knochenersatzmaterialien in der therapie zystischer tumoren des wachsenden skeletts; bone...
TRANSCRIPT
Die Autoren K. Mladenov und U. v. Deimling haben zu gleichen Teilen zu der Arbeit beige-tragen.
Orthopäde 2013 · 42:1048–1053DOI 10.1007/s00132-012-2050-4Online publiziert: 26. Oktober 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
K. Mladenov · U.v. DeimlingAbteilung für Kinderorthopädie, Asklepios Klinik Sankt Augustin
Knochenersatzmaterialien in der Therapie zystischer Tumoren des wachsenden Skeletts
Zystische Knochentumoren bei Kin-dern sind meistens benigne und nicht größenprogredient. Eine Ausräu-mung wird erst nach ausbleibender Spontanheilung oder fehlgeschlage-ner konventioneller Behandlung wie z. B. Zystendrainage, Zystenaspira-tion, Kortikosteroidinfiltration etc. erwogen. Es ist generell empfohlen, nach Ausräumung der Knochenzys-te den Hohlraum mit Knochenmate-rial (Graft) aufzufüllen um die Konso-lidierung mit vollwertigem Knochen-gewebe zu fördern. Um die Komplika-tionen und die Risiken verbunden mit der Verwendung von Autograft und Allograft zu reduzieren, wurden Kno-chenersatzmaterialien entwickelt. Die ausführliche und kritische Prü-fung der vorhandenen Literatur zeigt aber, dass eine klare Richtlinie über die genaue Indikationen und Moda-litäten der Applikation von Knochen-ersatzsubstanzen bei Kindern, bezo-gen auf die Art des primären Prozes-ses, Defektgröße, Lokalisation und Alter des Patienten, nicht existiert. Die Entscheidung für eine Graftver-wendung wird von der Hypothese ge-stützt, dass eine Auffüllung des De-fekts mit einer Substanz, die zumin-dest osteokonduktive Eigenschaften besitzt, bessere Heilungschancen bie-tet als die Wahrscheinlichkeit einer spontanen Knochenheilung. Es gibt leider bislang keine Evidenz für die-ses Therapiekonzept.
Hintergrund
Zystische Knochentumoren bei Kindern sind in der Regel benigne asymptomati
sche Raumforderungen, die meistens zufällig entdeckt werden und spontan ausheilen (. Abb. 1a, b). In manchen Fällen können aber Knochenzysten größenprogredient sein, Schmerzbeschwerden auslösen oder die Knochenstabilität beeinträchtigen und pathologische Frakturen verursachen. Ziel der Behandlung in solchen Fällen ist die schnellstmögliche Konsolidierung und Wiederherstellung der normalen Knochenfestigkeit, um eine pathologische Fraktur zu vermeiden. Das längerfristige Ziel ist der Erhalt der normalen, symptomfreien Belastbarkeit und Funktion. Es ist generell empfehlenswert, nach Ausräumung der Knochenzyste den Hohlraum mit Graft aufzufüllen, um das Einwachsen eines nichtknöchernen, fibrösen Gewebes zu vermeiden und die Konsolidierung mit vollwertigem Knochengewebe zu fördern. Das Material, mit dem der Knochendefekt aufgefüllt wird, soll bestimmte Eigenschaften besitzen, um den Prozess des knöchernen Aufbaus in den verschiedenen Phasen zu unterstützen. Einen Überblick über die Eigenschaften verschiedener Knochenersatzsubstanzen gibt . Tab. 1.
D In der ersten Phase spielen die osteokonduktiven Eigenschaften eine entscheidende Rolle.
Die Mikrostruktur des Grafts soll die Besiedlung mit Osteoblasten und Osteoprogenitorzellen sowie die Zellenmigration und Gefäßneubildung ermöglichen. In der zweiten „osteoinduktiven“ Phase erfolgt die Zelldifferenzierung. In diese Phase soll der Graft keine entzündliche und keine toxische Reaktionen hervorrufen, sodass der intensive Stoffwechsel op
timal ablaufen kann. In der letzten „osteogenen“ Phase erfolgen der Knochenaufbau und die Remodellierung, hier sollen die Graftresorption und der Knochenaufbau mit ähnlicher Geschwindigkeit ablaufen. Ein zu langsames Abbauen des Grafts wird den Knochenaufbau verhindern.
Für die Auffüllung von Knochendefekten werden Autografts (Eigenknochen), Allografts (Fremdknochen) und synthetische Materialien verwendet.
Autograft (Eigenknochen)
Eigenknochen ist die einzige Substanz, die osteokonduktive, induktive und gene Eigenschaften besitzt. Die Rate der lokalen Komplikationen im Bereich der Entnahmestelle (Schmerzen, GefäßNervenVerletzung, Hämatom, Fraktur etc.) bleibt mit 15–29% relativ hoch und soll nicht unterschätzt werden [7].
Allograft und allograftbasierte Materialien
Allograft und demineralisierte Knochenmatrix („demineralised bone matrix“, DBM) besitzen osteokonduktive und induktive Kapazitäten.
Rougraff u. Kling [26] berichteten über die Ergebnisse der Behandlung juveniler Knochenzysten mit DBM. Eine radiologische Knochenheilung wurde nach 3 bis 6 Monaten und eine kortikale Remodellierung nach 6 bis 9 Monaten beobachtet. Diese war nach einem Jahr vollständig. Von 23 Patienten benötigten 5 eine
Leitthema
1048 | Der Orthopäde 12 · 2013
zweite Applikation aufgrund eines Zystenrezidivs. Die Heilung war inkomplett in 7 Fällen. Bei keinem Patienten wurde ein weiteres Zystenwachstum beobachtet. Die Autoren beschrieben 4 Komplikationen: ein Patient hatte eine fieberhafter Reaktion mit Leukozytenerhöhung. Ektope Ossifikationen im Bereich des Nadelkanals wurden bei 2 Patienten beobachtet. Bei einem Patienten entwickelte sich eine Myositis entlang des Nadelkanals. Eine Kontrollgruppe, behandelt nur mit Punktion, Aspiration und Kortikosteroidapplikation war nicht vorhanden. Es wurde keine Antikörperbestimmung durchgeführt und keine Nachuntersuchung für eine mögliche Infektübertragung.
Es herrscht Konsensus, dass aufgrund potenzieller Risiken wie antigenen und immunologischen Reaktionen oder Übertragung von Infektionskrankheiten wie HIV und HCV die routinemäßige Verwendung von Allografts bei Kindern primär nicht in Erwägung gezogen werden soll [1, 3, 11].
Um die Nebenwirkungen und die Komplikationen, die mit der Verwendung von Auto und Allografts verknüpft sind, zu reduzieren, wurden in den letzten Jahren synthetische „Knochenersatzmaterialien“ entwickelt und zunehmend zur Auffüllung von Knochendefekten im Kindesalter eingesetzt.
Wachstumsfaktoren
Wachstumsfaktoren („transforming growth factor beta“, TGFβ) und rekombinante Proteine („recombinant human bone morphogenic protein“, rhBMP2, rhBMP7) haben immunogene Eigenschaften und ein potenzielles dosisabhängiges karzinogenes Risiko. Die Applikation bei Kindern ist nicht ausreichend evaluiert. Die Substanzen sind zur Verwendung bei Kindern nicht zugelassen [11]. Ein entsprechender Einsatz gilt als „offlabel use“, muss adäquat aufgeklärt werden und sollte Ausnahmesituationen vorbehalten bleiben.
Keramische Knochenersatzmaterialien
Kalziumsulfat
Die erste Verwendung von Kalziumsulfat zur Auffüllung von Knochendefekten datiert aus dem Jahre 1892.
D Kalziumsulfat ist biologisch gut verträglich, resorbierbar und besitzt keine antigenen und immunogenen Eigenschaften.
Die Substanz verursacht keine Hemmung des Knochenwachstums, hat eine antibakterielle Wirkung und kann auch zur Behandlung osteomyelitischer Defekte verwendet werden [23]. Nach Applikation von Kalziumsulfat in Form von Pellets oder Injektionsform zur Auffüllung von Knochendefekten wurde eine komplette Resorption in 93–100% der Fälle nach 2 bis 6 Monaten beobachtet. Die Resorption erfolgt schneller bei der Injektionsform, ist von der Größe der Läsion abhängig und findet von der Peripherie zum Zentrum der Läsion statt [10, 16, 21].
Mehrere Autoren berichten über die Ergebnisse nach Behandlung juveniler Knochenzysten bei Kindern, die nach der Ausräumung mit Kalziumsulfat aufgefüllt wurden [5, 18, 20, 22, 24].
Eine Konsolidierung der Zyste wurde in 62–92% der Fälle nach der Primäroperation beobachtet. Als Komplikationen wurden lokale Irritationen in 4–19% und Serombildung in 4–8% der Fälle beobachtet. Bei der Verwendung der Injek
Abb. 1 8 a Pathologische Fraktur des proximalen Humerus bei juveniler Knochenzyste. b Verlaufs-kontrolle ein Jahr nach stattgehabter Fraktur – spontane Reduktion der Zystengröße und Zunahme der Kortexbreite (Neer Grad II)
1049Der Orthopäde 12 · 2013 |
tionsform war die Rate der lokalen Komplikationen höher, es wurden auch systemische Komplikationen wie vorübergehender Laryngospasmus bei bis zu 14% der Patienten beschrieben. In einer retrospektiven Studie wurden die Ergebnisse verschiedener Techniken zur Behandlung solitärer Knochenzysten bei Kindern verglichen [13]. Die Autoren beschrieben eine schnellere Konsolidierung und niedrigere Rezidivrate in der Gruppe, behandelt mit Kürettage und Lavage der Zyste mit Ethanol, und anschließender Auffüllung mit Kalziumsulfat und Drainage mit kanülierter Schraube. Es ist allerdings nicht nachvollziehbar, ob die Verwendung von Kalziumsulfat oder eine der anderen Komponenten dieser Technik zu den besseren Ergebnissen geführt hat.
Kalziumphosphate
Hydroxyapatit (HA)Hydroxyapatit wird von Seekorallen gewonnen und gehört zu der Gruppe der Kalziumphosphate. Die Zusammenstellung von kristallinem Hydroxyapatit erfolgt durch eine hydrothermische Reaktion, die Kalziumkarbonat in kristallines Hydroxyapatit umwandelt [25]. Die Poren von Hydroxyapatit sind 200–500 μ groß und damit ähnlich groß wie die Poren von Spongiosaknochen. Hydroxyapatit wird langsamer als Kalziumsulfat resorbiert, ist biologisch verträglicher und hat bessere mechanische Eigenschaften. Hydroxyapatit kann in Form von Blöcken, Granulat oder Zement hergestellt werden und kann Kompressionsbelastung aushalten, ist aber sehr wenig widerstandsfähig gegen Biege und Torsionsbelastung.
Die knöcherne Durchbauung nach Auffüllung von Knochendefekten mit Hydroxyapatit wurde histologisch nur in Tiermodellen untersucht [12]. Bei der Nachuntersuchung 12 Monate nach Implantation zeigten sich 67% der Hydroxyapatitoberfläche mit neuem Knochen bedeckt. Die Implantationsstelle bestand aus 52% Weichteilanteil, 13% neuem Knochen und 35% Hydroxyapatit. Es liegen nur retrospektive Studien vor, die die klinische Verwendung von Hydroxyapatit bei der Behandlung solitärer Knochenzysten nachuntersucht haben. In einer Studie [14] wurde über eine komplette Ausheilung
ohne Zystenrezidiv in 78% der Fälle bei der Kontrolle 2 Jahre postoperativ berichtet. Die knöcherne Durchbauung erfolgte im Mittel nach 2,5 Monaten. In einer anderen Studie wurden 51 Patienten 11,4 Jahre nach Anlage von Hydroxyapatit untersucht. Bei keinem dieser Patienten wurde eine komplette Resorption des eingebrachten Hydroxyapatits beobachtet [19].
Trikalziumphosphat (TCP)Die aktuell vorhandenen Studien zeigen, dass Kalziumphosphat zu schnell resor
biert wird und entzündliche Reaktionen hervorrufen kann; demgegenüber wird Hydroxyapatit zu langsam resorbiert und hierdurch der Knochenaufbau verzögert. Um diese Probleme zu beseitigen, wurden Knochenersatzmaterialien basierend auf Trikalziumphosphaten entwickelt. Es sind α, β und γTrikalziumphosphate bekannt. αTCP hat eine polygonale Struktur, βTCP dagegen ist sphärisch, poröser und hat mehrere Trabeculae und dadurch eine schnellere Resorption als αTCP.
Zusammenfassung · Abstract
Orthopäde 2013 · 42:1048–1053 DOI 10.1007/s00132-012-2050-4© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
K. Mladenov · U.v. DeimlingKnochenersatzmaterialien in der Therapie zystischer Tumoren des wachsenden Skeletts
ZusammenfassungZiel der Behandlung zystischer Knochen-tumoren bei Kindern ist die Wiederherstel-lung der Knochenfestigkeit und der norma-len Funktionalität. Es ist generell empfohlen, nach Ausräumung der Knochenzyste den Hohlraum mit Graft aufzufüllen, um die Kon-solidierung mit vollwertigem Knochenge-webe zu fördern. Um die Komplikationen und die Risiken verbunden mit der Verwen-dung von Autografts und Allografts zu redu-zieren, wurden Knochenersatzmaterialien entwickelt. Aktuelle Literaturangaben zei-gen, dass die Applikation von Substanzen mit potenziellen immunogenen, toxischen oder karzinogenen Eigenschaften bei Kindern nicht favorisiert werden soll. Von den kerami-schen Knochenersatzmaterialien besitzt Tri-kalziumphosphat die optimalen osteokon-
duktiven Eigenschaften. Knochenzemente basierend auf Kalziumphosphat können zur Stabilisierung bei bestehenden oder drohen-den Frakturen verwendet werden. Die Vor-teile der Knochendefektauffüllung nach Aus-räumung zystischer Raumforderungen sind noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen.
Prospektive randomisierte Studien, be-zogen auf Defektgröße, Lokalisation und Art des primären Prozesses, sind notwendig, um die Indikationen und Richtlinien für die Ver-wendung von Knochenersatzmaterialien bei der Behandlung zystischer Knochentumoren im Kindesalter zu definieren.
SchlüsselwörterKinder · Zystischer Knochentumor · Knochenersatzmaterial · Autograft · Allograft
Bone substitution materials in therapy of cystic tumors of the immature skeleton
AbstractThe primary goal in the treatment of cystic bone tumors in children is the restoration of bone integrity and normal function. It is as-sumed that filling of the cavity defect after re-moval of the tumor will facilitate bone heal-ing. In order to reduce the complications ob-served with autografts and allografts use bone graft substitutes were developed. The current literature review shows that the ap-plication of substances with potential im-munogenic, toxic or cancerogenic proper-ties should be avoided. Among the purely synthetic mineral materials, tricalcium phos-phate has the biochemical properties most compatible with new bone formation and calcium phosphate cements can be used to
provide immediate stability in cases of exist-ing or imminent fractures. However, there is currently insufficient evidence that the use of bone grafts or bone graft substitutes pro-vides a real benefit to the patient, especially in comparison with no graft at all. Prospective randomized studies are necessary in order to delineate the indications for bone grafting or use of bone graft substitutes for the treat-ment of cystic bone tumors in children.
KeywordsChildren · Cystic bone tumor · Bone substitute · Autograft · Allograft
1050 | Der Orthopäde 12 · 2013
βTCP ist die am meisten verwendete der 3 Formen. Die Poren haben 250–400 μ Diameter, die Resorption verläuft 10 bis 20mal schneller als die von Hydroxyapatit [6, 17]. Die Granulae und die Blöcke aus βTCP haben einen vergleichbaren Kompressionswiderstand mit der Knochenspongiosa, sind aber wie Hydroxyapatit wenig resistent gegenüber Biege und Torsionsbelastung. βTCP wird nach 6 bis 11 Monaten durch Osteoklasten ohne inflammatorische Reaktion abgebaut unter gleichzeitigem Aufbau der neuen Knochenstruktur. In einer retrospektiven Studie wurden die Ergebnisse nach Ausräumung juveniler Knochenzysten, die mit βTCPGranulat aufgefüllt wurden, dargestellt. Bei 89% der Patienten zeigte sich eine vollständige Heilung und Inkorporierung des Knochenersatzes ohne Nebenreaktionen. Reste von TCP waren aber 7 Jahre postoperativ radiologisch noch nachweisbar (. Abb. 2a–d; [2]).
D Um eine minimal-invasive Applikation zu ermöglichen, wurden Injektionsformen von TCP entwickelt.
Joeris et al. [15] berichteten über vollständige Konsolidierung nach Trikalziumphosphatinjektion in 22 von 24 Fällen. Bei 2 Patienten war ein Zystenresiduum
nachweisbar. Gravierende Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Die Methode wurde von den Autoren als gute Alternative für Fälle ohne spontane Rückbildung oder Misserfolg nach konventioneller Behandlung (Aspiration und Kortikosteroidinjektion) empfohlen.
Zur Verbesserung der Resorption wurden ultraporöse βTCPMaterialien entwickelt. In diesen Materialien sind 75% der Poren mit einer Größe von 100–1000 μ zur Förderung der knöchernen Durchbauung und 25% Poren mit einer Größe von unter 100 μ, die eine schnellere Resorption ermöglichen. Eine prospektive CTStudie beschrieb eine Resorption von 25% 6 Wochen nach Implantation und eine nahezu vollständige Resorption 2 Jahre postoperativ [4]. In der Literatur gibt es keine Angaben über die Verwendung ultraporöser βTCP bei zystischen Raumforderungen im Kindesalter.
Kalziumphosphat in ZementformHydroxyapatit und Trikalziumphosphat können deutlich niedrigere Kompressionskräfte als kortikaler Knochen aushalten. Für Situationen, in denen eine sofortige Stabilisierung und Widerstandsfähigkeit benötigt wird, wurden Kalziumphosphate in Zementform entwickelt. Diese Zemente bestehen aus Kalziumphosphat,
TCP und Kalziumkarbonat, die nach Vermischung exo oder isothermisch kristallisieren und von einer flüssigen in eine solide Form übergehen. Die solide Substanz hat bessere Kompressionsbelastungsfähigkeiten als Spongiosaknochen. Die Aushärtung erfolgt innerhalb 10 min und erreicht ihre maximale Festigkeit nach 24 h [9].
In histologischen Experimentalstudien wurde nachgewiesen, dass diese Kalziumphosphatzemente von Osteoklasten abgebaut werden, dass das umgebende Knochengewebe gut remodelliert und sich im Bereich des Defekts ein guter lamellärer Knochen bildet [8]. Die Resorption findet langsam statt; 60–95% des Zements wurden nach 6 Monaten resorbiert, nach einem Jahr wurde eine weitgehende Resorption beobachtet [27]. Die meisten Kalziumphosphatzemente konsolidieren isothermisch oder mit einer leichten exothermischen Reaktion, die aber keine Gefahr für thermische Läsionen darstellt. Die Zemente sind synthetisch; es besteht kein Risiko für eine immunologische oder anaphylaktische Reaktion.
Thawrani et al. [28] berichteten über ihre Erfahrungen bei der Behandlung juveniler Knochenzysten bei Kindern mit einer Zementform von Kalziumphosphatapatit. Die Indikation für die Applikation
Tab. 1 Eigenschaften, Vor- und Nachteile der einzelnen Knochenersatzsubstanzen
Material Eigenschaften Vorteile Nachteile Immu-nogen
Toxizi-tät
Risiko für Infekt-übertragung
Autograft (Eigenkno-chen)
Osteoinduktiv, osteogen, osteo-konduktiv
Optimale Osteoinduktion Morbidität und Komplikationen im Be-reich der Entnahmestelle
− − −
Allograft/DBM Osteoinduktiv, osteokonduktiv
Keine Morbidität im Bereich der Entnahmestelle, in unbe-grenzter Menge verfügbar
Immunogen, potenzielles Risiko für Infektübertragung
+ − +
Wachstums-faktoren TGF-β, BMP
Osteoinduktiv Immunogen, potenzielles dosisab-hängiges karzinogenes Risiko, nur Off- label-Anwendung bei Kindern
+ Noch unklar
−
Kalziumsulfat Osteokonduktiv Synthetisch Zu schnelle Resorption, lokale Irrita-tion, kann generalisierte Reaktionen wie z. B. Laryngospasmus auslösen
− − −
Hydroxyapatit Osteokonduktiv Nicht immunogen, keine lokale Reaktionen
Zu langsame Resorption − − −
Trikalzium-phosphat
Osteokonduktiv Optimale Resorptionsge-schwindigkeit, synthetisch, nicht immunogen
Nicht osteoinduktiv − − −
Trikalzium-phosphat in Zementform
Osteokonduktiv Kann zur Primärstabilisierung eingesetzt werden
Nicht osteoinduktiv − − −
DBM „demineralised bone matrix“, TGF „transforming growth factor“, BMP „bone morphogenic protein“.
1051Der Orthopäde 12 · 2013 |
war ein Zystenrezidiv nach konventioneller Behandlung (Injektion von Kortikosteroiden, Kürettage und autologe Knochengraftanlage oder Injektion von eigenem Knochenmark oder DBM). Neun der 13 Patienten in ihrer Gruppe hatten in der Vergangenheit eine pathologische Fraktur erlitten. Der Zement wurde nach Zystenaspiration und Lavage in Pasten
form in den Hohlraum injiziert. Bei der letzten Kontrolluntersuchung zeigte sich eine komplette Ausheilung (Neer Grad I) in 5 Fällen (39%). In 6 Fällen (46%) war eine GradIIHeilung (Reduktion der Zystengröße von über 50%) und in 2 Fällen (15%) eine GradIIIHeilung (Reduktion der Zystengröße von weniger als 50% aber mit Zunahme der Kortexbreite) eingetre
ten. Keiner der Patienten zeigte ein Rezidiv oder eine Zystenvergrößerung (Neer Grad IV).
Die durchschnittliche Heilung des zystischen Areals erfolgte in 11 von 13 Zysten (85,7%) mit 2,8 mm Zunahme der kortikalen Breite. Keiner der 13 Patienten benötigte eine weitere operative Behandlung oder erneute Injektion. Alle Patien
Abb. 2 8 a Benigne aneurismatische Knochenzyste der proximalen Tibia, b postoperatives Bild nach Ausräumung und Auf-füllung mit β-Trikalziumphosphat (β-TCP). c Verlaufskontrolle ein Jahr postoperativ. Gute Konsolidierung und Inkorporierung des Grafts. d Verlaufskontrolle 4 Jahre postoperativ. Vollständige Konsolidierung, inkomplette Graftresorption, radiologisch nachweisbare Reste von β-TCP
1052 | Der Orthopäde 12 · 2013
Leitthema
ten waren zum Zeitpunkt der letzten Kontrolle klinisch beschwerdefrei. Bei einem Patienten wurde eine Komplikation im Sinne von transitorischer Schwellung und Einschränkung der Kniebeweglichkeit direkt nach der Injektion beobachtet. Diese wurde durch ein Extravasat in den Weichteilen verursacht. Das Extravasat resorbierte sich nach 3 Monaten und der Patient war beschwerdefrei. Aufgrund der guten Ergebnisse sind die Autoren zu dem Schluss gekommen, dass die Methode eine sichere minimalinvasive und effiziente Alternative für die Behandlung juveniler Knochenzysten bei Kindern, insbesondere bei Zystenrezidiv mit bestehender oder drohender Instabilität darstellt.
Fazit für die Praxis
F Die primäre Applikation von alloge-nen Substanzen mit immunogenen Eigenschaften soll bei Kindern nicht favorisiert werden. Das Risiko für eine potenzielle Infektionsübertragung soll minimiert werden.
F Die Verwendung von Knochenersatz-materialien im Kindesalter ist nicht ri-sikofrei. Es wurden lokale und gene-ralisierte Reaktionen beschrieben.
F Keramische Knochenersatzmateria-lien müssen resorbiert und im Gegen-zug durch Knochen ersetzt werden. Ein zu langsames Abbauen kann theoretisch die Knochenheilung ver-zögern.
F Trikalziumphosphate sind gut ver-träglich und besitzen eine optimale Osteoinduktionseigenschaft und Re-sorptionsgeschwindigkeit.
F Kalziumphosphatzemente können zur primären Stabilisierung einge-setzt werden.
Korrespondenzadressen
Dr. K. MladenovAbteilung für Kinderorthopädie, Asklepios Klinik Sankt AugustinArnold-Janssen-Str. 29, 53757 Sankt [email protected]
PD Dr. U.v. DeimlingAbteilung für Kinderorthopädie, Asklepios Klinik Sankt AugustinArnold-Janssen-Str. 29, 53757 Sankt [email protected]
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. K. Mladenov und U. v. Deimling geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.
Literatur
1. Allison D, Lindberg A, Samimi B et al (2011) A com-parison of mineral bone graft substitutes for bone defects. US Oncol Hematol 7(1):38–49
2. Altermatt S, Schwöbel M, Pochon JP (1992) Ope-rative treatment of solitary bone cysts with trical-cium phosphate ceramic. A 1 to 7 year follow-up. Eur J Pediatr Surg 2(3):180–182
3. Buck BE, Alininm TM, Brown MD (1986) Bone transplantation and human immunodeficiency virus. An estimate of risk of acquired immuno-deficiency syndrome (AIDS). Clin Orthop Relat Res 240:129–136
4. Damron T, Lisle J, Craig T et al (2013) Ultraporous beta tricalcium phosphate alone or combined with bone marrow aspirate for benign cavitary lesions. J Bone Joint Surg [Am] 95:158–166
5. Dormans JP, Sankar WN, Moroz L et al (2005) Per-cutaneous intramedullary decompression, curet-tage, and grafting with medical-grade calcium sul-fate pellets for unicameral bone cysts in children. J Pediatr Orthop 25:804–811
6. Ducheyne P, Radin S, King L (1993) The effect of calcium phosphate ceramic composition and structure on in vitro behavior. I. Dissolution. J Bio-med Mater Res 27:25–34
7. Fowler BL, Dall BE, Rowe DE (1995) Complications associated with harvesting autogenous iliac bone. Am J Orthop 24:895–903
8. Frankenburg EP, Goldstein SA, Bauer TW et al (1998) Biomechanical and histological evaluation of calcium phosphate cement. J Bone Joint Surg [Am] 80:1112–1124
9. Gazdag AR, Lane JM, Glaser D et al (1995) Alterna-tives to autogenous bone graft: efficacy and indi-cations. J Am Acad Orthop Surg 3:1–8
10. Gitelis S, Virkus W, Anderson D et al (2004) Functio-nal outcome of bone graft substitutes for benign bone lesions. Orthopedics 27(1):S141–S144
11. Gross RH (2012) The use of bone grafts and bone graft substitutes in pediatric orthopaedics: an overview. J Pediatr Orthop 32(1):100–105
12. Holmes RE, Bucholz RW, Mooney V (1986) Porous hydroxyapatite as a bone-graft substitute in meta-physeal defects: a histometric study. J Bone Joint Surg [Am] 68:904–911
13. Hou H-Y, Wu K, Wang CT et al (2010) Treatment of unicameral bone cysts. J Bone Joint Surg [Am] 92:855–862
14. Inoue O, Ibaraki K, Shimabukuro H et al (1993) Packing with high- porosity hydroxyapatite cubes alone for the treatment of simple bone cyst. Clin Orthop Relat Res 293:287–292
15. Joeris A, Ondrus S, Planka L et al (2010) inject in children with benign bone lesions-does it increase the healing rate? Eur J Pediatr Surg 20(1):24–28
16. Kelly CM, Wilkins RM (2004) Treatment of benign bone lesions with an injectable calcium sulfate-ba-sed bone graft substitute. Orthopedics 27(Suppl 1):s131–s135
17. Klein CPAT, Blieck-Hogervorst JMA de, Wolke JGC et al (1990) Studies of the solubility of different calcium phosphate ceramic particles in vitro. Bio-materials 11:509–512
18. Lee GH, Khoury JG, Bell JE et al (2002) Adverse reactions to OsteoSet bone graft substitute, the incidence in a consecutive series. Iowa Orthop J 22:35–38
19. Matsumine A, Myoui A, Kusuzaki K et al (2004) Cal-cium hydroxyapatite ceramic implants in bone tu-mour surgery. A long-term follow-up study. J Bone Joint Surg [Br] 86(5):719–725
20. Mik G, Arkader A, Manteghi A et al (2009) Results of a minimally invasive technique for treatment of unicameral bone cysts. Clin Orthop Relat Res 467:2949–2954
21. Mirzayan R, Panossian V, Avedian R et al (2001) The use of calcium sulfate in the treatment of benign bone lesions: a preliminary report. J Bone Joint Surg [Am] 83:355–358
22. Nystron L, Raw R, Buckwalter J et al (2008) Acu-te intraoperative reactions during the injection of calcium sulfate bone cement for the treatment of unicameral bone cysts: a review of four cases. Iowa Orthop J 28:81–84
23. Peltier LF (1959) The use of plaster of Paris to fill large defects in bone. A preliminary report. Am J Surg 97:311–315
24. Peltier LF, Jones RH (1978) Treatment of unicame-ral bone cysts by curettage and packing with plas-ter-of-Paris pellets. J Bone Joint Surg [Am] 60:820–822
25. Perry CR (1999) Bone repair techniques, bone graft, and bone graftsubstitutes. Clin Orthop Relat Res 360:71–86
26. Rougraff B, Kling T (2002) Treatment of active uni-cameral bone cysts with percutaneous injection of demineralised bone matrix and autogenous bone marrow. J Bone Joint Surg 84-A(6):921–929
27. Sarkar MR, Wachter N, Patka P et al (2001) First his-tological observations on the incorporation of a novel calcium phosphate bone substitute mate-rial in human cancellous bone. J Biomed Mater Res 58:329–334
28. Thawrani D, Thai CC, MD, Welch R et al (2009) Suc-cessful treatment of unicameral bone cyst by sing-le percutaneous injection of alpha-BSM. J Pediatr Orthop 29(5):511–517
Kommentieren Sie diesen Beitrag auf springermedizin.de
7 Geben Sie hierzu den Bei-tragstitel in die Suche ein und nutzen Sie anschließend die Kommentarfunktion am Bei-tragsende.
1053Der Orthopäde 12 · 2013 |