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Forthcoming in Hildebrandt, A. (Ed.), CSR und Digitalwirtschaft. Berlin Heidelberg: Springer. Do not circulate without permission. 1 Führung 4.0 Wie die Digitalisierung Führung verändert Dipl.-Psych. Tanja Schwarzmüller, Lehrstuhl für Strategie- und Organisation, Technische Universität München, München, Deutschland, Email: [email protected] Dr. Prisca Brosi, Lehrstuhl für Strategie- und Organisation, Technische Universität München, München, Deutschland, Email: [email protected] Prof. Dr. Isabell M. Welpe, Lehrstuhl für Strategie- und Organisation, Technische Universität München, München, Deutschland, Email: [email protected] Abstract Die digitale Transformation wird zu tiefgreifenden Veränderungen von Geschäftsmodellen, Organisationen und Arbeitsgestaltung führen. Entsprechend werden auch gänzlich neue Anforderungen an Führungskräfte gestellt. Um diese veränderten Anforderungen greifbar zu machen haben wir eine großangelegte Befragung von ExpertInnen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verbänden und Politik durchgeführt, deren Ergebnisse wir in diesem Kapitel vorstellen. Dabei betonten die befragten ExpertInnen, dass durch die digitale Transformation die Abgabe von Macht von Führungskräften an Mitarbeitende zunehmen, die Wichtigkeit von beziehungsförderndem und coachenden Verhalten von Führungskräften gegenüber Mitarbeitenden steigen und Führungskompetenzen wie Agilität, Veränderungsmanagement und Führung auf Distanz eine stärkere Rolle einnehmen werden. Mitarbeiterleistungen werden transparenter und sollten von Führungskräften daher entsprechend ergebnisorientiert bewertet werden. Darüber hinaus wird durch die Digitalisierung auch mehr Druck auf Mitarbeitende entstehen, welchen Führungskräfte durch gesundheitsbewusste Führung abfedern sollten. Führung selbst wird insgesamt stärker technologisiert, d.h., durch digitale Tools unterstützt, werden. Diese Veränderungen von Führung werden am Beispiel von Organisationen verschiedener Größen und Branchen illustriert. Keywords: Digitalisierung, Führung, digitale Transformation, Führung 4.0

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Page 1: Führung 4.0 Wie die Digitalisierung Führung verändert · PDF fileProf. Dr. Isabell M. Welpe, Lehrstuhl für Strategie- und Organisation, Technische Universität München, München,

Forthcoming in Hildebrandt, A. (Ed.), CSR und Digitalwirtschaft. Berlin Heidelberg: Springer. Do not circulate without permission.

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Führung 4.0 – Wie die Digitalisierung Führung verändert

Dipl.-Psych. Tanja Schwarzmüller, Lehrstuhl für Strategie- und Organisation, Technische

Universität München, München, Deutschland, Email: [email protected]

Dr. Prisca Brosi, Lehrstuhl für Strategie- und Organisation, Technische Universität München,

München, Deutschland, Email: [email protected]

Prof. Dr. Isabell M. Welpe, Lehrstuhl für Strategie- und Organisation, Technische Universität

München, München, Deutschland, Email: [email protected]

Abstract

Die digitale Transformation wird zu tiefgreifenden Veränderungen von Geschäftsmodellen,

Organisationen und Arbeitsgestaltung führen. Entsprechend werden auch gänzlich neue

Anforderungen an Führungskräfte gestellt. Um diese veränderten Anforderungen greifbar zu

machen haben wir eine großangelegte Befragung von ExpertInnen aus Wirtschaft,

Wissenschaft, Verbänden und Politik durchgeführt, deren Ergebnisse wir in diesem Kapitel

vorstellen. Dabei betonten die befragten ExpertInnen, dass durch die digitale Transformation

die Abgabe von Macht von Führungskräften an Mitarbeitende zunehmen, die Wichtigkeit von

beziehungsförderndem und coachenden Verhalten von Führungskräften gegenüber

Mitarbeitenden steigen und Führungskompetenzen wie Agilität, Veränderungsmanagement

und Führung auf Distanz eine stärkere Rolle einnehmen werden. Mitarbeiterleistungen

werden transparenter und sollten von Führungskräften daher entsprechend ergebnisorientiert

bewertet werden. Darüber hinaus wird durch die Digitalisierung auch mehr Druck auf

Mitarbeitende entstehen, welchen Führungskräfte durch gesundheitsbewusste Führung

abfedern sollten. Führung selbst wird insgesamt stärker technologisiert, d.h., durch digitale

Tools unterstützt, werden. Diese Veränderungen von Führung werden am Beispiel von

Organisationen verschiedener Größen und Branchen illustriert.

Keywords: Digitalisierung, Führung, digitale Transformation, Führung 4.0

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1. Die digitale Transformation: Stürmische Zeitn für Organisationen

Eine aktuelle ExpertInnenbefragung im Projekt „Digital Work Design – Turning Risks

into Chances“ (Schwarzmüller, Brosi, & Welpe, 2016) an der Technischen Universität

München, für die wir 58 Digitalisierungs-ExpertInnen aus Wirtschaft, Wissenschaft,

Verbänden und Politik interviewt haben, zeigt auf, dass die digitale Transformation

stürmische Zeiten für Organisationen verursachen wird: Sie verändert das

Wettbewerbsumfeld für Unternehmen dramatisch und in rasendem Tempo – immer neue

Wettbewerber entstehen, völlig neue, bis vor kurzem undenkbare Geschäftsmodelle entstehen.

Die Basis, auf der viele Global Player über Jahrzehnte hinweg erfolgreich waren, nämlich ihre

die Regulierungsdichte, Kapitalstärke und Kundenbasis, erodiert. So besitzen die größten

Telefongesellschaften (Skype) beispielsweise keine eigene Telefon-Infrastruktur mehr, die am

schnellsten wachsenden Kreditgeber (SocietyOne) haben kein eigenes Geld und die

berühmtesten Medienunternehmen der Welt (Facebook, Twitter) erstellen selbst keine Inhalte.

Daten werden zunehmend eine der wichtigsten Unternehmensressourcen und

Wertschöpfungsprozesse verändern sich radikal. Anstatt die Wertschöpfungskette etablierter

Unternehmen nachzubauen setzen sich die neuen Player an die attraktivste Stelle der

Wertschöpfungskette – die mit direktem Kontakt zum Kunden. Die Digitalisierung führt

nämlich auch dazu, dass individuelle Kundenbedürfnisse wichtiger werden, so dass

Unternehmen ihr Angebot passgenauer auf spezifische Bedürfnisse Einzelner ausrichten

(müssen). Dass Unternehmen gut darin beraten sind, dies auch umzusetzen, zeigt der Erfolg

von Unternehmen, deren Strategie sich konsequent an Kundenbedürfnissen ausrichtet. Nicht

umsonst stellt Amazon-Geschäftsführer Jeff Bezos in Management-Meetings einen leeren

Stuhl in die Runde, der die Perspektive des Kunden repräsentieren soll.

Das Projekt „Digital Work Design - Turning Risks Into Chances“ (www.dwd.wi.tum.de)

wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und am Lehrstuhl

für Strategie und Organisation (Prof. Dr. Isabell M. Welpe) der Technischen Universität

München durchgeführt.

Das Ziel des Projekts ist es, ein umfassendes Modell zu entwickeln, das die Dimensionen

digitalisierter Arbeit und Führung abbildet und zu untersuchen, welche Risiken und

Chancen sich daraus für Organisationen und ihre Stakeholder ergeben. Anschließend sollen

Einflussfaktoren auf Führungs- und Organisationsebene identifiziert werden, die dazu

beitragen, dass identifizierte Risiken in Chancen verwandelt werden können.

Neben diesen veränderten Wettbewerbsstrukturen und neuen Geschäftsmodellen

wandeln sich auch Wertschöpfungsprozesse innerhalb von Organisationen drastisch. Ein von

der deutschen Telekom gemeinsam mit der Universität St. Gallen verfasstes Thesenpapier

(Telekom, 2015), für das ExpertInnen aus verschiedensten Branchen befragt wurden, zeigt

diesen Wandel im Detail auf. Eine zentrale These ist die „Auflösung der Organisation“, die

sich auf viele Arten und Weisen äußert. Die erste ist, dass Wertschöpfung immer mehr in

Netzwerken erfolgt, die sich über Abteilungs- und Organisationsgrenzen hinweg erstrecken.

So arbeitet beispielweise die M&A-Beratung Beyond the Deal bereits mit einem globalen

Pool von Associates, die zwar fest mit ihr verbunden, aber auch frei für andere Unternehmen

tätig sind. Auch werden zunehmend externe Mitarbeiter in Wertschöpfungsprozesse

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eingebunden. Hochqualifizierte Fachkräfte werden bedarfsgerecht beauftragt und sogenannte

„Clickworker“ übernehmen Aufgaben, mit denen bisher festangestellte Mitarbeitende betraut

waren. In manchen Fällen werden Aufgaben sogar unentgeltlich von Externen gelöst. So nutzt

beispielsweise Bosch regelmäßig Hackathons, bei denen externe Computerspezialisten der

Herausforderung willen für ein Wochenende zusammenkommen, um Lösungen für von Bosch

vorgegebene Themenstellungen zu erarbeiten. Dabei stehen solche Hackathons oftmals unter

dem Motto „Hack the organization“ – es geht also weniger um IT-Lösungen, sondern um die

Generierung neuartiger Organisationskonzepte sowie um Prozess- und Produktinnovationen.

Insbesondere für die Generierung von Innovation werden darüber hinaus selbst Kunden in

Wertschöpfungsprozesse mit einbezogen. Auf der „Tchibo Ideas“-Plattform werden Kunden

beispielsweise systematisch in die Generierung von neuen Produkten eingebunden. Sie

werden dazu ermutigt, eigene Produktvorschläge einzubringen, so dass Probleme, mit denen

die Kunden in ihrem Alltag regelmäßig konfrontiert sind, zu neuen Produktideen für Tchibo

führen können. Neu entwickelte Designs werden zudem auf der Homepage zur Abstimmung

gestellt – so bekommt Tchibo schnell ein Gefühl dafür, welches Produkt sich verkaufen und

welches eher zum Ladenhüter werden wird.

Darüber hinaus wandelt sich auch die Art und Weise, wie Menschen in Unternehmen

arbeiten. Durch die beschriebene Einbringung von externen Mitarbeitenden aber auch durch

die digitale Erbringung von Arbeitsleitung sind Mitarbeitende zunehmend nicht nur zeitlich

sondern auch räumlich flexibel. So können Mitarbeitende gemäß der Telekom-Studie

(Telekom, 2015) zunehmend von jedem Ort der Welt aus arbeiten, so dass der physische

Arbeitsplatz an Bedeutung verliert beziehungsweise sich seine Bedeutung hin zu einem

sozialen Ankerpunkt für zwischenmenschliche Interaktion und Netzwerken verschiebt. Mit

der räumlichen und zeitlichen Flexibilität von Mitarbeitenden geht auch die Vermischung der

Grenze zwischen Beruflichem und Privatem einher. Mitarbeitende können und müssen daher

die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zunehmend selbst gestalten.

Neben diesen Veränderungen in der Organisation von Unternehmen zeigt die

Telekom-Studie (Telekom, 2015) auch einen gravierenden Wandel in den eigentlichen

Arbeitsinhalten. Durch die zunehmende Automatisierung von Prozessen verlagern sich die

Tätigkeiten von Mitarbeitenden oftmals vom „Ausführen zum Überwachen“. Routinearbeiten

und belastende Tätigkeiten werden immer weiter ersetzt. Auf der anderen Seite nehmen

kognitiv fordernde und kreative Arbeiten sowie Dienstleistungen, welche komplexe

zwischenmenschliche Interaktionen erfordern, zu. Auf Grund der Zunahme dieser komplexen

Arbeitsinhalte und den resultierenden kontinuierlichen Veränderungen wird von

Mitarbeitenden immer mehr erwartet, dass sie sich flexibel und agil an die resultierenden

ständig neuen Anforderungen anpassen können. Dies führt indirekt auch dazu, dass

Mitarbeitende sich immer stärker weiterbilden und zu kontinuierlichem Lernen bereit sein

müssen.

In Anbetracht dieser Veränderungen in der Organisation und den Inhalten und Formen

von Arbeit und Zusammenarbeit durch die digitale Transformation werden sich auch neue

Anforderungen an Führungskräfte ergeben. Dies ist nicht überraschend, da eine zentrale

Aufgabe von Führungskräften in der Koordination von Arbeit in Unternehmen besteht.

Führungskräfte sind somit unmittelbar an der erfolgreichen Umsetzung der beschriebenen

Veränderungen in der Organisation von Arbeit beteiligt und mit für diese verantwortlich.

Auch verändert sich durch die beschriebenen Änderungen in den Inhalten der Arbeit die Rolle

von Führungskräften in Unternehmen und sie sind, neben Mitarbeitenden selbst, mit für die

immer relevanter werdende Weiterbildung und das Lernen von Mitarbeitenden

verantwortlich. Aus diesem Grund haben wir im Rahmen der eingangs dargestellten

ExpertInnenbefragung im Projekt „Digital Work Design – Turning Risks into

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Chances“ (Schwarzmüller et al., 2016) auch spezifisch die erwarteten Veränderungen für

Führungskräfte erfragt, deren Ergebnisse wir im Folgenden vorstellen.

2. Implikationen für Führung im digitalen Zeitalter

Im Rahmen der ExpertInnenbefragung (Schwarzmüller et al., 2016) ergaben sich die

folgenden acht zentralen Veränderungen von Führung durch die Digitalisierung:

Abbildung 1: Zentrale Veränderungen von Führung durch die Digitalisierung; Antworten von 44

DigitalisierungsexpertInnen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verbänden und Politik

2.1. Veränderte Einflussmöglichkeiten von Führungskräften

Durch die mit Digitalisierung einhergehende Komplexitätserhöhung ist es für

Führungskräfte zunehmend schwer, das für eine Aufgabenstellung relevante Wissen zu

besitzen, um Mitarbeitende im Detail anleiten und kontrollieren zu können. Daher müssen

Mitarbeitende stärker denn je von Führungskräften dazu befähigt werden, selbstständig zu

arbeiten.

Führungskräfte müssen daher lernen, Macht abzugeben und Eigenverantwortung

sowie Autonomie bei ihren Mitarbeitenden zu fördern. Dies erfordert zunächst einmal

Vertrauen in die eigenen Mitarbeitenden. Eine Vielzahl von Unternehmen hat die Bedeutung

von verteilter Führung (also der Übertragung von Führungsfunktionen auf Mitarbeitende)

bereits erkannt. Bei W. L. Gore beispielsweise gibt es keine festen Führungskräfte – es führt

jeweils die- oder derjenige, welche(r) für die aktuelle Aufgabenstellung die höchste

Kompetenz hat. Bei Buurtzorg, einem dänischen Dienstleister für mobile Pflege, sind Teams

von maximal 12 Pflegekräften eigenverantwortlich für die Versorgung ihrer Patienten

verantwortlich. Das Unternehmen ist von 4 Mitarbeitenden in 2006 auf mittlerweile über

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Vermehrte Weiterbildung von Mitarbeitenden

Zunehmender Druck auf Führungskräfte

Zunehmende Technologisierung von Führung

Verstärktes Gesundheits- und Wellbeingmanagement beiMitarbeitenden

Ergebnisorientierte Leistungsbewertung und PerformanceManagement

Erhöhte Kompetenzanforderungen (Agilität,Veränderungsmanagement, Führung auf Distanz)

Erhöhte Bedeutung beziehungsförderlichen Verhaltens(Coaching, Enabling, Vernetzung)

Veränderte Einflussmöglichkeiten von Führungskräften(Abgabe von Macht, Demokratisierung)

Die zentralen Veränderungen von Führung im digitalen Zeitalter

Nennungshäufigkeit durch die ExpertInnen; Mehrfach-Nennungen möglich

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8.000 Mitarbeitende angewachsen. Eine aktuelle Studie (Drescher, Korsgaard, Welpe, Picot,

& Wigand, 2014) konnte wiederrum zeigen, dass verteilte Führung nicht nur Vertrauen

erfordert sondern dieses auch generiert: Je mehr Führung in virtuellen Teams zwischen den

Teammitgliedern verteilt war, desto mehr Vertrauen entwickelte sich zwischen diesen – was

auf längere Sicht wiederrum zu einer besseren Teamleistung führte.

Zudem wird durch die Digitalisierung auch eine stärkere Partizipation von

Mitarbeitenden sowie eine zunehmende Demokratisierung von Unternehmen ermöglicht und

von Führungskräften gefordert. Damit ist gemeint, dass Führungskräfte Strukturen einführen,

„die allen Mitgliedern einer Organisation Einfluss auf das Unternehmen, die Arbeit im

Unternehmen und die Formen der Zusammenarbeit gewähren“ (Welpe, Tumasjan, & Theurer,

2015, S. 79f). Dazu zählt beispielsweise, dass Mitarbeitende an (strategischen)

Entscheidungen beteiligt werden, ihre Führungskräfte selbst wählen können, aber auch, dass

sie finanziell am Unternehmen beteiligt sind. Eine kürzlich mit 1.000 deutschen

Arbeitnehmenden durchgeführte Studie (Boes, Sattelberger, & Welpe, 2015) demonstriert,

dass sowohl die Mitbestimmung der Unternehmensstrategie als auch die Wahl der eigenen

Führungskraft generell als attraktiv gesehen werden. Auch andere Facetten organisationaler

Demokratie, wie beispielsweise die Mitgestaltung betrieblicher Rahmenbedingungen durch

Ausschüsse oder eine hohe Arbeitsgestaltungsautonomie, werden überaus positiv bewertet.

Das Software-Unternehmen Haufe-umantis ist ein gutes Beispiel für organisationale

Demokratie: Hier wählen Mitarbeitende ihre Führungskräfte – und setzen sie wieder ab, wenn

sie mit deren Führungsleistung nicht zufrieden sind. Front, ebenfalls ein Software-

Unternehmen, verwirklicht Demokratisierung über Transparenz und macht die beruflichen

Posteingänge und Social Media-Accounts seiner Mitarbeitenden und Führungskräfte für alle

anderen öffentlich.

Bei der vorgestellten Abgabe von Verantwortung an Mitarbeitende ist es nicht

überraschend, dass die ExpertInnen auch die zunehmende Bedeutung von Inspiration,

Motivation und Vorbildfunktion von Führungskräften betonten. Diese müssen nicht nur das

ausgediente Command-and-Control als Führungsprinzip ersetzen. Die jüngere Generation der

Arbeitnehmenden sucht auch verstärkt einen Sinn in ihrer Arbeit – diesen Sinn gilt es als

Führungskraft auch nach außen hin zu transportieren und mit besten Wissen und Gewissen

vorzuleben. In Übereinstimmung damit identifizierte die Global Chief Executive Officer

Study (IBM, 2012), für die mehr als 1.700 CEOs in 64 Ländern interviewt wurden, inspirative

Führung als eine der Top-Anforderung an Führungskräfte der Zukunft.

2.2. Erhöhte Bedeutung beziehungsförderlichen Verhaltens

In Anbetracht der Tatsache, dass die Digitalisierung einen umfassenden

Transformationsprozess darstellt, der viel von Mitarbeitenden fordert, ist es nicht

verwunderlich, dass von den ExpertInnen des Weiteren die steigende Bedeutung

beziehungsförderlichen Führungsverhaltens betont wurde.

Durch die hohe Mobilität von Arbeitnehmenden in der digitalen Arbeitswelt aber auch

im Einklang mit der beschriebenen Abgabe von Macht müssen Führungskräfte stärker in

Vertrauens- und Loyalitätsaufbau investieren, anstatt diese für Unternehmen überaus

wichtigen Faktoren für gegeben zu halten. Insgesamt muss Führung sich mehr denn je an

Mitarbeitenden orientieren und deren individuelle Bedürfnisse berücksichtigen. Dies gilt

natürlich gerade für Top-Talente, auf deren Innovationspotential und Leistung Unternehmen

im digitalen Zeitalter besonders angewiesen sind. Dies kann sogar in einen „Structure Follows

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Talent“ Ansatz münden, in dem die Organisation um die Talente „herumgebaut“ wird. Dabei

spielt auch die Vermittlung von Wertschätzung eine wichtige Rolle.

Darüber hinaus wurde von den befragten ExpertInnen auch die Neudefinition von

Führung als Coaching und Enabling in den Vordergrund gestellt. Dabei bieten

Führungskräfte ihren Mitarbeitenden Unterstützung an, zeigen sich für deren persönliche wie

fachliche Entwicklung verantwortlich und stellen sicher, dass ihre Mitarbeitenden alle

Ressourcen zur Verfügung haben, um erfolgreich agieren zu können. In Verbindung mit

dieser Führungsfunktion steigt auch die Bedeutung von eigenem Networking und der

Vernetzung von Mitarbeitenden an, denn gute Kontakte sind nötig, wenn Führungskräfte ihre

Mitarbeitenden befähigen möchten. Durch die zunehmende Arbeit in Teamstrukturen und

über Abteilungs- und Ländergrenzen hinweg gehört es zudem zu einer erfolgreichen Führung

im digitalen Zeitalter, aktiv in Teambuilding zu investieren und Kollaborationen zwischen

Mitarbeitenden zu fördern. Nur so lassen sich Bereichsegoismen und Silodenken abbauen und

Innovation maximieren.

In Summe scheint eine stärker beziehungsorientierte Führung auch in Anbetracht einer

Studie von Gallup aus dem Jahr 2013 sinnvoll. Diese zeigt auf, dass jeder sechste

Arbeitnehmende in Deutschland bereits innerlich gekündigt hat. Fehlendes Interesse der

eigenen Führungskraft an ihren Mitarbeitenden, zu geringe individuelle Förderung,

mangelnde Wertschätzung und wenig konstruktives Feedback wurden als Hauptgründe für

diesen frappierenden Befund genannt.

2.3. Erhöhte Kompetenzanforderungen an Führungskräfte

Wie für Mitarbeitende allgemein beeinflusst die Digitalisierung auch das nötige

Kompetenzprofil von Führungskräften in verschiedenen Dimensionen maßgeblich.

Dadurch, dass Mitarbeitende ihren Arbeitsalltag flexibler gestalten und im Homeoffice

oder Café arbeiten können, aber auch weil Konzerne immer internationaler werden und

Teams rund um den Globus verstreut sind, wird Führung auf Distanz immer relevanter.

Teams zu koordinieren und zu steuern, mit denen man sich nicht einfach kurz face-to-face

treffen kann, bringt Herausforderungen mit sich, beispielsweise eine höhere Notwendigkeit

von „Zeitzonenmanagement“ oder die Frage, über welche Kanäle gerade schwierige Themen

an die Teammitglieder kommuniziert werden sollten. Auch der Aufbau von Loyalität und

Bindung zwischen den oft weit voneinander entfernten Teammitgliedern stellt besondere

Anforderungen an Führungskräfte. Durch die notwendige Kommunikation über verschiedene

Medien spielen bei Führung auf Distanz auch die IT-Kompetenzen von Führungskräften eine

Rolle.

Mit der Führung auf Distanz, aber auch mit der eingangs dargestellten

Zusammenarbeit über Abteilungs- und Organisationsgrenzen hinweg, geht ebenfalls einher,

dass Führungskräfte im digitalen Zeitalter häufiger diverse Teams führen. Studien zeigen,

dass diverse Teams kreativere Leistungen vollbringen und eine höhere finanzielle

Performance erzielen können (Miller & Triana, 2009; Post & Byron, 2015). Dies geht darauf

zurück, dass Mitglieder diverser Teams unterschiedliche Blickwinkel und Herangehensweisen

pflegen – ein Faktor, der jedoch auch erhöhtes Konfliktpotential mit sich bringt. Um die

Vorteile von Diversität, d.h. Innovation und Leistung, abschöpfen zu können, müssen

Führungskräfte diese daher aktiv managen. Dadurch nimmt für Führungskräfte diverser

Teams auch die Bedeutung von interkulturellen und sprachlichen Kompetenzen zu.

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Eine weitere Kompetenz, die in Zukunft für Führungskräfte an Bedeutung gewinnt, ist

es, (auch disruptive) Veränderungen zu initiieren. Dies folgt insbesondere aus der verstärkten

Wettbewerbssituation und der daraus resultierenden Notwendigkeit, bewährte

Geschäftsmodelle kontinuierlich zu hinterfragen und anzupassen. Wie es Hermann Simon,

Vorstandsvorsitzender des Beratungsunternehmens Simon-Kucher & Partners, einmal

formulierte: „Die Reform beginnt an der Spitze. Die Treppe muss von oben gekehrt

werden“ (Simon, 2000, S. 269). Entsprechend nimmt auch die Bedeutung von Agilität und

Flexibilität für Führungskräfte zu.

Zuletzt wird es auf Grund dessen, dass das Marktumfeld durch die Digitalisierung

volatiler und somit weniger berechenbar wird, immer wichtiger für Führungskräfte, mit

Unsicherheit und Komplexität umgehen zu können. Dies erfordert eine hohe Risikotoleranz

und -akzeptanz.

2.4. Ergebnisorientierte Leistungsbewertung und Performance Management

Die Digitalisierung der Arbeitswelt bedeutet auch, dass die Art und Weise, auf welche

die Leistungen von Mitarbeitenden durch Führungskräfte bewertet und gemanagt werden, sich

verändern. Zunächst einmal wird die Arbeitsleistung von Mitarbeitenden durch digitale Tools

immer transparenter. Viele Dienstleistungsunternehmen nutzen beispielsweise bereits

automatisierte Systeme, die ihren Sachbearbeitern ähnlich eines Ampelsystems in grün, gelb

und rot signalisieren, wie lange eine Kundenanfrage bereits in ihrem Posteingang liegt. Ist

eine Kundenanfrage rot markiert bekommt der Vorgesetzte eine Meldung und kann bei

Bedarf intervenieren. Die bei der Erledigung von Aufgaben anfallenden Meta-Daten (z.B.

bezüglich der Dauer bis zur erfolgten Rückmeldung) ermöglichen zudem einen deutlich

leichteren Vergleich zwischen verschiedenen Mitarbeitenden.

Die Tatsache, dass Mitarbeitende durch digitale Tools zu flexiblen Zeiten und an

flexiblen Orten arbeiten können, beeinflusst darüber hinaus, welche Kriterien Führungskräfte

zur Leistungsbewertung heranziehen können. Während das Engagement und die Leistung von

Mitarbeitenden in Unternehmen mit klassischer Präsenzkultur zu einem gewissen Grad über

die Anwesenheit am Arbeitsplatz approximiert werden konnte, ist dies bei flexiblen

Arbeitsmodellen nicht mehr möglich. Führungskräfte müssen daher eine höhere

Ergebnisorientierung an den Tag legen, bei der weniger die Frage zählt, wie viel Zeit und

Ressourcen investiert wurden, als die Frage, wie erfolgreich der Ressourceneinsatz

letztendlich war. Dies beeinflusst naturgemäß auch die Inzentivierung von Mitarbeitenden, da

Anreize und Belohnungen sich mehr als bislang an den erzielten, objektiv quantifizierbaren

Ergebnissen orientieren werden. So besteht die Gefahr, dass gerade schwer messbares, aber

für Organisationen überaus wertvolles Verhalten, wie organisationales Hilfeverhalten, in

Zukunft zu wenig honoriert werden.

2.5. Verstärktes Gesundheits- und Wellbeingmanagement bei Mitarbeitenden

Wie eingangs beschrieben bringt die Flexibilität von Arbeit und die damit verbundene

Vermischung von Arbeit und Privatem nicht nur Gestaltungspotentiale mit sich, sondern birgt

auch einen zusätzlichen Stressfaktor. Eine Studie der Techniker Krankenkasse (2013) stellte

fest, dass 6 von 10 Deutschen sich am Arbeitsplatz gestresst fühlen. Nach den Gründen

gefragt nannten die Befragten viele Faktoren, die durch die Digitalisierung noch verstärkt

werden: Häufige Arbeitsunterbrechungen (z.B. durch Emails), Informationsflut, ungenaue

Arbeitsaufträge sowie eine gefühlte „ständige“ Erreichbarkeit. Der Blick auf diese Befunde

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unterstreicht das Ergebnis der ExpertInnenbefragung, dass Führungskräfte im digitalen

Zeitalter besonderen Wert auf Gesundheits- und Wellbeingmanagement bei ihren

Mitarbeitenden legen sollten.

Dazu gehört das Ermöglichen neuer Arbeitszeit- / Arbeitsortmodelle, welches das

Verfolgen individueller Lebensziele vereinfacht und zu einer besseren Work-Life-Balance

beitragen kann. Damit flexible Arbeitsmodelle jedoch nicht dazu führen, dass Mitarbeitende

sich genötigt fühlen, rund um die Uhr zu arbeiten, ist es zudem zentral, dass Führungskräfte

Erwartungen hinsichtlich der Erreichbarkeit ihrer Mitarbeitenden klar kommunizieren und

diese auch selbst vorleben, beispielsweise indem sie ihre Angestellten nach bestimmten

Uhrzeiten oder am Wochenende nicht (mehr) mobil kontaktieren. Der Automobilbauer

Volkswagen machte Schlagzeilen, als er in diesem Sinne veranlasste, dass die

Weiterleitungen von E-Mails auf die Blackberry-Handys der nicht in Führungspositionen

beschäftigten Mitarbeitenden nach Feierabend abgeschaltet werden.

Auch wurde von den befragten ExpertInnen eine höhere Verantwortung von

Führungskräften für die Gesundheit ihrer Angestellten betont. Dazu gehört der Schutz vor

Überlastung und das Achten auf die Work-Life-Balance und die Ausgeglichenheit von

Mitarbeitenden.

Ein Unternehmen, dass die Gesundheit und das Wohlergehen in Zukunft mehr in den

Vordergrund stellen will, ist der Technologieriese Samsung. Bislang nicht unbedingt für seine

entspannte Arbeitskultur bekannt, möchte dieser nun die Überstunden seiner Mitarbeitenden

abbauen und eine bessere Work-Life-Balance für diese erzielen. Software-Unternehmen wie

Moz und FullContact bezahlen Mitarbeitende dafür, die ihnen zustehenden Urlaubstage auch

wirklich in Anspruch zu nehmen, Netflix (Video-Streaming) und Hubspot (Software) bieten

unbegrenzte (unbezahlte) Urlaubstage an, damit Mitarbeitende sich erholen können. Die Robert

Bosch GmbH wurde 2016 für ihr Konzept „Lebensphasenorientiert arbeiten“, das

Mitarbeitenden insgesamt mehr als 100 Möglichkeiten anbietet, sich beruflich wie privat zu

verwirklichen (z.B. durch Homeoffice-Optionen, Job-Sharing-Möglichkeiten & auf

Betreuungszeiten abgestimmte Familienarbeitsplätze), mit dem XING New Work Award

ausgezeichnet.

2.6. Zunehmende Technologisierung von Führung

In Übereinstimmung mit der zunehmenden Automatisierung von Arbeit wird laut den

befragten ExpertInnen auch Führung immer weiter technologisiert.

So ist es für Führungskräfte erforderlich, immer stärker über neue Medien wie

Messaging-Dienste und Chats mit ihren Mitarbeitenden zu interagieren. Dies gilt vor allem

dann, wenn Mitarbeitende aus der Distanz geführt werden oder schnelle Rückmeldungen

erforderlich sind. Auch werden Führungskräfte durch neue technische Tools (wie

Assistenzsysteme, virtuelle Kollaborationstools oder Führungsinformationssysteme)

zunehmend in ihrer Tätigkeit unterstützt. Diese Tools dienen beispielsweise der

Talententwicklung und -beurteilung, der Sammlung und Interpretation großer Datenmengen

sowie der Entscheidungsfindung. In einem gewissen Grad mag es sogar zu einer vollständigen

Automatisierung von Führungsaufgaben kommen – auch wenn die befragten ExpertInnen in

dieser Hinsicht zurückhaltend waren.

2.7. Zunehmender Druck auf Führungskräfte

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So, wie viele Mitarbeitende sich durch gewisse Elemente der digitalisierten

Arbeitswelt gestresst zu fühlen scheinen (Techniker Krankenkasse, 2013), steigt im Rahmen

der Digitalisierung auch der Druck auf Führungskräfte.

Dies resultiert vor allem aus einer deutlichen Beschleunigung des Arbeitsalltags, die

sich durch erhöhten Wettbewerb, eine hohe Notwendigkeit zu kontinuierlicher

Transformation sowie neue Kommunikationsmedien ergibt. Führungskräfte kommen immer

mehr unter den Druck, schnell reagieren und proaktiv handeln zu müssen. Ebenso wie

Mitarbeitende sind Führungskräfte in der digitalen Welt immer länger und in immer mehr

(privaten) Situationen erreichbar, sie führen quasi „rund um die Uhr“. Häufig wird eine

solche Verfügbarkeit auch von außen, wie beispielsweise durch Kunden und

Geschäftspartner, erwartet. Insgesamt ist daher mit erhöhtem Stress für Führungskräfte zu

rechnen, welcher eine hohe Belastbarkeit als Grundvoraussetzung von Führung unverzichtbar

macht.

2.8. Vermehrte Weiterbildung von Mitarbeitenden

Um mit den Veränderungen durch die digitale Transformation Schritt halten zu

können müssen Mitarbeitende wie beschrieben kontinuierlich und mehr denn je weiter

qualifiziert werden. Dies bezieht sich natürlich auf die Förderung von IT-Kompetenzen, aber

auch auf die Stärkung von Fähigkeiten zum Selbstmanagement, welche Mitarbeitende bei

ihrer vermehrt eigenverantwortlichen Arbeit unterstützen kann. Die zielgenaue und

individuelle Weiterbildung ist damit auch zunehmend in der Verantwortung von

Führungskräften.

3. Fazit

Wie dieses Kapitel zeigt wird die digitale Transformation zu tiefgreifenden

Veränderungen von Geschäftsmodellen, Organisationen und Arbeitsgestaltung führen. Für

Führungskräfte bedeutet dies, dass sie zunehmend Macht abgeben und demokratischer führen

müssen. Damit geht einher, dass sie ihre Mitarbeitenden durch beziehungsorientiertes

Verhalten, Coaching und Vernetzung dazu befähigen, autonom und eigenverantwortlich zu

agieren. Darüber hinaus wird die Digitalisierung auch die für Führungsaufgaben nötigen

Kompetenzen verändern – so werden beispielsweise Agilität, Veränderungsbereitschaft und

Führung auf Distanz wichtiger. Die Digitalisierung führt zudem dazu, dass

Mitarbeiterleistungen für Führungskräfte transparenter sind und Anwesenheit am Arbeitsplatz

weniger als Proxy für Leistung genutzt werden kann als bisher. Ergebnisorientierung spielt

daher eine größere Rolle. Um zu verhindern, dass Mitarbeitende durch den im Rahmen der

Digitalisierung ansteigenden Druck in ihrer Produktivität gehindert werden, sollten sich

Führungskräfte der Bedeutung von gesundheitsbewusster Führung bewusst werden. Führung

selbst wird stärker technologisiert, d.h., durch digitale Tools unterstützt, werden. Aus diesen

Veränderungen folgt, dass sich das klassische Verständnis von Führung insgesamt wandeln

sollte, um eine erfolgreiche Gestaltung der digitalen Transformation durch Organisationen

sicherstellen zu können.

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4. Literatur

Boes, A., Sattelberger, T., & Welpe, I. (2015). Umfrage zu demokratischen Organisations-

und Führungsprinzipien. München: Technische Universität München.

Drescher, M. A., Korsgaard, M. A., Welpe, I. M., Picot, A., & Wigand, R. T. (2014). The

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Applied Psychology, 99(5), 771–783.

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leaders worldwide. Washington: Gallup, Inc.

IBM (2012). Führen durch Vernetzung. Ergebnisse der Global Chief Executive Officer (CEO)

Study. Ehningen: IBM Corporation.

Miller, T., & del Carmen Triana, M. (2009). Demographic diversity in the boardroom:

Mediators of the board diversity–firm performance relationship. Journal of

Management Studies, 46(5), 755–786.

Post, C., & Byron, K. (2014). Women on boards and firm financial performance: A meta-

analysis. Academy of Management Journal, 58(5), 1546–1571.

Schwarzmüller, T., Brosi, P., & Welpe, I. M. (2016). Digital Work Design – Wie die

Digitalisierung Geschäftsmodelle, Arbeit und Führung verändert. München:

Technische Universität München.

Simon, H. (2000). Geistreiches für Manager. Frankfurt: Campus Verlag.

Techniker Krankenkasse (2013). Bleib locker, Deutschland! TK-Studie zur Stresslage der

Nation. Hamburg: Techniker Krankenkasse.

Telekom (2015). Arbeit 4.0: Megatrends digitaler Arbeit der Zukunft – 25 Thesen. Abgerufen

von https://www.telekom.com/medien/konzern/285970 (Stand: 06.05.2016).

Welpe, I. M., Tumasjan, A., & Theurer, C. (2015). Der Blick der Managementforschung. In

T. Sattelberger, I. M. Welpe & A. Boes (Eds.), Das demokratische Unternehmen:

Neue Arbeits- und Führungskulturen im Zeitalter digitaler Wirtschaft (pp. 89-103).

Freiburg: Haufe.

Förderhinweis: Das diesem Kapitel zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln des

Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 16I1644

gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen.

Page 11: Führung 4.0 Wie die Digitalisierung Führung verändert · PDF fileProf. Dr. Isabell M. Welpe, Lehrstuhl für Strategie- und Organisation, Technische Universität München, München,

Forthcoming in Hildebrandt, A. (Ed.), CSR und Digitalwirtschaft. Berlin Heidelberg: Springer. Do not circulate without permission.

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Zu den Autorinnen:

Dipl.-Psych. Tanja Schwarzmüller

Dipl.-Psych. Tanja Schwarzmüller ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für

Strategie und Organisation der Technischen Universität München. Im vom

Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt „Digital Work Design -

Turning Risks Into Chances“ forscht sie zu den Themen Arbeitsgestaltung, Führung und

Geschäftsmodelle in der digitalisierten Welt. Im Rahmen ihrer Promotion beschäftigt sie sich

darüber hinaus mit Emotionen bei Führungskräften sowie mit erfolgreicher Personalauswahl

und –beurteilung. Sie ist zudem als freiberufliche Trainerin tätig. Vor ihrer Tätigkeit am

Lehrstuhl für Strategie und Organisation studierte sie Psychologie an der Universität

Regensburg und absolvierte eine Coaching-Ausbildung.

Dr. Prisca Brosi

Dr. Prisca Brosi ist Habilitandin und Post-Doc am Lehrstuhl für Strategie und Organisation der

Technischen Universität München. Im Projekt „Digital Work Design - Turning Risks Into

Chances“ konzentriert sich ihre Forschung auf die Themen Arbeitsgestaltung und Führung in

der digitalisierten Welt. Außerdem beschäftigt sie sich mit Führungs- und

Managementsystemen in Unternehmen und richtet dabei einen besonderen Fokus auf

Emotionen. Sie hat zum Einfluss von positiven Emotionen auf Verhalten und Führung am

Lehrstuhl für Strategie und Organisation promoviert. Nach dem Studium des

Wirtschaftsingenieurwesens an der Technischen Universität Karlsruhe begann sie ihr

Berufsleben als Beraterin der Boston Consulting Group.

Prof. Dr. Isabell M. Welpe

Prof. Dr. Isabell M. Welpe ist Inhaberin des Lehrstuhls für Strategie und Organisation an der

Technischen Universität München und Direktorin des Bayerischen Staatinstituts für

Hochschulforschung und Hochschulplanung. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den

Bereichen Strategie, Führung und Innovation sowie der Digitalisierung von Wirtschaft und

Gesellschaft. Aktuelle Projekte von Prof. Dr. Isabell M. Welpe beschäftigen sich vor allem

mit dem digitalen Wandel von Unternehmen und der Arbeitswelt und der Zukunft von

Führung, Arbeits- und Organisationskonzepten unter diesem Einfluss. So veröffentlichte sie

Studien und Arbeiten aus dem Projekt „The Future of Work and Life Design“, „Social Media

as Information Markets“ sowie der Veränderung der Geschäftsmodelle in

(Medien)organisationen als Folge der Digitalisierung. Prof. Welpe ist u.a. Vorstandsmitglied

im Center for Digital Technology & Management (CDTM) und Mitglied im „Münchner

Kreis“ sowie Angehörige weiterer Beiräte. Sie ist zudem wiederholter Speaker auf der Digital

Life Design (DLD) Konferenz und durch die Zeitschrift Capital als Top 40 unter 40 der

„digitalen Elite“ gelistet. Prof. Dr. Isabell M. Welpe studierte Management an der Ludwig-

Maximilians-Universität in München, Deutschland und am Massachusetts Institute of

Technology, Boston, USA. Sie beendete ein zusätzliches Masterstudium an der London

School of Economics vor der Promotion an der Universität Regensburg mit

Forschungsaufenthalt an der University of California at Berkeley. Sie war als Gastprofessorin

an der Keck Graduate Institute, Claremont, USA und als promovierte wissenschaftliche

Page 12: Führung 4.0 Wie die Digitalisierung Führung verändert · PDF fileProf. Dr. Isabell M. Welpe, Lehrstuhl für Strategie- und Organisation, Technische Universität München, München,

Forthcoming in Hildebrandt, A. (Ed.), CSR und Digitalwirtschaft. Berlin Heidelberg: Springer. Do not circulate without permission.

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Mitarbeiterin an der Carlson School of Management an der University of Minnesota tätig.

Bevor sie den Lehrstuhl für Strategie und Organisation an der Technischen Universität

München übernommen hat, arbeitete sie am Max-Planck-Institut für Ökonomik.