interview 25 - flashtimer · 2018. 9. 5. · erst im auftrag, dann in eigenregie. ihre party-flyer...

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INTERVIEW 25 JAHRE DIE ERFINDER DES TECHNO- FESTIVALS RAVE ON SNOW TECHNO, nennen wir es mal so, startete als Acid-House und ging 1993 steil. Riesige RAVES eroberten die Städte, auch in München. Erst die Panzerhallen im Alabamage- lände, dann die Hallen vom alten Flughafen, das neue Szenemag Partysan listete allein 13 After- hours, was für eine Zeit. 1994 STARTETE AUCH RAVE ON SNOW. Die Macher sind bis heute die gleichen, Thomas und Bob aka DIE PARTYSANEN. Zu- vor brachten sie Münchens Technoboom ins Rollen, Thomas' MACHT DER NACHT ab 1988 mit den ersten Technopartys über- haupt, Bob als Chef vom einzigen Techno- club. Sie übernahmen die Panzerhallen, erst im Auftrag, dann in Eigenregie. Ihre Party- flyer druckten sie gesammelt als Zeitschrift, mit Klatsch, Tratsch, Fotos: der PARTYSAN. Mit seiner abgefah renen Grafik wird er Teil der neuen Subkultur. 1994 ist Bob 25, Thomas 32. 2018 wird ihr Baby 25 und ist das älteste Technofestival der Welt. Ihr Büro ist heute in Berlin, 800 Quadratmeter Fabriketage, bunt, laut, "ir- gendwas mit Marketing". Bob fährt einen Smart, so ein Typ Chef, der nie wen anschreit.Wir sehen die Grafikent- würfe zum fünfundzwanzigsten, und sind schon mitten- drin... Hallo Bob.Wie schaut das erste 25Jährige der Techno- Geschichte aus? Erwartet ihr den Ansturm mit mehr Floors? Maßstäbe mit der Größe werden wir lei- der auch zum 25jährigen nicht setzen können. Es gab mal Zusatzfloors, ein Zelt, eine Hütte, aber der Bass rollt da zu unge- bremst durchs Tal. Einen Besucherrekord wird es also nicht geben. BOB SHAHRESTANI THOMAS KLEUTGEN DIE MACHT DER NACHT Die Partyrevolution 1987-91 war ein Zirkus zelt für 5000 Leute, Badewannen hingen von der Kuppel mit Leuten drin (in Gelee statt Wasser), angemalte, NACKTE Frauen empfingen die Gäste, es gab Video- kunst (VIDEOS!), Hairdresser, Schlan- genfrauen, Tatoos, Pionier Westbam (1988: 22) präsentierte neuen Acid- house, die VIPs feierten zuschaubar im Löwenkäfig, betreut vom jungen Bob Shahrestani. Auch die Chefs waren un- ter 30, das STUDIO 54 war ein Kinder- geburtstag dagegen, erzählt der Run- ner von damals, Drogen interessierten die Polizei noch nicht so. Der kollektive Wahnsinn gastierte in München, Düsseldorf, Hamburg, Berlin, Paris, Köln, teils mehrfach. "Wir hätten reich werden können, aber wir waren jung.", sagt Miterfinder Willi Hermelt. www.flashtimer.de 63 1998 1994 1999 2000

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INTERVIEW

25JAHRE

DIE ERFINDERDES TECHNO-FESTIVALS

RAVE ON SNOWTECHNO, nennen wir es mal so, startete als Acid-Houseund ging 1993 steil. Riesige RAVES eroberten die Städte,auch in München. Erst die Panzerhallen im Alabamage-lände, dann die Hallen vom alten Flughafen, das neueSzenemag Partysan listete allein 13 After-hours, was für eine Zeit.1994 STARTETE AUCH RAVE ON SNOW.

Die Macher sind bis heute die gleichen,Thomas und Bob aka DIE PARTYSANEN. Zu-vor brachten sie Münchens Technoboomins Rollen, Thomas' MACHT DER NACHTab 1988 mit den ersten Technopartys über-haupt, Bob als Chef vom einzigen Techno-club. Sie übernahmen die Panzerhallen,erst im Auftrag, dann in Eigenregie. Ihre Party-flyer druckten sie gesammelt als Zeitschrift, mit Klatsch,Tratsch, Fotos: der PARTYSAN. Mit seiner abgefah renenGrafik wird er Teil der neuen Sub kultur.

1994 ist Bob 25, Thomas 32. 2018 wird ihr Baby 25 und istdas älteste Technofestival der Welt. Ihr Büro ist heute inBerlin, 800 Quadratmeter Fabriketage, bunt, laut, "ir-gendwas mit Marketing". Bob fährt einen Smart, so einTyp Chef, der nie wen anschreit. Wir sehen die Grafikent-würfe zum fünfundzwanzigsten, und sind schon mitten-drin...

Hallo Bob. Wie schaut daserste 25Jährige der Techno-Geschichte aus? Erwartetihr den Ansturm mit mehrFloors?

Maßstäbe mit derGröße werden wir lei-der auch zum 25jährigennicht setzen können. Esgab mal Zusatzfloors, einZelt, eine Hütte, aber derBass rollt da zu unge-bremst durchs Tal. Einen Besucherrekordwird es also nicht geben.

BOB SHAHRESTANI

THOMAS KLEUTGEN

DIE MACHT DERNACHTDie Partyrevolution1987-91 war einZirkus zelt für 5000Leute, Badewannenhingen von derKuppel mit Leutendrin (in Gelee statt

Wasser), angemalte, NACKTE Frauenempfingen die Gäste, es gab Video-kunst (VIDEOS!), Hairdresser, Schlan-genfrauen, Tatoos, Pionier Westbam(1988: 22) präsentierte neuen Acid-house, die VIPs feierten zuschaubar imLöwenkäfig, betreut vom jungen BobShahrestani. Auch die Chefs waren un-ter 30, das STUDIO 54 war ein Kinder-geburtstag dagegen, erzählt der Run-ner von damals, Drogen interessiertendie Polizei noch nicht so. Der kollektiveWahnsinn gastierte in München, Düsseldorf, Hamburg, Berlin, Paris,Köln, teils mehrfach. "Wir hätten reichwerden können, aber wir waren jung.",sagt Miterfinder Willi Hermelt.

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Eine häufige Frage: Wasist Rave On Snow, wenns nichtschneit?Auf jeden Fall ungefährlicher! –Nee, Spaß. Wir tun was wirkönnen und haben Frau Hollezum Geburtstag eingeladen.Letztes Jahr hat sie uns so vielmitgebracht, dass die Schnee-massen prompt unsere Gipfel-party begruben!

Rave On Snow war einösterreichisches Festivalohne Österreicher. Undheute?Das war durch den Partysanund unsere Münchner Home-base früher so. Mit der wach-senden Gästezahl ging aberschnell auch der Anteil derösterreichischen Fans nachoben. Rave On Snow ist inter-national geworden.

BOB SHAHRESTANIMit 16 wurde derMünchner auf

a b e n teuerl icheWeise Barmann, dann

Barchef der Promis imFeierzirkus DIE MACHT DER NACHT. Alsder weiterzog nach Düssel dorf, FLOG der17JÄHRIGE nach der SCHULE der Partyhinterher, Thomas Kleutgen, sein Chef,zahlte alles. 1989/90 war Pause, Zeit, umdie gewonnenen Connections zu ver-werten. 19jährig und ohne Kohle bekamBob zwar keinen Club, aber das Okayfür eine AFTERHOUR im Babalu-Club.Skurril: Die After mit Macht der Nacht-DJs startete als Münchens einzigesTechno-Regular. Bob blieb dran, auch alser seinen BACHELOR machte, in Oxford.Fliegen war damals Luxus, nicht für ihn.Ende 1992, mit 23, war er endgültig zu-rück, der Babalu-Chef mietete die Ala-bamahallen und Bob sollte sie mit Lebenfüllen. Er durfte sich einen Partner su-chen und fragte seinen Ex-Chef: ThomasKleutgen.

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und den Schlüssel für dieDorfdisco nebenan, die DJsbrachten wir mit, Tom Novyund Acid Maria. Rechnen ließsich die Nummer nicht, daswar uns aber auch wurscht.Wir waren unkommerzielleIdealisten und total auf Spaßfokussiert. Den hatten wir,und den haben wir heutenoch. 1995 kamen schon 200Leute, 1996 war das erste Jahrin Saalbach, da hatten wir dasganze Dorf für uns, mit 2.000Ravern.

Saalbach war mit zwei-tausend Gästen voll? Heutekommen zehntausend!In den 25 Jahren wurde vieleHotels neu gebaut, und es kamen viele Hotels dazu, diefrüher erst zum Saisonstart anWeihnachten öffneten.UnserBesucherlimit wird gar nichtmehr über die Bettenzahl derHotels definiert, sondernüber die Kapazität der Loca-tions.

RAVE ON SNOW brachteSaalbach extrem viel Me-dienpropaganda. Bis 2001liefen auf VOX nachts eure

Aftermovies, als RAVEAROUND THE WORLD. Wiekam es dazu?RTL hatte zum Sendeschlußein Kaminfeuer, ARD die Eisenbahn, und VOX wolltewas Cooles. Der Deal war:Sendezeit gegen 6.000€ Produktionskosten, das warja 1996 noch teure Studio -arbeit. Es gab weder andereFestival noch Aftermovies. – 1997 schickte sogar Chan-nel V ein Team, ThailandsMTV. Die Reporterin sah zumersten Mal Schnee und frordrei Tage lang.

Wie kamen die auf RaveOn Snow? Der Partysan, unser Mag,boomte. Wer mit Techno zu tunhatte, kam darum nicht herum.18 Ausgaben wurden es, inDeutschland, Ibiza, Schweiz,Österreich, Paris, Andalusien – und eben Bangkok, wo dasMag durch die Decke gingund für Furore sorgte.

Gibts 25-Years-Specials? Einen Classics-Floor, Vinylonly, Merch mit dem al-ten Maskottchen, demPartysan?Wir werden es fei-ern, na klar. Ihr liegtda mit euren Ver-mutungen schonganz richtig, aberes sollte eine ge-hörige PortionÜ b e r ra s c h u n gbleiben.

Vor 1994 gab esbereits Rockmusik-Festivals, im Sommerund Open Air. Wie kamtihr drauf, das erste Techno-Festival in den Winter zu legen? Wir veranstalteten in Mün-chen gefühlt ja fast jede Wo-che einen Rave! Ein Festival,zumal im Outback, war keinThema. Sommerfestivals wa-ren zudem typisch Rock undMusikindustrie, da wollteTechno gar nicht hin. AuchRave On Snow begann klein,60 Leute, obwohl wir es be-warben (Abb. unten links). DieZeit für Festivals war nochnicht gekommen.

THOMASKLEUTGENÜber die Toch terseiner Freundin

lernt DIE MACHTDER NACHT-Er fin der

Rainer Wengenroth Tho-mas in Düsseldorf kennen und machtden 25jährigen zum Gastrochef, für5.000 Gäste am Wochenende, bis 1991.Dann zog Thomas nach Magdeburg,ein Kumpel baute da eine Wasserskian-lage. ROMANTISCH sollte es werden,Sonne, Baden, Wasserski, aber dieSonne schien nicht alle Tage, und dieMagedburger waren auch nicht, ja... wa-ren sie halt nicht. An einem dieser Tage1992 klingelte das Telefon, sein Ex-Bar-chef Bob war dran, aus den Panzerhal-len einer alten Kaserne sollte er RAVE-HALLEN machen, mit einem Partner.Thomas kam gern.

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INTERVIEWINTERVIEW

1995

1998

2001 2002 2003 2004 2007 2008 2009 2011 2012 2013

Warum war das so? WarenTechnofans reisefaul? Daserste Sommerfestival, dieNATURE ONE, kam erst1997.Wie gesagt, die großen Ravesfanden in urbanem Umfeldstatt. Es gab Großraves zuhausein der eigenen Stadt, wie inMünchen das Tribal Gatheringmit 70 Acts, 5 Floors, 25.000Ravern, Prodigy, Underworld,Garnier, Mills, Cox, Clarke.Oder 150.000 beim Union

Move. Man brauchte keinFestival. Später wurden die Be-hörden schwieriger, aus In-nenstadt-Raves wurden OpenAirs, drei davon, Nature One,Fusion, SMS, wurden zu fettenFestivals. Die andern folgtennach 2000.

60 Leute zum ersten RaveOn Snow: Wie funktioniertedas?Ein Festival funktioniert,wenn man unter sich ist. Wirhatten eine Pension für uns

Megapupillen, Raverfrisur"Vogelnest", und zu Rave On Snow mit

Snowboard: Grafiker MARC

POSCH verantwor-tete in den 90ernnicht nur nahezujede Flyergrafikin Münchenund die Grafikvom Partysan,sondern auchdas Raver-Maskottchen.Seit 2000 arbeitet der Designer in

Los Angeles.

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Ihr habt ein zweites Festival, den THAIBREAK. Wie kam esdazu?

1994 kam ein Mä-del ins Team, ihrVater hatte einK r e u z f a h r t -büro. Wirspon nen im-mer viel rum,eine alte Burgführte zumBurgfr ieden-

Festival, einSonnenblumen-

feld zum Sun -f lower -Fes t iva l ,

beides ging in dieHose. Aber aus der

Kreuzfahrt-Idee wurdeerst Rave'n'Cruise und 1998

der Thai Break, zwei WochenThailand mit 200 Leuten. Tou-rismus plus Party, das traf insSchwarze.

Wie Rave on Snow. Aller-dings mit mehr Leuten als in20 Jahren Thai Break zusam-men!Ja, das ist eine riesige Materi-alschlacht. Zwölf Sattelauflie-ger Equipment; Thomas ist mit30 Mann Aufbauteam schonzwei Wochen vorher da, für dieOpenAir-Stages, die Mains-

tage Hinterglemm, die Saal-bach-Garagen, auch die Clubsmuß man komplett aufrüsten.

Übernimmt den Aufwandnicht teilweise Saalbach?!Die haben dank euch dasganze Tal ausgebucht! Das haben sie, ja. Dafür be-spielen wir mitten in der Stadteine Stage mit 106db, es gibtfünf Diskotheken auf nur 200Meter Fußgängerzone, untenist die Stage, oben die Alm, esgibt keinen Durchgangsver-kehr, keine Sperrstunde, dafürSonntags Late-CheckOut um13 Uhr. Wir lieben Saalbach!

89 Euro kostet das Festi -val ticket, das sind bei10.000 Gästen nichtmal eineMillion, für sämtliche Kos-ten. Wie geht das?Für viele DJs ist Rave On Snowdie Weihnachtsfeier der Szene,man trifft sich und feiert, bis derArzt kommt, seit 25 Jahren. Diekommen uns bei den Gagengenauso entgegen wie unserTechnikpartner MEDIAWORKSaus Augsburg, die ebenfallsseit 25 Jahren dabei sind. 25Jahre. Schon Wahnsinn, oder?

INTERVIEW

Den Partysan gibt es nichtmehr, oder?Nein. 2000 war ich schon wieder 8 Jahre in München,Gabor, ein Freund, machte mirMarketing schmackhaft, wirzogen nach Berlin und dasNetzwerk zerfiel. Einige mach-ten unter neuem Namen wei-ter, als Freshguide oder euerFlashtimer. Ich glaube, fastalle Pocket-Zeitschriften ge-hen auf den Partysan zurück.Den letzten gab es 2015 in Berlin.

SCHATTBERG GIPFEL OPEN AIR

HÜTTEN FLOOR

CENTERCOURTSTAGETECHNOGARAGE

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