macht ungleichheit krank? eine kritische analyse der thesen richard wilkinsons und kate picketts...
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Macht Ungleichheit krank? Eine kritische Analyse der Thesen
Richard Wilkinsons und Kate Picketts Prof. Dr. Wolf WagnerFachhochschule Erfurt
University of Applied Sciences
Das Buch
• Gleichheit ist Glück: Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind
• Kate Pickett• Richard Wilkinson • “The Spirit Level: Why More Equal
Societies Almost Always Do Better” Allen Lane, 2009.
Empirische Aussagen im Text:
• „Vergleiche zwischen hoch entwickelten Gesellschaften zeigen, dass bei höherer Ungleichheit der Gesundheitsstand schlechter und soziale Probleme wie Gewaltverbrechen häufiger sind.“
Was bedeutet das als empirische Aussage?
• 1. höhere Ungleichheit = schlechterer Gesundheitszustand – Voraussage (Hypothese): negative Korrelation = r höher als minus 0,3
• Widerlegung (Nullhypothese): keine Korrelation = r in der Gegend von 0 (geringer als 0,3 und größer als -0,3)
Was bedeutet das als empirische Aussage?
• 2. höhere Ungleichheit = mehr Gewaltverbrechen – Voraussage (Hypothese): positive Korrelation r höher als +0,3
• Widerlegung (Nullhypothese): keine Korrelation = r in der Gegend von 0 (geringer als +0,3 und größer als – 0,3)
Empirische Fragestellungen Operationale Definitionen
• Wie misst man Ungleichheit?
• Gini-Koeffizient
• Wie misst man Gesundheitszustand?
• Jahre der durchschnittlichen Lebenserwartung bei der Geburt
• Wie misst man Gewaltverbrechen?
• Anzahl der Morde pro 100000 Einwohner
Wie misst man Ungleichheit?Lorenz-Kurve als Darstellung der Ungleichheit
Wie misst man Ungleichheit?Lorenz-Kurve als Darstellung der Ungleichheit
Wie viel Prozent des Vermögens Y haben die ärmeren 50% der Bevölkerung X?
Wie viel Prozent desVermögens haben die ärmeren 90% der Bevölkerung?Wie viele der ärmsten 99%der Bevölkerung?Was verbleibt jeweils dem reicheren Rest?
Wie misst man Ungleichheit?Gini-Koeffizient: Operationale Definition
0 =extrem gleich 1= extrem ungleich
%-Anteildieser Fläche
an derGesamt-Fläche des Dreiecks
Der Gini-Koeffizientmisst denProzentanteilder Fläche zwischen Kurve und Linie der Gleichheit an derGesamten Dreiecks-Fläche.
Karte der Länder der Welt nach ihrem Gini-Koeffizienten
Land Gini Morde Lebens-erwartung
Prokopf-einkom-
men
Namibia 74,3 6,35 43,1 7,586
Bolivia 60,1 2,82 65,6 2,819
Colombia 58,6 37,3 72,9 7,304
South Africa 57,8 40,549,3
11,11
Brazil 57 27 72,4 8,402
Guatemala 55,1 45,270,3
4,568
Honduras 53,8 42,91 69,4 3,43
Ecuador 53,6 18,33 75 4,341
El Salvador 52,4 55,371,9
5,255
Peru 52 5,54 71,4 6,039
Die Ungleichsten
Die Gleichsten
Land Gini Morde pro 100000
Lebenserwartung Prokopf-einkommen
Germany 28,3 0,9879,4
29,461
Ukraine 28,1 7,42 67,9 6,848
Finland 26,9 2,75 79,3 32,153
Hungary 26,9 2,09 73,3 17,887
Slovakia 25,8 2,2674,7
15,871
Norway 25,8 0,78 80,2 41,42
Czech Republic 25,4 2,22
76,5
20,538
Sweden 25 2,39 80,9 32,525
Japan 24,9 1,1 82,6 31,267
Denmark 24,7 0,79 78,3 33,973
1. höhere Ungleichheit = schlechterer Gesundheitszustand
• – Voraussage: negative Korrelation höher als -,3
• Ergebnis für alle Länder: - 0,6
• Hypothese bestätigt
2. höhere Ungleichheit = mehr Gewaltverbrechen
• – Voraussage (Hypothese): positive Korrelation höher als +0,3
• Ergebnis für alle Länder: 0,55
• Hypothese bestätigt
Aber
• Text sagt: „Vergleiche zwischen hoch entwickelten Gesellschaften …“
1. höhere Ungleichheit = schlechterer Gesundheitszustand
• – Voraussage: negative Korrelation höher als - 0,3
• Ergebnis für reiche Länder: - 0,15
• Hypothese widerlegt
2. höhere Ungleichheit = mehr Gewaltverbrechen
• – Voraussage (Hypothese): positive Korrelation höher als +0,3
• Ergebnis für reiche Länder: 0,32
• Hypothese nur ganz knapp bestätigt
Folgerung: Scheinkorrelation
• Es handelt sich bei der gefundenen Korrelation zwischen Ungleichheit und Lebenserwartung und Ungleichheit und Kriminalität um einen nur scheinbar ursächlichen Zusammenhang, um eine „Scheinkorrelation“.
Was ist eine Scheinkorrelation?
• Eine Scheinkorrelation ist ein statistisch gemessener Zusammenhang zwischen zwei Variablen, welcher nur deshalb auftritt, weil beide Variablen systematisch von einer dritten Variablen beeinflusst werden.
• http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/quantitative/quantitative-106.html
Bringen doch die Störche die Kinder?
• Untersuchungen vieler Länder zeigen einen hohen Zusammenhang zwischen der Storchenpopulation und der Geburtenrate (teilweise bis r=0,7).
• Die Erklärung dieses verblüffenden Zusammenhanges: Es gibt eine gemeinsame dritte Variable, die eigentliche Ursache für beide Variablen – die Industriealisierung.
Scheinkorrelation Ungleichheit
• Richard Wilkinsons und Kate Picketts sitzen der Scheinkorrelation zwischen Ungleichheit und anderen Variablen auf.
• Die gemeinsame verursachende Variable ist Reichtum und Armut, das Pro-Kopf-Einkommen, denn
Eigentliche Ursache: Pro-Kopf-Einkommen
• Die Armen sind auch die Ungleichen, die Gefährdeten und Ungesunden
• Die Reichen sind die Gleichen, die Sicheren und Gesunden
Die Armen sind auch die Ungleichen, die Gefährdeten und Ungesunden
Land GDP pro Kopf in US PPP
Prokopf-einkom-men
Ginikoeffizient
Anzahl der Morde pro
100000 Einwohner
nach jüngsten
Daten
Lebenserwartung bei der
Geburt
Zambia 1,023 50,8 7,89 42,4
Burma 1,027 … 0,19 62,1
Uganda 1,454 45,7 7,37 51,5
Nepal 1,550 47,2 3,42 63,8
Zimbabwe 2,038 50,1 8,44 43,5
Moldova 2,100 33,2 6,71 68,9
Pakistan 2,370 30,6 6,86 65,5
Bolivia 2,819 60,1 2,82 65,6
Honduras 3,430 53,8 42,91 69,4
Indonesia 3,843 34,3 1,05 70,7
Die Reichen sind die Gleichen, die Sicheren und Gesunden
Land GDP pro Kopf in US PPP Prokopf-einkom-men
Ginikoeffizient Anzahl der Morde pro 100000 Einwohner nach jüngsten Daten
Lebenserwartung bei der Geburt
Germany 29,461 28,3 0,98 79,4
Sweden 32,525 25,0 2,39 80,9
Netherlands 32,684 30,9 0,97 79,8
United Kingdom 33,238 36,0 2,03 79,4
Canada 33,375 32,6 1,85 80,7
Austria 33,700 29,1 0,81 79,8
Denmark 33,973 24,7 0,79 78,3
Switzerland 35,633 33,7 2,94 81,7
Ireland 38,505 34,3 0,91 78,9
Norway 41,420 25,8 0,78 80,2
United States 41,890 40,8 5,70 78,2
Korrelationen
1 -,226 -,292* -,409** ,555** ,147 -,221
,077 ,021 ,001 ,000 ,253 ,336
62 62 62 62 61 62 21
-,226 1 ,627** ,659** -,580** -,601** ,254
,077 ,000 ,000 ,000 ,000 ,267
62 62 62 62 61 62 21
-,292* ,627** 1 ,695** -,452** -,571** ,376
,021 ,000 ,000 ,000 ,000 ,093
62 62 62 62 61 62 21
-,409** ,659** ,695** 1 -,548** -,666** ,459*
,001 ,000 ,000 ,000 ,000 ,037
62 62 62 62 61 62 21
,555** -,580** -,452** -,548** 1 ,398** -,658**
,000 ,000 ,000 ,000 ,002 ,001
61 61 61 61 61 61 21
,147 -,601** -,571** -,666** ,398** 1 -,451*
,253 ,000 ,000 ,000 ,002 ,040
62 62 62 62 61 62 21
-,221 ,254 ,376 ,459* -,658** -,451* 1
,336 ,267 ,093 ,037 ,001 ,040
21 21 21 21 21 21 21
Korrelation nach Pearson
Signifikanz (2-seitig)
N
Korrelation nach Pearson
Signifikanz (2-seitig)
N
Korrelation nach Pearson
Signifikanz (2-seitig)
N
Korrelation nach Pearson
Signifikanz (2-seitig)
N
Korrelation nach Pearson
Signifikanz (2-seitig)
N
Korrelation nach Pearson
Signifikanz (2-seitig)
N
Korrelation nach Pearson
Signifikanz (2-seitig)
N
Morde pro 100000
Lebenserwartung
Bildungsindex
Prokopfeinkommen
Ginikoeffizient
Menschenrechtsindex
Familienföderung
Morde pro100000
Lebenserwartung Bildungsindex
Prokopfeinkommen Ginikoeffizient
Menschenrechtsindex
Familienföderung
Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,05 (2-seitig) signifikant.*.
Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant.**.
Ist Gleichheit tatsächlich Glück?
• „Gleichheit ist Glück“ so der Titel des Buches• Für „Glück“ gibt es zwei Maße:• 1. Zufriedenheit (Wie zufrieden sind Sie alles in
allem mit Ihrem Leben?) auf einer Skala von 0 = ganz unzufrieden bis 10 = vollkommen zufrieden
• 2. „Subjective Wellbeing“ aus dem World Values Survey der National Science Foundation der US-Regierung zusammengestellt (http://www.nsf.gov/news/newsmedia/pr111725/pr111725.pdf)
Auch bei Lebenszufriedenheit und Wellbeing („Glück“) keine Korrelation zur
Ungleichheit• Korrelation zwischen Gini-Koeffizient und
Lebenszufriedenheit r = 0,03
• Korrelation zwischen Gini-Koeffizient und Subjective Wellbeing r = 0,11
• Korrelation zwischen Lebenszufriedenheit und Pro-Kopf-Einkommen r = 0,64
• Korrelation zwischen Subjective Wellbeing und Pro-Kopf-Einkommen r = 0,60
Fazit
• Die Thesen von Wilkinson und Pickett halten einer sorgfältigen empirischen Überprüfung nicht stand.
• Reichtum und Armut ist die eigentliche Ursache für Variationen im Gesundheitszustand, in der Kriminalität, der Ungleichheit und auch dem Glück. Die armen Länder sind auch die Ungleichen.
• Darum gibt es beim Vergleich von Ländern mit großen Unterschieden im Reichtum eine Korrelation der Ungleichheit mit Lebenserwartung und Gewaltdelikten. Das ist aber eine „Scheinkorrelation“.