t eilbergrofdien unb würbe bla§ rate

ber £ob. ^d) quetfdtje mid), raobei befonber§ Samuel mir

beljülflid) raar, unter bem ^orivanbe, in bie Stunbe gu

muffen.

SMenftag, 17. 3ftär§.

£eute brachte id) $ater auf* ©ejpräd) ü6er Seip^ig

unb erfuhr, baß Sßater in granffurt einen 33rtef erhalten

rjabe, bafj er mid) vei einem Seljrer in ber Smftalt nid)t

unterbringen fönne, ba btefe ihre $afy nid)t überfdjreiten

tonnten, bafe er aber feinen sBefannten babe, bem er mid)

anvertrauen raoHe. Sind) tbäte e§ xx)m leib, bafj id) nod)

brei volle Saljre in ber Slnftalt bleiben unb bann nod) ein

3a^r als £el)rling gefjeu müßte, @r raolle mid) baljer Dftern

auZ ber Sdjule nefwnen, ein $>ai)x prtvatifiren (äffen unb bann

in ein iganblung*l)au§ geben. 2Xuc^ gut.

üftadjmittaa, ging id) en passant §u ©erfteuberg. gränfel

raar ba. 9I6er obraoljl rair jn (jerabgefe^ten greifen fpielten,

verlor er, trofcbem er alle Harten rannte, ftebenetnrjalb Silber^

großen, allein er gab vor, fein ©elb bei fid) §u tjaben,

unb verfprad) mir, anbem Sage 31t bejahen. Samuel

jd)nitt bebenflicrje ©efidjter.

Page 124: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 118 —

aihttraod), 18. m&x%.

9cadmtittag uor yvei ging id) $u ©erftenberg. tiefer

et^äblte mir, gränM fyabe Vormittag *,u ihm gejagt, er

werbe auf feine SBeife 3pielfdmlben mir bebten. -Run

rietl) Samuel mir, ba er bod) oon ilnn elf 3ilbergrofd)en

erbalten unb ihn mit harten, bie er fenne, betrogen f)abe.

Qdj befd^CoB ctuä) &uafe«$/ meine 2Raf$rege&t $u treffen, ging

in fein ©eraölbe, traf aber nur feinen £errn, ber mid) ein

SangeS unb breite* nad) meinem tarnen unb abfliegen fragte.

Qd) nannte ibm erfteren — augeublidlid) verbreitete idj

Lefpect über feine $üge —, festeres oerfdjuneg id), 30g midj

3urüd unb lauerte im ^iuterbalt auf meine 23eute. gränfel

tarn. 3$ fptrang Ijeroor nrie ein SHger auf feine 33eute.

„§err gränfel," fagte id), „wenn 3ie nidjt wollen,

baf3 id) 3fönen bei 3$rem i&errn unb bei llrbad)* (feinem

Dnf'et) einen Sfanbal machen foll, 10 geben 3ie bie fedic

gute ©rofdjen. 3$ begegne 3fjnen fo, weil id) oon ©erften-

berg erfahren fyabe, wie Sie ftd) benebmen."

©r erb(eid)t, ftammelt, er werbe bejahten, habe fein

©eö) jefct, werbe [eS 31t ©erjtenberg bringen. 3d) entferne

mid). (£8 fd)lägt oier Hin*. 3$ «fe auf glügeln ber ©ab*

fud)t 311 grränfeL Gr ift allein unb fängt jene abgebrofdienen

Lebensarten an: „Cfr hätte mir befahlt, roenn id) ibn nicht

fo bebanbelt hätte, (St habe mit ©erftenberg nur gefoant.

So aber bejahte er nid)t."

Page 125: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 119 —

$)a bredje id) (o*: „£ören Sie, id) werbe Sie leinen,

was e3 beifst, um ©elb fpielen imb tridji befahlen.s

3e=

jalilen ©te niö^t, fo wirb 3§r Dnfel ober 3(ir igerr 6e*

fahlen. iteberbie* werbe id) beut audj fcujen, wie Sie,

a(§ er auf ber 3fleffe war, fein ©etoöt&e allein liefen

imb Cn^et^bemi fpielen gingen. 2lud) mit falfdjen harten

51t fpielen, werbe id; in 2(nredmung bringen." te&, id)

fd)üd)terte um fo ein, M$ er mir besäße unb alle SEßutf)

ju Samuel ausließ, ber Ijerüberfam, imb ben er ©fei,

Cdjfe fdampfte.

£)onnerftag, 19. 9Jiär>

§eute ift Sßurim. Qd) Ijabe mir fdwn längft einmal

vorgenommen, $u fdjwctngen, unb tliat e§ beut. 3$ 0wg

um ad^t $u Samuel in» ©ewölbe. üEßir madjten butrtmeS

3eug, liefen uns Jrül)ftücf bringen, Qfibot boten u. f. w.

2(u3 Sangweile fd)rieb id) Samuel in» £auptbud) unb lernte

wirflid) meljr, a(3 id) ben Sag in oer Sdntle gelernt

Ijätte. $ü) begriff ben Gour» ber £ouieo'or=Strafe unb

§auptbud)fül)ren , brutto, 9*etto, Sara, ^ecort, ßrebit,

3>ebet, 2In unb ^3er ganj jiemlid). Samuel fagte mir, baß

id) fetjr fdjnell begriffe.

Sonnabenb, 21. 93cär§.

Vormittag» Slbiturienteneramen. 2(benbs the dausant

bei un» unb Souper für £)ordjen grieblänber unb Bräutigam.

Page 126: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 120 —

-3$ amüfirte mid) t;eut gar m<$t unb glaube, bafj nur bie

Meßten baran fdntlb waren. (£§ famen bunbertfünfgig auf

einmal. Quel trouble ! 2Öfe, bie 51t uns famen, amüfirten

nef; berrlicb, nur id; nid)t.

Montag, 23. 3ttctr§.

(&3 mar Jomel ju effen übrig geblieben uon umerer

grande fete, bajä mir bjeute eine petite fete gaben, auf

bei id) mic^ beifer amüfirte, abS 3onnabenb. 9teid)enbad)

!am. Wtan tanjte, ladjte, trän! unb afj.

Sienftag, 24. Wm\.

§eut untreu mir mieber 311 3a^# gebeten. 5(ber id)

liätte midj oben ntdjt antüfirt, töemt niebt Der junge ^ordjert

bagemefen märe, tiefer (jat mir fdjon Xonnerftag ülbenD

für meine (Eitelfeit 3toff gegeben. @r iagte mir nämlid),

er nelmte viel 9Intrjeil an mir, id) fei genial, unb e>> mürDe

ibn um fo mein fdjmerjen, menu mein öeift eine falid)e

Dtidjtung nelnne. Gt fagte mir fenter, id; bätte idion läugft

feine Odifmerf'famteit erregt, ba id) fein gemöimlidjer ftnoibt

märe. Tum ift bieier bordiert ein 2Jtenfdj, Dem id; mehr

glauben t'anu, aß jebem Ddtbern, weil er nidit idnueidvit.

Jubem ift er ein ^iauii, Der im bödmen ©tobe Den -'*ns

amun beftfct Dr. 3 hiff bat mir Danelbe DcTWrfrt, roaS

8. 3^ werbe anfangen, e§ m glanben.

Page 127: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

- 121^ —

50iittiuo(f), 25. äftärg.

£eut fam icf) um ftebeuehujalb erft Ijiuunter, ba icf) e»

tjerfctjtafen f;atte. Sater, her fd)on oerbtiefjftdj barüber mar,

baB icf) fo oiele Sage gefcf)märmt, bei* fiel) unten eben, rem

SWutter gereift, mit ©mitten unb 3tiefd)en gekauft ()atte,

ganfte ftcf) mit mir, prügelte mict) fogar unb ©mitten unb

9fäefct)en, jerbradj einige Stoffen u. f. ro.

SÄerger über biefe 23el)anblung, (Maltung :c. beroirften,

bat) icf; tttadjmittag frort! mürbe. Sogfetdj aber mürbe er

mieber bei* liebenbe Sätet, ängftlicf), beforgt. {$$ mußte

mict) ine 23ett legen unb fieberte ftarf.

Donnerftag, 26., greitag, 27., 3ounabenb, 28.,

Sonntag, 29.

blieb icf) im SBett.

Jftetn Sater aber betrug ftd) biefe 3^ 1° ttebreicf),

gebuloig, fanft wie e§ gar nict)t 511 betreiben unb nicf)t

gu benfeit ift. St mar einige 3e^ Wtffl uu0 $ ie$ um

fo fünfter. Dagegen ijält nun meine äfttttter bie Sßaage.

Denn bie Butter, fo gut üe auct) ift, t)at eine beftänbige

Dceigung m muten, unb es giebt fein bittet bagegen, ifir

biefe Suft 31t benehmen. 23(o* bann, wenn ber SSater fo

act)t Sage lang feiner £i§e fta) überlädt, wirb fie einge=

fdjudjtert. Olber wie ber $sm beim SBater fct)winbet, mäa)ft

bie 3anffudjt ber üDhttter. Unb bal maä)t manchmal meinen

Page 128: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 122 —

Sßater red)t unglüdlidj. 3o tft 3. 53. alle Sage 3ctnf ba*

rüber, bafe ber Sßater $u jpät oon ber s3teffource fommt.

3)as tft bod; aber bei äSaterg emgtgeä Vergnügen, bie paar

Stunben oon oier bis adjteinbalb.

Sßater Ijat mir einen nagelneuen 3^^^^/ 3Wutter

einen Spater gejdjenft.-

Montag, 30. 3Rätj.

©uttentag erlaubte mir fjeute aunufteljen, aber id) blieb

liegen. Gr nnb ^aefeotb unterjudjten meine iftafe unb (kitten,

ob in ber 9cafe ba? septum ober ononium perlest fei.

2)er junge Urbad) lehrte mid) SÖbift. 9tudj 'ne fdjöne

Gtegenb! ©inSieblingefpielponDr. Sbiff. SBtrfpieften en deux.

Steine 3dpoefter foll Ijeiratben. £>iete junge Seilte

werben iljr oorgefd)(agen. Saoon ein anberotal.

SMenftag, 31. 3Äarj.

§eute ging id) aus beut Sett unb las Söiefonbä

„9Jiujarion", bie „©rajiett" unb ben „SBetffagtert 2(mor".

tiefer alte loollüftige SBielanb btefer ©djafer, biefer Der«

Liebte, ber eine 23ujenriinbung über Sitte» fd)ä£t! £)ie Seilte

jagen immer, man fotte bie jdjfedjteu Romane baffen unb

nur ßlafftfer lefen. Unb mm lefe (Siuer Den gelegenen

SBielanb, ob er uidjt üfyüpfriger in, all Der argfbe Vornan

001t $Paul be Morf.

Page 129: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 123 —

2C6enb§ ging tue SflGittter mit 9ffteMjen mä Sweater, id)

ju Ur&adjS, wo id) Söbift fpiefte. 2C6ec 3Rutter tarn balb

nadj ©aufe, ba ba§ 3tüd „G^aar unb 3^u»iennattn" in

„^formet" umgeänbert mar.

Sötbebetn ift gelangt werben. £e roar biefcr junge

9)iann einige ^abre bei Söbbede. @r galt für einen ber

fdjönften, gebtlbetften, eleganteften jungen Männer in 23re*lau

unb ift ber einzige 3obn febr reifer @(tem. @r batte jd)on

bä Söbbecfe Mfenbefecte gentadjt unb fein $ater 6000 Stjaler

für um beeilt, darauf mar ber junge 9)iann nad) SonOon

gegangen, batte liier 3öed)fe( t>erfälfd)t unb mar gelängt morben,

trots oder Slnuremjungen feiner ü)n aBgöttifdf) (iebenben ©ftern,

bte bie größten 3unuuen aufboten, tfm §u retten. 3d)auOemDe*

^eifoiel, mabrbaft fdjaubererregenb ! tiefer 9toue, biefer

Elegant, gebangt! Uno Oiefe Staube, 3d)mad) für feine ibn

fo üebenoen ©Item.

anittiood), 1. 3(prU.

£eute foKte id) bae erfte Ttai ausgeben unb jmar vi

trotte; bod) ennmjirte id) mid) beinahe bafetbft. 9Cuf M>enb3

waren mir 51t 3abige jimt ^bfdnebsfdimau» unb tk& dansant

gelaben. ^atbitbe 2M()eim mar aud) ha unb fab Ijeute

Stbenb red)t bübfd) unb uerfütjrerifdj au3. 3Äit :öorä>rt

fprad) id) mid) mieOer über SMeS unb 2Bid)tige<c au*.

Page 130: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 124 —

Sonnentag, 2. Olprii.

2lud) heute ging idj uod) uid)t in bie 3diuU\ dlafy

mittag befud)te mid) .^Bor^ert. ^d) fpielte mit ihm brei

Partien (Bfyaä) unb gewarnt $ir>ei. darauf begleitete id) Unt.

©r er^ärjlte mir oon feinem altem 23mber, wie ber mit üa)

felbft verworfen fei. Gr mar ncimlid) fdjon in -^rima ge-

wefen, als er $nm ftaufmanneftaiibe übertrat. -Jhin fall er

£eute, bie au* Duarta abgegangen maren, bie je|t über

ifym ftanben, Wiener maren, mäljrenb er Surfte war, itnD

bie jünger maren, ale er. 6r, ber öomer mit) Gieero,

3opt)ot"lee unb (mripibe* gelefen, betaut feinen ober fpär;

liefen ©ebjalt, ba bod) fein jüngerer trüber, ber au* Quarta

abgegangen, fid) in feinem ©efdjäfte anftänbig ernährte, (rr

fal) biee, meinte blutige Streuten, meint er einem bei weitem

jungem mit) uod) ba$n unwiffenben 9Jienfd)en uad)gefe§t würbe,

nnö nidjte nü£te ü)nt £>omer unb Semoftbeue* mit Den neben

SBeifen Öriedjenlanb*, ja and) SBtrgife:

„Durate et voa met rebus servate seeundis"

tonnte ihn uidjt tröfteu. Xa ergriff ihn §olm, ber fura)t=

baxite £obn; bie Sutanen oerftegten, er meinte uidjt mebr,

loenn er mrüdgefe^t, tief im 3nner)ien oetlefct mürbe, fonberu

feine Sippen mgen fid) mfammen min cououlnuifa) frampfs

haften 1'ädKln, fein £er$ erftarrte m @H& Die Marine, bie

jugenblittje, tHTlien ihn, <oolm unb S&axte traten au ihre Stelle.

Page 131: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 125 —

(Sine Gisrinbe fegte M) um feine Stuft, bo£ ©efübt erftarb

attmäbticb.

3$ fjörte ftf)ioeigenb gu. @r matte mir, otme el $u

motten, mein eigene* ©djtäfaL D, itfj füljle e3, roenn t<$

nicbt batb abgebe, um fo jung all mögtid) bie £mrfd)enjabre

ut überfteben, menu icö neun*ebn, ginamig JJctfJBe cä, mit

bem ©ein ber ©riedjen unb Körner, mit ibren Schriften

unb ihrer {jbeenraetr, mit ben £etben ber %w& unb ben

3)id)tern £>ellae' nertraut, Surfte fein fottte unb einer meinet

Sitter* ober jüngerer Wiener, ber bto* ben einigen SBorjug

r»or mir bat, ttidjtS ju loiffen unb $u füllten

greitag, 3. Slprtl.

ßeut ging itfj in bie 3djufe.

©onnabenb, L 5fprtt.

2C3 iöb auf ber 3dmte fam, fefcte idj midj tun unb

fo3 Kaufmann unb SMdjter".*) SBater tritt in3 3immer.

„3djon raieber tieft ®u Romane. Sftidjt* unb ittdjtS afe ben

ganzen Sag Romane tefen."

3$ frage, meß id) benn madjen fott, ob id) nid)t fudjen fotl,

mit ber Literatur unb ben BettetrijHfem nertraut 51t werben.

*) „3>irf)ter unb Kaufmann," eine Sugenbarbett bon üöertbotb

9luerbad), erlebten 1839. 23ef)anbert ba§ Seben be§ @ütgratnmbitf)ter8

2ftofe§ ©fcbratm $uf).

Page 132: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 126 —

„%avkä 3euÖ- 3$ oerbiete Xix bat."

3dj gebe mlng uv> anbete 3mimer unb hole mir

3i)afefpeare/ fomme toieber unb (efe.

„2Ba3 Haft £)u bat" fra^t mein -£ater.

„Bhafefpeare," eroribere idi. „£as ift Ood) fein Vornan."

„OM)!" fdjreit mein Sater, „Sto baft genug SMdjter

geiefen! ?cimm Xir eine fdjrtftßdje Arbeit ober einen lateini-

fdjen ober griedjtjdjen Xidjter."

„Konter unb ebafefpeare," enoibere idi, „finb ytoax

von gang perfdjiebenem öenre, aber gleidj grof?, 3bat'efoeare

10 genial nrie ßomer."

„Xae ift ein großer Unterjdneb," fagt ber SBaier,r,ba3

ift grieäjtja), nnb baS ift oentfd)."

Sttfo nid)t nm Oie 3adie felbft ift eS $u timn nad)

SBatetä Odtuajt, man lieft nict)t öomer, nm nd) Greift nno

£en m oerebeln, Oie Schönheiten, feinen Xid)tergeift Mi be-

nmnbern, nidit Dafs er auf nnfere moralifdjen ^rincipien ein«

mirfe, fonbem nur, nm (s >ried)ijd) 51t (ernenü

Sonntag/ 5. ülprü.

JQ&xte früh beiiid)te id) ben jungen bordiert unb fanb

ilm wie feinen trüber im tiefften !fteglig6e. SSHt ioielten

2ci)ad).

•Jiadnmttags fuhr id) mit Qaäß, Drgter nnb Gramer

nad) JUeinburg. Ta trafen mir einen genriffen &alm nno

Page 133: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 127 —

gürftentljal, bte wir nadj Sllettenborf mitnahmen. Seit bem

1. Wpxii barf id) SBtttarb fpielen, brum fptelte id) eine 33oule

mit. Sir waren luftig, nnb id) atnüfirte mid) feljr gut.

211* id) oor meinem Saufe abftieg, traf id) Sfxbor unb grteb-

länber, bie $u ben fpanifd)en Leitern gelten wollten, mid)

abgelwlt unb oon meiner SJhttter bie ©rlaubniß erhalten 'Gatten,

baB id), wenn id) tarne, mitginge. 3d) ging liinauf. Butter

war nid)t melw §u §aufe. @3 war fd)on fpät, wir mufften

uns eilen, in ben (Streit» 311 fommen, fanben auf bem ^weiten

Pa§ feinen $la£ unb waren alfo genötigt, auf ben erften

§u gelten, wo wir ben SBortljeil Ratten, mit Sanb überfd)üttet

unb oon ben ^ferbeföpfen geftofjen gu werben. 3d) Ijatte

einen £>i*put mit einem 9Jtonn in fettem 9tocf, mit einer

9totpeitjd)e in ber iganb, ber id) gern §u einer näheren 23e=

fanntfdjaft mit feinen Dljren oerljolfen Ijätte.

21(3 wir nad) £aufe taten, war meine Butter nod)

nid)t ba. SBater war, wie id) muffte, §u einem großen 2l6enb-

effen. 3d) ging alfo nod) einmal mit 3ftbor unb grieblänber

31t §effe, um Bißatb 311 fpielen. 2113 id) nad) £aufe !am,

mar t% fefjon elfeintnertel, unb nur mit 3)iül;e unb einem

2lufwanb oon triel Statt! gelang e% mir, ben Sturm afc

pwenben.

Steine 3d)wefter ift feit einigen Sagen )d)V bitter gegen

mid). Sie fprid)t immer r>on meiner SBerberbtljeit gegen mid),

unb als id) fie swang, beutlid) mit ber 3prad)e Ijerau^it;

Page 134: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 128 —

rüden, fo fagte ne mir, bav> id) idimäme unb öiKarb fpiele,

mit fo(a)er 3id)erbeit, bafj e§ meiner gongen ©rifteSgcgen*

wart unD

„£amtt id)'% !urg mit unfrer Spraye

ftraft unb S?ürge fage"

metner Unt>erfd)ämtbeit bebnrfte, nm ee ifw awcsuftretten. 3)ie

Sßerfon, üon ber fte ee weis, wollte fie mir nidjt nennen, nnb

td) gfaube, fte bat es in meinem ^agebud) getefen, &u bem

id) ben 3d)(üffe( in (e^ter Qe\t oft tjabe liegen (äffen.

SOio'ntaa,, 6. Slprtl.

föeute mar Die (efete 3dntle, nnb id) roeifj wtrrlid) nicht,

woran id) bin, ob id) bleibe in ^Breslau nnb prioatifire, ober

nad) SDtagbeburg ober ins ^feffertanb fomme ober fonft wohin.

3d) ta§ 9)Mieres Sganarelle unb öadjte an öte Dieael:

„Le bruit est pour le fat, la plainte est pour le sot,

L'honnete honinie trorap^ se retire et ne dit ruot."*)

*) Oftan tonnte glauben, Saffaüc fyabt bieie befannten SBerfe in

bem 3)ioliere'fd)en Sui'tfptel ,,Sganarelle ou le cocu imaginaire" ge=

funben, in baZ fie ünnltcb aßerbingS gang gut fjineinpafien mürben.

£a§ ift aber ntct)t ber ^atf. €>te freien in ber bergeffenen ftomöbie:

„La Coquette corrigee' ; bon L'anoiie unb lauten — £ äffalle citirt

fetner «Seroor)nr)ett vieniäB nietjt gang richtig — im genauen iv3ort=

laut fo:

„Le bruit est pour le fat, la pl.iinte pour 1« -

L'honnete hornme trompe B'eloigne ne dit mot."

Page 135: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 129 —

SMenftag, 7. Slprit.

»Mittag tarn ber Bater nerftört nad) £auje unb Der*

langte mein STagebud; 51t feiert, ©äjretfen ergriff midj. Qd)

bradjte e3 nnb jd)(otf es auf. Bater ja!) nad), ob id) jeben

Sag eingefdjrieben Ijätte, unb als er jum legten ©omttag tarn,

fo las er btefen Sag. 2Ba3 foH id) jagen? Bater Ijatte gehört,

bafs id) Bitlarbfpielen mar Sonntag StöenbS, unb wollte and;

jdiett, ob id; t§> eingetragen fjätte. £>ie ©cene, bie folgte,

mar jdjredlid). ©er Bater mürbe immer blafe unb rotl) unb

fttefs Seufzer catö, r>on betten mir ein jeher centnerjdjmer auf

bie Sruji fiel, -ftadjmittag ging id) e» Qftbor er^äblen, ber

tttid) bebauerte. 211s id) 2töenb3 nad) £auje tarn unb

Bater etwa* meniger üerbriefslid) mar, glaubte id; es -übers

ftanben §u Ijabett. 2ld;, ba* Befte follte ttod) fommen.

Montag, 8. 2(pril.

Hub t% tarn. §eute früb fragte tntcr) mein Bater nad;

ber (Eonbuite. 3dj glaube, l)ätte matt mir in biefem 2Iugen=

blid alle Slbertt gejd)lagen, e» märe fein Blutstropfen ge-

floffen. Bater fragte, ob id), ba bie gerien angegangen, ttod)

feine Genjur erhalten Ijätte. 3$ verneinte.

„SSann befommft ©u bie Gonbuite non Dftern?"

,,3d) toeifs nidjt."

©ttt, id; fdjreibe an bett 9vector. ©er 9D?ann mirb Um-

baut Siub au, gerDmanb 2affatte3 Saaebudj. 9

Page 136: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 130 —

OIntioort geben. 3<$ wette, bajs Tu tntdfj habet beCügft. 316er

id) roerbe e§ beratte befommen."

£He Dualen, bie id) hierbei au^ftanb, Raffen fidj nur

füllen. (Eine jofdje 2lngft folterte midi, Dan id) nid)t roufjte,

wohin id) fotfte. 2lber tme feltfamer ©ontraft üd) in beut

menfdjßdjen §er§en beut! 3$, ber id) ein 3}erbred)en oe=

gangen, meiner Altern §aitb uadiaealimt hatte unb immer

nothgebrunaen in ber £üa,e gegen meinen Werter fortfuhr, id)

betete anbäd)tu}er afe je ;u ©Ott, er möd)te mir helfen, bajj

bte3 nid)t ()erau*fame, es foUte biefer erfre betrug aud) ber

lefete fein in meinem £eben. Unb id) fühlte midj beruhigt,

al$ id) gebetet Iiatte, afö roenn id) im Grüfte hätte glauben

tonnen, (Sott erhöre aud) bann unfere Sitten, menit.fie bie

Serbeimlldnmg eine§ Setrugeg bereden. Stbet id) fütjlte

mtdj über btefen Sßunft beruhigt.

3ur größeren SBorfidjt befd)Um id), jefct uid)t in mein

^ai]ebu($ m fd)reibeu. 3dj hätte meinem ®runbfa| gentafj

bier meine Stngft in Setreff biefee fünftes auSgefprodjen, nnb

id) hatte mtrd)t, bafj e3 mm $)enunctanten bienen tonnte, rote

es mir nod) oon gefltera im Slnbenfen mar. 3$ führte aud)

btefen SBorfafc alte uuü füllte biefe Sude erft fpäter auo.

Bonnerfrag, 9. SpjptL

Meute mar unier Gramen. ß% fteht feft, ich romme

nach SWagbeburg in bie £anbel3anfta(t, mom föetener be*

Page 137: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 131 —

fonberi mir oer^otfeti hat. $ater hat [tdj icfjou an ben

Snfpector Der ?(ima(t geroenbet unb örief ermatten.

Jreitag, 10. 3TpriL

34 bin je|t nrirffidj mehr beruhigt über bie ßoubuite.

Sonnabenb, 11. OlpriL

£eute ift mein unb meiner Bcbmefter ßeburtetag. 34l)abe mir aber fein ®ebidjt gemalt 2tt3 tdj hinuuterfam,

fdjenfte mir meine 3Rntter &mei Xucaten imb jmei ^ßaar

^auDichube, mein Sater £udj ju Otocf, 3ne?prefjtbfe3 unb

;

re, fötjttte ftdj and) mit mir au3 in Setreff be3 Sittarbs

ftriefenS, geigte aber auch, bafj er noäj 3 llieU"^ k&er bie Gououite

liege. Uud) nahm er bie ;u<ei iDucaten, um fte mir anf^

heben. 9Mne 3dnoeüer befam oiete ©efdjenfe. 35er junge

llrbad) fdjenfte mir 8hafeineare^ ©ebidjte, gteidj meinen

SBerfen eingebunden, unb Sftbor ein 3tammbud).

üiadnuittag ging td) mit bem jungen llrbacb meieren.

SStuf bem Sfänge begegnete \d) £aber, bem idj erzählte, bafj

tdj ©onntag über adjt £age nadj 3)fagbeburg reife, (h* jagte

mir nun, bog er morgen abreifen motte, am brei äöodjeu

bei feinen (Eltern zuzubringen, bann nadj Berlin geben, ein

r oort ftubiren, fein ©octoreramen madjen unb bann, ohne

feine Litern 51t befugen, ftdj birect ine tiefe 9foif$(anb menben

merbe.

„.Sieber gerbtnanb," fagte er, „e3 in möglieb, baß wir

Page 138: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 132 —

vm§ nie meljr mieberfelien, fef)r mabrfd)ein(id), bafs id) nie

inef;r au§ 9fatf$l<mb mriidfomme. 3d) merbe nüd) jwar and)

obnebie^ an 3ie erinnern, aber lieber wäre e* mir, roemt

Sie mir etiuae in mein Stammend) fd)rieben."

3a) ging mit ibm. @r war felir traurig, beutete immer

barant bin, ball er mtdj nie mebr mteberfeben merbe. -Jdi

fdjrieb in fein 3tammbncb. 21Ü mir im* trennten, meinten

mir 23eibe.

2Ibenbe erfnlir id), bafs £aber üoh ber Uufoerfttät lim;

triebe wegen abejefa^t fei.

Sonntag, 12. 2(prü.

äftutter gab mir öelo, inä Sweater m geben. £od)

fam id) nom Spavierenaeben 31t finrt nad) ßaufe nnb ärgerte

midi febr barüber. Xod) fjaff es mir nidite.

Montag, 13. 2(pril.

£ente 3Wittag mar mein äBater felir uerbrtefeltd), weil

id) einen neuen diod oerlangte. Gnblid) faßte er: „0>laubft

Xn Denn, idi fomme Temen 3cl)lidien iiiciit auf bie ©pur$

3)a," hierbei jeigte er mir einen lUTUegelten an 3d)bnbont

abrefftrteu Srief. „£>em Sftadfjmtttag ©erbe idi es heraus

bet'ommen. SBie? 3d) roerbe SDeine Sonbutte fehen, nnb

id) mette fünf gegen ein*, Tu betfigft mid). 2Ö>er bann

nuHie Xir!"

Page 139: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

133

gdj luitte in bie (Srbe ftnfeu mögen unb bebutfte oller

Raffung, nicfjt burcfj meine SBetfegemjett Sitten, oertieren 31t

machen. 2ft3 ber SBatet m3 (SJetoöfioe ging, fdjlofj icf) micf)

in meine Stube ein, mit betn ^orjafe, micf) meiner 3lngft

511 überfaffeu. 2)o<$ bafb fall icf) ein, frönen nützten mir

nidjtS, icf) muffte Ijanbeht. 3$ roottte \u £fcf)irner, mir

meine (Sonbuite 3U fjofen unb mein 3ß>gang3seugnif3 51t forbern,

mit roenigfienä non btefer ©ette ficfjer 51t fein. 216er icf) fomtte

feine SBo^nung nidjt au§fmbtg machen. 3e|t war tdj mirf(icf)

in SSerjmeiffimg. Qeben 3fugenblid fonnte Wtä entbecft

merben. 3d) weit bem Sefbftmorb näljer a(3 je.

„Ofrihig fdjtäft jtdj'3 in bem engen £au§.

W\\ ber 2ftenfd)en $reube flirbt Ijier autf) ber Kummer,

Sttijmeit aud) ber Sftenfdjen Cnalen au§."

2Ü>et icf) tbat e3 boef) nicf)t, unb barin, bafj idj e3 nicf)t

tbat, ßegt ber unroibertegbarfte 23emei*, baf$ \ä) niäjt ©gotfi

bin. 3)enn wag micf) betrifft, fo münfcrjte icf) mir nicf)t mir

jefet, in ber ßräfsüc^fteu 2(nan, oon ^er^iuetfhntö gefoltert,

fonbem wenn icf) auf beut ©tpfel ber greube bin, auf einem

33affe ober 100 e3 nun ift, mürbe icf) oor bem £ob, luenu

er oor micf) träte, niebt erfcrjrecfen, fonbem oerfanaenb bie

^änbe uaef) if)m aneftreefen. Siebe 311m Zeben affo mar e»

uicf)t, ba3 micf) uou biefem Schritt ablieft, fonbem ber ©e=

bank: meß mürben SBater unb -Ointter fagen, mie namenfo*

uuatttcflicf) mürbe idj fie uicf)t macfjen !! Steinen SSater mürbe

Page 140: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 134 —

bie 3tfjanbe uenebren, löater eines SeCbftmörberS &u fein.

3Mne äRutter mürbe r*or ©ram unb Kummer (ierbat. odi

Wüte midi jtoat gfädftidj aemadn, aber nieine Siebten auf

(rrben, Sater unb lOiutter, namentoä unglücftfd)! Stein, iold>

frwift wollte idj nidjt fein. Unb inbem idi bcm SBaffer

bcn Etüden guuHmbte, fielen mir Sfroftgebanfen ein. gdj

baätte an äßrfjftnamtä:

w2Ba§ tf:'*, ba* imfterbfidje ©einer entgüdt,

SBcttn üe meberbftcfen gitt SSBcItf

©in ©erä, ba» ba§ Ungliicf nid)t nieberbrücft,

(Sin äRittij, ber int Unglücf feit fjält."

3d) fagte mir, bafj idj in §toei Satiren bie ©efdndjte r>er=

aeiien haben werbe unb Daran, wenn idj midi ilirer erinnere,

mit Sädieln benfen werbe.

„x'lud) Seiben, jtnb einfr fie »ergangen,

S-aben bie Seele, rote Stegen bie 2lu."

Uno icr) beidjum, SStrgUä

„Durate et tos met rebus servate seeuudi-"

31t befolgen.

2K§ idi nodfj &aufe tarn, Uefa midj mein SBoter bolen

unb fagte mir, idj fotte ibm aefteben ober mit mm SKector

tommen. SRodj einmal (ädjefte mir baä ©lud. 3dj aeftanD

ein, Dan idj mir Die ^'dw^Conbnite untertrieben bätte,

weil SRubiger öerrug fnneingefdjrieben, aber Die SBetl nadn-

(SonDnite bätte idi nidjt erbaiten, wie Der gafl war, ix-v-

Page 141: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 135 —

fänrieg aber, bafi wir ftatt ihrer einen gertel befommen.

Sater aber mnfjte mehr roiffen ober ahnen, ©r ging mit

mir &um 9tector. 3d) taumelte mehr I)in, al§ id) ging. 3n

wenig Ginnten nmfjte er 3QIe§. ©r meinte. 3Ba§ id) babei

emnfanb, tagt fiel) ntdjt betreiben. 3dj nerumnfd)te taufend

mal jenen erften $a%, an bem id) aus gurd)t, bem Sater

bie (Eonbnite 51t geigen, fie felbft untertrieben tjatte.

©ott, ict) fenne fo xriele Setter, bie ihre 3öhne bie

bie (Sonbnite felbft untertreiben (äffen, otwe fie nacfoufeljen.

©iegfrieb &>ol(beim fommt 31t feinem Sater.

„Sater, id) habe eine (Eonbnite befommen."

„3o? 2Bo ift fie?"

„gier. Unterfdjreib fie, aber lies fie nidjt, fie ift m

fd)(ed)t." Sabei hält er bie £anb über* Statt unb täfet

feinem Sater 6lo3 Oiaum, fid) 31t untertreiben, was" er aud)

gebnlbig tintt.

2(ls 3ftbor nod) auf bie 3dmle ging, ijörte id) oft

feinen ^ater ju i(mt jagen: „3eit einem 2Jtonat l)abe id)

nod) feine Gonbuite gefefjen! $>u unterfd)reibft biefe wohl

alte felbft? 3d) fanu mir beuten, wie 1311t fie finb." 3d)

tenne mieberum niete Sater, bie ihre 3 ohne tüchtig geprügelt

unb geftraft unb in ihrer 9(bwefenheit ntdjt mehr baran

gebad)t hätten. 9lber id) fenne feinen, ber fid) bie 3a$e

fo 31t £er§en nähme, wie mein Sater. Um fo mehr itnred)t

non mir, einen folgen Sater 31t fränfen.

Page 142: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 136 —

2lm anbern Sage nutzte iä) bte (Eonbutten von ;Ticf)iruer

(loten unb fte beut fetter geben.

gdj übergebe einen großen 3e^rauni / beffen ©rgebniffe

id) nur ftmtmarifdj ntittfjeifen unft. ^ie Sraurtgfeit meinet

Katers Dauerte notfj eine 2£oäje. Statin jöfmten mir tm3

au*. 3'd) öerfpradj, nie roteber etwa» berart 31t begeben,

unb meine SCbretfe uutrbe feftgefeftt.

Page 143: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

IL

Der iiandefsfcfuifcr in ßcipjig.

Mai 1S40 fcis Wai 184L

TXlit einer Einleitung von faul Ctltbau.

Page 144: Ferdinand Lassalle: Tagebuch
Page 145: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

(Einleitung.

cVem jungen gerbinanb Saffafte mar burdj feine böfen

3d)üferftreid)e ber 2Iufentba(t in 33re£lau üottfommen oer«

reibet, unb fefir miber ben SBttten feiner (Eltern, bie ben

ungemö(jn(id) befähigten Knaben ftubiren (äffen wollten, ging

er mit enblidjer 3uftimmung feinem §Bater3 Anfang 2Rat 1840

nadj ßetpjig, um auf ber borttgen £>anbe(efd)u(e, bie offictett

„Deffentti<$e §cmbet§tef)rcmfklt ju Seipjtg" beißt, firfj gum

£anfmauueftanbe oorjubilben. 3 ein SSater batte i(in ttadj

ßetp§tg Begleitet unb um bort bei Ravl ©ottlob §anber,

beut £)irector einer Sßrfoatfdmle, in Sßenfum gegeben. S)aS

Qam (ag bamafs noäj „vot beut 33jore" in ber Dftoorftabt.

Snjtmfd^en ift ha bie Dcürnbergerftrafse angelegt, unb auf beut

Grunbe be3 a(ten Saufet ein anbereg erbaut morben (Stör. 11

ber genannten betrage), Räuber unterhielt in ber innern

©labt, in ber UnioerfitäteftraBe, in bem fogenannten ^paulinum,

einem arabemifdjen ©efcäube, eine ^rtr>atfd)ule, am ber fpäter

beß Seidnnanu'fdje Qnftitut beroorgegangen ift, beß (jeute

nod; beftebt unb ron ßmbern ber beften gamifien befudjt wirb.

Page 146: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

140

3n her erfreu $eü fünfte fid; gerbittanb bei feinem

öaitcunrtfj unb in bejfen gfamiße überaus rooIjL (Et ftnbet

nidjt genug SBorte bes ßobeä für bie liebenSumrbige menfäjens

freunbl'ictje 2(rt, mit ber tt)m £err unb grau Zauber ent-

gegenfommen. 2G6er biefer freunbüdje unb frtebü^e 3uftanb

u)ät)rt nic^t lange. 3ct)on am 7. 3uli fd)reibt er oon feiner

^enftonSmutter: „£a§ 23(att l;at fid) fd)red(*: d) gemenbet.

Um einer $Ieinigfeit willen 3auft fie, i)e%t ü)ren ©ema(j(

auf mtdj. C üEßeiber, 23eiber, raer fennt eud)! 3$ war

fo gut!" Hub fünf SWonate fpäter, "Anfang Secember, fpridjt

au* feinen Oiußeidjuungen gerabe5U glitfjenber Saß gegen bie

eiuft fo oereljrte grau äöirtbin. Gt nennt fie eine „wurm*

ftidjige, oerblüljte tHofe oon ber Seutifolieuart" unb madjt

baju ben SäBBortnril* „cent folies, ljunbert Summtieiteu"

feien itjr 31t eigen; aber fie fei uoa) fdjtedjter afö bumm,

Unb aurf; ^tector Räuber felbft wirb oou bem jungen

Stafdjen in oeräd)t(id)fter unb luegiuerfenbfter SBetfe beljanbelt.

Jlodj fdjlimmer gehaltet fid; fein 5Betf)ciftmfj ju he\\

Äeljrern ber £anbe(»jd)u(e. Sie öffentlidje öanbe(*tel)rauftalt

mürbe burd) bie ßramerimumg, einer feit 1477 beftenenben,

im jüugfteu 3aljrjel)nt aber aufgelöften Korporation, im

3al)re 1831 im> ßeben gerufen. Sie fteiit alfo je$ im

fedjgjigften oa'ire iijre* SDafeinS. 3)a3 ©djiugebaube mar

oon 1832 6tjS 1890 bae $am am ßöniaSplai 9fc. 10.

"JtteuerbingS ift bie 3lnftalt in il)r neues prädjtigeS Seim au

Page 147: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

141

her fiöljrftrctfce, umueit be8 alten ©tabtfyeaterg, itbergc-

fiebelt. Waü) Slufföfung ber tamerinnung übernahm bie

iganbetgfammerbte Unterhaltung nnb Fortführung ber £anbel*=

lefjrcmftaft. $)er tSdjufoorftanb mürbe gebilbet burd) bie 2>or=

fteljer ber ^ramerinnung , bie „Ferren tramermeifter,"

ferner „bie ^anblungsbeputirten" aU 2>orftänbe ber 5\auf-

mannfdjaft nnb ben SHrector.

G* üerfteljt fid), baß Saffalle and) jefet wieber behauptet,

ba3 Dpfer ber au£er(efenen SöoMjeit non Seiten feiner £eln*er

51t fein. @r (eibet beinahe an einer 2Irt non partiellem ^Sev-

fo(gung3maI)nfinn. @r ift immer im dlefyt, bie Selber Ijaben

immer llnredjt. £)as Sdjaufpiel an» ber 23re3(auer Secnn

banerjeit mieberljott fid) b/ier, nnr nodj in fet)r nerftärftem

Wiafce. Sftamentiid) anf ben 2)irector (Stiebe (;at er e§

abgefeljeu. ©r be^eidmet ilnt a(3 unfähig, frtec^enb, un-

mürbig, grob, rad)füd)tig, feige, furtum al§> 9Jfttfter be§

^äbagogen, rote er nid)t fein fofl. @r Ijaßt biefen £)irector

(Sdjiebe an» notlftem Serben, nnb gerabe mie früher r>er-

fdpört er fid) audj rjier l;odj unb tljeuer, an feinem geinbe

bereinft dlafye %u nehmen.

SMe fefjr einfeitige <Sd)i(berung, mie mir fie in ben

3faf§eidjnwtgen be» mifmergnügten £anbe[§fd)üler;o finben,

ftimmt nun allerbing§ !eine»roeg» überein mit bem SInbenfen,

bae ber im Qaljre 1851 in feiner SSaterftabt (Strasburg im

72. ^ahve nerftorbene 2luguft Stiebe bei Wen, bie ü)n

Page 148: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 142 —

nciber fernen gelernt Gaben, ftintermffeu fiat. Sdjtebe rotrb

afö ein roofjhoottenbet, ^eredner, rüdjriger uitb gelegter 3ftaiut

gerühmt. Qx hielt ftatg auf 3M3ctplin. 3)em ßottegium.

be§ ccfml'ooriranbes, beit Aramermeiftent unb £anbefö=

beputirten gegenüber mabrte er feine Sirectorenredjte mit

grofjer (rntfdiiebenbeit. @r ift ber löerfaffer einiger tücbtiger

hinbe(^miffenfd)aft(;

d)er 3cbriften. S)afj er SaffaUe nidit

(eiben tonnte, motten mir gern glauben, ttnb von einem

nocf) (ebenben Selirer aus berfelben 3 e^ W unfertn Ge=

roäfjremamt, §ernt Dr. äBbiuling in Seidig, beftätigt morbeu,

bau 3Mrector Bliebe Saffotte befonberä jdjarf in ben Qü(\d

;u nehmen beliebt habe, fiaffaffeä fecfee auftreten ueraulaf-re

ilm oft in ber £ebrer=Gonferem $u berber ÄritÜ. (rr nannte

in feiner herben 0(rt Saffatte einen unt>erfd)ämten Summet.

Saffatte mar nun mirt'lid) ein febr unbequemer unb fdilediter

3ctnüer. Sein §auenürrl) ©anber fdirieb in ber 23jat an

ben alten &affalfe nad) %ke£km: gferbtnanb märe üorlaut,

naieioeif,, [überlidj unb anmafjenb. Saffatte giebt boJ mit

großer Dbjecthritat nneber unb madit ba$u oie [afontfdje

S3emerfung' „3o madje tdj alfo meinem &ater nod) immer

feine Jreube." (5. 3uli)

3o wenig fdjmeidjelliaft ba£ ^oanoer'fdie 3euÖr^6 über

ben .*oanoelvfd)üler ift, fo uitreffeub fdieint eä ;u fein. ®erabe

mie in 93re3lau bummelt er auch in ßeipjig, unb gerabe rote

bort leioet er and) hier an dnonifdiem Nelbmangel. ßr

Page 149: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

143

mact)t «riebet feine Keinen £aufd)gefct)äfte , üerfauft feine

imtfier unb contrahirt ©djutben. 23efonber§ roirb ber ©äjneiber

eme§ feiner greuube befieuert, t>on bem er fid) r>on <Ropf

bie 51t gnß neu einreiben (äfft, beim er (egt 2Bertr) barauf,

anftänbig au^ufeben.

S)a3 übertriebene 3elbftgefül;[ bee jungen SSurfdjen

erftarft immer met)r. ®r nennt e§ ben „frönen, feften

©tauben an mict)." ©r üergleidjt fict) mit bem tobten 2Ib(er,

ber auf bem gelbe liegt, unb bem Dtoben, ©(ftern unb jouftige*

oerädjtlidie* ©eftügel — barunter ftnb näm(ict) bie Sebrer

m rerftetjen — bie 2lugen au3piden unb ba3 fJCeifdt) abnagen.

3ß)er er fühlt Dann neues Seben in fid) unb ergebt fein

ranid}eitDec- ©efieber. „ßrädjjenb eutffotjen bie Stäben unb

Giftern, ict) aber fdjioang mid) auf §ur Sonne." (11. Ü0?ät§.)

äßegen feine* ungebüljrüctjen Q3etragen§ unrb er in Oer

2dntle mit Den bärtefreu 3trafen belegt, ßr roirb cor

ba3 ©efammtcottegtum, bie 2imobe, gelabert unb erljält bret

Podien ipaugarreft. 2)te £et)rer untrem in iijm einen ge=

fätirlidien 3ftenjcf)en. S)et ^Director erflärt, ba\] er nur auf

Oie ©etegentjeit warte, um biefen bebenflidjeu Gumpait, ber

bie Xicciiuiit Der 2dmle untergrabe, m ermittiren. (22. 93iär>

)

2)er junge Saifalte, ber immer mit bem äJhmbe oor=

weg mar, roirb uatür(id) oon feinen TOtfdjülern ba$u am-

erfetjen, einem fdieibenbeu Seljrer hu tarnen ber klaffe einige

Sßorte be3 Taufet unb beS ?ibicb;eDe nt fagen. Saffaffe bat

Page 150: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 144 —

feine 3^ 9eWt M uonubereiteu. Crr fr>rid)t aa$ Dem

Stegreif, unb er madjt, nrie aus feinen -l^ittbeiiungen (jer*

uorgebt, auf bie Pfaffe unb and) auf Den ßefjrer einen

tiefen (rhtbrucf. $)aä Datum be3 19. ©ecember 1840 ift

in ber 33iograpi)ie gferbtnanb Saffatteä femubalten, beim an

btefem Sage bat er feine Sungfernrebe gehalten.

Xer eigertttjümlid^e 3ug im Gbaratter gerbinanbS, oon

bem mir fd)ou in feinen §Bre3lauer Olimeidmungen .

fctjiebene 3euötT^fe aufzuführen hatten: bae [eibenfdjaftlidje,

wahrhaft unbeimtidje Verlangen, diejenigen, bie ihm med

getrau turnen, 6iS &ur Vernichtung m neriolgeu, enttoufeu'

fidj mit ber $eä immer mehr unb mebr. ÜRit „grfomtnett*

iäjrift" nriß er unaueiöfdjlidjen £afj in fein SratereS ein-

graben; er nritt beiße 9xac£)e nehmen unb iäjmört e§ „bei

©Ott uui) bem Teufel." (S. 3uli.) SBSenn er fid) uidit

räd)t, will' er uerbammt fein fo lange er lebt. 8Wit alt-

teftamentarifcfjer S5erebtfantfeit bekräftigt er au einer anbern

2 teile feine iftadjegelübbe : „ßeine ^reube möge mid) er-

quufen, fein Sädjetn meine %£ana,e berühren, fein £roft mir

im ilnglüct bleiben. 3$ vM verflucht fein in ben tiefften

IHbgrunb ber £öüe, teilt Sonnenftrabl möge mid; erfreuen,

feine Hoffnung mir werben im Uitglücf. Söeradjtung fei mein

£ooe bieniebeu, unb brüben treue midi bie Strafe be8

äRefoeibS."

^eibenfdiaftlidjcr als je regt üdi in ibm ber fompfe&

Page 151: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

145

mutige Qube, ber feinen ungerechten Gebrüdern unb SBer*

folgern gegenüber mit bem Schwerte in ber §anb ftdj feine

diente erfämpfen foK. Seiner ätteinung nad) ijätten bie

ungföcfltdjen 3nben üou Dama»cu» bie Stabt an allen ßcfen

anjünbeu unb ben ^Moertfntrm in bie Suft fprengen fotfen,

um ftdj mit ttjren ^einigem §u tobten, „§eige3 SBolf!"

ruft er au», „Du »erb teuft fein beffere» £00»! Der getretene

Sßurm f'rümmt fiel;, bu aber büdft biet) nur tiefer! Du bift

jum 5lnedjt geboren!" (21. 9M 1840.) Dafc man mit

ben 23efd)ulbigungen auftritt, bie Quben brauchten gu iljrem

Cftertamm (Efjriftenbtut, fdjeint i(mi ausbeuten, „ba§ bie

3eit balb reif ift, in ber mir in ber Xijat buräj (Efjriftenblut

un3 fjelfen werben." (30. Suti.)

3Bä(jrenb feine» 2iufentt)a(te» in Sehnig überfiel ben

jungen Saffatte oft ein ftarfe» jgetmwef), eine mächtige

Se()nfud)t nad; ben Seinigen. Die (iebenSwerttjefte (Singet

tjeit im ©jjaraftet gerbinanb SaffatfeS ift feine ect)te unb

innige Siebe p ben Seinig^nI__bejon^e^ju feinem SBater.

ßr, ber feine Autorität refpectirt, fpridjt von Telnein'^äler

immer nur in ben 2(u»brüden ber tiefften ©fjrerbietung unb

ber aufridjtigften 3ärt(id;feit. Sßenn er einen bummen Streid)

begangen (jat, fo quetft itjn ba» nur feine» $ater» raegen,

unb nur ber Giebanfc, bafs er feinem $ater Kummer bereiten

werbe, fjctft tt)n uon nodj bümmeren ab. Die oft redjt (jäfc

lidjen Diffonahjen, bie in btefen Sfofoeidnumgen angeidjfagen

5ßaul Sin bau, tJetbinonb SaffaCfcS 2age6u:i\ 10

Page 152: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 146 —

werben, Singen fdjlieftfid) immer t>erföbnlid) anä in Die reinen

2(ccorbe her fönbegliefte, ber Siebe §u feinen Stoerroanbten.

2lud) mit feiner 3ct)]Dener grieberife bat er fid) t»ö££ig au&

geformt, nnb ein nodfomntener Umfdjmung ift in feiner

Stimmung §u Ghmften be§ Bräutigame grieberifene, feinet

SSetterS gerbinanb grieblanb, eingetreten. Qefet £;at er für

griebtanb nur nod) 3tn§brü(fe ber märmften 2(nerfeunung,

ja Berounberung barüber, bau btefer fo gefeierte 3)Zann bie

großen Berljältniffe ber fran^öufcfjen öauptftabt uerlätit, um

fid) au* bem „triften %keälan" feine Braut $u fjolen.

2lud; für f$toärmerifd)e ^ugenbfreunbfdjaft bleibt gerbi=

nanbS £er§ mann uuD empfänglich S)er Berfebr mit

feinem beften Jrennbe Sftbor öerfteuberg bat fid) $roar

burd) bie örtliche Trennung etraae gelodert, aber bie (3e-

finuungen (inb bie alten geblieben, ßier in Seip^ig fcpeBt

er fid) befonbers an IsBtßjelnt Beder au.

(rrnft 3cu)ann SMtyelm Beder gehörte $ur Sebrlings-

abtljeitung ber £aubel*lef)ranftalt. 2tt3 Seljrtmg be^iebentlid)

Bolontatr mar er im G>efd)äft eine* Spebiteurc angenommen.

Becfere (ritern waren moblbabenbe Seute in Berlin. I .

.

Bater batte mobl ein Bantgeidnifr. Ter junge 3Jtotm ner^

fügte über reidie bittet, tonnte nä) alfo allen Komfort

gönnen unb noble ^affionen, mie leiten nnb Oergleidicn,

pflegen. (rr lief: benn aud) in ©efeftföaft ßaffatteS unb

3anber3 oiel C^elo braitTgeben. Director Obermann erinnert,

Page 153: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 147 —

ftdj Leders alz eine» redjt leichtlebigen Süngttngä, ber fid)

§. 33. nidjt bebadjte, einen eben mit großen Soften ange*

fdjafften grad fef)r halb für einen (Spottpreis an einen

Probier jn t>erraufen. SCtfo aud) ein „berliner SBinbfacf",

mie SDirector (Bfykhe fid) gern anSbrüdte.

Stufeer an SBifljelm Söecfer l;atte fid) Saffalfe nodj be-

jonber» an Robert 3anöer cmgefd)(o[fen, ber üor einigen

Sauren in Defterreid) geftorben ift. tiefer grennb Saffafte»

mar ber £obn eine» angefeljenen Kaufmann» nnb Krämers,

ber in „golnnann» £of," einem ftattüdjen ©runbftüd in

ber ^eterftrafte, fein öefdjäft fyatte. Robert führte feine

grennb e Saffalle nnb 23eder in feine gamilie ein. Robert»

<Sd)ioefter, 9tofa(te, mar Saffafle» erfte 6d)ü(er(tebe, mäfjrenb

Sßtibetm Boeder für bie anbere Sdpefter, Antonie, fdjroärmte.

Saifatte fdjrteb an 9to[a(ie 3anDer gatyreidje Briefe nnb

miomete üjr Öebidjte. Sie 23rieffamm(nng fanb fid) nod)

beim Xobe tftofalieu» oor, mürbe aber bann oernid)tet.

£affafte I;at ba» 2Jnbenr;

en an bie gamiüe $anber bis in

feine legten Qatjre beroaljrt. 9cod; bei feiner legten Sfo

mefentjeit in Seip^ig ftettte er 9cad)for[d)nngen banaä) an nnb

bebauerte, i£;re Spnr nidjt finben 511 lönnen. 9tofa(ie blieb

uxwematyt. <Sie ftarb am 25. Sfaguft 1876, etroa adjt*

tmbfftnftig ^afjre a(t. Sie ift anf bem griebfyofe $n 9fteubni|,

bem jefct einverleibten Vororte Seip§ig», begraben.

Qn Seipjig Ijatte gerbinanb Saffatfe fanm anbem

10*

Page 154: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— US —

Umgang, al» mit feinen SÖfätfdjwent. Mit ben meifteu ftanb

er nidjt gerabe anf gutem gufje. ©ie in ben uadjfteljenben

Glätten: üorfommenben Tanten finb baf;er faft au^fdjltefjttdj

Tanten von Servern unb ©djülem ber ßecpjtger ©anbete

fcfiule. 2Str Reiten alfo sunädjft eine genaue Sifte be»

Sefjrercotfegium» mit, wie e» im Sdjuljafjre 1840/41 311-

fammengefe£t mar, unb gwar in ber Reihenfolge nadj bem

(Eintritt ber Seljrer in» Olmt:

1. Stiebe, 3mguft, £)trector. ^anbeteroiffenfdiaft. (£rat

1850 in ;M)eftanb. Starb 1851.)

2. SKiföurifc, (E()r. gr. 2Ibo(p(). SDeutfdj , ©efdjidjte,

öeograpljie.

3. Sdnerbo^, 2lb. &fyx. Seopotb. Kalligraphie, Stritfjmetif.

4. @fd>e, gr. 3(uguft. 3^<$nen.

5. Dr. geller, gr. ©ruft, £anbeteimffenfd)aft. teuere

(Sprachen.

6. glügel, ©fjr. Öottlieb. üftaturgefdjidjte, gramöufdj.

7. §üLffe, QuL 3(m6ro». äföatfjemattf. (abgegangen

Xecembev 1840. Starb äfö (M;. Regierungoratb

unb SSortragenber Rattj im SOiiuifterium beä 3tmem

m ©reiben 1876.)

8. £enfdjfel, Gbriftiau (Sottltefc. SDeutfö. (Starb nad)

fünfttnbjtoanfcigjfttyriger £elnlbätigfeit an ber 3(uftalt

1860.)

9. (Srbmamt, Karl. Ghemie.

Page 155: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 149 —

10. Dr. Obermann, Raxi Ghtftau. ßanbeteroijjettfdjaft,

äritfjmetif. (Dtoäjmafs ©irector ber £>anbe(*(e()ranitalt.

ßebt im tftufieftanbe in Treiben.)

11. Gouruoifter, grebertc. granjöftfdj. (ßebt nodj in

Seidig al3 ?ßrtuat(el;rer.)

12. Dr. a^td;aeücv SB. 3«I- £erm. ätfatyematü.

13. SBctnltg, Dr. med., Gfa. SObert pfcfif nnb 2Jte#amf.

(ftadjmafe (Mi. dxeyimriußxatl) im 2ttinifierium be§

Snnem jn ©reiben.)

14. Dr. öatfer, üöMßiam Soljn. ©naftfdje ©pradje. C£rat

naäj ©<!jiebe3 -Mcftritt axß, jtarb all ^rbatfefirer.)

Saffatte mar 3d)ü(er ber Maffe II., hofiere Slbtfieilung.

I z 3cfjül'er[tfte ift fotgenbe:

1. ^ecier, ©ruft Qoljann SBißjetra, an§ Berlin.

2. Xemficf), Sofeplj Soutö, au3 Sottbon.

3. ©tfenftein, Ghiftar- Gonarb, rate Söerbau.

4. fjritfcgi, £oni£ §einrid) Sfieobor, auä Gr.=G)(oaan.

5. ©eoraj, (Sari Robert, an* 9)hj(an. (Bruber be3 ber-

zeitigen CberBüramnetiterv in £eip3tg,.)

6. ©Her, Gart ^(eranber, an§ ^luujentfiaf.

7. ©oMing, grtebrid) äßtfljeftn 33ernl;arb Gar! ©ermann,

caß DSnabriuf. (2ebt nodi ate Gfjef eines ©anbete*

Ijanfe» in feiner SSaterffobt.)

8. gaffetba^ 2Ibo(f 2(nton SQSifljevm, on§ Berlin.

Page 156: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 150 —

9. §eftt)e, Stomas Qofjanneffen, axß Gbriftiania.

10. öefttje, Stomas STjomaffen, au» (Efjriftiania- (SBetter

be» Vorigen. Seit 1857 noru>egnd)er Gonjul in ber

Sd) roeij.)

11. £engftmanu, Gar! Sßaul griebrid), aus Berlin.

12. öugrje», ©eorge, aus Bresben.

13. Herffiea,, Grid) griebrid), aus Csuabrüd. (Sebt nod>

als Seiter eine» ^Manoforte^Jiagajin» in 9ceirj=2)orf.)

14. ßinbermann, ©uftao Dreinrjarb, aus 3i3)opcm.

15. Präger, Gar! §einrid) SCbaföert, aus 23ensrjaufen.

16. Saffal, gerbin an b, au* Breslau.

17. Seffer, SBernljarb Subraig, au» Sanbsberg a. SB.

18. Seoijon, ©bmunb, aus Sßr.s-äJltttben.

19. äRamtberguer, gebor, caß Strasburg. Oft 23anfier

in $ari».)

20. Diatrjanjon, Q'ofeptj, aus SBarfdjau.

21. ^ptcfforb, ©buarb SDiibbfeton, au» £>eibelberg. (9tam-

Ijafter nationa[öfononüjd;erS(^riftfteIIerunb3ourualift.)

22. Dfidjter, SIbolf 35runo SBolbemor, aus Seidig.

23. Simon», Gbuarb, au» @C6erfeß>.

24. £amm, Simon, aus -iDiuggesfelbe.

25. SBelf, Gruft (Sbuarb rjon, aus Bresben.

26. 3anöer/ griebrid) Robert, a\i> ßeipjig.

@fc ift uns geiitugeu, eine 2ß)fdjrtft be8 S($utjeugs

ttiffeS SaffaEeS ut erlangen, ba£ uns febr djarafteriünd)

Page 157: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 151 —

§u fein föeint. Dügletd) bie Seiftungen eigentlich üoi^ügüdje

fmb, wirb bodj ber Germer! c3eiuad)t, bctfe ber 2d)ü(er nod)

metjr f;ätte (eiften lönnen.

Saffat, gerbtnanb, 23res(au.

£alligrapf)ie 1 b.

3)entfdje Spradje 1.

gtan^öf. (Sprache 2.

(5riGÜfcf;e Spraye 2.

2irit()mettf Ib.

kopfrechnen 1 b.

3eid>nen **•

PWfl 2 -

9Jtat&ematif 1 b.

jQanbetsroiffenfäjaft Ib.

®efd)id)te 1 b.

©eograptjie Ib.

SB ermatten. 3ufafe6emerfung be§ 2)irector3.

Sottte nod) meljr 35lie6 raeg Stnguft 1841.

(eiften. M fd;arf im SBar weber t)on ben

Sfoge begatten fein. Septem nod) oon ben

2'djiUern geadjtet.

3fo§ btefer fetjr fcegetcfrienben 6c#ufjbemerfwtg ge()t

f)en>or, bafj SaffaEe fxcf; gar nid)t a6geme(bet Ijat. <5r (jatte

feinen Später m&tmfdjett &roetmal gefprodjen unb if>m in

Page 158: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 152 —

einbringlidjfter SBeife OM^einanbergefelt, bau er ftdj in ber

Sßcujl feine* 33erufe3 getäufdjt fjobe, bctfj er gutn Kaufmann

nidjt tauge, baß er fntbiren muffe. Gr fagte bamit feinem

R3ater rtidjtS Unerwartete*, benn ber a(te «genman Saffol

Ijatte immer gewollt, bafj gerbtnanb ftubiren folle. ©eine

©Itern rtetljen ibm ab, de er Kaufmann werben wollte,

unb freiwillig, ja gegen ben SSillen feine* $ater£, entfagte

er „jebem äftljetifdjeu Seben, um Sabenfdjwenget §u werben".

£)iefe* widjtige ©eftäubuitf, ba* einen allgemein verbreiteten

Qrrtbum über Saffatteä ^uöenb bertdjtigt, befiubet (tdj unter

beut Saturn be* 3. Sbtgufi r>er§etcf)netJh 9Btr nermeifen auf

btefe 2{uf^eid;nung ganj befonber*. (re mar einfad) bie

9btf) gewefeu, bie SCngft cor ber Gntbecfung feiner 2d)üler=

fdjwinbeleien, bie Um au* 23re*laiu weggetrieben Ijatte, unb

feine (hflärung, bat3 er Kaufmann merben motte, mar eigene

lid) aud) nur eine 9cotblüge. ©r geftetjt fogar mit alter

Gbrlidjfeit, nadjbem er faum ein ä>ierteljaljr bie ^anbete*

fdjule befudjt (jat, baft er feine Suhtuft ntdjt im Kaufmann*;

ftanbe erbücfe, bar, er 6I0S biefe getegentlidje £3efd)äftigung

ergriffen l;abc, um ben öre^Iauet SBirren m entrinnen,

bafj er aber beut 3UW ooer ß^bw ber ^orfelnmg, wie er

fagt, vertraut, bafc (ie i(m au* bem Gonutfoir luTau*reineu

unb auf einen 3dmur>la£ merfeu werbe, auf bem er mir feit

föitne. Gr vertraut feinem feflett Sßttfen, fid) mehr um bie

greibeit , al* um bie SBaarenprcife &u betümmerit unb

Page 159: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

15 q

„heftiger bte §unbe von SCriftofraten, bte beut SDtenfdjen fein

er|te bödjfte» ©ttt nehmen, at3 bte Goncurrenten, bte ben

^retö uerfdjledjtem, §u fleranhtfdjett." „216er beim 33er-

luüuftfien fott'io ntdjt bleiben!" fügt er I)in§u.

Sdjon in biefen 2Ieutferungen erlennt man, wie f^rteH

fid) Saffatle in ben legten Neonaten entundelt l)at. Unb jettf

berühren wir ben Sßunft, ber ba§ roertf)t>otlfte biefer jugenb-

(idjen Slufäeidmungen bebeutet, ber bie 93eröffentlid)ung, bie

mir r-eranftattet Ijaben, rechtfertigt, ber es un3 geftattet, bie

2(ufmerffam!ett ber Sefer für btefe§ Sagebud) eine3 Qalb-

jüngling» in Smfprudj ^u nennen. 2Bir erfefjen an§ biefen

blättern, mie Saffatte als nod) nid)t fec^efmjäljriger junger

üDtafdj mit notltommenfter SKartjeit ba§> Programm feinet

^ur'ünftigen SSirfen* entwirft, unb mie fid) in ifjm ber

ßntfdjfufj 3itr Uuerfdjütterlidjfeit feftigt, biefe-3 Programm

ungeachtet aller (Bdjmierigl'eiten unbebingt burdjjufüljren, auf

jebe ©efaljr !)in, felbft auf bie ©efafjr be» eigenen Untere

gang3. ©3 l;at gerabeju etraa§ UntjeimlidjeS, menn man

biefe mit männlidjer geftigfeit niebergefdjrtebenen Seiten be»

ljalbwad)feuen 3üngling3 tieft. 2ötr üenneifeu befonber»

auf bie Slufteidmungen unter ben 3)aten be§ 24. Sluguft,

26. Stuguft 1840, be§ 2. gebruar 1841 unb vox allem

auf bie 9?ad)fd)rift, bie ben £d)lutf unferer Slufteidmungen

bilbet unb etma in ben 3M 1841 falten bürfte.

SaffaEe, ber entfd)ieben ariftofrattfdje Neigungen in fid)

Page 160: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 154 —

fyat, tro| oder reoolutionä^'bemofratifd^republifanifdjen G>e=

finnungen (19. Quft) , ber mit gieeco fpmpatlnfirt unb

erftärt: wäre idj als ^ßring ober gürft ge6oren, icf) mürbe

mit Seid unb ßeben Striftofrat fein", füfjlt al§ fdjttdjter

23ürger$fof;n grimmigen £>af$ gegen biefe 3trtftofraten unb

witt bem 2(riftofrarismu» ben Sobesftoß nerfefeen. Gr roitt

ben fßöihxn bie greiljeit nerfünben, „unb fodte icf; im SSer^

fudje untergeben l" Unb er fd;tnört es bei bem ©Ott über

ben 8ternen. @r miß nad) ^aris gefjen unb neu bort

au» SEBorte $u allen Golfern ber @rbe fd)icfen, baf3 bie

dürften jäfjneffappern joden. $a, ba3 mid er t(mn, „ber

£>anb(ungebiener, ber (Heureiter! 2306er ber £anbhmgsbiener

mirb ifjnen Sporte reben, hak fte tjerfrummen!" Gr fjegt

träume, bie er fogar biefem 53ucr)e ni d)t anvertrauen mag.

Unb fein grreunb 3fibor ©erftenberg fod mit ilmt fämpfen

unb (iegert. „£enn fiegen muffen mir in bem Kampfe, ben

id) gu fämpfen gebenfe! Siegen muß baS Sidjt unb bie

Aiiifternitl weiden l" Unb ber Sormurf, bafj ein entlaufener

§anb(ung§btener fiäj afä 9Keffta§ ber neuen Freiheit auf*

fpiete, fod fürber nid)t gegen üjn erhoben roerben. Gt fieht

ein, baf] er, fo fdimer e§ ihm aud) faden mag, feinen

SBater tum ber Dlodjmenbigfeit, bie Saufbafni nodi einmal gu

iued)fe(n, überzeugen, baß er unbebingt fhtbtren muß. „Jvefter

unb immer fefter mirb ber ©ebanfe in mir, 31t ftubireu,

einem höheren SBeitm&tfein , einem ebleren $xot&t ©eijt,

Page 161: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 155 —

Gräfte, Streben 31t loibmen, meun'3 fein nm% %a opfern.

©Ott, ©Ott, fage nur, toa§ fotf tdj tljun?"

SMefe ßriffö rcäf)rt nur wenige Sage. £etjmau Saffal

befudjt feinen Sofm, nnb nnn finbet $nrifd)en ben Seiben bie

entfdjeibenbe Unterrebung ftatt. Saffalle entwickelt feinem

SSater gegenüber mit ber feurigen SerebfamMt ber tiefften

Ueber^eugung, baß er al* Kämpfer mit bem (Bewerte be3

^orte§ nnb ber Schrift, ale Kämpfer für bie greiljeit

Danbelu nnb, wenn e3 ha* 3d)idfal fo fügt, feinen Untergang

finben urilL @r will bie Golfer erleuchten nnb aufflären.

(Et entwaffnet alte Sebenfen be§ r>orforglid)en nnb ängftlxdjen

Katers. Unb, feltfam genug! immer fpuft im £intergrunbe

bie 3d)reden*gefta(t eine* tragifdjen 2(u*gang3. Sctjon al<3

er ged)tftunbe nimmt, fdjreibt er: „Wan fann nict)t miffen,

ob man ntd)t einmal in ben gall fommt, ©ebraudj non

it)r 3U machen." Unb fn'er, afä er mit feinem $ater fidj

au*fprid)t, regt fict) in iljm ber ©ebanfe, baj} er ate $iärtt)rer

ber guten Sadje fallen werbe. 2(ber ber ©ebanfe fdiredt

it)n md)t Gr mufj fämpfen, foHte er auäj §um 93iärti)rer

werben ! „SBarum? Sßeil ©ott mir bie Stimme in bie Sruft

gelegt, bie mtdj aufruft §um ßampf! SSeil iö) für einen

ebten 3med fämpfen unb leiben fann! 2£ei( idj ©ort um

bie Gräfte, bie er mir gu beftimmtem 3^ede gegeben, mdjt

betrügen will! SBeü idj mit einem Söorte nid)t anber* fann!"

So hübet benn bieie? Sagebud; ein wenn aud; mit

Page 162: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 156 —

nielem finbiicben ßeraäfd) unb manchem unnü&en QmQ burd)=

fe|te*, bod) für ben jungen Saifalfe in mtmnigfadjer Begebung

feljr begetdjnettbeg unb für bejfen agitatorifdje* SBirfen be-

beutfame» Vorwort &ur Biograp'bie eine* ber nttdjttgften Vit-

Ijeber ber jetzigen focialiftifdjen Bewegung.

9)iit bem sBeritfjte über bie llnterrebung mit feinem

Vater verlieren bie SaifauViäjen Ülnf^eidmungen ben Gbarafter

beä eigentlichen Sugebud)», xmb an biefer Stelle haben mir bie

Veröffentlichung abgebrochen, *2)ie fofgeubeu Seiten ftnb gefüllt

mit ber Beitreibung einer gferienreife unb mit (Sitaten, bie

ßaffolle an? oerfdnebenen Sdjriftftellern ^ufammengeftetlt fysL

2Btr l)aben fdjliefißdj nur nocb $u bemerfen, ba$ mir

ben £ert be3 ^weiten Stöfcjmttt» eben fo gemiffenbaft be=

banbelt baben, mie ben be? erften. SBit baben Unerljeb liebet

geftrieben, überflüffig SmftöfjtgeS gemilbert, im Uebrigen aber

ben Wortlaut uollfommen unoeränbert gelaifen.

Qercn Dr. £arl 2£. SBbiftling in Seidig, ber mtö über

bie Personalien unb 3uftänbe in ber Seipjtger £cmbeC3fd>ule

mertlmolle 2lufjd)lüffe nerfdiafft tyd, ftnb mir nodj 5U be-

fonberm $)anf uertnliditet. $p. £.

Page 163: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

Der ßcmöelsfcfyüler in Ceipji^.

Wal 1840 6i<§ 2Kai 1841.

Cbwol)! icf) immer geurimfdjjt fjatte, au3 Breslau weg--

jufommen, fo würbe mit bod; fe£;r wef) um» gerj, af§ icf)

üon meiner guten, jdrtti^en äKutter, oou meiner geliebten

Sd)weiter, dou allen meinen Tanten, DnMn unb Goufiuen,

bie alle gekommen waren, nod; einmal midj 311 feljeu, mid)

trennen muffte, — af« idj Sfbfdjieb naljm von unferen Seilten,

bie ebenfalte faft Sljränen rergoffen. 2Iudj von 3ftbor

mußte icf) SXbfd^teb nehmen, audj meinen ^hjlabe» muffte icf)

gurütffaffen, nur mein geliebter SSater blieb bei mir. „2fber

audj er begleitet mid) nur bi£ an meinen *öeftimmung*ort,

bann muß icf; mid; aud; von iljm trennen/' badfte tdj, unb

meine Singen würben feudjt.

3dj übergefje meinen 2lufentf)a(t §u Berlin, ber reid;

an ICergraigungen aller Strt war. Qd) füt)re nid;t bk

8eljeuewürbigfeiten auf, bie id) in Sfagenjdjein genommen.

3d; jage Uo%, baß idj nod; feine fo feiigen Sage reriebt

Page 164: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 15S —

fycibe, wie biefe in Berlin. 8$ ftHJ l1 °n S&nüfement 511

SImüfement, von einem Sweater m§ anbete, 2x>iditig ift,

bat3 Qoe( 2Reter, ein ungemein reife unb fefir renommtrter,

afö aucmebmenb Öug Geformter 3eibenfabrifant ben fetter

r-ennoüirte, tnidj nadj Seipjig §u geben.

Qdj Begleitete die meinen 3kter nad) Seidig. 3)en

nierten £ag unferer 2(ntunft ging id) 51t £>erra Tirector

Sdnebe, mid) einfdireiben p [offen. £od) Ijatte ber Sater

nod) feine i(im jufagenbe Rennen gefnnben. 3n ber Pfaffe

felbft in e§ febr Ieid)t, fomnfommen, unb e* gelang mir fdion,

mid) in Ginigem auesmetebuen. 3XHe^ trägt bat ©emäge

ber §freunbltd)feit unb fdjeint bie bbkn ^ronbe^eiliungen

2lDo(pb Tnbrenfürtb*, bie er mir audi in Seimig nrieberfpfte,

Sügen 311 (trafen.

Uebrigens amüfire id) midi bis jefet red)t gut in £-eirsig,

unb begreife gar nidit, nrie mir Samuel banot 10 bange

madjen tonnte. Unter Sfnberm nnirbe meinem Sater and)

üorgefd)(agen , midi 511 einem getroffen föerrn £anber,

Tirector einer 9tealfd)ule px Seirsig, in £ßenfton $u geben.

2öir maren braunen in feinem ßogte (er wohnt in einem

berr(id)en ©arten not bem £hore), unb SUIeS, mae mir iahen,

ber £>err felbft, feine tsvcai, bie ftinber, bie Stuben, entmtfte

unS. 8$i8 je£t hatte idi nod) m feiner ber norgefchlageuen

Sßenfionen fonberliche Sufi gefühlt. iDiefe aber gefiel mir

auSnetymenb. Ter §err SRector r>ernu-ach, meinem SBater

Page 165: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

159

in ^inftdjt be<8 greife» gu fdjreiben, unb fo Rieben wir.

2(m anbern Sage ersten ein 33tCCetd;en be§ £errn Qvcectoxä,

ber bte ungeheure Summe von merfjunbert S^alern nerfangt.

§err 3^ott)e, bert ber §err SDtrector Stiebe bem SSater

empfohlen t;atte, verlangte b(o» §ti)ett)unbertfünf§ig Spater,

unb bie§ mar SBater fäjon §uüte(. 216er ba üjm bte Sßenfion

bei §errn ijoanber au»ne£)menb gefiel, unb er mid) ba mit

9M)t am heften aufgehoben glaubte, fo ttyat er, wa» id;

gar nidjt erwarten lonute; feine gMtäjteä ftegte über ba»

33ebenfen, unb fo fdjwer fie ibm audj werben, er einigte

ftdj mit §errn SDirector auf ben ^3rei» dou breifjunbett

Jätern. 3eben £ag ferne idj mefyr einfeljen, wie gut

mein $ater ift, ben idj fo fet)r gehäuft Ijabe.

3d) bin bereit» an jefyn Sage bei gerrn SMreetor

ficmber, wo idj mir fe^r gut gefalle. 2)ie grau SHrector

ift eine ungemein gemütljlid)e, wirftid) f)erjen»a,ute unb babei

eine fluge unb geiftreidje grau, £>err 3Mrector audj ein ferjr

guter ÜDfamt. Steine Stellung in biefem fiauje ift wirftid)

au^gejeic^net. Qd) werbe nid)t betrautet, wie cmberewo ein

Slnabe non fünfjefm Safjren, fonbern wie ein erwadjfener

junger jraanjigjä^riger 9)iann. 'Das' (Mb, ba» mir mein

SBater gelaffen, ift auegegeben, unb id) fyabe um neue»

gebeten.

$on je|t an will idj wieber £ag für £ag ein-

f^reiben.

Page 166: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 1G0 —

Xonnerftag. 21. üftai

3(6enbc bfenbete iä) ine „QEa.btoerraanbtidjaften/' 3dj

raetfj nicf)tr id; fann biefe Dttiße nidjt lieb geraumen, fo )efyc

fte audj t Xicfjter tjeraueftreidjt. 3d) ietje in tfjr b(o3

einen gauj geraö&ntfdjen Gbarafter.

Spater taS idj grau Xirector „Gtaoigo" oor. ߧ ift

bodj fettfant, bats ftdj bie Dcatur fo fefjr in Grtremen gefällt,

btus fte e§ fo fefir liebt, Söefen 31t fdjaffen, bie fo ftarf unb

io fdjraad) ftnb. tiefer lOianu, Der ftdj 6lo3 burd) eigene

©etfteefraft uom Staube fo fjodj tjinaufgeidmntugen batte,

Der burd) fein Gknie bie JÖeraunberung ehteS £önigreid>3

erregte, her ftdj burd) feine Sbaten afö großer 2Katm legi-

timirte, biefer auf ber anbern Seite fo fdjraadj, fo fleintid),

fo gang ofme eigenen bitten. SBBaljr fagt ber granjofe: „Les

extremes se tonchent."

DJbenbs bracbte mir ber SBruber oon lOiabame S)trector

ben 23eridjt über bie 3uben in 5Dama3cu& C, e3 ift idued;

(id) m leien, fdjrecffta) m hören, otjne baß bie ©aare narren

unb [tdj alle Qefüble be3 öerjene in 9£utli rerraanbeln. Gin

SBolf, ba3 bie* erträgt, ift iduedtidj, e3 rädje ober bulbe bie

^ehanblung, ^atir, fürdjterltd) raalra ift folgenber Saj beä

öeridjterftattetö: „Xte Suben biefer Stobt erbulben ©rau«

iamt'eiteu, raie fte nur non biefen Spariaä Der @rbe ohne

furchtbare :)ieaction ertragen werben tonnen." Sttfo ioaar

bie (iliriften untnberu fid) über unfer träges 83tut, bafj rair

Page 167: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

uns nidjt erbebe. a\ir

ber Tortur fterben wollen. SBareu bie Sekücfun'gen, um

bereit willen ftdj bie (rd) weiter einft

ev je eine Revolution, wela)e geredn, ctl§ bie, wenn

bie Quben in jener <£tabt aufftänben, fte non allen ©cfen

anjfinbeten, ben ^nfnertbnrm in bie Suft fprengten unb ftdj

mit inten Reinigern töbteten? geige* SBolf, bn nerbienft

fein beffere* Soo*! 3)er getretene SBurm frummt ftdj, bn

aber bücfft b\<$) nur tiefer! S)u roeiftt nidjt 31t fterben, §u

üernidjten, bn weifjt nidjt, wä3 geregte 9M)e beißt, bn

weißt nitfjt biäj mit beinen geinben p begraben unb fte int

Sobesframpf nodj 51t §erffeifc&en! S)u bift §um tecfit

geboren!

©onnafcenb, 23. 3Äai.

feeut würbe bie ©dmt&tMtoujef eröffnet. S)a idj etwas

non (Sorneifte begehrte, meinte Stiebe, bas nerftänben wir

nodj nidjt. 3a, bcß glaube idj, bie ©djüler feiner brüten

klaffe nerftetjen tljn frei(id) nidjt.

8dj bin fo fhtbifd) ober fo finblidj geworben, iä) bin

fo gefnnfen ober fo geftiegen, baß idj bereit» wieber Vergnügen

am söafffpiel ftnbe.

©onntag, 24. 9ftai.

SIbenb*, nadjbem wir t)on alten Sungfem unb Atopien

eine $eit fang gefdjwafet Ratten, äußerte ict) — idj weiß nidjt,

%aul Sin bau, ^yerbinanö Safjafle» Sagebud). 11

Page 168: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

Jrfifc <

«ne id) auf ba§ £§ema tarn —,bafs V. ^f ftcfyi % uttratg

Derftere, baf} id) roo()( reit unö üJtllu, fftr bie §iu«te&(affe

raäre, unb voaZ für föinber, für Sgnoranten in bie hätte £(affe

aufgenommen mürben, grau Xire^c^r gab mir Kredit unb

rietb mir, mid) feföft an 3d)iebe ^u-Tuenben, ober ifym burdj

meinen $ater fdjreiBen §u (äffen. S^perrodrf 83eibe§. Gine

S&tfforbermtg oon mir, mid) 3U eraminiren, tonnte Schiebe

ignoriren, in* £äd)er(id)e jietjen. 3n meinem $ater mottte

idi erft ntd^t biefe 3bee ermeden." £Bo§tt, wenn fte nid)t

reatinrt mürbe? 3o waren; ;'ir>ir 23eibe einig, bau §err

Sirector ftd) an Sdjiebe werften foffe. 3tt§ btefer aber nad)

Öaufe fam, bewies er mir fonnenffar, baß bteS wegen einer

gemiifen Gtferütdit unb 3d)iebe§ eigenünnigen befpottidjen

Memfterrfäjenö mir ntdjte nüfeen mürbe. ©r wollte burdj

giügel unb geller Stieben bearbeiten.

Tüenftag, 26. Wim.

2tt§ id) fjeut 3d)iebe fragte megen eine* engtifd)eu

Seiner*, fo uerbot er mir, obne ©runb eng(ifd) 31t (erneu.

Sijrann! SSBtr befameu Geufuren. Einige, wefcfje bie heften

maren, erhielten fte nid)t, fonbent 3cbiebe fdricftc fte tliren

@(tern. Unter btefer Qai)t mar aud) id).

3tt3 mir fpäter 3d)iebe fragten, zeigte er unä (Sotuen.

SWeine mar wirflid; gut. 3) od) jagte mir 3d)iebe: „33ei

2)ir Ijabe id) nod) ein ?(ubängiel gemad)t. Tu baft einen

Page 169: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 163 —

p arofeji Xitufef. 3)« intttft äSottatre lefcn unb t>erftef)ft

i(m bod) 'nidjt. (So?) 3)u benfft, Xu weißt munber roaS

alter SafjaL"

„Sie entjdmtbigen," entgegnete i$, „idj fann mit

Sofratee jagen: idj roeifj, baf$ idj nidjt» in^tts."

3)a war idj fdjtedjt angelaufen.

„Gin Kaufmann, ber von Sofrate* unb (Eicero fpridjt,"

jagte ©äjiefce, „rairb gar baib feinem söanferott entgegengehen."

2Öe(d)e Summfjeitü

SBerbriejtfidj tief id) weg. Unten ftanb fieufdjfet, ber

mir n)irf(id) gut ift. 3dj erjagte i(nn ben auftritt. *S)a3

(jätte idj fluten im SBorau* lagen fönnen. £err Dtector

liebt baä nidjt. $on mir haben 8ie bie befte Genjur ber

Pfaffe."

miüvoofy, 27. ?Jiai.

. 3$ erfahre von iQerm ©irector §anber, bafs Schiebe

ihm etroa» l)abe jagen [äffen, ©anber roitf nidjt herauf miß

ficf) Ghmcht in bie Sadje rerjdjaffen. Stul feinen unb ber

grau SHtector 9tebeu fefee idj mir jufammen, Schiebe i)abe

i&erra öanber Strenge anempfohlen. 3dj fei r>or(aut, ein-

ge6übet, thäte Steigerungen. (2>5 habe ifmt fet)r mißfallen,

baB icf) Voltaire Ejaben raotfte unb fagte: idj töetfc baf$ idj

nicr)t§ weife, iperr Xirector bat mid), mid) gegen bie Sdjitfer

in 2Ccf)t ju nehmen; icfj (jätte Weiterungen getrau, bie jn

11*

Page 170: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 164 —

3cf)iebe* Cfjr gefommeu mären; icf) foffte micf) gegen feinen

©dfjüler auefprecfjett. D 2Ibolpb, 2fbo(pb!

Slnt anbem borgen liefe micf) igerr Stfrector

3d)ie6e rufen unb jeigte mir an, bau er mtdj unb einen

2(nbern nacfj ber jraeiten Pfaffe fe|ett motte. S95er mar

gtücflidjer a(3 icf)! S)odj burcf) bie ;fta$bilfejfimben , bie

nun eintraten, rate burcf) bie triefe Arbeit raurbe icf) t)er^

binbert, mein Sagebucf) regelmäßig fortzuführen. 2fucf)

vexiox icf) ben Sdjlüffel ba^u unb habe mir erft einen neuen

machen laffen. RHel ifi unb ÜB5tdjtige3 in ber $e\t vorgefallen:

mein SBerfiäftntß in ber 3cfm(e bat ftdj geänbert, meine

ßebeneraeije; mit £errn 3)irector §anber bin icf) aucb jcbon

über bie gtttterraocfjen, SP&$ ^d 6e(b au§ 2c. 3)odj werbe

icf);3fttee btefe§, raenn icf) uocf) einmal barauf jurücffommen

fottte, beutfidt) au§etnanberfe|en unb nacbbofen. SBon jefet

beginnt mein täglicher Verlebt.

^Donnerftag, 18. Sunt.

3cf) fanu rairfücf) nicf)t recf)t barü6er tnl $(are t'ommen,

marum ein 23ccfer, Diattianion*) über mich lata. Sßetl tet?

läcberlicf) bin? Dberroetl fte Barrett (tnb?

*) Srfjüler ber föaiibel8lef)ranftalt ©. 3). 2B. 53ecfer aus Berlin,

Sofetofi 9iatfianfon auS SBarfebau.

Page 171: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

165

Weine jronjöftfdje Arbeit ift mit ..niediocrement", bie

t>on üftoewe?, bei g(ei<$ md geilem, mit „passable'- unter-

jeidjnet. Söenn e§ wafjr fein iotfte, roa§ idj nermuttje,

bats

greitag, 19. Sunt

ioeut empfing idj einenv

£rief t>on Sftbor doH dou

SÖifc, Greift unb Siebe. £od) mar barin bie §iob»poft, bat3

mir nichts gewonnen ^oben. C ©djicffal, 3cf)icf[a(, roarum

fjaft b« mir ba3 getbau! 2Bo blieb ber %x<mm meiner

3 cb werter? Snttegenb fdjicfte er mir einen Sbater, weil id)

meine (Mbnotb ifmx gefdjrteben. ©r ift, raie er fdjreibt, felbft

fefjr auf bem 3anbe, ba er jefjn Spater in ber Sotterie t>er«

foren. 2)a3 ©e(b erfreute mief) nidjt. <§& ift §u wenig,

um Effect ju machen. 3$ ^^ in anbertfjalb SDionat

brei^efm £(ja(er ausgegeben; roa§ foll idj mit einem anfangen?

Slber biefer ^Beweis fetner Siebe rübrte mid) tief. „2Bem

ber große SBurf gelungen, eiltet greunbe» greunb $u fein."

£-> ift boer; ein wonnige» ©efiujl, einen greunb 31t fiaben,

ber ©inen uerftet)t, ©inen aufjufaffeu vermag, unb idj fjabe

einen fo(d)en fyreunb in meinem SPbor.

£eut rjabe idj SSrief nad) Saufe geidjrieben. Irinnen

ein 2luffa| über'* ©^wimmen, ber fjat iiä) gewiß ge*

waf^en.

Page 172: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 166 —

(Bonnabenb, 20. 3uni.

9?acf)mittag ging id) auf Bdnmmeleteicb*). Qi ift bteS

ein ganj eigene* Vergnügen für midi, unb 3ftbor bat -Recfit,

wenn er fagt, er 6eneibe midj um einen Crt, wo id) uuge-

ftört me(and)o(ifd) fein tonne. Xer SBtnb ging tjeut jebr

ftarf, unb es war ungemein fdjtoer, gegen ben Sßinb gu

fabren, wetdjer Den ftatyn wie einen Greife! in bie 3hmbe

brefjte. £ief betrübte e§ midj, baft her alte 3ftamt nerabfdjiebet

ift, weit er, wie fein unbarmherziger §err fagt, fid) t>a§

Srinfen angewöhnt f)abe. 3dj freute midj immer fo über

biefen IXeberreft her großen 2(rmee, unb wenn id; borte, mit

wetdjer 23egeifterung er oon Dcapoleon fpracb, fo jdjwärmte id;

mit Umt Denn ift her alte Wann fort, bungert melleidjt unb

roeifj nid)t, wo er fein £aupt (jiniegen fott. Sttefe Qbee oerbarb

mir alle greube, unb idj war orbeutiid) mit bunfler Ahnung

erfüllt, baf3 mir ettoaä begegnen würbe. S)e3 2Bmbe3 wegen

tonnte id) ben Skbn nidjt gut (euren unb würbe fortmätirenb

an bas Ufer getrieben, wo bte Zäunte mit ifjren oorfteljenben

3weigeu mid) g(eid)fam paeften unb &u fid) nerauwgen.

*) (Sin 2krgnügung?[ocal am tftoiplag, auf einer 3«H 2te«t

retiro genannt, inmitten be» großen £eid)ey eine» früheren i-'anbgnteS,

(5d)tmmelSgnt. Xiefer leid) mürbe gu ©onbelfarjrten benufct unb im

hinter gutn Sdjüttfdiublaufcn. ^lüjätjrttd) (jtelt bort bie fytfdierinnung

t>on ßeipjtg tf)r „f5ftfcf)erfted)en," ein beliebtes 83oß8fefi, ab.

Page 173: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

167

äftein 35oot fuljr fid) jebe Ginnte feft, fippte beftcinbig, unb

e» fehlte oft nur ein §aar, unb td) wäre l)inau*gefatlen.

(Bonntag, 21. Quitt.

§ent empfing td; einen S3rief oon meinem Skter. ÜUttt

me(d)er §aft erbrad) id) ilm! 3$ fonnte feinen Snljatt freilid)

nidjt aljnen. @r enthielt (anter ^onoürfe, oon benen feiner

gegrünbet mar, nnb oon benen mid) ein jeber tief, tief oer=

le^te. Suerft Befragte fid) Skter, bafj meine Briefe fo tur^

wären, unb ber oon Gerrit £3urd)arbt*) il)m überbrad)te

33rief mar e» bod) allein, unb bie übrigen füllten alle einen

ober mehrere 23ogeu an. äöeiter fagte er: id) lefe feine

Briefe mit 9M)iäffigfeit, beantraorte fie gerftreut, meil id)

ilim ba§ ©ebid)t nid)t gefd)icft, uod) feine (Sintljeilung . meiner

Stunben gegeben unb aud) tl;m uod) nid)t gefagt, ob id) bie

bret £t)aler jurüdgegeben, morum er mid) fdjou breimal ge^

fragt l)abe. ©erabe ba§> ®egentt)ei( fanb ftatt, id) batte

breimal gefd)rieben unb gefragt, nie Slntmort auf biefe grage

erhalten, unb erft oier^elm Sage barauf, ai§> id) nid)t mel)r

im (Btanbe mar, befam id) bett 23efel)(. $or Slllem aber

legte e§> mir mein SBater jum &erbred)en auä, baf3 id) gegen

§errn £mrd)arbt l)abe oerlauten (äffen, idj möd)te §unbvferien

nacf) 23re£(au tauten. 33t3l)er \m$te id) uod) uid)t, ba$ e»

*) 23urdmrbt tjatte auf feiner $urd)retfe fyerbinanb in Seidig

aufgefitzt.

Page 174: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 168 —

einem fötnbe §um SBerbredjen angerechnet werben fann, feine

©Item fefjen §u wollen. Ueberbie» Ijatte id) ju meinem Leiter

noct) nidjt banon gefdjrieben, unb mein SBater, ber e3 Mo»

nom ^örenfagen wußte, nal)m ben Sßunft fo gereift anf unb

fcrjalt miä) barüber fo! 3dj mödjte meinem SBater feine gfrage

jurücfgeben: „3ft ba§ wof)[ Dreckt?" 3$ brad) gleich nadj

33eenbigung be» Briefe» in Sbränen au»*. 3'd) fülifte midj

fo allem. £)iefe Stimmung mürbe baburdj nodj genäfjrt,

bafe id) £eine3 6ebid)te, bie ftet» fo innig meine Seele be-

wegen, ia§. 33efonber§ bei bem einen ©ehielt: „(SHnft sogen

nad) granfreid) jraei ©renabter', bie waren in Drußlanb ge-

fangen" 2CV jerflofj idj in Syrernen. Sie rührte midj fo tief,

bie Siebe, bie Sxeue jene» alten &rieger§ gegen feinen großen

^aifer, unb meifterljaft Ijat §eine beffen Srfjmerj gefdjilbert in

ben ^Sorten: „Wleirt ßatfer, mein Äaifer gefangen!" 3d)

weiß uid)t, wen iclj in biefem ©ebidjte am nteiften be*

wunbern foll: Napoleon, ben GJrenabier, ober fieine, ben

großen 3)id)ter.

ilcittwoct), 24. Suni.

§eute war bie Säculärfeier ber ©rfinbung ber SBudf)«

brudertunft. ^rjilippfobu*,) befud)te mid; früli. od) oerfaufre

gri§ meine fd)ted)te alte Ubr für jwangtg ©rofäen, unb

) ^rjiüw Stuguft ^rjüippiorju aus Gaffel, mar 1S40 ©cfji'tler

ber brüten klaffe.

Page 175: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 169 —

mir gingen nun, un» ben $a% aufefjen ju fönnen. ^iüpp-

fofm unb iä), mir pflanzten un§ auf bem 9Jtarft auf, ring»

umgeben t>on §miebe(buftenben §öferinnen, bereu jpitse Ellbogen

id) im Verlauf be» Vormittag» manchmal in meinen Seiten

§u fügten bie (E'tjre (;atte. 3d) glaube, idj miß lieber mit

einer gangen Segion Teufeln anbinbeu, a(» mit einer fotogen

„^Tarne von ber ^affe." 3d) mar mirflid) §u besagen.

ätfetn Strofjljut, t)on bem immermälirenben Siegen ganj naß,

mürbe gugleidj oon ber Sonne gebraten, unb idj mußte

9ftppenftöfje unb Stebünffamg oon allen Seiten, menn audj

nicfjt ungerodjen, bod) ungerädjt ertragen.

@nblidj nabte ber 3IU3- kleine ©rroartungen waren

aufS £öd)fte gejpaunt unb mürben gän^id) getankt. 3uerft

famen in geborgten grad» unb ßofen bie Sefjrer oon einigen

©deuten angezogen unb barauf in bunter Sftetye bumme

Sungen tjinterbrein. §interf)er ein 5Dtufifdt)or. „3u)ö(f rotnbs

bürre üttuftfer führen ben 9to£)n, blinb giebetmeib ftolpert

mobl i)interbrein." 2luäj mürbe jeber £ota(einbrud baburd;

geftört, baft jeber 3U9 einzeln fam unb man nun immer

eine (jalbe Staube märten mußte Bt» bie anbere Innung

an ben ©treu» fam. £)te Wbifihtö gärten ben 9Jtorfdj fpieten

jollen: „3mmer (angjam ooran, immer (angfam- üoran, ba£

bie öfterreidu'jc^e Sanbmefjr naäjrütfen fann." ^Darauf famen

bie Stubenten, bie aber eber jpanijdjen Leitern unb £o(m-

btenera al'3 Stubenten gßdjen. Keffer machte fidj ber Senat,

Page 176: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

170

her mit bem Rector magnificus in Hermelin gefleibet

oorljer^og. 5(ucf) bie Bruder, bie nad)ber famen unD in

conspectu populi festen nnb bntcften nnb goffen, matten

ficf) gut. (Sbenfo ©utenberg^ Stanbbilb. §alb ^erorücft unb

jerquetfdjt tarn id) nad) Saufe.

3Jftt p(jilippfof>Tt machte icf) einen Sanfd): feinen neuen

9ltlae=3l;lip» gegen meinen alten ^fefferroljrftocf nnb jtoölf

gute ©rofdjen, bie id; il;m fdjulbtg blieb. iDer ©fei! @&

bat §etne Dreckt, menn er fagt: „9Mne beften greunbe

fmb bie Darren. Söenn id) einen fennen lerne, fo freue id)

mid; föniglid; nnb fann gleid) beredeten, urietriel Honorar

id; an* einem foldjen Darren ijeran^fcbreiben fann. 3ie

muffen mir unentgeltlich 311111 3Jlobett fiten."

grettag, 26. Jjunt.

3d; ging fjeut 9iad;mittag mit grift nad) ^pfaffenborf.

£a id) fein (Selb t;atte, gab mir Monsieur le directeur

einen £t;aler, nnb üon gri| borgte id; ad;t Gkofd;en. 3Bir

waren nid;t lange brausen, fo begann baS Wettrennen.

Xod; mürben mir bei biefer Gelegenheit getrennt. 3$j fnd)te

gri£ U§> ad;teint;atb ll£;r nnb fonnte il;n nid;t finben. 3$ennni)irte mid; bal;er, bod; l;atte iä) nod; feinen 3 01t ax&*

gegeben. ©a traf id; in einer iNeftaitration jroei öanbeläs

fd;üter, Präger nnb ©litt*), balb benebelt. $>or ihnen ftanb

*) Snefje bie oben mttgetfjeiltc Sifte her ßaffaPfcfjeii 2J?ttfd)üler.

Page 177: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

171

eine (eere 2Beinf(afdje unb cmbertljalb ©rogfgläfer. 33alb

tarn auä) ©tegmunb bap. 2öir legten jufammen, ä ^ßerfon

jroölf Qrofdjen, unb liegen eine gfafdje SEjampogner geben.

(Biegmunb empfabl fid), wir tranfett, ba gntn (Eliampagner

ba-j (Mb feilte, eine glafdje £une(, unb Präger, ber bereits

en 3dnoeiit war, foff nod) einen fteifen (§>rogt\ 2Bir matten

babei Ijöftifd) Samt unb bradjten beftänbige S^oafte auf ©e=

funbbeit ber £mnbe(efdni(e au3. 9hm gingen mir pmgeuerwerf. SBefoffen war idj, befoffener ©lier, bod) ber

SBefoffenfte war Präger, ber lange Menget, 3dj empfanb babei

gräfjlicfje Sdjmerjen bor Diene, beim mein gan$e3 Gelb bis

öier Girof^en war fort. „Wieine gülbenen Silicaten, jagt,

wo feib iljr I)ingerati)en," fummte idj, wäbreub Präger fcijrie:

„.Qfjr feib 2(Ue lumpige $tet% gang lumpig! 3dj wiß feinen

Sunel, (Eljampagner will id)! Qljr feib Sumpenlnmbe!"

GUier, bei bent es and) fäjon gewaltig p bämmern anfing,

gab jtdj alle 93iübe, ifm §u l;alteu. SBir taten an bie

Tribüne. Präger lief m§> mit Gewalt weg. 2öie id) fpäter

erfuljr, fiel er fn'n unb würbe uon einem Gommunalgarbiften

nad) §aufe gebradjt. ©lier fefcte ftd) Ijin unb würbe feetranf.

2ütd) bei mir jeigten ftd) bie folgen be» ©Ijampagners, aber

auf ganj anbere Slrt. Qdj würbe poetifd). 8d) tan3^e wtnljer

unb fdwie: „23acd)us foll (eben! SBo feib u)x 9Jiänabeni

iger mit bem Sijprfueftab, umranft uon ftro|enben hieben 1

2(uf, feiert ba§> 23acd)anal! $inat Gljampagner! (Sljampagner

Page 178: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 172 —

foEC (eben! Sßbat Champagner! (S§ (eben bie grauen! So,

füllt ben 23edjer! Slomm, Slpoll, !omm, fauf, 3M<$tergeift!

SBtft mir bodj unterbau 23ruber 2lpott fammt bem bonnernben

Jupiter. 216er mo bift Du, alter SitenuS?" SDajrotfc^en

jubelte idj: „2Ber niemals einen sJtaujd) gehabt, her ift fein

braoer 3Wann!"

„3um Donnerwetter, §err! treten Sie mir nidjt bie

güße-ab," ertönte eine Stimme. Sogteidj fam meine 23e=

fonnemjeit, mein 9iaujdj jdjroanb. 3$ maäjte mit bem §errn

mit ben abgetretenen gügen 23efanntjd)aft, unb ftefje ba,

e» mar ein Sanfter. 2ötr trugen ben eingejdjlafenen ©lier

naäj «gaufe. Dkäjljer ging id), um ba§ Sdmfterteiu $u

belohnen, mit if)m in» ßafe granQate unb gab aud) nodj

bie testen nier ©rofdjen au3. 2Säre tdj nidjt £anbe[*jd)ü(er,

(jätte id) ein ft^öne^ ©ebtd)t auf Champagner gemacht,

aber fo!

Sonnabenb, 27. 3uni

3d) (jatte grofte £uft, in3 Sweater 31t geljett, ba 2flabame

Dleumanu'^aijinger in „Stitte SBaffer ftnbtief'*) unb „Sift

unb Regina"**) auftritt. 2lber wober (Mb? Da nafyn

id) bie 23üd)er ber brttten äfaffe, bie idj nidjt mel;r brauche,

*) Sufifptel in bier Sluftügeti üou 8fr. 2. Sdjröber.

**) Sßoffe in einem Kuftftg üon ß. angelt).

Page 179: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 173 —

intb ging mit grri| 31t greunb Smtiquu*, ber mir jebn gute

©rofdjen gab. Slbenb* ging idj in§ Sweater.

Sonntag, 28. 3uni

§ent tarn mieber ein 23rief meines SBater?, boä) plein

d'amour, obg(eid) er meinen burti) 9Ji. 3aö^3 notf) tiid^t

erdielt. Sfljenbä nabm midj §err SMrector mit in» Sweater,

wo £beaterfd)au ^gegeben mürbe. 21m meiften gefiel mir,

ober trietmefjr, am tiefften ergriff mid)/r9latf)an berSSeife."

Montag, 29. Sunt.

£eut bei £ifdj f'am bie 9?ebe auf £>eine. §err 2)irector

raifonnirte wie gewöfjnßdj auf tfjn. 2l(§ raenn . . . bod) . .

©ienftag, 30. Snni.

&eut ift gi%w3 (Geburtstag. 2)a id) ifjm jroölf ©rofdjen,

ebenfoniet an ^büippfofm fd)u(big bin unb für meinen diod

aa)t GJrofdjen bejalljen mufe, unb überbie» gr% menn and)

nur eine $(einigfeit fdjenfen wollte, fo ging id) mit meinem

bicfen ©djeffer jum Antiquar. Sflletn fdjon fdjlug es fieben=

bremtertel, um ac^t mußte id) in ber gunfenburg fein bei

gerrn Dr. geller. 3Äit hm bicfen 23üd)em fonnte idj mid)

nict)t fä)[eppen. 9Jiein ©ntfdtfuß mar fdmeft gefaßt. 3d)

gab fie, ba fte fdjon etwa» gerfe^t raaren bem gegenüber^

wolmeuben £htd)binber, fie ein^ubinben. WM id) nad) §aufe

Page 180: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 174 —

tarn, tarn fttcat Sttrector, icf) roetfj nidjt nnefo, auf ein mit

unangenehmes GJefprcidj. 3$ batte ibr nämüd), als icf)

8rrettag. Sffienb balb molum nad) £aufe fam, gejagt, id) bätte

feinen fetter mehr. ©feidjmobl ging id; ©onnabenb in*

Theater. Denn moüie fie immer tröffen, mober id) baS

(Mb bätte, benn bafj id) mir z% geborgt, wollte fie mir niefit

glauben. 3ie marf mit lauter angüajftdjen Lebensarten, wie

„kaupeln" *), „man roeifj, mie ee bie jungen Seute madjen

wenn ibr SSater t'ommt," um fid) berum. ^Hxbrfd)einlid) ift

eS, bafj \\t ein ©efpräd) neu mir mit ^ri| bebord)t hat.

3ie fpridjt and) baoon, 3d)ierbo[5 etinae fagen 31t motten,

oon SJi^eroerlanfen. (ri, ei, 2ßabame, in es 10 weit ge=

fommen? Tarnt mufj id) anfangen, aus einer aubem i&m*

art 3U pfeifen.

Xonnerftag, 2. 3ult

gd) führte beut ein red)t emfteS ©efprädj mttSWoeweS**),

unb biefer oerfu^erte mir, meß id) and) glaube, bar? mir

mein meieS Sprechen mandnnal Uuannebmlidjfeit bereite unb

idnabe.

*) 3n fjeitnltdjer SQBeife Saufdjgefdjäfte matfjen.

:;::;:

) ftarl 9(uguft 9ftoeit>e§ au§ Söcrttn, gehörte ber erften Älaffc

an. (St meinte beim Sefyrer ftarl (Srbmann mit 23ecfer sufammeu.

Sin edite§ berliner SHnb ober, lüie ©djiebe gern fagte, „berliner

^tnbmcf."

Page 181: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 175 • —

gfreitag unb 3onnabenb, 3. unb 4. 3uü.

9iidjt§ weiter, als bafs \d) anfing,, (Steuers „SBidjtige Sage

. . . Napoleons" ju lefen. S)a3 ift bod; nodj fräfttge Sprache

unb Unwillen gegen bie £e*potie ber Sprannen. 3Ran joßte

f'aunt ßtauben, bafj bei einein 3)eutfdjen bie Siebe §nr grei^

[jeit fo grofj fein fann. £errßdje3 33nd;

!

Sonntag, 5. Suli.

ßeut empfing idj £8rief non meinem guten, guten SBater!

Unb mit bem S3rtef neue SBeroeife feiner Siebe, £err 3)irector

mar oon bem 3 ^reiben, baS er erhalten, fo gerübrt, ba§

er mir oerfidjerte, fo einen SSater mie ben meinigen gäbe e»

in ber SBelt nidjt mehr. 3)a3 ift mafyditi) waljr! Cs)(eid;wo()(

bat fem Xirector §anber meinem SBater getrieben, id) märe

t>or(aut, nafeweie, (überlid), anmafjenb. 3'o madje iö) atfo

meinem SBater nodj immer feine gfreube.

Montag, 6. ^ui\.

2ld), idj wein nid)t, mie mir ift. SOlid) überfällt eine

foldje söangigfeit nadj Sßater, 3Jhttter nnb 3'cbwefter, baß idj

jebeemtat, wenn idj an meine liebe §eimat benle, in £(jräuen

auSüredjen muß. 2(d), mein $ater, fennteft £)u bie 2Betmuttfj,

bie mein ßer§ befd;teid)t, ba$ Seimen, ba* midj ergreift,

£)u würbeft geftatten, baß idj nadj £te(au fomme! Qdj

würbe Süd), (Miebter, meine SDhttter, meine Sdjwefter,

Page 182: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

176

meinen grennb jefien. §ier mirb bie Suft immer fdjtöfiler,

\ä) befinbe micf) gar niä;t mehr mofy. 2(nfeinDnngen aller

2Irt bringen anf midi ein. Diiemanb, Dem id) in Siebe an

bie 33ntft finfen fann. 2£dj, meine Ottern, mobi ftnb bie

SBorte meine* Safere roabr, afö id) Stefan m oetfaffen

nmnfdjte: id) mürbe mid) nodj oft babin mrüdiebnen.

^ienftag, 7. 3uli.

-Jjmmer mebr geljen mir bie 2(ngen anf. 9(d>, in meld}

anberm Sidjte erfdjeint mir je|t gtani ©irector! ^br benehmen

gegen midj ift ein fehtblidjeg. $)a3 Q3latt bat iid) icbredlidi

geroenbet. Um einer Aleinigfeit mitten sanft fie, liefet ibren

©emalil anf mid;. C 2£eiber, SBetber, wer femtt endi! -Jdi

mar fo gnt!

anittmod), 8. 3uli

2Ba3 rnufj id) fjören! fömn es wabr fein? llnb e* in

mafn, jdjretflid) mabr! ?ßf)tLippfohn bat mir erzählt, grau

SMrector fjabe nen(id) bei Tempel*) biefem in ©egemoart feiner

grau, vier Jremben, ibm (jpbilippfobn) unb Sßitfforb**) c\eiac\t

id) r-ertanfe meine 23fidjer; getmfj nuime fte tö ntdit, bodj |te

*) Dr. Tempel, §aii5rotrtf) non ^>fiiüt>pforin, nadpnafö ?ird)t=

biafomta.

2. bie <3tf)ülerltfte.

Page 183: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 177 —

roitt jucken, auf bk Spur gu fommen, um, wenn fte e§ gewiß

weift, e§ au (Sdjier^olg §u melben.

3)a3 ift a(fo biefetbe grau, bie idj fo fetjr liebte. D,

wie reut mid) jebe Siebfofung, bie id) au fte t>erfd)wenbet, uub

bie mir au3 her S^tefe meine» Sergen^ tarnen. 9iod) Jcmn idj

fte bei mir entfdjulbigen. Sie rann gefpräd)3meife, obne üble

Stöftdjt e» gefaßt Ijabeu. 3d) werbe naajforfdjen. 216er wenn

id) fte nid)t rechtfertigen fann, bann will id) e» mit glammen^

fdjrift meinem Qnnern eingraben, unb unaus,

löfd)lid)er §afg

foll fo (äuge in meinem Innern glühen, bie id) ©elegeubeit

finbe, Dfadje, beiße dlaäje §u netjmen. 3$ fdjmöre e» bei

G5ott unb bem teufet. (Notabene au3 fpäteren £agen): 3te

ift gerechtfertigt.*)

"Sonnerftag, 9. Suti.

@» ift waljr, fdjredlid) ift e§, bafs e» SBa^ett ift, unb

in 3öat)rt)eit, e£ ift fcr)recf[ict)! 3a, fogar nod) meljr. 3dfj

bore oou $pljilippfol)n — unb e§> tonnen nid)t ßügen fein,

— baß fte bei Tempel gefagt tjabe gu iperrn SHrector, id)

prügle bie föinber, id) — o (ügnerifdje» %ßeib ! — idj betrage

mid) gegen fte ungeberbig, unb baj$ fte Sitte» getrau inbe,

§errn 2)irector aufheften. Unb fte ift bod) gegen mid) fo

gütig, fädjelt fo füg! D, wie waljr ift e», bafj ein Söeib

fid) nid)t burcrjfdjauen läßt.

*) 9JHt anberer §anbfdjrtft unb Stnte.

$aul Sin bau, yrerbinanb üaffaßeS Sagebutf. 12

Page 184: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 178 —

greitag, 10. Quti

§err Xirector fjat etroaS nerlauten (äffen in betreff ber

Einher. So fcbjeint e§> a(fo wabr &u fein, baß fte mid) Der-

(enmbet!

„^ort in meine fuße Kammer l

2Rtd) berge^ret nodj bie ©lutlj.

3?lucf) ber S3?elt unb ifyrem Sflwmcr!

3?fadj ber gangen 3ftenfd}enbi,

ut!M

2Bem fotf idj glauben, roeim btefeg 933eib, ba* idj fo liebte,

roafyrfjaft liebte unb ntdjt mir fdjmeicWte, wenn biefeS SBeiö

mid) betrogen fjat! 3)od) er beobachtet nocfj immer fein frübere-J

betragen, ift gütig unb offen, rnnb Ijeran* gegen miä). 216 er

beim Senfe! ! idj roitt fein Urtbeil mebr fällen, nad)bem idj

fo betrogen. 2luä) ^>l)ilipr>fobn fefjrt bie gemeine Seite ber

nnb malmt mid) bringenb, broljenb, er werbe e3 in ber

Sdmle ergäben, lieber ben Sumpenfjunb ! Qdj will ü)m

fein (Mb in§ ©efidjt werfen, ü)n anfpncfen nnb fein SBort

mefjr mit iljm reben.

Sonntag, 12. Quli.

3d; war im Sweater. Soetoe fpielte ben ©amlet. D,

nrie gellten bie SBorte in mir wieber: „Qdj will eS anf-

fclireiben, ball Giner lädjelu fann nnb bod) ein Sclmrt'e

fein!" M) war von ber Wahrheit biefer SBorte, bie fo treffenb

auf meine Sage augeioanbt werben tonnten, fo uingerifien,

Page 185: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 179 —

ba£ td) fie f)ätte laut miebert)ofeu mögen, ßoeroe fpiefte au§=

ge&eidjnet unb gab ben &am(et, wie ftdj Um Sfjafefpeare

gebaut fiaben mag. SMefer $ofm, bieje* Otadjeoerfangen

biei'e £>eracf)tung be3 gangen efenben SO?enf($engef<^£e<^t». „Sein

ober TOjtfein," faat 3tjafefpeare. D6 ertragen, ob burcf)

SBiberftanb fräftig vernieten. Diicfitfein! rufe idj. Sftidjtfein!

ruft jebe gafer an mir.

Montag, 13. 3«It.

3a) roeiti nicf)t, lote e» fommt, ba$ icfj mit meinen 9)tit=

icbitfern fo fc^Iecfjt ftimme, ba icf; bocf) deinen befeibige unb

micl) beftrebe, Qebem gefällig §u fein, bürgte mir nicf)t

mein Qftbor unb fo manche anbere Sßerjon bafür, idj mürbe

auf ben närrifdjen ©ebanfen fommen, baß icfj ein Star bin.

©omtabenb, 18. 8uti.

£>te gerten finb angegangen. 2fHe £>anbe(*fti)ü(er ftnb

»erreift: bte $u ttjren ©Item, bk in» ©ebirge, bte in bie große

©tobt dluv icf), tcf) allein bin bagu oerbammt, hierbleiben

§u muffen. $ier gange Söocfjen! Qxdax fjat mir mein SSater

ba§ (Sdjroimmen ertaubt. SBttt tcfi mirf) aber oier gange äöotfjen

mit ©djtmmmen amüfiren, merbe icf; jufefct eine Gmte merben.

Sonntag, 19. Qufi.

8dj mar im Sweater. Soeme gab ben gie»co. ^8ei

©ott, ein großartiger Gljarafter, biefer ©raf oon Saoagua!

12*

Page 186: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 180 —

3d) roeifj nidjt,' trofebem idj jefet reoolntionä^=bemotnrtiid)=

repnbticanifdje ©efmnungen habe nne (giner, fo fübte id) bod),

baß icf; an ber Stelle be§ Grafen SatJagna ebenfo gebanbelt

nnb nridj nidit bamtt begnügt Ijätte, Gknnae erfter Bürger

51t fein, fonbern nad) beut Stöbern meine §anb an£geftrecft

bätte. 3)arau3 ergießt fiel), wenn id) bie 3ad)e bei £id)t

betradjte, bafs id) Uo§ (rgoift bin. SBare ich d§> Sßrittfl

ober gfürft geboren, id) würbe mit Seib unb Seben 2(riüofrat

fein. 3o aber, Da id) bloc> ein icblid)ter ^ürger^iobn bin,

werbe id; 51t feiner Qeü $)emofrat fein.

Montag, 20. 3uli.

$d) ta§ beut Seffmg* iiDMfterftM, „Diatliau ben Sßeifen".

SSaS id) babet fühlte, afö id) oon folebent deiner 10 meuter-

nd) mein Söolf nertbeioigen fab, läfst fiel) benfen. llnb ob id) e*

g(eid) l)unbert nnb aberbnnbert 9)fal gelefen.

SMenftag, 21. 3utt.

2)an nod) fein örief oon Sftbor fommt!

Sonnerftag nnb Freitag, 23. unb 24. Sali

Aiel nicht* vor, anner Dan id) meinem S?ater febrieb unb

ihn um ©elb bat. ©err iÖirector hat mir bereite iebon jelm

Xbaler gegeben, oon meinem SBater babe id) neben erhalten,

unb ba3 2Ette3 in m>eieinhalb 3Jfcmaten. vVb mein nicht, rote

ba£ IKicbacli mit beut Verrechnen roerben wirb.

Page 187: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 181 —

M) Cefe Bömeä Briefe, bie midj ungemein onfpredjen.

äBenn man nebt, waä für ein aroner Werfer ^eutjdjfanb,

wie 3tafdjenredjte mit gfüfeen getreten werben, wie breifeig

2WÜIionen 3ftenfd)en von breifeig Styrannen geauätt werben, fo

mödne ba3 §erg meinen ob ber Dummheit biefer Seute, bie

ihre Letten iticr)t gerreifeen, ba fte e3 bod) tonnten, menu

fie nur ben SBißen hätten. 8$ benmubere Börne. SBarjr

ift, n>a§ er fagt/ wafjr feine Berroünfdjungen gegen peutfd)=

(anbä nnb Europa* Summten, bie 2ljien3 £)e3poten uitfjt*

nachgeben. 2(ber feine SEBorte: „£ein europätfdjer gürft tft

fo nerblenbet, bafe er glaubt, feine Gnfet werben feinen Xfycori

beftetgen," biefe Söorte mufe idj (eiber bezweifeln. @3 mufe

ärger werben, elie e3 beffer wirb.

Sonntag, 26, 3uli.

Sßijilippfofm erfä;emt mir als ein grofeer Sügner. ©arum

fange tdj and) an, an bem, voaä er mir ron grau Sttrector er*

l&fyit liat, 31t jweifeln. £od) babe id) mir einen Stjaler non

ümt gepumpt. 33) mar mit gtft auf 3d)immels Seid), nnb

biefer (jatte ba§ UnglM, jmeimal in ben Seid) ]ii fallen nnb

fid) Dabei feine neuen fdjujargen öofen 51t jerreifeen. Sic transit

gloria niundi.

SDienjtag, 28. Quti.

£eut tarn £err Sirector jurüä uub brachte mir ein fefjr

fdjönes ©las mit. £)a§ fjat mid; mirflidj gefreut.

Page 188: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 182 —

mittmofy, 29. 3uti

Sie Keine ÜDfcme ift bebenflidi franf. Sie £eute geben

fte auf, ebenfo bie Soctoren, tob aber nidfjt. $c<m ©irector

ift je&t feit einiger 3 e^ gegen micb bie ©üte felbft. 3$ ()abe

ibr atfo Unrecht getban, nnb ^bilipmobn bat fie id)änb(idj

t>er(eumbet. Xous verrons.

Sonnentag, 30. Sult.

SSieber bie abgeid)macfteu ©efdndjten, ba*3 bie o"ben

(Ebriftenbfut braucbten. Siefelbe Öefdiicbte nrie in Sxxmcßt

aucf) in ^boboc unb Semberg. San aber aus allen SBinfem

ber (rrbe man mit biefen 53efd)ulbiguugen beruortritt, fdjeint

mir ausbeuten, baf3 bie 3 e^ &<*& reif % ro Der w* wber Stjat burcb Gbriftenbliti im* belfen werben. Aide toi

et le ciel t'aidera. Sie äßürfel Regen, ee fommt auf oen

3pie(er an.

3onnabenb / 1. 2(uguft.

§eut batte id) oie erfte 2'rfm)immmmbe. 3dimeit3 unb

SWfilje t)atte e3 mir genug gefoftet, e3 Dabin $u bringen. 3$fdjmimme täg(id) unb befudie and) 3d)imme(3 £eid) iebr

l)äufig. Siefe* Vergnügen, obgleidi febr folib r ift oenuod)

gang nnb gar nict)t billig. Ueberbauot, ob id) gletdj nidjt

N

33ilIarD fuiele unb 51t feinem Konbitot gebe, gebe id) bodj

uie( (s>elo aus. Qd) babe feit meinem $ater£ Sfttetfe Mo3

Page 189: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

183

für meinen Schorf an i£afdjengelb swcmstg Xijakx gebraust,

wobei jiuar and) bie menus frais feine geringe Grolle- fpielen.

2Iber rocß tfjut'S? deinem SBoter nnb 3fibor babe idj beut

getrieben.

©onntag, 2. SCngnft.

$d) ia§> ©oetbev Semen. Unter feinen „SBeiffagungen

bee S3afi£" ift mir fotgenbev Diftidjon febr mabr nnb epi=

gtammattfdj erfdn'enen:

„ßange lja&en bte ©roBen ber fransen Spradje gcfproben,

£alb nur geartet ben 9ftamt, bem fte örnn OTcunbe iticrjt floß.

9hm lallt alte» Jßot£ ent^ücft bie ©pradje ber Öfranfen.

3ürnet, 2ftäcfjtige, nid)t, toaS ifjr verlangtet, gefdjterjt."

Montag, 3. 2(uguft.

3$ lefe Söi(i)e(m ÜDietfter. (Sonberbar. 3d) glaube

bi» anf einige Slbiueidmngen midj in äftetfter gefdn'ibert §u

feben. 2(udj td; ftanb tjor brei Neonaten an biefem 3d)eibe=

mege. . 2lnd; mein £er§ lebt nnr für bie £unft, bte iä) (äffen

mußte, fdjeinbar (äffen mußte, nm mir ein ©etuerbe ju er*

raätjten. Stber meldjer Unterfdjieb! 9&n brängten Rfoter nnb

Butter nnb greunbe, non feinen fogenannten „Träumereien''

abraffen, nnb gogen i(jn gum Haufmannsftanbe (jinüber,

unb beunod) entrann er bem ßmariQ nnb ergab fid) ber

5hmft. 3d) aber ()abe, obg(eia) meine ©ttern abriefen nnb

Page 190: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 184 —

midi jum Stubiren bewegen wollten, freiwillig jebem äftbetU

idjen Seben entfagt, um Sabenfdjtoettgel 51t werben. Hub

bodj unt^te id) ba§ Sitte* aud; bamall. Sföer ba3 mad)t,

id) ftanb überhaupt fe£;r frübretf, aud) frühzeitiger am Sdjetbe*

mege, unb wenn midj uid)t ©Item brängten, fo brängte midj

meine bamall Überaul jdjrecflidje Sage, ber id) um 2lE'ee in

ber 2BeÖ entrinnen wollte. 3dj fal; ein, idj fonnte bal (Sewebe

von £ügen nitfjt lange mein* fortführen, e§ ging uid)t. 3$wollte bal Ghjmnafium unb 23rellau fiteben, nod) ebe ber

betrug entbcdt war. 3lber er würbe entbecft, unb bann war

e3 51t fpät, jurücfjutreten. Unb, um wabr 51t fein: id)

glaube feinelwegl gezwungen p fein, einem öffentLid)en,

äühetifdjen ober politifdien Seben §u entfageu. 3d) tytte

b(o3 vov ber §anb 'eine 23efdjäftigung ergriffen, unb id)

glaube feft, ber 3ufßßy oöer Heber, bie 2>orfebung, wirb mid)

aul beut Gomotoir bjeraulreiBen unb mid) auf einen 3'diau=

piati werfen, auf bem id) wirfen taun. 3$ traue auf ben

3ufafl unb auf meinen fcften Tillen, mid) mebr mit ben

DJiufen, all ben £>aupt= unb 3tra;^abüd)eru, mid) mebr mit

£>ella* unb Dem Orient all mit 3nbigo unb Dtunt'elrüben,

mebr mit Spalten unb ibreu ^riefteru, all mit Krämern unb

ujren Gommil 51t befd)äftigen, mid) mebr um bie Jvreilieit,

all um bie SBaarettpretje 51t bet'ümnteru, beftiger bie £mnoe

von ?lriftot'raten, bie bem 9Jienfd)eu fein orftoö bödme* ©ttt

uebmen, all bie (Soncurreiiten, bie ben Sßrete om\i)led)tern,

Page 191: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 185 —

§u »ernrimfdjen. 206er 6eim SBerwfinfdjen foff'3 nidjt

bleiben.

^Oiittwocb, 5. 9luguft.

2Ba3 man gefürdjtet, ift eingetroffen. ^Die gute 3Jtorie

ift fient früf) um fünf lU;r ^nü6ergef<$tummert. borgen

wirb fte fecirt unb greitag begraben.

SDonnerStag, 6. Stugnft.

gofgenbes eröffnete §err Sirector mir (jeute. „Saffal,"

fagte er 31t mir, „idj betvafyte es at£ eine ©djitfung, bats Sie

in mein !Q<mä gefommen ftnb. Qtf; Ijatte bamate feine 3bee,

5ßenftonär3 31t nebmen, unb efye \$f% mia) uerfatj, waren

Sie fdjon bei mir. Sie miffen jelbft, wie wenig $p(a| id)

babe. kleine i£oni, bas arme franfe &inb, bie früher in

Qbrer Stube lag, muß jefct auf bem SBorjaal fd)(afen. $)en

Sommer über gebt baS, unb id) backte, bis jum SStnter wirb

ftdj nodj ein sptäfcdjen auSmitteln (äffen. 2ßjer weber meine

grau nod) iä) ftnb ba3 im Staube gewefen, weit jeber $(a£

fd)on 311 febr in 3lnjprncr) genommen ift. 9cun war id), ba

id) e§ nidjt über mein ©ewiffeu bringen fann, £oni im SBinter

auf bem falten SBorfaal wimmern 3U (äffen, entfd)(offen, SBeiIjs

nadjten Qtjrem SBater 31t fdjreiben, baft, fo (eib e» mir audj

tbue, id) Sie rticr)t (cinger be()a(ten fann. Qefet madjt ber tiefte

©ort fetbft Paft. 3tfarie ftirbt, unb sßfofe ift ba."

3'dj fjabe ()ier Stoff genug, um brüber nadpbenfen.

Page 192: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 186 -

greitag, 7. 2luguft.

„Kabale unb Siebe" würbe gegeben. 3$ war im Sweater.

£)o<$ guerft tiat e§ and) midj Rabale gefoftet, bie afyt ©rofdjen

§u erhalten.

(Sonntag, 9. Slngnft.

2Bar im Sweater, roo bie „Hugenotten" gegeben lonrben.

2)ie Sftuftf tfl nrirfltdj über alle begriffe ^errftdj. £)a§ Sieb

be» alten 9ftarcet erfüllte mid) mit einem ununllfürlidjen

Sd)auber. Qebe» 3M, wenn er fdjrie: „Spiff, paff, puff!"

„korbet fie,

^Bürget fie,

Sßtff paff puff!

@d)lad)tet fie

brennet fie,

$iff paff puff!

Skatet fie,

goltcrt fiel"

unb babei (eibeufdjaftlid) gefticutirte, bie greifen Haare felbft

cor 3orn W du *ötf)en fd)ienen, Ijatte feine ganje ©eftalt

etwas 2)ämomjd)e*.

„2Uttf) 2Beiber öerfcfjonet nicfjt.

Vertilgt fie in (Sil'!

©tu jammernbeg SBcibäßcftrfjt

bringt eud) um'» föeil.

äkrgiefeet mit ftraft iniD 9ftutf)

3br rofige§ Sölut!"

Page 193: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 187 —

Unb nun bie äöieberbohtng obiger SBerfe. SBer bct§ fiörte

unb fidf) in jene Qtit bineinbad)te, bem muffte fdjaubern.

Solsmiller als Sftaoul genügte mir ntdjt. @r mar -jerftreut

unb liefe bejiänbig feine 33lt<fe in eine ^aterreloge fallen.

2Babrjd)eintid) mar ba ein lieber Öegenftanb. Qdj erwartete

nun, er würbe, um ba$ gut 3U machen, bie Ijerrlidje Sftomanje:

,,$mei SCugen faf) idj" 2c. um fo bejfer fingen, aHein id)

täufctjte mid). (*r fang e§ ohne geuer unb 2lu3brud, unb

ebensowenig (egte er einen genügenben (Hd^mefj Ijinein. 33lo§

bei bem Refrain:

„O ßuft, D ßttfc

3u rufjn an ifjrer 33ruft!"

batte fein Gefang etraa* SiebltdjeS, 9Mobifd)ee, unb feine

dienen maren berebt. £)abei faf) er aber immer nad) jener

Soge. 2öabtid)eintid) richtete er an bie bann beftnblidje

Sdiöne jene SBorte. 5Deinoifette ©djlegel als SBatentme fang

auegejeidjnet. S>ie SDhtftf in biefer Dper Ijat etroas, ba*

mid) ungemein angießt. 23ei einigen ©teilen ber Dunertüre

bätte idj ben ganzen SIbenb oerweilen mögen. UebrigenS er*

iuuerte fte mid) an bie fdjön Seit, al* 3l)iff in unfenn ipaufe

jene 2Mobien fpielte. Dh id) biefen 9)ienfdjen je in meinem

Seben nod) einmal mieberfetien werbe?

3Rontag, 17. Oluguft.

§eut fing bie Schule urieber au. 8$ beftnbe mid) beffer

al§ oor ben gferien. 3)as bumnie öeneefe I;at aufgehört. 3$

Page 194: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

_ 188 —

babe, weit icf) feine Eftelfe gemalt, eine Dteifekftfireibnng t>oit

einem Sßinfel meiner Stube big ju Stubentfyür aufjefomtnen.

Dienfiag, 18. 2luguft.

«Öent befam icf) Srief oon Sftbor, in Dem er mir auf

meine Sitte feine Siebeggefdjidjte erjäblt. £)ag Singt nun fo

fentimental. 2tber mei( er biejer amour wegen mit feinem

&errn, .bejfeu SBerwanbte jte in, in (Miüon gerietf), fo iiat

ü)m fein Dnfel in ©amburg eine Stelle $u 3Randjefier t>er=

jcfjafft, mohin er in Annem abgebt. So tagern ftdj alfo

Inmberte t>tm Steifen jurifdjen mir unb meinem beften ?vrennbe,

meinem anbem 3cf>

2ttitttt>od», 19. ^ugufi

2Jlit 3rri| nertraae idj uv.d) jejt redjt gut. (St ift ein

febr gemütljtidjer guter {$ima,e, bem i% aar nicßt an äBer*

franb fetjlt.

Sonnentag, 20v Jrettag, 21., Sonnabenb, 22.,

Sonntag, 23. 0( ugu fr.

f(\d)h> öemerfengwertfjeg, aufjer bafj icf) einen örief nadj

S>auie fcbrieb unb in biefem uuei ©ebtdjte für bie fiodföeit

meiner CSonune Xorctiiea Arieoläuoer mit §erm '3duueeer,

bie am 28. gefeiert wirb. Sonntag ging idj mit jjrifc auf

2d)immer> Zeich, gang wie gewö^nttdj.

Page 195: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 189 —

Montag, 24. 2(uguft.

3cl) roeifj ntdit, Icf) empjinbe eine unnennbare 3ehnfnd)t

nad) meinen (rltoru. 3n mir fämpfen je# §wei Grtreme.

3d) mödjte in bie äßeft §inait§ftürmen, bort mit eigener

Öanb mein CHüd erringen, unb nrieberum gtebt e§ Stegen*

blicfe, in benen mir utcf)tv nmnfdjeneroerte erfdjeint, all bie

friebßdje 3til(ix

&u §cmfe in beut Greife ber alten S5e-

rannten, ©benfo fdmpfeu in meinem Tunern suiet anbere

Grtreme. Soll id) fing, foll id) tugenbbaft fein in meinem

Se&en? 3 oll idi ben SKantel nad; bem SBinbe dangen, ben

©rofeen jdmtetdielu, mir burdj feine Sntriguen ^ortbeüe unb

2(nieben erfd)(eid)eu, ober ioü id) nrie ber trofcigfite ERepublt-

faner au ber SBa^r^eit unb £ugenb balten, alles 9(uoere

nicf)t beadnen unb nur bawm auegeben, bem 3(riftor;

ratt*mus

ben £obe3ftofj m uerjefeen? 9lber nein, id) miß, obiuobl id;

aucb ba§u Talent bätte, lein läd;e(nber feiger £offd)rame

roerben! 3d) miß ben Golfern bie greibeit uerfüuben, unb

follt' id; im Serfudje untergeben, 3dj fdmtöre e3 bei beut

©Ott nuter ben Sternen, unb g(ud) mir, wenn id) je meinem

3ct)iour untreu meroeü!

„2lHe 2ftenfdien, ajeid) geboren,

<Sinb ein abtige§ ©efd)ted)t."

Hub t% wirb unb e* mufj nod) bal)in fommen! $)odj uorber

werben nodi 3tröme t>on 33(ut, oon föbeU unb gürftenbhtt

fliegen. C J-rant'reid), Sanb meiner 3elmiudit, Sani) meiner

Page 196: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 190 —

träume! 2% rote stellt e3 nrd) Irin m Dir! 33ei Dir röofjnt

bie grreüjeit, bu hau bir fte erfänum. Tod) uod) tegtefi du

bie ©äffen nidjt ab. . 3)u fatiü ein, roaS nodj getljan werben

mufj, unb läm biet) nidjt einfdilcifern uon Den $erfpredjungen

perfiber 2(riüofrateu.

©tenftag, 25. 2lugufl

D, mir rote anbeten lugen felje id) jefet Die ^anbete

-

fd)u(e an! 5Dte meinen meiner 9Jiitfd)ü(er geljen ab. SBtr fxnb

ierfisimbbremia, in Der ^weiten Pfaffe, unD Danen bleiben feine

$erjn, bie anbeten gefjen alle Dftern ab. ©ctnrenD in Der

britten Pfaffe mergtg, in ber gioetten Aiaiie ütficmubbreifrig

ftete waren, roaren in Der erften nie melir afe &efnt T:e

(Eltern fetjen, wenn itire 3 ohne jroei {jähre auf Der 3diute

waren, ein, bog ihre @rroartnngen im (Saugen getauft mürben.

D, id) raottte, id) tonnte meinen Söater überzeugen! 2Utf jeben

mti roerbe id) es nerjudjen unb u)nt Karen ©ein etnfdjenfen.

9Jc tttinocf), 26. Sluguft

IteberiiauiU tlntt e* mir teiD, Dan id; nidjt roetter mibtrt

liabe. @S ift mir je£t f(ar geworben, bafj id; 3d)riftüeller

roerben roüX M, id) urill Eintreten dot baS beutfdie Sßoß

unb dot alte Wolter unb mit gföljenben ©orten mm Rampf

für Die Freiheit aufforbent ,Vb rotH nidit eriduedeit nor

bem brobenben 2lugenjU(fen Der dürften, id) rotfl mid) nidit

Page 197: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 191 —

befielen taffen von Räubern unb SMn, um ein weiter

3uba§ bie Sadje ber gret^ett ju Betrafen. Stein, tdj miß

nid)t efjer ru()en, bte fte btetdj werben t>or gurd)t. Sßon

^arte aus, bem Sanbe ber greift, miß tdj tote Mxne ba$

SBort 5U dien Golfern ber @rbe fdjiden, unb alle Surften

joden 3ä(mef(appern unb einfeuert, tfjre Seit ift gefommen.

Hub bod), xotity fiinberniffe fjctbe id) mir niäjt felbft in ben

2Beg geftettt! 2Bte werben meine SBiberfadjer f)öt)nen über ben

entlaufenen ganblungSbiener, ber bie (Site mit ber ^eber oer*

taufdjt. ©etbft meiue 2lnf)änger werben gurd)t fycfom, fid) mir

anvertrauen, unb „§anblung§biener!" Heureiter!" wirb

e§ aus alten ©den gifdjen. 2töer mit ben fronen muffen

audj bie SBorurtyeüe bteäjen, unb bet ganblungäbiener wirb

ihnen SBorte reben, ba|3 fte uerftummen.

3onuabenb, 29. Sluguft.

£eut fotfte SSogetf^tegen fein. £a e§ aber ausfiel, fo

ging idj mit Seder unb fiaffeftad)*) nadj öoliti* unb uon

ba in* 9tojent§aL Boeder ift von ber Seite, wie er ftdj beute

&eigte, fe^r tjernunftig, unb es läßt fic^ gut mit iimt tjarmoniren.

3d) befudjte um gegen Slbenb, unb mir mürben redjt vertraut.

•Dienftag, 1. September.

93tein 3fibor ift gefommen! D, wex betreibt meine

greube! 3$ fann e§ nidjt 216 er leibet mar fie fürs unb

*) 3. bie Sdjitferttfte.

Page 198: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 192 —

flüchtig wie jebe grreube im inenicfitidien Seben. 3cbon xOiiitmod)

früb reift er ab. §cmber nabm ibn freunblidj auf, baä mufj

id) banfenb anerfennen. UeBerljaupt babe id) e% in Dieter

SSegteljimg bejfer at§ irgenb ein ßanbefef<|fitcr; wenn er

nur ein biM)en weniger (auuifd), nur nicfit gar fo unner=

träglidj märe!

Wlütmofy, 2. September.

ßeut batte id) mit ©ourbafjter (Sekret Gurüoirieri Streit,

ber jeljr übet bätte ablaufen fönneu. 2(d), e$ gefällt mir nidfjt

auf ber ftaubelefdiute, uub id) bebauere dou Serben, bat} td)

bergefommen bin. S)aS niete 6e(b ift umfonft ausgegeben,

beim wenn id) wirfiicb Kaufmann werben maßte, fo tonnte

id) nrinatiftrenb in einem 3a^re mebr lernen, c&§ bier in jtoei

Satiren, uub mit weit weniger Soften. ?M)t id) allein, alle

§anbetefd)üter behauten, bat} fie tiergefommeu finb.

Sonntag, 6. 3 entern ber.

Ter beutige Tag foffte fotgenreidi für midi werben,

©err Tirector pflegt nämlid) in feinen 3 dienen febr unan-

genehm ju werben, (rr nennt mid) bann fröre- „er" unb

giebt mir fogeuannte ^agbbiebe, worüber mid) ^büiimfohu,

ber einmal babei gegenwärtig war, fdjon aufwg. Üdtct) beut

tbat er e3. M) will midi aber felbu im 3r>an nicht prügeln

[äffen unb jagte ibm ganj rubig, wenn and) mit einem etwa*

Page 199: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 193 —

Stengen 231id:r/§err 2>irector, nergeffen Sie fidj nidjt."

£teie wenigen SSorte nafjm er ungemein übet unb rief einmal

über bcß anberemat au»: „Sßart, ben will idj brüden, ber

fott ba3 bereuen, ben miß id) t)on nun an brüden, wie idj

nur fcmn!"

9Jiein (Bott! ba§ tft ber ÜDicmn alfo, ber norgiebt, mid)

mit Siebe gu bezaubern. Brüden? 3d) rjabe woljl gehört,

batl ein SSater fein ßinb ftraft, aber brücken? ©efliffentlicl)

fudjen, mir ba» 2eben 51t verbittern, ba§ iß eine feinbßdje

(Stimmung, unb bemgemäfj mufj id) mid) t)on nun an be=

tragen.

Montag, 7. (September.

$d) fyabe einen SSrief non meinem geliebten ißater be=

fommen. @r fd)reibt mir, er Ijabe fidj geängftigt, fo lange

non mir feine 9?aäjrid)t ju erhalten. D, biefer gute, liebe-

wolle Später! mie er mid) liebt! 2Iber id) füljle es, id) werbe

ebenfall» nie Qemanb meljr lieben tonnen, atö iljn unb meine

9Jfcttter. Söenn id) iljn bod) glüdlidj madjen fonnte!

Süenftag, 8. September.

3d) fange an, ^affelbaäj auf meine Seite gu gießen,

tiefer arme 3unge wirb von Boeder unb SDtoewes fdjredlid;

beljanbelt, e* wirb ü)tn förmlid) ba» Seben verbittert. 2)a

gefeilte ftcf) bei mir SDfttletb jur 5Hugl)ett, id) trat laut auf

SPauf Sin bau, gerbinanb Saffalfes 2agcbudj. 13

Page 200: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

194

gegen fotöje Seljanblurig unb narjm ibn in 2dmi3. 2Ba3

natürlicher, als baf$ er jtdj freute, einen öefa)ü|er m fmben

unb ftofj barauf mar, baf? itf) ifm, ben öebrüdten, 8

fpotteten, meines Umgangs unb, rote ber 9?arr glaubt, meiner

greunbfdjaft rotbme. Saba, Werfer unb SRoeroeS tacken brüber,

üe rotffen nidjt, luefdjen 3roe<! täj M>e/ wie td) biefen §a

badj nuten null.

äfttttrooä), 9. September.

3d) hafte jeßt in einiger 3eü siel ^on Seine gelefen,

ale ba: „S)er Salon", „granjöftfctje 3uftctnbe", „©ebanfen

über Xeutfdjfanb." i&amt SömeS „jjvranjojenfreffer". 34)

liebe ibn, biefen Seine, er ift mein jroetteS 3$. S)iefe fübnen

3been, biefe M,e* jerfcrjmettembe &raft ber Spraye! (Et

roetfj fo .tcifc su lifpeln rote 3eP*)9r/ 1üenn er D *e ^okn

Eüfjt; feurig unb glübenb roetfj er bie Siebe $u fdjilbern; et

6efa)roört fanfte 3ebnfud)t, garte SBe^mut^ in m\^ berauf

unb ebenfo ben unbäubigften 3orn - ^ffe Gkfüljle unb

Regungen neben ibm m ©efcot, feine Qronie ift fo treffeub,

fo töbtlid). Unb biefer DJianu ift abgefallen üou Der 3ad;e

ber m^ibeit! Unb biefer äftarot bat bie 3a!obtnermü|e nou

feinem &atqrt gertffen unb einen treffen Intt auf bie eblen

ßotfen gebrütft! Hub bodi, id) glaube immer, es ift fein (Spott,

roenn er fagt: „,Ascb bin ronaliftifd), idi bin fein Xemot'rat."

[ä)etnt mir Ironie m fein unb ift e$ oieüeicbt. 3n

Page 201: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 195 —

leinen „gtomgöfifdjen ßvtftärfom" fagt er, afe er ben £ob ber

fedföig :ftepub(ifaner bejpridjt, bte beim SBegräfintfj be» Gkneral»

Samarane nmfamen: ,,3d) ging'tranrig über bte Stätte, mo

ber Sfaifntfß ftattgefunben. Der Soben mar getränft oon

bem ebelften söbtt gfranfret$$. SBei ©ort! id) moftte (teber,

td) unb alle nieine 3Ritgemä^tgten lägen anf bem $pia£, al3

btefe fedfötg eblen Dteüubltfauer."

Sonntag, 13. September.

Mittag mar fd)recf(id)er £ärm. Räuber, ber bt^fjer nidjt

mit mir gejprodjen tiatte, fing an, fid) mütfjenb mit mir

$u Raufen. 3$ mar and; entfd)(offen, ntdjt nadpgebem £a

aber meine (Slteru £iemtag über ad)t Sage fommen, fo

wollte id) meinem SSater feinen SBerbrnS machen unb geftanb,

ba§ id) mid) übereilt bätte. Raum t)atte id) ba§ SSort gejagt,

fo nabm föanber meine &anb, fd)ütte(te fte unb jagte, e§

märe ganj beim Sttten, er märe mieber mein befter greunb. —

©ine lange Qeti mürbe id) getnnbert, mein Sagebnd;

regelmäßig fortzuführen, ba meine Gltern nadj £eip§ig famen.

SBiel i)at ftd) in biefer furjen gett geänbert. Qd) mar jo

beglücft burd) bie ©egenroart meinem Katers, metner Butter,

meiner Sdjroefter. 3dj märe fo gern mieber mit itmeu ge*

gogen mö) ^Breslau, aber bog ftoUe £er§ jdjämte ftd), e» gu

gefielen, unb e§ ijätte mir aud) ntdjt* genügt. Hein SBater

13*

Page 202: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 196 —

vM, ha% id) ausharre unb ein Safp in ber erften föaffe

bleibe, nm bann mit bcm 3eu9n$ ^ er ^Weife ctBg^en 31t

tonnen. Sonft hätten ihm feine Cnfer, Die er mir gebradjt,

nic^t^ genügt, ©oJ niete G3e(b, baä id) tbm fofte, unb ba3

ü)m fo fd)mer ankommt, ba3 märe ja berauegemorfen. 9tein,

e§ märe unbanfbar oon mir, meinem Sater btefe Hoffnung

§u nernid)ten, e§ märe unbanfbar oon mir, barauf 31t be-

fielen, bat] miü) mein SBater oon Der 3d)u(e nimmt. -ftetn,

unb menn id) nod) fo oiel 311 buiben (jätte, id) mif( btefe

anbert()a(b Saljr jtanbfjaft ertragen.

2(ber (eiber ftebe id), mie id; immer beutlidier fe()e, bei

©djteben febr fd)(ed)t. 3duerboU, biefer oerftud)te gebaut,

biefer oerbammte £(atfd)er, bat bei mir nidit Wtä fo %t*

funbeu, mie es nad) fernem pebauttfdjen Sinne gebührt.

Uebrigens fann er mid) febon länger nidjt (eiben, unb fo

()at er tmdj benn beim Otiten oerf(atfd)t. liefen ärgert mein

freie» SBefen, biefen ärgert es, ba$ id) mid) nidjt unter*

brücfen (äffen nritf, Dan id) mid) nid)t ff(aoifd) untenuerfe,

unb er giebt mir feinen Qoxn bei jeber Gelegenheit 3U er«

rennen, ^bilioofolin ift and) gefallen , a(s Dpfer beS

3d)iebe'fdien Xcfpotismus. (rr mufjte abgeben, unb jefet

nod) oerfolgt idn 3äVs ,s>an. 9(di, groner ©Ott, bielte mtd)

bie Oiücfftd)t auf meinen Sater nicht, mie wollte id) herein 5

fahren in Die m\\\e ^irthfdiaft, in Die StHnvrftiundmft,

in Diefe fdmteidilerifdieu .\\latfdmmuler, in btefe intriganten,

Page 203: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 197 —

mantelbängerifdjen ©djurfen! C. wie wollte icb Schieben bie

SMirbeit fagen! SGBte er ne nocf; nie gebort! £ie Cijren

feilten ifjm laufen bauon. 2Bte wollte id; iljm bie SBa^eit

fagen vor ber ganzen Pfaffe, ber galten 3djute, bem ganzen

Se^rerperfonal! 3'dj wollte iljm fagen, wie er geliebt wirb

von feiner ganzen ©äjule, wie ba deiner ift, ber ibm nidjt

fdjon gefluajt Ijätte, wie ba deiner ift, ber fief) ntdjt |djou

felbft venvün|d)t Ijätte, ber igaubetefdjufe wegen. 3<$ wollte

er^üblen, wie geredet er ift, wie Weä Uo§ nadj feinem

ßopfe geljt, wie er mdjt auf ßemttuiife nnb Setragen fieljt,

fonbent bauad), ob man ibm fcbmeid)elt, wie Qeber verloren

ift, ber niäjt ben Kautel nad; bem äBinbe Ijängt. Qdj

wollte t% iljm (ant in bie .C breit bonnern, wie nnter l)uubert=

p)an$tg öanbetefdjülern bunbert^etnt finb, beren innigfter

SSunfäj e§ ift, baß bie gan$e ^anbetefdutle jum Teufel fafyre.

SBie deiner ift, ber iljn nid)t fdjon mit vollem Dtedjt einen

ungeredjten Sdntrfen gefdjtmvft Ijätte. 3d) wollte e» ibm

fagen, gang lant, wie er fein ganje» Sebrerperfonal jn ©pür=

bunbeit gebraudjt, 311 9Jiaittell)ängem, 51t Spionen, 51t $lar|a)=

mäutern, wie ängftlicb er fvtonirt, al§ gälte e§> ^taatZvex-

brechen $u bemadjeu, eine 2>erfd;ivörung 51t entbeden, aber

nidjt fedjjebnjöljrige Jünglinge vor gestritten 31t bewalweit.

D, id) wollte anf biefen be|potifdjen Schürfen mebr Söaljr-

Ijeiten tjäufen, ctä er je getjört noa) Ijören wirb. 3$ wollte

iljm fo lange bie äöatjrijeit in bie Dljren brüllen, btö iljm

Page 204: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 198 —

fein Trommelfell platte! 3dj wollte eä ihm iageu, unb alle

©dfjület füllten e§ mir befiätigeu, wie man nichts lernt auf

btcfcr ©djule, als ficf) biufen, triecben, 3dntlbienern ben

J&of machen. 3dj wollte fi^n burcfj ein Dcabelöbr jagen mit

ber Wahrheit imb htdjt eher aufhören, big fie ihn taub madjte.

SDocfj genug! 3d) anbete es ja bod) nid;t mit meinem

Unwillen, fo geredjt er audj tft. ©ier gilt es Das .,perfer

et obdura" ber 3toifer 51t befolgen. 3d) feljc es beutlid),

mie 3d)iebe midi baut unb borouf ausgeht, feine Söittli au mir

auslaffen 51t tonnen, mie ungeteilt er gegen mid) ift. Stbet nur

©ebnlDl äSietteiäjt fommt auä) für mich bte Stunbe ber tHaäv:.

üütd) mein ^erliältniö au Saufe (bei Zauber) gefällt

mir gar nicht. @§ ünD ba beftdnbige ßlatfchereien jwifdjen

Öanber unb 3d;iebe unb 3'djiebe unb £anber. Ihxt) nun bie

ewig gelieimniBuoKe 3JHency mit ber mid) Sauber ftets warnt!

2% es in pnt Sauonlaufen! Gs vergehen feine brei %aae,

fo fommt Qanber nad) Saufe unb fangt geheimmtwoll mit

(eifer Stimme an: „6ören 3ie's, Sajfal . . . od) rouTS

3bnen gefagt haben, es ift wa§ gegen 3ie im SBerf . . .

Nehmen 3ie nah in Md)t . . . lim ßottesmiüen . . . 9ia,

\ä) fann nidjtS lagen . . . äBenn 3chtebe will, fo muffen

3ie fort . .." K. Uno fo bewegt er M) in niditsfageuöeu

Lebensarten um nd) felbft, madjt mid) rounber mie neu-

gierig, foridjt immer halbe Wörter, unb am (rnbe ift ttidjtö,

gar uidjts Dahinter. Wl<m mödjte toll werben!"

Page 205: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 199 —

3Jtft 9Jtonnberguer*) hin id) ein wenig befannt geworben,

grrüljer fonnte id) ibn iticfjt leiben, unb je|t gieljt er midi

ungemein an. Qdj ftnbe ibn febr fieftenStoäririg unb gäbe

meß bram, wenn idj ifjm einen 33jeit be» 3ntereffe§ einfföfjen

tonnte, ba3 idj für itjn empfinbe. @r Ijat mir bk 3Warfeiffaife

gegeben, wofür ict) üjm febr t>erpf(id)tet bin; benn beutfdier

9Jhtfe ift e§ bi3 je# uod) nict)t gelungen, ober nielmebr, bie

beutfdje 9Jiufe I;at ftct) nod; m'djt baran gewagt, ben ^mannen-

in fo traftnoller Suradje ju oerabfdjeuen. 9cod) bat

iDeutfdje nicf;t gewagt, in feurigen Werfen bie gretbeit

m fdjilbem; benn bie greibeit, bie unfere beutfdjen Siberalen

meinen, be)ki)t barin, ba$ fie bem gnäbigften ßanbe^fürften

Ära^füfje machen, feine Gitnllifte oergrofjem m tonnen;

bödmen* wagen 3ie einmal in alferi)öd)fter 3)er>otiön mit

furdjtjitternber Stimme um ein wenig, gang Sein wenig

$ßref3freU)eit ju bitten. SMt s2ted)t fagt Sörne, a(* einmal

ein beutfdjer ©eleljrter ein %$uü) über ^prefefreibeit betitelte:

„$)ie ^prejsfreibeit nadj englifdjen unb amerifantfdjen Gkunb-

fäfeen bearbeitet" : „28enn id) einmal über Spreftfretfjeit

jdjriebe, id) würbe anfangen: „£)ie ^refsfreüjeit, ober ber

Teufel Iwlt eud) Stile, gürft, SBot! unb beutfäbe* Sanbl"

3Jüt 53ecfer bin idj ebenfalls näljer befannt geworben.

@* lägt fid), wie gejagt, wenn mau um nur nätjer fennt,

*) ©tei)e (Sdjülcrltftc.

Page 206: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 200 —

gut mit Um umgeljen. ©r ift von ©emütfj, habet fange uicfjt

10 egoiftifdj tote UftoeroeS unb, mte idj glaube, fogar wahrer

gfreunbfdjaft fd^tg. Gr ift in ber ganzen Maffe ber, ben

idj am Weiften judje. 3dj gel;e bäuftg mit iftm 23ittarb

fptelen. (§r befitst eine Siebe für ba§ anbete ©ejdjledjt, bte

tön mandmml fogar brutal werben tatst, bod) ift bieg feltener

unb in weniger fjofjem Örabe bei itmt ber galt, als bei

3Roetoe§. Qd) iueit3 nid)t, idj tonnte um feinen SßretS §u

einem fäuftidjen SBetbe getjen. Qdj mut3 burd) bte 3d)önbett

ber grau begeiftert werben, idj muß lieben ober, was gtetd)

ift, m lieben glauben, idj mufs eine befummle Sßerfon ju

beftfeen münfdjen; nie tonnte id) aber einem rofjen, tt)ierijd;en

triebe folgen. Sa* märe mir ju roll. 3$ mürbe Steinern

»erargen, raenn er bie Dfcetge einer Sßerjon, für bte er brennt,

p befifeen raünjdjt unb es baljtn burdj alle in feiner Wlafyt

ftetjenben Mittel — jeboäj nur etjrenootle — ju bringen

roünfdjt.

3d; fange meinen täglidjen Seridjt an.

Tieuftag, 10. Dlooember.

Öeut mürbe ber üöionatsberidjt oorgelejeu. 3$ nawb

gegen mein SSermut^en bei feinem ßeljrer brin, MöS Dbers

mann Ijatte l)ineingejd)riebeu: „SaffaL tonnte fiel) mandjmat

mein* mjammeunebmen." Sei SDtoeroeS liatte er geicluiebeit:

,/JJiadjt gar teilte Aortidnitte." 33ei 9iatbaniobn: „( s>ebt in

Page 207: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 201 —

feinem äSiffen befiänbig §urücf." liefen Reiben tljut her

Sttte nicf)t§, fagt i£;nen nvfytö, 6lo3 auf mid), ber bocf) lange

nid)t fo fiart getabelt würbe, fufjr er mit einer unbegreiflichen

2Sutb fo§, ftdj orbent(td) ber (Gelegenheit erfreuenb, mid)

heruntermachen 3U tonnen, unb befielt mir Sonnabenb

9?admtittag nadpgeidjnen. 33Io§ mid) unb Simons traf biefe

Strafe, benn obmo^ nod) fünfte^n weit fjärter unb lötete gteid)

getabett waren, fo mutete er bod) b(o£ gegen un§ 23eibe, ba

er uns ntäjt leiben fann. 2lber bie Ungerechtigkeit, befonbere

gegen midj — benn Simons mar bei p>ei Seljrem brin, idj

aber Uoä bei einem unb aud) bei biefem uid)t als unfleiftg

ober ftörenb, fonbern Obermann Ijatte Utö getrieben, idj

föunte mid) manchmal mel)r pfammemteJmten — mar 31t

offenbar. S)ie ganje klaffe gab mir Siecht.

SlbenbS mar Sd)itlerfeft, unb im Sweater gab man bie

Otäubcr. S)ie S)ef[oir fprad) einen Prolog ba$i. @§ mar

§um Erbarmen, anjufefjen, mie Söotlraabe ben ®arl Sftoor gab.

@r glaubte, bie ßmtjt, bie ifjm febjtte, burd) Schreien unb bie

tiefe 23ebeutfamfeit, mit ber einige Stellen gefprodjen werben

muffen, burd) Slugenoerbreljen erfe^eu 31t fönnen. Sdjon

fein Goftüm mar abgefd)tnacft. Sieger hingegen gab ben granj

attSgegeidjnet.

@|e id) in* Sljeater ging, tief? idj mir r-or ben Slugen

ber grau Sirector ben Sljaler, ben id; mir dou gri| geborgt

()atte, med)fe(n. 3u borgen mar id) genötigt geraefen, benn

Page 208: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 202 —

Sßctter Ijat mir fdjon merjefm £age nicbt gefchrieben, mir

a(fo audj fein ©e(b gefd)tcft. gfrau Itfrector muffte, bat3 id;

feinen Pfennig rjatte, benn idj hatte ihr meine Gktbnoth

3onntag gefragt, nnb frng midj, woher td) ben £bafer habe.

3$ hätte ihr bae moljl erzählt, benn e* ift ja nickte 23öfee,

einen Shaler t>on einem greunbe 511 Borgen, aber ihr arg=

wöbnifdjer £on nerbrotf mid). 3$ &<& ihr lacrjenb jnr 2Intiuort,

idj fjätte ntd)t geglaubt, ba$ meine ^örfennerbättniffe fie fo

intereffiren. Site fie aber fortfuhr, in mid) 3U bringen, e£,

mie fie es nannte, 31t gefteben, jutefet and) fagte, fie tonne

fid/s fd)on benfen, fo antwortete id) ihr: „9hm gut, fo

beuten 3ie fid/sl" nnb ging weg. @3 ift jtoar bloä eine

Slleinigfeit, aber bie Sad)e ärgert mid) bod). $>ä) hätte SfitteS

fo (eidjt r-ermeiben tonnen, wenn ich mir ba3 Cs)elD felhft

gemed;ie(t hätte. 9Iber weit entfernt, etwa* SööfeS barht mferjen, mad)te id) au* ber 2a$e fein §eh(. £odj id) iehe

iooh(, man mim oor Altern ben Sdiein metbett.

93iittiood), 11. Diooemher.

§ent erhielt bie 5ioeite klaffe bie Diaäjridrt, einen 2Bmf,

ber 3Üte motte ben Gkttoi* nadiielien, ob mir bie SBoca&efa

brüber gefdjrieben. Um etfeinbalb taut Der SUte. jffiir hatten

Sitten aufgerieben, bafj anch nickte mehr §u fehen mar. Sffite

er aber bei meinem 9?ad)bar ift, fommt mir bie 2uh an,

31t fehen, ob er mid) fehr natu.vVb nehme alfo Den ÖCeiftift

Page 209: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 203 —

unb fcbreibe fdjneß ein etngigeä ©ort bin. darüber f'onnte

er im ©runbe mdjtg fagen, bod) febimpfte er nacb 9Jlögtidjfeit.

(5tnige ÜÖttnuien brauf rüde id) meine Etappe nnb er fiebt

meine -^räoaration, bte id), ofrne habet eine unrebtidje SIbfidjt

51t daben, unter bte SDteppe gelegt batte. 9?nn l)ätte man

bie ÜEßtttfj feiert fottett, tote Sdjiebe auf mid) (ov fuhr. Gigentücb

fonnte er gar nidjt» barüber jagen, benn man form unä nid)t

mebren, eine fcbrifttidje ^räparation 31t madjen, meint mir

mir nidjt corrigiren; nnb bte* mar, rote er fetbft fab, niebt

gefdieben. ©r aber bimste mid) mittbenb lienntter. darauf

manbte er fid) 311 Gonrbajfter [Gonrnoifter] nnb faßte: „Seijen

Sie SDfamfteur, bem di\ä)tiv bürfen Sie ntdjt tränen, benn er

ift tüdtfd); biefem aber nodj meit weniger. £)a§ ift ein gan3 t>er=

flnditer §end)(er (id) ein Seltener!), bem fein £ef)rer ein 3Bort

glauben fott. S)o3 ift ein ebrlofer &end)(er, ein Sdmrfe." 2c.

•jftan beute, id), ber idj immer von ftanber getabeit

werbe, bau id) fo offen bin, id) ein £end)[er!

3d; nerfitdjte ein ©ort 31t ftamntetn, miefo er eine foldje

•fifteuumg gefaxt liabe, aber ber 2X(te tiefe mid) niebt 31t ©ort

tommen.

„S5erbammter £end)ler!"' nnterbrad) er mid), „iialt'e

2Rau£, ober id) merf 3Md) 3m* i£f)ür ijinan*! ©eftern erft

haht idj uon ^\v gel"proben, nnb ba jagte id), nädjftene be=

fotttmü $)u eine Cbrfeige, bafj $>ir ber £opf prMbaumefa

foft." $)abei bob er bie §anb nnb blieb einige Seit in einer

Page 210: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 20-4 —

folgen ©tettung, baß idj tote bie gange klaffe glaubte, er

mürbe fte mir jdjon geben.

W(\&) bejdjäftigte nur her eine ©ebanfe: wenn er mir

eine Cbrfeige gtebt, wa3 fott idj tbun? 3 od idj fte ruljig

(jinneljmen, r>or ber gangen klaffe biefe ©<$anbe ertragen, ober

foßte idj fte ermibern? 316 er wenn idj bat Severe tbäte, roa»

mürbe mein SBater baju fagen, mein armer SBater, beffen

einzige Hoffnung idj bin, bem \ä) ueriprodjeu Iiabe, greube

$u machen! Stäj, idj jefye raofjl, auf ber §anbe(*jdm(e werbe

idj bie» 33erfprecr)ert roo(;f nidjt erfüllen formen. £odj biesmat

tiefe e0 3d)iebe beim $)rot)en betoenben.

2tt3 er fort mar, erflärte bie gange klaffe, bafs e3 eine

nieberträdjtige 0ememl)eit com 3ttten gemefen; non allen

3eiten tarnen ineldje, midj 3U tröften bamit, bafj ee ibuen

ebenfo fäjtedjt unb nod) fdj(ect)ter ergangen. 3e(bft -öauptij,

einer meiner größten geinbe, fam 31t mir unb jagte, id) joHe

midj barüber fjinroegfefeen, e» ginge mir nidjt allein fo.

Räuber fragte midj beute nrieber über ba3 (Mb au&

3dj gab ü)m biefelbe Antwort nrie gefiern. tiefer böfe Diarr

aber ermtberte, er motte ee meinem Sßater fdjreiben, unb al£

er fa(), bafs ba3 ntdjt 30g, jagte er, er würbe Schieben 001t

meinen Lumpereien Sfajetge macbon.

iE n n e r ft a g , 12. SR e in 6 e r.

3$ fdjrieb meinem öater beut bie gange ©efdjid&te.

Page 211: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 205 —

©tenftag, 17. Dionember.

§eut erhielt id) Antwort t>on meinem SBater. ©r tabeft,

luie eg öorau3$ufe|en mar, mein benehmen, — rmca&flte

feigen, ntdjt weil id) ilnred)t f)atte, jonbera metf ftetS (Sftem

i()ren Erobern Unrecht geben, menn bieje gegen ifjre Setter

auftreten. 3$ erbiett ®efi>.

2)onnerftag, 19. Dionember.

§eut jeigte fid) 8d)iebe* £afj gegen mtdj mieber redjt

bent(id). Obermann £;at fid) nämlid) in einem SBriefe an

Grbmann (SJtoewe^ nnb 33e<fer3 ^tftfter) barüber bejdjmert,

bafs ÜJtoeweS nnb id) bie Sprtoatfrunben in ber 2lritf)meti!

unregelmäßig bejndjt. ©rbmann batte fid) baranf mit 2Koewe3

fjefttg gejanft nnb mar mit bem Srief 31t 3d)iebe gegangen,

mo er nnb Dbermaim un» über alle begriffe üerftatjdjten.

Kaum mar id) I;eut fritf) in ber 2dju(e angefommen,

a(c> id) bhumter 51t 3d)iebe gerufen würbe. SBütljenb jdjimpfte

biefer auf mid) nnb 9Jioeroe» lo*. @r nannte uns 2d)(tnge(,

unfer betragen f(ege(f)aft 2c. Obermann ftanb babei nnb

uerfenmbete im* immer mef)r. ©r jagte, mir fjätten nod)

gar nid)t* gelernt, wüßten muß nnb retjte Dtector* 3orn

nod). tiefer verbot il)m baranf, m§> (Stnnbe §u geben,

nnb menn mir einen £oni*b'or für bie Stnnbe bieten mürben.

„@r mag jelbft jeden, wie er fortfommt," jagte er uon mir,

„nnb menn er nid)t fortfommt, mag er 511111 £empe( 'wmäl"

Page 212: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 206 —

-JOioewe? überhäufte er mit noa) mehr Schimpfwörtern,

auch imrßte biefer feinet Betragens gegen ©rbmann wegen

t)or bie 2'imobe. S'cfjiietsHd) gab er Cbermann ben Dvatb:

luemt mir 51t itmt tarnen, feilte er uns mit mitritten regalireu

unD bie treppe hinunterwerfen. 3U nur fagte er Darauf

:

„Seinem Sater roerbe id) nädntens Jdjreiben. 3dj warte nur,

bie ba§ üDfaß deiner Sünben roll in." C, du lieber (Sott,

wenn iäj nidjt mmte, wie feljr fidj mein $ater über Sdjiebe?

Serleumbungen betrüben wirb, wa3 für einen ©enf&ettet

wollt' id) biejem Schürfen geben! ©iuüweileu tröfte id) rmdj

mit bem gijctjerlein: „©ebulb, Der Ddigenblid wirb fomnten.

greitag, 20. Dior-ember.

Sa 'f)eut be» Shtfjtag^ wegen frei war, 10 ging id)

mit Seder unb 23coewe3 fpajieren. 3luf bieiem Spaziergang

würbe mir [bie ©ewi^eit, ba$ jftector Schiebe bie Juben

nidjt [eiben faun. Ttoemtä, Der ©oiraerflag oor bet Simobe

geftanben, erjättte nämlid) Aolgenbee: £>er üftector, nadibem

er ihn (3ftoewe3) ungeheuer runtergeriffen hatte, fing 31t Den

Lehrern an: „gfdfi ntöäjte id) glauben, meine Ferren, Dan

*) Sa3 Sieb üttafanieKoS au§ Der „stumme oon Sßorttct", mit

bem ba8 „Jifcfierlem" feine 5'^unbe gur ISrfjebung gegen bie £e=

brücfer aufreiht.

Page 213: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 207 —

alle berliner xtäß taugen. (23e<fer unb §affelbad)*), bie

anberen betben berliner, tarnt Sdjtebe ebenfalls nid)t (eiben.)

„3ie erinnern na)/' fut;r er ftarf betonenb fort, „an bie

Drei Subert (er meint bie jtoet SäftarfroalbS unb Seng), bie

wir üou bort ijatten."

Sonntag, 22. Mosern 6 er.

tfeut befugten midj her flehte 2>emlid) unb her eigene

nüfetge ft. 3dj madjte fte mit ©rogf betrunfen unb lief,

}ie laufen. 2Ba3 bodj biefer & ein gemeiner eigennütziger

&erl ift! gür jraei ©rofdjen lauft er einem ine geuer, fügt

einem bie gufje, unb umfonft Ijebt er feinen beften greunb

nid)t auf, roenn er in ber dtinm liegt. Dabei borgt er

immer C'klb unb begabt niajt. £a§ 3d)önfte ift, fraß er

glaubt, \a) nebme feine 2leugerungen für baare älcün^e unb

bat3 er benft, mir eiureben ju fönnen, er fäme bloe au*

Siebe unb greunbfd;aft 51t mir, raäljrenb er nur fommt meinet

Slbenbbrotee falber. S)er ©fei! @r benft mid) anjufübren

unb ift bod) felbft ber ©efoppte. @r toeifj nid)t, ba$ idj

ü)n Mo* barum um mid) bulbe, weil idj ii)n brausen faun.

SHenftag, 24. Dcooember.

M) füllte mid) fo unrooM, bafj idj 51t gaufe bleiben mußte.

3d) batte bie $1 anbeibräune. Der &als fd)iooU mir an,

) 8. Sdjülerlifte.

Page 214: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 208 —

unb ber bomöoixrtifdje Slrjt ber grau SMrector erffärte, bau

\<§ mid; 31t Sett legen mutete. £t gab mir and; von feinen

^utnem, bie id; §toar naf)m, 31t benen idj aber afs Untoerfals

meoiciner fein gutrauen I;abe, ha id) nidjt einfebe, wie afte

Aranf(;eiten, bie bod) meift nerfcbiebene llrfad;en baben, burdj

ein unb ba*fe(be Wäd gereift werben tonnen.

$ctttmodj, 25. Dionember.

.-3'tf) blieb beut im 33ett unb l;abe überfjaupt bie 2tefid)t,

wenigsten» adjt Sage bie Stube büten 31t muffen. 9Äem Sater

fcbrieb mir. 3d; mürbe, ba id; beftanbtg allein bin, große

Sanametfe empnnben, raenn mid; 3a^r nt^t befudite. Stfefer

ma(;r(;aft gute, nod) gang unnerborbene 3Renfä) fd;eint gegen

mid; aufrid;tige greunbfd)aftegefül)(e 311 begen, bie nid;t burdj

ben Cngennu^, mie bei §L, ober ben Srieb, fid) 31t amünren,

roie bei Safer, beruorgerufen finb.

Tonn er frag, 26. Dcouember.

3$j befdiäftige mid) jefct mit ber Seetüre be3 genialen

23t;rou.

{jd) empftnbe je$t red;t beutlid; Den iluterfdiieo ^loifd^ett

3u ßaufe unb bei fremben Beuten. SBaljrenb, roerai id; \\i

§aufe bog 93ett bitten mußte, eine (iebenbe SWutter md;t von

meinem 33ett mid;, 2dnuefter unb SBerroanbte mid) liebreid)

umgaben unb meinem mrtlidien üBaterä erfte Arage, roenn er

Page 215: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 209 —

gur £l)ür (jereinfdjrttt, war: „SBie befinbet fiel) bas Qunget?"

lägt man miä) jefet gan-j allein liegen> ofme fiel) um midj gn

befümmern, ofyne nacfj mir ju feljen, anfeer in ber 3eit, wo

her 3lr§t fommt. Sitte £iertelftunbe muß icf) auf bie (5>efal)r,

midj 3U erfalten, au3 bem 23ett, um ba» geuer nicf)t au§;

geljen ju laffen. Verlange idj etwa», fo muß i<# aus bem

23ett fpringen unb §ur treppe gel)en, ©muten §u rufen, bie

mir gewölmltcl) erft, nac^bem icf) eine tjalbe Stunbe jittemb

cor ßälte ba geftanbeu unb (ie in einem fort gerufen t)a6e,

Antwort gie6t. Steine üftaljrung ift SBafferfuppe, meine )&e-

Ijanblung bie eines £unbe§. "Dabei raucht ee Ijeut in meiner

Stube fo, baß ein ©efunber bie größten ftopffäjmerjen be-

fommen mürbe, unb a(§ \§ mid) barüber befd)werte, ba§

mir ber $taud) auf ben ipals falle, gab man mir gan§ gleicfjs

gültig bie Antwort : bas märe nid)t ju änbern, e» raud)t, weil

ber SSinb geijt. D, wie fel)r feinte icf) mia) ba nad) §aufe unter

bie liebenben feänbe meiner guten 3Jhttter. 2lber ba§ ©eignen

mar umfonft, unb bie Xljränen, fte floffen oergeben» über meine

Sßangen. 2Ba» übrigen» ba$ Stubenmäbdjen betrifft, fo werbe

idj mir ihretwegen nodj eine ©allenfranfbeit gugieljen. <So

etwa3 SUatfcf)ige» unb Ungefällige^, Summen, raie biefe ©mitie,

fyabe \d) nodj nie gefeiten. £>abet nerfennt fie aber üjren

3Sortl)eil am meiften. Dcie gel)t fie mir ben fteinften ©ang,

flatjdjt Stiles; rufe iä) fie, muß tdj erft eine tjalbe ©tunbe

warten, inbefs Dfäefdjen fidfj ganj anber» benimmt. Sie fteljt

5ßau( fcinbau, ^erbinanb SaffattcS Sagebud). 14

Page 216: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 210 -

Sitmr 31t tief unter mir, als bat} iäj micb mit t(;r (ketten

follte, aber 2£eibnad)ten null id) |te [trafen.

Sonntag, 29. November.

§eut befugten mid) $iateau, £ebmann, 3<wtöer uttb ber

bumme Keffer. $)a ßeimtann, glateaue greunb, in einer

äöemfjanbluttg ift, 1*0 fatnen mir auf ben Ginfall, uns über

feine* igerrn SSeine luftig p madjeu, unb befonbers ber

Champagner mar es, ben mir befpöttetten, ben mir nad)gemad)t

nannten :c. Um uns 511 beiueifen, bafj ber Gbampagner, ben

feine ßanblung begebe, ed)t frambuidier fei, ^iebt £. ben

pfropfen einer GbampagnerflafdK, ben er zufällig in ber

£afd)e batte, beraub unb geigt uns ben barauf befinblidjen

Stempel: „Perrier et filsu

. 9iadjbem mir ben Champagner-

pfropfen befeben, nebme id) ihn unb merfe ihn in bie Stube

mit beut Öebanfen: „&>enu ben Sentanb finbet, glaubt er,

id) tjabe Gbampagner getruttfeu."

9Jcontag, 30. Dcooember.

£>eut fant grau ©trector m mir, unb nad) vielen feinen

^Beübungen, in benen fte mid) ju fonbiren iudit, fängt fte

enolid) an: „<5& ift 2CtteS herauf, Sie haben Sonntag liier

Champagner getnmt'eu. DiidnV" ,ub, Der id) uatürtid)

oarüber ladjen muffte, gebe ihr, theils weil ich es für teilt

8erbre<$en halte, Champagner getrauten pt haben, theils uvii

Page 217: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 211 —

id) Upett fid) Kug bünfenbett ungerechten 2frgaw§n, ber ftetä

ba, wo nid)t3 ift, etwas ergründen tmtt uub beftänbig ©e=

(jeimniffe norawMe&t, bie 51t erjntoniren, um bannt pnmfen

ju tonnen, il;re 3ud)t ift, — um biefen 2(rgmobn alfo $u

beftrafen, nollfommen 3tedjt. £>urdj bie* unerwartete 23ejaben

würbe fie augenjd)ein(id) rerbufet unb in ihrer 3föemtmg irre

gemalt. 3tt3 id) aber balb barauf ibr erftärte, e§ fei bie*

nur ein Sdjerg gewefen, unb e§ I)ätte Dctemanb baran gebaut,

f)ter Champagner 31t trtnfen, bev pfropfen wäre aber Mos

burdj 3ufaH 51t im* getauten, fo batte fie wieber bie feifett'

fefte Uebetgeuguug, id) bätte metdien getarnten. SGBag bod)

ber Slrgwobn bösartig ift! darauf bielt fie mir eine lange

3tebe, jagte and), fie motte ee ü)tem üDtomt nicbt jagen,

wäbrenb id) bod) benimmt weiß, bafj fie e* beut unb nod)

anbermeittg flatjdieu wirb. 3d) antwortete ibr aud) gan$

l)öf(id), fie möd)te fid) n:d)t incommobireu unb es immerhin

eruibten, wem fie wolle.

SHenftag, 1. ©ecember.

Die Sutt ift augefommen. @8 fottte mir feljr leib tljun,

wenn id) burd) ^ranffjeit gebinbert würbe, ü)tt 31t l)ören.

3d) [efe bie „xörtefe eines ^erftorbenen" nongürft^Mer.

Dbg(eid) fid) nid)t leugnen lägt, bafc fie geiftreidj geschrieben

ftnb, fo finbe id) bod) B'övneä Urtbeil febr wahr: bie Briefe

wären tobt .Hein gunfen warmer £ebensbaudi ift in ihnen.

14*

Page 218: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 212 —

§err 3d)terl)ol3 befugte tntcf; beute, gerabe ol§ id)

fttatnerftunbe tjatte. Qv otfttirte nid)!*, fonbern machte mir

nur einen freunbfct)aftficr)en $e)uä), um ftd) nadj 'meinem

betäuben 31t erfunbigen, tabelte mict) ttebretcf), bafe id) midfj

nidjt voaxm genug (rieft, unb ging. Unten Kefj fidj grau

SMrector mit ir)m in ein (angee ©ejprädj ein. £>a mag ftc

tfmt vooi)i von ber (&;ampagnergejd)id)te erjagt baben.

äftittrooct), 2. 3)ecember.

§eut lam $(mbet*) un^ w&ä$fte mir, bat3 ürn §err

iJHrector 3d;iebe unb £err ©drierfjolg ftreng inquirirt hätten,

06 er bei mir 3onntag Gbampagner getrunfen. ^eatürlidjer

3Beife f'onnte er nidjt3 gefteben, unb bie gan^e Unterjudnmg

führte 31t feinem anbem Üieiultat, als ju bem, grau

^Director p Mamtren. 3an<^r 1Pt*act) gang bie 2öa£)rf)eit,

gab jogar an, mo man ben Seemann fütben formte. Sind)

^inbermann, ber non 3ct)ierl)ol^ befragt untrbe, mußte ntrfrt*,

unb 10 fab ^dy.exhoU ielbft ein, bajs (n'nter ber 3ad)e

nictjte märe.

gür §ütffe mirb gefammeft. 3ebet 3d)üler ber ^neiteu

H(affe giebt §n)ei ^baier, um einen golbenen ^ßofal 31t fauferi.

*) ©in 9ftttfd)itfer, ber erft t>or wenigen Sa^en in Sien ftatb.

33on tfjm finb bie Otg. bezeichneten „3ugenbertnnerungen an

^erbtnanb 2af falle" in ber „Gartenlaube" (3af)rgang 1877.)

Page 219: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 2.13 —

2>er einzige gerechte Sebrer, ben bie 3d;ule beriet, ber ftdj

nict)t gum Spion i)erabnnirbigte unb ben Unterbrüdten be-

fdmfete, gebt mm fort, (r* wirb bübirf) werben! Seht Steffi

Vertreter wirb watn'Kbeinlicb wieber eine Canaille fem.

S)onnerftag, 3. ©ecem&er.

§eut batte icl) ein ernftbafte* Öefpräd) mit ©erm

©trector §anber. Qx geftanb mir offen, ba$ feine grau

ihm (le pauvre diable) jeben Xaq unb jebe 9tad;t bie JDfjren

mübe befee unb ibm feinen grieben gönne. Sie Beilage ftd)

fortioäbrenb über mid). 3dj bebanbefte fte befonber? in

©egenwart SCnberer ntd;t mit bem f^ußrigen Sftefpect. 3$erftärte bie* gang offen §errn Sirector, fagte ibm, wie feine

grau itet* in (Gegenwart twn fömteraben mid) ankaufe, wie

id) bal burdjau* nidjt butben f'önne, nod) uiet weniger, bas,

wenn fte meine greunbe, bte bod) gar nidjtö nad) ibr 31t

fragen baben, felbft angriffe, 3$ fragte tfm baranf, ob e»

etwas S3öfe3 wäre, mir in einem £öpfd)en Dfttm 31t wärmen,

um an§ meinem £bee ©rogl 311 machen. Unb a(* er mit

dlein antwortete, fo fagte id) ibm, mie feine grau batnafs,

weit id; ba3 getban, alfo bereingeftürmt wäre: „3Ba3 braut

Qbr (meine greunbe) ba? S)a3 wollen wir um? oerbeten

baben!" Gbenfo pacfte fte neulieb 3anoer auf oer %wwzan unb fragte ibn, ob er 311 mir ginge. Sebr böftidj

antwortete er: „Witt QBrer (Maubmf?, ja." „Sinb Sie

Page 220: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 214 —

cwdj (Einer oon benen," fragte grau Xirector, „Die oben

fofdjen ßärm madien?" (SrfienS madjen mir feinen Samt,

nnb gtuettenä paßt [idj bieie grage nld)t, unb wenn ec- nicrjt

gerabe 3anber geioefen untre, fo luitte grau Xirector eine

ber6e Antwort befefjen fönnen. öerr $)trector fianber fonnte

mir nid)t llmvdjt geben; inbefs faßte er mir, wenn feine

grau ifjm ferner fo m ben Cliren läge, 10 fonnte er nd) nicr)t

Reifen nnb muffte, um grteben su erfanden, meinem SSater

fdjreiben: ,,&ören Sie, gerr Saffal, fo leib e* mir tr)nt,

3^t 3oim fann ucf» mit meiner grau m'djt »ertragen, nehmen

Sie ü)n meg." 3$ 9^6 ii)m 30113 9£edjt, bebanerte itjn aber

nnö fnmmte bann:

„Gföret bie gfrauen, ü'e Herten unb loeben

Jpimmliidje 3tofcn in§ irbiföe Sebeu."

ärau Stfrector mag ncf) aber oor mir in $ld)t netnnen,

id) mödjte fonft biefer nmrmftidjigen oerblnbten Diofe itjren

eigenen Tont 51t foften geben. $ou ber Genttfolienart ift

ue inbeffen fidjer, beim ne vereinigt in üd) cent folies (bunbert

3)umtm)eiten); nur ift ne nod) jelmmal mehr fct)(ed)t cd*

bnmm.

Sonnabenb, 19. December.

Öeut gab uns ©ülffe bie leiste Stunbe (uon nenn bis

&e§n). Um nennbreioiertel erhalte id) einen Srief oon (Sfetbter,

in bem er mir fäjreftt, ba in ber erfreu nnb Dritten ftiaffe

Page 221: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

215

dleben gegolten würben, fo Joffe id) fpredjen; im Wamm

ber ©ecwtba füttere er mtdj auf. Qd) antworte nid)t. ^a

jdjreibt mir ^Qaupttj*) einer meiner erftärteften (Segner, einen

xörief mit berfeföen ^3itte nnb beut Meuterten, wenn id) nict)t

fpredjeu woffe, fo werbe er e3 ttum. 93t ir war bie ganje

®efd)id)te eine mifjlidje. od) Ijatte nid)t einmal jefm Minuten

3eit, mid) uorjubereiteu. 3dj wollte bie 2(ufforberung nid)t

annehmen, nnb bod) fomtte nnb wollte tdj niajt abfragen.

3nbefe minie id) £aupti$ 311, er Joffe reben. 3e# fd)(ägt

es, nnb ©ülffe Ijält feine :Kbid)ieberebe. <£r ift fertig.

3'dj felje mid) um, ob Semanb auftreten nnb fpred)en wirb,

deiner ritfjrt fid) aber. Xie gangen unteren 53änfe winfen

mir ju. 3d)ou will üülife fagen: „@rfle Section ab!" ba

ergebe id) mid), um bie @fjre ber Maffe m retten nnb fpredje.

2BaS id; fprad), ba3 roeifj id) faum noa), benn ba id) gang

ex tempore fpredjen muffte, fo waren e§ nur Gingebungen

be§ 2(ugenblid*. Olffein bie 8fätf)rung £ülffe§, ber Beifall

unb ber $)anf ber gaujen klaffe waren mir ber 23ewei§,

bat3 id) meine 3ad)e gut gemacht fjaben mußte.

2tbenb3 tarn Semlid)**) 31t mir unb fagt mir, ba6

ÖÄlffe bem 2Wen erjagt, id) (;ätte eine 9?ebe gehalten, bie

um fefjr gerührt unb tfmt ben 3Ibfd)ieb bebeutenb erfajwert

*) 3. (»djülerlifte.

**) (Sin Ottitjtfjitfer au* ObcrleiterSbotf.

Page 222: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 216 —

ijätte. 2)er Sitte, fuhr er fort, fott hierauf nwtijenb geworben

fein, um jtoötf feine ©olDiöfmdjen r>eruntergerufen uno Urnen

erffärr baben: bat xBlut fyabe ifjm bte Sibern fnrengen wollen,

inte er gehört, bafj id) gejprocfjen Ijabe; bte gange fäaffe nnb

felbp bte wenigen hinten wären Sumpenlerfe; (ie tiätten

rufen follen: ,,-Wieber! nieber! SajfaU" Xemiidj nerfic^erte

mir baz Sitte*, bodj fd)eint mir bte Sadje faum glaubbar.

2o nie! ©ememijeit überfteigt meinen ßorigont. @r fagte

alfo, fte Ratten bem abgebenoen öülffe Sdjmadfj antfntn fotfen

unb ftd) 10 pöbelhaft betragen, wa» er wenn'* einem Zubern

als mir gegolten, mit Dtedjt aufä Strengfte gerügt liätte.

Sonntag, 20. ©ecember.

geut machte idi bie 23etanntfcbaft ber 3attber'fdien

gamilte. Seine 2d)wefter Dr. interefurte mid) ungebeuer.

Sie tjt bilbfdwn, jum pfiffen; aber idj bin leiber nod) nicbt

^um pfiffen eingerichtet. ©ebttlb, mon petit ami! 3)er

Sütgenblicf wirb fommeu. itebrigeu* habt id) midj nad) Gräften

liebenswürbig gemacht.

S)en Dritten ©rief uon 3fibor habe id) befommeu, obue

ü)m }u antworten, ^d) Unbantbarer!

2ftontag, 21. J)ecember.

.oettt, wie icf) au| ber 3dntle tarn, fehe id) einen Srief

an mid) auf bem Tifd) mit ber Sluffdnift ..cito citissime!''

Page 223: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 217 —

ßofttg erbred)e id) ihn. Gfr ift r>on meiner Sdnuefter uub

ooti Sacbs, bie mir meloen, 3onnabenb, ben 26. fei bie

©überbod^eit meiner (Eltern, ©te bätten mid) um Me§> in ber

SBelt gern fommen [äffen, menn nid)t ber grofi fie bar>on

abgehalten hätte, and) rjätten fie verboten, es mir 51t freiten,

bamit idj feine 3etmfnd)t befäme, nad) Saufe 51t reifen, ba

bie* ber ßäfte megen nid)t anging, £)odj gab meine 3d)n)efter,

flug nüe immer, mir einige SBinfe: id) foffe tbun, meß

idj nid)t (äffen fönne. 2% t% iiätte biefer 2Bin!e nid)t be*

burft! Qcb mar feft entfd)(offen, um jeben ^ßretg uub in

iebem gaffe 51t fommen. 2lber me(d)e §inbemiffe ftefften fid)

nid)t in ben 2Seg! 2d)iebe, ber midi fo Iiafste, foffte mid)

orme ein Sdjreiben meines Katers reifen [äffen! $aum

benfbar! Unb felbfi meine Pflegeeltern, wenn )ie nun anberer

iMnung waren? 3dj berief mid) murr auf ben Srtef, aber

bcitteit nc biefen felbft gelefett, fo mürben fie außer einigen

üerftedteu hinten nur Sebauern, bafc id) nid)t fomme, ge=

funben baben.

Snbtü, es gelang, unb §anber nüe feine grau geigten

fidj biesmal im befreit Sid)te. 3a, id) glaube, baß e§ mir

obne Zauber fd)iner(id) gelungen fein mürbe, 3d)iebe3 ©rtaubuifc

$u ermatten.

^onnerftag 9}ad)mittag fafj id) auf Dem ^ampfraagen

unb flog Breslau 311.

3d) gebe über meine Steife Iihtmeg. Oounabenb früt)

Page 224: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

218

um lieben Uljr roor id) in ^reeiau angelangt. D, rae(d)e

2Sel)mutl) ergriff mid), afe id? bie geliebten Strien unb-

Stürme fab, bie idj mid) oor.brei Vierteljahr fo gefreut hatte

31t oerlaffen. 3$ ftieg bei Dnfel grieblänber ab, ber niäjt

wenig erfreut mar, mid) fo gleiabiam au* ben SBolfen ge=

fallen 31t feben. 3d)nell Heibete id) mid) an nnb flog 3U

meinen (Fitem. Xk greube meine* äkttetä, meiner Butter

nnb meiner 3d)ioefter 31t beidjreiben, überfteigt meine gäfjigfeit.

SBejonber* mein SBater mar rein aufjer fid). ©erabe er

(jatte bie meine 3et)nüid)t gehabt, mid) m feben, nnb wollte

fogar nad) bem gefie 31t mir berauffommen. ©ieben glüdlidje

Sage nerlebte id) bier. Steine Butter wollte mid) nod)

länger babeljaften, aber id) fauute 3d)iebeu 311 gut nnb liebte

meinen SSatcr 31t fef;r.

3)ie öeiratb meiner 3d)ioefter mit £ounn Jriebtanb

ift jefct faft entfdjiebeu, uub man erwartet Jerbinanb axß

5ßar&

Freitag, 1. Januar 1841.

3 an idj nriejber auf Dem SEBagen, nnb fort ging'* von

ben liebenben ©Item bin in bie Legion be3 6affe&

Sonntag batte id) ßetpjig erreldn. M) ging 31t 3anber,

wo man m ; d) fehr freuublid) empfing, (rbeufo befud)te id)

3obnfon imb Diagelfdjmibt, bie mir Weibbriefe, S\nd)cn nnb

3ad)en brad)ten.

Page 225: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

219

üDiontag, 4. Qanuar.

Jritf) tjleic^ ging id) ju Schiebe unb überreichte iimt ben

23rief meine» $ater3. 3d) würbe jefjr gnäbig empfangen.

2)tenftag, 5. Qanuar.

8föenb3 befudjte mid) 3an^r - 3$ arbeitete mit il)nT,

nnb al» id) auffteljen will, bie Briefe Ijolen, werfe id) bie

Sampe Ijerunter. 3ie jerbrad), foiuie ber Schirm unb ber

ßplinber, unb bei» Cel ergoß ficf» auf ben Grbboben. ^anbex

unb id;, mir liefen nad) Sfjon unb fintierten bie glecfe ein.

Dcittmodj, 6. Januar.

Mz id) Ijeut bie grau SMrector grüßte unb anrebete,

bemerfte id), baß fie ungemein (au mar. &tma ber jer^

brod)enen Sampe wegen? 21beub<§ fam Räuber in mein 3mtmer

unb jagte, id) (jätte mid) mit 3^nber gebälgt, (fo l)at ba£

3tubeumäbd)en (Smitie — benn außer ilir mar SMenfiag

3Ibenb Dliemanb ju §aufe — referirt) unb baburd) bie Sampe

3erbrodjen. Wä id) iljm ba£ ©egentljeit nerftdjerte, wollte er'§

nid)t glauben unb fügte Ijü^u: „2Bir werben fpäter barüber

fpredjen."

9?ad)mittag3 mar id) bei 3^er3 unb amüfirte mid>

üortrefftid).

£)onnerftag, 7. Qanuar.

§eut früb ftebe idj etwa* fpät auf, will mid) eilig an-

gieljen, ftoße an ben S'ifdj an, ba§> £id)t fällt herunter, unb

Page 226: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 220 —

ber Seudjter §erbriä)t. ÜÄtttagS fomme id) nad) §aufe. Zauber

ift gang einftöng unb fr>rid)t fein freunblid) SBort. Gnblid)

fangt er an:

„9hm, 3<M*ber fommt nidit mehr iitnaur."

3d;: „hantln beim?"

/r 3I>ei£ Sie ncti mit ihm gebaut haben, wie ungezogene

©affenjungen. 9hm nriffen Sie'3 gleid)."

3di: „©fauben 3ie mir, gerr ^trector, ich Ijabe micb

nicht gebafgt."

23ei bieien SBorten fprtngt ©anber wütbeno auf, fornmt

aur mid) $u: „3te §(ege(, 3ie Grobian, 3ie impertinenter,

arroganter Sunge Sie, wie fönnen 3ie fo frech, fo grob fein

unb jagen, Sie baben ftdfj nidit gebälgt, wenn id) ba3 (Siegen*

tbeit bebaunte! 3o joden Sie mir nidit fommen, oie bummer

Qunge Sie! lOiarfd), binauf in 3§re 3tube! £ben fotten 3ie

effen 6iS D'tern! Schieben werbe id) e§ fdjretben! SflleS

werbe id) ibm jagen, 9flle§! D/ id) roeifj mel non Qfmen.

$)a3 foll er jefct Sltteä erfahren."

3d) i)erjud)te ihn ju bejdmndjtigen, aber umjouft, id) reute

ujn nur nodj mebr. fSt ftürmte hinter mir bie ^Treime herauf,

unb als er bie fdjon eiugeidnnierten ^ec^e f<& Jdnie er:

„Gin 3d)ioeinigel (tnb 3ie, wenn Sie'3 nnffen motten, Sie

Gfet Sie! Xiiuftig werDeu Sie Chrfeigeu betommeu! 9hm

nnffen Ste*3 gleid). 2B$nn 3^^ herankommt, betommt er

ein naar 3 dielten.

"

Page 227: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 221 —

Xarauf ging er. ©inen Sfagenbftcf jpäter fommt er

mit bem ßeuäjter herauf. f/2Ba^ war bas für ein Setragen?''

„@g mar ixngejrf;ic£t r»ou mir." „So! ??a märten Sie nur,

ba§ joden Sie büBen."

3d): „dlnn, mein ©ott, einen Seudjter jerbredjen tft bod)

lein SBerbre^en!"

„Rem äSetbredjen! £a* ünb bie ßeine'jäjen ^ttfidjtert,

bie Sie fyaben. ©dj warf ifjm einen t)eräd)t(id)en 23(icf ju.)

9lber biejen Seudjter unb bie Sampe geige id) Schieben.

aSarten Sie, Q^nen nriß icp geigen! Sefjen Sie mid) nid)t

mit biefetn Mid an ober Sie befommen ein paar Ohrfeigen,

bafe Sie §um genfter rauefliegen!"

Qe^t mar meine (Sebulb erjdjöpft. $rampfl)aft griff meine

9ted)te naäj bem Sintenfajs, unb fdwn wollte id) meiner

SButfj unb meinem gepreßten £er$en burd) einen ÜBortfirom

8uft mad)en, aber Der (Sebanfe an meinen SBater ließ mid)

biefen SBorfa^ aufgeben. 9?od) begreife id) nid)t, mie id) fo

rubig bleiben tonnte, ba tdj megen einer folgen Steinigfeit io

bebanbelt würbe, unb id) glaube, wäre id) nidjt hxx% norfjer

§u £aufe gewefen unb bätte ba gefeben, wie fef)r mein Sater

mid) (iebt, id) fjätte nid)t ben Sieg über midj banongetragen.

3Iber ber Öebanfe au ben Kummer, ben id), wenn täj midi

renandjirt bätte, meinem SSater bereitet baben würbe, bielt

mid) nieber. 3'dj begnügte midi alfo bamit, um mit einem

fjeraueforbernbeu Q3(id anmieben, unb er ging fludjenb au%

Page 228: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 222 —

beut ßimmex. Freitag unb Sonnabenb afj id) nod) auf

meinem 3immer, bann aber, bebenfenb, ba^ ee fo nidit

bleiben tonnte, mie 3d)iebe mit §rreuben, bieie ©elegenbeit,

mid) 5U rernicfjten, ergreifen mürbe, mteoiet Kummer meinem

Skter oaraue entftünbe, that id) ben erften (Bdnitt unb ht-

fudjte 3d)iebe auf feiner Stube. 3$ gab nad), unb mir

Derföbnten un§. 5£er ftäj hierbei in einem fdjledjten £id)te

§etgte/ mar feine grau. 3$ will ba3 audi nidit uergeffen.

3Rtt SBecfer bin id) mahrhaft ^ceunb geworben. ®r gebort

$u ben -lOcenfcben, an benen man, je näher man fie fennen

lernt, befto fdjönere 3eiten entbecft. ©ang ba3 G5egentf)eil liier

=

non ift 9Jioeiues.

Montag, 18. Sanuar.

£eut mar ber benfuuiroige %a%, an beut 23ecfer unb id)

unfer JreunDidiaft^bünbniB burd) Tu uuD Tu beriegelten.

3anber befud)e id) oft. 3d; fühle mid) §u ber idiönen

Dfrfatie febr hingezogen unb rann mit meinem Erfolg febr

aufrieben fein, 3$ habe and) Secfer bafelbft eingeführt

3d) meifs nid)t, wie e$ t'oinmt, bafj id) mein £agebudi

je£t fo 'lütfenhaft führe. Ter ©runb mag mohl barin liegen,

Dar, mir moiel iViuerfenenvrtlie* arrioirt unb id) unmbglidi

5lÜev auüeidmeu t'auu. mt man aber erft etwa* ftilliduueigeuo

übergangen, fo reim ec> ein. 3nbefj m e>> mabr, id) erlebe

utoiel, um 3*ü genug jur öefdjreibung übrig ;u behalten.

Page 229: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

223

3$ mufj jagen, baß mein SCttfenthalt in Seipjig, bie Sdntle

ausgenommen, gar nidjt unangenehm ift. Unb aud) bie lang-

weiligen 3tnnben in ber Pfaffe werben mir burd) meinen

greunb SMjelm Seifer oerfüBt. Sonntag unb ©otwabenb

füttert gewöljnlid) 3d)litten= tmb Sfölriftpartten ober S8ejud;e

bei ^tofalien avß, unb fo gel)t beß feinen guten ©ang fort, bi§

mandmtal 2d)iebe» öemeinfyeit mieber unangenehm ba§tmf$ens

bonnert. Qnbeffen Ijabe id) mid& einmal gewötmt, ben $erl mit

Ijumortftifdjer SBera^tung §u betrauten, unb fo mag er benn

betten! 3d)abe nur, bafc id) il)tn ba* Setfeen nidjt wehren fann!

Snbefj wenn id) brau bettle, bafe SBtfljelm Dftem uad)

SOcarfeitte gel)t, fo mödjte id) mid) fdjon l)eut grämen. Grand

Dieu! 2Ba§ toerb' id) bann anfangen! Dbfdjon mir mand)ina(

bebünfen will, ba£ Sßtfljetm mid) lange nid)t fo liebt, wie

id) um, fo fül)le id) beunod), wie id) fojufagen nerwaift fein

werbe, wenn er fort ift. 93ierfwürbig ift e§ nod) l)eut, wie

wir um fo jufammengefunben l)aben.

2öie id) in bie zweite klaffe tarn, würbe id) oon faft

Sitten gesagt, für infupportable gehalten, au*gelad)t. 2Benn

mid) nidjt bamatö ber fd)öne fefte (Glaube an mid) felbft

aufregt gehalten fjätte, fo ()ätte id) 9)cifantl)rop werben muffen.

Unb fietje, gerabe 3ene, bie am meiften (ad)en, ftnb jefct

meine beften greunbe. 2StÜ)e(m ift mein greunb, unb

9M)anfon*) fd)eint e» werben 31t wollen.

*) 8. 6d)iilerüfte.

Page 230: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

224

2(n bet ^iebnabl ber klaffe liegt mir nidjtg. Sott jerjer

lag mir nur an Denen, bie idi acbte, uub von Denen idj mevß,

bafe Sie Derftetjen tonnen. 2£er midi nidit nerüein, beffcn

Urtbeil fann mir gleidigültig jein, unD roeun ein Soldjer über

mid) }d)kä)i urtbettt, fo ift e* gerabe, als ob ein 3d)ulfnabe, bem

mh? meife 3prücbe in Die §änbe fielen, weil er bie 3orad)e

nict)t oerftebt, mir RSeradjtung ba§ SSudj r-on fidj fdjleuberte.

3äj rotß je$ mieber mal oeriucbeu, gang regelmäßig

mein Sagebud) m fitbreit unb jeben £ag binemicfireiben.

lUiittmocb, 17. gebruar.

fieut SRa^mittag gab ©eufdfc)fel meine beutiaje Olrbeit über

„JreunDidiaft^regeln" ^urücf. Qdj batte in biefer Sirbett bie

gange klaffe Der ^ptnlifter unb bummeu ^Theoretifer auf ba3

öeftigfte angegriffen. SBeit entfernt, Areunbfcbafi^regeln aufs

aufteilen, mar meine Arbeit nictn* al§ eine beftige ^nüectine

gegen Diejenigen, Die fogar unferen Gefüllten Regeln r>orfd)reiben

motten. 2Bie §. bereintrat, oerfangte iogfeidj Die Klaffe, bat}

meine Arbeit oorgelefen werben follte. Jßeufdjfel lien fid) merft

in eine Disputation mit mir ein, in ber idi jebodi <3*eger

blieb*). Der iDealeu begriffe wegen, bie idj für bie mabre

*) tiefer Vorgang trirb aud) ooit 3<mber in ber „©artenlaube"

a. a. C. er^ärjtt. 3anber erinnert fitf) beS poettfcfcen Gingang§ biefer

l'afialfe'fcfjen 5(rbett:

„iWtfit mögen mit ber ±3aac\t in ber £cmb

2äßt iitfi ber ^rennbic^aft gelben rjeljreS 23anb."

Page 231: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 225 —

eb(e greunbfdjaft aufftetlte, nannten nxid; Ginige überfpannt.

3Me Irmen! 2i>enn fie £)eut fdjon fo nücbtern oott ber greunb*

fdjaft fpredjen, tua» werben fie in einem 2ttter oon fünfzig

oafjren barüber jagen. Söenn fte fd)on beut mir jener

fpiefjbürgerftdjen greunbfdmft fctfjig ftnb, (jeut ai§> fannt tn'S

Se6en getretene Jünglinge, rate engfjer^ig werben fte a(§

©reife fein! Qd) bebauere fie, bieje SKenjdjen, Me fdjon oott

üjrer (Seburt an alte, bebädjüge pjiftfter finb.

2Ba§ midj aber fdjmerjte, war, baß and) mein greuttb

äSiffjefat ficf) unter Qenen befanb, bie meine $ere(jrung

für ba$ SBort „greunbfdjaft" lleberjpanmmg nannten. Unb

boct) weiß i$, ober glaube idj toenigfteu3, er begreift mtdfj.

Qx> ift b(o» -)iederei, Sd)er$ von ibm, intäj überjpannt §u

nennen. Unb bodj, roüfjte er, wie rauf; biefer Sdjerj bie

^arteften (Saiten meine» ©emütfje3 uerfttmmt, er mürbe ibn

(äffen! Sfädfjt um tueinettritten fdjmerjt e3 mid), e§ t^ut mir

nur roef), dm auf Slugenbüde unter bie gewötmtfdje Stoffe

jäftfen ju muffen.

§eut SCbenb fpiette id) mit &, ber ju mir fam, 2ö(;tft.

@me fofctje ©fptofigfeit überftetgt meine füfjnften begriffe. $u

einem SOcenfdjen gu fommen, ber mir geftern bie £§ür ge=

triefen Ijat! 2)a§ faffe id) ntdjt.

©in tribrtael (33efü£;C ergreift tutet), raettn id) 2eute wie

riefen unb äbutidje betrachte. Senn id) fefje in itjnen bie

iebenben ©rünbe, warum ba% jübtfdje SBolf fo ueradjtet

5Caut Sinbau, b'Crbinanb 2ai"iaüe§ Sagebud). 15

Page 232: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 226 —

mürbe, ©ofdje Seute waren ee, bie es batnn brauten. $>iefe

•ftiebrigfeit ber ©efümuug, btefeä &ried)enbe, biefe ©erneut*

fieit — pfui, iue(c^ abfdieuliaje* ©emtfdj! 3$ fr>rect;e mit

&, ertaube üjm, mid) ju befugen, um Gbarattere biefer 3fet

ftubtren 511 tonnen.

2)er einige fdjöne 3Ut3 i(t bie bem Subett angeborene

@utmütl)igfeit, bie er in bobem örabe beftfet.

(Bonntag, 21. gebruar.

9iad)oem idj mid) mit Boeder, ÜHoeroeä unb ftaffelbad)

eine Stwtbe auf bem Stjonberg*; gelcmgroeift liatte, beindite

id), »on meinem äStlbelm begleitet, eine befreunöete gamilie.

ßs mar ein genufcreidjer 2(benb, htn mir ba oerlebten.

®er Sauber, ben biefe unfcrjulöige, allen fünften Der ftofetterie

fo frembe xodjter auf mid) aueübt, ift grenzenlos, unb eben,

meit e3 Dtatur atiein ift, bie fte fo rei^euD madjt, ift üe

boppelt üebensmüroig. £)aS 3Jtöbdjen ift gang 511m (ritt--

bilden gefdjaffeu. 2)iefe blauen fdjmadjtenDen äugen, oieie*

(Sbemuaf} alle rttjrer 3üge, biefe btenbeuDe SBeifje oer 3ä lwe >

bieie fajraellenben Sippen, biefe fanfte Kunbung beS Mimte,

biefer jungfränlidje ©ufen! D, fte ift wirflidj fdjön! Uno

*) 2)er ^ame eineä länbltdjen 2krgnügung*locals, baS in

neuerer 3^* eingegangen ift. (51 lag an Der ^anDnraße, bie

nad) ^>robftl)etba fii&rt, umoeit be* ?iapoleonftein§, be* betuditeftcn

@di[ad)ttientma!5.

Page 233: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 227 —

babei fo unfdntibig, fo (ammfromm, fo finb(id) rein, fo

fdjüdjtern unb fo 5urücffd;recfextb oor jeher blöjgen 23erüt)nmg

be§ anbeten ©efdtfedjt».

Qd) t;atte maf)r(id) fjeute feinen ©runb, „diem perdidi"

anzurufen.

Montag, 22. gebruar.

£eut fam SBrief oon Sfibor, her fid), wie er fdfc)reibt,

in Hamburg redjt wotyt befinbet. £)ennodj »erläßt er e§ 51t

Cftern, nm nad) 9)iand)efter 5U gelten. S)a3 8d)icffal fdjemt

un§ unerbittlich trennen ^u wollen, aber trofcbem mißt id)r

wenn e» gebt — unb c3 muß gefjen —, fein 8oo3 mit beut

meinigen oerfnüpfen. 2ßenn meine fctjönften träume, bie

xd) fogar Meiern 33udje ntdtjt anvertrauen mag, wcujr werben,

bann geljt e§> aucfj in Erfüllung, bafc mein Sftbor, fein

Sdiidfat nur an ba$ feinet greunbe* fnüpfenb, mit mir

fämpft unb fiegt. £)enn fiegen muffen mir in bem Kampfe,

ben id) gu fämpfen gebenfe! Siegen muß ba§ ßidjt, unb bie

ginfternifs weicht! Siegen wirb ber $erftanb, bie Vernunft,

bie götttfdje, unb mit i(;ren bett(eud)tenben SBttfeftraljfen ben

Aberglauben unb bie 3)umml)eit oerf$eud)en, g(eid) wie bet-

rag bie 9Zad)t perfcr)eucT>t

!

greitag, 26. gebruar.

SDaft nod) immer fein 23rief non ju §aufe fontmt,

beunruhigt mtdj nicbt wenig. @3 wirb bod), ©ott bebüte,

15*

Page 234: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 228 —

Diiemanb 511 §aufe umoolji fein ! Sludj bekommen ade meine

platte burcf) bie^ SCuSbleiben jeglicher Antwort einen 3trid>

ä travers. SKetne gete, meine Oteitftunben , 2Ü!e§ wirb

baburd) uerfäjoben nnb aufgehalten.

3ludj bafj gferbinanb nod) nidjt Ijier angefommen in,

mitf mir gar nidjt gefallen. -3d) weiß in her £§at nidjt,

roaä idj bauen beuten fotf.

Sonntag, 28. gebruar.

£eut fam etwa* uuu O(uebrud), worüber id; fdjon

lange nad)gebad)t tjatte. Steine öarberobe ift näm(id) von

ber 3(rt, bafj idj fd;on ungtÜjltge Wilate ihretwegen uon meinen

^Mannten über bie 9(d)fe( angefeben, oon meinem greunbe

äßityefat, ber mit 9ied;t in jebem £tM unb jeher ^evieftung

bie Sßffidjt ber 2(ufrid)tigfeir, bie er mir fd)u(big ift, erfüllt,

aber auegeladjt unb getabelt mürbe.

3d)on ef)e idj auf bie jQanbeföfdjnle fam, mar mein

Sßater ärger(id), wenn er fah, bar, id) auf bie SUeibung uiel

gab, unb (jatte e§ ftdj &ur 9Jiarime gemadjt, meinem £>ang

burdjau* nidjt uadjmgeben. (fr nannte e§ Citelfeit :c, fo Dan

febon früber biefer (Segenjianb m lebhaften Debatten ®e*

legeubeit gab. So fd)(ed)t aber nrie auf ber A>anbel*fdnüe mar

meine ©arberobe noeb nie getoefen: ibre 9^tebertrdd^ttgfeü ut

beiebveiben, fo getoanbi ift meine gebet niebt. (3& fei genug,

Dan nc fein* oft Gelegenheit ui bitten, Dann Tabel unb rnteDt

Page 235: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 229 —

Sarfaemen von Seiten äöifljefatä gab. SSSaä fottte \d) tymiS

3e(bft feinem beften greunbe gegenüber 6eft|t ber ^ieufd)

fleine @ite(fetten. 3dj fdjämte mid), meinem greunbe SB. 5U

geftel)en: tä) füfjle ba3 SBebürfmjg, mid) anftänbig 51t fleiben,

fo gut wie er, unb nur Die ©ritte meinet Stoter3 fei e§,

bie mid) jwinge, tote einen (Sott and; nur einen unb rtodj bap

fel)r fd)led)ten dloä 51t haben. 3dj madjte e* alfo wie ber

gud)e mit ben Trauben. 3$ tl)at, afe (äge mir an Reibung

nidjt baä ©eringfte, unb erl;eud;clte mir auf btefe SBeife

einen (SgiriäntuS, ber meiner Seele nur atfju fremb ift.

3dj bin fein föecf, fein SRobenarr, werbe mid) aber bereinfi

ftets auf baä Sorgfältigfte fleiben. Leiber matten ßeute,

ift einmal bie Meinung be* neunzehnten 3abrl)unbert*. Unb

eä ift tliörid)t, menn ein SOienfdv ber uon ben äJlenfdjen

abtiängt unb oon Urnen leben will, bie llrtbeile unb fogar Die

5Borurtf)eUe ber SM oerl)öl)nt. ^eradjten mag er fie, befpöttelu

im Snnerften feineä ßerjenS, aber ümen offen Srofc bieten

— nein, bei ©Ott nid)t! bann ift er ein Xfyox.

@* gewährt gewiß 3eoem einiget Vergnügen, menn er

fid) fein gefleibet im Spiegel betrachtet. SBer fid) aber um

belegen elegant fleibet, um fid) im Spiegel 31t gefallen,

ift ein Starr unb ein ©ed. 3lnöeren fotl meine Reibung

gefallen. 3$ fleibe mid) fd)ön um Ruberer mitten. Uno

mein $ater fyxt ilnredjt, menn er mir barin meljrt. Uebrigene

ift meine Garberobe fo miferabel, bafs felbft grau $irector

Page 236: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 230 —

mir mehrmals gefagt bat: „SßirfTtdj, ßaffal, menn 3$nerc

rndjt Olftee fo nobel itünbe, fd^cn 3ie aus raie ein

Sump."

Dft rjatte id) baZ Wtö jajon überlegt, bod) fjatte id>

inirflicr) barauf refignirt, mein (Mengefieber eber abmftreifen,

afe 6tS id) roenigftens etroas jelbftänbiger märe. 3>od) fjeute

tarn mir Dien merci ein ffügerer (rntfd)[u&.

2Bifl)etm batte mtdj $u einem S3entct) abgebo(t unb

wartete ungebulbig barauf, id; feilte mir meinen tftotf an-

5tef;en nnb mit ifjm fommen. 316er ben 3to& angießen, ba

lag eben bte Sduoierigfeit. 3d) fdjamte mid), üor bm Iwgen

meinet Areunbe* jenen abgejdjabten Sonntage-, arbeite-

unb Sdjfafroef anziehen. 3dj jdjämte mid), wenn id) be=

badjte, in biefemsDtod Dcadjmittag £amenbejud)e ju madjen.

3n einem 2(ugenb(id jagte id) mir, ir>as für unb gegen

ben Gkgenitanb ^u jagen mar. -fifät xßirterfeit tramte idj

ben Sßlunber, ber im 3d)ranfe fjing, jujammen, warf ibn

ü£ß. bin unb jagte: „2M)(e [ einen dxod." SB. fianb bai

(rr nmfjte nidjt, was er fagen fottte. S)odj id) unterbrach

balb ba3 Stilljdjweigen burdj bie SBorte: „Äomm mit mir mX einein 3cbneiber." 2Bix gingen, unb id) beftellte dlod,

Öofen, SBefie, bann andi Stiefel, fo fein, alc- fclbft SB. es

nur oerfangen tonnte. Unb id) a.ab mir ba3 fefle SSer«

üwedvn, oon nun an ftetS um leben Spretä unb auf jeben

aqK burdjauS fein m gehen. 3$ will bie3 Serfpredjen gerabc

Page 237: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

231 —

fein fromme? Gklübbe nennen, ct6er idj werbe e§> metteidjt

um fo fefter galten, roeil e§ fein fromme? (Selübbe ift.

3tfttttoodj, 3. 3Mrj.

3dj fuljr mit Werfer nnb 90ioeme» glitten. Sefjr

ängftet e§> midj, ba$ nod) immer jebe Antwort t»on §u £aufe

aueblieb. 3d) weif? gar nid)t, nieder Urfac^e id) e§> $u-

fdjreiben fall.

«Sonnabenb, 6. Slcärj.

§ent geigte fidjj ber Sitte raieber einmal in feiner motten

©(orte. @r mar mieber einmal ganj er felbft. Um §roölf lllir

fam er in bie klaffe mit bem SJtonatsberid):. $<§ war bei

(Sour&affier (Sourootfier) als" unruljig bemerft. D, mie liefe

ba ber Sitte feinen Öefüfjlen freien Sauf. Gfjarafteriftifd) mar

unter Slnberm bie SleuBernng: ff^&axt

,

/ im ber ßenfnr miß

id/3 Tir fdjon eintränfen!" 3ted)t beuttidj geigte fid) Set

2Bt0jefat feine (Semeinbeit. ,ߧ> ift mir ungeheuer lieb, ba$

Tu abgeljft. ©idj brauchen tonnen mir nid)t," fagte er $u

2B. Unb boc§ t)atte er Sitte? angemanbt, feinen SBater §u

permoüiren 3ß. nod) (jier 51t behalten. „2>on Boeder nnb

Saffaf," erflärte er, „netjme idj auf feinen galt ba§ Stammbuch

blatt (23efd)retbung ber geier) an/' Sßabrlid), barüber mürbe

idj mtdj menig grämen, £:od) roitt id) biefe Cftern, roenn

mein $ater fommt, fetjen, ob biefer $orfa£ gegen ein Slbenb^

Page 238: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

232

eifert irrt £6tel be SSamere 3tid) tjält. 2öa* bat Seugnis

betrifft, fo babe ict) feine gurd)t. 3m Söiffett famt er mir

triebt ia)lea)t geben, ja fogar ba3 „G>ut" ttidjt oorentbalten,

uitb was er mir fortft einfd)reibt, foll mir einerlei fein.

@meS nur betrübt mid), rtämlia) bie ejurdjt, mein

fetter fbunte na) betrüben. £od) Ijoffe id) mit ©otteä ©ütfe

ü)m Cftern einen Seinen begriff geben ^u formen, roaS baS

für ein äftann ift, biefer 3a)iebe. 3a) fage: einen flehten

begriff, benn gartj famt bat blo* einer feiner 3d)üler

einfet)en.

(re mufj bod) aber weit mit einem oon uns £>eioen,

mit mir ober 3d)iebe, gefommen fein, bat}, wäljrenb er mid)

fo fd)mäb(id) (jerurtterbutttfe, aud) feine nod) fo (eife 3d)ant'

rötr)e meine 3Bangen überwog, ßhttweber bin ia) ber ebrloieüe

£erl oon oer 2£elt, ober 3a)iebe arterfannt für einen £ump,

beffen SBorte ba finb wie ber £aud) be? Söinbe*. STber nein,

id) bin rtia)t ebrloc, mir mangelt nia)t Gi)rgefüi)l. 2(ber be»

2llten äßorte, fie fönnert feinen ©inbrud mad)en. £>et beffce

beweis liegt in bem betragen ber 3a)üler felbft. Sßare er

nid)t anerfartnt für bert ungeredjteiten 3a)uft, hätten feine

äöorte rtid)t bei im* Siliert roertiger öewidjt, alc- ba* Säuern

irgertb eines 3a)aubmaules, io t)ätten ja Die 3d)üler fa)eu

oor mir ^urüdtreten muffen. 3(ber nein, fie näberten fta)

nur, inbem fie mir pürieren, mia) über be* 2ttten SEBorte

Ijinioegmioten. äl>irflid), biefe SCufforberung ift nidjt nötytg

Page 239: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 233 —

bei mir. äJtag er rebert vor ber £cmb ! (Sinft miß id) itmt fdjon

ba% ÜDfaul [topfen.

3djnetber igoffmcmn Braute mir meinen neuen Stnpg,

unb td) fanb Gelegenheit, bie 3Eat)rt)eit be» 3prüd)ioorte»

„Kleiber madjen Seute" 51t erproben.

Sienftag, 9. ätfärj.

fieut um neun Uljr erhalte id) ein bittet von meinem

Goufm gerbinanb grteblanb de Paris, in meldjem er mir

feine Stofunft tjter anzeigt unb mld) bittet, fo batb cd§> mögltd)

in fein £>ötel 31t fommen. S)ret unerträglid) lange ©hmben

muffte id) mid) gebulben, bann flog id) aber aud) meljr afö id)

ging, 51t meinem Gonfin. 2Bir waren 23eibe böd)lid) erfreut,

votö nad) bem 3ettraum v°n fünf Vierteljahren mieber 51t

fetjen. 9tafy ben erften Umarmungen befpradjen mir uufere

beiberfeiligen Richte. Gigentlid) £;atte gerbinanb ein flehte*

9ted)t, mir $u jürnen. 9Jcerfraürbig bleibt e», mie id) oljne

äußere SBeranlaffung mieber §u meiner erften Meinung $urü<fe

gefeljrt bin. Snexjt, mie bie £)eiratl) in 23orfd)lag tarn, mar

id) berjenige, ber am attereifrigften feine Stimme für gerbinanb

erl)ob. SBte er oon un§ mieber abgereift mar, änberte fid)

allmäblid) meine Meinung. 9cia)t baB etwa mein Qntereffe

fd)toäd)er mürbe, aber bie rieten Verleumbungen, fo roenig

id) ii)nen anä) ©lauben fdjenfte, mußten nottjmenbig Slrgmoljn

enoedeu. 21ud) glaubte id) uid)t, baB 9ftefdjen auf bie Sänge

Page 240: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

234

ber $ät tf)rer {juclination für ihn treu bleiben mürbe. 2o

tarn e§, bav, \d) fogar gegen ihn nurfte. Aber in Seimig hatte

icf) tüieber meine frühere Itebeneugung, nnb bei bem ent-

fdjeioeuben Aufenthalt meiner (ritern hier fjabe ict) mieber für

üjn gefprodjen nnb nielleidjt nicrjt roenig 31t ber @ntfd)eibung

beigetragen, bie eben jefet meinen Goufin am bem glän^enben

^parie, axß bem äffimfiere, au-;- ber Glitte aller Eünftler nnb

(Mehrten, Siebter iwb Staatsmänner rief, um in 23recdau

meine 3dnr>efter 51t beiratben.

(rr jtoetfeft, mie er mir felbft fagte, noef; barau, ba$

au3 ber Partie ettoaS nrirb. Xiee tlute icf) nun ymv nid)t,

bod) fetje icf; uoraue, batj er nod) niefe ^orurtbeile $11 be-

rampfen nnb niele llnannebmlicbt'eiten 5« ertragen (jaben

wirb. 3(jm tbut tB febr leib, ba% icb nidit mit nacb Breslau

fann, ihm m helfen :c. 3Rtr tbut e* fcnuohl mtö biejer, afö

aua) au§ mehreren anberen Q3e5iebungen leib.

2Ba3 midj betrifft, 10 r>erir>rad) A-erDinanb aua) meine

Angelegenheiten §u orbnen. 2öot)l nebt er afö ein 2Ramt, ber

fidj fo lange in ber gläiuenbften SBeÖ bewegte, ein, bat3 id) nidjt

fo fortleben forme/ mit ^luei Spolera ben Neonat.

SHKe icf) nrieber um eineinhalb Uhr midi neu Aorbinanb

trennen wollte, um in bie Sdiule m gehen, litt er bteS nid)t,

fonbern behielt midi bei (idj unter bem SBerfpredjen, e3 [elbfl

hei Stieben 51t uerautworten.

fiebrigen* roetfj tdj feit iOiitfmeli* mid) ntdjtä tu

Page 241: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 235 —

erinnern, ba§> fo rooftftfntenb auf tm'dj eingerairft fjätte, a(3

bie Stnftmft gerbinanb*. SBeixn man ein (angeg f)a(be» Saljr

unter Summföpfen nnb Ganaitten gelebt f)at, ift e§ mirflid)

ein ®1M, mieber einmal mit Qemanb ^tfammen^nfornmen,

von bem man Derftanben mirb.

Mz id) 2Ibenb3 nad) £au3 !am, fjatte id) nod) ein

langet ©ejpräd) mit <ganber. @r ermahnte mid), um ÖotteS

mitten beljutjam ju fein. 3'a, er mar el)r(id) genug, mir 31t

jagen: „Sefjen Sie, Saffal, Sie fteljen fd)on be»fyaCb beim

Sttten jd)(ed)t, unb e§ ift jogar ber ^auptgrunb, weit Sie bei

mir finb. (§& timt mir (eib, baJ3 id) bte llrjadje bin. 2(ber

nm§ fofi id) madjen? Sd)ü£en famt idj Sie gegen Schiebe

nidjt, unb idj möchte mid) um 2(tte§ in ber 2ße(t nid)t in

einen Slampf mit Sdjiebe eMaffen."

„2Earum ba%% Sie (jaben bodi feinen ©runb, tfjn gu

fürdjten."

Sa gab mir ßanber bie (eiber att$u raafjre SIntroort:

„9?ein, id) fürchte Stiebe nidjt, aber in einem Kampfe mit

tym merbe id) attejeit üertieren, benn idj fämpfe mit ef)rttd)en,

er aber mit uneljrlidjen Sßaffen."

8dj bat nun Räuber nod), ba3 Me§> Cftern meinem

Sßater §u jagen, ber mir nie glauben motte. @r üerfpradj

e§ unb id) begab mid) 5U 23ett.

©ott, wtö (iegt nid)t Sitten in ben Sßorten §anber§!

6t, ber unabhängige, freie, geachtete 9Jtomt fürchtet Stieben.

Page 242: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 236 —

Um mieoiet müfjte idj, fein Untergebener, fein gebauter Untere

gebener, trjn fürdjtenl Unb oennod), wetfj ©ort, rote es

fommt! id) fürdne ibn nid)t ein bissen.

aKitt tu odj, 10. 2Kar§.

3$ flog jn meinem Gonftn. 9cad)bem mir einige

StunDen auf ba* 2(ngenel)mfte nerptauoert nnb mir nn§

gegenfeitig nnfere £nftfd)löifer Rotten fetien [offen, gingen

mir aus.

Unbegretfüd) ift mir bod) biefer gerbiuanb. $>d) tjabe

eine fet)r gute 3bee gehabt, als id) ibn mit beut Gt)er>alier

oe Seintgat uerglicb. Unb fo, wie Gafanooa, nachdem er

an allen ©Öfen (SutopaS bie glän^enbfte Atolle gefpielt, ftdj

enb(id) ^nrüdjog, nnt at§ armfeliger 23ibliotl)efar anf beut

2d)(offe be* ©rafen r>on &>albftein, von ben Summtoineu,

bie tt)n nicfjt begreifen formten, taufenbfad) angefeindet $u

leben, fo nerläfst mon cousin Sßarte, ©irren, 2Bürben, 33erlt%

©eine, 8afotj» nnb meiß (Sott roa§ SfllcS nod), nm in nnierm

triften Breslau Gaücot ju »erlaufen an polrtifdje {jüodjen.

2Sir gingen jn Sreitfopf nnb ©artet, nnb bann ge=

leitete id) meinen Gonfin an bie ©anoeleidntle. Cr ging

()inauf, id) wartete unten. 3ci)iebe mar, mie id) gerbhtattD

and) barauf vorbereitet liatte, febr fdjlimm auf mid) \n [predjert.

211* aber Acrbinano ibn bat, 31t entidmlbigen, bafj id) feblte,

es fei nur anf feine Söerantaffung geidieheu, fo mnroe 3d)iebe,

Page 243: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

237 —

her mi<$ bi* Mjm für franf 0dt, W jornig nnb ncujm bur^

aus $.

s

SSenoenbung nid)t an.

©onnerjtag, 11. 9Jlar§.

§eute ift §errn Sirectors Geburtstag. 3d) gratnlirte

Qm imb begab mid) bann in bie 3d)n(e. TO einem Gnt,

föutbigungssettel gerbittaitbs nerven, begab id) mid) $u

Sieben, äaum nntrbe m$ Mef« 9™*, *»** er

mütdenb, jagte, raeber SetteC nod) Gonfin gel)e Ü> ux*s an,

id) £mtte gegen bat ftegutetit) oerftofcen nnb mfiffe nm nenn

Mir t>or bie Spobe fommen. $a§ mar junieL $as f)ieß

bie ^ebantcrei nnb ben £at3 aufs ©öc^fte fteigem. 3*

begab mid) in bie ffldffe, wo g(eid) bie 6<$üter auf mid) 311=

eilten, bod) id) 50g mid) mit 23ecfer 5urü<f nnb tqfifit ^

ibm. Gr empfahl mir nor alten Singen ftoiföe 9in()e.

Um nenn Vti)X mnrbe id) f)innntergernfen.

3d) trat ein. Sn ber Glitte Jan ber Xirector, nm Um

lenrai in einem ©albfrets fatrontli^e Setjrer. 3* fteüte

mid) m «" *»a«Ö P mit ^ammengefatteten ^änben,

bie Singen 51t »oben ge^agen. Seitab ber ganzen 33er,

(lanbdmg mar {$ bemül)t, atte bie (Sefflle, bie mid) «tf«f*

m\k beitürmten, and) bur« fein Snden meine* 3Kunbes

5n nennen, fiafc *era<$tunö , Ä Borger, Iraner,

SButy, 63(ei$gü(tig!e(t me^Wtcn in meiner Stuft, bod) nennet!)

m<$ts, was ba brinnen erging, nnb mit ber größten fti«

Page 244: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 238 —

ftrengung grocmg id) meine ©eftdjtöpge ^u einer diulje, bie

}ü)teä)i §u meiner Sage paftte, bei einem ßintretenben aber

geroife bem Öebanfen, id; ftebe jefct nor ber (Sxjnobe, miber=

jprodjen tjätte.

„ommer näfjer!" erfdjoff e3. 3d) trat einige Schritte

nor, blieb aber in meiner üorigen Stellung nnb mürbigte bie

gan^e $erfamm(ung audj feine» 33(ide».

©er ©irector (a3 nun mein jogenannte* SSerbredjen

t)or nnb erflärte, bau er auf meinen Gouftn nidfjt bie geringfte

9tüdftd)t neunte. 9iun fing ein Sd)aufpiel an, bas mirftid)

im mabren Sinne be» SBorte* ferjenemertt) mar. Schiebe,

3d)iert)o^ nnb, meß mtdj am meiften ärgerte, geller maren

bie Sprecher, bie Ruberen fdjnriegen. (E>iefe brei aber löften

ftdj unaufi)ör(id) ab. £rot3 ber unbefdjreiblidjen £}erad)tung,

bie id) empfaub, mürbe id) bodj ganj met)tnütl)ig. Wx fam

nor, id) märe ein tobter Slbler nnb läge auf bem gelbe, nnb

CS tarnen bie dxabcn unb bie biebifdjen Giftern nnb all ba§

r>eräcf)tüc^e Gteflügel, nnb pidten mir bie Sfogen am nnb

nagten mir ba» gleifd) non beu ßnodjen. Pö£lid) aber fing

id) mieber an mid) 51t regen, e§ tarn Seben in miel), unb idj

erljob mein raufd)enbe§ ©efieber. ßrädföenb entfielen bie

:)iabcn unb Giftern, id) aber fd)iuang mid) auf mu Sonne.

9tue triefen Träumereien roedfte mid) unangenehm ber

Saß beS bitten. Os)ott, roaS raijouuirten bie uicTit mfammeu!

.Hein guteg .*oaar Honen fto an mir. M) mürbe für neutftf'erid),

Page 245: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 239 —

&etrügerifdj, fd;led)t r eigcnnu|ig> überfpanut, binterliftig, per-

rücft unb oerbretit erflärt. S)a bte guten Ferren über meine

Seijfomgen nid)t reben tonnten, baS Dvaifonnement über baS

uorüecjenbe SBerbredjen and) balb erfdjöpft mar, fo fingen fte cm,

auf meinen Gbarafter §u fommen.

„3Mne ©errat," fing geller, biefe perionificirte gatfd)()eit,

an, „2fteffieur§, Sie muffen wiifen, Saffat betrautet Dillen

mit bem 2(uge eine* ^Inlofoptien. SBtr ftub nict)t feine

SBorgefefeten. Xen begriff -^orgefefeten giebt er überhaupt

nid)t &u. SBtr finb feine Untergebenen, benn mir werben ja

6e$cu)ft. Ueberbaupl Siebe, .ftodjaditung, Xaufbarfeit , Die

fennt Saffal nicbt. 2(ftee, roa§ au§ bem £er3en fommr, ift

ihm unbet'annt, fomie bcß SBort ©erg felbft. (5t bat 31t

JWtemcmb Siebe. Sein Önmofafe ift Siebe 2c. ju Ijeucbetn,

fo (ange er Semanb fremden tarnt." „Gin fdjöner @tunbfa|!"

fjöfmte ber Sttte. „Xabei," fuhr 3d)iebe fort, „meif} er fid)

einen Schein 3U geben." „©inen Scbein," wieberbolte 3d)ier=

bofj. „©inen Schein/' tönte e§ au* ^etter§ Sippen, wie bas

(M)o in 2ß>er3ba<$.

„Xu tbäteft am beften," fagte nun ber Wit, „Xu

mürben ftomöbiant. Xa tonnteft Xu beute ben Sljnlod unb

morgen eine anbere fd)(ed)te ^ofte geben, beim Xu bift §u

jeber fdjtedjten 9Me ftitrig."

Unb in biefem Stile ging bcß fort

Sierauf mürbe id) erüidn, binaueuttreten. 9ß3 id)

Page 246: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

240

nrieber Ijineint'am, (a* mir «soetr ©irector ein llrtbeil wx:

Q'd) fjätte brei Söodjen ßausarreft, unb wenn id) mir nod)

einmal etwa* gegen ba$ -Wegu(atit) 31t 3d)idben fommeu

Uefje, mürbe an beu SBorftanb Sinnige gemadjt merben. 211»

id) nad) igaus tarn, mar fdjon ein 33rtef 3'd).'* an öanber

angelangt, in bem er ifjm meinen föauearreft anzeigte unb tl;n

erfud)te, im galt baß idj ausginge, eä i()m an^u^etgen. „£ie

Sufttj mürbe bann prompt fein/' fügte er l)in$u.

Xiefer Safe jagte mm ©. mel 3d)redeu ein. Gt

geigte u)n meinem Goufin nnb legte ifjn fo au§, bafj 3d)iebe

mid) megroeifen tonne. Qwax ift 3d)iebe* äJfadjt gron, aber ba£

fcrtm er ©Ott fei Sauf nidjt fo leidet. 3n meinen Stiftungen

mar id) untabe(()aft, id) mid aud) in meinem betragen jefet

fel)r betjutfam fein. 3$ will mid) oon nun an nid)t gnt be*

tragen, benn id) I)abe mid) nie fd)(ed)t aufgeführt, aber id) mill

mit einem 2I>ort mid) gar nid)t Betragen. 23ic- jefct mar meine

Hoffnung, Cftern abjugeljen. $on nun an ift e3 mein fefter

Gntid)(uf3, ben sollen Gurs burd)mmad)en. 3dj fürd)te 3. nid)t.

greitag, 12. 2Mr§.

ßeut mar 33uf$tag unb ber erfte Xoq meinet &au§arrefle$.

Sßtfljefon 9J(oeme3 unb 3^ber befudjteu mid) unb ueriudjten

mid) über mein 3d)icffa( 31t tröften. Q(ücflid)er 2ßeife be=

burfte id) aber be3 CTrofte* meuig. lieber bie 3 träfe tarnt

id) mid) (eidjt wegfegen, id) betraute nc gar nid)t einmal

Page 247: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 241 —

al* foldje. 3d)tebe*, (Bdjierfjo^' :c. SKeituttig tarn mir uod)

gleichgültiger fein. 3$ ntfe mit jenem großen 3)id)ter nne

ber rtadj Äleinaften uerbannt war:

„Hie suin barbarus quia non intelligor illisl"*)

Ginee nur betrübt midi, eme§ mir brüdt mid) baraieber, itnb

fanm form ba§ öefülji meiner Unfdjulb mid) aufred)t erbalten.

GS> ift ber Qebanfe, ba$ id) meinem löater, e* fomme wie e3

motte, auf ber £>anbe(*fd)u(e fd)U)er(id) uiel greube bereiten

werbe. £od) ©Ott ift mein 3euÖe/ i<$ konnte nidjt anbero.

üfiktS an mir lag, iiabe id) gettian ; e3 ging nidjt. 3d)iebe

unb id), mir begegnen uns nur in einem ©efftfjl, in bem

gegenfeitigen gajj. 3$ tonnte fogar mefleidjt meinem SBater,

meinen (Eltern 31t Siebe meine eble ÜJtotur uerleugnen unb

t'rieayno fein gegen ben Sitten. 9lttem and) bie* nü£te m'djtö

mehr. ®r rofirbe bie eingebogenen fraßen feljen unter ben

Sßfötdjen. Unb bodj! wie bätten wir £>eibe, 8. unb id),

im* febon begegnet, wenn nid)t ber ©ebanfe an meinen 2>ater

mich beftäubig ^urüdgebalten bätte! £>od) genug bauon.

Sonntag, 14. ättarj.

£>eut an bem ^weiten %aa,e meine» §aularrefte befudjten

mid) SUtoeroeS, 9?atbanion unb äBißjetm. 23ir fpietten SBbift

unb plauberten bann.

*) Barbarus hie ego sum etc. ßaffalfe, ber jugenblidje ttn=

berftanbene, fcftetnt für btefe» Gitat, baz t)ter sunt ätoettenmat tr>teber*

fefjrt, eine befonbere Vorliebe p rjaben.

DSaur 2 in bau, fyerbtnanb SafTatte? Sacjebucß. 16

Page 248: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 242 —

ttnergriinblicfj ift bod) oie üJienid)ennatur. 3dj glaubte

biäfy&t, Sdjiebens Gemeinheit burcf) unb burd) ju fernen, id)

glaubte, gegeu mid; fyahe jte ben liödjften ®rab erreicht. £)odj

f)eut erfuhr id) Xinge non ©., bie id) fogar ihm nidjt zu-

getraut hätte. Sie Sfijgen, bie im* 91 t»ou bem gab, toaä

er früher auf ber iganbelsfdjufe er(eibeu nutzte, waren rairfs

lid) ergreifeub. 3>ie SBirfung, bie feine Säuberung berpor?

braute, mar unferm (Efjarafter entfpredjenb. Qdj baute bie

gäufte, fnirfdtfe mit ben Sippen unb tr)at im Qnuem bie

fd)redlid)ften 9xad)ege(übbe. SQBiÜ^dm ftanb rufn'g ba, fein

äßort fam über feine Sippen, nur tränen perlten au* feinen

Oütgen, unb bann unb nxmn Rieften feine Sippen Jdjredfttdj.

-3d) fann mir roo£)( beuten, roaä in feinem Q'nnern norging.

Dtur 93ioemec> mar nidit catä feinet ^omabe 51t bringen, fatt

unb tl)ei[naf)m(oe rote geroöbnüd).

dritter ^ofept) ! Xu ()aft pie( leiben muffen, unb

id)on barum lieb' id) Xid)! Xu baft vtel, fehr pie( er=

tragen, axß Siebe 31t X einen ©Item. Xie Siebe gu meinem

•l^ater, fo grov; üe ift, fte hätte fdpperlid) foldje Sßrobe über=

(tauben.

aiMttiuod), 17. «tän.

3d) befam oon meinen geliebten (ritern 83rief. äfodj

gerbinanb idjrieb mir, bafj feine Befürchtungen grunblos ge*

roeien unb meine Prophezeiungen in (müünng gegangen.

Page 249: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

- 243 —

Bonner (tag, 18. 9Jiär>

£eut war id) int ©enmnbljaneconcert. £>ie ^eorient fang.

Sonntag, 21. äUctrj.

£eut ber (e^te Sag meine» §an»arrefte3.

Montag, 22. atfärj.

SBBie gemöfjnüd) gab un» ©err £enfd)fet [jent bie bentfdjen

arbeiten $urüd. 23eder £)atte in ber feinigen über bte grage:

„&>ie banft ntan <5>ott am beften für empfangene 3So()(ttiaten'?"

gefagt: „Deicht bnrd) unfruchtbare* 2{bp(ärren non Jahnen 2CV

fonbern burd) bte Stfjat." 3Mefe gemiB fefjr richtige ^npotfjefe

griff nnn ber £eufdjM ortfjobor an. £a icf) 23.'» Arbeit ge-

mad)t fjatte, fo mar e» audj meine Sßfftdjt, fte §u nertfjeibigen.

3$ naljm baf)er ben £ampf auf imb beraie» in ber %t)at, bafe

Ghtte* tbun, @b(e» mirfeu ein meit fräftigerer 3)anf fei afö

^niebeugungen, Singen, Geleit :c. 3)a §. a(fo gefd)(agen

nmrbe, fo ergriff er ba§ gewöbnüdje 2fu*l:unft3mittel fieiner

©eifter: er fdjmieg nnb fann anf 3tad)e. Sie blieb nidjt

au*. Dtadnnittag in Dr. 9ftfd;im£ ©eograp^ieftunbe öffnete

rief) piöfe(id) bie £(jür, nnb ber 2Üte trat herein. 3n biefem

2ütgenblicf roarb e» mir $ur Öeraif^eit, er fomme meinet-

wegen, t)on £>eufd)fel irritirt. 3ur unbeftreitbaren £(jatfadje

nntrbe e*, ats* (jinter Sdjiebe fid) nod) bie wohlbeleibte ©eftalt

JQeufd^fefe loineinfcr)ob. Cbgleid) id) nnn ()in(äng(id)en ömnb16*

Page 250: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 244 —

jum ©ruft batte, fo formte tdj mid) boäj beS SadjenS mdjt ent-

halten, als ict) £.'S mtferaMe gigur närjer betrachtete, (h*

war fo geifierbaft Meid;, fein fetter Saud) wabbelte fo furcbtfam

t)in unb ber, er wagte nicbt, mid) amublicfen, tjielt ftct) fo

nabe fjinter 3d)iebe, bie fdjredbarfte Slttafl prägte ftdj fo

beitt£idt) in feinen 3Jtienen aus, bafs fogar 3Mpomene, bie

fdjmermütbige Göttin, bei feinem Olnblid gelächelt f)ätte.

©er 2llte erjäblte nun mein 3>erbrea)en. 3$ bätte

gewagt, &u behaupten, bau bie Sbränen ber Ernten trocfnen,

(BdjöneS unb ßbleS mirfen beifer fei, als fange, lange Gebete

tjerjuteiern, Sanflieber 3U plärren unb babei feine Söruft bem

Rieben feiner 9Jiitbrüber 31t i>erfct)ßef$ett. Gerechter Unwille

über biefe gottlos frioole Smftdjt flammte babei in feinen

unb beS würbigen 9cifd)iui£ klugen. $. aber ftanb nocr) in

einem fort jitternb ba unb wagte nidjt bie öligen §u erbeben,

aus gurdjt, meinen Stilen 51t begegnen. (Et tljat mir leib,

ber arme Wann, mei)r (eib, a(S id; mir felbft tbat.

Unterbetf war ber 2üte oon meiner bieSmatigen ©Otts

loügt'eit im £3efcnbereu auf meine fonüige Öottlofigt'eit im

allgemeinen gekommen.

„Um 3bnen oon feiner SÖenftoetfe einen begriff pi

geben," fagte er unter Sfobenn, „will id) 3r)nett eine Sfeufienmg

erzählen, bie er gegen £>erru §auber tbat. ©r fagte uämlict)

31t ihm: ,,M) fattti nur ben 9Jienfdien Kirnten unb adnen,

ber mir iu meinen ftwätti bienlicu ift."

Page 251: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 245 —

^eiliger Sfcpofl! ba$ mxt porieU SSoä ber Sitte über

mid; urtljetlt, boä tat unb mufe mir p)at l)öd)[t gleichgültig

fein, nidjt aber, wenn man mir Weiterungen in ben äRuirit

legt, bie id) nie getljau, unb bie beibe3, bumm unb jd)led)t,

in jo Ijotjem ®rabe ftnb.

„Sa3 fanu £err Xirector Räuber nid;t gefagt Ijabenl

SBamt iod er e3 gejagt ijaben?" entgegnete id).

„£err Dr. geller fjat e3 mir erjagt/' l)errjd)te mir ber

Ollte p.

Sfout warb mir 2Effe3 Kar. Sauber mag in feiner Uu-

jdntlb, S)umm!jeit ober in einem Unfall uon ^3ape(ei irgend

ma3 gegen geller gequatjdjt Ijaben, bog biejer bann mit ge*

fjöriger ^erbrefntng unb äSerrenfmtg feinem §errn unb

9)ieifter überbradjte. D biejer Räuber! ©r f;at mit feiner

iDoljlmotlenben Xummljeit mir fdjon meljr gejajabet, al3

Rubere mit üjrem §afe! 2ld) ja, §eine f;at dlefyt:

„Sie f)aben mid) gequälet,

©eärgert blau unb blctB,

Sie (Sinen mit tfjrer Siebe,

Sie 2tnberu mit tfjrem öafe."

itebrigen» null ia) £. gut 9?ebe [teilen unb jeljeu, ma3

id) ausrichte, um meine Unjajulb barptljun.

Xer Sllte ging nun, uadjbem er bie merfraürbig lädjer-

lid)en 2Borte gejprodjen Ijatte: ,,3'ot>iel uüjje, wenn Xu nod)

einmal jo benfft, fommft Xu uor ben ^orftanb." Xieje

Page 252: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 246 —

SBorte jtnb mirfüd) fo (ädjerüd), bat3 id; fte ergaben 31t finben

anfange, wenn idj bie SBorte Diapoleon* umMjre: Du su-

blime au riclicule il ny a qu'un pas."

Stöenb* tarn ganber 31t mir imb braute mir eine midjtige,

fe|r wichtige 9cad)rid)t. Qv mar rtämßdj comme ä l'ordinaire

um fünf mit geller fpajieren gegangen, imb biefer, ber in

3- nidjte weniger ate einen fpecietfen greunb con mir oer=

mutbete unb it)n immer wie einen Vertrauten betrachtete, fragte

ü)n, wa§> e* jtmfdjen mir unb £>trector gegeben Ijabe.

3- erjärjlte Me*, auä) bie Steufjerung, bie geller hinter-

bracht tjatte.

„($k ift mir febr, feljr unlieb/' fagte geller, unb, wie

natürlid), breite jtdj baz Öefpräd) auf mid). „3 eben Sic,

3anber," fagte g., „(Bie lennen £affa( nicr;t. Saffal ift ein

fefyr, fet)r gefät;rücr)er £opf. Unb ber feen 2>irector unb

mir Server finb feft entfd)loffen, Saffal, wenn er nidjt felbft

abgebt, um jeben ^>rei3 unter nichtigem ober miäjtigem Vor-

manb oon ber 3dntle 31t entfernen. $)erm er ift überaus

gefäbr(id). (Et (jat bereite feine 2(nbänger."

„Verseiben Sie/' fiel 3- e™/ tfä we itf genau, er

gebt nur mit Veder um."

„D, ba3 nerftebeu Sie nidit," entgegnete geller, „Veder

ift 31t oomabig, betl mürbe er eber incommobireu, aber er bat

fdjon feine 21nbänger. SDtöt emem SSßorte: er ift ime iehr

gefübrlid)."

Page 253: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 247 —

SMefe lOiittlieilung Sonberä ennedte felir r>erfd)iebenarttge

Gefügte bei mir. ©otoeit Ijatte fid) meine (ntelfeit öoctj

nod) nidjt uermegeu. £a§ l)ätte fid) bod) meine 2lrrogan$

nie träumen [offen, bafs fid) ber mädjtige Sdfjiebe vov mir

bnmmen jungen fürchtete, £abalia, sunt £oDtlad)en 1 £>a

fott man nidjt eitel Herben! 9cid)t genug, bat3 id) ilm nie

im Gkringften geforstet, nein, id) bin i()m nod) gefäbrlidil

ßr fürd)tet fid) vor mir! Unb jtöar in fo(d)em örabe, bafs

er fid) foroeit tjerabläfjt, es geller $u gefteben nnb mit feinen

Sebreru ein Simbnifj einzugeben, jebe Gelegenheit 51t er-

greifen, mid) 51t entfernen. SXber ba* brad)te mid) auf ermV

öftere ©ebcmfen. M) liatte mir vorgenommen, git bleiben.

Sßerbe id) ba§ aber lönnen, raenn man fid) baS SBort brauf

gegeben l)at, bie ©elegenfjett beim gaar 3U fäffen? Ziviler

glaubte id) nur, 3d;iebe liaijte mid). §at3 glätte id) uie(leid)t

befänftigen ober unfd)äblid) madjen formen, bod) gurd)t —nimmermebr.

3d) muBte ganber oerforecben, gegen Dciemaub außer

Boeder, biefe3 öefprädi* 31t enuätmen. dagegen gab er mir

fein Crliremoort, e* biefe DJieffe meinem 23ater gegenüber 2Bort

für 2Sort 31t nüeberi)o(en.

SDtenftag, 23. 9)iärj.

£eut feilte id) ganber 3d)iebe* äöorte mit. ©r erflärte

fte für umuabr. 9iun verlangte id), er }otl'e vor 3d)iebe biefe

Page 254: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

248

Grftarung raieberijoteu. Jjä, ba raar id) fd;ön angefommen.

Qx madjte 2(uef(üd)te, wollte bie Sacfje in'* 3nafsl;afte

^tefieu unb für eine Q3agatet(e erflären. 2fber e? ift erften3

feine, unb jraeiten» gtemt e§ if)in am raentgften, fie für eine

£leinigfeit ju erflären, ba er bod) ftetS aus jeber Sumperei

foldj Stuf^eben madjte. Gin fdjöner 3djufc, ben id; von i(;m

erwarten fann! C, mein ^ölicf fängt an, nd) ^n beraölfen,

raenn itt) in bie Sufunft fd)aue. £od; fafjt bie geit fommen

rate ben £ob; bran ror^ubenfen ift fc^recfücf). £od; raenn fte

fommt, raenn rair muffen, bann raotfen rair un* geberben,

rate rair fönneu.

^JHttraod;, 24. 3Ädrg.

3d) lefe bie Schriften £anbe*. 3)ierfraürbig ift tö,

wieviel $ontrtf;ei(e ber ÜDtafdj bod; bat, unb rate gnutblo*

üe entftef;eu. Qdj fjatte gegen Saube eine Olbneigttug gefaßt,

o(me irgenb eine feiner 3d;riften 31t fenneu, id) glaube, nur

einer OJeußernng raufen, bie ein 3c(jriftfteü'er, ben \d) üerebre,

t(;at. Unb je§t raaren e3 einige OCenfjenmgen ©eines, bie

mtd; oeran(af3ten, au bie Seetüre btefey 3d;riftftellerc \\\ geben.

(Sott, raie bitter llnred;t habe id; bem äRann getban! Crr

geljört unter ;Seutfd;(anb* befte Männer. D fiärte e3 nodj

tauienb fo(d;e raie er! (St betet bie gretfjeit an mit aller

(s>:uth feiner Seele. Sein SBitte ift Der beüe unb and) feine

Äraft ift gewaltig. 3Wit ben entften fdjfogenben ÜEBotten 33örne$

Page 255: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 249 —

imb einer Sperftffoge oeremtgt er ©eineä Ironie, nnb obwohl

er bierin jene Reiben nidjt ganj erreicht, fo übertrifft er

bennodj ben (rrften an Slnnftrinn, ben 3roe^e^ a^ bitten,

ober wemgjjteiß an Rlarfjeit be* Söidenv. Sßte fjerrlia) finb

feine „^Mtifcfjen Briefe", fein ,,^>o(en", feine „^oeten"!

3uinal bie Se^teren.y£>ie ift in ben brei intereffanten @e=

ftaften a(Ie3 ßb(e fo fdjön gepaart: (Genialität, Sbmftfinn

nnb Siebe, brennende Siebe $ur greüjeit. 3Bie ret^enb (jat er

feine grauengeftaften begabt! SBte genial biefe gürftin, nnb

wie göttlich fjingebenb ;De*bemona, ja fogar wie göttftd) ge-

lüötjnlid) feine Gamitfa!

Sonnabenb, 27. 2Mrj.

§ent nntrbe „©gmont" gegeben. Tälern folfte ftdj faft

munbern, baft ber einig (ädjelnbe ©oetfje ein Stücf fdjreiben

tonnte, 100 fooiel von f^rettjett nnb $erfaffnng bie tHebe ift.

2(ber freilief) ift nur bie 5tebe non greifet e™em emberen

QM gegenüber, nidjt aber in Se^ug anf feinen gürften.

greiüdj ift nnr non 2>erfaffung bie iftebe, metdje bie ^iec^te

be» 2Mfe3 gegen ben fremben auMänbifdjen Snrannen fidjern

foE. W$ wenn ba* 3od; be3 (Sinfjeimifdjen nid;t tbtn fo

fdnoer [artete ! Xeorient fpteCte gnt, obgleich feine 9^otte nid)t

leicht mar. £ie ©oetfje'fdjen DMen, biefe an» ber 2öirf(id)=

feit gegriffenen Öeftatten finb überhaupt weit fdnoieriger bar^u-

netten, al$ bie ibealen Selben 3'djitfer«.

Page 256: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 250 —

3Kontag, 29. üttän.

ficut baben nur, söuto unb id), im* entid^onen, gedjt-

ftunbe ju nehmen. 3lüar wagen rotr nid)t wenig babei unb

üerf)el)(en e§ im* and) ni$t, ba$, menn ber 3Ilte e§ erführe,

er olme Steifet ?* &um SBonoanb gebrauten würbe, im*

ron ber öanbelejd)u(e jn entfernen. 916er mir tfjwt eä bennod).

Unb td) glaube jogar, baß id) nidjt llnredjt baran tlnte, wenn

e» mir gelingt, e» Derfdjtniegen ju balten. Griten* in bie

gedjtfunft fer)r nortbeilbaft für ben Körner, nnb bann fann

man nidjt loijfen, ob man nidjt einma( in ben gatt tommt,

öebraud) uon i()r ju madjen.

Sienitag, 30. nnb üftittwodi, 31. 3tfärj.

(rrameu bei unä nnb ©ntfaffung.

;Donnerftag, 1. 2Ipri(.

3d) ging 3um 2((ten, mir meine Geniur m liolen nnb

Olbieu 51t jagen, ©r falj midj babei fo fragenb anfmunternb

an, bat3 id) bie (Gelegenheit ergriff, 23ejferung uerfprad) n. f. m.

23ir Rieben at3 bie beften greunbe nnb id) glaube, bei einiger

2}orfid)t föunte e£ mir tüeHeidjt gelingen, mid) in biefer greuno:

jajaft m befeftigen.

Tic Serien getjeu i'ebr monoton bin. SDeS borgen*

auf bem Jedjtboben, oe* Dcadmtittaav geioölmlidi fpajtereit

Page 257: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 251 —

Montag, 5. Slprit.

SBar her erfte tytfasfy$jti&AQ$*), unb id) ging bem SEBitten

meiner (Sltertt gemäß in bie jübifdje Dteftauration $u 9ftarctt3,

um bafelbft biefe» @rinnerung*feft 31t begeben. 2Ö>ettb3 Ijörte

idj ben 3e^ er oa/ unD oa^ ^Inbenfen an bie fdjönen t)er 5

ftoffenett Sage fam lebhaft oor meine Seele. Qd) falj uns

Sitte I;erumft|ett um ben langen feftlidjen £tfd), obenan mein

ge(ie6ters$ater, ber mit feiner frönen fonoren Stimme wv-

fang, neben ifjrn bie geliebte anbädjtige SJhttter, ängftlid) tjerum;

Uiämb, ob aud) all bie Zeremonien, bie fie bei ttjrem feiigen

$ater a(» $inb gefeiten, ftreng befolgt mürben. Unten aber

9tiefd)en mit ben ladjenben rotten Söangen, Ijeimlid) tidjemb

über bie ibr unoerftänblidjen ©ebräudje, emfig bemütjt, ba$

bittere SÖtoraur**) gefäntunb wegzuwerfen unb bann 2adfi,

*) 2)a§ $£efaa> ober Sßafiafcfeft ber Suben feiert bie Erinnerung

an Die Serftfjonung ber (Srfigeburt burd) ben SMrgengel unb an ben

21u§3ug au% 2iegt)i3ten. 21m SSorabenbe beS fJeftcS bereinigt btö

Oberhaupt ber Familie bie Setntgen, um bie Stöenbfjjeifen gemein*

fcfjaftltcf) eutäunefjmen. ®te rituelle Orbnung bei biefer Oftaljläeit,

bie (Speifenfotge tote bie ®ehdt betreffend Reifet «Sfeiber (Saffatte

fcfjreibt „3eiber"), in toörtltcfjer Ueberfefeung: „Orbnung". S)ie

®ebttt ftnb in einem 23utf)e, §agaba enthalten — eine (Sammlung

ber fjtftoriftfjen unb fagenljaften (Srääljlungen über bie ®ned)tfd)aft in

2(egt)bten unb ben &u§gug ber 3fraeliten.

**) Sftoraur fjeifjt foüiel tote SBttterfraut unb tft ein obliga=

torifetjer SBeftanbtfietI ber @fetber=2tbenbtafel, eben fo tote ba% unge=

Page 258: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 252 -

3dmtfeer, Drgfer — alle, alte bte großen ipagaba» üorrjatteub,

ba% Sachen ju verbergen ü6er einen 20% ber e6en geriffen.

3)a trifft fie ein 3oMü[itf au* Den überaß jpätjenben Singen

ber geliebten äJhttter, nnb fctjrtell verbreitet fidj lüieber ©rnft

nnb 2X:tbacr)t über itjre Stirn.

Uebrigen» l;abe iaj feljr intereffante 23efanntjajaften

gemalt ba bei 9Jfarcu§. 3a; Ijahe einen getmffen Dr. tarier,

einen feljt gejftreidjen nnb oerftänbigen -Scann, fennen gelernt.

SBtr geljen jufammen jnr ^promenabe nnb ergeben un3 babei

in enrften geiftigen ©efprädjen. S)aS mar etwa!, ba§ mir

lange nott) tfjat, nnb ba» idj leiber gelungen lange entbehrte.

£)enn meine rjieftgen greunbe ftno für geiftige ©enüffe faft

mt^ngänglitt). Gr bat midj roiebernm mit einem jungen, jefjr

poenereitfjen $)tdjtet Diamen* üBBolffoljn*) befannt gemalt,

fäuerte 23rob, Dtta^orj (i^a^e) unb baZ Opferlamm, $efad).

ScetcrcS fott barart erinnern, bafj ha* an bte Xrjürpfoften gefprengte

231ut in SIegrjpten bem bte (Srftgebnrt ermürgenben Sobe^engel ein

3eid)en mar, bafc er f)ter Dorübersierjen muffe. XaZ 23ttterfraut ft)tn=

boltftrt bte ben 3uben in 2{egt)pten bereiteten 23tttemiffe, unb btö

ungefäuerte 23rob, „btä 23rob be§ (SfenbS", tft unauSgcbacfen unb

mtgegofyren, mett bte Söebränger 31t regelrechter Bereitung nitfjt Seit

ließen.

*) äßotjt fein Ruberer als ä&tyetm 893olff»fo feer $id)ter Don

„5iur eine Seele," biefer ftubivte bamatö in Seip^ig Biologie 2c.

Page 259: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 253 —

ber unter bem Tanten ßarf 9)iaien fd)reibt unb fäjon einzelne*

Dütc^ejeic^nete geliefert r)at. D, wie unenb(id) wot)[ befinbe

id) tmdj unter it)nen, wo id) oerftauben, nidjt jurüdgebräugt

werbe, wo mein eblere» ©efüt)! nidjt oerbrannte* §trn ge*

fct)o(ten wirb! Sind) 2Men r)at biefe 2lnfeinbungen §u ertragen

gehabt. G£r fetzte fie bei mir aorau» unb tröftete midj. 23eibe

9)iänner, beibe fagen fie, wie idj, wa§ mir tängft be* JperjenS

Stimme fagte, nidjt §um Kaufmann tauge. Sie finb nur

bog (Mjo meinem eigenen ßerjen». 2Iber foaS icr) für

Träumerei Ijiett, atä e§ nur nodj in meinem Qnnern (ebte,

eS gewinnt 2Birf{ict)feit in bem 3Jhmbe fo(ct)er -Scanner,

gefter unb immer fefter wirb ber ©ebanfe in mir,

&u ftubiren, meinem rjöljeren SBeroufjtfetn, einem ebneren

3wede ©eift, Gräfte, Streben 31t wibmen, wenn'» fein mufj,

§u opfern.

Sftodj ftetje idj am Sdjeibewege, nodj fann id) surüd.

SSefje, wetje, wenn i(^ einft ben uuenblidjen Sammer 31t

tragen Ijabe über ein oerfetjlte ©afein! 2Set)e, webe mir,

wenn mid) bann attju fpäte, bodj um fo bittrere 9?eue ergreift,

§erf(eifct)t mit üjren Sforpionenbiffen! SBemt bie Stimme:

(Bort legte ebte Gräfte für einen etten Qmeä in biet), bu tjaft

fie oerfauten laffen, laut wirb!

©ott, ©ort, fage mir, xoaä fofl id) iiwnl Dlidjt fdjeibe

id) fdjwer oon bem ^aufmanneftanbe. D, nur mit greuben!

Page 260: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 254 —

dMp:\ nxtä mid; freute auf biefer ©eitel $)odj mein

SSater!

(gg war ber 11. 2fytil, mein (Mntrteag. SJtein SSater,

meine 3Jhttter mtb meine geliebte 3'djroefter, jte iebreiben mir

fo füfje liebe Briefe, fo ooff, über|djtoangltdj r»oH ber Siebe

§u mir! 3ie fajidte mir einen Drin^ mit ifjren föaaren brin.

Qdj jerfüBte bie Sode woljf. 2ftein Qkter fdjrieb fo ernfte,

meine Butter fo rübrenbe SBorte! C 6ott, fats, lajg iie gfüd=

fid) fein, meine Sieben! 2Bie e$ mir aua) gebe, mae aud)

einft mein 3djidfaf fein möge, ne Iat3 gfüdfid) fein, fte t)er-

bienen es ! 3d) fann nidjt meiter fdjreiben. 9iod) nie ift mir

fo mebmütfjig raoljf um'* §erj geroefen! D Siebe, Siebe,

wie ttjuft bu mobl! SQßaä ber §aB auf äffen feinen Üfißeifen

in einem .^abre ntdjt fonnte, bu tbuft e3 mit einem einfadien

Sporte! Xu madjft mid) meinen mie ein fänb!

2ftein Gouun Uffmann mar ba. Gt reift nad) £arf&

6ab. -3a; f)abe inbeffen Garf ?3iaien als Sidjter idjäfcen fernen.

3 eine „QMdjen," obmoljf ba bie ßraft unb ber äBille ntand;*

mal nod) unffar, (jaben einige aucaejeidmeteöebidjte; in jeoem

geigt üd) eine große Äraft unb eine gfübenoe ix\jeifrerung.

3n ber Snrif gebort er, ohne es 311 wollen, ju ber §eine*fdjen

Sdjule, bod) nidjt gang. Seine „©terabilber"*) idilienen

*) 23etbe Sdiriften i^aien'3 eri"d)ienen 1840 in Seidig.

Page 261: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 255 —

©ebiojte ein, bte ina£;r(;aft aufterorbentlid) finb, j. 23.: Spfftdjt

unb Siebe", „(Slifabetf)", „3ean ^paul" unb t>or Ment

„Mein Qevf. Gar! 9)toen f)at einen fdjönen eblen gmecf,

er ift ein Mmpe für ba§ Subentljum. @r ift in ber

^oefie, mtö ©abriet Sieger in ber $profa. Qu biefem Sinne

fjat er ein Safdjenbudj „Qefdjurun" herausgegeben, in bem

n$ befonber» „Der böfymifdje Dorfjube" burd) feine lebhafte

naturgetreue Darftettung unb bie „Briefe" 2c. burd) iljre

SSafjrfjeit au^eidjnen.

©ine lange, eine überaus midjtige 3^t ift jefet norüber-

gegangen. -»Dton Sßater mar ba. Qdj rjabe il)tu meinen SBunfd),

meinen unmiberruflidjen Gntfdjluß, ju ftubiren mitgeteilt.

(Et mar im Slnfang überrafdjt, bann fagte er, er motte e»

eine $&t lang in Cmimgung gießen. 8$ ging fo weit, $u

fagen, e3 bebürfe fjter gar feiner (Erwägung, nur feiner ©in;

mittigung bebürfe e§, benn id) mürbe bodr) nie t<on meinem

©ntfcfjfafse abftefjen.

£a» mar freiließ §u meit gegangen, meinem SBater jebe

SBcujt ab^ufpredjen. Hebrigen» fjatte id) feinen fteinen $ampf

§u befielen in meinem eigenen Innern. 9Mn SBater fagte

mir, raie er gehofft, idj mürbe it)m bie Saft abnehmen, bie

Page 262: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

— 256 —

jefet fo brüdenb auf feinen Sdmltem §u liegen anfange. Qx,

ber fampfe*mübe Wann, ber ftdj fetjnte, feine Sage in 9hibe

Einzubringen, müßte, wenn idfj in meinem GmtfdjluB bebarrte,

von dienern $1 arbeiten, §u ringen anfangen, um Dtiefdjen

unb gerbinanb ju emäbren. D ©Ott, baS wog feiner in

ber Söagfdjale! 3)od) »eil id) nidjt anber* formte, weil id),

obwoljl id) fdmterjlid; rang, bennod) erfarte, id) muffe meiner

Neigung, meinem mroerfennbaren Berufe folgen, war mein

SSater faft nerfudjt, 51t glauben, id) märe lieblos.

(Sr fragte mia), ma» id) ftubiren wollte.

„3>a» größte umfaffenbfte ©tubiutn ber 2£ett," ent=

gegnete id), „bas Stubium, ba§ am engften mit ben l)eiligfteu

Sntereffen ber 9Jienfd)(jeit serfnüpft ift: ba§ 3tubhnn ber

Qefd)id)te."

3ftein fetter fragte mid), wooon id) (eben wollte, ha

id) in Preußen fein 2tmt, feinen Sebrftuljl erbalten tonnte

unb mid; bod; niäjt non meinen ©Itern trennen wollte. Dmein ©Ott, wenn beß 31t uermeiben wäre! Tod) antwortete

id) nur, id) würbe mid; überall 31t ernähren rmffen.

9Mn Söater fragte mid), warum id; ntd)t 9Jiebiciu ober

,)ura ftubiren wollte.

„Ter Slrjt, wie ber Stbuocat," entgegnete id),f/ftnb

Raufleute, bie mit ihrem Söifien ©anbei treiben. IDft aitdi

ber (belehrte. 3$ febe e$ an ßanber, ber im eigentlidieu

Page 263: Ferdinand Lassalle: Tagebuch

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©tnnc be§ SBorteä Kaufmann ift." 3$ wollte mtbireu ber

3aa)e, be3 üEßirJen3 wegen.

iOietn Später fragte, ob tdj glaubte, bafs itf; ein Xtdjter fei

„Wem," antwortete id;, „aber id) roifl [mid; ber pubfe

ciftifdjeu 3ad;e loibmeu. 3efet," jagte icf», „jefct ift bie 3eit,

in ber man um bte f;ei(igüen %mät ber SRenfdftett fämpft.

33i3 $um (?nbe be3 vorigen 3af;rf;unbert* war bte SBett in

Letten bumpfen SlbergtauBenä gehalten. £a er(;ob fid;, burd;

bie Sftadjt ber ©eifter augeregt, eine materielle ©eroaft, bie

blutig ba3 23eftebenbe in krümmer ftür^t. ®er erfte 2te=

brud; war jd;recfiid; unb mußte eS fem. 3eitbem t)at jener

ßampfj ununterbrochen gewährt. @r würbe geführt nid;t

bürd; bie robe pfn;ufd;e Sftadjt, fonbern burd) bie SDtodjt be3

©eifteS. 3n jebem £aube, unter jeber Nation ergeben ud)

SDtönner, bie mit beut SBorte fämpfteu, fielen ober fiegten.

Der Stapf um bie ebelften 3 llie^e / er wirb auf bie

ebelfte SBeife gefübrt. greitid; muf? fpäter burd; bie pfnjftfdje

öewalt bie Si'abriieit unterftükt werben, benu fte wollen e*

uicbt auber*, bie 2eute auf bcn fronen. 9fom, fo fafjt un£

bie Golfer nidjt aufregen, nein, erleuchten, aufffären/'

3Mu SSater fdjnrieg lange, bann fagte er: „Ttem 3of;n,

id; oerfernte nicf;t bie äßafn^eit, bie in X einer ^tebe liegt,

aber warum widft Xu gerabe jum 9)iärh;rer werben? Xu,

ujtfere einzige Hoffnung, 3'tüfee. Xie gretf;eit muf$ errungen

werben, aber )k wirb'* aud) ofme Xid;. 23(eib bei um,ißaul ßinbau, yerbinanb SaffaCeS £agebud>. 17

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mad) S)u unfer 6tüd eatä, wirf 2>idj mdjt in jenen fäxmpf.

Selbft wenn £u in ibm ftegfl, gelten mir bod) unter. SSBir

lebten nur für S)id). Vergilt im§. S)u atiein, $)u anberfPä

nid;t. Saß Seilte fampfen, bie nidjte 511 vertieren baben,

an beren öejajid ntdjt ba§ §ei*3 ber Gitern Ijängt."

D ja, er Ijat 9ted)t! SBarutn foll id; gerabe jum

^lärtnrer werben? S)odj toctm Seber fo fpräd;e, fo feig fid;

gurürfsöge, wann würbe bann ein Kämpfer auffteben?

SBaruin foll id) gerabe ptn -Närtnrer werben?

2Barum2 SQSeil Gott mir bie Stimme in bie SBrufi

gelegt, bie mid) aufruft gutn Kampfe, weil Gott mir bie

Äraft gegeben, id) fübte es, bie mid) befähigt jum Kampfe!

Sßetl id; für einen ebten 3uie^ f(impfen unb leiben fann!

SSeü id) ©ott um bie Gräfte, bie er mir 51t beftimmtem

Qweä gegeben, nidjt betrugen will! 2BeÜ icb, mit 'einem

Sßorte, nid)t anberS fann!

2Bir tarnen enolid) fo weit, bafj Sätet fagte, Wickelt

fodte fid)'* entjdjeioen. f&tö Dahin feilte icb unb mürbe er'*

fiel) überlegen, £od; mir oerftehen uns noch uid;t jo gaiu.

C5t wehrt mir uidjt baä StuOium unb ba§> %ad), boä; meine

IKeiuuug mehrt er mir. Tarum inge icb, er oerftebt mid)

nicht. @r will mid) ftubiren (offen unb wehrt mir bie heilige

burebiuehenoe Jbee/ bie er Viberalivirniv nennt! 2U* wenn

nicht gerabe fie H wäre, bie mtel; jimi ©tubium treibt, [ie,

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259 —

um bie td) topfen mtit, unb o^te bic täj lieber geblieben

wäre, wa§ tdj bin!*)

*) $ er me^rfad) genannte 2ftitfd)ü(er uub3ugenbfreunb2affatte%

Robert 3anber, fd)ilbert ben 3Cbfrf)icb be§ 8dmlcameraben bon

Setpäig in feinen „Sugenbertnnerttngen an Saffalte mit

fotgenbcn SBortert: „TO er (Safiatte) öon Mpm fäieb, mar unfer

2lbfd)ieb ein brüberltd) ^cratt^cr; mir gelobten un§ mit iugeublid)

überjcfjmänglicbem Feuereifer, btefe§ ßeben fiinburcb etnanber bie

alten %vl bleiben, fyrcub unb 2eib uns gegenfeittg mitätttbetlen. Mt

trauten $Ia>ijen, auf benen mir in ben ÜHufecftunbcn übermütig

äufammengetobt ober im ernften ©efpräd)e öcrroetit batten mürben

ein leistet 3Jtal aufgefud)t, öorjug^wctfc galten bie £remtung§gänge

jener laifdjtgen Siefe im Söofe'fäen ©arten, mo baS ottc SBu^bruder-

Sbeater ftanb, fomte beut <5d)immetfd)en Xetcrje mit fetner Snfel Suen

«ttettro, Seipäig§ ©tefette, auf meiner unfere Scrn'fferlaufbaljn mandjeS

gemeinfame Unglücf W öerjetermen Ijatte. , .

y

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