j:)as katharineum · 2007. 8. 28. · dung zur reifeprüfung: "von coethe zu spinozas...

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Jahrgang 2 Das hat ihn anders geleitet. Er wurde in Danzig SenCltspräsident. Vertrat als solcher die Freie Stadt in Genf und kam früh mit Hitler in Berührung. "Gespräche mit' !-litter" heißt sein erstes Buch, Aber die Gewissenlosigkeit, die er aus nächster Nähe beobachten konnte, der satanische Abfall von allen deutschen Idealen, das leibhaftige Gangster- turn um ihn herum öffneten ihm die Er wagte 'zu· gunsten einer Finanzgebah'rung in Danzig den Bruch mit dem allmächtigen Gauleiter Forster. Er nahm be· wußt den Zusammenbruch der Existenz auf sich" den "bürger· lithen Tod", den die Nazis ihm und seinem. Namen be- scherten, das bittere Brot der Verbannung. Die "Revolution des Nihilismus" ist mehr als eine Schilde- rung der Vergangenheit. Es ist ein Lehrbuch der Politik und ein Lehrbuch des Deutschbewußtseins. Was man heute im deutschen Volke immer noch nicht begreift, die Unterschei· dung von exoterischer Lehre und esoterischer Absicht, wird hier seine ira et studio auseinandergelegt. NEin Staat muß sich nicht gegen das Programm einer Revolution wehren, sondern gegen ihre Taktik", (Rosenbergs Mythus des 20. Jahrhunderts isJ der revolutionäre Exzeß eines im Grunde friedlichen Bufgers. Aber selbst dieser "Mythus" war nur eine "ideologische Maskierung". Der Nat.-Soz. kennt keine weltanschauliche Grundlage der Alles Ist ihm nur Mittel zur Macht und Hohn über das VOlk." - "Der Rassen- begriff war ein politisches Hilfsmittel und nie eine wissen- schaftliche Lehre. Daher war es mül,}ig, ihn zu widerlegen." - .. Es ist ein Merkmal unserer Zeit, daß riesenhafte äußere Leistungen ohne jedes Fundament möglich sind." - "Die totale Politisierung bedeutet eine Entpolitisierung des Vol- kes",) Mit scharfer Logik werden die feinen, aber entschei- qenden Begriffsunterschiede - etwa von Macht und Gewalt - bloßgelegt. Rauschning ist ein stolzer Wahrheitsforscher: "Eine Täuschung, der wir unterlagen, aufhellen, heißt eine neue Wahrheit erobern". Rauschning gehört zu denen, die mannhaft ihre Irrtümer und Verblendungen eingestehen kön· nen, weil sie "'wirklich immer nach der Wahrheit strebten. Seine Kritik ist vornehm, weil sie aus einem unbestechlichen Rechtsbewußtsein erwächst. Unparteiisch hält er allen Par- teien ihre Sünden vor: Die deutschnationale Ansicht war 1933 im Wesentlichen nur eine politisch gemäßigtere, aber im Grundsätzlichen gleich nihilistische Gewaltlehre wie die ner Nat.-Soz, gewesen." NSie verwechselte Ordnung mit Un· tertänigkeit", Links aber herrschte die "führerlose Demokra- ,/- tie"; "Die Herrschaft der Berufspolitiker ohne Beruf, ohne die inneren charismatischen Fähigkeiten, die eben den Führer machen. Und etas bedeute dann das, was die jeweilige Par- teifronde als Herrschaft des Klüngels bezeichne". "Der So- zialismus mag Bedeutung und Wert verloren haben; seine Geschichtsphilosophie und Gesellschaftslehre mögen einer vergangenen Zeit entstammen; aber der Wille nach einer verjüngten Gesellschaft hat eine unverlierbare Zukunft allen gegenrevolutionären und reaktionären Versuchen über". Was aber das Bum heute noch so wichtig madlt, ist die zeigung der GefährlidJ.keit der Lockungen für eine tatkräftige Jugend, eine Jugend, die heraus aus dem banalen Alltag will, und die immer wieder gern hört vom "heroischen Realismus", 11. Dezember 1950 Ehemalige Hatbarineer v Mitteilungsblatt für die Eltern, Schüler und Freunde unserer Schule J:)AS KATHARINEUM Heft 3 In der letzten SdlUlzeitung wurde Heinrich Manns ge- dacht. Da gibt es aber einen anderen berühmten ehemaligen Kalharineer von ganz .anderem Format. Er ist einer unserer bedeutendsten Ehemaligen: Hermann Rauschning. Senats· präsident in Danzig, als Danzig noch ein Freistaat war. Sicher werden viele seine Grundtendenzen nicht teilen: Monarchist ist er, konservativ bis auf die Knochen, christlich-konserva- tiv. Aber dem Eindruck seiner Werke wird sich kaum je- mand entziehen können. Sie sind erfüllt von einem tiefen, fast feierlichen Ernst. unCI von einem Verantwortungsbewußt- sein, wie man es selten antrifft. Seine "Revolution des Nihi- lismus" ist immer noch das bedeutendste Buch über den Nationalsozialismus, Alle anderen, wie etwa das von vius, erwecken das peinlime Gefühl von Kram im Hinter- haus, Kolportage, Tratsch. Solche Bücher können wichtig sein, wegen der Fülle unbezweifelbaren Tatsachenmaterials. Aber das Werk von Rauschning ist an sicb wertvolL Hier spricht ein Mann. Hier offenbart sich ein Charakter. Es ist schwer zu lesen, weil gedankengeladen. Voll von feinem Taktgefühl. Geschrieben in einem vornehmen Ton voll Selbstbeherrschung (so wenn er bei dem bestialischen Mnrd von Potempa spricht von der "unbegreiflichen Solidaritäts- erklärung des Parteiführers gegenüber dem für jedes Rechts- empfinden gültigen Todesurteil der Potempamörder"), oft mit feiner Ironfe, so wenn er von seiner eigenen Teilnahme an der nordischen Tagung erzählt, die Rosenberg in Lübeck veranstaltete, und ihrer merkwürdig kleinbürgerlichen Auf- machung, Psychologische Bemerkungen werden ohne Haß und Herabsetzung vorgebracht. ("Dem Deutschen imponiert große Belesenheit, wenn sie mit System verbunden ist." - "Es scheint, als ob der Deutsche nur unter Illusionen zu höchster Anspannung fähig ist.") Das ganze Buch ist ge- prägt - was immer Zeichen eines schöpferischen Geistes ist - in einem ganz persönlichen, eigenen Stil. 1887 geboren, als Sohn eines preußischen Offiziers, hat Hermann Rauschning bei uns die Reifeprüfung Ostern 1906 bestanden. Er hatte Ofrizier werden sollen. Drei Jahre war er auf dem Kadettenkorps in Potsdam gewesen. (Er war dort - wie er in seinem Lebenslauf berichtet ich einen Schmutzfinken aus meiner Stube nicht gerade sanft arn Ohr angefaßt hatte, abgesetzt, degradiert, in Arrest gesteckt wor- den, kurze Zeit darauf aber in die alten Ehren wieder hinein- versetzt und noch befördert worden".) Wegen eines Herz· leidens mußte er später aus der Hauptkadeuenanstalt Licbter- felde ausscheiden. So kann er in die Prima des Kathari- neums. Hier fand er sich selbst. Er schreibt bei seiner Mel- dung zur Reifeprüfung: "Von Coethe zu Spinozas Pantheis· mus gelangte ich dank der exakten Naturwissenschaften und der monistischen Lehre immer mehr in den bodenlosen, stin- kenden Sumpf des krassesten, absurdesten Materialismus, bis ich allmählich wieder zu mir kam und mit Hilfe von Schopenhauers "Welt als Wille und Vorstellung" aus dem zähen, widerlichen, das Leben ertötenden Schlamm heraus lind auf den Weg zu dem lautersten klarsten Kanl gelangte, dessen Heiligtum zu betrelen ich im Begriff bln". - Musik wollte er nun als Lebensstudiurn wählen und vorher geschichte und Philosophie in München studieren, -

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Page 1: J:)AS KATHARINEUM · 2007. 8. 28. · dung zur Reifeprüfung: "Von Coethe zu Spinozas Pantheis· mus gelangte ich dank der exakten Naturwissenschaften und der monistischen Lehre immer

Jahrgang 2

Das Leb~n hat ihn anders geleitet. Er wurde in DanzigSenCltspräsident. Vertrat als solcher die Freie Stadt in Genfund kam früh mit Hitler in Berührung. "Gespräche mit'!-litter" heißt sein erstes Buch, Aber die Gewissenlosigkeit,die er aus nächster Nähe beobachten konnte, der satanischeAbfall von allen deutschen Idealen, das leibhaftige Gangster­turn um ihn herum öffneten ihm die ~ugen. Er wagte 'zu·gunsten einer ~rlichen Finanzgebah'rung in Danzig denBruch mit dem allmächtigen Gauleiter Forster. Er nahm be·wußt den Zusammenbruch der Existenz auf sich" den "bürger·lithen Tod", den die Nazis ihm und seinem. Namen be­scherten, das bittere Brot der Verbannung.

Die "Revolution des Nihilismus" ist mehr als eine Schilde­rung der Vergangenheit. Es ist ein Lehrbuch der Politik undein Lehrbuch des Deutschbewußtseins. Was man heute imdeutschen Volke immer noch nicht begreift, die Unterschei·dung von exoterischer Lehre und esoterischer Absicht, wirdhier seine ira et studio auseinandergelegt. NEin Staat mußsich nicht gegen das Programm einer Revolution wehren,sondern gegen ihre Taktik", (Rosenbergs Mythus des 20.Jahrhunderts isJ der revolutionäre Exzeß eines im Grundefriedlichen Bufgers. Aber selbst dieser "Mythus" war nureine "ideologische Maskierung". Der Nat.-Soz. kennt keineweltanschauliche Grundlage der Politi~. Alles Ist ihm nurMittel zur Macht und Hohn über das VOlk." - "Der Rassen­begriff war ein politisches Hilfsmittel und nie eine wissen­schaftliche Lehre. Daher war es mül,}ig, ihn zu widerlegen."- ..Es ist ein Merkmal unserer Zeit, daß riesenhafte äußereLeistungen ohne jedes Fundament möglich sind." - "Dietotale Politisierung bedeutet eine Entpolitisierung des Vol­kes",) Mit scharfer Logik werden die feinen, aber entschei­qenden Begriffsunterschiede - etwa von Macht und Gewalt- bloßgelegt. Rauschning ist ein stolzer Wahrheitsforscher:"Eine Täuschung, der wir unterlagen, aufhellen, heißt eineneue Wahrheit erobern". Rauschning gehört zu denen, diemannhaft ihre Irrtümer und Verblendungen eingestehen kön·nen, weil sie "'wirklich immer nach der Wahrheit strebten.Seine Kritik ist vornehm, weil sie aus einem unbestechlichenRechtsbewußtsein erwächst. Unparteiisch hält er allen Par­teien ihre Sünden vor: ~ Die deutschnationale Ansicht war1933 im Wesentlichen nur eine politisch gemäßigtere, aberim Grundsätzlichen gleich nihilistische Gewaltlehre wie diener Nat.-Soz, gewesen." NSie verwechselte Ordnung mit Un·tertänigkeit", Links aber herrschte die "führerlose Demokra- ,/­tie"; "Die Herrschaft der Berufspolitiker ohne Beruf, ohnedie inneren charismatischen Fähigkeiten, die eben den Führermachen. Und etas bedeute dann das, was die jeweilige Par­teifronde als Herrschaft des Klüngels bezeichne". "Der So­zialismus mag Bedeutung und Wert verloren haben; seineGeschichtsphilosophie und Gesellschaftslehre mögen einervergangenen Zeit entstammen; aber der Wille nach einerverjüngten Gesellschaft hat eine unverlierbare Zukunft allengegenrevolutionären und reaktionären Versuchen gegen~

über".Was aber das Bum heute noch so wichtig madlt, ist die Auf~

zeigung der GefährlidJ.keit der Lockungen für eine tatkräftigeJugend, eine Jugend, die heraus aus dem banalen Alltag will,und die immer wieder gern hört vom "heroischen Realismus",

11.

Dezember 1950

Ehemalige Hatbarineer

vMitteilungsblatt für die Eltern, Schüler

und Freunde unserer Schule

J:)AS KATHARINEUM

Heft 3

In der letzten SdlUlzeitung wurde Heinrich Manns ge­dacht.

Da gibt es aber einen anderen berühmten ehemaligenKalharineer von ganz .anderem Format. Er ist einer unsererbedeutendsten Ehemaligen: Hermann Rauschning. Senats·präsident in Danzig, als Danzig noch ein Freistaat war. Sicherwerden viele seine Grundtendenzen nicht teilen: Monarchistist er, konservativ bis auf die Knochen, christlich-konserva­tiv. Aber dem Eindruck seiner Werke wird sich kaum je­mand entziehen können. Sie sind erfüllt von einem tiefen,fast feierlichen Ernst. unCI von einem Verantwortungsbewußt­sein, wie man es selten antrifft. Seine "Revolution des Nihi­lismus" ist immer noch das bedeutendste Buch über denNationalsozialismus, Alle anderen, wie etwa das von Gise~

vius, erwecken das peinlime Gefühl von Kram im Hinter­haus, Kolportage, Tratsch. Solche Bücher können wichtigsein, wegen der Fülle unbezweifelbaren Tatsachenmaterials.Aber das Werk von Rauschning ist an sicb wertvolL Hierspricht ein Mann. Hier offenbart sich ein Charakter. Es istschwer zu lesen, weil gedankengeladen. Voll von feinemTaktgefühl. Geschrieben in einem vornehmen Ton vollSelbstbeherrschung (so wenn er bei dem bestialischen Mnrdvon Potempa spricht von der "unbegreiflichen Solidaritäts­erklärung des Parteiführers gegenüber dem für jedes Rechts­empfinden gültigen Todesurteil der Potempamörder"), oft mitfeiner Ironfe, so wenn er von seiner eigenen Teilnahme ander nordischen Tagung erzählt, die Rosenberg in Lübeckveranstaltete, und ihrer merkwürdig kleinbürgerlichen Auf­machung, Psychologische Bemerkungen werden ohne Haßund Herabsetzung vorgebracht. ("Dem Deutschen imponiertgroße Belesenheit, wenn sie mit System verbunden ist." ­"Es scheint, als ob der Deutsche nur unter Illusionen zuhöchster Anspannung fähig ist.") Das ganze Buch ist ge­prägt - was immer Zeichen eines schöpferischen Geistes ist- in einem ganz persönlichen, eigenen Stil.

1887 geboren, als Sohn eines preußischen Offiziers, hatHermann Rauschning bei uns die Reifeprüfung Ostern 1906bestanden. Er hatte Ofrizier werden sollen. Drei Jahre warer auf dem Kadettenkorps in Potsdam gewesen. (Er war dort- wie er in seinem Lebenslauf berichtet ~,w.eit ich einenSchmutzfinken aus meiner Stube nicht gerade sanft arn Ohrangefaßt hatte, abgesetzt, degradiert, in Arrest gesteckt wor­den, kurze Zeit darauf aber in die alten Ehren wieder hinein­versetzt und noch befördert worden".) Wegen eines Herz·leidens mußte er später aus der Hauptkadeuenanstalt Licbter­felde ausscheiden. So kann er in die Prima des Kathari­neums. Hier fand er sich selbst. Er schreibt bei seiner Mel­dung zur Reifeprüfung: "Von Coethe zu Spinozas Pantheis·mus gelangte ich dank der exakten Naturwissenschaften undder monistischen Lehre immer mehr in den bodenlosen, stin­kenden Sumpf des krassesten, absurdesten Materialismus,bis ich allmählich wieder zu mir kam und mit Hilfe vonSchopenhauers "Welt als Wille und Vorstellung" aus demzähen, widerlichen, das Leben ertötenden Schlamm herauslind auf den Weg zu dem lautersten klarsten Kanl gelangte,dessen Heiligtum zu betrelen ich im Begriff bln". - Musikwollte er nun als Lebensstudiurn wählen und vorher Kunst~

geschichte und Philosophie in München studieren, -

Page 2: J:)AS KATHARINEUM · 2007. 8. 28. · dung zur Reifeprüfung: "Von Coethe zu Spinozas Pantheis· mus gelangte ich dank der exakten Naturwissenschaften und der monistischen Lehre immer

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von der Magie des Extrems. von der Arbeitsdemokratie. vornWagnis des Daseins. "Für den Bürger ist jeder -Sieg derTechnik ein Sieg der Bequemlichkeit, die wahrhaft moderneJugend spürt die faszinierende Dämonie der Technik", - Undauch der Vorstoß gegen die bürgerliche Ahnungslosigkeit inallen Schichten, Parteien und Richtungen ist heute wiederrecht aktuell.

Rauschning beschwört die besten Kräfte unseres Volkes:"Merkmal der Masse ist es, nicht im politischen Leben aktivund positiv beteiligt sein zu wollen", - "Mit der Anteil­nahme an einer geistigen Welt hört der Proletarier auf, Pro­letarier zu sein". - "Ein Volk mag irren wie der einzelne.Es wird klein nur im Irrtum, wenn es ihn klein nimmt als einVersehen", - "Der blinde militärische Gehorsam ist aufseinem Gebiet nur dann ein bewunderungswürdiges Element,wenn er sich innerhalb einer Sphäre der geistig-sittlichenTradition äußert".

Fast propheHsch ist seine Voraussicht, wenn er schon 1937schreibt: "Der Krieg wird fast zur Gewißheit, angesichts derGewissenlosigkeit eines Regiments, das sich zu der Maximebekennt: Wenn es abtreten müsse, dann werde'es wenigstensnoch andere in den Untergang mit hineinreißen, andere ­man kann vielleicht genauer sagen: das ganze zivilisierteEuropa. Daß am Ende Deutschland zerstört am Boden lie­gen wird, "in Ehren untergegangen", wie es nach dem Ehren­komment dieser Hasardeure lautet, kann in den Augen dieserMä.nner nur ein Grund für das Weltkriegswagnis sein, nichtdagegen. Denn sie werden lieber Deu tschland zerstört sehen,als in den Händen und unter der Führunglanderer Deut·scher".

Ein Kämpfer für die hohen Ideale des Abendlandes sprichtzu uns. Er hat gehalten, was er sich bei seiner Reifeprüfungam Katharineum gelobt hat.

Oe. Schöubrunn.

Zwiscben den Generationenlmmer wenn eine junge Generation sich bereitet, in das

tätige Leben einzutreten, wird es ihr Anliegen sein, die Wert­schätzungen der älteren Generation anzuzweifeln. In nicht~ndigenden Gesprächen suchen die Söhne, Welt und Werkder Väter zu erfassen, einen letzten Grund für manches Ver­sagen zu finden und aus reinerem Herzen ein neues, höheresZiel zu errichten. Väter, die glaubten, den Söhnen ihreneigenen, oft schweren Weg ersparen zu können, sehen ent­setzt sich zurückgewiesen, ihr Bestreben als kleinliche Er­gebung in kümmerliche Realitäten gebrandmarkt. So ent­steht eine tiefe Kluft des Nicht-Verstehens zwischen denGenerationen, auf beiden Seiten wohl schmerzlich empfun­den, aber unerbittlich durchgekämpft.

In der Schule wird diese Kluft zu einer entscheidendenFrage. Zeigt sich doch, daß etwa von der Sekunda ab dieSchüler in grundsätzlichem Widerspruch zu ihren Lehrernstehen, jede Idee, die ihnen entgegengebracht wird, grund·sätzlich ablehnen. Dadurch wird natürlich der Erfolg derErziehung fragwürdig; benutzen die Schüler die mühevoll ge·wonnene' Freiheit doch nur dazu, um jeden Preis zu wider­sprechen.

Und doch erweist sich die Kluft zwischen den Generationenals eine sehr fruchtbare Spannung. Würde die Jugend wider­spruchslos jede Idee hinnehmen, so wäre es bei aller Größeund Reinheit der Idee unvermeidlich, daß sie vergreist undunverbindlicher Wissensstoff wird. Doch die immer neueAuseinandersetzung mit einer Idee zwingt den jungen Men·sehen, in die letzten Tiefen eigenen und fremden Seins vor·zudringen, Erfahrungen über die eigene Beziehung zur Weltzu machen. Daneben wird durch die eigene Prägung dieIdee zum verbindlichen Eigentum und ist so imstande, indie Wirklichkeit gestaltend einzugreifen.

Die Anerkennung einer Kluft zwischen den Generationenals notwendige und fruchtbare Spannung bedeutet naturge·mäß für die ältere Generation einen großen Verzicht. Bringtdoch nur seIten eine Jugend etwas wirklich Neues, undstrebt sie doch - manchmal auf einem anderen Weg - nachdem gleichen Ziel wie die Alteren, ohne im Letzten wesent·lieh mehr zu erreichen. So entsteht dann das groteske Bild,daß etwa Lehrer ihre eigenen, heftig kritisierten Anschauun­gen später als "Ganz neues und besseres Verlangen der Ju­gend" wiedererkennen müssen, für manchen Jüngeren, deran eine unbedingte Gemeinschaft von Lehrern und Schülernglaubt, eine bittere Erfahrung. Doch ist wohl dieser Verzichtd~s einzelnen auf Anerkennung in Hinsicht auf das Zielnotwendig. ~

Es wäre widersinnig, wollte man behaupten, nur aus demWiderspruch gestalte eine Jugend ihr Weltbild. Denn esgibt kein starres Gesetz in diesen Dingen. Doch auch injenen, die meist im Widerspruch stehen, lebt,.oft tief ver­borgen, eine Bereitschaft zur Nachfolge. In Jedem wahr·haften Menschen gestaltet sich das Wesen um einen Mittel·punkt, auf den hin jede Handlung und jeder Gedanke bezogenist. Dieser Kernpunkt in seiner rätselhaften Mischung vonBewußtem und Unbewußtem ist der Wesenskern des Men­schen und gleichzeitig steht er in einer engen BeZiehung zumeigentlichen Sein. Dieser Wesenskern liegt aber im seeli­schen Bereich des Unaussprechlichen, des Heiligen. In ihmgibt es kein gedankliches Für und Wider, sondern nur einschauendes Verehren.

An diesem Punkte nun hat die Erziehung ein besonderesInteresse. Hier nämlich steht der junge Mensch nicht nur in

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der Bindung seiner Generation, sondern tritt in den Bereichdes allgemein Menschlichen als vollwertiges Glied. DerErzieher wird hier zum Führer in das Wesentliche, zu einemFührer, der unbedingte Folge verlangen darf und muß. DenWeg zu den letzten Dingen, die sich nur in dunklen Bildernandeuten, geht niemand allein, sondern er bedarf eines er­fahrenen Leiters, der den Weg und die Gefahren kennt. Dennes ist ein beschwerlicher Weg, der in die Stille führt - Ideen,die laut und überdeutlich sind, leugnen selbst eine tiefereWirklichkeit ab. Er fordert Versenkung und Besinnung ­kein Wunder, daß er unter dem Druck einer Klassenpsychoseund des Klingelzeichens nicht zu beschreiten ist.

Die Generationen befinden sich in einer fruchtbaren Aus­einandersetzung, die die Kraft des einzelnen stärkt und zurTiefe zwingt. Diese Auseinandersetzung försJ-ert ~lso diepersönliche Entwicklung und kann gestaltend auf dIe staat­liche Wirklichkeit einwirken. Zu einer objektiven Schauaus höchster Subjektivität kommt es aber erst in der Begeg·nung der Generationen, wo Weisheit des Alters und Lebens­wärme der Jugend das gleiche Ziel beleuchten.

Dieter Rüsse, U I a.

Zu wenig PhilosophieunterridlllEs ist an dieser Stelle schon einmal von einem scheiden-

den Oberprimanern auf die Unzulänglichkeit des Philosophie­unterrichtes an unserer Schule hingewiesen worden. Da die·ser Hinweis bisber unbeachtet geblieben ist, möchte ich ihnnoch einmal aufs eindringlichste wiederholen: Ein zweistün­diger Philosophieunterricht, der auf die Oberprima be·schränkt bleibt, reIcht bei weitem nicht aus zur Erfüllung des- Isen, was wir berechtigterweise von diesem Fach erhoffen.Dem Philosophieunterric:ht kommt ein~ Bedeutung zu, diekaum übersd1.ätzt werden kann. Es gibt keine geistige Strö­mung oder Weltanschauung, die ohne philosophisd1.e Be·trachtung zu verstehen wäre. Wissensd1.aften können in derihnen eigenen analysierenden Betrachtungsweise zu großenErkenntnissen gelangen, eine Erfahrung des Letzten wirdihnen versagt bleiben, wenn sie sich des philosophischenDenkens, des "geistigen Stands", begeben.

Es wird gern versucht, die Naturwissenschaften als.. logism" und nnützlich" der Philosophie gegenüberzustellen,die dann in "logischer Konsequenz" als "unlogisch" undnnutzlos" bezeid1.net wird. Ist eine derartige Betrachtungs­weise der Philosophie gegenüber schon völlig unangebracht,eine Gegenüberstellung aber ist irreführend. Auf die Physikals führende Naturwissenschaft sei in diesem Zusammen­hange hingewiesen. Die bedeutendsten Physiker haben im­mer wieder auf die Unmöglichkeit hingewfesen, ohne philo­sophisches Denken zu einer GanzheHsschau zu gelangen. Derals nüchterner Rechner bekannte große Physiker K e pie rglaubt (dennoch) nicht, die Welt mit seinen Berechnungenerfassen zu können, sondern kommt zu dem phiJosophiscbenSchluß: .mundus est imago dei corpori-animus est imago deiincorporea". Der bekannte Göttinger Physiker und Philo·soph earl Friedrich von W e i z s ä c k e r lehnt eine Gegen·'überstellung von Naturwissenschaft und Philosophie als einZerreißen von Zusammenhängen ab: ,. ... sowenig ... läßtsich die Naturwissenschaft aus dem Strom der geistigenEntwiddung des Abendlandes herausläsen". Es ist aber not­wendig, um diese geistige Entwiddung zu wissen, wenn wi~r-

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uns mit der Naturwisenscllaft, die vielleicht unser allerSchicksal bedeutet, auseiriandersetzen wollen, "Ohne philo­sophisdles Wirken wird hier nicht geschehen, was gesdlehenmuß~, führt von Weizsäcker in diesem Zusammenhange aus.

Es ist natürlich bequem, sich mit dem 'sichtbaren Ergebniseiner Entwicklung zu begnügen; aber wollen wir denn im­mer an der Oberfläche verhaftet bleiben, ohne uns um den Ur­sprung des Geschehens zu bemühen? Wollen wir nicht teilhabenan den geistigen Auseinandersetzungen unserer Zeit? Ein zwei­stündiger Philosophieunterricht erst ab Oberprima aber kannwohl nur bei größter Anstrengung von Lehrern und Schülerndie notwendigen Ansatzpunkte schaffen, Es muß daher unterallen Umständen versucht werden, den Philosophieunterrichtzu erweitern in der Weise, daß er schon in der Unterprimamit mindestens einer Womenstunde beginnt. Es könnte dannauch versucht werden, den in der Unterprima a und s en­denden Physikunterricht durch eine Darlegung des philoso­phisch-physikalischen Weltbildes zu bereichern. Die Arbeitin der Oberprima würde in vieler Hinsi'dlt fruchtbarer wer­den. Man braudlt sich nicht mehr mit einer Einführung indas philosophische Denken aufhalten, die zumeist so vielZeit in Anspruch nimmt, daß entsmeidendste philosophischeGedanken aus Zeitmangel ungedacht bleiben. Für denDeutschunterridlt könnte ein tieferes Verständnis erwartetwerden; denn ist "Faust~ z. B. ohne philosophische Betrach­tung überhaupt zu verstehen? Die Philosophie öffnet denBlick für die Ganzheit und hilft dem Menschen, sich selbst zufinden. Ist dies nidlt das schönste Ziel einer Schulausbildung?

Gerhard Gutschow O. T. m.

Frühgriechische LyrikUbersetzt von Konrad Weber Oll a

Vorm Sturm

Glaukos, sieh! Jetzt wird von Wellen aufgewühlt das tiefeMeer,

Und um Gyrais schroffe Gipfel ballt sich eine Wolkenwand.Sturmeszeichen! - Unverhofft beschleidlt die Menschen

bange Furcht.

Mahnung an sich selbstHerz, mein Herz! von schweren Schicksalsschlägen tief ge­

beugtes Herz,Ridlt' dich auf! und kämpfe gegen des Geschickes Ungunst an!Festen Muts, nicht wankend und niebt weichend steh' im

Sturm der SdlladJ.t1Nicht jedoch mit lauter Stimme rühm' dich des errung'nen

Siegs!Nicht erhebe laute Klage, wenn im Kampf du unterlagst!Halte Maß in Freud' und Trauer1 Und erkenne, weldl GesetzRuht im Ablauf der Geschid:e und bestimmt der Menschen

Sein I Archilochos.

Mahnung

Mein Kind, es hält der Donnrer Zeus in seiner Handdas Ende aller Dinge, fügt es, wie er will i

doch fehlt den Menschen Einsicht in des Gottes Plan.Sie leben in den Tag wie Vieh und wissen nicht,zu welchem Ende führt ein jedes Ding der Gott.Dodl Hoffnung hegen alle, blinde Zuversicht,und so erträumen sie, was nimmer sich erfüllt.Sie warten auf die Zeit, da ihnen blüht das Glück,und keiner wartet des in Ruh'. Sie mühn sich abIEin jeder strebt nadl Reichtum und mit ihm nach Glück1Dom Alter plagt den einen, eh' sein Ziel erreicht,und andern bringet schlimme Krankheit Tod.Nicht wen 'ge holt der Schatten Herrscher in sein Reich,wenn Ares sie bezwang, der wilde Gott der Smladlt.Und andre wieder treibt ein Sturm im Meer umher,bis daß sie finden ihren Tod im Wogenschwall,gerade dann, wenn süß zu leben sie gedadlt.Und mandler greift zum Strick, wenn ihn das Schicksal schlug,und scheidet freien Willens von des Tages Licht.So fehlt uns keins von a11 den Ubeln, die es gibt.Auf viele Arten droht den armen Menschen Tod,und Sdlmerzen quälen sie und unausdenkbar Leid.Doch hörte man auf mich, wir liebten Schlimmes nicht,und nicht bedrückte fruchtlos Sorgen unser Herz.

Semonides von Amorgos.

Von der Gefährdung des Menschenzwischen Kindheit und Reife

I1m Bewußtsein unserer Zeit ist nimts klarer verzeichnet als

die Tatsame, daß die Menschen vom Gefühl der Unsicherheitund Angst gejagt werden wie von einem bösen Geist. DieAhnung eines irgendwo im Verborgenen wachsenden Un­heils treibt sie zu immer hastigerem Tun an. In völliger Ver·blendung berauschen sie sich am Phänomen ihres rasendenFortschritts, statt sich selber Einhalt zu gebieten und der dro­henden Gefahr mit einer schlichten Frage nadl ihrer Herkunften tgegenzu treten.

Man meint, von solchgn Fragern und Forsrnern sei diesJahrhundert voll wie kein anderes. Aber alle die Vielen tei­len wenn es horn kommt, nur das Schicksal der Psycholoaen.Un~~ere wissenschaftlidl ausgerüsteten Seelenkundigen näm­lich, die einen feinen Spürsinn haben für das Verhängnis­volle im Menschenleben, lassen zwar den unwiderstehlichenDrang merken, der Eigentümlichkeit des Juqendalters for·sebend und deutend nachzugehen, und ahnen dort einen Vor­Hang von dunkler und gar nicht abzusehener Traqweite, aberda es der Wissenschaft niemals neaehen ist. sich s"'lber mitfremden Auaen anzuschauen, ohne ihr Element. den ODti~

mismus, einzubüßen. kann unmöalich erwartet werden. daßsie Licht in das herr~chendeDunkel brinat. Denn das Ge~chick,

das uns zwischen Kindheit und Reife trifft, ist zutiefst auchdas Ger::rnick der Wissenschaft. Die Hoffnung, von den Wis­senschaftlern darüber Aufk.läruna zu erlanapn. muß deshalbmindestens ebenso trüqerisch sein wie das Sprichwort, nachdem der Teufel durch Beelzebub ausqetripben wird.

Das Juaendalter, um dessen Deutuncr sim die Psycholoaenmühen. führt wie eine schmale, zerbrechliche Brücke über denAhnrund 7wi~chen Kindheit lind Reif/>!. Jerlpr muß p.;n Tn alhiniiher. Keinem bleibt auf diesem Weae SchwinrlelaefühIund Verzaqtheit erspart. Manche stür7en ab. Mit den Hinüber·aekommenen aber aeschieht etwas Selt~ames. Sie beqinnenihrpn TJrsorllna am ~nrleren Fnt'le dp.r Briir1<e ap.rina zu arnt/>!n,zunächst noch' verfcbämt, indem sie gelegentlidl zu roman­ti!'ch-sentimentalen Schwärmern für das verlorene ,.Kind·heitsparadies~ werden. Aber sie sind nur schlechte Srhau·spip.ler. hinter den Masken hervor luat schon offener Wider­wille. Was dem Zilhlenram;ch ihrer Hirne wid"'rr;tebt, wirdschlip"lich in fTenphm"'rp' Formen fTpor"'ßt. Dechalb brech"'l1sie bedenkenlos elen Frieden des Kindes. versuchen immerfrühp.r. es zu ~ich herüber zu zwincren. und Tuhen nicht eher,als bis sein Geist (wie es im Faust aeschriebPD stehtl wohldre~siert und einaesdmürt auf der vorcrezeichneten Gpdan­k",nhl'lhn himd11eic-ht. Die Welt df'r Erw»('hsenp.n. di<> Dffent­lid1keit, ist wur7elIos, weil sie ihre Herkunft in Tun undDenken vp.rleugnet.

Wenn daher iraendwa~ für uns heilsam qenilnnt werdenkann. sn ist es dies: sim Gedankpn zu machen i.ihpr die tren­nenrle Klnft zwisdlen Kind unrl Erv-rachspnen. Solches Nach­denken brinat an den Tao. daß die Gehroebenheit rlp.s Lehensnicht unser wahres Geschick ist. sondern einer r,"'nerationqewa1tsam von der andenm aufaezwungen wird. Hinter denunaeheuren creistinen und matp.riellen Anstrpnauncren derGeap.nwart aher steht die heimliche Sorae. e.<; könntp. lemandihr Spiel durchschauen und durch ein befreiendes Wort dielapne K",Hp d"''' Fluches lösen.

Der Größe dieser Sorae entspricht die GrößI'! der Vnrkeh·runnen. die getroffen werden. um die natürlichpß Bedinqun­apn für eine ern~te Besinnuna nipder711halten, Der sichersteWeq. dem Men~chen die aewün~chte Präaunn 'lU qehen, ist.daß man ihn schult. Die Einrichtunq des Srhulhetrieb~ hateine lanqe Tranition. Jhre .rnoch unausaehildetenl AnfänqeHeaen in der Snätzeit des Griechentums und wurden von denRömp.m endllülticr aeformt. Von da an bis auf den- heutiaenTaq ist das Erziehunqswe~endurch die erurlitio crekennzpich­net. das heißt durch das Verfflhren, den Menschen aus demRohen sP'iner Nahlr herauf7uführp.n 711 einer Bilrluna ther"1re­tischer Art. Diese Kennzeichounq läßt zwei sichere Aus!'anenüber die Absicht und den Zweck des Schulwesens zu. Einmaldrückt sich darin der Wille aus zur Entwurzelunq des Men·schen von seinem ~rohenu Ursorung: denn Er7iehuna meinthier ia nicht das bruchlose Entfalten der natürlichen Anlaaenim Kinde. sondern ihre Unterdrückung. wobei die menschlicheWesensherkunft als barbarisch und unwürdiq verarntet wird.Zum andern aber b~saqt die Kennzeichnung 'des Schulwesensals eruditio. dAß der Schüler der Welt aeqenühernestpl1t llllddazu angehalten wird, sich ihrer in theoretisch·begrifflicherWeise zu bemädltigen. Wenn es zunächst die Absimt der

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Erzieher ist, den Menschen aus seiner kreatürlichen Welt­verbundenheit herauszureißen, so nur zu dem Zwecke, damitihm die Bemämtigung nam logischen Prinzipien auch gelingtund er selbst (ein humanitärer Grund besonderer Art) nichtden Scbmerz darüber zu empfinden braumt, den die ganzeSchöpfung erduldet.

Was beißt denn Erziehung? Heißt es nicht: sich des nochverschlossenen menschlichen Wesens annehmen, es - wieein guter Gärtner ein Gewächs - aufziehen, über seinem Ent­falten warnen, .dafür sorgen, daß es keinen Schaden nimmt?Man meint, es müsse mit dem jungen Menschen etwas ge­macht, etwas in ihn hineingetragen werden. Aber die Erziehersollten vielmehr darauf achten, daß sie das bereits vorhan­dene oder dom anhebende Regen nimt ersticken. Es ist sowehrlos gegen ihren Eingriff und zieht siro deshalb redlt baldschon verschüdLtert zurück, Kein Verlust kann größer bemes­sen werden; denn Bildung muß von innen kommen, man darfsie wohl anregen, aber niemals aufbürden. Jemanden bildenheißt, ihn in den Bannkreis meiner Persönlimkeit ziehen, ihnim Geist und in der Seele ergreifen. Erst in warmer, leben­diger Gemeinschaft löst sich die Verkrampfung, dieunter dem gewaltsamen Andrang fremder Wissensgiiterden Menschen in jene eiskalte Starrheit des lndividualismuszwängt. Im Miteinandersein blüht merklich der Geist auf,dem der Wissende, der Erzieher, Richtung und Weg zur Höhemenschlidlen Daseins weist.

Wer beute vor dem dumpfen Gefühl seiner Subjektivitätin die Wissensdlaft flüchtet, um sich an ihre objektiven Wertezu halten, bedenke, daß Subjekt und Objekt einander bedin­gen. daß eins nur des anderen Gegenstück ist und eben diesesVerhältnis den Menschen so unglücklich macht. Wenn wirnicht wieder aus der Polarität, in die unser Denken geratenist. hinausfiliden und die alte Einheit des Universums nimtvon neuem in uns beleben, werden wir nie aufhören, rublosund ohne Heimat zu sein. Wir werden zu immer exakterenFormeln gelangen und uns die Dinge der Welt, sofern wir nurausdauernd sind, systematism aneignen und dennoch nichthindern können, daß weit ab von uns der Strom des Lebensfließt, an dem wir keinen Teil mehr haben,

Was ist also zu lun? Sollen wir ein Gesdlrei anheben überden Irrweg des Menschen? Sollen wir nach ReformatorenAusschau halten, um die wir uns scharen könnten? - Salmesdiente nur zum Beweis, daß wir die wirklidle Gefahr, die unsdroht. nom gar nicht begreifen.

SchließIim muß hier von jenem Standort die Rede sein,der der verhängnisvollen Situation des Menschen einoedenkist, aber uns sowohl davor bewahrt. sie propagandistisch aus­zunutzen, als auch ihr gegenüber kleinmütig zu werden. Dieeinfache und doch so schwerwiegende AuHorderung zur Ein­nahme dieses Standortes lautet: Du mußt dein Leben ändern! I

Nicht wie man eine Meinung ändert oder eine Gesinnung,sondern wie nur du dich im Innersten deines Leben, in dei­nem Wesen, zum Wahren wandeln kannst. Unsere Sorge sei,wieder die natürlichen Bezüge zur Welt zu lernen, wiedereinfache, lebendige Gedanken zu denken und die wesen'lafteGeborqenheit zu erlangen, aus der allein das ungebrocheneMenschentum erwächst. Hubert Karsten, 0 I bs.

Mein liebstes BuchUm von meinem liebsten Bu4l zu erzählen, muß ich mich

seinem Dichter zuwenden. Ich weiß, daß ich ein Wagnis be­gehe, Ernst Wiechert als Dichter meines liebsten Buches zuwählen, ihn, den Verfemten und Verlassenen, dem man dieFlucht aus dem "Lande des Hasses" vorwirft. Darf man inn,der unsagbar gelitten, der an dem Ungeist der Zeit, an derKulturlosigkeit und Verrohung unserer Epoche zerbrochenist, verurteilen? Kann man dieses Urteil auf sein Schaffen,ein Stück seines genialen Geistes, einen Teil seiner Seele aus­dehnen? Nein, ich kann ihm nur danken für seine Werke,die mich mit ihrer .. tiefen Mensdlli<hkeit, ihrer qeduldiaen Güteund ihrer gelassenen Weisheit" in eine Welt des geistigen,religiösen und oft beinahe mystischen Denkens führen. Ichwähle meinen Dichter und damit sein Werk. die Krönungseines Schaffens: "Missa sine nomine". Namenlose Messe.

Warum ist es mein liebstes Bum? Weil der Dichter sich miröHnet, weil er mich d':lfch sein Werk zu sich selbst führt, weiler sich mir offenbart in seiner eigensten Art, weil er sich anjeden wendet, an dich, an mich, an die Jugend. Er sprichtnicht aus einem ruhigen oder malten, aber auch nicht auseinem zornigen Herzen, sondern wie er selbst in einem Gleich~

nis sagt: "Denn wer zur Jugend mit einem matten Her7ensprechen wollte, wäre gleich einem Manne, der ein StückHolz mit Watte umwickelt und damit aus einem Stein Feuer

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zu sdllagen versudlt. So will idl also aus einem unruhigenHerzen zu Ihnen spremen, und nur die Ordnung, in der ichzu lhnen sprechen will, soll von dieser Unruhe nicht berührtwerden..... _

Ich fühle aus seYnem Werke - und darum liebe im es -,daß er sich dem Papier nicht um des Ruhmes oder Dom ver·gänglidlerer Dinge willen anvertraut, sondern, wie er selbsteinmal gesagt hat, weil er zu den Menschen gehört, die mitden Dingen des Lebens eine Verwandlung vornehmen müssen,um sie in ihr Srnicksal einreihen zu können. Idl liebe meinBuch. weil ich in ihm zwe,i der schönsten Arten deutseber Dich­tung vereinigt sehe, die Scbwermut und den Glanz des Mär­chens und die große Epik der "Jerominkinder"j kurz, weil ichin ihm etnen Hauch desseQ. verspüre, was der unglücklichstealter Dichter, Hölderlin, in die stolzen Worte kleidet: "Wasbleibt, stiften die Dichter." -

Die "Namenlose Messe'" zieht midl durdl ihre schlichte,feine Sprache in ihren Bann. Die Sprache des Didlters ist seineSeele, und ihr etwas sdlwermüliger Klang nimmt mjdl gefan­gen und berührt mich leise mit dem Haum des Unvergäng·lichen. Ich liebe mein Buch und damit seinen Dimter, weil erder Jugend, weil er mir durch sein Werk die große ethisdteVerpflichtung auferlegt: "das Stille zu bewahren, das Müdezu erneuern, das Große zu verehren, das Leidende zu lieben."

Uwe WolfL 0 In a 1.

Henry Benrath ist der Dichter meines Buches, der Kündergroßer Kaiserinnen. Aus gewaltiger Seelenkraft, in ergrei­fender Schönheit und Tiefe, vollendet im strömenden Wort,läßt er das erhabene Schicksal einer edlen Frau vor unssich vollenden, das Schicksal der Kaiserin Galla Placidia. Indiesem Werk gestaltet der Dichter das Leben einer über­ragenden Frau, die an der Verrohung ihrer Zeit, an denfurchtbaren Wirren der Völkerwanderung nicht zerbradl,die in tiefer Menschlichkeit ihre Aufgabe als Kaiserin desweströmisrnen Reiches erfüllte und dann sich zurückzog indas Alleinsein mit Gott. Noch heute, über fast zwei Jahr­tausende hinweg, läßt uns eine hohe Kunst der Schilderungunmittelbaren Anteil nehmen an ihren Wünschen, Hoff­nungen und Leiden, an ihrer Tmuer und Einsamkeit.Ihr hohes Schicksal kommt zum Ausdruck in wunder­barer sprachlidler Meisterschaft, welche nicht besser gewür­digt werden kann als durch das Bekenntnis tiefster Ergriffen­heit. Benrath hat das Leben dieser Frau nicht beschrieben.sondern gedeutet, ist vorgestoßen an die Geheimnisse ihresWesens, in die Tiefen ihrer Seele, welche die große---l.ehreder Stoa "Nec spe, nec metu· erkannt hat und verehrt.

Der Dichter, Meister im Gestalten von Persönlichkeiten,sieht die unruhigen politischen Wirren unerhört klar undeindeutig, weiß die großartige Feierlichkeit einer Basilikaergreifend zu vermitteln; doch entscheidend bleibt letzthinimmer wieder die Reife und Schöne, die Wahrheit in derBewegung aller Gestalten. So läßt der Dichter eine Szenenam der anderen auf der Weltbühne vor uns abrollen, er­barmungslos-folgerichtig, zwingend und erschütternd. Dasgehobene Menschentum Galla Placidias aber tritt mamtvollhervor aus dem unwürdigen Chaos von Verderbnis, DIut undUntergang einer vergehenden Welt. Die Germanen er­sdlültern das Imperium, überschwemmen das Riesenreid"lund halten furchtbares Geridlt über die entarteten Völker.Und Galla Placidia geht den einsamen Weg aller Größen.Mancher zerbricht, doch sie trägt das Scb:were schweigend,unbeirrb'ar, groß und wissend geworden im Leid. Man möchtedie Worte eines unserer Denker über das Leben der Kaiserinsetzen: ~Nur wenige Menschen unter den Massen einesZeitalters sind ausersehen, ein Schicksal zu haben. Mag esstolz oder grausig sein, es ist beschieden, also Gnade. Ver­dienst wird es für den einzelnen erst, wenn er größer· ist alsdas Schicksal.· Die Spradle des Dimters klingt mir wie stolzeMusik in erhabener Trauer und leiser, ganz feiner Schwermut.Doch diese Trauer hat nichts Niederdrückendes, sie klingterhebend in ihrer Eindringlichkeit und ernsten Schönheit.

Das Werk des Dichters ist nicht Bericht und nicht nurDichtung, es ist Bekenntnis: Bekenntnis zu den unverlier­baren' Werten des wahren Menschseins, die Tröstung ge­währen, Zerbrochenes aufrichten, Müdes beleben und dieErkenntnis des Leides der ganzen Menschheit, das Wissenum das Verhängnis des Daseins, tragen lassen. Benrath er­hellte die Nacht der Vergessenheit um die letzte großeFrauengestalt der Antike. Schweigsam weist Galla Placidiains Unermeßliche, das Dltn~el vertreibend, das Chaos zwin~

gend. In ernster Hingabe vollendet der Dichter sein Werk,läßt Worte werden, was ihn bewegt, mahnend und wissend.

0, Lent 0, IU. a'.

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Magiscbe Quadrate

Unter dem Vorsitz des Regierungsdirektors M ö h 1man nbestanden am 26. September 1950 ihr Abitur:

Amend. ErirnPol e s k e. HorstW i t t ern, JÖrn.

Sie treten damit in die große Sdtar der "Ehemaligen" ein.Am 12. März 1950 versammelten sich am Tage der 20jährigenWiederkehr der Reifeprüfung die Abiturienten aus demJahre 1930. Sie besichtigten ihre alte Schule mit den vertrau­ten Räumen. Erlebnisse wurden wach. Sie plauderten vonihren früheren Lehrern und erinnerten sich ganz besondersihres damaligen sehr verehrten Direktors R 0 sen t haI. IhrKlassenlehrer während vieler entscheidender Schuljahre undheutiger Oberstudienrat, Dr. Mag TI U s, sprach zu ihnen:

Meine lieben Abiturienten des Jahres 19301Wenn id::1 Sie hier alle, die Sie den Gedenktag Ihrer vor

20 Jahren abgelegten Abiturientenprüfunq feiern, in so wür­diger Haltung vor mir sehe. dann beschleimt mich - ichkanD's nicht leugnen - ein gewisses Gefühl der Wehmut.Denken dom wir alten Lehrer des Katharineums daran. wie imLaufe der Jahre eineGeneration nam der anderen an unseremAuoe vorüberzieht, um im Leben unseres Volkes ihren Mann zustehen und Zeugnis abzulegen dafür, was ihre einstiqe Schuleihr an geistigem Rüstzeug und charakterlichen Werten mitauf den Weg qegeben hat. Und wir haben jedesmal das Emp­finden. als möchten wir mit unseren Schülern noch eine Zeit­lanq beisammen bleiben. um die Gemeinschaft weiter zufestigen, die sich ja eigentlich erst durch die letzte ab­schließende Zusammenarbeit im Sinne eines echten ötart()~

TrFpl Mou(fa~ T:FY1'"T:~''' erp-ibt. Und wir fragen uns immerwieder. ob wir selber wohl die rechten Mittel Qefunden haben,ihnen nicht nur die Grundlaaen mitzuaeben, die sie befähiQen.in . ihrem sp~teren Lebensberuf tatkräftig und mit ErlolgweiterzuarbeIten, sondern ob es uns gelunqen ist. sie mit demtieferen Sinn 'dessen, was wir gemeinsam betrieben, zu er­füllen: ob wir sie haben fühlen lassen, wie sehr es ein Ge­Ischenk der. Gnade ist. daß es uns verf:lönnt war. herahzu­steinen zu den Müllern und dessen tune zu werden. welcheBedeutung nimt nur die deutsche. sondern die Qp.samte abend­ländische Kultur für die Entwicklunq der Menschheit im~alten der Jahrhunderte gewonnen hat. Und wenn wirÄlteren allmählich spüren. in wel<nem Maße es uns zwarnimt an gutem Willen. wohl aber an Kräften fehlt. um unsfreizumachen von dem, was einst unseren eirrenen Idealenentsoromen hat, wenn wir empfinden. wie schwer es unswird. uns selbst in eine völIiq veränderte Welt hinein7ufin­den und doch als Persönlichkeiten in unersd::1ütterlicher Sicher­heit. führenrl lind richtunaaebend. rlanlstphp.n. ~n hanqt unswohl manchmal selber ob unserer eigenen Herrlichkeit. AuchIhre Jugend und Mannesiahre, meine lieben iunqen Freunde,fielen in jenen Zeitabschnitt. der uns, ich mÖchte saqen, seitnunmehr 36 Jahren von einer Katastrophe in die andere hattaumeln lassen. Uberzeuqt davon. daß unsere Same gerechtwar, erlebten wi,r den ersten Weltkrieg und konnten es nimtfassen, daß unser stolzes. von Bismardr in seinen Fundamen­ten so sicher gegründetes deutsmes Vaterland zusammen­gebrochen und zum Spielball fremder Mädtte geworden war.Aber nomlebte und wachte in uns so viel wertvolles Erbqut,daß es uns scheinbar gelang, über Erwarten schnell trotz -desungeheuren Blutverlustes. den unser Volk gezollt hatte. wie­der zu geordneten Verhältnissen zu kommen. Und wir schau­ten sehnsüchtig danach aus, daß man audi draußen Verständ­nis ~ew~nne f.ür unse~e nom immer schwer bedrohte Lage.Beyelts ~ler zelqte e~-slch,daß es ein Irrtum sei. zu q1aubp n. ein~neg konne den Volkern der WeIt, die durm handelspoli­tIsche, kulturelle und zivilisatorische Bande verknüpft unddurch die moderne Ted::1nik aufs engste miteinander ver­flochten sind, letzen Endes zum Segen gereichen. So fielen

Natürlich kann man sich auch magische Quadrate mit 16,25 usw. Feldern ausdenken. Bekannt ist z. B. ein Quadrat.d~s Dürer auf seinem Sticb ..Melencolia" bringt. Es enthältdie ersten sechzehn Zahlen und die beiden Zahlen unten inder Mitte geben das Entstehungsjahr des Stiches 1514 an.

16 3 2 135 10 11 89 6 7 I 124 15 14 1

K.-H. Wilms.

Abitur

691032546

1026549

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VieBeidll ist dem einen oder anderen schon einmal in derKatbarinenkirdte ein Epitaph aufgefallen, auf dessen Seiten­f1.ügeln a~en Zah.len in quadralisdter Anordnung zu sehensmd. Es hangt am dritten südlichen Wandpfeiler; beim Näher.kommen bemerkt man, daß das Mittelstück des Altarschreinsentfernt ~orden ist. Aus UberIieferungen weiß man, daß auch.­darauf e,m Zahlenquadrat gestanden hat. Es ist für uns be­sonders mteressant, daß der Stifter des Epitaphs Schreib- undRechenmeister am Katharineum war. Er hieß Arnold Möllerund lebte von 1581 bis 1655. - Wir wollen untersuchen wases mit den Zahlen für eine Bewandtnis hat. Schauen wir sieuns etwas genauer aOj wir finden:

oatus anno scripsit anno880 267 434 984'/, 162 504'/,

81 527 973 und 70 550'/, 1030620 787 174 596'/, 938'/, 116

Sicher sollen die Zahlen auf der linken Seite das Geburts­jahr des Verfassers, die Zahlen auf der rernten Seite dasEntstehungsjahr dieses Quadrates angeben. Diese Jahres­za~len ergeben sich. wenn man je drei Zahlen, die in einetZetle. Spalte oder Diagonale stehen, zusammenzählt. Manerhält also adttmal in jedem Fall die gleiche Zahl, nämlich15.81 bzw. 1651. Eine. quadratische Anordnung von Zahlenmit der genannten ElgensdIaft nennt man ein magischesQuadrat. - Auf dem Mittelfeld des Epitaphs war folgendesQuadrat zu sehen:

55266

1029

Hier ist 1647 die Summe, die Möller darstellen will. Das istvielleicht wieder das Jahr, in dem dies Quadrat geschriebenworden ist. Bevor wir uns nun etwas näher mit dem magi­schen Quadrat befassen, möchre ich den netten Spruch zitie­ren, den Arnold Möller auf seinem Grabstein hauen ließ:

Allhier sich endet uns're Zeit,Und ist ein Schritt.zur Ewigkeit.Wer seine Zeit nun wohl verbracht,Der ist erfreut. wenn er erwacht.Dies Arnold Möller schrieb zuletzt,Der chrisUich in dies Grab gesetzt.

An dem magismen Quadrat auf dem Epitaph von ArnoldMöller. das sich auf dem rechten Seitenflügel befindet, fälltauf, daß es gemischte Zahlen enthält: 984!/,. 5501/, usw. Dasgibt uns einen Hinweis, der uns in die Lage versetzt, aummagische Quadrate herzustellen. Alle gemischten Zahlen ent­halten die 3 im Nenner. Natürlich: im linken und mittlerenQuadrat sind die Jahreszahlen. die Möller darzustellenwünscht, durch drei teilbar, für das rernte Quadrat trifft dasnicht zu. Führen wir die Division durch, so erhalten wir derReihe nach 527, 549 und 5501/3. Diese Zahlen kommen uns be­lcannt vor; sie stehen jedesmal im Mittelfeld des Qlladrates,aus dem sie beredmet worden sind. Sollte das ein Zufall sein?Dom wohl kauml Es läßt sich mit den Anfangsgründen derAlgebra und mit einem klaren Kopf leimt beweisen, daß dieZahl im Mittelfeld gleich dem dritten Teil der Zahl sein muß,die man darzustellen wünscht. Man mamt nur von der Eigen­smaft der magischen Quadrate Gebraum.

Durch diese Erkenntnis ist jeder leicht in der Lage, magischeQuadrate in beliebiger Zahl herzustellen. Man hat nur dar­auf ~zu achten, daß die Zahl im Mitte;lfeld gleidl dem drittenTeil der Zahl ist. die man darzustellen wünsmt. Zwei weitereZahlen kann man willkllrlich. wählen, es ist nur zweckmäßig,sie nicht beide in die gleiche Zeile oder Spalte des Quadratseinzuordnen, um ne!=Jative Zahlen zu vermeiden. Alles weitereergibt sidl widersprurnsfrei durm einfache Addition bzw. Sub­traktion. Führen wir das an einem Beispiel aus! Jemand istam 25. 11. 1908 geboren. Er mödlte 1908 durm ein magischesQuadrat darstellen und außerdem die Zahlen 25 und 11 ver­wenden. 25 setzt er links in die Ecke, 11 rechts außen in dieMitte. Den dritten Teil von 1908, also 636, setzt er in dasMittelfeld. Die übrigen sems Felder, besetzt er mit Zahlen,die sidl aus den drei vorhandenen zwangsläufig ergeben. Soerhält er: '

25 1233 6501262 636 11622 39 1247

Nadl dieser Darlegung ist es möglich, alle erdenklichen magi­schen Quadrate herzustellen, Das einfachste z, B. enthält dieZahlen von 1 bis 9.

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Ihre letzten Sdtuljahre in die Zeit der sdtwersten Wirtscbafts­krise, die mit dazu beigetragen hat, daß unser geplagtes Volkwiederum - und dieses Mal lief versdtuldet durcb Uberheb­lichkeit und Grausamkeit - den Weg des Leides gegangenist, der sdlIießIich zum bitteren Ende geführt hat. Nun stehenwü alle - umbrandet in Ost und West von neuen Gefahren,die uns endgülti~ zu zermalmen drohen - vor der qroßenAufgabe, den Mittler abzuaeben, unsere ganze Kraft, das.was uns heilig ist an menschIidlen Werten qeqenüber einemöden und seelenlosen Barbarismus, der die Würde der Persön·Iichkeit verachtet zuaunsten eines kollektivistisctlen M~sspn­

daseins, in die Waaqschale zu werfen, um in zähem Rinaenden Beweis zu erbrinqen, daß der Geist zuletzt doch über dieMaterie sieqt: daß Gott seiner nicht spotten läßt, daß es eineGemeinschaft der-Menschen nicht oeben k;,,"n und nicht qihl,die nidtt aufaehaut ist auf den tranenden Pfeilern der MpnsdJ.­tidlkeit. der hiIfreidten Nädlstenliebe. des Erbarmens u"d derEntäußerunq unserer selbst. Und aerade hierin. meine Hebenjunaen Freunde. so meine ich dom. werden Sie bewußt undunbewußt. emofunden haben. daß Sie einst durch eine dnist­lich und humanistisdl aeridltete Erziehuno aeformt wurdenund (I~" AUch Ihnen in den SHirmpn ripr Zpit (H""",p« unvprli~r-.

bare GI a u ben s out aar oftmals hinweo(feholfen hat üherdie Nöte des eioenen Herzens. Jenes Goethew()Tt: .. DAß imerkenne. was die Welt im Tnnersten zusammenhält". die Ver·bindunq qeistia·sittlicner Ziele im irdischen Bereich mit derEinordnunn in dip nöUlichp A.l1neaenwart l1t'1i1 npr f"""'ten Obor­zeuaunCl. daß audl in uns Gottes smönferisdle Kraft wirksamist. hat Sie davor bewahrt. an der Zukunft zu verzweifeln undeinem unfrudltharen Nihilismus zu verfallen. Immer mit demBlick anf ~das Urlidlt droben-, um nom einmal ein Goethe­senes Bild zu aehr8udten. haben Sie in tätiqem Handpln in­mitten Ihrer täolidlen Arbeit vorbildlidl gewirkt. und Threalte Schule darf Ihnen heute nom einmAl. wie am 10. März1930_ bezeuaen. daß sie stolz auf Sie j"t. Sie hahen wrnänn1idlae!"tanden am Steuer", als .. mit dem Sdliffe spielten Wind undWellen", und Sie werden aurn weiterhin in wahrhaft deut·smer Art, d. h. getragen von tiefstem Verantwortungsbewußt-

sein gegenüber unserem Volk und Vaterlande die Hand mitanlegen, um~ine bessere Zukunft für uns und unsere Nach­kommen zu gestalten. Gerade Sie haben zwei Jahrzehntehindurch nimt nur äußerlich, sondern durm innere Gemein­smaft verbunden, gezeigt. was wir alten Katharineer unterdem Beqriff einer .. ec:hten Tradition- verstehen. Jeder, der zuuns stößt, ob alt oder jung, möge ihrer teilhaftig werden, da­mit unsere Schar als Sauerteig wirke. bis dermaleinst "Einig­keit und Redlt und Freiheit" wiederum zum Unterpfand un­seres Glückes geworden sind. Dann werden alle die sc:hwerenOpfer, die unsere alte Schule und auch Ihre einstigen Mit­schüler qebradll haben, nicht veraebens gewesen sein! Ihnenin dankbarer Erinnerung einiqe Minuten des Schweigens zuwidmen, ist uns allen ein tiefes Bedürfnis.

Wir gedenken der gefallenen Kameraden:Gerhard BützowHeinrich FockeKarl FreseKarl Heinz HenkGeorq IlsemannWalter MöllerWendfried ScbindlerHeinz Stamer.

Niederdeutsches KrippensoielAudl in diesem Jahre wird die Spielschar unserer Schule

zur Adventszeit ~ihr" Niederdeutsmes Krippenspiel unterdem Lettner von St. AeQidien darbieten.

Die Aufführungen finden statt amFreitaq, -dem 15. Dezember, 18 UhrSonnabend, dem 16. Dezember. 18 UhrSonntag, dem 17. Dezember, 16 UhrDiestag. dem 19. Dezember. 18 Uhr.

Alle Sdtüler und ihre Eltern. sowie die Freunde des Katha·rineums sind herzlidJ. eingeladen. Der Eintritt«oreis beträgt0.50 DM. Karten im Vorverkauf sind in der Schule und beiWeiland ~md Robert erhältlich. FeX.

.... und diesmal radelte U2bs in die HeidelDienstaq. der 20. Juni 1950! ·EneWefl war es soweit. Am

KrankenhAUS O«t versammelte sidI dipUTTbs zu ihre..LzweitenoroRen Filhrt. Durch dip. schönsten Gebiete der Ll1n""huroerHeide sl"ll1te es ophen. Wipiler waTen PS unc:erp. bpidpn Cux­haven-~Fiihrer".Dr. Hpidrich und Dr. Wp;mar, dip eHe Vorhutbzw. Nachhut unserer lAnaae7nnenen Kolnnne hildete". Baldnatterten an unseren Rädern 30 Lübecker Wimpel im Morgen­wind.

Das ~alpmer Moor, auf dec:sen Mitte wir zwei oc:t,nrpußi­sehen Fliidltlin(fpn beim TnrfsteC"hen zusahfm. ein erfri",rh""n­des Bi'lc1 im idvllisch uelenp.nen Pinn!"oe. die l(;rmp. in Mi-\lll1mit ~Mejsler Till«" oriaillf'll""r vertikAler "Grahstätt""· llndseinem merkwürdimm ~Nachlaß" waren die PT"'t.en Meilen­steine unserer an Eindfllr1cen so iiherreid'tp'l Fahrt. Pannen,die uns auf un"erer vorfähriaen Reise zur Nord«ee c:ov;pl zuschaffen aemadtt hattf'n. WAren diec:mal äußprc:t !"eHen. Uher­dies waren unsere ~Fli,vkomm8nrlns" auf Draht. J\pj dpmherrlich fT""lefTenen Städtchen Lauenburg setzten wir über denbreiten Elbstrom.

Das nämste Ziel war Lünebura. Die Besiet1tiollna d""s Klo­sters V1ne, des RAfhausps und der Jnhanni"'kirme mit ihrenüberwältieTP.nden Kunstc:chätzen und der wpltbp1"llhmt~nBac:h­ornp1. die Führuna durm die Salinen. und der W""ithlick vomKalkberq aus werden allen stets in Erinnerung bleiben.

Auf (ip.r Fahrt in die eiQentliche Heide sahen wir in Schnf'riedie arößte Forellenzuchtanstalt Eurooas mit ihren üher 200Teidlen. die aus eier Luhe qe"oeist wernen. Die Anst~1t ist miteiner eigenen elektrisdlen Transportbahn ausaestattet. Wirdurften einer FiitterunQ beiwohnen upd die den Jahraänopnnam sortierten Fische, vom win:r.iaen Tier bis zur ausaewach­senen Forelle, beobachten. Nidlt die deutsme Bachforelle,sondern e'ine buntsdlillernde kanadisme Art wird hier ge­zÜChtet.

Und dann kam das NatursdlUtzaebiet um Wilsede undUndeloh mit seinen unberührten, stillen HeidefJädtpn, denWacholderbüschen und Birken und den weißen Sandpfaden,die das Land durchziehen. Der Totenqrund. diese aeheimnis­voll anmutende Schlucht, und das ,,l-Jannibalsorab· werdenallen unvergeßlich bleiben. Der 169 m hohe Wilseder Ber'lgestattete uns einen herrlidlen Rundblick bis weit über die

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Eibe hinaus, und das an seinem Fuße geleaene ~Niedersädt,>i­

sche Bauernhaus·, in dem sidt he.ute ein Heimatmll~eumbe·findet, bot uns ein interessantes Bild des Lebens der "Heid­ier" in früherer Zeit. Auch eine Heidsdtnuck.enherde, derenfrohes Geläute zu uns heriiberklang, bekamen wir beim Ab­sdJied aus Undeloh zu Gesiebt.

Von FaHingbostel aus besurnten wir die sieben Sfeinh~u,>er,

W.-hrzeichen qermanisdler Vorzeit. Nur fünf der Hünen·Qräber fanden wir noch vor; die beiden anderen sind schonlanae zerstört. 'Die ganze Klasse hatte auf einem der riesigenDecksteine Platz.

Das schön!"te Erlebnis war jedoch die Abendfeier em Grabeun!"eres 9rößten Heidedidlters, Hermann Löns, und die Be­sichtiguna seines Denkmals. Die Wasserratten untAr unskamen <'lHdI nom auf ihre Kosten. und so sah mAn die ge­samte U 11 bs in einer Flotte von Paddelbnotpn dpn WindunfTender Böhme folnen. Be'>onders auf der Fahrt über den Trnnoen­übunqsplatz MunsterlaCTer l'IAdl Lopau meinte es das Watlernicht aut mit uns. Ein Lidttbliri<: in woithrstem ~innp' des W"r­tes wurde auf dieser reoop:rischen Etapne d;e Enten7ndtl­anstalt bei BOcVllm von fast 9000 sdJnpeweiBqlän7pnrJen Mast­tieren. -deren Fleisch in qleicher We;se wie die Fpd""TD Qe­schiit7t ist, und die darum die Zucht lohn!'!n. Alle elf Wamenverläßt eine Entengeneration die Stätte ihres Aussdllüofens.

In Bar(lnwiek. der ältpc:;ten Hansp.stadt. besidJtiqten wir aufunserer Rückfahrt zur EIbe nach Geesthacht den newalti!l"enDom, der nach der Zerstörung der Stadt durc:h Heinric:h denLöwen als einziger Zeuge großer Vergangenheit erhaltengeblieben ist.

Ein Bohrturm an unserem Weae wurrJe audl noc:h ~mit­

genommen -. Genau verfolaten wi r den Fortgana der Arbei­ten, und einige nahmen sich s"aar kleine Mu'>dtelkalknrl"lbenals Andenken mit, die der Hohlhohrer gNade aus ?OOO mTiefe (l) zutaqe qefördert hatte. Nodl ein Besm;n in Breitpn­felde bei .. unserem- Bauern Burmeister, wo wir sdlon auf derHinfahrt so freundlich Aufnahme gefunden hatten, unrJ: baldbaraen UDS wieder dle vertrauten Mauern unserer Heimat­stadt. Eine überaus erei(misreic:he, schöne Fahrt von fast500 km hatte ihr Ende gefunden,

Klaus SdJaaf, U 11 bs

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Lelbesübung!n

Amateur- und BerufssportAuf einem unserer letzten Diskussionsabende stand das

Thema in etwas veränderter Form zur Debatte. Es lautetenämlid1.: Amateur~ oder Berufssport. Aus der am Schluß derDiskussion durchgeführten Abstimmung ergab sich, daß wederreiner Amateur- noch reiner Berufssporl die Mehrheit de'TStimmen erhielt, sondern daß sich die Me)uzahl der An­wesenden für ein Nebeneinander von Amateur- und Berufs­sport aussprachen. Auch ich hatte mich für das letztere ent­schieden und möchte hier einmal anführen, was mien ver­anlaßt hat, für Amateur u n cl Berufssport zu stimmen.

. Will man Amateur- und Berufssport gewissermaßen:: gegen­eiuander abwägen, so muß man von dem Wort ausgehen, dasheiden gemeinsam und gleichzeitig ihr Stamm ist, vom Sport.Frage: Was versteht man unter Sport'? Sport ist -ein Sammel­begriff für körperliche Ubungen jeder Art, die aus Freudeund Lust am Spiel und an der Kraft und Gewandtheit deseigenen Körpers getrieben werden. Die Ubungen erfordernKonzentration, Geistesgegenwart und Betätigung des Wil­lens. Sport wird entweder einzeln 'zur Körpergesundung oderzur Erziehung von Höchstleistungen getrieben oder in Grup­pen als Spiel und Kampf. Seine?'Bedeutung für die körper­liche Ertüchtigung entspricht sein ethischer Wert als Erzie­hung zur Kameradschaftlichkeit und zu einer unverbildetenoffenen menschlichen Haltung. Die Bedeutung des Sports gehtschon aus der Tatsache hervor, daß. er bei allen Völkern undzu allen Zeiten getrieben wurde, allerdings mit sehr unter­schiedlicher Bewertung,

Beim Amateursport steht es außer Frage, daß seine Ziele'die der körperlichen Ertüchtigung und der charakterlichen Er­ziehung sind, und es steht auch außer Frage, daß diese Zieleweitgehend erreicht werden. Auf den gesamten Amateur­sport übertrugen müsse das Leitwort gelten, das Baron Pierrede Coubertin, der Begründer der Olympischen Spiele, für dieOlympiade 1936 in Berlin gab:

~Sinn Olympischer Spjele ist nidlt Sieg, sondern Teilnahme,Ziel nicht Kampf, sondern Ritterlichkeit,.,

Es wird oft angeführt, daß der Amateursport weite Kreise desVolkes erfaßt und daß dadurch sein Wert wesentlich höhereinzuschätzen sei als der des Berufssports, der nur von weni­gen und ausgesuchten Sportlern ausgeübt wird. Selbstver­ständlich ist es richtig, daß der Sport möglichst weite Kreiseerfassen muß, aber man darf nicht vergessen, daß der Berufs­sport eine ungeheure Werbung bedeutet und daß die Höheseiner Leistung (ganz natürlidl) im allgemeinen als Vorbildund Ansporn für den Amateursport gelten darf. Eine solcheLeistungshöhe wird aber nur von einer verhältnismäßig ge­ringen Anzahl von Sportlern erreicht. Hierbei wird die Frageberührt, soll es auch einen Leistungssport geben oder nur

. einen Spielsport1 Idl weiß, daß sich viele entsdlieden für dasletztere einsetzen, Im glaube, ich spreche keine allzu großeWeisheit aus, wenn ich sage, daß der Spielsport zwangs­läufig zu einem Leistungssport führt. Einesteils ziehe ich denLeistungssportler vor, denn er isl derjenige, der sich stärkerkonzentrieren vermag, der eine größere Geistesgegenwartbesitzt und ist nicht zuletzt der größere Willensmensch. Hinzukommt noch, daß es wohl kaum jemals einen Sportler mitTalent und Anlagen gegeben hat, der sich nicht dem Lei­stungssport zugewandt hätte. Anderenfalls verdient einesportlime Betätigung, aum wenn keine besondere Begabungvorhanden ist, höchste A~erkennung, zeigt sie dom, daß mannicht gleich ein Fritz Walter oder von Cramm zu sein braucht,um Fußball bzw. Tennis zu spielen.

Man sagt, der Amateursport werde aus ideellen Gründen,der Berufssport nur aus Gründen des Gelderwerbs betrieben,und man ist geneigt, dem Berufssport immer etwas Negativesanzuhängen, Ich bin der Ansicht, daß ein Sportler, solange erden Zielen und dem Sinn des Sportes dient, ruhig für ent~

sprechende Lei}tungen bezahlt werden, darf. Ein Beispiel:Gäbe es keiJ}f!n Berufssport, wer hätte jemals ein Schau­laufen der Bayers oder einen Tenniskampf zwismen Nüßleinund Rott gesehen'? Doch wohl nur wenige Begüterte, die aufGrund ihres Geldes durch den Besuch der Sportler in ihrenHeimatorten in den Genuß solcher einzigartigen Sportleistun­gen kommen können.

Eine Teilnahme an salmen Veranstaltungen aber darf nichtein Privileg weniger sein, sondern muß allen Sportlern mög­lich sein, und um das möglich zu machen, muß es einen Be­rufssport geben. Und noch etwas: e..l1e Turnlehrer an den

Schulen sind doch mehr oder minder Berufssportler, wer aberverübelt ihnen, daß sie, sei es, daß sie Sportlehrer aus ide­ellen oder auch materiellen Gründen 'wurden, mit Hilfe desSports Geld verdienen? Darf man überhaupt jemanden ver­wehren, seine Begabung auszunutzen, wenn sie nicht nureiner Sache nicht entgegensteht, sondern sie sogar in höch­stem Maße fördert'? Ein Beispiel, wie sehr ideelle Gründebeim Berufssport überwiegen können: Ein bekannter amerika­nischer Baseballspieler, der von einem Journalisten gefragtw~rd.e, als er sich wieder mal einen frm gebrochen hatte, derW'levlelte Bruch das denn nun schon sei in seiner Spor tIer­laufbahn, und ob er denn nun nicht den Sport aufgeben woLle,antwortete, seine Beine habe er sich schon 23mal, den linkenArm 21mal und den rechten 25mal gebrochen. Deswegen seier 'fechts auch etwas schwächer als links, aber seinen Sportaufgeben, daran denke er gar nidlt. Dabei verdient dieserMann mehr als der Präsident der Vereinigten Staaten undhätte es bestimmt nicht nötig, auch nur eine einzige Sa-isonweiterzuspielenl

Leider gibj: es auch eine ganze Reihe von Sportlern, dienicht weder aus ideellen Gründen Profis wurden noch übereine entsprechende Leistungsfähigkeit verfügen, Als Beisp"ielmögen die Damenringkampfkonkurrenzen gelten. Bei ihnenkann man weder von Idealismus noch von charakterlicher Er·rziehung sprechen. Wer ein Ge!=Jner des Berufssports ist,müßte notgedrungen mit diesen Damenringkampfkonkurren­zen die Schauläufe der B.aYers, die Tennismatche der Berufs­weltmeister Kramer, Budge und Gonzales sowie Fußball­spiele deutscher und en'glischer Spitzenmannschaften gleich­stellen, Das a~er wäre wohl doch etwas kraß I Man sieht, daßman auch ZWIschen Berufssport und Berufssport nodi einenUnterschied machen muß,

Daß der Berufssport Fehler besitzt, die unbedingt aus­gemerzt werden müssen, unterliegt keinem Zweifel. Eine be­sonders große Gefahr besteht beim Fußball. Durch die Ein­führung des Profifußballs auf breiter Basis besteht einmal dieGefahr, daß Spieler Profis werden, ohne ein entsprechendesLeistungsniveau zu besitzen, und zum anderen, daß kleinereVereine ihre Jugendarbeit vernachlässigen müssen, weil ihreEinnahmen gerade zur Deckung der Kosten ihrer Vertrags·spielermannschaft ausreichen. Diese Gefahr besteht aber nurbei Vereinen, die nicht über eine entsprechende Zahl vonZuschauern verfügen, Bei wenigen, dafür aber größeren Profi­vereinen dagegen wird die Jugendarbeit keineswegs unterder Berufsspielermannschaft leiden. Ich glaube aum, daß mangerade bei uns in Deutschland herrschende Mißstände im Be·ruissport insofern etwas entschUldigen muß, als Deutschlandmit der Einführung des Berufsfußballers (der h.a.uptsächlichsteAngriffspunkt) noch in den Kinderschuhen steckt und daherauch die nun einmal dazugehörigen Kinderkrankheiten über­wunden werden müssen, und zum anderen durch die Nach­kriegswirren viele zum Berufssport gekommen sind (Boxen),deren Niveau unter normalen Umständen niemals einen Uber­tritt ins Profilager 'erlaubt hätte. Zu den noch herrschendenMißständen zähle ich auch das System des Vertragsspielers,der neben seiner Bezahlung noch einen Arbeitsplatz innehatund dadurch gerade zu einem in der heutigen Zeit nicht trag­baren Doppelverdiener wird, Hat man nun smon einmal den:Veg zum Profifußballer beschritten, sollte man nicht zögern,Ihn zu Ende zu gehen und die Einführung des Vollprofi nid1tlange ~uf sich warten la·ssen.

Wenn man von den im Berufssport herrschenden auszumer­zenden Mißständen spricht, so gilt das auch für den Amateur­sport. Erinnert sei nur an die immer wieder vorkommendenSpielerziehungen und unberechtigten Spesen. Nicht geradefür den Sport werbend ist auch das an allen Anschlagsäulenprangende Wort: Sport-Toto. Man fragt sich vergeblich, wasdenn an dem Toto sportlich ist, und muß erkennen, daß derSport von den Wettgesellschaften nur als das Aushängeschildbenutzt wird, um ihre Werbung zug~räftigerzu, gestalten.

Die hier und da herrschenden Mißstände können aber neichtdarüber hinwegtäuschen, daß der Sport eine große Aufgabevollführt. Dem Berufssport kommt dabei auf Grund seinerhöheren Leistungsstufe die Werbung zu, Diese muß von weni­gen, darum um so spezialisierten Sportlern durchgeführt wer­den. Dem Amateursport obliegt es, die körperliche Ertüchti­gung und die Erziehung zur Kameradschaftlichke"it und Hal­tung auf möglichst breiter Basis durchzuführen, A~f dieseWeise dienen Amateur- und Berufssport dem großen Ganzen,Seiden aber gilt als heiligstes Gebot die Fairneß,

Arne Deichmann, 0 I bs

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Page 8: J:)AS KATHARINEUM · 2007. 8. 28. · dung zur Reifeprüfung: "Von Coethe zu Spinozas Pantheis· mus gelangte ich dank der exakten Naturwissenschaften und der monistischen Lehre immer

Bestenliste 1950:100 m, Krause .11,8 (U I b)400 m, Krause 53,0 (V I b)

1500m, Schröder 4,16,8 (0 Ibm)Hochsprung: Langemadc 1,64 m (0 I b s)Weitsprung: Simon 5,40 (U n b mlKugel (5 kg), Weise 12,18 m (0 I a)Speer (800 g), Jordan 39.98 m ( U I'b)Diskus (1.5 kg), Schwarz 33,76 m (0 1 b m)

Staffeln:

tOX100-m-Staffel für Quarten: 4 b 2 (2:31,8)10Xl00-m-Staffel für Untertertien: U III b 2 (2:19,8)10XtOO-m-Staffel für Obertertien: 0 III a 1 (2:11,9)4X tOO-m·Staffel für Sekunden u. Primen: U II b s (49,5 Sek.)

Die Bestzeit unserer Sdlulstaffel 4Xl00 m betrug 47,1 Sek.

K1. Galley

geredlnet im Wettkampfmonat September auf unseren besten(knieverletzten) Sprinter verzicbten mußten. Das kostete unsin der großen Kraftprobe, dem Schulvergleichskampf, nidltnur auf der 100-m·Stredte, sondern in weit größerem Maßein der Sprintstaffel kostbare Punkte. Wenn wir im Schul­vergleicbskampf der höheren Sdlulen Scbleswig-Hoisteinsunter zwölf teilnehmenden Schulen trotzdem den fünftenPlatz belegten und nur durch eine Fehlentscheidung desKampfgerichte~- unsere l00-m-Staffel wurde klar behindert- diesmal hinter dem Johanneum rangierten, so spricht daswohl eindeutig für den hervorragenden Einsatz unserer Wett·kämpfer. Allen gebührt ein Lobl Einige von ihnen erreichtenpersönliche Bestle"istungen, so Krause (U I b), der die 400 min der Tagesbestzeit von -53,0 Sek. lief.

Beim Jugendfest der Lübedter Schulen, auf dem leichtathle­tische Mehrkämpfe und Staffeln mit großen Teilnehmer­zahlen zum Austrag kamen, schnitten wir in der Gesamt­wertung ebenfalls nicht so günstig ab wie im Vorjahre. (Wirhaben leider im Augenblick keine überragenden Mehrkämp­fer und sind audl in unserer Leistungsspitze zahJenmäßrigzu schwadlI) So gewannen wir in diesem Jahre keine Staffelund s~ellten auch in den Mehrkämpfen bedauerlidlerweisekeinen ersten Sieger. Aber zwei zweite und zwei dritte Siegein den Staffeln, 70 Sieger in den Mehrkämpfen auf sehr guten,guten und mittleren Plätzen waren die Ausbeute des Katha­rineums auf dieser vom Amt für Leibesübungen durchgeführ­ten Großveranst,altung der Lübecker Sd:1Ulen.

Erfolgreichste Mehrkämpfer der Schule dieser Ve!anstal·tung:Jahrgang 1932, Slmon, U 11 b m (2. Platz)

Willer, 0 1I a (5. Platz)Jahrgang 1935: Krause, 0 III a 1 (2. Platz)

Schäfer, 0 1JI a 1 (4. Ptatz)Jahrgang 1931 und älter: Wiedermann, 0 Ibm (5. Platz)

Unsere beiden internen Schulsportveranstaltungen standenwitterungsmäßig unter einem ungünsU,.gen Stern. Ganz' imGegensatz zum strahlenden Sommerwetter des Vorjahres be·kamen wir diesmal in Israelsdorf mitten in den Primaner­fünfkampf sehr starken Regen, der die Leistungen stark be·hinderte. Schulsieger des Primanerfünfkampfes wurde RudoltBräsen, U I a, der nach einem erbitterten Ringkampf GünterWarnemünde, U I b, besiegte. Der Name des Siegers wurdeauf die Ehrentafel der Schule aufgenommen.

Unser Schulsportfest fiel am festgesetzten Tage völlig insWasser. Wir mußten es verlegen, konnten aber den Buniams­hof nicht mehr ganztägig erhalten und mußten uns auf einerNachmittagsveranstaltung mit der Durchführung von Einzel­meisterschaften, Staffeln und zwei Spielen begnügen. DasFaustballspiel Lehrer - Schiller ( 0 I b s) um den vom Lehrer­kollegium gestifteten Wanderpreis endete 40:29 für die Leh­rer. Auch das Fußballspiel Lehrer - Schüler (0 I a) wurde 5:1von den Lehrern gewonnen.

Die JahresbestenJiste 1950 unserer Sdlule sieht nach denbei unseren Scbulmeistersdlaften und dem Schulvergleicbs.kampf der höheren Sdmlen gezeigten Leistungen folgender­maßen aus:

Das Leichtalhletikjahr 1950 ist zu Ende gegangen. UnsereLeimtathJeten haben ihre Spikes für den Winter eingefettet,und im Schulsport haben wir den Sportplatz mit der Hallevertausmt. Jetzt ist es an der Zeit, einen kurzen RüdtblickauI die sportlichen Veranstaltungen der Schule und vor allenDingen auf unsere Leistungen zu tun. Als wir im vergange­nen JatlJ'1e an gleicher Stelle diese Frage behandelten, konntenwir eine günstigere Bilanz ziehen als in diesem Jahre. Ja, wirkonnten damals die berechtigte Hoffnung aussprechen, imJahre 1950 noch besser abzusdlneiden als im Jahre 1949. Da­mals konnten wir allerdings noch nicht ahnen, daß wir Ostern1950 durch. Umzug und Ab.gang einige unserer hervorragend­sten Sportler verlieren würden" Hinzu kam, daß wir aus-

Das Katharineum scheint bei sportlichen Veransta1tunge~

ein Dauerabonnement für den dritten Platz zu"'besitzen; dennseit langer Zeit konnten wir nur die Letzten b~i dem Ve!­gleichskampf der drei höheren Schulen .s,:in. Dam~t soll~n d~ezum Teil hervorragenden Leistungen eIniger Schuler mehl 10

den Schatten gestellt werden; aber sie konnten den großenVorsprung der anderen Sdlulen nidJ.l einholen.

Woran liegt nun dieser Mangel an Leistungen nicht nur b~i

Sportfesten, sondern auch in den Turnstunden1 Haben wiruns, unseres Namens getreu, auf das geistige Trapez ge·smwungen. um das sportliche verrosten zu lassen? Fast i~erbekommt man als Antwort, daß wir als Gymnasium ja mehrGewicht auf die Wissenschaften zu legen haben. Das ist durch­aus richtig; aber heißt das denn, daß wir uns vom Sport ganzfernhalten sol~en1 In einer einseitigen Spezialisierung kanndom gar kein Nutzen liegen. Dabei werden die schwachensportlichen Leistungen des Gymnasiums zum größten Teildurch die besseren der Obersdlule gar nimt bekannt. So stehtdas Katharineum als Ganzes Jloch einigermaßen gut da. Müßtedei Gymnasialzweig getrennt von der Oberschule in Kon·kurrenz treten, würde man bei weitem furchtbarere Ent­dedcungen mad:1enl

Als zweiter Grund gilt allgemein die knappe Zuteilungder Turnstunden. Er mag gewisse Berechtigung haben; aberwir konnten auch im .Dritten Reich·, in dem wir mit Turn­stunden reichlich gesegnet waren, nicht viel bessere Ergeb·nisse erzielen. Folglich können wir uD:i nicht hinter diesemVorwand verschanzen. Die Hauptschuld liegt bei uns selbst!Dies wird sid1 auch jeder bei einiger Selbsterkenntnis sagenmüssen. ,

Wir bringen zum großen Teil dem Sport gegenüber einengeistigen Snobismus auf, der in den anderen Schulen fehltoder nicht so kraß zutage tritt. Aber es ist bequem, sichhinter eine althergebrachte Tatsafhe zu stellen, für die mannicht als Stbuldiger einstehen muß.

Für viele von uns ist ein Sportler, der auf seine Rekordeversteift ist, ein Greuel! Aber Rekorde wollen wir auch garnicht erzielen. Wir sollten den Sport als einen willkommenenAusgleich ansehen. Wenn wir zu dieser Erkenntnis gelangtsind, könnten wir auch mit besseren Leistungen rechnen.

Bereits in der Sexta setzt die Zersplitterung ein. Die Bestenstehen überlegen im Sport da, der .Mittelstand· eignet sichbald die Einstellung der älteren Jahrgänge an, und die Schwa­chen fallen aus, weil fast immer ein schlechter Turner einZiel des Spottes und der Hänseleien ist. Daß daralls eine aus­gesprodlene Abneig'ung gegen den Sport erwäcbst, ist zuverstehen. Mancher, der zuerst noch guten Willen besaß, jgtso arg enttäuscbt worden.

Einen .Alten· wird man wohl kaum n~ch zu einer anderenEinstellung bewegen können, aber mögen unsere Quartanerund Tertianer einen neuen Anfang und damit auch den Wegzu besseren Leistungen finden!

(Von einem, der auch kein .Sportler" ist) H. G.

Könnte das KatharlneUJDIn den Leibesübungen mehr leisten?

Unsere Leidllathleten im Sommer .1950

Herausgegeben und verantwortlidl tür den lnhalt: Studienrat C. Woeste, Studienrat Dr. Lemke

Drude: Lubedeer Naduldlten G. m. b. H .• Ll1beck

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