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Jasmin Tabatabai ein Film von Angelina Maccarone

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Page 1: Jasmin Tabatabai · Interview Angelina Maccarone (Regie) Wie entstand die Idee zu „Fremde Haut“? Kamerafrau Judith Kaufmann und ich kennen uns schon lange durch unsere gemeinsame

Jasmin Tabatabai

ein Film von Angelina Maccarone

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Fremde Haut

Verleih

Ventura FilmBoxhagener Straße 18 · D-10245 BerlinTel. 030.283 65 30 · Fax 030.283 65 [email protected] · www.ventura-film.de

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Ein Film von

Angelica Maccarone

D/A 2005,

Deutsch/Farsi

mit deutschen UT,

97min., 35mm,

Farbe, 1:1,85,

Dolby Digital

Jasmin Tabatabai

Fremde Haut

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Politisches Drama, bewegende Liebesgeschichte undungeschminkte deutsche Wirklichkeit. In „FremdeHaut“ erzählt Angelina Maccarone mit großer Genauig-keit von Entwurzelung und Sehnsucht nach Identität,von unmöglicher Liebe in Zeiten von Exil und Verfol-gung, vom unbeugsamen Willen einer Frau, ihren Platzim Leben zu finden, anzukommen – in einem anderenLand, einer anderen Kultur, einer neuen Liebe. Sie ist ei-ne Kämpferin und will leben, nicht nur überleben.„Fremde Haut“ beeindruckt mit Jasmin Tabatabais gro-ßer schauspielerischer Leistung, geht in seiner radika-len Intensität unter die Haut und schmerzt durch eineseltene Wahrhaftigkeit.

Sie ist jung, sie ist schön, sie ist intelligent. Und sieliebt Frauen. Dafür droht der Dolmetscherin Fariba (Jas-min Tabatabai) in ihrem Heimatland Iran die Todesstrafe.Nachdem ihr lesbisches Verhältnis von unerbittlichenSittenwächtern entdeckt wurde, flieht sie nachDeutschland. Nach Ablehnung ihres Asylantrages am

Flughafen Frank-furt droht ihr dieAbschiebung. DerSelbstmord einesiranischen Mitin-sassen (Navid Akha-van) eröffnet ihreinen Ausweg ausder verzweifeltenSituation: Faribanimmt seine Iden-tität an und erhältals Siamak Musta-fai eine vorüberge-

hende Aufenthaltsgenehmigung in der schwäbischenProvinz. Die kultivierte Großstädterin in fremder Hautlandet in einem kleinen Kaff. Sie kennt Deutschland ausder Literatur – auf Sielmingen ist sie nicht vorbereitet.

Sie spricht wie ein Mann, geht wie ein Mann, gibt sichwie ein Mann. Und will nur eins: ihre weibliche Identi-tät zurück. Um einen falschen Pass bezahlen zu können,arbeitet sie illegal in einer Sauerkrautfabrik und lerntAnne (Anneke Kim Sarnau) kennen, eine junge Kollegin.Die findet Gefallen an dem seltsamen Fremden. Faribakann nicht widerstehen, zögert aber, ihren Gefühlennachzugeben, um ihre Siamak-Fassade nicht zu gefähr-den; dann offenbart sie ihr Geheimnis und das Glückscheint zum Greifen nah

PRESSENOTIZ

KURZINHALT

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LANGINHALT

„Verehrte Fluggäste. Soeben haben wir die Grenzeüberflogen.“ Kaum ist die Ansage verstummt, legen ei-nige Frauen im Flugzeug ihr Kopftuch ab. Denn es gehtüber die Grenze des Iran zum Rest der Welt. Auch diejunge Fariba (Jasmin Tabatabai) steht auf und geht zurToilette. Sie wickelt den Schador um den Rauchmelder,schüttelt die langen Haare und raucht erst einmal eineZigarette. Das Schlimmste ist geschafft – endlich frei –hofft sie und atmet tief durch. Am Frankfurter Flughafenwartet bereits die Grenzkontrolle auf das Flugzeug ausTeheran und auf diejenigen, die keine Papiere haben.

Im Übergangslager lernt Fariba ihren Landsmann Sia-mak (Navid Akhavan) kennen, die Angst vor dem Unge-wissen verbindet die beiden. Sie hoffen auf die Kraftihres Amuletts, der„Hand Fatimas“,die sie gegen Un-heil beschützensoll. Fariba ver-spricht ihm, seinenEltern zu schrei-ben, falls nur ihrAsyl gewährt wer-den sollte.

Im Verhör mit ei-nem BGS-Beamtenmag Fariba nichtden wirklichen Grund ihrer Flucht nennen. Der iranischeÜbersetzer irritiert sie – es ist ihr peinlich. Sie wechseltins Deutsche, schließlich ist sie ausgebildete Dolmet-scherin, und nennt als Anlass für ihren Asylantrag „po-litische Gründe“. Den BGS-Beamten ficht das wenig an.Er möchte das Todesurteil als beglaubigte Kopie sehen.Fariba ist fassungslos.

In einem Telefonat mit der geliebten Shirin in Teheranuntersagt ihr die Freundin jede weitere Kontaktaufnah-me. Es ist zu gefährlich. Ihre Familie gibt Fariba dieSchuld und betrachtet Shirin als Kranke, die gesundwerden muss. Die Krankheit heißt Homosexualität.

Siamak erzählt ihr, dass sein Bruder sich an seinerStelle verhaften ließ und dass er große Angst um ihnhat. Fariba versucht, ihn zu beruhigen und vertraut ihman, dass sie nicht aus politischen Gründen, sondernweil sie mit einer Frau zusammen war verfolgt wurde.

Wenige Tage später springt Siamak aus dem fahren-den Bus, eine Kamikaze-Aktion so kurz vor der Anhö-rung, die das ganze Verfahren gefährden könnte. Er isttief traurig, denn er hat inzwischen vom Tod seines Bru-

ders erfahren. Am nächsten Morgen findet Fariba ihntot im Bett. Selbstmord. Fariba handelt kurz entschlos-sen, schneidet sich die Haare ab, setzt Siamaks Brilleauf und schlüpft in die „fremde Haut“. Unter seinemNamen wird sie in ein Asylbewerberheim in der tiefstenschwäbischen Provinz geschickt. Mit der Kraft der Ver-zweiflung schmuggelt sie Siamaks Leiche in einem Kof-fer aus dem Flughafenlager. In der Nacht gelingt es ihr,den Freund auf einem benachbarten Feld zu begraben.

Fariba beginnt ein Leben mit männlicher Identität.Kein leichtes Unterfangen, zumal sie mit dem Weisrus-sen Maxim (Jevgenij Sitochin) das Zimmer teilen muss.Jede falsche Bewegung, jedes falsche Wort könnte sieverraten. Frühmorgens duscht sie schnell, schnürt sichdie Brust ab und schminkt sich den Schatten eines Bar-tes ins Gesicht. Sie zieht die Mütze immer tief ins Ge-

sicht und sprichtwenig. Das Fotomit ihrer Freundinverbrennt sie. TrotzArbeitsverbot heu-ert sie in einer Sau-erkrautfabrik alsHilfskraft an. Siebenötigt Geld undeinen Pass, umwieder als Frau le-ben zu können.

In dem kleinenFamilienbetrieb ist der seltsame Fremde eine interes-sante Abwechslung. Fariba gibt sich wortkarg, gehtFragen aus dem Weg. Bei einer Razzia des Arbeitsam-tes hilft ihr die junge Kollegin Anne (Anneke Kim Sar-nau) und versteckt sie im Sauerkrautbottich. Anne be-ginnt, sich für Siamak zu interessieren.

Ihr Exfreund Uwe (Hinnerk Schönemann) beäugt diebeiden eifersüchtig. Anne und Fariba kommen sich nä-her. Beim Kohlstechen auf dem Feld erzählt die Schwä-bin ihr von ihrem Fernweh und ihren Träumen, einmaletwas ganz anderes zu wagen.

Sie schlägt einen Ausflug in die Umgebung vor. Faribaist sich des Risikos bewußt, kann aber nicht widerste-hen. Sie zieht sich so gut an, wie es geht, stibitzt demMitbewohner etwas Rasierwasser und schließt den Kra-genknopf, um ihren verräterischen Hals nicht zu prä-sentieren. Die beiden brausen gemeinsam los, fühlensich frei; sie verstehen sich gut.

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Die Intimität wird jäh von Annes Freunden unterbro-chen. Andi (Jens Münchow), seine schwangere Frau Sa-bine (Nina Vorbrodt) und der eifersüchtige Uwe schlie-ßen sich ungefragt an und drängen die beiden zu einemKegelabend. Uwe spürt, dass Anne Gefallen an Siamakfindet, er stichelt und hetzt dagegen. Anne schlägt sichauf ihre Seite; sie überredet Fariba, zu singen. Sie singtauf anrührende Weise ein persisches Volkslied und erst-mals scheint die Gruppe sie zu akzeptieren. Auf demNachhauseweg wagt Anne die Annäherung an Fariba,sie berühren sich, Anne stutzt, als sie wahrnimmt wiezart ihre Haut und wie klein ihre Hände sind. Als die Po-lizei die Papiere überprüft, ist die Stimmung dahin. DieBeamten sprechen eine Geldstrafe aus, weil Siamak alsAsylbewerber trotz Residenzpflicht den Landkreis ver-lassen hat. Sabine und Anne haben die Nase voll undlassen sich im Streifenwagen nach Hause fahren.

Uwe und Andi verpflichten Fariba zum „Herrenabend“.In einem Animierlokal spendiert Uwe der widerstreben-den Fariba eine Prostituierte. Im Séparé gibt es keineAusflucht mehr. Lu „macht es nicht mit Frauen“. Faribabittet nur darum, bis zum Ende der bezahlten Zeit da-bleiben zu dürfen – sie hofft inständig, dass Lu sie nichtverrät.

Anne lässt nicht locker. Überraschend besucht sie amnächsten Tag Fariba im Heim. Sie trinken Tee auf persi-sche Art, Anne steuert Schnaps dazu und erzählt von ih-rem neunjährigen Sohn und dessen Geburt, vom Kai-serschnitt, zeigtein Foto von sichund Melvin. Annemöchte mehr überSiamak erfahren.Sie ahnt, dass siekeinen Mann vorsich hat und istsich ihrer Gefühlenicht sicher. Als Fa-riba fragt, ob dieNarbe noch wehtut, ist sie über-rascht. Das hat sienoch niemand gefragt, jedenfalls kein Mann. In großerZärtlichkeit nehmen sie sich in die Arme, aber Faribazuckt zurück, fürchtet sich vor Annes Reaktion. Irritiertverlässt Anne das Zimmer. Fariba läuft hinter ihr her, einKuss.

Die Ereignisse überschlagen sich. Das Ausländeramterteilt Siamak die Auflage, innerhalb von 14 Tagen inden Iran zurückzukehren. Seine Studentenvereinigungsei nicht mehr verboten. Im ersten Schreck hetzt Faribazu Anne, die gerade Kindergeburtstag feiert. Trotz aller

Hektik sagt sie ihr, wie sehr sie ihre Gefühle durch-einander gebracht hat. Als Fariba ihr eröffnet, dass sieabgeschoben wird und dringend Geld für einen neuenPass braucht, bietet sie ihr zwar Geld an, fühlt sich aberhintergangen, weil sie glaubt, belogen worden zu sein.

Um das nötige Geld für den gefälschten Pass zu ver-dienen, übernimmt Fariba einen weiteren Aushilfsjobbei einer Autovermietung. Anne lässt sich am Telefonverleugnen. Fariba gerät zeitlich immer mehr unterDruck und fragt den Pass-Händler, der schon eine An-zahlung eingesteckt hat, ob er ihr die restlichen Kostenfür den Pass vorstrecken kann. Der hält sie für verrückt,lässt aber durchblicken, dass er auch ein Auto in Zah-lung nimmt.

Fariba offenbart Anne ihre Identität und die leidvolleWahrheit: bei ihrer Rückkehr in den Iran können die Be-hörden alles mit ihr machen, sie über Monate festhal-ten oder – wie schon zuvor – foltern und vergewaltigen.Aber sie kann die harsche Willkür nicht beweisen. Diebeiden entwickeln einen Plan. Fariba lenkt eine Avis-Angestellte ab, während Anne den Schlüssel für einenLeihwagen stiehlt, mit dem der Pass bezahlt werdenwird. Am Grab des wirklichen Siamak nimmt Fariba Ab-schied und legt die „Hand Fatimas“ auf den Stein.

In Annes Wohnung finden die Frauen zueinander,behutsam wickelt Anne Fariba die Brust frei, in einemMoment körperlicher Lust explodieren die Gefühle. Sie

lieben sich das ers-te Mal als sei esdas letzte.

Später blättertFariba versonnenin ihrem neuenPass, der ihr einneues Leben ohnedie Schatten derVergangenheit er-öffnet. Endlichnicht mehr alsMann, sondern als

Frau. In die Zukunftshoffnung platzen Uwe und Andi –angetrunken und aggressiv. Sie beleidigen Fariba, undwerfen sie nach einem Handgemenge aus dem Haus,genau in die Arme der Polizei, die wegen des Lärms ge-rufen wurde. Festnahme wegen Verdacht auf illegalenAufenthalt.

Und wieder sitzt sie im Flugzeug. Und wieder tönt esaus dem Lautsprecher, dass die Grenze überflogen ist.Die Grenze zum iranischen Staatsgebiet ...

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Interview Angelina Maccarone (Regie)

Wie entstand die Idee zu „Fremde Haut“?Kamerafrau Judith Kaufmann und ich kennen uns schonlange durch unsere gemeinsame Arbeit und wollten et-was zusammen entwickeln. Wir haben uns überlegt,was uns umtreibt, das war schon 1998. Es kamen ver-schiedene Themenfelder zusammen. Eines davon warIdentität. Woraus setzt sie sich zusammen, was sindidentitätsstiftende Merkmale? Das zweite war eine po-litische Geschichte im Umgang mit dem Asylrecht inDeutschland unddrittens die Frage,was ist „männlich“,was ist „weiblich“.Wobei dies in denIdentitäts-Komplexhineinreicht.

Was reizte Sie be-sonders an dieserGeschichte?Dass die junge Fraunicht nur ins äuße-re Exil muss, son-dern zusätzlich in ein inneres, nämlich in eine Männer-rolle schlüpfen. Also dieser Switch von Frau zu Mann.Sie muss ihre Sexualität, wegen der sie alles verlorenhat, leugnen und trifft ausgerechnet in der männlichenRolle eine neue Liebe. Ein weiterer Reiz lag darin, dieVerhältnisse umzudrehen. Da geistert die Vorstellung inunseren europäischen Köpfen herum, die Leute wan-dern aus der armen Provinz in das tolle Deutschland.Wir dagegen erzählen von einem Menschen aus einerlebendigen Metropole und Kultur, der glaubt, inDeutschland sei alles westlich, frei und offen und dannin der schwäbischen Provinz strandet. Uns interessier-te das Auf-den-Kopf-Stellen von Erwartungen.

Was wussten Sie über Asylverfahren und die Problema-tik eines solchen Falles?Es gibt diesen konkreten Fall nicht, aber lesbische Lie-be im Iran. Ich habe mir tonnenweise Material besorgt.Wir mussten in den sechs Jahren immer wieder nachre-cherchieren, weil sich die Gegebenheiten schnell ver-ändern. Zusätzlich sind wir durch die Provinz gefahren,haben uns Asylbewerberheime angeschaut und mitLeuten gesprochen, Betreibern und Bewohnern. Ich ha-be auch mit lesbischen Iranerinnen Kontakt aufgenom-men. Die erste Antwort heißt immer, so etwas gibt es imIran nicht. Es war schwierig, jemanden zu finden, deroffen über das Tabuthema sprach.

Steht auf lesbischer Liebe im Iran die Todesstrafe?Die ist im Gesetz verankert. Aber die Verfolgung läuftmeistens anders. Homosexualität gilt als krank. In einemFall sollen zwei Mädchen erwischt worden sein, die nochzur Schule gingen. Sie wurden in Schulen anderer Bezirkegeschickt und durften sich nicht mehr sehen. Manchmalverschwinden Menschen auch spurlos. Eine Schauspie-lerin und ihre Lebensgefährtin sollen unter mysteriösenUmständen vergast in einem Keller gefunden worden

sein. Das ist allesnicht offiziell oderverifiziert, sonderndas erfährt manhinter vorgehalte-ner Hand.

Wie beurteilen Siedagegen die Situ-ation in Deutsch-land?Mich interessiertdie Normierung alsThema, die Absur-

dität der Norm. In Deutschland muss man ein Comingout haben und alles öffentlich machen, nur weil jemandvon der „Sexualnorm“ abweicht. Foucault nennt dasGeständniskultur. Sex bleibt kein Geheimnis mehr. Ichfinde den Versuch falsch, als sogenannte Randgruppesich dem zu beugen und alles zu erklären, oder sich ver-einnahmen zu lassen – wie durch die Homo-Ehe.

Die Frauen sind in „Fremde Haut“ stärker als die Män-ner.Ich finde Frauen sind sehr stark, aber nicht stärker alsMänner. Da die Hauptfiguren bei mir weiblich sind, sindsie per se stark. Wir möchten, dass der Zuschauer dieProtagonistin begleitet, mit ihr fühlt und sich ihre Per-spektive zu eigen macht. Da ist sie natürlich die Starke,zumal sie noch eine Frau liebt und sich mit einem männ-lichen Konkurrenten auseinandersetzen muss.

Wie haben Sie die Liebesszene zwischen Jasmin Taba-tabai und Anneke Kim Sarnau vorbereitet und gedreht?Ich überlege mir lange vorher, wo platziere ich die imDrehplan. Nicht am Anfang, aber auch nicht ganz amSchluss, weil ich nicht weiss, verstehen sich die beidendann noch. Man muss sich sehr viel Zeit nehmen. Judithund ich sind die Szene mit den beiden durchgegangen.Schauspielerinnen befürchten heutzutage zurecht, demTrend folgen und alles zeigen zu müssen. Das ist einProblem. Ich versuche, möglichst eine ruhige und ent-spannte Atmosphäre zu schaffen. Wer nicht unbedingtdabei sein muss, bleibt draußen. Die Szene spielt zwar

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zwischen zwei Frauen, aber zwischen Mann und Frauist es auch nicht leichter. Wichtig sind ein „Sich-Verste-hen“, Professionalität und Offenheit. An mir liegt es,für die Voraussetzungen zu sorgen, in denen Schau-spieler sich öffnen und ihre Gefühle sichtbar machenkönnen.

Inwieweit konnte Ihnen Jasmin Tabatabai Tipps zumThema Iran geben?Nach dem Casting haben wir uns in Abständen getrof-fen, sie hat ihre Kritik am Buch geäußert und bestimm-te persönliche Erfahrungen mit iranischer Kultur einge-bracht, auch die Übersetzung gemacht. Gemeinsam mitNavid Akhavan, dem Siamak, hat sie die Dialoge aufFarsi bearbeitet. Aber auch abgesehen von diesemwertvollen Vorteil, dass Jasmin im Iran aufgewachsenist, war sie unsere absolute Wunschbesetzung.

Wie arbeiten Sie mit den Schauspielern? Erlauben Sieauch Improvisation oder bestehen Sie auf der Dreh-buchvorlage?Für mich ist wichtig, erst einmal auszuloten, welche Ge-meinsamkeiten existieren. Wie betrachten wir die Figu-ren, wie verstehen wir uns. Das muss nicht Sympathiefürs Leben sein, aber doch eine gemeinsame Sprache.Man muss wissen, wir können kommunizieren. Als dieBesetzung feststand, habe ich Jasmin Tabatabai, AnnekeKim Sarnau und Hinnerk Schönemann trotzdem nochmal zu einem Casting eingeladen, um zu sehen, ob dieChemie stimmt. Wir haben sehr viel geprobt und wäh-rend dieser Proben gab es die Möglichkeit zum Improvi-sieren, wobei wir dann oftmals wieder zu den ursprüng-lichen Texten zu-rückgekehrt sind.Es ging darum, denemotionalen Bogenzu erfassen. Wirhaben die Probenauf DV aufgenom-men, gefiltert undSzenen auch nochmal überarbeitet.

Erklären Sie den Kniff mit den Briefen. Welche Funktionhaben sie?Als Figur muss Fariba ab einem bestimmten Punktschweigen, will sie sich nicht durch die Stimme verra-ten oder durch Indizien in Gefahr bringen. Wir wolltenihr eine Stimme verleihen und eine Brechung hinein-bringen, dadurch, dass sie sich nicht ihren eigenen El-tern mitteilt, was sie nicht darf, sondern als Figur Sia-mak ihre Eindrücke in der Camouflage an seine Elternschreibt. Sie schildert Dinge und Stationen – am Anfangverschönt sie ihre Wirklichkeit in Deutschland, spätererzählt sie von der Arbeit und davon, wie sie Anne ken-nenlernt. In diesem Raum kann sie mit ihrer innerenStimme Gefühle verbalisieren.

Sie verzichten auf Schwarzweiß-Malerei, zeigen deut-sche Grenzbeamten von einer menschlichen Seite.Das fand ich wichtig, das entspricht der Realität. DieGrenzbeamten sind keine Monster. Selbst der BGS-Beamte im Verhör bietet ihr eine Zigarette an. Der istnett, zieht aber seine Sache knallhart durch. Sie tuneben ihre Pflicht.

Was war der schönste Moment?Ich erinnere mich an viele schöne Momente, immerwenn eine emotionale Szene funktionierte. Als der letz-te Take der letzten Einstellung gedreht wurde, dasBegräbnis von Siamak, haben wir fast alle geheult. Eintrauriger und gleichzeitig befreiender Moment. Wuss-ten wir doch, wir haben es geschafft.

Das Ende bleibt in der Schwebe. Warum kein „HappyEnd“ wenigstens inder Hinsicht, dassFariba in Deutsch-land bleiben kann?Das hätte die zy-nische Botschafttransportiert, dumusst nur schlaugenug sein, dannschaffst du es hier.Wir bastelten anverschiedenstenVersionen – vom„Happy End“ mit

und ohne Anne bis hin zur größten Tragik. Schließlichhaben wir uns entschieden, realistisch zu zeigen, dassdieses System beim kleinsten Fehler unerbittlich greift.Gleichzeitig wollen wir Mut machen, trotzdem weiterzu kämpfen, und auch in schwierigen Zeiten nicht auf-zugeben. Die Hoffnung ist ein wichtiges Prinzip.

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Interview Jasmin Tabatabai (Fariba/Siamak)

Was war Ihr ersterGedanke, als manIhnen diesen Filmvorschlug?Als ich das ersteMal über meineAgentin von demFilm hörte, warmein erster Ge-danke, wer soll dieRolle denn sonstspielen?Ich fand das Buchäußerst packendund interessant, auch wenn es noch viel Arbeit erforder-te. Über zwei Jahre haben wir uns getroffen, viel impro-visiert und geprobt, all das floss später in das Buch ein.

Was bedeutet Ihnen „Fremde Haut“ und die Filmfigur?Seit langer Zeit endlich mal wieder eine Rolle, die michso richtig forderte, weil sie ein breites Spektrum ab-deckt. Diese Figur ist hochemotional, ein trauriger undeinsamer Mensch. Da es wenig Dialoge gab, konnte ichsehr viel über Blicke und Gesten erzählen, das liebe ichsehr. In solchen Momenten gewinnt ein Film an Stärke.In die Haut eines Mannes zu schlüpfen, ist eine dergrößten Herausforderungen für eine Schauspielerin.Diese sogenannten „Hosenrollen“ gab es schon zu Sha-kespeares Zeiten, bei „Yentl“ oder „Boys don’t cry“.

Könnte man „Fremde Haut“ in irgendeiner Weise mit„Yentl“ vergleichen?Eine Frau verkleidet sich als Mann und darf nicht er-wischt werden. Das ist aber schon die einzige Gemein-samkeit. In „Fremde Haut“ geht es um eine existenziel-le Frage, ums Überleben. Fliegt Faribas Cover auf, musssie zurück in den Iran. Wer weiss, was ihr da passiert.

Der Film handelt vom Verlust der Identität, auch sexu-eller Identität – und das in einem fremden Land. Wiekann ein Mensch so etwas aushalten?Mich fasziniert Faribas wahnsinniger Lebenswille undFreiheitsdrang, wie sie diese unglaublichen Situationendurchlebt. Und: Sie läuft nicht frustriert durch die Ge-gend, sondern bewahrt sich trotz allem noch ein StückLebensfreude. Sie will frei sein, das ist ihre Motivation.Das Schlimmste für mich war, den toten Freund in denKoffer zu stecken und alleine zu begraben. Wie ver-zweifelt muss ein Mensch sein, der so weit geht, wie ra-dikal und wie ungewöhnlich?

Haben Sie sichschon mal in „frem-der Haut“ gefühlt?Als Zwölfjährigezog ich mit meinerMutter und denGeschwistern vonTeheran ins kalteDeutschland, dafühlte ich mich un-heimlich fremd. Dieersten Jahre habeich mich sehrschwer getan in

der Schule, vielleicht auch wegen der Pubertät. Allesverändert sich in dem Alter, wenn man dann noch diegewohnte Umgebung verliert, schmerzt das doppelt.Wohlgefühlt habe ich mich erst mit 16, 17. Dazwischen,das war die Hölle.

Wo sehen Sie den größten kulturellen Unterschied,auch in Bezug auf Faribas Erfahrungen?Deutsche sind weniger offenherzig und viel distanzier-ter als Iraner. Auf dieses kulturelle Problem stößt auchdie Filmfigur. Dazu kommt, dass sie als Großstädterin inder tiefsten Provinz landet.

Fariba ist eine Kämpferin. Können Sie Ihr Verhaltennachvollziehen? Sind Sie auch jemand, der sich durch-beisst?Auf jeden Fall. Manche Menschen machen Schreckli-ches durch. Damit kann ich mich natürlich nicht verglei-chen, aber meine Entscheidung, Schauspielerin zu wer-den, war damals auch noch nicht selbstverständlich fürjemanden mit meinem Aussehen und meinem ausländi-schen Namen. Mir wurde auch prophezeit, dass es fürmich in Deutschland keine Karriere gebe. Und da ichnicht die Freundin von irgendjemandem war und auchniemanden in der Filmbranche kannte, musste ich michdurch- und hochkämpfen.

Sie gelten als jemand, der nicht unbedingt geliebt wirdoder als „everybody’s darling“ gilt ...... dabei bin ich sehr lustig. Und ich möchte unbedingt,dass mich alle mögen, schaffe es aber wahrscheinlichnicht so richtig, weil ich mit meiner Meinung nichthinterm Berg halte.

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Muss man sich im Filmbusiness mehr verbiegen als imMusikgeschäft?Das habe ich mal zu einem Zeitpunkt geäußert, als ichdas Musikgeschäft noch idealisiert habe. Musik be-trachte ich als mein zweites Standbein, ein Hobby undeine Liebe, die ich zum Beruf gemacht habe. Aber meineigentlicher Beruf ist Schauspielerin, da kann ich auchauf eine Ausbildung zurückblicken und bin fundierterund selbstbewusster. Die beiden Branchen geben sichnichts. Ich wechsele gerne hin und her. Die Jahre vor derGeburt meines Kindes konzentrierte ich mich mehr aufMusik, nach der Mutterschaftspause drehe ich wiederum so lieber, es macht mir wieder viel Spaß. Ich halte esfür gut, die Nase mal rauszuhalten aus dem Zirkus.

Ihr Debut-Album „Only Love“ erschien im Februar 2002.Wann können wir mit dem folgenden rechnen?Nicht vor dem nächsten Jahr. Erst wenn meine Tochterim Kindergarten ist.

Es klingt banal, aber sieht man nach der Geburt einesKindes nicht vieles im anderen Licht, regt sich wenigerüber alltäglichen Kleinkram auf?Da erlebt man die größte Veränderung, die man sichvorstellen kann. Die Wichtigkeiten verschieben sich, ichbin kein anderer Mensch geworden, aber dadurch, dasssich der Alltag komplett ändert, ändert sich wahnsinnigviel im Leben. Mein Kind hat allererste Priorität. Wennman sich anschaut, was zum Thema Kinderkriegen allesin der Presse diskutiert wird, bekommt man fast denEindruck, dass die Deutschen ein leicht verkrampftesVerhältnis zu der ganzen Angelegenheit haben. Schonwenn es darum geht, ab wann ein Kind den Kindergartenbesucht. Was diedeutsche Muttermacht, sie machtes falsch. In ande-ren Ländern, auchim Iran, wo ich auf-gewachsen bin,geht man vielselbstverständlichermit diesem Teil desLebens um. Hierwerde ich ständiggefragt, wann ichdenn wieder was„Richtiges“ mache.

Was bedeutet Familie für Sie?Sie ist mein Lebensmittelpunkt und das Wichtigste inmeinem Leben. An zweiter Stelle kommt meine Arbeit,die brauche ich genauso zum Glücklichsein.

Stimmt es, dass Sie sich zunehmend anspruchsvolle Fil-me und Rollen herauspicken?Es ist nicht so, dass ich mich hinsetze und sage, jetztdrehst du nur noch intellektuelle Filme. Ich bin ebennicht der gefällige Typus, eine Filmfigur muss mein Herzund meinen Verstand ansprechen. Die guten und inter-essanten Rollen kommen auf mich zu. Dafür drehe ichdann weniger.

Haben Sie eine Traumrolle, eine bestimmte Geschichteoder Figur im Hinterkopf?Da gibt es tausend Möglichkeiten. Ich bin jetzt 38, einAlter in dem alles möglich ist. Ich würde gerne auch malKomödien drehen. Leider sind anspruchsvolle Frau-enrollen relativ selten. Wenn sich da nichts ändert,muss ich irgendwann selbst als Produzentin einsteigen.

Welche Sehnsucht treibt Sie an?Wie soll ich auf diese Frage ohne Gemeinplatz ant-worten? Ich kann nur die langweiligste und älteste al-ler Antworten geben: Jeder Künstler möchte verstan-den und geliebt werden, das ist unsere Antriebskraft.

„Wenn meine Karriere morgen vorbei wäre, wäre ichzufrieden. Es waren viele schöne Filme“. Stehen Sienoch zu der Aussage? Das hört sich bescheiden an. Ich unterscheide zwischen Karriere und Beruf. Ich binsehr gerne Schauspielerin und empfinde eine große De-

mut vor diesemBeruf. Ich kann alsSchauspielerin dietollsten Rollenspielen und eineKarriere machenwie viele, die ganzbescheiden auf derTheaterbühne ste-hen. Das bringtvielleicht mehr Er-füllung als wennich eine Soap nachder anderen ab-

drehe, viel Kohle verdiene und beim Hochkletternirgendwelche hohle Texte aufsage. Es gibt viel unter-schiedliche Definitionen von Erfolg und Karriere. Wich-tig ist doch, dass man seiner Berufung folgt.

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Stab

Kamera Judith Kaufmann, BVKSzenenbild Thomas Stromberger

Montage Bettina Böhler, B.F.S.Kostümbild Regina Tiedeken

Friederike von Wedel-ParlowMaskenbild Susana Sánchez Nunez

Oberbeleuchter Thomas von KlierProduktionsleitung Milanka Comfort

Casting Tina BöckenhauerMusik Jakob Hansonis

Hartmut EwertOriginalton Andreas Mücke Niesytka, VDT

Mischtonmeister Bernhard MaischProduzentin Ulrike Zimmermann

Koproduzent Markus FischerDrehbuch Angelina Maccarone

Judith KaufmannRegie Angelina Maccarone

Aufnahmeleitung Thomas KrálFilmgeschäftsführung Birgit DöhringProduktionsassistenz Christoph Kukula

Kameraassistenz Henrik Sauer, BVKProduktionspresse Media Office

Silke LehmannEdith Kleibel

eine Produktion der MMM Film Zimmermann,Hamburgin Koproduktion mit Fischer Film, Wien

Mit Unterstützung von Film und Mediengesellschaft Baden-Wüttemberg, FilmFörderung Hamburg, Filmfonds Wien,Österreichisches Filminstitut, BKM, Medienboard Berlin-Brandenburg,Filmstiftung NRW, Hessische Filmförderung, MEDIA Plus Programm.

Verleih mit Unterstützung von Film und Mediengesellschaft Baden-Wüttemberg, FilmFörderung Hamburg,Medienboard Berlin-Brandenburg,Filmstiftung NRW.

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Darsteller

Fariba Jasmin TabatabaiSiamak Navid Akhavan

Beamter BAFL Bernd TauberDolmetscher Majid Farahat

Burkhardt Georg FriedrichAlev Atischeh Hannah BraunCem Mikail Dersim Sefer

Velma Haranet MinlikStimme Shirin Homa TehraniBeamter BGS Frank FredeBeamtin BGS Barbara FalterFrau Gabriel Ruth Wohlschlegel

Maxim Jevgenij SitochinDmitri Dmitri Dihovichnij

Pfarrer Dominik GlaubitzArton Blerim BalaAndi Jens MünchowAnne Anneke Kim Sarnau

Waltraut Monika HansenHermann Jürgen Mielke

Sabine Nina Vorbrodt Uwe Hinnerk Schönemann

Mann vom Arbeitsamt Michael HeinsohnLächle Simon SchwarzMelvin Leon Philipp Hofmann

Zivilfahnder Andreas SchlagerLu Annette von Klier

Sachbearbeiterin Barbara ZechelNadja Eva Sauter

Mitarbeiterin Avis Lucia SchlörKundin Avis Petra DienstKunde Avis Harald Heinz

Polizistin Manja DoeringPolizist Peter Obermann

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Ventura Film