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MAGISTERARBEIT Titel der Magisterarbeit „Formen und Funktionen der Inszenierung von Horror in Musikvideoclips“ Verfasser Bakk. Phil. Daniel Klug angestrebter akademischer Grad Magister der Philosophie (Mag. phil.) Wien, 2008 Studienkennzahl: 066 813 Studienrichtung: Soziologie Betreuer: Prof. Dr. Klaus Neumann-Braun

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Page 1: MAGISTERARBEIT - univie.ac.at · The Killers, The Kills und dem Rapper Anybody Killa. Visualisierung von Horror als eine Form des Beiwerks zur Musik, wird oftmals stereotyp mit bestimmten

MAGISTERARBEIT

Titel der Magisterarbeit

„Formen und Funktionen der Inszenierung

von Horror in Musikvideoclips“

Verfasser

Bakk. Phil. Daniel Klug

angestrebter akademischer Grad

Magister der Philosophie (Mag. phil.)

Wien, 2008

Studienkennzahl: 066 813

Studienrichtung: Soziologie

Betreuer: Prof. Dr. Klaus Neumann-Braun

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 1

2. Musikfernsehen 4

2.1. MTV: Geschichte, Struktur, Programm 4

2.2. VIVA: Der Versuch einer Konkurrenz 6

2.3. Die Präsentation von Videoclips im Rahmen des Musikfernsehens 7

3. Musikvideoclips 8

3.1. Die Geschichte des Musikvideoclips 8

3.2. Definition(en) von Musikvideo(-clip) 9

3.3. Funktionen und Struktur von Musikvideoclips 10

3.3.1. Die Bildebene als Wechselwirkung zwischen Musikvideoclip,

Film und Fernsehen 11

3.3.2. Die Tonebene in Unterscheidung zur Filmmusik 13

3.4. Kategorisierung von Musikvideoclips 14

3.4.1. Die drei grundlegenden Musikstile 15

3.4.2. Die vier Grundtypen des Musikvideoclips 16

3.4.3. Zusammenhänge von Musikstil und Cliptypen 18

4. Horror 19

4.1. Die Formen des Horrors 19

4.1.1. Die Phantastik als Grundlage des Horrors 19

4.1.2. Das Halbwesen als Grundlage des Horror 20

4.2. Der Horror im Film 22

4.2.1. Der klassische Horrorfilm 23

4.2.2. Der moderne Horrorfilm 24

4.3. Die Symbolik des Horrors 26

4.3.1. Themen und Motive 26

4.3.2. Gegenstände und Orte 27

4.4. Der Körper im Horror 29

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4.5. Die Funktionen des Horrors 31

4.5.1. Angsterzeugung als Grundlage des Horrors 31

4.5.2. Spannungserzeugung im Horrorfilm 32

4.5.3. Die Darstellung von Gewalt im Horrorfilm 32

4.5.4. Normen, Werte und Moral im Horrorfilm 33

4.6. Mediale Gewalt(darstellungen) 35

5. Stand der Forschung 37

5.1. Gewalt in Musikvideoclips 37

5.2. Horror in Musikvideoclips 39

6. Musikvideoclipkorpus 41

6.1. Erstellung der Typologie 41

6.2. Beschreibung der erstellten Typologie 42

6.3. Typologie der visuellen Funktionen des Horrors 49

7. Analysemethode 52

7.1. Filmanalyse 52

7.1.1. Die Adaption des Grundmodell zur Analyse von Musikvideoclips 52

7.1.2. Handlungsanalyse 53

7.1.3. Figurenanalyse 54

7.1.4. Analyse der Bauformen 55

7.1.5. Analyse der Normen und Werte 56

7.2. Bild(er)- und Film/ Videointerpretation als struktural-hermeneutische

Symbolanalyse 57

7.2.1. Grundlagen des Ansatzes 57

7.2.2. Vorgehensweise in der Symbolanalyse 58

7.2.3. Videoclipanalyse als Symbolanalyse 61

7.3. Deutungsmusteranalyse 62

7.3.1. Wissenssoziologische Grundlage 62

7.3.2. Der Deutungsmusteransatz 63

7.3.3. Das sequentielle Vorgehen bei der Analyse soziologischer

Deutungsmuster 65

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8. Analyse ausgewählter Musikvideoclips 68

8.1. Backstreet Boys – ‚Everybody (Backstreet’s Back)’ 68

8.1.1. Filmanalyse 69

8.1.2. Symbolanalyse 75

8.1.2.1. Das Zusammenspiel von Bild und Text in

‚Everybody (Backstreet’s Back)’ 83

8.1.2.2. Einordnung der Sequenz in den gesamten Videoclip 84

8.1.2.3. Die visuelle Funktion des Horrors in

‚Everybody (Backstreet’s Back)’ 89

8.1.3. Kultursoziologische Deutungsmusteranalyse 89

8.1.3.1. Einordnung in das Deutungsmuster Horror 89

8.1.3.2. ‚so everybody, everywhere, don’t be afraid, don’t have no fear...’:

Der entdramatisierte Horror 91

8.1.4. Verortung im Musikvideoclipkorpus 97

8.2. Death in Vegas – ‚Aisha’ 100

8.2.1. Filmanalyse 100

8.2.2. Symbolanalyse 105

8.2.2.1. Zusammenspiel von Bild und Text in ‚Aisha’ 116

8.2.2.2. Einordnung der Sequenz in den gesamten Videoclip 118

8.2.2.3. Die visuelle Funktion des Horrors in ‚Aisha’ 121

8.2.3. Kultursoziologische Deutungsmusteranalyse 121

8.2.3.1. Einordnung des Videoclips in das Deutungsmuster Horror 121

8.2.3.2. ‚... and I think you ought to know, I’m a murderer’:

der sexualisierte Horror 123

8.2.4. Einordnung in den Videoclipkorpus 127

9. Zusammenfassung und Fazit: Formen und Funktionen der Inszenierung von Horror in Musikvideoclips 130

10. Literaturverzeichnis 11. Abstract 12. Lebenslauf 13. Anhang

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1. Einleitung

Auf Zusammenhänge von Horror als literarischem und filmischem Genre und Rock-

bzw. Popmusik trifft man nicht erst auf der Ebene der Visualisierung von Musik,

symbolische und begriffliche Verwendungen von Horror und ihm verwandten

Begriffen und Mythen finden sich bereits in Namen von Bands und deren Alben.

Gruppen wie The Horrors oder Monstermagnet, die Alben ‚Monster’ von R.E.M. und

‚The Number of the Beast’ von Iron Maiden sind nur allgemeine Verwendungen des

Horrors. Das Album ‚Demon Days’ der Gorillaz und Bandnamen wie The Ghost

Frequency und Phantom Planet spielen mit Metaphern und Symbolen von Geistern

und Dämonen, auch Hexen, Vampire und Zombies lassen sich finden. So z.B. in den

Bandnamen Lake of Dracula und White Zombie oder den Albumtiteln ‚The Witching

Hour’ von Ladytron, ‚Stoner Witch’ der Melvins und ‚Zombi’ der Band Kante1.

Dergleichen existieren Verwendungen moderner Horrorsymbole in Bandnamen wie

The Killers, The Kills und dem Rapper Anybody Killa.

Visualisierung von Horror als eine Form des Beiwerks zur Musik, wird oftmals

stereotyp mit bestimmten Musikstilen in Verbindung gebracht. Fakt ist, dass ganze

subkulturelle Musikstile existieren, die sich dem Horror in Form eines Images

verschrieben haben, allgemein ist die Verwendung von Horrormythen und –symbolen

auf der Bildebene von Musikvideoclips jedoch so vielfältig, dass sie keinem

bestimmten Musikstil zugeordnet werden kann. Des Weiteren müssen KünstlerInnen

und Bands auf Grund einer begrifflichen Verwendung von Horror nicht zwangsweise

auch in ihrem Image oder in den Themen und Aussagen ihrer Songs dem Horror

nahe stehen. Bei Albumtiteln, die Horrorbegriffe beinhalten, muss es sich auch nicht

um Konzeptalben zum Thema Horror handeln, wie es beispielsweise bei dem Album

‚Ein kleines bisschen Horrorshow’ von Die Toten Hosen der Fall ist. Ebenso lassen

sich auch Songs wie z.B. ‚Hammer Horror’ von Kate Bush, ‚Zombie’ von The

Cranberries, ‚Monsters’ der Gruppe Something For Kate oder ‚The Horror’ von RJD2

finden, die Horrorbegriffe nur im Titel oder als horrorfremdes Schlagwort im Text

nutzen.

Für die Verwendung von Horrormythen und Horrorsymbolen auf der Bildebene von

Musikvideoclips gelten ähnliche Voraussetzungen. Beinhaltet der Songtext oder auch

nur der Titel eines Songs manifeste oder latente Horrorsymbole, so bedingt dies

1 vgl. http://www.indiepedia.de/index.php/Horror

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noch nicht deren Visualisierung im Videoclip. Viel wesentlicher und interessanter ist

aber, dass Musikvideos in umgekehrter Weise Horror visualisieren ohne dass der

Song oder die InterpretInnen direkten Anlass dazu geben würden.

Da somit für die Visualisierung von Horror auf der Bildebene des Musikvideos keine

grundlegende Orientierung an Musik, Text oder Image gegeben ist, ist die Frage der

vorliegenden Arbeit, welche Funktion die Inszenierung von Horror in Musikvideoclips

verfolgt und welche Form der Horror dabei annimmt. Aus einer

wissenssoziologischen Perspektive heraus stellt sich zu dem die Frage, auf welche

kulturellen Wissensgrundlagen und Objektivationen die Visualisierung von

Horrormythen in dem populärkulturellen Medium Musikvideo zurückgreift.

Wie in den theoretischen Ausführungen dieser Arbeit aufgezeigt wird, besitzt das

Musikvideo eine inhaltliche und strukturelle Spezifik, die wesentlichen Einfluss auf die

thematischen Verwendungen auf der Bildebene nimmt. Die Erzählung und die

Symbolik des Horrors müssen den vorgegebenen Strukturen des Videoclips

untergeordnet werden, gleichzeitig aber noch in irgendeiner Form ihre Wirkung

erzielen.

Das Verständnis der Verwendung von Horror in einem populärkulturellen Medium wie

Musikvideos gründet sich dabei nicht nur auf das Verständnis visueller Symbole,

sondern auch auf die begriffliche Verwendung im Alltag, in der verschiedene Dinge

und Ereignisse in sozialen und kulturellen Bereichen als Horror empfunden werden

können. So hebt sich der Horror innerhalb jener alltäglichen Begebenheiten ab, da er

Dinge bezeichnet, die außerhalb des für möglich gehaltenen liegen, aber trotzdem

eintreten. Dabei deutet der Horror jedoch nur innerhalb des Vorstellbaren an, was er

eigentlich ist, nämlich das Unvorstellbare.

In der Populärkultur kann der Horror nicht ohne Weiteres seine schreckliche,

gruselige und ekelerregende Funktion ausüben, da sein formales Erscheinungsbild

als Unterhaltungsaspekt überwiegt. Er muss einem relativ einheitlichen ästhetischen

Schema folgen, über das er in die Populärkultur Eingang finden kann. Durch eine

abgeschwächte Form, die nicht auf den unvorstellbaren Schrecken des Horrors

verweist, kann dieser im Zusammenhang mit populärkulturellen Produkten verwendet

werden. Für das mediale Format des Musikvideoclips kann ein ähnliches

Zusammenspiel der vorgegebenen Strukturen mit dem inhaltlichen Fokus Horror

angenommen werden. Welche Formen und Funktionen der Horror in der

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Inszenierung im Musikvideoclip annehmen, beibehalten oder auch erzeugen kann,

soll in der vorliegenden Arbeit beispielhaft erläutert werden.

Zunächst wird im Theoriekapitel die Entstehung des Musikvideoclips im Rahmen des

Musikfernsehens dargestellt und die Bedingungen dieses medialen

Zusammenwirkens erläutert. Auf dieser Grundlage werden die strukturellen

Eigenschaften des Musikvideos und die Möglichkeiten der Kategorisierungen in

bezug auf ihre Inszenierung im Musikfernsehen aufgezeigt. Im Anschluss daran stellt

das Kategorisierungsmodell von Altrogge die theoretische Grundlage dieser Arbeit

dar. Als nächstes wird auf den Horror als Bestandteil der Phantastik eingegangen

und ein Überblick über seine filmischen Ausprägungen gegeben, bevor mit der

Beschreibung der wichtigsten Horrorsymbole und –mythen die theoretische

Grundlage für die spätere Analyse gelegt wird. Diese Grundlage wird durch die

Funktionen des Horrors im Film spezifiziert und die Verbindung zum Gewaltbegriff

geschaffen, der das theoretische Fundament der Arbeit komplettiert. Die Darstellung

des Forschungsstands zu Gewalt und Horror in Musikvideoclips bildet den Übergang

zur methodischen Vorgehensweise der Arbeit. Zuvor wird der Musikvideoclipkorpus

als empirische Basis für die anschließende Analyse beschrieben und aufgearbeitet.

Die gewählte Methodenkombination besteht zunächst aus der Filmanalyse nach

Faulstich in Anpassung an Musikvideoclips. Zusammen mit der Bildinterpretation als

struktural-hermeneutische Symbolanalyse nach Müller-Doohm, ebenfalls an den

Analysegegenstand des Musikvideos angepasst wird die Grundlage für eine

anschließende Deutungsmusteranalyse aus wissenssoziologischer Sicht geschaffen.

Auf Basis dieser Methodenkombination werden aus dem beschriebenen Korpus an

Musikvideoclip die Clips zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ der Backstreet Boys und

‚Aisha’ der Gruppe Death In Vegas beispielhaft analysiert und anschließend wieder

im Gesamtkorpus verortet.

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2. Musikfernsehen

Bei der Beschäftigung mit Musikfernsehen und seinen Inhalten fällt recht bald auf,

dass mehrere Begriffe verwendet werden, die eigentlich das selbe meinen:

Musikvideoclip, Musikvideo, Videoclip, Musikclip oder auch nur Clip oder Video. In

der vorliegenden Arbeit sollen diese Begriffe gleichbedeutend verwendet werden, mit

dem Hinweis auf den Terminus Musikvideoclip als die semantisch korrekteste

Bezeichnung. Aus wissenschaftlicher Sicht die Frage, ob es sich bei Musikfernsehen

um Avantgarde oder Massenkultur handelt, um dieser Frage nachgehen zu können

sind Videoclip und Musikfernsehen getrennt voneinander zu betrachten2.

2.1. MTV: Geschichte, Struktur, Programm

Die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Musikvideos kann nicht ohne die

des Musikfernsehens betrachtet werden, gleiches gilt für die umgekehrte

Blickrichtung. Musikfernsehen und Musikvideos sind unweigerlich miteinander

verbunden. Als Geburtsstunde des Musikfernsehens wird gemeinhin der offizielle

Sendestart von MTV am 1.August 1981 bezeichnet3, durch den sich in der Folge bis

heute zahlreiche Wechselwirkungen zwischen Musik, Fernsehen, Musikfernsehen

und Werbung ergaben. Die erfolgreichen Grundlagen einer umfassenden

Visualisierung von Popmusik wurden aber schon in den TV-Shows der 1970er Jahre

gelegt, in denen Musik verstärkt in Verbindung mit Werbung oder Show-Jingles

auftrat4 und in denen bereits so genannte ‚Promotional Clips’ zur unterstützenden

Vermarktung der ‚radio stars’ liefen.

Die für das Fernsehen produzierten Videoclipsendungen fanden zunächst keinen

großen Zuspruch, trotzdem stieg die Anzahl der produzierten Videoclips zu Beginn

der 1980er Jahre enorm an5. Ein Grund dafür waren die veränderten (Re-

)Produktionsmöglichkeiten von Musik durch künstlich erzeugte Computer- und

Synthie-Sounds, welche durch den Wegfall der klassischen Bedienung die

Inszenierung der MusikerInnen als Stars und PerformerInnen hervorgehoben6. Diese

oftmals sehr technisch konzipierte Musik hatte starken Einfluss auf die Entstehung

2 vgl. Neumann-Braun;Schmidt 1999, S.9f 3 vgl. Schmidt 1999, S.101 4 vgl. ebd., S.94 5 vgl. Rötter 2000, S.265 6 vgl. Schmidt 1999, S.95f

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von Musikvideos, da sie in Live-Performances teils nur schwer oder aufwendig

wiederzugeben war. Die Folge war das Musikvideo, das die musikalische

Verfügbarkeit in visualisierter Form als Erweiterung des Live-Konzertraums

vorantrieb7. Das in den 1980er Jahren aufkommende Kabel- und Satellitenfernsehen

mit einer Vielzahl an Sendefrequenzen, die fallenden Umsätze der Plattenindustrie,

die fehlende Präsentationsform für Popmusikclips und deren Funktion eines

Werbemediums sprachen für die Gründung von MTV8.

Zu Beginn war der Sender einerseits von den gewinnorientierten, ökonomischen

Erwartungen an ihn geprägt, andererseits von der noch geringen Anzahl und

Verfügbarkeit von Musikclips9. Das Ziel von MTV war von Anfang an, die beiden

jugendkulturellen Aktivitäten fernsehen und Musik hören zu kombinieren und den

Sender dadurch zu einem tonangebenden jugendkulturellen Medium werden zu

lassen. „In this sense, MTV may be viewed as crossing over from traditional middle-

class values transmitted by TV to youth culture values traditionally associated with

rock music themes.“10 Der entscheidende Erfolg war dabei vor allem das auf die

jeweilige Sendung abgestimmte Styling, das vom Senderlogo, über das Studiobild

bis zur Kleidung der VJs reichte und das als Träger jugendlicher Lebensgefühle

eingesetzt wurde11.

In den Anfangsjahren entwickelte MTV das sogenannte ‚flow-Prinzip’ als eine auf der

Wiederholung von Videoclips basierende Programmgestaltung, die jedoch um 1985

begann uninteressant zu werden. Die Folge war die Konzeption von ‚spezial interest’-

Sendungen, d.h. zum einen von Formaten, die sich auf bestimmte Musikstile und

folglich Lebensstile konzentrierten, zum anderen wurden auf das jugendkulturelle

Image abzielende, videoclipfremde Sendungen entwickelt. Eine der ersten

Spartensendungen war die Fashion-Sendung ‚House of Style’, die bereits das neue

Konzept von MTV andeutete: die spezifische televisuelle Umsetzung spezifischer

Sendungsinhalte in Abstimmung mit darauffolgenden Werbespots12, bis heute folgte

eine Vielzahl neuer, zum Teil richtungsweisender Formate wie ‚The Real World’ oder

‚Beavis and Butt-Head’. Die in den 1980er Jahren aufgebaute Monopolstellung

konnte MTV durch Werbeverträge, Medienkooperationen und Entwicklung

7 vgl. Rötter 2000, S.265 8 vgl. Schmidt 1999, S.96ff 9 vgl. ebd., S.104f 10 Greeson; Williams 1986, S.179 11 vgl. Linden 2004, S.207f 12 vgl. Caldwell 2002, S.179f

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kontinentaler und nationaler Ableger bis heute gegenüber anderen aufkommenden

Musiksendern weitestgehend erfolgreich verteidigen13, dennoch gab es immer wieder

Versuche konkurrenzfähige Musiksender aufzubauen14.

2.2. VIVA: Der Versuch einer Konkurrenz

Im deutschsprachigen Raum startete am 01.12.1993 der Musiksender VIVA, dessen

Gründung zum einen die neue freie Sendefrequenz ermöglicht wurde, zum anderen

hatte die Tonträgerindustrie in Deutschland verstärktes Interesse der befürchteten

Allmachtsstellung von MTV entgegenzuwirken15. Das Problem von VIVA war von

Beginn an der ästhetisch etablierten Marke MTV oppositionell entgegentreten zu

können. Ein Vorteil lag zu Beginn in der selbstauferlegten ‚germanischen Quote’ der

Programmgestaltung, die vorgab, dass die Clips zu 40% aus deutschen Titeln

bestehen sollten. Diese anfängliche Konzentration auf deutsche KünstlerInnen,

deutsche Musikszenen und Musik-Events war zunächst erfolgreich16, kollidierte

jedoch schon bald mit den Interessen der angestrebten Zielgruppe der 14-

29jährigen17. Ein weiterer Kontrastpunkt zu MTV stellte der bewusste Einsatz nicht-

professioneller ModeratorInnen dar, die für Publikumsnähe und Authentizität sorgen

sollten18. VIVA war von Beginn an bemüht sich als Marke zu etablieren und setzte

dabei auf ein On-Air-Design, das mit seiner Plakativität der Verspieltheit des MTV-

Designs entgegen wirkte19, zu dem wurde mit dem Sendebeginn von VIVA2 am

21.03.1995 eine interne Alternative zu dem mittlerweile entstandenen Mainstream-

Programm von VIVA angestrebt, die sowohl die Zielgruppe der bis 49jährigen

ansprechen als auch Musikacts abseits des Mainstream fördern sollte20.

Der ökonomische Druck wurde jedoch spätestens ab 2004 zu groß, MTV machte mit

musikfernen ‚Trash-Fernsehen’ gute Quoten und VIVA musste mitziehen. Das

Ergebnis war die Aufgabe von Formaten wie ‚Fast Forward’, die ehemals

Aushängeschilder des Senders waren, und der Ankauf von qualitativ minderwertigen

13 vgl. Schmidt 1999, S.111ff 14 vgl. Linden 2004, S.210f 15 vgl. Hachmeister; Lingemann 1999, S.137ff 16 vgl. Langhoff 1999, S.233f 17 vgl. Hachmeister; Lingemann 1999S.142ff 18 vgl. ebd., S.150 19 vgl. ebd., S.161f 20 vgl. ebd., S.153f

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Reality-TV-Formaten21. Bereits 2002 wurde VIVA 2 in den Popsender VIVA Plus

umgewandelt, der 2007 eingestellt wurde, 2004 wurden die Mehrheitsanteile der

VIVA-Gruppe von dem Konzern Viacom erworben, dem auch die internationale

MTVGroup gehört22. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Musikfernsehen

durch diese Entwicklungen einschneidende Veränderungen durchlaufen hat.

2.3. Die Präsentation von Videoclips im Rahmen des Musikfernsehens

Das Besondere und Neue an MTV war die Loslösung des Musikvideos aus der

Präsentation in einer geeigneten Show eines Fernsehsenders und die Einbettung

und Etablierung als Hauptprogrammelement in einen eigens dafür vorgesehenen

Fernsehsender. Dadurch fiel aber auch die spezielle Hervorhebung und Präsentation

der Musikvideos in einer Sendung weg und neuartige Konkurrenzsituationen wurden

geschaffen23. Zu beachten ist, dass MTV von Anfang an die strategische Speerspitze

im internationalen Konkurrenzkampf verschiedener Medienkonzerne war. Daher

könnte man meinen, „MTV existiert nur, weil es der Industrie umsonst Werbezeiten

einräumt, (...) VIVA existiert nur, weil die Industrie sich einen Werbesender für der

Welt drittgrößten Popmarkt wünschte“24 und der Erfolg bestimmter Bands ist weniger

eine Frage des eigentlichen Produkts, sondern das Resultat der Strukturen und

Dynamiken der Musikindustrie25. Die Frage ist dann, ob MTV und VIVA eine

Möglichkeit darstellen, sich umfassender mit Popkultur zu befassen oder führen die

von MTV geschaffenen ökonomischen Strukturen eher zu einem generellen

Qualitätsverlust des Begriffs der Populärkultur26. Im Produktionskontext von

Musikvideos stellt sich zu dem die Frage, ob Popmusikclips und Musikfernsehen

getrennt voneinander betrachtet werden können, wo doch das Musikfernsehen das

Forum ist, in dem Musikvideoclips gespielt oder nicht gespielt werden27.

21 vgl. Niggemeier 2004 22 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/VIVA#Geschichte 23 vgl. Keazor; Wübbena 2005, S.66ff 24 Langhoff 1999, S.232 25 vgl. Schmidt 1999, S.93 26 vgl. Langhoff 1999, S.239f 27 vgl. Keazor; Wübbena 2005, S.68

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3. Musikvideoclips

3.1. Die Geschichte des Musikvideoclips

Die Visualisierung von Musik und musikalischen Auftritten der InterpretInnen ist im

Prinzip genau so alt wie die technischen Möglichkeiten dieses Unterfangens, so

können die ‚Soundies’ der 1940er Jahre ebenso als Vorläufer von Musikvideoclips

gesehen werden wie auch das französische ‚Scopitone’ aus den 1960ern28. Mit Live-

Auftritten von Bands in den Late-Night-Shows der 60er Jahre und mit Musikfilmen

der Beatles, der Rolling Stones und der Monkees wurden weitere Schritte in Richtung

des heutigen Musikvideos gemacht. In den 1970er Jahren gingen die Psychadelic-

Bands dazu über ihre Musik bei Auftritten durch große, pompöse Bühnenbilder zu

visualisieren und dies in entsprechenden Musikfilmen umzusetzen, die allesamt als

Wegbereiter des heutigen Musikvideos gesehen werden können29.

Von vielen wird Queens ‚Bohemian Rhapsody’ (1975) als das erste richtige

Musikvideo gesehen, enthält es doch z.B. Techniken der Heroisierung der Künstler

und technische Mittel zur visuellen Variation30. Die Entstehung dieses Videoclips war

eher technischer Natur, denn auf Grund der Komplexität der Komposition war es

damals kaum möglich das Stück live wiederzugeben, um es der großen

Fangemeinde trotzdem ‚aufzuführen’ wurde es in die Form eines Performance-

Videoclips gebracht31. Dem heutigen Verständnis der Inszenierung und Struktur von

Musikvideos kommen die Clips von Lasse Hallström zu den ABBA-Songs ‚Mamma

Mia’, ‚Bang-a-boomerang’ und ‚SOS’, alle aus dem Jahr 1975 bereits relativ nahe,

der Clip zu ‚Knowing Me, Knowing You’ von 1977 arbeitet bereits mit einer

ausgeklügelten Choreografie und dem stilprägenden Outfit von ABBA32.

Die Produktion und die Distribution von Videoclips unterliegen den Plattenfirmen und

sind als Promotion an der Popularität der beworbenen KünstlerInnen orientiert. Das

Programm des Musikfernsehens lebt von den gratis gestellten Videos, die

Plattenindustrie nutzt im Gegenzug das Musikfernsehen als Werbefläche.

Konfliktpunkte entstehen in Unvereinbarkeit der jeweiligen ökonomischen Interessen:

die Musikindustrie will neue Acts aufbauen und etablieren, MTV will hohe

28 vgl. Rötter 2000, S.261ff 29 vgl. ebd., S.263f 30 vgl. ebd., S.264 31 vgl. Keazor; Wübbena 2005, S.61 32 vgl. ebd., S.62ff

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Einschaltquoten erzielen33. Der Videoclip hat also populärkulturellen Gebrauchswert

und Werbefunktion zugleich, die er jedoch verschleiert. Die Werbung wird so kulturell

aufgewertet, allerdings verleugnen Musikvideos als postmoderne Kunstwerke auch

nicht die Verknüpfung von Kunst und Kommerz34.

Die Entstehung eines Videoclips unterliegt oftmals konkreten Vorgaben und strenger

marktwirtschaftlicher Kontrolle durch die Plattenfirmen, die sich an bereits

produzierten und in heavy rotation laufenden Clips orientieren um möglichst oft auf

MTV gezeigt zu werden35. In den 1980er Jahre war ein Höhepunkt erreicht:

„Werbung und Programm erfuhren eine ästhetische Annäherung und fielen im Fall

MTVs gar gänzlich zusammen: Clips bewerben Songs, Spot bewerben Waren und

Jingles den Sender selbst.“36

Es gibt daher nur wenige KünstlerInnen die bezüglich ihren Musikvideos stilistische

Freiheiten genießen und trotzdem Erfolge verzeichnen können37. Erst Ende der

1990er Jahre werden VideoclipregisseurInnen wie Chris Cunningham, Michel

Gondry, Spike Jones, Floria Sigismondi oder Jonathan Glazer mit ihren kunstvollen

Clips an Stelle der MusikerInnen selbst zu den ‚heimlichen’ Stars des

Musikfernsehens. Musikvideos finden ihren Weg zu den Kurzfilmtagen in

Oberhausen und auf DVDs, die RegisseurInnen und nicht MusikerInnen gewidmet

sind38. Speziell Chris Cunningham oder Michel Gondry schufen Videoclips zu

Liedern, die ohne die Clips vielleicht nie einer breiteren Masse bekannt geworden

wären, so verbindet man mit Björks ‚All Is Full Of Love’ oder Aphex Twins ‚Come To

Daddy’ automatisch den Videoclip und weniger das Lied als singuläres Kunstwerk39.

3.2. Definition(en) von Musikvideo(-clip)

Bevor in den folgenden Kapiteln die inhaltlichen und formalen Strukturen von

Musikvideoclips und die Möglichkeiten ihrer Klassifikationen dargestellt werden, stellt

sich ganz allgemein die Frage ihrer Definition. Zu Beginn der

Musikvideoclipforschung in den 1980er Jahren entstanden erste strukturelle

Definitionen wie die von Bennett/Ferrell: „For the moment, music videos can be 33 vgl. Schmidt 1999, S.116f 34 vgl. Busse 1996, S.4f 35 vgl. Schmidt 1999, S.121 36 ebd., S.129 37 vgl. ebd., S.118ff 38 vgl. Karnik 2005, S.78f 39 vgl. ebd., S.82

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understood as popular artistic works that depend upon electronic technology to

synchronize the recording of sounds and sights, and that are distinguished from other

video works by the criterion that their sound track is a complete musical

performance.”40 Greeson/Williams definieren Musikvideos hingegen aus dem

Blickwinkel der jugendkultureller Rezeption: „Music videos are designed to appeal to

adolescent audiences, combining the impact of television with the sounds and

messages of youth transmitted through popular music.”41

Gerade in bezug auf den transportierten Inhalt entwickelten sich auch schnell

kritischere Sichtweisen, so meint beispielsweise Weibel, dass Musikvideos weder

Musik noch Video bzw. Bild sind, sondern nur Simulationen dessen, die von der

Medienindustrie hergestellt werden, um der Rock- oder auch der Popmusik ein

Erscheinungsbild zu verleihen. Musikvideos stellen diese Tatsache als Inszenierung

offen zur Schau, in dem sie lustvoll auf bekannte Bilder aus dem Fundus der

Mediengeschichte verweisen und diese zitieren42. Eine genauere strukturelle und

inhaltlich neutrale Definition findet sich bei Neumann-Braun/Schmidt: „Videoclips sind

in der Regel drei- bis fünfminütige Videofilme, in denen ein Musikstück (Pop- und

Rockmusik in allen Spielarten) von einem Solointerpreten oder einer Gruppe in

Verbindung mit unterschiedlichen visuellen Elementen präsentiert wird.“43

3.3. Funktionen und Struktur von Musikvideoclips

Musikvideos verbinden die beiden populären Medien Fernsehen und Musik (im Sinne

von Tonträgern), ihre sprachlichen und visuell gestalterischen Aspekte haben in

relativ kurzer Zeit zu einer eigenen Ästhetik des Musikvideoclips geführt. Auf die

Bildästhetik hatten die angesprochenen Musikfilme ebenso wie der Werbefilm

bedeutenden Einfluss44, auf musikalischer Ebene ermöglicht die Künstlichkeit der

Popmusik eine vollkommen neue ästhetische Nutzung des Mediums Musik in

visualisierter Form. Popmusik wird nun als visuelles Gesamtkonzept im Videoclip

dargestellt und dieser dadurch zu der maßgebenden popkulturellen Ausdrucksform

von Popmusik45. Musikvideoclips sind populär, auch wenn sie die Konventionen der

40 Bennett;Ferrell 1987, S.345 41 Greeson;Williams 1986, S.179 42 vgl. Weibel 1987, S.274 43 Neumann-Braun; Schmidt 1999, S.10 44 vgl. Kurp et. al. 2002, S.43ff 45 vgl. ebd., S.49

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realistischen Ästhetik verletzen und ihre eigne Künstlichkeit offenbaren. Ihre

ästhetische Komplexität gründet sich auf folgenden Merkmalen:

1. der Beschleunigung im Sinne der gesteigerten Anzahl von Schnitten;

2. den assoziativen Bildern, d.h. dem Fehlen der für Fernsehen und Kino typischen

Erzählcodes wie Linearität und Illusionismus, Videoclips enthalten hingegen „(...)

mehrere assoziativ verbundene Schichten von Bildebenen und Bedeutungen (...)“46;

3. der Selbstreferenz, d.h. es wird z.B. auf den Gegenstand des Videos selbst Bezug

genommen, die Videoproduktion oder Gegenstände einer Filmproduktion gezeigt,

der Sender MTV thematisiert oder die ZuschauerInnen bewusst auf ihre Rolle als

RezipientInnen aufmerksam gemacht;

4. den Clips als postmoderne Kunstform, denn in Videoclips werden Hoch- und

Populärkultur entdifferenziert, die zeitlichen Grenzen werden in der Rezeption durch

das dauerhafte und wechselweise Senden von Clips aufgehoben, außerdem nehmen

die Videoclips selbst starke Anleihen in der (Bild-)Geschichte des Films47.

Der Musikvideoclip lässt sich strukturell in die drei Ebenen Bild, Text und Ton

untergliedern. Text und Ton haben im Musikvideo eine basale ordnungsstiftende

Funktion, die durch die Stilistik des Bildes ergänzt wird. Bilder können zu Musik und

Text zunächst frei in Verbindung gesetzt werden, jede der Ebenen Bild, Text und Ton

kann aber auch eine eigene Geschichte erzählen, die sich gegenseitig ergänzen,

verstärken, hemmen oder widersprechen können48. Die Bezüge von Bild, Text und

Ton zueinander sind dabei nicht hierarchisch angelegt, sie müssen auch nicht nur

von einem einzigen Motiv ausgehen, vielmehr greifen die Ebenen ineinander und

können jede für sich von einem oder mehreren Elementen beeinflusst werden49. Im

Musikvideoclip stehen sich Bild, Text und Ton gleichberechtigt gegenüber, dadurch

unterscheiden sie sich vom (Spiel-)Film und restlichen Fernsehformaten.

3.3.1. Die Bildebene als Wechselwirkung zwischen Musikvideoclip, Film und

Fernsehen

„Die Bedeutung einzelner Bilder wird im Film in der Regel in der übergeordneten

Bildfolge und diese wiederum im Zusammenspiel mehrerer Bildfolgen aufgehoben.

46 Winter; Kagelmann 2002, S.211 47 vgl. ebd., S.210ff 48 vgl. Neumann-Braun; Schmidt 1999, S.20ff 49 vgl. Keazor; Wübbena 2005, S.97

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Aber gilt dies auch für Musikvideos?“50 Im Musikvideo folgen die Bilder auf die Musik,

was, die Musik zur Grundlage der Bilder macht und die weitere Frage aufwirft, ob die

filmische Kontexterwartung bezüglich der Darstellung im Videoclip ebenso zutrifft wie

im Film oder ob die Bilder zwar als Fragmente aneinandergereiht aber nicht zu einer

Bedeutung verbunden werden51. Für ein Verständnis allgemein gültiger Themen

müssen sich im Musikvideo Bildzeichen und Bildaussage stark decken, es sei denn

die Bilder erklären sich z.B. aus dem Songtext heraus, der durch sie illustriert wird.

Andererseits können im Musikvideo die Bilder entgegen dem Film auch Situationen

darstellen ohne einen Kontext mit dem restlichen Bildgeschehen erzeugen zu

müssen52. Musikvideos greifen dabei auf das komplette historische Bildgedächtnis

einer Gesellschaft zurück, alles bildförmige kann unabhängig vom Inhalt verwendet

werden53. Zusammen mit Schlüsselwörtern im Songtext können die Bildtexte

Schlüsselszenen erzeugen, die jedoch keine Makrobedeutung aufweisen müssen,

sondern lediglich als Kombination von Text und entsprechendem Bild verstehbar sein

müssen.

Eine Verbindung von Musikvideoclip und Film und Fernsehen besteht dennoch in

zwei Aspekten: zum einen geht der Videoclip historisch aus dem Fernsehen hervor,

wodurch er Motive, Typiken und Erzähltechniken des Fernsehens aufgreift, erweitern

und modifizieren kann, zum anderen können im wesentlich kürzeren und ‚schnelleren

Format’ des Videoclips Techniken erprobt werden, die dann wiederum Eingang in

Formate von Film und Fernsehen finden können54. Ein Beispiel ist das technische

Verfahren des ‚Morphing’, mit dem im Videoclip experimentiert wurde, den

umgekehrten Weg hat die Technik des Split-Screen-Verfahrens durchlaufen, die aus

dem Fernsehen kommend auch im Videoclip verwendet wird. Mittlerweile lassen sich

auf der Bildebene auch dramaturgische Wechselwirkungen zwischen Film und

Videoclips erkennen. Musikvideos arbeiten vermehrt mit kurzen Anspielungen auf

bekannte Filme und Filmszenen, auch wenn die filmischen Zitate im Videoclip zur

Erzeugung visueller Wiedererkennungswerte oftmals komplett aus dem

ursprünglichen Sinnzusammenhang der Vorlage gerissen werden55. So dient den

Spice Girls in ‚Spice Up Your Life’ (1997) das Setting von ‚Blade Runner’ (1982) als

50 Altrogge 2001 (I), S.119 51 vgl. ebd., S.119f 52 vgl. ebd., S.122ff 53 vgl. Kerscher; Richard 2003, S.204 54 vgl. Keazor; Wübbena 2005, S.167 55 vgl. ebd., S.168f

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Vorlage, Farin Urlaub stellt in ‚Sumisu’ (2001) Szenen aus ‚Nosferatu’ (1922) nach

und die Videos von Jennifer Lopez zu ‚I’m glad’ (2003) und Geri Halliwells ‚It’s

Raining Man!’ (2001) adaptieren beide die Vortanzszene aus ‚Flashdance’ (1983)56.

3.3.2. Die Tonebene in Unterscheidung zur Filmmusik

Wie bereits erwähnt, stellt der Song die produktionstechnische Basis für das

Musikvideo dar, daher ist die Unterscheidung der Tonebene von Musikvideos und

Filmmusik eine wesentliche Grundlage für Analyse und Interpretation. „In Videoclips

(...) ist die Musik bereits eine vorausgesetzte Größe, auf die die Visualisierung folgt,

im Unterschied zum Film, der sich nachträglich der Musik als einem Element der

Vertonung bedient.“57 Des Weiteren steht die Musik im Film eher begleitend im

Hintergrund, während sie im Videoclip eine tragendere, strukturierendere und

vordergründigere Rolle einnimmt58. Dadurch entsteht ein Zusammenspiel von Bild

und Ton, das sich auch in der Rezeption wesentlich vom Film unterscheidet: „Beim

Spielfilm fungiert in der Regel die Musik als Ergänzung zur Bild- und Handlungsfolge,

beim Videoclip dagegen eröffnet die optische Ebene zur Musik den Einstieg in

illustrative, situative, narrative und/oder assoziative Bildwelten.“59 Hinzu kommt, dass

die Musik bereits bildhafte Vorstellungen auslösen kann, die in Form eines

Musikvideoclips fortgeführt, erweitert oder ergänzt werden können. Eine Synthese

von auditiver und visueller Ebene wird im Videoclip am einfachsten über eine

Orientierung an der Rhythmik erreicht, das Zusammenspiel von Bild und Ton im

Musikvideo ist jedoch vom Blickwinkel abhängig. Je nachdem erscheinen entweder

die Bilder oder die Musik gegenüber dem anderen als passend oder unpassend.

Setzt man dies aber in den Produktionskontext von Musikvideos, in welchem die

zuerst entstandene Musik die Strukturen vorgibt, so trifft diese Unterscheidung eher

auf die Bildebene zu60.

56 vgl. Keazor; Wübbena 2005, S.175 57 Altrogge 2001 (I), S.15 58 vgl. Behne 59 Rösing 2003, S.17 60 vgl. Altrogge 2001 (I) S.237ff

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3.4. Kategorisierung von Musikvideoclips

Mit der Entstehung und Etablierung von MTV stieg auch das wissenschaftliche

Interesse an Musikvideoclips. Schon zu Beginn zeigte sich die Notwendigkeit die

steigende Zahl an Musikvideoclips ästhetisch, inhaltlich und strukturell in Kategorien

und Typologien fassbar zu machen. Erste Versuche der Kategorisierung finden sich

im Artikel ‚Music Video and the Spectator – Television Ideology and Dream’ (1984)

von Marsha Kinder. Ausgehend von der strukturgebenden Funktion der Musik

unterscheidet sie drei Formen von Musikvideos: ‚Performance’ im Sinne abgefilmter

oder nachgestellter Musikaufführung, ‚Narrative Visuals’, die ähnlich eines Minifilms

bildliche Parallelen zu Filmgattungen herstellen und ‚Dreamlike Visuals’, in denen die

Bilder ähnlich Traumbildern die Wahrnehmung des Tons hervorheben sollen61. In

‚Rock Video: Synchronizing Rock Music and Television’ (1985) unterteilt Margaret

Morse mit Bezug auf die Möglichkeit der persönlichen Aneignung ungeordneter

Bilderfolgen Musikvideos in ‚Performance’, ‚Narrating’ und ‚Story Space’. ‚Narrating’

bedeutet die Adressierung an ein nicht sichtbares Publikum, ‚Story Space’, als

‚Erzähl-Raum’ auf das Erzählen einer Geschichte, losgelöst von der musikalischen

Aufführung62. In ‚Rocking Around The Clock’ (1987) unterteilt Kaplan mit Blick auf die

Bildsprache die auf MTV gesendeten Musikvideo in die Typen romantisch,

sozialkritisch, nihilistisch, klassisch und postmodern. Romantische Videos handeln

auf Bild- und Tonebene von Liebe, Verlust und Wiedervereinigung. Nihilistische

Videoclips konstruieren filmtechnisch einen aggressiven Blick und eine fremde,

bedrohliche Welt. Das klassische Video ähnelt dem Hollywoodkino und vermittelt

ebenso klassische Geschlechterrollen, der postmoderne Videoclip erlaubt hingegen

eine Vielzahl an Lesarten und spielt unkritischer mit seinen Bildvorlagen. Das

sozialkritische Musikvideo thematisiert soziale und politische Normen und Werte63.

Diese Klassifikationsversuche sind laut Altrogge jedoch entweder nicht durchgehend

schlüssig oder sie Unterscheidungen treffen, die eine zu geringe Trennschärfe bzw.

Nachvollziehbarkeit aufweisen64.

Auf der Basis seines Artikels ‚Videopop. Musik als strukturbildendes Element einer

Gattung’ (1988) entwickelt Jan Schenkewitz 1989 ein Modell, das sich auf die

61 vgl. Altrogge 2001 (II) S.8ff 62 vgl. ebd., S.10f 63 vgl. Winter; Kagelmann 2002, S.212ff 64 vgl. Altrogge 2001 (II), S.14f

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Aspekte Kontinuität, Segmentierung und Synchronität zur Regelung des

Verhältnisses von Bild und Ton stützt und in der Folge fünf Darstellungsebenen

hervorbringt: die Abbildung des musikalischen Vortrags, die Abbildung nicht-

musikalischer Aufführungen, synästhetische Bild-Ton-Kombinationen, deiktische

Abbildungsweisen und narrative Abbildungsweisen. Doch auch dieses Modell zeigt

laut Altrogge Schwächen in der Trennschärfe der entwickelten Kategorien65.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass das Musikvideo in drei grundlegende

ästhetische Typen eingeteilt werden kann: 1. das Präsentations- bzw. Performance-

Video, in dem die ProtagonistInnen in einer oder mehreren Situationen der

Liedaufführung gezeigt werden, 2. das narrative Video, in welchem eine

(eigenständige, vom Liedtext unabhängige) Geschichte zumeist mit der/dem

KünstlerIn in der Hauptrolle erzählt wird, und 3. das Konzept-Video, in dem Bilder in

illustrierender und assoziativer Weise verknüpft werden. Musikvideoclips sind jedoch

nur äußerst selten in einer der beschriebenen Reinformen zu finden, meist handelt es

sich um Mischformen zur Präsentation des Produkts mit verschieden starken

Akzenten auf einen der drei Grundtypen66.

Als Grundlage für die spätere Erstellung der Typologie dient nun das von Altrogge

entwickelte Modell zur Kategorisierung von Musikvideoclips. Für Altrogge lassen sich

im Musikvideoclip „(...) drei wesentliche Formen des Zusammenspiels von Ton und

Bild festhalten: 1. die Koinzidenz einzelner musikalischer und visueller Ereignisse, 2.

strukturelle Parallelen, die sich über längere Zeit hinweg oder durchgängig aufgrund

eines gemeinsamen Rhythmus von Bild- und Musikbewegung ergeben, und 3.

Parallelen hinsichtlich der formalen Organisation des Materials – wie beispielsweise

im Fall der Übereinstimmung der Verse mit bestimmten wiederkehrenden

Bildfolgen.“67

3.4.1. Die drei grundlegenden Musikstile

Die Tonebene stellt wie bereits erläutert eine der beiden Grundlagen für die

Bildebene dar, die Musik als separates Zeichensystem kann dabei auch schon vor

der Zusammenführung mit dem Bild mit visuellen Vorstellungen und lebensweltlichen

65 vgl. Altrogge 2001 (II), S.16ff 66 vgl. Neumann-Braun; Schmidt 1999, S.13 67 Altrogge 2001 (II), S.18

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Einstellung verbunden sein, daher ist zunächst eine Betrachtung der Musikstile

notwendig.

Die Zweiteilung in Rock und Pop ist nicht nur für die Musikstile, sondern auch für den

Begriff der Jugendmusikkultur bedeutsam. „Als lineares Modell ist diese

Unterscheidung in Pop und Rock aufgrund der beiden Ausprägungen von Popmusik

in ‚Soft’ und ‚Dance’ zu einer dreistufigen Skala erweiterbar, die von weich: Softpop

über mittel: Dancepop (einschließlich Rap/HipHop) bis hart: Rock (einschließlich des

Heavy Metal-Bereichs) reicht.“68 Softpop steht in der Songwriter-Tradition des

Schlagers und der Ballade, die Musik hat eine klar Harmonik, der musikalische

Ablauf ist erwartbar und wenig pointiert. Ein eher zurückgenommener Gesangsstil

wird mit meist melancholischen Texten in moderaten Tempi kombiniert. Im Dancepop

wird der Fokus mehr auf die Rhythmik gelegt, Bassmelodien und Drumbeats

erzeugen Tanzbarkeit, der Gesang ist freier gestaltet, der Rhythmus dichter und die

musikalischen Akzente stärker. Die Texte kreisen um das Thema Liebe, sind aber

auch häufig in ziemlich eindeutigen sexuellen Kontexten angesiedelt. Rap und

HipHop kommt hier eine Sonderstellung zu, denn der Fokus liegt der Rhythmik, die

von Instrumenten wie von (Sprech-)Gesang erzeugt wird. Die Texte drehen sich

häufiger auch um politische Themen69. Hauptunterschied im Rockbereich ist die

Bindung der Musik an lebensweltliche Bereiche, die Musik und ihre Aufführung ist

stärker an den eigenen Ausdruck der Musik gekoppelt, als an ihre Harmonik. Gerade

im Heavy Metal-Bereich haben sich stereotypische Regeln der Komposition und auch

der Visualisierung von Musik etabliert. Zwar stellen z.B. Heavy Metal und Softpop

konträre musikalische Bereich dar, die idealisierende und idyllisierende Funktion

ihres musikalischen, textlichen und somit auch visualisierten Ausdrucks in Form des

Musikvideoclips haben sie aber gemeinsam70.

3.4.2. Die vier Grundtypen des Musikvideoclips

Auf Basis der genannten Musikstile entwickelt Altrogge hinsichtlich der Kombination

von Bild und Ton im Musikvideo vier Grundtypen: Performance,

Konzeptperformance, Konzeptclip mit und ohne InterpretInnen und Konzeptclip.

68 Altrogge 2001 (II), S.20 69 vgl. ebd., S.21ff 70 vgl. ebd., S.24ff

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Die Performance erscheint im Videoclip als die natürlichste Kombination von Bild und

Ton im Sinne einer synchronen Darstellung des Gehörten und des Gesehenen, Ort,

Zeit und Handlung stimmen in diesem Fall überein. Die Performance stellt die

musikalische Aufführung durch den/die InterpretIn ins Zentrum, zum Teil ergänzt

durch die Reaktion des Publikums auf die Performance. Die Performance folgt dem

Musikstil und erzeugt ausgehend von Sänger/Sängerin eine visuelle Hierarchie in der

Präsentation der Bandmitglieder. Die Darstellung der Performance entspricht oftmals

der Struktur des Songs, d.h. während dem Gitarrensolo ist z.B. ausschließlich der/die

GitarristIn zu sehen71.

In der Konzeptperformance wird der eigentliche Aufführungsraum (Bühne, Studio

usw.) zwar verlassen, die MusikerInnen werden aber trotzdem noch beim Musizieren

gezeigt, d.h. die Performance bleibt als Konstante von Zeit und Aufführung im

Vordergrund, der Ort ist jedoch von der Aufführung losgelöst72.

Der Konzeptclip mit und ohne InterpretInnen hat eine andere Handlungsstruktur, da

die MusikerInnen hier nicht beim Musizieren gezeigt werden, sondern z.B. in

gestellten oder fiktiven Situationen, die zumeist in Verbindung mit dem Song, dem

Songtext und/oder dem Musikstil stehen. Die größte Entfernung von der

musikalischen Aufführungssituation findet dann statt, wenn die MusikerInnen selbst

gar nicht mehr im Videoclip auftreten, wodurch auch die Bilder von der Musik

komplett losgelöst sind.

Der Konzeptclip distanziert sich zusätzlich auch von der musikalischen Aufführung

und ist zumeist rein illustrativ zum Thema des Songs gestaltet. Somit kann der

Konzeptclip alle Formen der filmischen Sprache, d.h. das gesamte zur Verfügung

stehende Material verwenden und an Hand der musikalischen Strukturen für sich

nutzen73.

Der Typ Performance lässt sich intern nochmals untergliedern in Live-Performance,

Bühnen-Performance und Performance ohne Realbezug, der Typ

Konzeptperformance in Performance mit Realbezug, Performance in Kulisse und

computeranimierte Performance74.

Unabhängig von der musikalischen Struktur ist die visuelle Binnenstruktur, d.h. die

Stärke der Strukturierung im Videoclip durch die Bilder für die Klassifikation von

71 vgl. Altrogge 2001 (II), S.26f 72 vgl. ebd., S.28f 73 vgl. ebd., S.29ff 74 vgl. ebd., S.32ff

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Bedeutung. Die visuelle Binnenstruktur ist um so schwächer, je weniger Sinn die

Bilder ohne der Kombination mit dem Ton ergeben, was am ehesten bei reinen

Performance-Clips der Fall ist75. Für die Ebenen der Darstellung folgert Altrogge:

„Narrative, situative und illustrative Musikvideos sind grundsätzlich voneinander zu

unterscheiden und prädestinieren für eine bestimmte Form der Bildwahrnehmung.“76

3.4.3. Zusammenhänge von Musikstil und Cliptypen

Es lassen sich bei Altrogge erste Zusammenhänge von Bild und Ton in Bezug auf die

drei Musikstile feststellen, so ist demnach im Bereich des Softpops nicht nur die

Musik gemäßigt, geheimnisvoll und von einer gewissen Intimität gegenüber den

ZuseherInnen, diese Clips verwenden auch Zeichensysteme traditioneller sozialer

Werte und wirken im Gesamten eher unspektakulär. Die Videoclips des Dancepop

sind mehr auf die Darstellung der InterpretInnen fokussiert, lehnen sich bildlich

stärker an die Musikrhythmik an und beinhalten Tanzchoreografien und höhere

Tempi. Der Bildinhalt ist in bezug auf Gefühlswelten und soziale Beziehungen

durchwegs positiv. In Rap und HipHop Clips fällt vor allem die Verwendung der Stadt

als Symbol- und Lebensraum auf, ebenso die körperbetonte und extrovertierte

Adressierung der textlichen Aussagen in visueller Form. Heavy Metal und Rock-

Videoclips nutzen öfter als andere den Typus der Performance, es dominiert ein

männlich zentrierter Blick und eine Ausdrucksweise auf Text- und Bildebene, die

stark mit der lebensweltlichen Bedeutung des visuellen Gehalts der Musik spielt. Dies

ist im Rap/HipHop-Bereich ebenso zu finden. Altrogge kommt daher zu dem Schluss,

dass sich sehr wohl Zusammenhänge zwischen Musikstil, Darstellungsebenen und

Darstellungsmitteln erkennen lassen77. Für die vorliegende Arbeit stellt sich im

Anschluss daran die Frage, ob sich in den Formen und Funktionen der Inszenierung

von Horror in Musikvideoclips ebenfalls Verbindungen oder Auffälligkeiten bezüglich

Musik- oder Clipstil erkennen lassen. Im folgenden Kapitel wird nun die Thematik des

Horrors formal und funktional dargestellt.

75 vgl. Altrogge 2001 (II)., S.36f 76 ebd., S.37f 77 vgl. ebd., S.44ff

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4. Horror

Der Begriff ‚Horror’ umschreibt im Deutschen etwas Unangenehmes in verschieden

großem Ausmaß, jedoch noch nichts unfassbar Schreckliches. Sprachlich leitet sich

‚Horror’ von der griechischen Bedeutung für Angst und Furcht her, im Lateinischen

bedeutet ‚Horror’ schon die ganze Fülle von Entsetzen bis hin zu (wohligem)

Grausen. Ebenso meint das französische ‚horreur’ Schrecken, Grausen und

Abscheu, im englischen steht ‚horror’ für Grauen, Gruseln, Schaudern und

Entsetzen78. Horror beschreibt daher kein Ereignis, sondern den menschlichen

Bewusstseinszustand als Folge eines entsprechenden, meist fiktionalen Ereignisses.

Der Horror ist somit begrifflich vom ‚Grauen’ abgrenzt, das sich auf das wirklich

Entsetzliche bezieht79.

4.1. Die Formen des Horrors

4.1.1. Die Phantastik als Grundlage des Horrors

Für das Funktionieren des Horrors müssen erstens die Grenzen und Regeln der

fiktionalen Welt denen der realen Welt der RezipientInnen entsprechen und zweitens

muss diese fiktionale Ebene durch das Unheimliche und Unerklärliche des Horrors

durchbrochen werden. Dies ist zugleich die Grundthematik der Phantastik, in der das

real Unmögliche zum Möglichen wird80. „In der Phantastik des Horror-Genres gibt es,

im Gegensatz zum Märchen, das Wunderbare nicht als Errettung oder Erlösung; das

Wunderbare (das Unerklärliche) ist das Problem des Genres.“81

Der Begriff der Schauerphantastik beschreibt dabei sowohl die Darstellung als auch

den Einbruch dieses Schauerhaften in die Welt. In der Folge sind in der Phantastik

die Genres Schauerphantastik (Horror), Science Fiction und Fantasy zu

unterscheiden, denen die Lust an der Grenzverletzung ebenso gemein ist, wie auch

der Widerspruch zu der Gewissheit, es gäbe eine klare Grenze zwischen dem

Möglichen und dem Unmöglichen82. „Die Kategorie des Möglichen kann also zu

einem Unterscheidungsmerkmal – unter anderem – innerhalb des Phantastischen

78 vgl. Baumann 1989, S.29 79 vgl. ebd., S.30f 80 vgl. Vossoughi 20002, S.33 81 Seeßlen; Weil 1979, S.37 82 vgl. Hienger 1987, S.11ff

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werden: In der Regel ist fiktional alles möglich, was auch real möglich ist. Dass etwas

fiktional möglich, aber real unmöglich ist, ist ein allgemeines Kennzeichen des

Phantastischen – im Unterschied zu Fiktionen anderer Art. (...) ist es nur möglich,

weil sich in der – mit unserer Welt identisch gesetzten – Welt Brüche auftun, geht es

um Horror.“83 Dem Phantastischen liegt zu dem ein Moment des gewaltsamen

Zerreißens der Realität inne, die inneren Gesetze der fiktiven Welt werden

zerbrochen, die (Film-) Welt verändert sich auf unnatürliche Weise84, somit lässt sich

das literarische und filmische Grundthema der Phantastik auch folgendermaßen

beschreiben: „Innerhalb der dargestellten Wirklichkeit tritt etwas ein, das den ihr

zugrundeliegenden Wirklichkeitsbegriff desavouriert.“85

Horror ist also ein Teilbereich der Phantastik, der sich nicht nur auf das Nicht-Gelten

von Naturgesetzen beschränkt, sondern auch Verletzungen gesellschaftlicher

Regeln, Normen und Werte thematisiert86. Das Spezielle des Horrors im Unterschied

zur restlichen Phantastik ist, dass die fiktionalen Personen auf das für sie unmögliche

Ereignis nicht nur mit Verwirrung, sondern auch mit Angst, Panik und Grauen

reagieren87. Wenn „(...) sich in unserer Alltagswirklichkeit unversehens ein Riss

auftut, durch den das Grauen hineinkriecht, setzt das die prinzipielle Brüchigkeit

dieser Welt voraus.“88

4.1.2. Das Halbwesen als Grundlage des Horror

Die zweite wichtige Grundlage für den Horror in Literatur und Film die Figur des

Halbwesens. Als existierendes (Lebe-)Wesen liegt das Halbwesen außerhalb der

menschlichen Vorstellungskraft, und dennoch besteht sein Mythos zu nahezu allen

Zeiten und in allen Kulturen. Obwohl das Halbwesen Angst und Schrecken verbreitet,

wird ihm auch die Faszination, die Bewunderung und auch die Sehnsucht der

Menschen zuteil, die sie ihm gegenüber auf Grund seiner scheinbaren Freiheit

insgeheim empfinden. Die menschliche Erfahrung der Angst ist für die vermeintliche

Existenz der Halbwesen ebenso grundlegend wie für die Vorstellungswelt, in der Gut

83 Baumann 1989, S.107 84 vgl. Kaufmann S.1987, 119 85 Hienger 1987, S.14 86 vgl. Baumann 1989, S.97f 87 vgl. ebd., S.108 88 ebd., S.77

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und Böse im Kampf miteinander existieren89. Das Halbwesen trägt somit in sich eine

Ambivalenz, die sich einerseits in den Gefühlen äußert, die wir ihm gegenüber

empfinden, andererseits in der Gespaltenheit des Wesens selbst, das hin und her

gerissen ist zwischen seinen animalischen Trieben und seiner menschlichen

Vernunft90.

Die phantastische Literatur hat folgende klassische Horrormythen hervorgebracht,

die in den phantastischen Film und die Populärkultur übergegangen sind. Die

stereotypischen Figuren des Horrors unterliegen einem historischen und

gesellschaftlichen Wandel, sowohl in ihrer Form als auch in ihrer Funktion, somit gilt

die hier nach Seeßlen/Weil gegebene Auflistung ebenso für den modernen

Horrorfilm:

1. der künstliche Mensch, wie z.B. der Golem oder Frankensteins Ungeheuer, in

der neueren Zeit wird dieses Motiv um den Robotermenschen bzw. das

künstliche Wesen erweitert;

2. Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind (Untote), die auf Grund eines

Fluchs am Tod gehindert werden, so z.B. Ghule und Gespenster, aber auch

Wesen aus dem Reich der Toten, Zombies, lebendige Skelette, der Vampir;

3. Tiermenschen, z.B. der Schlangenmensch, Fisch-Mensch-Wesen, die

Katzenmenschen und der Werwolf, bzw. auch Menschen, die durch ihr

entstelltes Äußeres Tieren ähneln oder das Wesen eines Tieres annehmen

wollen;

4. Tiere, die menschliche Züge annehmen, Beispiele sind der Riesenaffe King

Kong oder Godzilla, unter dieses Motiv fallen auch Tiere, die unschuldig zum

Werkzeug des Menschen werden, wie z.B. die Hunde von Baskerville, und

Tiere, die dem Menschen ohne ihre eigene Intention Angst einflößen;

5. Doppelgänger, z.B. Menschen, die auf Grund von Triebsteuerung in sich

selbst gespalten sind, oder im Beispiel von ‚Das Cabinet des Dr. Caligari’

(1920) als Person und Krankheit. Im modernen Horrorfilm wird dieses Motiv

um den geklonten Menschen, den genetischen Doppelgänger erweitert;

6. Hexen, dämonische Frauen und ‚Cannibal Girls’91.

89 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.13ff 90 vgl. ebd., S.15 91 vgl. ebd., S.23ff

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4.2. Der Horror im Film

Im Allgemeinen wird der Horrorfilm als ein Genre aus dem Bereich des

phantastischen Films beschrieben, „(...) das durch die Stimulation von Urängsten im

Zuschauer Angstgefühle erzeugen will.“92 Die Hauptkriterien sind dabei zunächst das

authentische Erscheinungsbild der Figuren, eine intensive Darstellung der Figuren,

die Vermittlung der richtigen Atmosphäre durch Licht, Schatten, Kamera usw., eine

Handlung, die gruselig oder schaurig genug ist und ebenso, dass am Ende die

Furcht der ZuseherInnen wieder aufgelöst werden kann93. Der Horrorfilm zeigt das

auf, was bisher in der Darstellung verboten und dem Zwang einer geschönten

Darstellung unterworfen war und so gründet sich die bedenkenlose ästhetische

Umsetzung des Horrors in seiner ebenso bedenkenlosen Gesinnung94. Der

Horrorfilm kann generell in den klassischen oder gotischen und in den modernen

Horrorfilm unterteilt werden.

Die Darstellung phantastischer Elemente im Film folgt im Wesentlichen vier

Aspekten: 1. innerhalb des phantastischen Films als solchem werden die

übernatürlichen und unwahrscheinlichen Erscheinungen und Gegenstände nicht in

Frage gestellt, da sie als realer Bestandteil des Films und der Filmhandlung

ausgewiesen sind; 2. eine Sequenz ist als Traum ausgewiesen; 3. die betreffende

Filmfigur ist als geistig gestört oder wahnsinnig klassifiziert, die übernatürlichen

Geschehnisse werden als ‚Hirngespinste’ der Person abgetan; und 4. die

Realitätsebenen sind vermischt, im Gegensatz zum phantastischen Film wird in der

Sequenz jedoch das Traumhafte betont. Eine träumende Person muss zuvor eine

sichtbare Veränderung im Bewusstseinszustand vollzogen haben, so dass sich die

Realitätsebenen im Film klar trennen lassen. Die Person muss also entweder

schlafen oder es muss eine Traumerzählung aus dem Off vorhanden sein95.

„Wenn man einen dargestellten Mythos ‚Erzählung’ nennt, steht die Form des

Erzählens im Vordergrund. Nur so lange die Technik der Erzählung (auch der

bildhaften Erzählung etwa im Film) über das Erzählte selbst triumphiert, lässt sich

von Phantastik sprechen.“96

92 Koebner 2007, S.311 93 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.45f 94 vgl. Brittnacher 1989, S.275 95 vgl. Kaufmann 1987, S.121ff 96 Seeßlen; Weil 1979, S.36

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4.2.1. Der klassische Horrorfilm

Der frühe phantastische Film in Deutschland ist gekennzeichnet von den monströsen

Figuren dunkler, zerstörerischer Kräfte, die in den vertrauten Lebensraum eindringen.

Diese Darstellungen können latent als Sinnbild des Verfalls bestehender

gesellschaftlicher Strukturen und Normen verstanden werden97. Der klassische

Horrorfilm nimmt Bezug auf die phantastische Struktur von Märchen und Mythen,

wahlloses Töten und dessen möglichst genaue Inszenierung findet sich bereits in

frühen Darstellungen des Puppentheaters ‚Theatre du Grand Guignol’98. „Der

phantastische Film setzt das Verbotene und Verdrängte, das, was man nicht

wahrhaben wollte, ins Bild, die verborgene Seite des Menschen, seine zwielichtige, in

grauenvollen Vexierbildern zum Leben erweckte Natur und die Albträume

existentieller Vernichtung.“99 Allerdings inszeniert der klassische Horrorfilm das

Verdrängte, das Grauen und den Schrecken an weit entfernten Orten und rückt das

Geschehen so in eine Distanz zum Publikum. Handlungsorte wie das alte Schloss

mit großen, leeren Räumen und kerzenbeleuchteten Gängen stehen in keiner

Verbindung zur Lebenswelt des Publikums100.

Der erste bedeutende phantastische Film im deutschsprachigen Raum war ‚Der

Student von Prag’ (1913), in dem ein Student aus Liebe zu einer adeligen Frau sein

Spiegelbild verkauft, das zu seinem bösen Doppelgänger wird. Die berühmtesten

Werke des deutschen expressionistischen Films sind bis heute ‚Das Cabinet des Dr.

Caligari’ (1919) und ‚Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens’ (1922)101. Der

phantastische Film Amerikas brachte, vom Theater kommend Werke wie ‚The

Phantom of the Opera’ (1925), ‚London After Midnight’ (1927), ‚Dr. Jerkyll and Mr.

Hyde’ (1931), und Tod Brownings ‚realistisches’ Meisterwerk ‚Freaks’ (1932)

hervor102. Die Horrorfilme dieser Zeit sind von der Furcht vor dem Zusammenbruch

der vorherrschen gesellschaftlichen Ordnung geprägt und entwickeln ihren

Schrecken aus der Alltagswirklichkeit heraus103. Viele dieser Horrorfilme

thematisieren die Reise zu dem Ort, an dem sich das Phantastische zuträgt als die

eigentliche Gefahr. Oftmals sterben vertraute Personen auf dem Weg dorthin und 97 vgl. Freund 1999, S.241 98 vgl. Nikele 1996, S.6ff 99 Freund 1999, S.242 100 vgl. Vossoughi 2002, S.34ff 101 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.50ff 102 vgl. ebd., S.56ff 103 vgl. ebd., S.61f

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auch das Halbwesen, als Ziel der Reise kommt am Ende meist zu Tode. Der

Horrorfilm ist in diesen Fällen als Warnung und vor einer solchen ‚Entdeckungsreise’

zu verstehen104.

4.2.2. Der moderne Horrorfilm

Dem modernen Horrorfilm wird oft zu Unrecht ein Wechsel von Angst und Schrecken

hin zu Ekel und Abscheu unterstellt105, was an seiner drastischeren Auslegung der

psychischen und der formalen Grenzüberschreitung liegt. Die klassischen Figuren

und Szenarien verlieren im modernen Horrorfilm ihre phantastische Wirksamkeit,

denn hier ist es der Einbruch des Grauens in die eigene Realität, der schockiert und

irritiert106. So können im modernen Horror durchaus klassische Figuren wie der

Vampir oder der Werwolf auftreten, jedoch ist die Welt, die sie durchbrechen unsere

Alltagswelt107, ProtagonistInnen und RezipientInnen unterliegen den selben

Gesetzen. Das wesentlichste Merkmal des postmodernen Horrorfilms ist die

exzessive Beschäftigung mit dem menschlichen Körper und dessen Zerstörung, die

insbesondere in Splatterfilmen in unnatürlicher Größe als Metapher des Verlusts der

Kontrolle über den Körper zelebriert wird108. Im modernen Horrorfilm überwiegt die

Visualisierung und rückt die eigentliche Erzählung in den Hintergrund, es fehlt den

Filmen zumeist bewusst an inhaltlicher Kohärenz und Abgeschlossenheit, oftmals

enden sie mit einem trügerischen Happy-End109.

Traditionelle Horrorfiguren wurden zunehmend durch den unauffälligen Serienmörder

abgelöst. Jeder konnte ab jetzt ebenso der Mörder oder das Opfer sein, das Morden

erfolgt in späteren Slasherfilmen zum Teil nur noch aus Spaß oder aus Sucht nach

Anerkennung110. Auch die Zerrissenheit der Halbwesen verlagert sich in die Figur der

Serienkiller, Besessenen und Irren, die zu den Hauptfiguren der neuen Subgenres

Splatter-, Slasher- und Teenie-Horror-Film werden. Splatterfilme haben, abgeleitet

vom englischen ‚to splat’ (spritzen, platschen) die explizite Darstellung zerberstender

Körper zum Mittelpunkt, während der Slasherfilm (engl.: to slash = schlitzen) auf der

ebenso einfachen Formel beruht, dass ein bewaffneter Killer des Nachts Teenager 104 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.80f 105 vgl. Baumann 1989, S.27 106 vgl. Nikele 1996, S.14 107 vgl. Baumann 1989, S.72 108 vgl. Winter 1995, S.135 109 vgl. ebd., S.136 110 vgl. Hroß 2002, S.84

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aufschlitzt, die zumeist durch sexuelle Aktivitäten abgelenkt sind. Nach dieser Formel

entstehen Horrorfilmreihen wie ‚Friday, the 13th’ (ab 1981) oder ‚Nightmare on Elm

Street’ (ab 1984), die zugleich Pate standen für den Teenie-Horror, der die

bekannten Serien ‚Scream’ (ab 1996) oder ‚I Know What You Did Last Summer’ (ab

1997) hervorgebracht hat.

Für den modernen Horrorfilm ist der gewalttätige Einbruch in die vermeintliche Idylle

ein wesentliches Mittel, ebenso wie das gewaltsame Durchbrechen und Übertreten

aller Grenzen, das Anzweifeln der Gültigkeit von Rationalität, das Missachten

narrativer Geschlossenheit und die Konstruktion eines vergnüglichen Horrors, der ein

kontrolliertes Erleben von Angst und Schrecken ermöglicht111. Die explizite

Gewaltdarstellung in Horrorfilmen rückt durch Nahaufnahmen oder in Halbtotalen

näher an die ZuschauerInnen, der Einsatz der subjektiven Kamera aus Sicht des

Bösen bei der Jagd auf sein Opfer ist ein beliebtes Stilmittel. Hinzu kommt die

Wichtigkeit der auditiven Ebene, welche die Bilder untermalt und sie teilweise im

Vorfeld der Gewaltdarstellung bereits grausam und angsteinflößend wirken lässt112.

Der moderne Horrorfilm hat die Figur der jungen, unschuldigen Frau als Opfer, die

sich als ‚final girl’, als einzige Überlebende dem Killer stellen muss geprägt, die Figur

des Mörders weist hingegen kaum Tiefgründigkeit auf, dafür werden die ‚spezial

effects’ variiert113. In der Phantastik haben Monster und bedrohliche Kreaturen die

Funktion die Menschen in eine beispiellose Extremsituation zu versetzen114. Die

Visualisierung des Nichtexistenten im Horrorfilm ist daher auch gleichbedeutend mit

den technischen Mitteln die hierfür in Abhängigkeit des Budgets zur Verfügung

stehen.

111 vgl. Mikos 2002, S.14ff 112 vgl. ebd., S.15 113 vgl. Hroß 2002, S.85 114 vgl. Hienger 1987, S.21ff

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4.3. Die Symbolik des Horrors

4.3.1. Themen und Motive

Sowohl der klassische als auch der moderne Horror haben im Laufe ihrer Entstehung

ein Repertoire an Symboliken, Archetypen, Themengebieten und Erzählmustern

entwickelt, die verschieden stark als Stereotypen in das kulturelle Gedächtnis der

Gesellschaft eingegangen sind.

Wahn und die Verwirrung des Wahnsinnigen sind ein Teil des Horrors, können die

Betroffenen doch nicht mehr zwischen den Reizen der Außenwelt und denen ihres

Hirns unterscheiden. Ein bekanntes Beispiel ist die Persönlichkeitsspaltung der Figur

des ‚Dr. Jekyll/Mr. Hide’ oder der verrückte Wissenschaftler115. Krankheit und

Schmerz zeigen als Beschädigungen im Horror die Gestörtheit körperlicher Integrität,

Krankheit wird oftmals als Symbol für die Anwesenheit des Bösen verwendet, das

von einem Körper Besitz ergreift und sich durch zum Teil überdeutliche Symptome

der Krankheit äußert116.

Des weiteren finden sich im Horror Menschen mit übersinnlichen Fähigkeiten wie

Telekinese oder Telepathie, jedoch werden damit selten glücklich. Wie in ‚Carrie’

(1976) sehen sie meist schreckliche Ereignisse voraus, wirken als unverstandenes

Medium oder werden vom Bösen ausgenutzt117. Oftmals tritt das Böse im Horror in

Verbindung mit Sexualität auf und rekurriert so auf die psychoanalytischen Begriffe

Ich, Es und Über-Ich. Das Ausleben und die Unterdrückung von Sexualität bieten so

ein großes Repertoire an Anknüpfungspunkten für den Horror118.

Auf narrativer Ebene verfügt der Horror über ein relativ kleines und überschaubares

Repertoire an Archetypen und kulturellen Codes, denen er sich in allen seinen

medialen Ausprägungen bedient. Das ist für seine Wirkung jedoch keineswegs von

Nachteil, denn erst mit dem intuitiven Wissen um diesen Bestand an kulturellen

Codes können die ästhetischen Signale des Horrors entsprechend verstanden

werden. Sie verweisen auf ein kollektives Wissen, dass im Horrorfilm bestimmte

Objekte mit bestimmten Aggressionen, Gewalt, Schrecken und Angst verbunden

sind119.

115 vgl. Baumann 1989, S.246ff 116 vgl. ebd., S.253ff 117 vgl. ebd., S.266f 118 vgl. ebd., S.270ff 119 vgl. Brittnacher 2003, S.275ff

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Das Böse, das Alte, das Fremde und die Dunkelheit bzw. die Leere sind seit je her

als Archetypen des Grauens in der menschlichen Psyche verankert, sie alle können

in abgewandelter Form in Horrorfilmen wiedergefunden werden. Das Böse in seiner

meist ästhetischen Hässlichkeit ist hierbei der fundamentale Grundtypus des Horrors,

der von den ProtagonistInnen bekämpft wird120. Der Typus des Alten ist ebenso

häufig und bedroht als dämonisierte, unterdrückte Macht bereits im gotischen Horror

in Form von Mumien oder Geistern die bürgerliche Welt. Selbiges gilt das Fremde, es

ist bedrohlich und grauenerregend, da es nicht mit uns bekannten Begriffen

beschreibbar ist. Die Dunkelheit symbolisiert jene unbestimmbaren, konturlosen

Ängste, sie stellt kein Bezugssystem zur Verfügung. Ähnlich verhält es sich mit der

Finsternis, der Nacht, dem Nebel und der Leere121. Ein Archetyp im modernen Horror

ist der Zerfall der Familienidylle und die Wandlung der Mutter von der Geborgenheit

als Lebensspenderin zur Bedrohung, hervorgerufen durch Wahnsinn oder den Zerfall

der Familie als sichernde Instanz122.

4.3.2. Gegenstände und Orte

Der Horror steht auch in Verbindung zu bestimmten Orten und Gegenständen mit

deren Hilfe eine entsprechende Gruselstimmung erzeugt wird oder die selbst zu

Trägern des Horrors werden. Im modernen Horrorfilm gibt es keinen potentiell

unschuldigen Gegenstand mehr, alles kann zu einer Bedrohung werden, Autos

(‚Christine’, 1983), Häuser (‚House on Haunted Hill’, 1959, 1999, 2007) oder ganze

Orte (‚The Village’, 2004) und oftmals sind am Ende die engsten Vertrauten die

Killer123.

Der Spiegel ist im Horror oftmals der Sitz des Bösen oder der Eingang in eine

andere, fremde Welt oder Dimension124. Auch gibt es im Horror kaum Bilder,

Gemälde oder Skulpturen, die nicht mit einem Fluch beladen wären bzw. zeigen sie

geheimnisvolle Landschaften oder verfluchte, schicksalhafte Gestalten, die aus dem

Bild heraus jeder Zeit ins Reich der Lebendigen zurückkehren können125. Im

modernen Horror sind zu dem Maschinen aller Art unheimliche und furchterregende

120 vgl. Baumann 1989, S.288ff 121 vgl. ebd., S.293ff 122 vgl. ebd., S.299f 123 vgl. Brittnacher 2002, S.278 124 vgl. Baumann 1989, S.322ff 125 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.38

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Gegenstände, da sie ein Eigenleben unabhängig von ihrer Bedienung durch den

Menschen entwickeln und sich so seiner Kontrolle entziehen können126.

Orte an denen sich grauenvolle Ereignisse abspielen oder abgespielt haben sind

besonders im klassischen Horror kein Zufall, denn das Böse hinterlässt Spuren und

bindet sich an bestimmte Orte, so z.B. in ‚Poltergeist’, (1982) oder ‚The Shining,

(1981). Das äußere Erscheinungsbild der Orte ist dann gleichbedeutend mit dem

Verfall der Macht seiner ehemaligen BewohnerInnen. Das Böse, das sich an Orte

bindet hat also zumeist auch eine Geschichte, die in irgendeiner Form mit dem Ort in

Verbindung steht127. So sind z.B. Keller Orte des Bündnisses mit dem Bösen, Gruften

und Gewölbe beherbergen dunkle Magien, unheimliche Gestalten und verdrängte

Ängste, symbolisiert durch den entmachteten Adel, der z.B. in Form des Vampirs

wiederkehrt. Auch alte, verlassene Häuser, Schlösser, Burgen oder deren Ruinen

symbolisieren den Verfall und die Todesnähe, welche die Halbwesen umgeben.

Außerdem entziehen sich diese Bauten ebenso wie wilde und verlassene Gärten und

Wälder durch ihr Eigenleben der Kontrolle und Erklärbarkeit des Menschen128, ihre

verfallene Optik und Architektur sind Symbol für die Abgeschiedenheit ihrer

BewohnerInnen gegenüber der restlichen Gesellschaft129. Auch das eigene Haus

kann zu einem intimen Ort des Schreckens werden, Dachböden sind Orte

vergessener Gegenstände, Treppen und Fahrstühle symbolisieren den Übergang

von Bewusstem zu Verdrängtem. Verschiedene Zimmer des Hauses stehen im

Horror für die Zerrissenheit der Welt und ihrer Wesen: Das Kinderzimmer als Ort

zwischen vermeintlicher Unschuld des Kinds und seiner Unvollständigkeit als

soziales Wesen, das Schlafzimmer als Ruheort zwischen Traum und Realität und

das Badezimmer als Ort zwischen Intimität und Abgeschiedenheit130. Kirchen sind

auf Grund ihrer verwirrenden Architektur und ihrem speziellen Spiel von Licht und

Schatten oftmals Ort der unheimlichen Handlung und paradoxerweise sowohl

Zufluchtsort von Halbwesen als auch Ort von Gegenständen zu ihrer Bekämpfung131.

Auch der Wald befindet sich abseits der Zivilisation und bietet durch die Dunkelheit

und seine Unübersichtlichkeit einen Aufenthaltsort für das Böse in Form wilder Tiere,

Hexen oder verrückter Mörder. Der Friedhof hat durch Legenden über Gräber von

126 vgl. Baumann 1989, S.327 127 vgl. ebd., S.328f 128 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.38f 129 vgl. ebd., S.119f 130 vgl. Vossoughi 2002, S.88f 131 vgl. ebd., S.84f

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Ungetauften, Verbrechern und Mördern deren Rückkehr ins Leben man fürchtete seit

je her eine unheimliche Aura deren Symbolik tief in dem kulturellen Bewusstsein der

Menschen verankert132.

In der Natur selbst lassen sich noch weitere Anzeichen für die Existenz des Bösen

oder die Anwesenheit des Übernatürlichen finden, so z.B. der Wind, der Nebel und

das Gewitter. Die Nacht als Sinnbild des Todes und als Zeit der Hexen und Geister

stellt ein Schlüsselelement des Horrorfilms dar. Der Mond und das Mondlicht stehen

ebenso in enger Verbindung mit dem Bösen, kann doch das Mondlicht eine vertraute

Umgebung anders aussehen lassen. Dem Vollmond wird die Kraft zugeschrieben

Tote wieder zum Leben zu erwecken und Geister aus der Erde zu locken, zu dem

initiiert er den Werwolfmythos133.

4.4. Der Körper im Horror

Mit der Entwicklung des Films im 20. Jahrhundert wird der Körper als

Projektionsfläche von Sehnsüchten einerseits und existentiellen Ängsten

andererseits forciert. Im Horrorfilm kommt gerade dem monströsen Körper eine

besondere Rolle zu, stellt er doch die Überschreitung der körperlichen Grenzen und

die Unsterblichkeit der Kreaturen dar. Der von den Monstern zur Schau getragene

verstümmelte Körper ist das Zeichen für ihre Erhabenheit über den Tod. Die

deformierten monströsen Körper wirken erschreckend, ekelerregend und abstoßend,

und symbolisieren die noch immer gegenwärtige Angst vor Krankheit, Ansteckung,

Siechtum und dem Verlust der Menschlichkeit134. Für den Horror und ist die

Zusammenführung des körperlich hässlichen und des moralisch hässlichen von

entscheidender Bedeutung. So tritt das Böse immer auch in abstoßender Gestalt auf

und das ästhetisch Hässliche lässt immer den Rückschluss auf das moralisch

Abzulehnende zu. Allerdings gibt es im Horror auch die Umkehrung, das Böse und

moralisch Hässliche kann ebenso im ästhetisch schönen Köper lauern, sei es in

Form des erotischen Vampirs oder als Wirt im Körper einer attraktiven jungen Frau.

Gerade im modernen Horror versteckt sich das Böse oftmals hinter der Maske bzw.

dem Körper des Schönen135.

132 vgl. Vossoughi 2002, S.82ff 133 vgl. ebd., S.76ff 134 vgl. von Brincken 2006, S.147f 135 vgl. Baumann 1989, S.127ff

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Der Mensch wird im Horrorfilm als Gegenstand von Zerstückelung und Zerstörung

dargestellt, es wird nicht nur die Einheit von Seele und Körper, sondern auch die

biologische Einheit des Körpers in Frage gestellt. Der Horrorfilm verkehrt die

medizinischen Ideale, in dem der Mensch stirbt, damit Teile von ihm weiter existieren

können136.

Für den Horror ist aber auch die Verkörperung des Bösen, Grauenhaften und

Ekelerregenden in einer Gestalt bzw. als etwas Greifbares wesentlich, sprich das

Monster. Abgeleitet vom lateinischen ‚monstrum’ steht das Monster nicht nur für das

Ungeheuer, sondern auch für das Ungeheuerliche, wodurch ‚Monster’ und das

‚Monströse’ als Oberbegriffe des Horrors angesehen werden können. Monster

vereinen in der Tradition des Halbwesens in sich das Menschliche mit dem Nicht-

Menschlichen, hierbei können sie ebenso als Mutation der Natur wie als von

Menschenhand geschaffenes Wesen auftreten, der Prozess in dem das Menschliche

die Form des Nicht-Menschlichen annimmt ist dabei fundamental137.

Als eine Form des Monströsen stellt die widernatürliche Erscheinung der Untoten im

Horror eine Art Parodie auf das wirkliche Leben dar. Der Vampir ist im Mythos des

Gespenstischen verankert und erschreckt durch sein plötzliches Auftreten, durch

seine filmische Umsetzung wird er immer mehr zu einem Wesen, das zusätzlich

durch die Möglichkeit seiner Existenz und dem Vampirismus als Lebensform

schockiert138. Im klassischen Horrorfilm werden die untoten Vampire, oftmals als

ehemalige, noch gut aussehende Adelige präsentiert, der moderne Horrorfilm ersetzt

den Vampir weitestgehend durch den Zombie, eine verwesende, hässliche und

plumpe Gestalt zwischen Leben und Tod139.

„Das schrecklichste aller Monster ist der Mensch, und um das vor anderen und vor

sich selbst zu verbergen, trägt er Masken der unterschiedlichsten Art.“140 Die

Maskierung verdeutlicht im Horror aber noch viel mehr die Übernahme oftmals

konträrer sozialer Rollen und Identitäten. So verweist auch das Motiv des

Doppelgängers, der in einer Maskierung zum Ausdruck kommt auf das Monster im

Menschen und ist daher ein beliebtes Horror-Motiv, um das verborgene Monströse in

der Person nicht dauerhaft zu äußern, sondern eine Art Katalysator für das

136 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.126 137 vgl. Baumann 1989, S.308ff 138 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.117 139 vgl. Nikele 1996, S.19ff 140 Baumann 1989, S.318

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intrapersonale Böse zu schaffen141. Die Masken entsprechen dabei oft einer

übertriebenen, fast karikierenden Version von bestimmten ausdrucksstarken

körperlichen Merkmalen oder Eigenschaften des Wesens, als Täuschung leugnen sie

den Menschen hinter ihr und sind zugleich Legitimation und Projektion des Wesens

und seiner Handlungen142.

4.5. Die Funktionen des Horrors

4.5.1. Angsterzeugung als Grundlage des Horrors

Der Horror und sein Auftreten in einem Werk haben die Funktion bei den

RezipientInnen in diesem Moment, an dieser Stelle des Werkes ein Gefühl von

Angst, Grauen, Ekel oder Abscheu hervorzurufen und gleichzeitig einen lustvollen

Umgang mit dem Horror zu ermöglichen. Dieser entspringt aus dem, „(...) was uns

diese fiktionalen Beschreibungen über die wirkliche Welt und unsere Stellung darin

lehren.“143 Die Erzeugung von Angst ist das zentrale Moment des Horrors, die

menschliche Angst ist ein zeitlos abrufbarer Zustand, lediglich die Themen der Angst

sind als Auslöser einem Wandel unterworfen144. Angst kann als Oberbegriff für ein

banges, beklemmendes Gefühl des Ausgeliefertseins mit einer entsprechenden

körperlichen Reaktion verstanden werden145. Innerhalb des modernen Horrorfilms

sind im Slasher- und Splatter-Film zusätzlich die Begriffe Ekel und Abscheu als

körperbezogene Reaktionen auf Unangenehmes zu unterscheiden. Im Sinne von

Zerfall, Verwesung oder Fäulnis eignen sie sich in Kombination mit dem

Entsetzlichen bestens um „(...) das objektlose Grauen des Horrors

heraufzubeschwören und gleichzeitig faszinierende Hinwendung zu

gewährleisten.“146

141 vgl. Baumann 1989, S.320f 142 vgl. Seeßlen/ Weil S.128f 143 vgl. Baumann 1989, S.83 144 vgl. Nikele 1996, S.15 145 vgl. Baumann 1989, S.235 146 ebd., S.245

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4.5.2. Spannungserzeugung im Horrorfilm

Horrorfilme beziehen sich folglich auf die kognitiven und emotionalen Aktivitäten, die

sie bei den ZuseherInnen auslösen, Angst und Erschrecken entstehen im Horror

auch weil ihm im Vergleich zu anderen Genres die Hoffung auf einen guten Ausgang

der Geschichte fehlt. Das Böse kann nur temporär besiegt werden, wodurch man es

im Horrorfilm mit einer gesteigerten Form der Bedrohung zu tun hat147. Im modernen

Horrorfilm verlagert sich zu dem die Perspektive von außen nach innen, die

klassische Formel zur Erzeugung von Horror, d.h. die Suggestion des Grauens aus

dem Off oder an Hand der Reaktionen der bedrohten Personen, wird im modernen

Horrorfilm durch die ausdrückliche Darstellung der Gewalt ersetzt148.

Das Erlebnis von Unstimmigkeit bezieht sich im Horrorfilm meist auf eine Figur oder

einen Gegenstand, welche/r die Auffassungen und Erwartungen an die Realität

beunruhigend durchbrechen, jedoch auch die Motivation auslösen, diese Störung zu

beseitigen. Im klassischen Horror wird die Abnormalität und Verängstigung durch

Figuren und Gegenstände erzeugt, die bedrohlich und unheimlich wirken. Im

modernen Horrorfilm hingegen wird eine ambivalente affektive Ebene erzeugt, die

sich zum einen auf die Figuren bezieht, da jede/r potentiell Opfer und/oder Täter sein

kann (z.B. ‚Scream’, 1996) und zum anderen auf das zwiespältige Erfahren der

Geschichte, die gleichermaßen erschreckend und auch lustig sein kann (z.B. ‚Shaun

of the Dead’, 2004). Moderne Horrorfilme erzeugen so über Irritationen in dem, für

die RezipientInnen unsicheren Handlungsverlauf ein Spannungsverhältnis, das

unabhängig von jeder Identifikation mit den ProtagonistInnen funktioniert149.

4.5.3. Die Darstellung von Gewalt im Horrorfilm

Es scheint so, „(...) dass beim Horror die Lust am Grauen deshalb möglich ist, weil es

die Lust an seiner Darstellung ist.“150. Für das Verständnis und die Beurteilung von

Horror muss daher eine Unterscheidung zwischen realen Gewalttaten und fiktional

dargestellten Gewalttaten gemacht werden, es muss das Unheimliche, das man

selbst erlebt von dem Unheimlichen, das man sich bloß vorstellt getrennt werden. Die

147 vgl. Mikos 2002, S.13 148 vgl. Vonderau 2002, S.129f 149 vgl. ebd., S.133ff 150 Baumann 1989, S.85

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Handlung existiert und verläuft in der Fiktion unabhängig von den BetrachterInnen,

sie ist festgelegt und kann nicht in die reale Welt der RezipientInnen hineinwirken.

Somit funktioniert der Horror nicht wegen dem Glauben an seine Gestalten, sondern

wegen der Möglichkeit sich auszumalen, was wäre, wenn es sie wirklich geben

würde. Das Bedrohliche existiert also nicht real, sondern in Form von Sprache und

Bildern, als Übereinkunft zwischen RezipientInnen und ProduzentInnen151. Durch die

ästhetische Darstellung des Grauenhaften stellt der Horror das gegebene

Realitätsprinzip in Frage, denn die Möglichkeit das Böse ästhetisch zu genießen

bedeutet eine Umkehr der eigentlichen Wertigkeiten152. Die gewaltsame Vernichtung

des Bösen ist im Horror durch die Notwehr gerechtfertigt, da das Monster ebenso

gewaltsam in Alltagswelt der Opfer eindringt und tötet. „Die moralische Basis des

Horrors (...) ist nicht die des Strafgesetzbuches, sondern das subjektive Empfinden

der Protagonisten bezüglich des Guten, Gerechten und Wünschenswerten.“153

Im Horror existiert kein schöner und romantischer Tod und auch kein idealisiertes

Übertreten in eine andere Welt, die Protagonisten sterben qualvoll und detailreich.

Das Schicksal duldet im Horror keinen Widerstand, jeder Versuch sich ihm zu

widersetzen oder seine Endgültigkeit anzuzweifeln wird eindrucksvoll bestraft, und

auch gegen die monströse Bedrohung existiert keine endgültige Lösung, jedoch zeigt

der Horror, dass zumindest brachiale Gewalt eine temporäre und auch spektakuläre

Lösung sein kann154.

4.5.4. Normen, Werte und Moral im Horrorfilm

Der Horror vermag es trotz seiner schrecklichen und ekelerregenden Bilder auch

gesellschaftliche Missstände z.B. zum Zeitpunkt seiner filmischen Produktion

anzusprechen. Nicht selten sind es profitgierige Unternehmer, realitätsfremde

Wissenschaftler oder korrupte Politiker, die das Böse heraufbeschwören155. Die

Grundstimmung im Horror ist eine alle gesellschaftlichen Bereiche betreffende,

pessimistische Weltanschauung. So hat der Horror mit der Figur des ‚mad scientist’

z.B. eine Personifizierung der Wissenschaftsverachtung geschaffen, die verdeutlicht,

dass im Horror nur eine Rationalität reduzierende Wissenschaft vertretbar ist. Eine

151 vgl. Baumann 1989, S.85ff 152 vgl. von Brincken 2006, S.169 153 Baumann 1989, S.277 154 vgl. Brittnacher 2003, S.277ff 155 vgl. Baumann 1989, S.210ff

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solche Illusionslosigkeit ist eine Grundvoraussetzung für den Horror, sie zeigt auf,

dass das Böse sich nicht intellektuell, sondern nur existentiell bekämpfen lässt 156.

Im frühen, klassischen Horror steht die moralisch-normative Komponente in

Ergänzung zu Mythen noch deutlich im Vordergrund. Beispielsweise handelt das

Schauermärchen zumeist von Missachtungen der Normen und Wertvorstellungen

einer Gesellschaft. Es ist moralisch in Herrschaftssystem eingegliedert, das Gute

besiegt das Böse, das Böse, in dem Fall das unartige Kind, wird bestraft, seine Angst

vor dem Bösen gestärkt und die Erlösung durch Gehorsam propagiert. Die Wesen im

klassischen Horror empfinden ihre Existenz oftmals als Strafe für ein

vorangegangenes Verbrechen der Menschheit an Moral und Ethik.157.

Die Horrorfilme der 1940er und 1950er Jahre waren von neuen Ängsten wie dem

Atomzeitalter geprägt und vermischen sich daher stark mit dem Science-Fiction-

Genre, auch die gesellschaftliche und ideologische Verunsicherung durch die

McCarthy-Ära beeinflusste das nihilistische Bild der Welt im Horrorfilm158. Mit Werken

wie ‚Peeping Tom’ (1960) und ‚Psycho’ (1960) und dem Aufkommen des Slasher-

Films ändert sich auch der gesellschaftliche Fokus des Horrors. Das Verhältnis von

Gut und Böse und der Aspekt der Gerechtigkeit werden verkehrt. In Hitchcocks

‚Psycho’ ist z.B. klar, dass Norman Bates zwar gefasst, aber nicht geheilt wird, in

späteren Slasher-Filmen wird dieses Motiv erweitert, in dem das Böse weder

weggesperrt noch endgültig besiegt werden kann. Die rationalen Vorstellungen von

Moral und Ordnung gehen in den Slasher-Filmen verloren, die Taten der Mörder sind

eine Strafe für Verstöße gegen gesellschaftliche Normen, jedoch existiert ein

Missverhältnis zwischen der Tat des Opfers und dem Tod als zu erwartende Strafe.

In Slasher-Filmen ist zumeist das Streben der Opfer nach sexueller Freiheit ein

zentrales Moment, wodurch die größtenteils weiblichen Opfer nicht nur auf Grund

ihrer Konnotation als Sexualobjekt, sondern auch als freiheitssuchende Personen

getötet werden159. Die detaillierte Inszenierung des Mordens in den amerikanischen

Splatter-Filmen der 1960er und 1970er ist durchaus als kritischer Verweis auf den

Vietnamkrieg zu verstehen. Es mussten Bilder geschaffen werden, die den realen

Schrecken der bekannten Kriegsbilder ästhetisch noch übertrafen. Der Horror muss

156 vgl. Brittnacher 2003, S.276f 157 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.17ff 158 vgl. Koebner 2007, S.312 159 vgl. Hroß 2002, S.83

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also auch in Zeiten der realen Katastrophen eine Überbietung dieser erzeugen

können, da ansonsten seine Grundfunktion des Schockierens nicht gegeben ist160.

4.6. Mediale Gewalt(darstellungen)

Es ist deutlich geworden, dass der Horror in seiner Geschichte gezwungenermaßen

ästhetisch wie auch inhaltlich mit Gewalt und ihren Darstellungen arbeitet. Aus dem

Germanischen kommend bedeutet Gewalt im übertragenen Sinn

‚Verfügungsfähigkeit haben’ und steht so in Verbindung mit ‚walten’ und ‚verwalten’.

Ebenso kann der Begriff eine große ‚Kraft’ oder ‚Energie’ bezeichnen, die wie z.B. die

Naturgewalt aus einem Ereignis hervorgeht161. Auf dieser Grundlage ist ein

Gewaltbegriff entstanden, „(...) der im Sinne einer ‚verletzenden’ oder ‚gewalttätigen’

Handlung zwischen Personen oder im Verhältnis zu Sachen verstanden wird.“162

Dieser Gewaltbegriff steht somit auch in Verbindung zu physisch verletzendem und

einschränkendem Verhalten, das gegen das geltende Recht verstößt. Vom

semantischen Gehalt ausgehend kann unter ‚Gewalt’ folgendes verstanden werden:

- „Gewalt im Sinne eines auf einem Recht beruhenden ‚Macht-‚ oder

‚Herrschaftsverhältnisses’;

- Gewalt als Energie, Kraft, Stärke;

- Gewalt als unrechtmäßiges und gewalttätiges Vorgehen gegenüber Personen

oder Sachen.“163

In den Sozialwissenschaften wird der Begriff der Gewalt zunächst grundlegend

unterschieden in physische und psychische Gewalt, legalisierte und nicht-legalisierte

bzw. institutionalisierte und nicht-institutionalisierte Gewalt. Weitere, auf soziale

Faktoren bezogene Differenzierungen existieren zwischen personeller, direkter und

struktureller, indirekter Gewalt und zwischen expressiver (lustbetonter, affektiver) und

instrumenteller (lustarmer, affektarmer) Gewalt164.

Der Begriff der ‚medialen Gewalt’ ist schwer zu erfassen, da er die, durch die Medien

produzierte, vermittelte, und transportierte Gewalt meint. Diese ist aber nur durch die

Rezeption als symbolisch repräsentierte, in Bild, Text und Ton bestehende mediale

160 vgl. von Brincken 2006, S.151f 161 vgl. Kleber 2003, S.23 162 ebd., S.23 163 ebd., S.24 164 vgl. ebd., S.25ff

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Gewalt erfahrbar und fassbar und nicht in realer Form165. Mediale Gewalt kann als

solche alle gesellschaftlich real vorhandenen Gewalt- und Konfliktformen abbilden,

für den analytischen Zugang wird eine opferzentrierte Perspektive empfohlen.

Innerhalb medialer Gewaltdarstellungen lassen sich zwei Darstellungsweisen

unterscheiden. Einerseits solche die als ‚sauber’ erscheinen, da sie medial

ästhetisiert sind, d.h. sie zeigen keine Reaktionen und Folgen bzw. Schäden der

Gewaltanwendung, andererseits ‚schmutzige’ Gewaltdarstellungen, die auf Grund

ihrer Machart realistisch erscheinen, es aber nicht sind. Auch in non-fiktionale

Fernsehformaten wie den Nachrichten, wird reale Gewalt durch televisionäre

Selektions- und Gestaltungsprozesse der Szenenauswahl, der Kameraperspektive

oder des Schnitts in medial bearbeitete, wirklichkeitsreduzierte Gewalt

transformiert166.

165 vgl. Kleber 2003, S.33 166 vgl. ebd., S.34f

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5. Stand der Forschung

Die Forschung im Bereich der Musikvideoclips erstreckt über Themenbereiche wie

die Entwicklung von Fernsehen und Musikfernsehen aus ökonomischer Sicht oder

inhaltsanalytische Arbeiten bezüglich kommunikativer Dimensionen, am häufigsten

sind dabei Fragen zu Geschlechterbildern und zu Gewaltdarstellungen in

Musikvideos167. In Musikvideoclips wird oftmals ein Kontingenz-Overload, d.h. eine

Bilderflut beklagt, die kognitiv gar nicht stattfinden kann, viele Studien sind daher

Rezeptionsanalysen. Erst mit dem wachsenden Zusammenhang von Kunst und

Musikkultur entstanden vermehrt Produktanalysen zu Videoclips168, die jedoch mit

einigen grundlegenden Probleme konfrontiert sind. „Erstens gehört das Material

unterschiedlichen Darstellungs- und Ausdrucksmedien an. Zweitens gibt es für die

visuellen Strukturen keine genuine Zeichenabstraktion, wie die Schrift resp.

Notenschrift. Drittens ist dennoch ein von Ton und Bild gleichermaßen abstrahiertes

Verfahren erforderlich, um die Relation zwischen Ton und Bild überhaupt adäquat

beschreiben zu können.“169 Zu dem befindet sich der Videoclip als populärkulturelles

Medium in einem ständigen historischen und ästhetischen Wandel, Analysen müssen

immer in Bezug zum Zeitpunkt der Entstehung von Clips betrachtet werden170.

5.1. Gewalt in Musikvideoclips

Gewalt in Musikvideoclips betrifft verbale Gewaltäußerungen und Beschreibungen

von Gewalttaten ebenso wie explizite visuelle Darstellung von Gewalt in Ergänzung

zum Songtext oder als dessen bildliche Umsetzung. Einigen Musikgenres wie Heavy

Metal oder Gangsta-Rap wird eine höhere Affinität zu Darstellungen von Gewalt,

Tod, Satanismus usw. in Texten und Clips nachgesagt und auch nachgewiesen. In

diesem Zusammenhang wird oftmals die These geäußert, dass Musikvideos durch

eine entsprechende Umsetzung auf der Bildebene gewalthaltige Texte unterstützen

oder verstärken und somit gewaltfördernd oder seien171. Durch die häufig

performative Inszenierung der Persönlichkeit der InterpretInnen in Form eines Image,

stehen Gewaltdarstellungen in Videoclips jedoch immer in einem szenespezifischen

167 vgl. Altrogge 2001 (I), S.5ff 168 vgl. Jacke 2003, S.29ff 169 Altrogge 2001 (I), S.115 170 vgl. Pape; Thomsen 1997, S.202 171 vgl. Kunczik;Zipfel 2006, S.331ff

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Bezugsrahmen, der kulturelle Unterschiede in der Darstellung, der Funktion und der

Bedeutung von Gewalt hervorbringt, die in Bezug auf musikalische Jugendkultur,

Jugendszene und Musikstil betrachtet werden müssen172.

Bei der Analyse von Gewalt in Musikvideos ist die Darstellungspraxis wesentlich, d.h.

wird z.B. nur die Ausübung von Gewalt gezeigt oder auch die Folgen. Ebenso ist der

Kontext, in den Gewalt gesetzt wird von Bedeutung, ist sie z.B. als Spiegel

veralltäglichter Gewalt zu verstehen oder will sie soziale Konfliktpunkte aufzeigen. So

stellt sich in Clipanalysen immer die Frage nach der kritischen Reflexion von Gewalt,

gerade weil sie oft als Ausdruck jugendlicher Rebellion, als Generationenkonflikt oder

als Sexualisierung und schwindende gesellschaftliche Moral verstanden wird und

z.B. weniger als bewusster Tabubruch oder eine Form von Protest173.

Michael Richs (1998) Untersuchung von 518 Musikvideos ergab, dass in 15% der

Fälle direkte, interpersonelle Gewalt gezeigt wurde, in denen der Protagonist in 80%

der Fälle als Aggressor auftrat. Durch die Art der Präsentation von Gewalt und den

zumeist attraktiven HauptdarstellerInnen meint Rich, würde Gewalt durch

Musikvideos idealisiert. Auch Lichter, Lichter und Amundson (1999) haben in einer

Analyse von 189 Musikvideos im Schnitt 3,6 Gewaltszenen pro Videoclip gezählt. Die

in 90% der Fälle direkt gezeigte Gewalt wurde fast nie moralisch beurteilt und führte

in dreiviertel der Fälle zu keinen sichtbaren physischen oder psychischen

Konsequenzen. In der ‚National Television Violence Study’ (1994-1997) wurden

1.962 Musikvideos untersucht, von denen 15% Gewaltdarstellungen enthielten. In

nur 11% der gefundenen Musikvideos mit Gewaltdarstellungen wurden auch die

Konsequenzen der Gewalt thematisiert. Bestrafungen oder Rechtfertigungen für die

meist realistisch dargestellte Gewalt fehlen in dreiviertel der Fälle. Der Gewaltgehalt

in Musikvideos hängt, so das Ergebnis nicht zuletzt vom Kontext des Musikgenres

ab. Rap Videos enthielten in der Studie deutlich mehr Gewalt (29%) als andere

Genres (7% - 12%)174. Beispiele für Gewaltsymbolik finden sich aber nicht nur im

Rap/HipHop-Bereich in Form von Verweisen auf ‚Gansterism’ und ‚Street Credibility’.

Im Death- und Trash-Metal stellen sie Hintergrundornamente dar, im Dance-Clip zu

‚Smack My Bitch Up’ von The Prodigy ist Gewalt als exzessives Ausleben innerhalb

der Party-Techno-Szene vorhanden und im Brit-Rock-Clip zu ‚Bittersweet Symphony’

172 vgl. Neumann-Braun; Mikos 2006, S32f 173 vgl. ebd., S.35f 174 vgl. Kunczik; Zipfel 2006, S.334ff

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von The Verve als Aggression des Außenseiters gegenüber der ignoranten

Umwelt175.

5.2. Horror in Musikvideoclips

Der Zusammenhang von Horrormythen und Gewaltdarstellungen ist offensichtlich

und betrifft gleichermaßen die Literatur, den Film und Musikvideoclips. Das

berühmteste ‚Horror-Musikvideo’ ist wahrscheinlich John Landis Clip zu Michael

Jacksons ‚Thriller’ aus dem Jahr 1983, in dem dieser als Werwolf und Zombie

stereotype Horrorfiguren verkörpert. Interessant an ‚Thriller’ ist, dass die dargestellte

Zerrissenheit der Halbwesen, auch symbolisch für die damalige Verwandlung der

medialen Figur Michael Jackson vom Soul-Kinderstar zum androgynen ‚King of Pop’

gesehen werden kann176. Der ‚thrill’ ist im Songtext weniger als Horror, denn in seiner

Doppeldeutigkeit als Gruseln und als Erregung vorhanden. Der Clip bemüht sich um

große Ähnlichkeit zu bekannten Horrorfilmen, kann seinen leicht parodistischen

Charakter aber nicht verbergen, welchen er durch die Soundeffekte, den Sprech-Part

von Vincent Price und die Tanzszene der Zombies erhält177.

Eines der bekanntesten Musikvideos, in dem der Horror alle Clip-Ebenen umfasst ist

Chris Cunninghams Video zu Aphex Twins ‚Come To Daddy’ (1997). Das Musikvideo

erzählt in einem tristen, urbanen Setting die Geburt eines Monsters aus dem (Musik-

)Fernsehen. Es verleiht in der Tradition des modernen Horrors dem latenten Grauen

einen Körper und manifestiert zugleich den bedrohlichen, unbekannten Raum hinter

dem Fernsehbildschirm. Des Weiteren ist das Doppelgängermotiv zentral, dargestellt

durch eine Horde Kinder mit identischen, verzerrten Gesichtern, die das Bild einer

unaufhaltsamen, in der vermeintlichen Unschuld des Kindlichen verborgenen

Bedrohung erzeugt178. In einer mehrfachen körperlichen Transformation nimmt das

Monster schließlich ebenfalls jenes verzerrte Gesicht von Aphex Twin an, wodurch

es sich mit der gleichgesichtigen Kindergruppe äußerlich vereint. Von Beginn an

finden sich im Videoclip in der räumlichen und figürlichen Gestaltung filmische

Rückgriffe auf die Ikonografie des Horror- und Teufelsfilms179. Ein wichtiges Motiv ist

die scheinbar idyllische Mittel-Sequenz in Form eines Kinderliedes: sie durchbricht

175 vgl. Neumann-Braun;Mikos 2006, S.34f 176 vgl. Mercer 1999, S.208ff 177 vgl. ebd., S.211ff 178 vgl. Meteling 2006, S.311ff 179 vgl. Frahm 2007, S.76ff

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als Kontrapunkt den Horror und stellt ihn dadurch als noch viel grausamer dar, weil

nun diese eingeschobene, harmonische Sequenz durch ihre Abweichung vom

restlichen Clip das eigentlich befremdende ist180.

Ein neueres, vielfach interpretiertes wie zensiertes Beispiel für die Verwendung

moderner Horrorästhetik im Videoclips findet man in Vaughn Arnells Musikvideo zu

‚Rock DJ’ von Robbie Williams aus dem Jahr 2000. Hier wird zunächst der

performende Star Robbie Williams gezeigt, wie er für eine Gruppe Frauen tanzt. Auf

Grund ihres mangelnden Interesses an ihm als Star, beginnt er sich auszuziehen, als

die jubelnde Frauenmenge nach mehr verlangt, reißt sich der nackte Robbie auch

seine Haut und sein Fleisch vom Körper und wirft es in die Menge. Am Ende bleibt

von ihm nur noch ein tanzendes Skelett übrig.

Robbie Williams inszeniert sich hier mit Mitteln des Splatter-Films in seiner

Doppelfunktion als Held und Antiheld, als Star, der seine gespielte Rolle bis zur

totalen Gleichheit mit den Fans ablegen kann, symbolisiert durch das Skelett als

grundlegendste Gemeinsamkeit aller Menschen. Das eigene Zerfleischen ist dabei

die totale ‚Fleischbeschau’, die Dekonstruktion des Star-Körpers zu einem

gewöhnlichen anatomischen Körper. Erst dadurch wird das Interesse des weiblichen

Publikums geweckt und die Ordnung der Popstarwelt wieder hergestellt181. Dieser

Videoclip kann sein populärkulturelles Wesen allerdings nicht verheimlichen und wirkt

nicht in der Härte, die seine Aussage haben könnte: die Abrechnung mit dem

zerfleischenden Popbusiness182.

180 vgl. Mertin 2002 181 vgl. Meyer-Seipp 2005, S.73ff 182 vgl. Mertin 2000

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6. Musikvideoclipkorpus

6.1. Erstellung der Typologie

Die drei angesprochenen Musikvideos finden sich auch in dem erstellten

Videoclipkorpus wieder, der die empirische Grundlage für die Analyse zweier

ausgewählter Videoclipbeispiele darstellt. Auf die Erstellung des Korpus hatten

weder Sendezeiten oder Häufigkeiten der Ausstrahlung noch Formate bekannter

Musiksender, Musikrichtungen oder Produktionsdaten einen Einfluss. Die Vorgabe

war lediglich die inhaltliche Berücksichtigung der theoretisch fundierten Definition von

Horrorsymbolen und Horrormythen und deren Identifikation auf der Bild- und/oder

Textebene des Musikvideos. Die Formen und Funktionen von Horror auf der

Tonebene des Musikvideoclips bedürfen einer gründlicheren und theoretisch

fundierteren Bearbeitung, als es in der vorliegenden Arbeit möglich ist, sie sollen

daher als Desiderat behandelt werden.

Die Videoclips wurden auf zwei verschiedene Weisen erhoben, zum einen über das

Programm der Musiksender MTV, VIVA und deren Ableger MTV2 Pop und VIVA

Plus, zum anderen über entsprechend spezialisierte Internetseiten. Dazu wurde in

verschiedenen Videoclip-Datenbanken und Videoportalen über relevante Stichwörter

nach Clips gesucht (siehe Liste im Anhang). Des weiteren wurden persönliche

Homepages von RegisseurInnen und InterpretInnen, Homepages von verschiedenen

Labels und Produktionsfirmen und Fan-Sites für die Recherche herangezogen. Als

Kriterium für die Aufnahme in den Korpus galt dabei das Vorkommen eines

Horrortyps auf mindestens einer der beiden Clipebenen Bild und/oder Text.

Um zu einer brauchbaren Typologie zu gelangen, wurden die theoretisch fundierten

Horrormythen in Bildersteindrucksanalysen an dem gesammelten Videoclipmaterial

hinsichtlich der dort dargestellten Objekte und Figuren und den verwendeten

Ästhetiken überprüft. Das Ergebnis dieser Vergleiche zeigt, dass alle sechs

klassischen Horrormythen in den gesammelten Videoclips empirisch bestätigt

werden können, jeder Mythos kann in mindestens drei verschiedenen Videoclips

aufgefunden werden. Hinzu kommt, dass sich durch weitere Differenzierung drei

zusätzliche Typen bilden lassen, so dass insgesamt neun Typen gebildet werden

können, denen sich das Gesamtmaterial zuordnen lässt. Den Kernkorpus bilden 136

Musikvideoclips (siehe Liste im Anhang), die durchaus mehr als nur einen der neun

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Typen beinhalten können, weswegen für die Zuordnung der in Bild oder Text am

häufigsten oder am markantesten auftretende Horrortyp gewählt wurde. Bei einem

gleichberechtigten Auftreten mehrerer Horrortypen, wurde der entsprechende Clip

mehrfach kategorisiert, jedoch nur einmal gezählt. Die neun Typen lauten wie folgt:

1. der künstliche Mensch bzw. das künstliche Wesen

2. Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind

3. Tiermenschen

4. Tiere, die menschliche Züge annehmen

5. Doppelgänger

6. Hexen und Hexerei

7. Mörders, Killers und Irre

8. Masken und Maskierungen

9. Albtraum

Hierbei entsprechen die Typen eins bis sechs den klassischen, aus der Literatur

stammenden Horrormythen, Typ sieben entstammt dem modernen Horrorfilm und die

Typen acht und neun stellen allgemeinere Mythen oder Motive dar, die sowohl im

klassischen als auch im modernen Horror vorkommen.

6.2. Beschreibung der erstellten Typologie

1. Der künstliche Mensch/ Das künstliche Wesen

Dieser Horrortypus kommt eher selten in den Musikvideos des Korpus vor, da es sich

um eher unbekanntere klassische Figuren handelt, die eine aufwändigere inhaltliche

Einbettung benötigen um als Horror und nicht als Science-Fiction verstanden werden

zu können. ‚Born in 69’ der Band Rocket From The Crypt zeigt beispielsweise eine

an Frankenstein-Filme angelehnte Transplantation eines Hirns zur Schaffung des

künstlichen Menschen, in ‚Obscure’ von Dir En Grey werden im Setting einer

Obduktion mehrere künstliche Wesen dargestellt und in ‚The Day The Dead Walked’

der Band Six Feet Under wird eine Leiche ausgegraben und anschließend in einem

Labor wiederbelebt. Das künstliche Wesen tritt aber auch in laborfremden

Situationen auf, was eine metaphorischere Darstellung ermöglicht. So bringt in

‚Come To Daddy’ von Aphex Twin ein Fernseher das Monster in die Welt und im Clip

zu ‚Believe’ der Chemical Brothers sind tierartige Monstermaschinen als Wesen

zwischen Realität und Wahn der Ausdruck psychischer Instabilität des Menschen.

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Das künstliche Wesen lässt sich auch als Metapher zu der Künstlichkeit des Musik-

Stars interpretieren, so z.B. im Clip zu Marilyn Mansons ‚The Beautiful People’, in

dem dieser als Wesen mit überdimensionalen künstlichen Gliedmaßen präsentiert

wird. Gerade im Fall von Marilyn Manson zeigt sich, dass eine derart dargestellte

Künstlichkeit auch als bildästhetisches Image einer Band oder eines/r KünstlerIn

genutzt werden kann. Jene Musikvideos des Korpus, die dem Typ des künstlichen

Wesens oder Menschen zugeordnet werden können, entstammen überwiegend dem

Rockmusikgenre und nutzen die visuelle Funktion des Horrors hauptsächlich als

narrative oder visuelle ästhetische Ergänzung.

2. Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind (‚Untote’)

Fast die Hälfte der Videoclips des Korpus lässt sich dem Typ der ‚Untoten’ zuordnen,

was zunächst damit erklärt werden kann, dass diese Kategorie die meisten und

bekanntesten Figuren enthält, zu denen auch der Zombie zählt. Die Besonderheit der

Figur des Zombies ist es, dass sie auf Grund ihrer äußeren Erscheinung durch

wenige Merkmale angedeutet und ohne weitere Einbettung in ein spezielles Setting

verwendet werden kann. Des Weiteren ist anzunehmen, dass die untoten Wesen

durch eben jenen körperlichen Zustand im Prinzip die größte phantastische

Anziehungskraft sowohl auf RezipientInnen als auch auf die InterpretInnen als

potentielle DarstellerInnen ausüben, die z.B. beim Vampir ebenso erotischer und

sexueller Natur sein kann. Besonders in Pop- und Boygroup-Videos wie ‚Everybody

(Backstreet’s back)’ der Backstreet Boys, ‚Just Because Of You’ von Us5, ‚Wall To

Wall’ von Chris Brown oder dem an ‚Nosferatu’ angelehnten Clip zu ‘Sumisu’ von

Farin Urlaub wird der Vampir als Figur zwischen Erotik und Gefahr inszeniert. Die

Darstellung einer erotischen Horrorfigur lässt somit immer noch die positive

Konnotation des Stars zu, wohingegen im Fall des Zombies bereits ein höherer

Abstraktionsgrad zwischen Star und Figur von Nöten ist. Der Reiz der Zombiefigur

liegt im Musikvideoclip eher in seinem optischen Auftreten und in der Möglichkeit der

parodistischen Entfremdung durch Tanzchoreografien, wie in Michael Jacksons

‚Thriller’ und der wiederum daran angelehnten Parodie in ‚Somebody’s Watching Me’

der Beatfreakz zu sehen ist. Das Video zu Phantom Planets ‚Big Brat’ hingegen zeigt

die Band bei der Heimproduktion eines anschließend aufgeführten Zombiefilms, was

gleichzeitig als Parodie und als Hommage verstanden werden kann. Die Wirkung ist

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durch die Offenlegung der filmtechnischen Vorgänge in diesem Clip jedoch

abgeschwächt.

Die Figur des Skeletts oder das Symbol des Totenkopfs findet man in den

Musikvideos des Korpus am häufigsten. Das liegt daran, dass diese Horrorfiguren

ohne einen weiteren Zusammenhang mit Horror bzw. auch losgelöst von diesem

verwendet werden können. Die tanzenden Skelette im Video zu ‚Hey Boy Hey Girl’

der Chemical Brothers treten, hervorgerufen durch den Röntgenblick einer jungen

Frau eher als Symbol der Gleichheit aller Menschen auf, in ‚Around The World’ von

Daft Punk sind sie lediglich optischer Ausdruck einer akustischen Vorlage und in ‚Go

With The Flow’ der Queens of the Stone Age steht der Totenkopf als Symbol für

Rock’n’roll. Gegenteilige Beispiele sind z.B. die düstere, marschierende Skelett-

Armee in ‚Seven Nation Army’ von The White Stripes oder die bedrohlichen Skelett-

Ritter im Clip zu ‚Burn It Off’ von Jon Spencer Blues Explosion. Totenköpfe und

Skelette eigenen sich durch die Vielzahl ihrer symbolischen Bedeutungen jedoch

besonders zur beiläufigen, nicht mit Horror verbundenen Einstreuung auf der

Bildebene eines Musikvideos. Als Horrorsymbol ausgewiesen, stellen sie jedoch eine

Möglichkeit dar, für eine kurze Zeit im Clip ein düstereres oder ‚härteres’ Image der

InterpretInnen zu erzeugen, ohne dass ein vollständiger Imagewandel nötig wäre. Im

Videoclipkorpus gilt dies sowohl für narrative als auch für Performance-Clips.

Beispiele hierfür sind die Videos zu ‚New Noise’ von Refused, in dem die Band kurz

in Zombiemasken auftritt, ‚Kick It’ von Peaches & Iggy Pop und ‚What Doesn’t Die’

von Anthrax, in denen die Performance der KünstlerInnen in von Zombies bedrohten

Settings stattfindet, oder auch die kurzen Einblendungen von Horrorsymbolen in den

Clips zu ‚Alala’ von CSS, ‚Vampire Racecourse’ von The Sleepy Jackson und ‚Solo

Impala’ von The Fashion.

Die mediale Konzeption eines ‚härteren’ Images der InterpretInnen durch ihre

Inszenierung als untote Wesen, findet sich ebenfalls im Clip-Korpus wieder. So tritt

die Dance-Pop-Formation Beatfreakz in ihren Clips als eine Gruppe Untoter auf, die

finnische Band Lordi visualisiert ihr Image als Schock-Rock-Band durch die

Verkleidung als Halbwesen zwischen Mythologie und Zombie und die Gruppe Young

Punx lässt sich in ihren computeranimierten Musikvideos durch singende Totenköpfe

und tanzende Skelette vertreten.

In der Kategorie ‚Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind’ sind alle Musikgenres

und visuellen Funktionen des Horrors vertreten, zwei Aspekte fallen dabei jedoch auf:

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bildliche Umsetzungen von Horrortexten fallen zumeist in das Genre der Rockmusik

und der Großteil der Videos beinhaltet Performance-Elemente.

3. Tiermenschen

Die Inszenierung von Tiermenschen auf der Bild- und Textebene in den Musikvideos

des Korpus ist mit wenigen Ausnahmen auf die Figur des Werwolfs beschränkt. In

Titeln wie ‚Wolf like me’ von TV on the Radio, ‚We’re Wolf’ von Everytime I Die oder

‚Someone’s in the Wolf’ von Queens of the Stone Age finden sich zahlreiche

Anspielungen und metaphorische Verwendungen, die meist auch visuell

entsprechend umgesetzt werden. Ein Grund dafür ist der hohe kulturelle

Bekanntheitsgrad des Werwolfmythos und sein gleichsam hoher optischer

Wiedererkennungswert und so reichen kurze Einblendungen typischer Symbole wie

spitze Ohren und Zähne oder ein haariges Gesicht in den meisten der Videos bereits

aus. Es lassen sich aber auch weitere Tiermenschen in den Videos des Korpus

identifizieren: in ‚Who Cares’ von Gnarls Barkley verwandelt sich der Protagonist als

Vampir auf der Suche nach nächtlicher, weiblicher Bekanntschaft in eine

Fledermaus, in ‚Good Stuff’ von Clor findet durch den Blick eines Nachtsichtgerätes

ein Kampf zwischen Mensch und einem Bigfoot-ähnlichen Monster statt und in

‚Sheena is a parasite’ von The Horrors ist die Hauptdarstellerin nur scheinbar eine

gewöhnliche Frau, denn jedes Mal, wenn sie im blitzenden Licht ihr Kleid hochreißt

schießen der Kamera krakenähnliche Fangarme entgegen.

Der Mythos des Tiermenschen ist als Ausdruck des unterdrückten Animalischen im

Menschen stets negativ konnotiert. Seine Inszenierung in Musikvideos muss daher

unter Heranziehen von Text und Musik vorsichtig gestaltet werden. Die gängigste

Darstellung ist die Verwandlung des/der ProtagonistIn in einen Tiermenschen als

Element Teil einer Performance wie z.B. in Michael Jacksons ‚Thriller’ oder Ozzy

Osbournes ‚Bark at the moon’. Je drastischer die Darstellung des Tiermenschen ist,

desto stärker entfernt sich diese von dem romantischen Bild eines, wegen seiner

Kraft verehrten Halbwesens hin zur Verkörperung der Angst vor der animalischen

Bedrohung. Ihre Inszenierung erzeugt ein härteres Image, wobei entscheidend ist, ob

der/die KünstlerIn z.B. selbst in die Rolle des Tiermenschen schlüpft oder ob es sich

um eine ergänzende Narration auf der Bildebene handelt. Fast alle Clips dieses

Typus sind Kombinationen aus Narration und Performance und zum größten Teil

dem Rockmusikgenre zuzuordnen.

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4. Tiere, die menschliche Züge annehmen

Tiere, die menschliche Züge annehmen sind eher ein literarischer und veralteter

phantastischer Typus, der zu dem den Tiermenschen recht ähnlich ist. Trotzdem

lassen sich einige Videoclips des Korpus diesem Typ zuordnen, das beste Beispiel

ist der Clip zu ‚No one knows’ von Queens of the Stone Age, in welchem die Band

ein Wild anfährt, das sich in der Folge rächt, in dem es die Bandmitglieder überwältigt

und ihre ausgestopften Köpfe wie ein Jäger in seinem menschlichen Zuhause über

seinem Bett aufhängt. Für die Darstellung dieses Typus bedarf es einer komplexen

Rahmenhandlung, da solche Geschichten meist moralisierende Themen wie z.B. die

von Tieren vollzogene Rache der Natur am Menschen beinhalten. Für die Kürze

eines Musikvideos, sind solche Geschichten eventuell zu komplex und ihre

Symboliken zu wenig bekannt. In den weiteren Videoclips dieses Typs findet sich in

‚Intergalactic’ der Beastie Boys die Bekämpfung eines Godzilla-artiges Wesens und

in ‚Where’s your head at?’ von Basement Jaxx performen Affen, welche die

Gesichter der Band tragen den Song. Die Musikvideos dieses Typus sind allesamt

narrative Clips, die durch performative Elemente ergänzt werden und den Horror als

narrative Ergänzung auf der Bildebene nutzen.

5. Doppelgänger

Das Motiv des Doppelgängers kommt in den Videoclips des Korpus am seltensten

vor, es ist zugleich auch jenes, das die geringste Anzahl an Figuren besitzt. Im

Prinzip beschränken sie sich auf Dr. Jekyll/Mr. Hyde, der im Clip zu ‚Everybody

(Backstreet’s back)’ von einem der Backstreet Boys verkörpert wird und auf die

gleichnamige Figur aus dem Film ‚Das Cabinet des Dr. Caligari’, die in Rob Zombies

Videoclip ‚Living Dead Girl’ von ihm adaptiert wird. Zwei weitere Videoclips des

Korpus arbeiten noch mit diesem Horrortypus: in ‚Breathe’ von The Prodigy steht

eines der Bandmitglieder kurz seinem Ebenbild gegenüber und in ‚Gimme some

more’ von Busta Rhymes tyrannisiert dessen böser comic-hafter Monster-

Doppelgänger sein Kindermädchen. Das Doppelgängermotiv stellt für die

InterpretInnen in Musikvideos eine Möglichkeit dar zwei verschiedene Rollen

einnehmen zu können, jedoch wurde es in der neueren Zeit im Film vermehrt zum

Thema von Komödien und muss mittlerweile nicht mehr zwangsweise als

Horrormythos verstanden werden. Die beiden angesprochenen bekannten Figuren

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dieses Typs entstammen zu dem der älteren Phantastik und sind als Vertreter des

psychischen Horrors schwerer darzustellen. Die Videos mit Doppelgängermotiv sind

größtenteils narrativ mit ergänzenden Performances, sie nutzen die Bildebene für die

Inszenierung einer vom Songtext unabhängigen Geschichte.

6. Hexen

Hexen und Hexerei „(...) ist bereits eine Gruppe, die am Rande des Genres liegt;

(...)“183, daher sind sie auch im Clip-Korpus nur selten zu finden. Textlich wird dieses

Motiv in ‚American Witch’ von Rob Zombie verwendet, als Metapher auf der

Bildebene z.B. in ‚Grand Fraud’ der Band Weird War. Es finden sich jedoch auch

zwei umfassendere Darstellungen dieses Typs. In ‚Burn The Witch’ von Queens of

the Stone Age werden Hexerei, Hexenverfolgung und Hexenverbrennung im Text

thematisiert und im Videoclip entsprechend bildlich umgesetzt, in dem eine junge

Frau als Hexe deklariert, verfolgt und verbrannt wird. Jedoch kehrt sie als eine Art

Zombie samt einer Skelettarmee zurück, wodurch der Clip auch weiteren Kategorien

zugehörig ist. Ebenso schildert der Clip zu ‚Witches! Witches! Rest Now In The Fire!’

von Get Well Soon auf Text- und Bildebene wie einer jungen Frau zunächst der

Prozess als Hexe gemacht wird und sie dann auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird.

Hexen sind der einzige ausschließlich weibliche Horrortyp, es sei angemerkt, dass in

den Videoclips des Korpus kaum weibliche Horrorfiguren und auch nur wenige

Interpretinnen vertreten sind, wodurch das geringe Vorkommen dieses Typs erklärt

werden könnte.

7. Mörder, Killer und Irre

Der (Massen-)Mörder, Killer oder Irre ist das bekannteste und anschaulichste Motiv

des modernen Horrors und verweist oftmals auf politische und gesellschaftliche

Missstände. Die Darstellung ist meist mit detaillierten Tötungsszenen kombiniert, was

gerade im Musikvideo eine Verwendung erschwert. Eine Identifikation oder

Nachahmung eines unterbewusst verehrten Halbwesens ist nicht mehr möglich, die

Darstellung eines irren Mörders, egal ob durch den Star oder durch eine andere

Person ist wegen moralischer Tabus und gesetzlicher Vorgaben schwer zu

verkaufen. Für die Inszenierung einer solchen Figur muss ein hohes

Abstraktionslevel zwischen InterpretIn und Figur geschaffen werden, um die

183 Seeßlen/Weil S.28

47

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Trennung von Realität und Fiktion beizubehalten. Die Figur des Mörders kommt

jedoch nicht ohne den Mord aus und der Mord im Horror nicht ohne eine detaillierte

Zurschaustellung. Andererseits verfügen der Mörder als Figur und Mord als Tat über

eine umfangreiche Symbolsprache, weswegen für ein Verständnis dieses Typs

oftmals Andeutungen ausreichen.

So wird z.B. in ‚Aisha’ von Death In Vegas in einer Point-of-view-Perspektive die

Existenz einer Bedrohung suggeriert, in dem auf der Bildebene eine Frau vor einem

Killer flieht, der nur im Songtext vorhanden zu sein scheint. Der Clip zu Nick Cave &

Kylie Minogues ‚Where The Wild Roses Grow’ dreht dieses Prinzip um, in dem der

Killer im Duett mit seinem weiblichen Opfer den begangenen Mord besingt, während

er im Clip sein im Wasser schwimmendes Opfer zu Grabe trägt. Ganz anders verhält

es sich im Spoken-Word-Video zu ‚Serial Killer’ von Motorhead. Der relativ kurze Clip

zeigt in grünem, blitzendem Licht Sänger Lemmy Kilmister, der als Serial Killer auf

dem elektrischen Stuhl sitzend poetisch aber reuelos seine Taten schildert, während

die Tonebene nach und nach durch das Rauschen und Zischen von Elektrizität

bestimmt wird. Dass auch in dieser Kategorie Adaptionen filmischer Vorlagen

möglich sind, zeigt das Video zur ‚Billie Jean’ von The Bates, in dem die Band die

bekanntesten Szenen aus Hitchcocks ‚Psycho’ nachstellt. Die Clips dieses Typs im

Korpus zeigen, dass das Killer-Motiv vornehmlich als narrative oder visuelle

ästhetische Ergänzung genutzt wird.

8. Masken, Verkleidung

Masken und Maskierungen werden in den Musikvideos des Korpus von Bands und

KünstlerInnen fast ausschließlich zur Erzeugung und Etablierung eines ‚bösen’ und

‚harten’ Images genutzt, etwaige Ähnlichkeiten mit bekannten Horrorfiguren sind

dabei durchaus beabsichtigt um die Eigenschaften der Figur auf den Star zu

projizieren. Beispielsweise treten Acts wie Slipknot, Insane Clown Posse oder

Boondox in Maskierungen auf, die zwar nicht an bestimmte Horrorfiguren angelehnt

sind, durch ihre Ästhetik und im Gesamtkontext des Videoclips aber ein

entsprechendes Image erzeugen. Ein anderes Beispiel des Korpus ist die Band The

Ghastly Ones, die Rockabilly-Musik mit dem Kleidungsstil aus Horrorfilmen der

1950er Jahre verbinden um so ihr musikalisches Image optisch zu verstärken. Alle

Videoclips dieses Typs enthalten dem entsprechend Performance-Elemente, da die

KünsterInnen als Träger der Masken das Image präsentieren müssen. Die

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Imagefunktion steht dabei im Vordergrund, schließt aber weitere Funktionen nicht

aus.

9. Albtraum

Dieser Typus beinhaltet jene Clips des Korpus, in denen der Horror nicht als Figur,

sondern als das gängige Albtraummotiv vorkommt. Dem entsprechend verwenden

diese Clips Ästhetiken und Artefakte, die mit bekannten Horrorgestalten verbunden

werden und suggerieren deren mögliche Anwesenheit. Der Traumzustand wird wie in

‚Enter Sandman’ von Metallica oder ‚Lullaby’ von The Cure zumeist durch das

Schlafen im Bett visualisiert, bildtechnische Effekte wie das Verschwimmen des

Bildes oder das Zoomen auf das Gesicht des Schlafenden werden zur

Verdeutlichung des Träumens eingesetzt. Alle Clips dieser Kategorie behandeln das

Thema auch auf textlicher Ebene, die größte Übereinstimmung von Bild und Text

findet sich in King Gordy’s Clip zu ‚Nightmares’. Der Text handelt von dem Auftreten

der Figur King Gordy in Träumen, während der Künstler in Teufelsverkleidung durch

nächtliche Straßen zu einem verlassenen Jahrmarkt fährt, in dem skurrile Wesen zur

Schau gestellt werden. Das Albtraum-Motiv wird zu dem in einigen Clips wie

beispielsweise ‚Everybody (Backstreet’s back)’ der Backstreet Boys, ‚Just Because

Of You’ von Us5, ‚Wall To Wall’ von Chris Brown, ‚Everlong’ der Gruppe Foo Fighters

oder ‚Monster Hospital’ von Metric als Rahmenhandlung für weitere

Horrorerzählungen verwendet. Die Videos, die das Albtraummotiv beinhalten sind

alle narrativ und nutzen diese Form des Horrors als visuelle ästhetische oder

narrative Ergänzung auf der Bildebene.

6.3. Typologie der visuellen Funktionen des Horrors

Die generelle Betrachtung der 136 Musikvideoclips des Korpus führt zu folgenden

grundlegenden Ergebnissen: Erstens kann nachgewiesen werden, dass sich in

Musikvideos auf der Bild- und/oder Textebene alle Horrormythen sowohl des

klassischen als auch des modernen Horrors wiederfinden lassen. Zweitens lässt sich

aufzeigen, dass die identifizierten Horrormythen auf der Bild- und/oder Textebene in

Musikvideoclips aller Hauptmusikrichtungen (Softpop, Dance-Pop, Rap/HipHop,

Rock und Heavy Metal) verwendet werden. Drittens verdeutlicht der Korpus, dass

sich die Verwendung von Horrormythen auf der Bild- und/oder Textebene von

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Musikvideos über die Zeitspanne von der Gründung MTVs bis zum heutigen

Zeitpunkt zieht und somit Horror in Musikvideoclips kein zeitliches Phänomen ist.

Die Verwendung von Horrormythen lässt sich für die Bildebene auch rein funktional

bestimmen. Aus dem Zusammenspiel von Text und Bild in den Musikvideos des

Korpus ergeben sich fünf Typen, die anzeigen aus welchem bildfunktionalen Grund

Horrormythen überhaupt in den Musikvideos verwendet werden, d.h. in welcher

funktionalen Verbindung stehen die auf der Bild- und/oder Textebene identifizierten

Horrorsymboliken zueinander. Die Tonebene kann aus bereits erläuterten Gründen

auch hier nur als Desiderat behandelt werden. Die fünf Typen, denen die

Musikvideoclips des Korpus dem entsprechend zugeordnet werden können sind:

1. Image: das Image der Band bzw. InterpretInnen oder das Image des von ihnen

vertretenen Musikstils oder das Image des/der RegisseurIn ist mit dem Genre des

Horrors verbunden. Einen Sonderfall nehmen Videoclips ein, die Teil eines

Soundtracks zu einem Horrorfilm sind und Bildmaterial aus diesem verwenden. Die

Funktion des Image kann sich mit allen anderen Funktionen decken oder

überschneiden. Beispiele aus dem Korpus sind die Videoclips der Gruppen Alice

Cooper, Beatfreakz, Insane Clown Posse, Lordi, Slipknot

2. Verbildlichung des Songtexts: Der zugrundeliegende Songtext erzählt eine

zusammenhängende oder Teile einer Horrorgeschichte, diese Geschichte wird auf

der Bildebene des Videoclips nahezu identisch umgesetzt. Sie muss dabei nicht

unbedingt die gesamte Dauer des Clips umfassen. Beispiele aus dem Korpus sind:

Death In Vegas ‚Aisha’, Michael Jackson ‚Thriller’, Ozzy Osbourne ‘Bark At The

Moon’, Queens of the Stone Age ‚Burn The Witch’, Ramones ‘Pet Semetary’

3. Narrative Ergänzung: Der zugrundeliegende Songtext behandelt keine

Horrorthemen, auf der Bildebene des Videoclips wird eine, vom Songtext

verschiedene Horrorgeschichte erzählt. Diese muss dabei nicht unbedingt die

gesamte Dauer des Clips umfassen. Beispiele aus dem Korpus sind: Backstreet

Boys ,Everybody (Backstreet’s back)’, Chemical Brothers ,Believe’, Farin Urlaub

,Sumisu’, Gnarls Barkley ,Who Cares?’, Us5 .Just Because Of You’

4. Symbolische Ergänzung: Der zugrundeliegende Songtext behandelt keine

Horrorthemen, auf der Bildebene werden Horrorsymbole verwendet, die in keiner

Beziehung zueinander stehen und nicht mit der Geschichte auf der Bildebene

zusammenhängen. Beispiele aus dem Korpus sind: Chemical Brothers ,Hey Boy Hey

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Girl’, Daft Punk ,Around The World’, Refused ,New Noise’, The White Stripes ;Seven

Nation Army’

5. keine Verwendung auf der Bildebene: Der zugrundeliegende Songtext erzählt eine

zusammenhängende oder Teile einer Horrorgeschichte, auf der Bildebene werden

keine Horrorfiguren oder Horrorsymbole verwendet und keine Horrorgeschichte

erzählt. Beispiele aus dem Korpus sind: Danzig ,Killer Wolf’, The Hooters ‚All You

Zombies’, Nick Cave ,Henry Lee’

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7. Analysemethoden

Wie bereits dargelegt sind Musikvideoclips in verschiedener Hinsicht von Spielfilmen

zu unterscheiden, jedoch existiert noch keine vollständig ausgearbeitete

eigenständige Methode zur Analyse von Videoclips. Unter dieser Voraussetzung

empfiehlt sich für die vorliegende Arbeit eine Methodenkombination aus Filmanalyse,

struktural-hermeneutischer Symbolanalyse und Deutungsmusteranalyse. Die

jeweiligen Grundlagen und Analyseschritte dieser methodischen Vorgehensweisen

und ihre Kombination werden im Folgenden dargestellt.

7.1. Filmanalyse

Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Vorgehensweisen der Filmanalyse

etabliert, so z.B. Lothar Mikos ‚Film- und Fernsehanalyse’ (2003) oder Thomas

Kuchenbuch ‚Filmanalyse’ (2005), die je nach Zugang zum Material, dessen Umfang

und den zu untersuchenden Fragestellungen individuelle Möglichkeiten der Analyse

bieten. Unabhängig von der variierenden Anzahl an vorgeschlagenen

Analysekategorien und Arbeitsschritten herrscht Einvernehmen darüber, dass eine

Filmanalyse die vier grundsätzlichen Arbeitsschritte (1) Beschreiben, (2) Analysieren,

(3) Interpretieren und (4) Bewerten umfassen sollte184. Die Grundlage für die

vorliegende Arbeit ist die von Werner Faulstich in ‚Grundkurs Filmanalyse’ (2002)

beschriebene Methode der Filmanalyse als Produktanalyse in Abgrenzung zur

Medienanalyse. „Die Filmanalyse als Produktanalyse widmet sich der

systematischen Analyse der Gestaltungs- und Vermittlungsformen, innerhalb deren

bzw. mit denen Bedeutung konstituiert und ausgedrückt wird.“185

7.1.1. Die Adaption des Grundmodell zur Analyse von Musikvideoclips

Faulstich unterscheidet folgende vier Zugriffe auf den Film im Sinne von vier

unterschiedlichen Blickweisen auf das selbe Analyseobjekt: Handlungsanalyse,

Figurenanalyse, Analyse der Bauformen und Analyse der Normen und Werte. Für die

Beantwortung der Forschungsfrage können Szenen oder Sequenzen beispielhaft

herausgenommen und mit einem Szenen- oder Schnittprotokoll detaillierter analysiert 184 vgl. Mikos 2003, S.74 185 Faulstich 2002, S.18

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werden, die Analyse bezieht sich jedoch immer auf den gesamten Film als

Produkt186. In der Untersuchung von Musikvideoclips muss sich die Filmanalyse

folglich auf den gesamten Videoclip beziehen und dabei stets das gleichberechtigte

Zusammenspiel der Bilder, des Liedtexts und des Liedes beachten. Auf Grund der

relativen Kürze von Videoclips erscheint die Erstellung eines Sequenzprotokolls für

den gesamten Clip sinnvoll, gerade wenn sich die zu untersuchenden Aspekte über

die Dauer des Clips verteilen. Auch wenn dies nicht der Fall ist, lässt sich die

inhaltliche und formale Struktur des Videoclips so besser überblicken,

Schnittprotokolle sind wegen der inzwischen hohen Schnittfrequenz von Popvideos

weniger aussagekräftig. Zu dem kann das Herauspicken einer bestimmten Szene

das Zusammenspiel von Bild, Text und Ton in der Gesamtheit des Musikvideos nicht

adäquat wiedergeben, was für eine komplette Transkription des gewählten Clips

spricht.

7.1.2. Handlungsanalyse

Für die Handlungsanalyse können verschiedene Texte wie das Drehbuch, das

Storyboard, die literarische Vorlage usw. herangezogen werden oder, wie in der

vorliegenden Arbeit, das erstellte Sequenz- bzw. Filmprotokoll187. Das Filmprotokoll

dient dabei der möglichst genauen Transkription des visuellen Filmmaterials, es kann

den Film aber nicht ersetzen und darf auch nicht mit ihm verwechselt oder

gleichgesetzt werden. Die obersten Prämisse bei der Erstellung eines Filmprotokolls

sind sowohl Objektivität als auch Detailgenauigkeit des transkripierten Materials188.

Die Anzahl der Kategorien eines Filmprotokolls und ihre Benennung schwankt je

nach Autor, Faulstich schlägt folgende Einteilung vor: Nummer der Einstellung,

Beschreibung der Handlung und der Dialoge, Musik und Geräusche,

Kameraverhalten und Zeitdauer189.

Diese fünf Kategorien bedürfen für die Transkription eines Musikvideoclips einer

Anpassung an dessen Struktur. So ergeben sich durch geringfügige

Umbenennungen und Ergänzungen wie folgt acht Kategorien: Nummer der

Einstellung, Dauer der Einstellung, dann die Bildebene unterteilt in Screenshot,

186 vgl. Faulstich 2002, S.25ff 187 vgl. ebd., S.57ff 188 vgl. ebd., S.63f 189 vgl. ebd., S.66f

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Kamera und Handlung, die Textebene in Form von Songtext oder Dialog, die

Tonebene in Form des Songs, songfremder Musik oder Geräusche und schließlich

die Kategorie Memo, Notizen o.ä.

Ein wichtiger Teil des Filmprotokolls ist das Sequenzprotokoll, d.h. die Einteilung des

gesamten Films in Analysesequenzen nach den Kriterien von Einheit oder Wechsel

von Ort oder von Zeit, Einheit oder Wechsel bezüglich Stil und Ton und Einheit oder

Wechsel eines inhaltlichen Handlungsstrangs190.

Für die Analyse von Musikvideos lässt sich diese, vom Bild ausgehende Einteilung in

Analysesequenzen durchaus übernehmen, auf Grund der Strukturierung der Bilder

durch die musikalische Vorgabe ist es aber ebenso möglich Sequenzen nach

musikalischen Mustern zu bilden. Denkbar wäre die grobe Einteilung in Strophen,

Refrains, Intros, Mittelteile, Interludes usw. oder in Gesangsparts und

Instrumentalparts. Bei der Bildung von Analysesequenzen im Musikvideo erscheint

es sinnvoll die Form des Videos zu beachten, d.h. handelt es sich um einen

Performance oder Konzept-Clip, ist die Einteilung nach Wechsel von Handlungsort

oder inhaltlichem Handlungsstrang vielleicht weniger brauchbar als eine Orientierung

an den musikalischen Parts. Bei hauptsächlich narrativen Videoclips erscheint eine

Unterteilung in Sequenzen nach den angeführten Kriterien von Einheit und Wechsel

sinnvoller.

7.1.3. Figurenanalyse

Bei der Figurenanalyse ist zunächst zwischen Haupt- und Nebenfiguren zu

unterscheiden, was nicht mit dem Gegensatz von Protagonist und Antagonist zu

verwechseln ist. Des Weiteren sind Einzelkonstellationen und Figurenpaarungen von

einander zu differenzieren, ebenso wie die Rollen und Typen der Figuren. Ferner ist

der Unterschied zwischen der Selbst-, der Fremd- und der Erzählcharakterisierung

der Figuren durch die Filmhandlung zu analysieren, außerdem ist die Dimensionalität

der Figuren zu prüfen, d.h. handelt es sich um eher flache, eindimensionale oder

mehrdimensionale Figuren. Ein weiteres Analysekriterium ist die Frage, ob die

Figuren im Film eine Persönlichkeitsveränderung durchlaufen, und wenn ja welche.

190 vgl. Faulstich 2002, S.73f

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Schließlich müssen die Figuren noch in Relation zu den sozialen Determinanten des

Settings betrachtet werden191.

Die Figurenanalyse im Musikvideoclip muss um folgende Differenzierungen erweitert

werden. Erstens stellt sich die Frage, ob die Personen im Musikvideo auch die

InterpretInnen des Songs sind oder nicht. Sind die Personen auch die InterpretInnen

muss als zweites unterschieden werden, ob der/die InterpretIn(nen) im Videoclip in

seiner/ihrer Funktion als Star(s) oder in der Rolle als SchauspielerIn(nen) auftreten.

Besonders in narrativen Videoclips sind die InterpretInnen oftmals Stars und

SchauspielerInnen zugleich, Performance-Clips thematisieren den/die Star(s) eher in

der Funktion als MusikerIn(nen). Es ist daher wichtig zu analysieren zu welchem

Zeitpunkt im Clip die Personen welche Funktion übernehmen und in welcher

Verbindung diese zu den Ebenen Text und Ton steht. Die Dimensionalität der

Figuren, etwaige Persönlichkeitsveränderungen und ihr Bezug zu sozialen

Determinanten des Settings sind gleichermaßen in Beziehung zum musikalischen

Image des/der InterpretIn(nen) zu überprüfen, denn es darf nicht die hintergründige

Werbe- und Präsentationsfunktion von Musikvideos vergessen werden.

7.1.4. Analyse der Bauformen

Die Analyse der Bauformen beinhaltet z.B. die Betrachtung der Einstellungsgrößen,

der Einstellungsperspektiven und der Kamerabewegungen (z.B. Achsenverhältnisse,

Mis-en-scene, Montage usw.)192. So werden Dialoge und Geräusche beispielsweise

nach handlungsfunktionalen Geräuschen und Rezeptionssteuerung durch

Geräusche unterschieden, die Musik nach ihrer Verteilung im On und Off, nach ihren

Leitmotiven und den von ihr erzeugten Stimmungen193. Des Weiteren sind Formen

und Funktionen von Raum, Licht und Farben sowohl in Bezug auf die Inszenierung

der Figuren als auch auf die der restlichen Filminhalte zu analysieren 194.

Im Musikvideo gibt auf Grund der zeitlichen Rahmenbedingungen keine Möglichkeit

einen Gegenstand langwierig einzuführen, was nicht bedeutet, dass es keine

zentralen Gegenstände gibt195. In der Analyse der Bauformen von Musikvideos ist

jedoch zunächst zu klären, welche der Formen Performance, Narration und Konzept

191 vgl. Faulstich 2002, S.93ff 192 vgl. ebd., S.113ff 193 vgl. ebd., S.136ff 194 vgl. ebd., S.143ff 195 vgl. Kerscher; Richard 2003, S.214

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überwiegt und wie diese mit der Songstruktur kombiniert werden (z.B. Performance

im Chorus, Narration in der Strophe o.ä.). Bei der Analyse von Kamera,

Einstellungsgröße und –perspektiven sowie von Raum, Licht und Farben usw. muss

stets die bildstrukturierende Funktion der Musik bedacht werden. Dialoge und

Geräusche sind in Videoclips eher selten, jedoch ist zu beachten, dass der Songtext

sehr wohl Dialogform haben kann, die dann im Video umgesetzt werden kann.

Ebenso ist es möglich, dass die Musik Geräusche enthält oder nachahmt. Es können

sich im Videoclip auf allen drei Ebenen Leitmotive zur Stimmungserzeugung finden

lassen, sowohl im Zusammenspiel von Bild, Text und Ton oder auch nur auf einer

der Ebenen.

7.1.5. Analyse der Normen und Werte

Faulstich listet folgende Möglichkeiten der Analyse von Normen und Werten im

Rahmen einer Produktanalyse auf: die film- oder literarhistorische, die biografische,

die soziologische und die genrespezifische Filminterpretation196.

Für die Musikvideoanalyse scheinen diese Kategorien prinzipiell ebenso brauchbar

zu sein, so ist es denkbar die mediale Wechselwirkung von Musikvideo und Film

bzw. (Musik-)Fernsehen videocliphistorisch zu interpretieren, eine biografische

Analyse kann z.B. bezüglich einer Künstlerbiografie, dem Werdegang von

InterpretInnen oder in Form einer Werkschau einzelner RegisseurInnen erfolgen.

Eine genrespezifische Videoclipinterpretation gestaltet sich eher schwierig, da

zunächst die Anwendung und Perspektive des Genrebegriff auf Musikvideoclips

geklärt werden müsste.

Die von Faulstich vorgeschlagene soziologische Interpretation mit Rekurs auf

gesellschaftliche Themen und dem Fokus auf die thematisierten gesellschaftlichen

Strukturen zum Zeitpunkt der Entstehung197, ist für die Musikvideoclipanalyse jedoch

nicht mehr aktuell. Der Analyseschritt der soziologischen Filminterpretation soll in der

vorliegenden Arbeit aus wissens- und kultursoziologischer Perspektive in Form des

Deutungsmusteransatz auf die Bild- und die Textebene von Musikvideoclips erfolgen.

Die Tonebene muss in der Analyse aus arbeitsökonomischen Gründen

unterrepräsentiert bleiben und soll daher als Desiderat behandelt werden.

196 vgl. Faulstich 2002, S.159f 197 vgl. ebd., S.193ff

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7.2. Bild(er)- und Film/ Videointerpretation als struktural-hermeneutische Symbolanalyse

Als Verbindungsschritt zwischen Filmanalyse und Deutungsmusteranalyse dient die

von Müller-Doohm entwickelte Bildanalyse als struktural-hermeneutische

Symbolanalyse, da dieses Interpretationsschema es ermöglicht die Ebenen Bild und

Text zunächst getrennt von einander zu analysieren. Die Wahl der Bildanalyse statt

einer eventuell angemessener erscheinenden Methode zur Analyse laufender Film-

und Videobilder hat arbeitsökonomische Gründe. Vom Videoclip ausgehend werden

Textprotokolle erstellt, die mit Stills des Videos vervollständigt werden. Diese Stills

werden jeweils einzeln untersucht und am Ende wieder in eine Bildersequenz im

Sinne eines Films zusammengedacht.

7.2.1. Grundlagen des Ansatzes

Die Methode der Bildinterpretation als struktural-hermeneutische Symbolanalyse

geht davon aus, dass Bild und Text zwar zwei verschiedene Formen der

Repräsentation sind, ihnen aber die Funktion als Träger semantischer Gehalte

gemeinsam ist198. „Dieser kulturgeschichtliche und empirische Sachverhalt hat

methodisch die Konsequenz, dass die kultursoziologische Analyse solcher

Kommunikate, die visuelle und textuelle Darstellungsmittel kombinieren, ihrerseits

eine Kombination von Text- und Bildanalyse sein muss.“199 Bezüglich der Analyse

von Musikvideos ist die Einheit von Text und Bild (und Ton) von Beginn an zu

beachten, als Text zum Bild fungiert der Songtext, der quasi die Grundlage bzw.

Erklärung für das nachträglich entstandene Bild liefert. Die Gleichberechtigung der

Ebenen führt dazu, dass umgekehrt auch das Bild als Erklärung des Songtext

auftreten kann.

In der struktural-hermeneutischen Symbolanalyse sollen nun zum einen die

symbolisch vorhandenen Bedeutungs- und Sinngehalte interpretativ entschlüsselt,

zum anderen die Verfahrensweisen der visuellen Inszenierungen verdeutlicht

werden, die als Konnotationen in den Symbolisierungen vermutet werden.200 Dabei

wird von zwei Bedingungen ausgegangen: „Zum einen wird unterstellt, dass

198 vgl. Müller-Doohm 1997, S.84 199 ebd. S.84 200 vgl. ebd., S.91f

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hermeneutische und strukturelle Interpretationsweisen im Sinne einer Bedeutungs-

und Sinnanalyse miteinander verknüpft werden können. Zum anderen wird in diesem

Fragehorizont weder eine Eigensinnigkeit des Bildes, noch eine Privilegierung des

Textes hypostasiert. Das hat die methodische Konsequenz, dass die Symbolanalyse

sich auf die textuellen sowie auf die visuellen Elemente der Darstellung bezieht.“201

Die von Müller-Doohm entwickelte Text-Bild-Analyse ist in die drei Phasen

Deskription, Rekonstruktionsarbeit und Deutungsprozess unterteilt. So soll von der

Paraphrasierung der Bild-Text-Botschaften über die vertiefende Bedeutungsanalyse

des symbolischen Gehalts der Materialien zu einer theoriegeleiteten Deutung und

einer kultursoziologischen Interpretation gelangt werden. Die zunächst getrennt

betrachteten Elemente werden im Anschluss wieder relational zueinander

zusammengeführt. Auf strukturaler Ebene werden die syntaktischen Beziehungen

von Bild und Text dargestellt und in der darauf folgenden hermeneutischen

Interpretation die latenten symbolischen Sinngehalte verdeutlicht.202

Die Bildbotschaft ist nach Barthes zum einen als ‚nicht-kodiert’ zum anderen als

‚kodierte bildlich’ folglich als ‚symbolische Botschaft des Bildes’ zu verstehen. In der

Textbotschaft entspricht die denotative Bedeutung der ‚nicht-kodierten’, in der

konnotativen Bedeutung werden der latenten Textbotschaft Nebenbedeutungen

zugeschrieben, die sie für symbolische Botschaften zugänglich machen203.

7.2.2. Vorgehensweise in der Symbolanalyse

Das vorliegende Interpretationsverfahren basiert auf der Analyse von Einzelfällen, die

im Anschluss an die Symbolanalyse die Grundlage für die Deutungsmusteranalyse

bilden. Die Analyseschritte der Deutungsmusteranalyse werden später in einem

eigenständigen Kapitel erläutert. Für die Selektion der Einzelfälle nennt Müller-

Doohm folgende Analyseschritte:

201 Müller-Doohm 1997, S.95 202 vgl. ebd., S.99f 203 vgl. ebd., S.101

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1. Bildersteindrucksanalysen

a. Die Primärbotschaft (im Sinne einer ersten Botschaftsklassifikation)

b. Dargestellte Objekte und Personen

c. Verwendete markante Stilmomente

d. Primäre Inszenierungsmachart

2. Hypothetische Typenbildung

a. Auswertung der Ersteindrucksanalysen

b. Materialsichtung in der Forschungsgruppe

c. Familienähnlichkeiten

3. Typenbildung

a. Zuordnung des Gesamtmaterials zu den Typen

b. Auswahl eines Prototyps (diese enthält die meisten Merkmale der jeweiligen Klasse)

4. Einzelfallanalyse

a. Bild- und Textanalyse auf der Basis eines dreistufigen Interpretationsmodells204

Die Bildersteindrucksanalyse dient dem Finden sogenannter Familienähnlichkeiten,

die an Hand markanter Elemente oder Botschaften Klassentypen bilden, aus denen

wiederum die prototypischen Beispiele für die Einzelfallanalyse gewonnen werden.

Die Einzelfallanalyse ist der Kern der Bild-Text-Interpretation, sie untergliedert sich in

die drei Phasen Deskription, Rekonstruktion und kultursoziologische Interpretation205.

In der Deskription sollen jene Bild- und Textdaten erarbeitet werden, die für die

symbolischen Bild- und Textbotschaften bedeutsam sein können. Dies beinhaltet die

detaillierte Beschreibung der einzelnen Bildelemente, die präzise Darlegung von

Farben und Perspektiven, den Umfang und Stellenwert von Bild und Text zueinander

und deren räumliches und grafisches Verhältnis sowie die Verbalisierung der

ästhetischen Elemente.206 In der Rekonstruktionsanalyse geht es um „(...) ein

interpretatives Durchspielen von Bild-Textbotschaften im Sinne einer

hermeneutischen Einheitlichkeit dessen, was symbolischer Bild-Textgehalt genannt

wurde, und der als eine zweite Ebene der semantischen Referentialität von Bild und

Text deren symbolische Latenzstruktur ausmacht.“207 Dazu wird am Anfang eine

Bedeutungshypothese gebildet zu deren Überprüfung die Bedeutungen der

einzelnen Bild- und Textteile erst getrennt analysiert und danach im wechselseitigen

Verhältnis zu ihr betrachtet werden. Dabei müssen Unterschiede und alternative

Lesarten bezüglich der Gesamtbedeutung berücksichtigt bzw. aussortiert werden. 204 Müller-Doohm 1997, S.103 205 vgl. ebd., S.102f 206 vgl. ebd., S.103f 207 ebd., S.104

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Für die kultursoziologische Analyse werden die Bild-Text-Botschaften nach der

Rekonstruktionsanalyse wieder zusammengeführt. Hierbei wird jede einzelne

Bedeutungshypothese so lange interpretiert, bis erstens alle Bild-Text-Botschaften

bezüglich ihrer Bedeutungszusammenhänge erforscht sind, zweitens alle

unzutreffenden Bedeutungshypothesen ausgeschlossen sind und drittens ein

einheitlicher Bedeutungsgehalt aller Bild-Text-Botschaften entstanden ist.208 Auf

dieser Grundlage werden die symbolischen Bedeutungsgehalte in der

kultursoziologischen Interpretation „(...) so synthetisiert, dass sie als Ausdrucksform

von kulturellen Sinnmustern erscheinen.“209

Der folgende Leitfaden dient als Grundlage für Deskription und Rekonstruktion:

1. Bildelemente

• Objekt- und Personenbeschreibungen (das jeweils Dargestellte)

• Zusammenstellung der dargestellten Objekte (Personen wie Dinge)

• szenische Relationen und Zusammenspiel der Personen/Objekte

• Interaktionen und Relationen

• zusätzliche Bildelemente im Gesamtbild (z. B. Logos oder Detailaufnahmen)

2. Bildräumliche Komponenten

• Bildformat (auch von Bildern im Bild)

• allgemeinperspektivische Bedingungen: Vordergrund/Hintergrund, Fluchtlinien,

Perspektiven, planimetrische Bedingungen (Linien, Zentralität, geometrische Figuren,

Flächen, etc.)

• einzelperspektivische Anordnungen der Objekte

3. Bildästhetische Elemente

• Licht-Schattenverhältnisse

• Stilmomente/-arten (z. B. naturalistisch, künstlich, harmonisch, disharmonisch,

statisch, bewegt, ...)

• Stilgegensätze/ Stilbrüche

• grafische/ fotografische Praktiken (z. B. Filter, Perspektive, Bewegung, ...)

• Druckart, Druckträger

• Farbgebungen/ Farbnuancen

208 vgl. Müller-Doohm 1997, S.106 209 ebd., S.104

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4. Textelemente

• signifikantes Vokabular

• morphologische Besonderheiten (Akronyma, Rechtschreibänderungen, Assonanzen,

Reimschemata)

• Phraseologismen (stilistische Mittel, Anspielungen, immer wiederkehrende

Wortverbindungen wie z.B. ‚Nicht immer, aber immer öfter’)

• syntaktische Besonderheiten (Satztyp, Satzgefüge, grammatikalische Funktionen wie

Modus, Tempus, Interpunktion etc.)

• maßgeblicher Textstil (narrativ, informativ, rhetorisch)

• funktionale Satztypen

• Schriftarten, Ästhetik des Schriftbildes

• Sekundärinformation (Preise, Katalognummern u.a.)

5. Bild-Textverhältnis

• emblematische Verhältnisse (Überschrift, Bild, Text)

• Größenverhältnis von Text und Bild

• quantitatives Verhältnis von Text in der Anzeige

• Lokalisierung der Schrift

6. Bildtotalitätseindruck

• Gesamteindruck im Sinne eines ‚Stimmungseindrucks’210

7.2.3. Videoclipanalyse als Symbolanalyse

Für die Videoclipanalyse im Sinne einer Filmanalyse müssen die Ebenen Bild und

Text ebenfalls getrennt voneinander betrachtet werden. Film und Video ist dabei

gemeinsam, dass ein ikonischer Überschuss entsteht, der mit einer den Bildern

gerechten Methode herausgefunden werden muss. Bei einer getrennten

Untersuchung von Filmtext und Filmbild erkennt man den optischen Überschuss des

Bildes, da der erzählten Geschichte Bilder hinzugefügt werden. Eine

Bildwissenschaft des Films, die sich in dieser Hinsicht für die Analyse von

Musikvideos eignet, da sie sowohl Filmtext als auch Filmbild würdigt existiert jedoch

noch nicht211. Für die Analyse von Musikvideoclips lässt sich der oben erläuterte

Leitfaden nach Neumann-Braun folgendermaßen anpassen:

210 vgl. Müller-Doohm 1997, S.105f 211 vgl. Kerscher; Richard 2003, S.204f

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a. Elemente des (stehenden) Bildes (Printbild oder Stills aus Clips): Bildbeschreibung,

visuelle Merkmale wie: Personen, Szenen, Kleidung, Körper, Objekte, Farben usw.

b. Bildräumliche Komponenten: z.B. Bildformat, Perspektiven usw.

c. Bildästhetische Komponenten: z.B. Licht-Schatten-Verhältnis, Farbgebung,

Stilelemente usw., aber auch: technisch-mediale Konstruktionselemente: Close-up, Totale,

Einstellungsgröße, Beleuchtung, Blenden, Effekte

d. Laufende Bilder (Clip(-sequenzen), Spot): Konstruktionsprinzipien der Narration resp..

Assoziation; Elemente: Personenkonstellationen, Handlungsstränge, Story, Motive usw.

e. Intermedialität resp. –textualität: Referenzen auf andere Medien und

Mediensymboliken resp. Sozialstilistiken usw.

f. Textelemente (= Schrift in Anzeigensujet oder im Clip/Spot): Beschreibung und erste

Interpretation

g. Musik/ Song (= Ton und Text eines Musikstücks): Beschreibung und erste

Interpretation

h. Bild-Text-Ton-Verhältnis

i. Gesamtinterpretation: Bild-/ Clip-/ Spot-Totalitätseindruck: Gesamteindruck im Sinne

eines „Stimmungseindrucks“ auf der Grundlage einer Synopse der bisherigen Teilergebnisse

aus (a) bis (h) – unter besonderer Berücksichtigung von Bedeutungslatenzen.

7.3. Deutungsmusteranalyse

Mit den Ergebnissen der Analyse der Handlung, der Figuren und der Bauformen in

der Filmanalyse und den Ergebnissen aus der Symbolanalyse ist die Grundlage für

die Deutungsmusteranalyse gegeben. Im folgenden Kapitel soll zunächst geklärt

werden, was unter einem soziologischen Deutungsmuster verstanden werden kann,

im Anschluss wird die Deutungsmusteranalyse als Variante der Analyse von Normen

und Werten im Sinne der soziologischen Filminterpretation erläutert.

7.3.1. Wissenssoziologische Grundlage

In der Hermeneutik wird die Sozialwelt ähnlich einem Text behandelt, sie ist ‚lesbar’

und traditionell als eine Auslegung von Zeichen zu verstehen, die auch den

Verstehensprozess selbst reflektiert. In der wissenssoziologischen Hermeneutik wird

das ‚Sinnkleid’ der Welt in sozialen Handlungen erzeugt und durch soziale

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Verstehensprozesse zugänglich gemacht. Die neuere wissenssoziologische

Hermeneutik geht auf die ‚objektive Hermeneutik’ Ulrich Oevermanns zurück, die im

Unterschied zur traditionellen Hermeneutik nicht den subjektiven Sinn der

Handelnden untersucht, sondern die latenten Sinnstrukturen durch objektives

Verstehen aufzuzeigen versucht212. „Die Hermeneutik zielt also nicht nur auf

Verstehen allgemein, sondern auch darauf, wie Handlende im Alltag sich verstehen.

Dazu betrachtet sie Handelnde als Produzenten von Texten oder

Ausdrucksformen.“213 Das gesellschaftlich vorstrukturiert vorhandene Wissen wird an

Hand der jeweiligen, persönlichen Situation ausgelegt, angewandt und mit

Handlungen verbunden, wodurch es eine Form der Verwirklichung erfährt und

existent wird und bleibt. Der soziale Kontext dem der Text entstammt steht in der

wissenssoziologischen Hermeneutik im Vordergrund214. Der Deutungsmusteransatz

gründet somit auch auf dem Aspekt der Konstruktion und der Veränderung von

gesellschaftlichem Wissen und der Frage: „Wie ist es möglich, dass subjektiv

gemeinter Sinn zu objektiver Faktizität wird?“215

7.3.2. Der Deutungsmusteransatz

Die Konzeption von Deutungsmustern geht auf die Annahme Ulrich Oevermanns

zurück, dass Handlungsprobleme in verallgemeinerter Form vorliegen und ihre

Lösung bzw. Überwindung einer Deutung bedarf, die nicht in jeder neuen sozialen

Situation ebenso neu erzeugt werden kann. Vielmehr wird in der Theorie der

Deutungsmuster von der Existenz und Etablierung fixer und voreingerichteter

Interpretationsmuster ausgegangen auf deren Basis Problemlösungen erfolgen

können bzw. Problemen oder Krisen vorgebeugt werden kann. Auf Grund des

Erprobens und Standhaltens in entsprechenden Situationen über längere

Zeitspannen hinweg, müssen sie dann nicht mehr wiederholt oder neu bedacht

werden216. Deutungsmuster stützen sich so auf eine Tradition der

Sozialisationspraxis, in der den objektivierten Handlungsproblemen gemeinschaftlich

gesicherte, in lebensweltlichen Kontexten verankerte und daher routinisierte

212 vgl. Knoblauch 2005, S.176ff 213 ebd., S.180 214 vgl. ebd., S.180f 215 Berger; Luckmann 1996, S.20 216 vgl. Oevermann 2001, S.38

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Deutungsmuster zur Lösung gegenüber stehen217. Sie können somit als stereotype

Sichtweisen und Interpretationen verstanden werden, die auf Grund der alltäglichen

Interaktionen und Handlungen in einer sozialen Gruppe vor einem

lebensgeschichtlichen Hintergrund entwickelt werden. Auf diese Weise stellen

Deutungsmuster einen Vorrat an Orientierungen und Rechtfertigungen von

Alltagswissensbeständen dar, mit deren Hilfe Maßstäbe in Form von Interessen und

Werten für individuelles Handeln generiert und kommuniziert werden können. „Als

solche Muster müssen sie (i) vor allem einen hohen Grad der

situationsübergreifenden Verallgemeinerungsfähigkeit besitzen, (ii) sich in der

Unterdrückung bzw. Auflösung potentieller Krisen bewährt haben und (iii) angesichts

der von daher erforderlichen Anwendbarkeit auf eine große Bandbreite konkret

verschiedener Handlungssituationen einen hohen Grad von Kohäsion und innerer

Konsistenz aufweisen.“218

Die Wirkungsweise von Deutungsmustern entspricht dabei nicht den unbewussten

Motiven der Psychoanalyse, sie haben zwar eine relative Latenz, sind den

Handelnden aber zumindest teilweise bewusst219. Deutungsmuster sind zu dem von

anderen Begriffen der Bewusstseinsformationen wie Meinungen, Einstellungen,

Ideologien, Interessen, Motiven, Habitusformationen, Lebensstil usw. zu

unterscheiden220. Im soziologischen Verständnis sind sie dem Wissensbegriff

zuzuordnen, „[A]ber sie sind nicht ein abfragbares, bewusst verfügbares Wissen,

sondern ein implizites oder eben ‚schweigendes’ bzw. ‚stummes’ Wissen (‚tacit

knowledge’).“221 Eine Deutung bezieht sich immer auf Repräsentationen von Welt,

die objektiv gegebene Realität ist empirisch aber nur über ein sie repräsentierendes

Wissen vermittelbar. Für die Analyse eignen sich daher insbesondere von der „(...) zu

untersuchenden Lebenspraxis selbst erzeugte, recherchierbare und nicht vom

Sozialforscher selbst erst zu erhebende Ausdrucksgestalten (...).“222 Was letztendlich

unter einem Deutungsmuster verstanden werden kann, hängt jedoch auch von der

Fragestellung, dem Analysegegenstand und dem verfügbaren Material ab223.

217 vgl. Oevermann 2001, S.36f 218 ebd., S.38 219 vgl. Ullrich 1999, S.430 220 vgl. Oevermann 2001, S.41ff 221 ebd., S.51 222 ebd., S.53 223 vgl. Lüders 1991, S.379

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7.3.3. Das sequentielle Vorgehen bei der Analyse soziologischer Deutungsmuster

Die Deutungsmusteranalyse bringt zwei Vorteile mit sich: erstens verzichtet sie in

ihrem Konzept auf eine Zuordnung zur Handlungs- und Systemebene, zweitens

werden Handlungsorientierungen nicht a priori festgelegt, sondern als vielschichtig

verstanden224. Daher wird sie vor allem in der hermeneutisch orientierten Forschung

als rekonstruktive Methodologie angewandt. Für die basalen Verfahrensregeln der

Deutungsmusteranalyse existieren zahlreiche Varianten225. In der Datenerhebung

und –auswertung empfehlen sich im Sinne des Totalitätsprinzips der objektiven

Hermeneutik jedoch nicht-standardisierte Verfahren, da diese es ermöglichen die

Oberfläche der expliziten Daten zu durchbrechen und die impliziten Vorannahmen

auch ‚tiefenstrukturell’ zugänglich zu machen226. Im Sinne einer dialektischen

Methode sind rekonstruktionslogische Verfahren subsumtionslogischen vorzuziehen,

da sie nicht das Ziel haben durch Operationalisierung den Umfang der Daten zu

reduzieren und nur einen Teil der Realität zugänglich zu machen. Vielmehr sollen die

vorangehenden Vermutungen an das Datenmaterial durch die Auswertung aller

Details und den Verzicht auf vorgewählte Klassifikationen wiederlegt werden

können227.

Die empirische Grundlage für die Deutungsmusteranalyse bildet das in der

Handlungsanalyse erstellte Filmprotokoll. Das zu untersuchende Musikvideo wird in

Bildersequenzen unterteilt, aus der jeweils exemplarische, möglichst repräsentative

Stills ausgewählt werden. Die Analyse der Stills erfolgt an Hand des zuvor

dargestellten Leitfadens zur Videoclipanalyse.

Die Analyse von Deutungsmustern erfolgt in der Tradition der objektiven

Hermeneutik in einzelnen Sequenzen, der Maßstab für den Abgleich von

Konsistenzen und Inkonsistenzen wird dabei aus dem Datenmaterial selbst bezogen.

Die Rekonstruktion von Deutungsmustern ist somit von der Fragestellung und dem

Material abhängig, an Hand des vorliegenden Falles muss durch empirische Analyse

und Fallvergleiche auf die Deutungsmuster geschlossen werden228. Es ist daher

wesentlich, innerhalb der Kontexte der zu rekonstruierenden Handlungen und

Strukturen und in Bezug auf das vorhandene Material von der Forschungsfrage

224 vgl. Ullrich 1999, S.430 225 vgl. Lüders 1991, S.378 226 vgl. Oevermann 2001, S.60ff 227 vgl. ebd., S.64ff 228 vgl. Lüders 1991, S.384f

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ausgehend sinnvolle Lesarten zu bilden. In der Sequenzanalyse werden die Texte

schrittweise, ohne Einbezug von Wissen über den vorliegenden Fall und in der

Reihenfolge ihres Auftretens gedeutet. Eine unvoreingenommene Haltung und die

Ausblendung etwaiger Kenntnis des Inhalts der folgenden Sequenzen ist dabei

äußerst wichtig229.

Im ersten Schritt der Analyse werden an Hand des Interaktionsprotokolls für die erste

Einheit möglichst viele Lesarten entwickelt und in einem zweiten Schritt

ausformuliert. Je mehr Lesarten hierbei gefunden werden, desto ausführlicher lässt

sich der mögliche Handlungsraum darstellen und das Interaktionsmuster in der Folge

explizieren. Zum Abgleich der Lesarten mit allgemein gültigen Handlungstypen muss

dabei stets eine Normalitätsfolie konstruiert werden, d.h. eine Formulierung jener

universeller Regeln, welche die Normalität für das jeweilige Interaktionssystem

darstellen und sichern. Im dritten Schritt wird unter Bezugnahme zum tatsächlichen

Kontext überprüft, welche der Möglichkeiten empirisch gewählt wurde230.

Dieses Vorgehen wird nun an der nächsten Sequenz ebenso angewandt, wobei

hierfür gilt, dass die gültigen Lesarten der ersten Einheit die der folgenden zweiten

einschränken, gültig sind nur die kompatiblen Lesarten. Auf diese Weise werden in

jeder neuen Runde Lesarten selektiv ausgeschlossen und die Fallstruktur geschärft,

die Sequenzanalyse endet mit dem Generieren einer für den Gesamtkontext

zutreffenden Lesart.231

Für das sequentielle Vorgehen in der Deutungsmusteranalyse schlagen

Lüders/Meuser folgende drei Schritte vor:

1. Bestimmung der Analyseebene und die Festlegung der Fälle, d.h. welches

Deutungsmuster soll an Hand welcher Fälle rekonstruiert werden. Danach wird die

Grobstruktur des Falls betrachtet, d.h. der Handlungskontext der Entstehung des

Materials/Dokuments wird geklärt;

2. Sichtung und Ordnung des vorliegenden Materials mit dem die Interpretation

begonnen werden soll, d.h. der äußere Kontext, bzw. die konkreten

Interaktionsbeziehungen werden analysiert;

3. sequentielle Feinanalyse der einzelnen Interakte vor dem Hintergrund der

Forschungsfrage, d.h. es sollen mögliche, aus den vertexteten Äußerungen lesbare

Deutungsmuster entworfen werden und an Hand der Folgesequenz(en) überprüft,

229 vgl. Reichertz 1997, S.42f 230 vgl. ebd., S.44f 231 vgl. ebd., S.45f

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verworfen oder beibehalten werden. So sollen willkürliche, nicht überprüfbare

Interpretationen verhindert werden232.

Großen Datenmengen müssen für eine Deutungsmusteranalyse zunächst auf

forschungsrelevantes Material und anschließend bezüglich des zeitlichen Rahmens

der Durchführbarkeit reduziert werden. Dabei ist wichtig, dass es sich um eine

exemplarische Auswahl und nicht um einen repräsentativen Querschnitt handelt233.

Im Falle der Konkurrenz mehrerer Deutungsmuster liegt die Anfertigung einer

Typologie nahe. Hierbei stellt man einen kontrastiven Vergleich auf Ebene der

Sequenzanalyse und bezogen auf den Materialkorpus her. Die interne Konsistenz

eines Deutungsmusters wird dann durch das gleichartige Auftreten von Themen in

einem Typus gestärkt und die Gültigkeit der gesamten Typologie bestätigt234.

232 vgl. Lüders; Meuser 1997, S.69ff 233 vgl. ebd., S.71ff 234 vgl. ebd., 1997, S.74

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8. Analyse ausgewählter Musikvideoclips

Im nun folgenden empirischen Kapitel der Arbeit werden zwei, aus dem Korpus

ausgewählte Musikvideoclips an Hand des erläuterten methodischen Vorgehens

beispielhaft analysiert. Das erste Analysebeispiel ist der Videoclip zu ‚Everybody

(Backstreet’s back)’ der Boyband Backstreet Boys, als zweites Beispiel wird der Clip

zu ‚Aisha’ der Gruppe Death In Vegas bearbeitet.

8.1. Backstreet Boys – ‚Everybody (Backstreet’s Back)’ Regie: Joseph Kahn, Jahr: 1997, Dauer: 4:45min

Die Backstreet Boys sind eine der kommerziell erfolgreichsten Boygroups aller

Zeiten, wie bei allen Boybands bilden drei wesentliche Elemente dafür die

Grundlage: 1. das mit Musik verbundene, junge und sexy Auftreten der Boys; 2. ein

kompetenter Manager, der das Image nach ökonomischen Kriterien gestaltet und

verkauft; 3. eine Unmenge an Merchandising-Artikeln jeder Art. Diese Konstellation

zeugt von einer hohen internen Abhängigkeit, keines der Elemente kann ohne das

andere bestehen.235

Die Kriterien für die Mitgliedschaft in einer Boyband sind zunächst das Aussehen,

dann die tänzerischen Fähigkeiten und erst dann die gesanglichen Qualitäten, das

Talent ein Instrument zu spielen ist nebensächlich. Das grundlegende Kriterium ist

dabei letztendlich nicht die Qualität der Band oder der für sie geschriebenen Musik,

sondern ihr Marktwert.236 Dem Musikvideoclip kommt dabei eine ganz entscheidende

Rolle zu, denn er eignet sich wie kein anderes Medium zur visuellen Vermittlung der

Eigenschaften und des Images einer Boybands in Verbindung mit dem beworbenen

Produkt des Songs bzw. dem Produkt der Boygroup selbst. Daher werden in

Boygroup-Videos die Mitglieder oftmals abwechselnd in vermeintlich privaten und

öffentlichen Szenen gezeigt, welche die ihnen zugeschriebenen Attribute optisch

unterstützen. Der Fokus wird dabei oftmals auf den Star als Performer gelenkt,

künstlerische Potentiale von Song und Videoclip sind häufig reines Beiwerk zur

Präsentation des Stars.237

235 vgl. Hauk 1999, S.20 236 vgl. ebd., S.14f 237 vgl. ebd., S.232f

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Der Song ‚Everybody (Backstreet’s back)’ war die erste Single aus dem zweiten

Album ‚Backstreet’s back’ der Backstreet Boys und wurde in Europa am 05.August

1997 und in den USA am 31.März 1998 veröffentlicht. Die Single ist eines der

bekanntesten und erfolgreichsten Lieder der Backstreet Boys, sie war in fast allen

europäischen Ländern in den Top 5-Single-Charts vertreten. Der Song wurde ebenso

wie das dazugehörige Video in zwei unterschiedlich langen Versionen, eine für den

US-Markt und eine für den europäischen Markt produziert.238

Bei dem Video zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ führte der Amerikaner Joseph

Kahn (*1972)239 Regie. Kahn begann zunächst als Ein-Mann-Unternehmen mit wenig

Budget Musikvideos für eher unbekanntere KünstlerInnen aus dem Hip-Hop-Genre

zu drehen, bevor er 1995 durch den Wechsel nach Los Angeles die Möglichkeit

erhielt auch für größere Musik-Acts tätig zu werden.240 Das Video zu ‚Everybody

(Backstreet’s back)’ war eine der ersten international erfolgreichen Arbeiten von

Kahn, es zeigt zugleich den poppigen, teilweise comic-haften und von hoher

Schnittfrequenz geprägten Stil Kahns, der auch in seinen neueren Werken erkennbar

ist.

8.1.1. Filmanalyse

Handlungsanalyse

Im Video zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ stranden die Backstreet Boys nach einer

Autopanne auf einer verlassenen Burg, in der sie die Nacht verbringen während sie

auf Hilfe warten. Die unheimliche Atmosphäre dieser Burg beschert jedem der

Backstreet Boys einen ähnlichen Albtraum, in dem sie sich in verschiedene

Horrorgestalten verwandeln. Am nächsten Morgen erzählen sie sich von ihren

Träumen, in dem Moment, als sie den gruseligen Ort verlassen wollen, taucht der

abends aufgebrochene Busfahrer als Zombie wieder auf.

Der Videoclip verfügt mit der Ankunft auf der Burg und dem Zusammentreffen am

nächsten Morgen über eine Rahmenhandlung, in die das eigentliche Musikvideo im

Sinne der Übereinstimmung von Song und Bild als Traumsequenz eingebettet ist. Es

existiert also eine Geschichte in der Geschichte. Die erzählte Zeit erstreckt sich über

den Zeitraum vom Abend der Ankunft bis zum Morgen danach und hat somit eine

238 http://en.wikipedia.org/wiki/Everybody_%28Backstreet%27s_Back%29 239 http://en.wikipedia.org/wiki/Joseph_Kahn 240 http://www.josephkahn.com/biography/1103.xml?page=2

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längere Dauer als die Erzählzeit des Clips. Zu dem überlagern sich durch die

eingeschobene Traumsequenz die beiden Handlungsstränge des Albtraum mit dem

des Aufenthalts auf der Burg.

Dass es sich um eine Traumsequenz handelt wird durch das Zubettgehen und

Einschlafen von Brian verdeutlicht, der danach mit dem Beginn des Songs als

Werwolf ‚erwacht’. Danach werden alle weiteren Backstreet Boys einzeln und

inhaltlich unzusammenhängend an Hand ihrer Gesangsparts in ihren Settings

vorgestellt. Da sie sich ebenfalls in Horrorgestalten verwandelt haben, wird das Motiv

des Albtraums von Brian auf die restlichen Backstreet Boys übertragen. In den

gemeinsam gesungenen Refrains sind dann auch jeweils alle Mitglieder zu sehen,

jedoch in kürzeren Abständen als in den Strophen. Die Handlung verläuft in diesem

Muster entlang der Gesangsparts bis zu dem ruhigen Zwischenpart, der eine

inhaltliche Wende darstellt. Nachdem sich die verschiedenen Horrorfiguren immer

mehr innerhalb und auch außerhalb ihres ursprünglichen Settings bewegt haben,

kündigt ein Schild am Burgtor einen Tanzabend an. In der Folge sind die Backstreet

Boys nicht mehr als Horrorfiguren sondern in mittelalterlich anmutender Kleidung in

zivil zu sehen, zu ihnen gesellen sich einige, stilistisch ähnlich gekleidete Damen und

der Ball beginnt. Kurz darauf wandelt sich der klassische Balltanz in eine

Tanzperformance, welche die eingebettete Videoclipgeschichte und somit auch die

Albtraumerzählung beendet. Danach setzt wieder die Rahmenhandlung ein in dem

sich die Backstreet Boys in der Eingangshalle treffen und sich gegenseitig ihre

Albträume schildern. Als sie die Burg verlassen wollen, steht plötzlich der zum

Zombie mutierte Busfahrer im Eingangstor, die Rahmenhandlung und somit der

gesamte Clip enden mit den schreienden Backstreet Boys.

Der Horror wird also in beide Handlungsstränge eingebaut bzw. aus dem Traum

heraus in die als wirklich(er) erscheinende Rahmenhandlung transferiert. Dadurch

wird die vorangegangene Dekonstruktion des Horrors als Albtraum wieder

aufgehoben und das kurzzeitige Happy End wandelt sich in ein offenes Ende, der

Horror wird folglich nicht endgültig aufgelöst.

Die Rahmenhandlung ist nicht vollends Teil des Musikvideos, da sie noch nicht den

Song enthält. Die dadurch frei werdende Tonebene wird in der Rahmenhandlung für

Dialoge und zur akustischen Erzeugung von Horrorstimmung genutzt. Zunächst

erfährt man in dem panischen Durcheinander des Eingangsdialogs, dass die

Backstreet Boys zum wiederholten Male eine Autopanne haben, dass sie nicht an

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diesem Ort bleiben wollen, da er unheimlich ist und dass der Busfahrer sich auf den

Weg macht um Hilfe zu holen. Während des Dialogs steigert sich die Streichermusik

im Hintergrund und endet mit einem Tusch im Szenenwechsel. Schon zu Beginn wird

das Aufstoßen des Burgtors mit einem Tusch musikalisch verstärkt.

Das Ausgangsszenario ist damit typisch für einen Tennie-Horrorfilm oder auch einen

traditionellen Slasherfilm. Mehrere Jugendliche verirren sich an einen verlassen,

unheimlichen Ort oder müssen dort auf Grund von Komplikationen ausharren. Im

Verlauf ihres Aufenthalts werden sie mit der dort hausenden Bedrohung konfrontiert,

die sie unter Einsatz und Verlust ihres Lebens bekämpfen. Die Handlung des

Musikvideos selbst entspricht mit ihren Figuren jedoch dem klassischen Horror und

liefert mit dem Motiv des Albtraums eine ebenso klassische Erklärung. Mit Einsetzen

der Rahmenhandlung kehrt das Video wieder zu dem modernen Horror zurück. Statt

der erhofften Rettung erwartet sie der Zombie-Busfahrer, der zum einen eine

moderne Horrorfigur verkörpert und zum anderen orientiert sich seine Darstellung an

dem modernen Horrormotiv der Verwandlung eines vertrauten, möglichen Retters in

eine weitere Bedrohung.

Figurenanalyse

Die Backstreet Boys sind im Musikvideo zu ‚Everybody (Backstreet’s Back)’ in

doppelter Weise die Hauptfiguren: einerseits in der Rahmenhandlung als die Stars,

die sie sind und andererseits als die Horrorfiguren in der Albtraumerzählung.

In dieser Albtraumgeschichte werden die fünf Mitglieder der Reihe nach als

Verkörperung einer Kategorie der Typologie der klassischen Horrormythen in einem

dazugehörenden Setting vorgestellt: der Werwolf als Tiermensch, der Vampir und die

Mumie als Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind, das in sich gespaltene

Wesen Dr. Jekyll/Mr. Hyde als Doppelgänger und Erik, das Phantom der Oper, das in

seiner Maskierung als „(...) Geist der Musik (...)“241 auftritt. Das jeweilige Setting

verleiht den Horrorfiguren über ihre äußerliche Erscheinung hinaus eine

charakterliche Tiefe.

Die Vorstellung der Charaktere verläuft folgender Reihenfolge: Brian als Werwolf in

einem Schlafzimmer mit ausgestopften Tierköpfen, Howie als Vampir in einem Sarg

in einem Zimmer mit Bediensteten, A.J. als Phantom der Oper an einer üppigen

Festtafel mit gutgekleideten Frauen, Nick als Mumie in einem Sarkophag in einem

241 Seeßlen 1979, S.57

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Kellerraum oder einer Gruft und schließlich Kevin als Dr. Jekyll/Mr. Hyde in einem

Arbeitszimmer mit verschiedenen messer- und speerartigen Gegenständen an der

Wand.

Alle fünf Backstreet Boys sind prinzipiell gleichberechtigte Protagonisten des Videos,

auch wenn ihnen nicht die gleiche Anzahl an On-Screen-Minuten gewidmet wird, was

daran liegt, dass sich die Bildebene an den ungleich verteilten Gesangsparts der

einzelnen Boys in den Strophen orientiert. In den Refrains werden alle fünf

annähernd gleich oft und lange gezeigt, auch in der gemeinsamen Tanzszene am

Ende des Videos wird kein Fokus auf eines der Mitglieder gelegt.

Des Weiteren treten im Clip treten einige Nebenfiguren auf, die zumeist die Aufgabe

haben die Horrorfiguren oder ihre Umgebung genauer zu bestimmen. In der

Rahmenhandlung hat der Busfahrer die wichtigste Nebenrolle, da er einerseits für

das Zustandekommen der Ausgangssituation mitverantwortlich ist und andererseits

am Ende als finaler Träger des Horrors erneut auftaucht und die Geschichte dadurch

offen lässt.

In der Albtraumgeschichte kommen in Verbindung mit dem Vampir einige

Dienstmädchen vor, die ihn als Adeligen mit Angestellten ausweisen. Eine wichtige

Nebenrolle spielt die Frau im roten Kleid, sie stellt das attraktive und wehrlose Opfer

der Vampirs dar und konstituiert ihn so einerseits als jagenden Blutsauger,

andererseits verkörpert sie die erotische Anziehungskraft des Vampirs. Dass ein

Vampir in Verbindung mit einem Opfer gezeigt wird ist außerdem für den logischen

Schluss notwendig, denn nur so kann der typische Biss thematisiert werden. Die

Frauen, die als Gäste die Tafel des Phantoms komplettieren haben eine ähnliche

Funktion, sie stellen eine exklusive Gesellschaft dar, die sich friedlich im Luxus mit

dem vermeintlichen Monster umgibt. Die Tänzerinnen in der Schlussszene sind

zunächst notwendiger Teil des veranstalteten Ballabends, in der Folge haben sie

aber nur noch eine rein choreografische Funktion, in dem sie die abschließen de

Tanzszene abrunden.

Die Figurenkonstellation der Backstreet Boys unterscheidet sich mit ihrer

Persönlichkeit. So sind sie als Horrorfiguren je einzeln zu sehen, als sie selbst in

Prolog und Epilog und in ihrem mittelalterlichen Tanzoutfit sind sie gemeinsam zu

sehen. Rein äußerlich durchlaufen die Backstreet Boys somit eine

Persönlichkeitsveränderung, die aber durch den offensichtlichen Charakter eines

Traums unbedeutend erscheint.

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Als Mitglied einer Boyband befindet sich jeder der Backstreet Boys in einer

stereotypischen Boyband-Rolle, die er in der Öffentlichkeit spielt und die zugleich in

Differenz zu der privaten, quasi nicht-medialen Person jedes einzelnen steht. Im

Videoclip existiert eine weitere Rollendifferenz, in dem jeder der Boys als

Schauspieler im Videoclip eine Horrorfigur verkörpert. Als die Stars, die sie sind

stellen sie sich in der Rahmenhandlung als sich selbst dar und in der Erzählung in

dieser Rahmenhandlung stellen sie wiederum als Schauspieler Horrorfiguren dar. Es

liegt die Vermutung nahe, dass sich die stereotypischen Boyband-Rollen in den

Eigenschaften der jeweils verkörperten Horrorfigur wiederfinden lassen.

Durch die Verknüpfung narrativer und performativer Elemente im Videoclip nehmen

die Backstreet Boys nicht ausschließlich Schauspielerrollen ein, da sie ihren Song als

sowohl als Horrorfiguren als auch in zivil performen, es kann daher eher von einer

Verkleidung gesprochen werden. Die Rollengrundlage der Backstreet Boys als

Popstars bleibt also auch in ihrer Verkörperung von Horrorfiguren erhalten, sie dürfen

sozusagen nicht aus eben jener Popstarrolle fallen. Als Boyband müssen sie ebenso

wie ihr Song im Popbusiness als Produkt vermarktbar und für ihre Fans als Popstars

verstehbar bleiben.

Analyse der Bauformen

Bei dem Videoclip zu ‚Everybody (Backstreet’s Back)’ der Backstreet Boys handelt es

sich um eine Kombination aus narrativem Clip und Performance-Clip, die Gewichtung

der beiden Clip-Arten ist relativ ausgeglichen. Das Musikvideo lässt sich strukturell in

Prolog, Vorstellung der einzelnen Charaktere mit entsprechenden Settings,

Tanzperformance und Epilog einteilen.

Wie bereits erläutert wird im Prolog zunächst eine unheimliche Vorgeschichte erzählt

und die freie Tonebene genutzt, um durch musikalische Effekte diese unheimliche

Stimmung zu verstärken. Die Bildebene baut zu Beginn den Horror durch

stereotypische Artefakte wie ausgestopfte Tiere, Spinnweben oder Vollmond auf, ehe

mit dem Einsetzen des Lieds durch die Verkörperung klassischer Horrorfiguren das

eigentliche Horrorszenario beginnt.

Die Horrorfiguren werden in ihrer Inszenierung meistens erst in einer halbtotalen oder

halbnahen Einstellung gezeigt, so dass auch gleichzeitig das sie umgebende Setting

angedeutet wird. Es folgen einige kurze Großaufnahmen stereotypischer

Horrorartefakte, dann werden die Horrorfiguren aus dem Detail heraus, d.h.

73

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ausgehend von Großaufnahmen über Nahaufnahmen bis hin zu halbnahen

Einstellungen schrittweise in ihren Settings verortet. In späteren Einstellungen wie

beispielsweise in den Refrains werden wiederum die körperlichen Merkmale der

Figuren durch Groß- und Nahaufnahmen unterstrichen.

Die Farbgebung des Clips ist während der Performance des Songs durch die

Horrorfiguren recht dunkel gehalten, jedoch hat jede der Figuren dabei eine ihr

zugewiesene Grundfarbe: blau bei Werwolf und Vampir, gelb bei Phantom und

Mumie und grün bei Dr.Jekyll/Mr. Hyde.

Die Licht-Schatten-Verhältnisse sind dabei meist so konzipiert, dass durch sie die

individuellen, dem Horror entsprechenden Körpermerkmale der Figuren betont

werden. Die Schnitte sind bis auf wenige Ausnahmen hart und im Chorus besonders

schnell, generell wird dadurch in Kombination mit verschiedenen Einstellungen eine

Bilddynamik erzeugt, die auf den Rhythmus der Musik ausgerichtet ist. Das gilt

sowohl für die Präsentation der Horrorfiguren, als auch für die Tanzszenen. Lediglich

in Prolog und Epilog werden längere Einstellungen und weniger Schnitte verwendet,

da der Videoclip hier eine filmischere Form annimmt und sich die Wichtigkeit der

Aufmerksamkeit in der Rahmenhandlung auf die Tonebene verschiebt.

Die eigentliche Clipgeschichte wandelt sich in ihrem Verlauf von einem narrativen hin

zu einem rein performativen Clip, in den so die Gruppentanzchoreografie als das

basale Element des Boygroup-Videos integriert wird. Die Verbindung zu dem

vorherigen Geschehen wird durch mehrere Elemente gesichert: zum ersten durch die

Ankündigung des Tanzabends am Schlosszaun, zum zweiten durch das Ballsaal-

Setting, das ästhetisch in einer Reihe mit den vorangestellten Settings steht und

drittens durch die Backstreet Boys selbst, die durch ihr ziviles Auftreten eine

Verbindung zwischen Albtraumgeschichte und Prolog herstellen. Es folgen zwar

noch Einblendungen der Horror-Alter Egos, die Horrorgeschichte klingt aber schnell

und ohne narratives Ende mit den typischen Tanzchoreografien aus.

Mit dem Ende der Musik erfolgt der schlagartige Wechsel in die Rahmenhandlung,

der Horror wird zunächst aufgelöst, durch das Auftauchen des Zombie-Busfahrers

aber auch relativ schnell wieder aufgegriffen und in ein offenes Ende übergeleitet.

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8.1.2. Symbolanalyse

Bildebene

Für die Symbolanalyse des Video ‚Everybody (Backstreet’s back)’ wurde die

Sequenz 13 ausgewählt. Im Song/Videoclip ist diese Sequenz gleichbedeutend mit

dem ersten Refrain, in dem alle Mitglieder der Band einen Gesangspart und somit

ebenfalls einen Auftritt im Videoclip haben.

Sequenz 13, Still 1

Bildbeschreibung: Es ist ein Mann in dunkler Kleidung und einem Hut zu sehen, man

kann nur seine linke, bleiche Gesichtshälfte erkennen, der Mund ist geöffnet. Die

Arme hält er nach vorne, leicht nach oben vom Körper weg, seine Zeigefinger sind

ausgestreckt. Hinter ihm befindet sich ein brauner, geschlossener aufrecht stehender

Sarg. Rechts und links neben dem Sarg steht jeweils eine Frau. Die Frauen haben

beide zurückgebundene Haare und tragen schwarze Kleider mit einer weißen

Schürze. Alle drei Personen blicken direkt in Richtung der Kamera. Am linken

Bildrand ist ein Tablett mit einer Karaffe oder einem Krug zu erkennen. Der

Hintergrund ist dunkel, links hinter der Frau ist ein heller Vorhang zu erkennen.

Bildräumliche Komponenten: Der Mann befindet sich in der Bildmitte und im

Vordergrund, die Frauen und der Sarg im Hintergrund. Die Perspektive ist eine

gerade Aufsicht, die Personen erzeugen jeweils eine senkrechte Bildachse, die

Gesichter befinden sich alle circa auf einer waagrechten Achse.

Bildästhetische Komponenten: Bei dem Bild handelt es sich um eine Nahaufnahme,

es ist insgesamt sehr dunkel gehalten. Der Mann im Vordergrund ist nur durch sein

hell betontes Gesicht zu erahnen, er bildet zusammen mit dem Sarg hinter ihm eine

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große, dunkle und einheitliche Fläche, zu der die Frauen mit den weißen Schürze in

einem farblichen Kontrast stehen. Die Bewegung seiner Arme erzeugt eine Dynamik

im Vordergrund, die Arme bilden einen Rahmen um den Sarg. Die Frauen stehen

auch dazu wieder im Kontrast, sie sind eher statisch und unscharf im Hintergrund

und am Bildrand. Das Licht erhellt nur punktuell den Hintergrund, das Bild wird durch

die Schattenverhältnissen konstituiert, die z.B. nur das Gesicht des Manns

hervorheben.

Rekonstruktion: Innerhalb des dunklen Bilds ist der Mann das Hauptmotiv, mit ihm

steht der Sarg als Gegenstand in Verbindung. Die dunkle Kleidung, der aufgerissene

Mund, die bleiche, blutleere Haut und der Sarg weisen den Mann als einen Vampir

aus. Sein Zylinder ist ein vornehmes, veraltetes Kleidungsstück, die beiden Attribute

adelig und alt lassen sich im Verständnis des Horrors mit dem Vampir als Teil des

gefallenen Adels in Verbindung bringen. Die Frauen im Hintergrund sehen

Dienstmädchen ähnlich, was im Sinne von Bediensteten und Herr ebenfalls auf Adel

hindeutet. Der Mann ist also ein aus dem Adel stammender Vampir, der jedoch für

seine Bediensteten keine Gefahr darzustellen scheint. Er macht Bewegungen in

Richtung Kamera, die Armhaltung ist aber nicht bedrohend, sondern eher

auffordernd oder herausfordernd.

Sequenz 13, Still 2

Bildbeschreibung: Zu sehen ist ein Mann, der am Ende eines Tischs steht, an der

rechten Seiten des Tischs sitzen zwei Frauen, links sitzt eine Frau. Der Tisch ist

festlich mit Kerzen gedeckt, in der Mitte steht eine Art Käseglocke oder ein silbernes,

geschlossenes Tablett, es befinden sich noch weitere kleine Gegenstände auf dem

Tisch. Alle drei Frauen sitzen seitlich zur Kamera, sie tragen Abendkleider und

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hochgesteckte Haare. Die Frau vorne rechts im Bild streckt ihren Arm nach etwas auf

dem Tisch aus. Der Mann schaut in die Kamera, er steht gerade und trägt vermutlich

einen schwarzen Frack und ein weißes Hemd. Seine linke Gesichtshälfte ist mit einer

silbernen Maske verdeckt, die Gesichtszüge sind nicht genauer erkennbar. Im

Hintergrund ist eine Art Geländer oder Fenster zu erkennen.

Bildräumliche Komponenten: Die Perspektive dieses Bildes ist eine grade Aufsicht.

Der Mann steht im Hintergrund, befindet sich aber zusammen mit dem Tisch in der

Bildmitte. Die Schale bzw. Käseglocke am unteren Bildrand ist im Vordergrund, so

auch die Frauen am Bildrand. Die Köpfe der Frauen liegen auf einer horizontale

Bildachse, der Körper des Manns auf einer Längsachse. Diese beiden Achsen treffen

sich auf Höhe der Brust des Manns. Hinter dem Mann ist der Hintergrund breite sich

der Hintergrund V-förmig und dunkel aus, auf Höhe der Köpfe der Frauen sind im

Hintergrund jeweils breite, helle Lichtstreifen. Die so erzeugte Tiefe des Raums lässt

ihn wie eine Art Saal oder Halle wirken.

Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich um eine halbnahe Kameraeinstellung.

Der Mann ist mit der dunklen Fläche im Bildhintergrund durch seine schwarze

Kleidung farblich verbunden. Die verschiedenen kleinen Farbflächen der

Gegenstände auf dem Tisch und die Frauen bilden im Vordergrund ebenso eine

Einheit. Die Licht-Schatten-Verhältnisse schaffen die Tiefe des Raums, gleichzeitig

halten sie die eigentliche Detailliertheit des Bilds im Verborgenen, die Gesichter und

die Gegenstände auf dem Tisch sind nur undeutlich zu erkennen. Der Kleidungsstil

und die Ausstattung des Raums ist der Zeit des 19.Jahrhunderts ähnlich.

Rekonstruktion: Die Kleidung der Personen, die reichlich gedeckte Tafel und die

restliche Ausstattung des Raum zeugen von Wohlstand und Luxus, in Verbindung mit

einer zeitlichen Einordnung in das 19.Jahrhundert ergibt sich das Bild einer adeligen

Gesellschaft. Der Mann scheint dabei der Gastgeber zu sein, die Frauen als seine

Gäste sind aber eher an der Gesellschaft bzw. dem Essen interessiert als an ihm.

Der Mann trägt eine Maske und einen Frack, er steht in die Kamera singend im

Hintergrund. In Verbindung mit dem phantastischen Horror weist alleine die Maske

den Mann als das Phantom der Oper aus. Sein somit halbverborgenes entstelltes

Äußeres, das ihn zu dieser phantastischen Figur macht, scheint für die Frauen kein

abschreckender Grund zu sein, sich mit ihm an einem, wenn auch abgeschiedenen

Ort zu umgeben. Die Festtafelszene symbolisiert materiellen Reichtum, Dekadenz

und das lockere Leben in Form des Vergnügens mit ‚leichten Mädchen’. Das

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verunstaltete Phantom steht in einem Kontrast dazu, allerdings kann hier das alte

Klischee der Steigerung der Attraktivität durch Luxus und Reichtums herangezogen

werden, d.h. der gezeigte Luxus kompensiert das scheußliche Äußere des

Phantoms, ohne dass man wüsste, woher im Unterschied zu der verarmten

Originalfigur diese Form des Luxus kommen könnte. Die Szene wirkt jedoch auch

relativ unbedrohlich, die Figur des Phantoms stellt also auch keine unmittelbare

Gefahr im Sinne des Horrors dar, sie ist mehr Symbol für den Ausgestoßenen,

Geächteten, der auf Grund seines Äußeren zum Mythos in der Tradition des

Monsters im Horror wird. Der Figur des Phantoms der Oper, als eine vom Leben an

der Oberfläche ausgeschlossene, ehemals adelige Person, wird durch den ihr hier

zugeschrieben Luxus andererseits eine gewisse gesellschaftliche Exklusivität

verliehen.

Sequenz 13, Still 3

Bildbeschreibung: Zu sehen ist ein Mann in einem grauen Anzug und weißem Hemd.

Der Mann hat kurze, dunkle Haare und trägt eine Brille und einen schwarzen Hut. Er

steht seitlich zur Kamera, sein Kopf ist nach links in Richtung Kamera gedreht, man

kann aber nur seine linke Gesichtshälfte erkennen. Sein linker Arm ist am Körper

angelegt, es ist nur sein Oberkörper sichtbar. Im Hintergrund hängen mehrere

Gegenstände an der Wand. In der Mitte eine Art Käfig, rechts und links

möglicherweise Messer, Speere, Dolche oder Macheten. Außerdem hängen an der

Wand drei Lampen oder Kerzenhalten, zwei links neben dem Mann und einer rechts

neben ihm.

Bildräumliche Komponenten: Die Perspektive ist eine gerade Aufsicht, der Mann

befindet sich in der Bildmitte und im Bildvordergrund. Der Hintergrund enthält die drei

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Lichtquellen, ist aber unscharf, die Gegenstände sind nur schemenhaft zu erkennen.

Das Licht links unten, der Kopf des Manns und das Licht rechts neben dem Mann

bilden eine diagonale Bildachse auf der auch die meisten und größten Gegenstände

im Hintergrund liegen. Der Speer links, die Gegenstände rechts und der Körper des

Manns bilden Längsachsen, die im Bild eine Symmetrie erzeugen an Hand der die

Person und die Gegenständen angeordnet sind. Der Hintergrund begrenzt den Raum

durch die abgeschlossen Wand.

Bildästhetische Komponenten: In einer halbnahen Einstellung wird das gesamte Bild

von der Farbe grün bestimmt, die sowohl den gesamten Hintergrund in

verschiedenen Abstufungen ausfüllt, als auch im Vordergrund in den Anzug und in

das Gesicht des Manns übergeht. Die dunklen Gegenstände und der Hut des Manns

bilden dazu kleinflächige Kontraste. Das Bild ist recht dunkel gehalten, der

Hintergrund und die rechte Gesichtshälfte des Manns werden durch die Licht-

Schatten-Verhältnisse undeutlich bzw. verdeckt. Die farbliche Gestaltung lässt den

Hintergrund trotz der vielen Gegenstände stimmig und einheitlich erscheinen.

Rekonstruktion: Der Mann wirkt ernst aber seriös, eventuell konzentriert, jedenfalls

gibt er nicht alles von sich Preis, denn er versteckt sich leicht in dem spärlich

beleuchteten Raum. Die Gegenstände sind nicht richtig erkennbar und lasse noch

keinen Schluss zu, wofür sie verwendet werden könnten, sie sehen aber nach

handwerklicher Verwendung oder einer Verwendung z.B. in der Natur, d.h. im Wald,

Dschungel usw. aus. Durch die Inszenierung bekommen die Gegenstände etwas

befremdliches und geheimnisvolles, der Mann wirkt ebenso leicht unheimlich, da er

nicht eingeschätzt werden kann. Allerdings macht er noch einen relativ ruhigen oder

beherrschten Eindruck, was aber auch täuschen könnte. Durch die Gegenstände und

sein Äußeres kann der Mann der Wissenschaft zugeschrieben werden, auch die

Betonung des Kopfs durch den Hut kann so verstanden werden. Der Hut verweist auf

den Kopf und in dem Fall auf das Gehirn und die geistige Anstrengung, Leistung,

Tätigkeit des Manns mit der die Gegenstände im Hintergrund dann in Verbindung

gebracht werden können. Das schummrige Licht, die undeutlichen Gegenstände und

die ernsten Gesichtszüge des Mann, die z.B. seine Augen nicht erkennen lassen,

machen insgesamt einen unheimlichen Eindruck. Somit wird das Thema

Wissenschaft in ein unheimliches Licht gerückt, es wird die möglicherweise vom

alltäglichen Leben abgehobene Expertise (natur-)wissenschaftlicher Wissenschaft

und ihrer Vertreter symbolisiert. Die Figur ist dann im Sinne des verrückten oder

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zumindest weltfremden, eigenbrötlerischen Forschers zu sehen, dem seine

Forschung im wissenschaftlichen Wahn zu entgleiten droht.

Sequenz 13, Still 4

Bildbeschreibung: Das Bild ist sehr dunkel, es ist lediglich ein hellgekleideter Mann

zu sehen. Er hält die Arme vom Körper abgewinkelt nach vorne, den Kopf hat er

nach oben gestreckt, seine Beine sind nicht mehr sichtbar. Die Kleidung sieht eher

Stofffetzen ähnlich, über der Brust trägt der Mann eine Art Gurt oder Riemen. Er

scheint sich gerade zu bewegen. Der Hintergrund ist kaum zu erkennen, rechts

neben dem Mann befindet sich ein Lichtfleck in dem eine Ziegelmauer zu erkennen

ist, links im Bild befindet sich eine Art Gitter, Tür oder Fenster.

Bildräumliche Komponenten: Der Mann wird aus einer geraden Perspektive gezeigt,

er ist in der Bildmitte und hebt sich von dem dunklen Hintergrund ab. Der Raum

scheint hinter ihm noch weiter in die Tiefe zu gehen, die Räumlichkeit wird hier aber

vor allem durch die farbliche Gestaltung erzeugt.

Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich um eine halbnahe Einstellung, die

Person wird in einem hell-dunkel-Kontrast klar vom Hintergrund abgehoben und ihre

Körperlichkeit somit betont. Das Licht hebt dabei nur die nötigsten Aspekte hervor,

zum einen die körperliche Erscheinung der Person und zum anderen nur in wenigen

Lichtspots zu erkennende Beschaffenheit des Raums.

Rekonstruktion: In diesem Bild ist die Körperlichkeit der Person ganz klar im Fokus.

Die helle, leinenartige oder auch einem Verband gleichende Kleidung der Person

lässt in der Symbolik des Horrors den Schluss zu, dass es sich um eine Mumie

handelt. Dafür spricht auch die Umgebung des dunklen Keller, Verlies oder der Gruft,

der Raum wirkt älter und abgeschieden was zum Mythos der Mumie passt, die

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Jahrhunderte lang unbedrohlich aber unheimlich wartet, bis sie aus einem

mystischen Grund wieder zum Leben erweckt wird. Zu dem ist hinter der Mumie auch

schemenhaft ein offener Sarkophag zu erkennen, aus dem sie sich gerade hinaus

bewegt. Ihre Bewegung ist dabei von großer symbolischer Bedeutung, denn die

Mumie ist schwerfällig. In diesem Bild kann man zumindest die Kopf- und

Armbewegungen der Mumie nachvollziehen, die vorgestreckten Arme sind dabei

typisch für das langsame Vorwärtskommen der Mumie.

Sequenz 13, Still 5

Bildbeschreibung: Auf dem Bild ist eine Person zu sehen, die in einen Mantel

gekleidet im Raum steht und ihre Arme von sich streckt, den Kopf hat sie in den

Nacken gelegt. Das Gesicht der Person ist nicht genau zu erkennen, die kurzen

dunklen Haare und der Ansatz eines Barts lassen vermuten, dass es sich um einen

Mann handelt. Rechts im Bild ist ein Fenster, draußen ist dunkelblauer, bewölkter

Himmel. Unterhalb des Fensters im Rücken des Manns befindet sich eine Art Kiste,

Truhe oder Sarg, daneben sind vor dem hellen Hintergrund zwei dünne Säulen oder

Pfosten zu sehen. In der linken Bildhälfte sind die vagen Umrisse einiger

Gegenstände erkennbar, ganz am linken Rand ist eine Art Anrichte oder Regalbrett

auf dem ein Tierkopf mit aufgerissenem Maul liegt.

Bildräumliche Komponenten: Das Bild zeigt eine gerade Aufsicht auf die Person, die

ebenso wie die beiden Pfosten eine senkrechte Bildachse schafft, zwischen diesen

Achsen wird die Kiste oder Truhe hervorgehoben. Der Mann ist zwar im

Bildvordergrund, verschmilzt aber durch die dunkle Gestaltung des Bilds mit dem

Hintergrund, in welchem der dunkelblaue Himmel im Fenster den geschlossenen

Raum nach draußen hin erweitert.

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Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich um eine halbnahe Kameraeinstellung,

die Person befindet sich in der Bildmitte. In dem farblich sehr dunklen und

schemenhaften Bild dominiert der helle Fensterausschnitt rechts im Bild. Er stellt

auch die einzige Lichtquelle dar, die den Raum durch Schatten strukturiert und das

meiste undeutlich im Dunklen lässt. Einzig die Truhe bzw. Kiste wird durch den

Lichteinfall hervorgehoben. Der leicht bläuliche Mantel des Manns verbindet ihn mit

dem dunkelblauen Himmel und hebt ihn zugleich farblich vom dunklen Hintergrund

ab.

Rekonstruktion: In diesem Bild finden sich eine Reihe von Horrorsymbolen, die den

dargestellten Mann als einen Werwolf kennzeichnen. Der Raum ist dunkel gehalten

und wirkt daher eher nebensächlich, wichtiger und betonter ist die relative helle

Nacht außerhalb des Raums. Der helle Nachthimmel lässt auf Vollmond schließen,

der ein Initiator für die Verwandlung zu einem Werwolf ist. Die Ausstattung des

Raums wird dabei nur angedeutet und bleibt so im geheimnisvollen Verborgenen, die

als einzige Gegenstand vollends zu erkennende Kiste könnte auch ein Sarg sein, der

ein Horrorsymbol ist, jedoch nichts mit einem Werwolf zu tun hat. Links im Bild

befindet sich ein ausgestopfter Bärenkopf, der im Horror sowohl das Tote als auch

das Tierische und Wilde symbolisiert. Letzteres steht in enger symbolischer

Verbindung zum Werwolfmythos, dessen animalische Wildheit durch den langen

Mantel des Manns zusätzlich zu der Umgebung somit auch an der Person

verdeutlicht und mit ihr in Verbindung gebracht wird. Die Körperhaltung des Manns

verbildlicht das stereotypische Heulen des Werwolf als Identifikation mit der

vollendeten Verwandlung, als Signal an Gleichgesinnte und als Warnung an die

Menschgebliebenen. Hinzu kommen der angedeutete Bart und die leicht ungepflegt

wilden Haare des Manns, die auch seinen Körper als den eines Werwolfs

kennzeichnen.

Textebene

Bei dieser Sequenz handelt es sich um den ersten Chorus des Lieds, der Text lautet

an dieser Stelle folgendermaßen:

‚Everybody (Yeah)/ Rock your body (Yeah)/ Everybody/ Rock your body right/

Backstreet's back alright/ Alright’.

Der Songtext wirkt zunächst nicht besonders tiefgründig oder aussagekräftig.

Vielmehr kann er als eine an alle (‚Everybody’) gerichtete Aufforderung verstanden

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werden, den Körper wortwörtlich angemessen zu schwingen oder zu schütteln (‚rock

your body right’), da die Backstreet (Boys) zurück sind (‚Backstreet's back alright’). In

anderen Worten: Die Backstreet Boys richten sich mit diesen Zeilen an alle, die sie

hören, zumindest aber an ihre Fans und fordern sie auf mit ihnen zu tanzen und zu

rocken, aus dem einfachen Grund, weil die Backstreet Boys ein neues Lied haben,

mit dem sie wieder zurück im Pop-Business sind und mit dem sie ihre Fans nun

beglücken.

Der Text wird von allen Bandmitgliedern gesungen, das eingeworfene ‚Yeah’ immer

nur von einem der Boys. Es ist sozusagen die sich selbst gegebene Antwort oder

Bestätigung des Anrufens der Fans, die im Song selbst ja nicht zur Sprache kommen

können, höchstwahrscheinlich aber mit einem solchen ‚Yeah’ antworten würden.

Somit kann man diesen Text als reine Eigenwerbung, als Adressierung des

Publikums und Aufforderung zum Konsum des populärkulturellen Produkts der

Backstreet Boys-Single verstehen. Die Art und Weise diese Konsums bzw. die Art

wie man den eigenen ‚body’ ‚rocken’ soll ist den Fans dabei bereits bekannt und

bewusst und bedarf keiner genaueren Spezifikation.

8.1.2.1. Das Zusammenspiel von Bild und Text in ‚Everybody (Backstreet’s Back)’

Die Symbolanalyse verdeutlicht, dass auf der Bildebene entsprechend den fünf

Mitgliedern der Backstreet Boys fünf klassische Horrorfiguren konstruiert werden, die

jeweils in einem, für den Mythos stereotypischen Setting eingebettet inszeniert

werden.

Der Horror ist folglich auf der Bildebene manifest und zunächst auch nur dort

vorhanden. Neben ihrem Auftreten als Horrorfiguren geben sich die Backstreet Boys

durch das gleichzeitige Performen ihres Songs trotzdem und immer noch als die

Boygroup, die sie sind zu erkennen. Sie sind die Backstreet Boys, die ihren Song in

der Rolle diverser Horrorfiguren präsentieren, somit wird der Songtext im

Zusammenspiel mit dem Bild zunächst in eine rein performative Verbindung mit den

Horrormythen gebracht. Wenn überhaupt, dann entsteht erst in dieser Weise ein

Horror, der über die reine Narration auf der Bildebene hinaus geht.

Der Songtext ermöglicht auf Grund dieser Verbindung mit dem Bild einige Lesarten

im Sinne des Horrors. Der englische Terminus ‚to rock’ kann verschiedenste

Bedeutungen wie erschüttern, schaukeln, schwanken, schwingen, taumeln usw.

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haben, in Verbindung mit Horror kann dann eine Art Erschüttern oder Erschaudern

durch ein kurzes Erschrecken oder Aufschrecken auf Grund des Horrors gemeint

sein. Mit dem Zusatz ‚right’ ist es jedoch wahrscheinlicher, dass die ‚richtige’ Art des

Tanzens und Mitmachens bei der musikalischen Rückkehr der Backstreet Boys

gemeint ist, die wohl kaum eine schauderhafte oder schreckliche sein soll. Vielmehr

stellt der Horror auf der Bildebene in der Verbindung mit der Aufforderung des

‚rocken’ des eigenen Körpers eine Art neuen Anreiz dar. Die Backstreet Boys sind

zurück als verkleidete Horrorfiguren und fordern zum Mitmachen auf.

Das Motiv der Rückkehr der Band wird dabei durch die Verwendung von

Horrorfiguren gestärkt. Mit dem Vampir und der Mumie beinhaltet das Video zwei

untote Figuren, die von den Toten auferstanden zurückkehren, der Vampir, weil er

blutsaugend zwischen den Wesenszuständen wandelt, die Mumie, weil sie durch

Magie oder Fluch beschwört wird. Die Unsterblichkeit mancher Horrorfiguren dient

dann der Versinnbildlichung der immer wieder mit einem neuen Song

zurückkehrenden Pop-Boyband, die so lange unsterblich ist, so lange sie für

genügend ihrer Fans attraktiv bleibt und diese durch ihre Performances zum

Mitmachen begeistern und sie in ihrem Fan-Dasein bestätigen kann. Die Textzeile

‘Backstreet's back alright’ ist dann die von den wiederauferstandenen Backstreet

Boys selbst formulierte Bestätigung dessen.

Die Tonebene beinhaltet keine Elemente, die im Sinne des Horrors ausgelegt

werden könnten. Vielmehr sichern der eingängige Dance-Beat und die Melodie auf

der Bildebene die Existenz der angedeuteten, boygroup-spezifischen Tanzelemente.

8.1.2.2. Einordnung der Sequenz in den gesamten Videoclip

Bildebene

Bei diesem Video muss allerdings bedacht werden, dass die Inszenierung der

Horrorgeschichte auf der Bildebene durch keinerlei Aspekte des vorgegebenen

Songs bedingt wird. Der Songtext kann erst durch die nachträgliche Verbindung mit

der Bildebene des Videoclips auch auf Horror bezogen ausgelegt werden.

Die ausgewählte Sequenz ist dabei für die gesamte Horrorgeschichte des Videoclips

repräsentativ. Innerhalb der erläuterten Rahmenhandlung werden die Mitglieder der

Backstreet Boys als Horrorfiguren innerhalb ihrer Settings zunächst vorgestellt. Dabei

erfolgt die Vorstellung der Figuren an Hand der Gesangsparts der Backstreet Boys,

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das Video ist also von Beginn an eine Kombination aus Narration und Performance.

Zunächst wirken die Figuren noch recht statisch, der Fokus liegt auf der

Identifizierung der Horrorfiguren mit ihrer stereotypischen Umgebung, es wird also

vorerst der Horror bildlich inszeniert und das Lied performativ, allerdings nur singend

vorgetragen. Auf der Bildebene entsteht ab dem ersten Pre-Chorus und dem darauf

folgenden Chorus mehr Dynamik, da die Figuren ihre Gesangsperformance in den

mittlerweile etablierten Settings immer durch Bewegung ergänzen. Dafür gibt es zwei

ausschlaggebende Gründe: zum einen setzt im Pre-Chorus der Dance-Beat verstärkt

ein, das Lied steigert sich musikalisch zum Refrain hin, zum anderen handelt es sich

immer noch um einen Dance-Song einer Boyband, der im dazugehörigen Videoclip

traditionell nicht ohne entsprechende Tanzelemente auskommen kann. Was im

Verlauf des Videoclips auf visueller Ebene passiert ist also die Vermischung der

beiden tragenden Elemente dieses Clips: die Horrorerzählung und die

Tanzperformance. Der Prozess dieser Vermischung ist schleichend, er deutet sich in

den Bewegungen der einzelnen Figuren an, die dadurch teilweise entfremdet

werden. So tanzt Nick als Mumie später mit zwei weiteren Mumien, was dem

langsamen und schwerfälligen Charakter dieser Figur widerspricht, ebenso verhält es

sich mit Howie, der als tanzender Vampir konträr zu dem eigentlich anmutigen und

dezent ruhigen Wesen des klassischen Vampirs steht. Die drei restlichen Figuren

werden wenn auch in weniger gegensätzlicher Weise ebenso mit Tanzelementen

kombiniert.

Das Video wandelt sich nach dem zweiten Chorus zu einem reinen Tanzvideo, in

dem die Backstreet Boys erstens zwar in mittelalterlicher Kleidung, jedoch nicht in

Verkleidung ihrer Horror-Alter Egos auftreten und zweitens jungen Frauen zu einer

mehr oder weniger unerklärten Ballnacht eingeladen werden, die in eine

gemeinsame Tanzperformance übergeht mit der die Horrorerzählung schließt, die

darauf folgende Rahmenhandlung beendet schließlich den gesamten Clip.

Die Horrorsymbolik durchzieht dabei sowohl die Rahmenhandlung als auch die

Albtraumerzählung. In der Darstellung des Schlosses finden sich beispielsweise

Natursymboliken wie Vollmond, Nebel, Gewitter und die dunkle Nacht als

wahrnehmungsverzerrende Archetypen des Grauens wieder. Das dunkle,

abgelegene Schloss selbst ist ein klassischer Aufenthaltsort von Halbwesen, die

Fledermäuse deuten auf die Anwesenheit von Vampiren hin. Die verfallene, aber

ehemals luxuriöse Ausstattung der einzelnen Handlungsräume im Schloss verweist

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auf die gotischen Horrormotiv des Alten und des Halbwesens als Angehöriger des

verarmten, gefallenen Adels. So finden sich im Schlafzimmer des Werwolfs

Spinnweben und ausgestopfte Tierköpfe als Symbol für Alter, Verwesung und Tod,

im Setting des Vampirs symbolisiert dies der Sarg. Als Sinnbild von noch

vorhandenem Reichtum und Attraktivität lassen sich die Dienstmädchen, die den

Sarg des Vampirs umringen verstehen, im Setting des Phantoms wird diese

Thematik durch die festlich gedeckte, von Frauen umringte Tafel verdeutlicht. Im

Setting der Mumie symbolisieren die Gruft und der Sarkophag das Verdrängte und

das Alte bzw. Tote, der Ort des Kellers ist mit seinem dunklen, modrigen

Erscheinungsbild zudem als Sitz des Bösen oder als Symbol für den Abstieg in die

Untiefen menschlicher Ängste zu verstehen. Das Arbeitszimmer von

Dr.Jekyll/Mr.Hyde ist ein Sinnbild für den im Horror vorhandenen Zwiespalt der

Wissenschaft zwischen Segen und Fluch. Besonders symbolträchtig ist hier das

Verstecken des Wahnsinns hinter der Wissenschaft, angedeutet durch den vor den

Kopf gehaltenen Aktenkoffer. Das Animalische mancher Halbwesen ist ebenfalls

symbolisch eingearbeitet. So schlägt der Werwolf als Zeichen seiner unkontrollierten

Wildheit Flick-Flacks und der Vampir öffnet exhibitionistisch seinen Umhang aus dem

Fledermäuse fliegen. Der Epilog beinhaltet mit Brians Aufschrecken aus dem

Albtraum und dem ruckartigen sich Aufrichten im Bett das Albtraummotiv des Horrors

schlechthin.

Im Verlauf der Albtraumerzählung werden die Horrorsymbole immer mehr durch

Boygroup-Stereotype und hierbei besonders durch die Tanzelemente ersetzt bis sie

schließlich zum Ende der Traumsequenz hin verschwinden. Der darauf folgende

Epilog greift wiederum die aus dem Prolog bekannte Horrorsymbolik erneut auf und

schließt so den Bogen zum Beginn des Videos.

Textebene

Wie bereits in der vorangegangenen Symbolanalyse lässt sich auch der gesamte

Songtext als selbstbezogene Ansprache an die potentiellen Fans verstehen: Der

Text sagt aus, dass die Backstreet Boys mit der ersten Single ihres neuen zweiten

Albums zurück sind, dass die Fans keine Angst zu haben brauchen, dass die

Backstreet Boys irgendwann einmal nicht mehr zurück kommen könnten, zumindest

so lange es die Musik noch gibt. So lautete der Text am Ende des Lieds:

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‘So everybody, everywhere/ Don't be afraid, don't have no fear/ Gonna tell the world,

make it understand/ As long as there'll be music we'll be coming back again’

Dieser Text kann nur dann im Sinne des Horrors ausgelegt werden, wenn das Motiv

der Rückkehr (‚we'll be coming back again’) als die Rückkehr von den Toten oder

Vergessenen bzw. als Auferstehung oder als Unsterblichkeit verstanden wird. Alle

diese Metaphern benötigen den Glauben anderer an eine Existenz des Phänomens

Backstreet Boys respektive an die von Horrorwesen und den Willen des

Hinaufbeschwören anderer. In dem Fall zeugt die Zeile ‚As long as there'll be

music…’ davon, dass die Musik das Element der Beschwörung ist und die Fans

logischerweise der Grund des Wiedererwachens. Die Textzeile ‚So everybody,

everywhere, don't be afraid, don't have no fear’, die im Song den Fans die Angst

davor nehmen soll, die Backstreet Boys könnten irgendwann nicht mehr mit neuen

Songs zurückkehren, bekommt im Musikvideo durch die Verbindung mit der

Tanzszene im Ballsaal und den in zivil auftretenden Backstreet Boys eine weitere

Bedeutung. Den Fans als potentiellen ZuhörerInnen der erzählten Horrorgeschichte

wird in der Text-Bild-Kombination versichert, dass sie keine Angst zu haben

brauchen, dass es sich bei den Backstreet Boys etwa wirklich um Monster handeln

könnte.

Außer dem schon analysierten Text des Refrains, lassen sich im Songtext keine

weiteren Symbole des Horrors wieder finden. Die zweite Strophe steht ganz im Sinne

von Party, Spaß und Tanz:

‘Now throw your hands up in the air/ And wave 'em around like you just don't care/ If

you wanna party let me hear you yell/ 'Cause we've got it goin' on again’

Genau so verhält es sich auch zu Beginn mit der ersten Strophe, die wie folgt lautet:

‘Oh my God we're back again/ Brothers, sisters, everybody sing/ We're gonna bring

the flavor show you how/ I've gotta question for ya/ Better answer now’

Lediglich das bereits erläuterte Motiv der Auferstehung und Rückkehr ins

Popmusikbusiness in Verkleidung von Horrorfiguren kann durch die Zeile ‚Oh my

God we're back again’ erneut festgestellt werden.

Wie bereits erläutert, handelt es sich bei ‚Everybody (Backstreet’s back)’ um eine

Mischung aus Performanceclip und narrativem Clip, der Song wird von den

Backstreet Boys in Horrorkostümen dargeboten. Der Text lässt sich größtenteils nicht

dem Horror zurechnen, durch die Kombination mit dem Horror der Bildebene erhalten

nur vereinzelte Textstellen eine latente Horrorbedeutung. Betrachtet man den Text

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unter dem Gesichtspunkt, dass er von Horrorfiguren gesungen wird, so ist die Bild-

Text-Kombination im Pre-Chorus hervorzuheben. Der Text des Pre-Chorus besteht

aus den folgenden Fragen: ‘Am I original?/ Am I the only one?/ Am I sexual?/ Am I

everything you need?’ Übersetzt heißen diese Zeilen so viel wie ‚Bin ich echt?’, ‚Bin

ich der Einzige?’, ‚Bin ich sexuell attraktiv?’, ‚Bin ich all das, was du brauchst (dir

wünscht)?’. Diese Fragen sind zugleich auch jene Ansprüche, die von den Backstreet

Boys an ihr Publikum gerichtet werden, wiederum zur Absicherung ihrer eigenen

Existenz als attraktive, verehrte und in diesen Aspekten auch einzige Boyband im

Sinne einer Lebensnotwendigkeit für ihre Fans. Jede dieser Fragen wird von den

restlichen Backstreet Boys wie auch schon im vorher analysierten Beispiel

stellvertretend für die im Lied nicht anwesenden Fans mit ‚Yeah’ beantwortet. Der

Pre-Chorus wird abwechselnd von Nick und Brian bzw. den Horrorfiguren Mumie und

Werwolf folgendermaßen gesungen:

Nick als Mumie: ‘Am I original?

Brian als Werwolf: ‘Am I the only one?’

Nick als Mumie: ‚Am I sexual?’

Brian als Werwolf: ‘Am I everything you need?/ You better rock you body now’

Durch diese Kombination mit dem Bild erhalten diese gestellten Fragen durchaus

eine tiefgründigere Bedeutung, denn die Backstreet Boys erfragen sich bei ihrem

Publikum nicht einfach nur die Rechtmäßigkeit ihrer Existenz, sie erfragen diese als

Horrorfiguren. Die Backstreet Boys sind in diesem Video sogar als Mumie noch

immer die echten, ursprünglichen und attraktiven jungen Männer, sie sind für ihre

Fans auch als Werwolf die Einzigen und das Einzige, das diese in ihrem

musikalischen Leben benötigen. Die bedrohliche Horrorfigur wird durch den Text

somit als nichtbedrohliche Verkleidung eines Stars dekonstruiert und der Horror als

reiner Fülleffekt der Bildebene konstituiert.

Die Tonebene soll nicht gänzlich unerwähnt bleiben, ist sie doch im Prolog und

Epilog ein wesentlicher Träger der Stimmungserzeugung des Horrors. Sie enthält

zum einen nicht-diegetische Elemente wie die ansteigenden Streicherpassagen und

die bildunterstützenden Tusche, zum anderen diegetische Elemente wie das Knarren

des Tors, den Donner und Blitz, das Quieken eines Tieres, das Heulen des Werwolfs

Brian und nicht zuletzt den finalen Schrei der Backstreet Boys. Die Tonebene

übernimmt somit in der Rahmenhandlung dramaturgische Funktionen zur

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Inszenierung des Horrors, die durch den Wechsel zwischen Clipgeschichte und

Rahmenhandlung ermöglicht werden.

8.1.2.3. Die visuelle Funktion des Horrors in ‚Everybody (Backstreet’s Back)’

Da die Ebenen Bild und Text thematisch prinzipiell unverbundenen sind handelt es

sich auf visuell-funktionaler Ebene bei ‚Everybody (Backstreet’s back’) der Backstreet

Boys um eine narrative Ergänzung des Songtexts durch die Erzählung auf der

Bildebene. Die vereinzelten Textstellen, die nur nachträglich in Verbindung mit dem

Bild latent als Horrorreferenz gedeutet werden können, reichen nicht aus um als

verbildlichende Funktion zu gelten. Für den zweiten Teil des Videos, in welchem der

Horror verschwunden ist und nur getanzt wird kann dies sehr wohl gelten, jedoch

liegt der Untersuchungsfokus dieser Typologie auf der Form und Funktion der

Inszenierung des Horrors und nicht auf der Inszenierung von Tanzperformances.

8.1.3. Kultursoziologische Deutungsmusteranalyse

8.1.3.1. Einordnung in das Deutungsmuster Horror

Die Symbolanalyse macht deutlich, dass im Musikvideo zu ‚Everybody (Backstreet’s

back)’ eine starken bildsymbolische Verwendung sowohl des klassischen als auch

des modernen Horrors vorliegt. In der Filmanalyse zeigt die Untersuchung der Rollen

und Figuren, dass die Backstreet Boys als Figurationen von Horrormythen ebenso

als Träger des Horrors fungieren, wie auch in ihrer Rolle als Protagonisten der

Rahmenhandlung. Die Analyse der Bauformen legt dar, wie in der Kombination der

Ebenen Bild, Text und Ton eine umfassende Horrorstimmung generiert wird.

Die dargestellten Figuren ermöglichen dabei auf Grund ihrer Merkmale jeweils für

sich eine Deutung als Teil des Horrors: wenn eine Person lange Eckzähne hat und in

Verbindung mit einem Sarg gezeigt wird, dann ist sie ein Vampir; wenn eine Person

mit einer Maske ihr entstelltes Gesicht verdeckt und festlich gekleidet ist, dann ist sie

das Phantom der Oper; wenn eine Person verschiedenartige Gesichtshälften oder

Gesichtsausdrücke hat und einen Anzug trägt, dann ist sie Dr.Jekyll/Mr. Hyde; wenn

eine Person in Stoffe gewickelt vor oder in einem Sarkophag steht oder liegt, dann ist

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sie eine Mumie; wenn eine Person ein starkes Gebiss und wilden Bart- und

Haarwuchs hat und vor einem Vollmond gezeigt wird, dann ist sie ein Werwolf.

In Anschluss an die Identifikation der Figuren als Horrorfiguren lautet die Deutung

bezüglich ihrer Charaktereigenschaften: wenn eine Person ein Monster (Vampir,

Werwolf, Mumie, Phantom der Oper, Dr. Jekyll/Mr. Hyde) ist, dann bedroht und/oder

verletzt und tötet sie ein oder mehrere Opfer.

Weitere Deutungen betreffen die Nebenpersonen des Busfahrers und der Frau im

roten Kleid: wenn jemand (der Busfahrer) sagt ‚Ich komme (gleich) wieder’ (‚I’ll be

back’), dann tritt das Gegenteil ein und er kommt nicht oder als Bedrohung wieder.

Für die Frau gilt die Deutung: wenn eine junge, attraktive Frau in Verbindung mit

einem Vampir gezeigt wird, dann ist sie sein Opfer. Daran schließt die Deutung an:

wenn eine Frau das Opfer eines Vampirs ist, dann wird sie von ihm durch einen Biss

getötet.

Das übergeordnete Setting kann auf die selbe Weise in das Deutungsmuster Horror

integriert werden: wenn eine Burg abgelegen, unbewohnt und voller alter

Gegenstände ist und die Personen sie bei Nacht und/oder Gewitter erreichen, dann

ist die Burg ein Spukschloss. In der Folge bedeutet das: wenn ein Schloss/ eine

Burg/ ein Haus ein Spukschloss/ -haus ist, dann werden die Personen im Haus von

einer Bedrohung heimgesucht, verletzt oder getötet. Das im Videoclip verwendete

Motiv des Albtraums kann als eine Variation oder Erweiterung dieses Musters

gesehen werden: wenn eine Person in einem Spukschloss/-haus übernachtet, dann

wird sie Albträume haben. Der Albtraum selbst ist durch das entsprechende

Verhalten der Person, in dem Fall Brian in stereotypischen Situationen zu deuten:

wenn eine Person in ihrem Bett aus dem Schlaf aufreckt und sich aufsetzt, dann

hatte die Person einen Albtraum.

Damit sind Personen, Ort und Handlung in das Schema und das Deutungsmuster

des Horrors eingeordnet. Die Rahmenhandlung entspricht dabei einer Deutung im

Muster des modernen (Teenie-)Horrors, die integrierte Albtraumgeschichte folgt in

Ästhetik und Gestaltung der Figuren und Handlungen dem Muster des klassischen

bzw. gotischen Horrors.

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8.1.3.2. ‚so everybody, everywhere, don’t be afraid, don’t have no fear...’: der

entdramatisierte Horror

Für eine soziologische Deutungsmusteranalyse stellt sich vor dem Hintergrund von

Funktionsweise und Aufbau von Boybands die Frage, warum die Backstreet Boys in

ihrem Musikvideo im Rahmen einer Horrorgeschichte als Horrorfiguren auftreten, vor

allem wenn die auf der Bildebene erzählte Horrorgeschichte keine Verbindung zu

dem gesungenen Text, der Musik, dem Image der Musik oder dem Image der

Boygroup hat.

Die Legendenerzählung

Die im Videoclip erzählte Geschichte folgt dem Prinzip klassischer amerikanischer

Halloween-Geschichten oder auch den als urbane Legende bezeichneten modernen

Märchen, in denen zumeist unschuldige Jugendliche in verlassenen, abgelegenen

Gegenden stranden und dort von verschiedenen Horrorgestalten heimgesucht

werden. Solche mythischen Erzählungen sind im kollektiven sozialen Gedächtnis

einer Gesellschaft verankert, sie weisen einen hohen Bekanntheitsgrad auf und

knüpfen an Legenden und Ereignisse des Hörensagens an. Die Anlässe bei denen

sie erzählt werden sind ebenso stereotyp verinnerlicht wie auch ihre Wirkungs- und

Rezeptionsweisen. Der Glaube an die Richtigkeit und Wahrhaftigkeit dieser

Geschichten hat eine geringe Reichweite und Dauer, die Geschichte hat die Funktion

eines des kurzzeitigen Schreckens mit teils unterschwelligen gesellschaftlich

moralischen und normativen Aussagen ähnlich eines Märchens.

Normalerweise benötigt der so zu Stande kommende Horror einen Verstoß gegen

eine Moral oder ein Gesetz als Auslöser, dieser Verstoß fehlt allerdings in der

Erzählung von ‚Everybody (Backstreet’s back)’. Ein weiteres untypisches, fast

gegenteiliges Moment im Sinne einer solchen Legendenerzählung stellt auch die

integrierte Clipgeschichte an sich dar. Die Backstreet Boys verwandeln sich nämlich

in die Bedrohung und nicht etwa in die Opfer, was gemäß den urbanen Legenden

der Fall sein müsste. Die einzelnen Albträume sind dann keine Albträume im

klassischen Verständnis der Verfolgung durch etwas Bedrohliches, sondern die

Furcht sich selbst in eine solche Bedrohung zu verwandeln, dann jedoch mit

übermenschlichen Kräften und Fähigkeiten ausgestattet zu sein. Die Bedrohung,

auch im Sinne der Erzählung einer urbanen Legende besteht für die Backstreet Boys

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nur in der Rahmenhandlung, in der diese durch den als Zombie zurückkehrenden

Busfahrer verkörpert wird.

Durch die Form einer solchen Legendenerzählung passt sich der Horror in diesem

Videoclip einem vorgefertigten Schema an, das sowohl aus Literatur als auch aus

Film und Fernsehen bekannt ist. Die Funktionsweise und der Ablauf eines solchen

Horrors sind daher stark stereotypisiert. Für die RezipientInnen erscheint der Horror

als berechenbares Muster, er nimmt jene kommerzialisierte Form an, die durch

Hollywood-Filme verbreitet und in das kulturelle Gedächtnis als die erwartbare Form

von Horror eingebrannt wird. Der Horror im Clip zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’

folgt somit dem selben Prinzip wie auch die kommerzielle Konzeption von

Boygroups, in dem er auf eine profanisierte Darstellung und einen möglichst hohen

Wiedererkennungswert setzt, wodurch es den Backstreet Boys erst ermöglicht wird in

die Rolle von Horrorfiguren zu schlüpfen. Der Horror wird zu einem reinen Abbild

seiner Figuren und Symbole, es existieren keine Überraschungsmomente mehr, die

einen Schock oder Angst und Schrecken auslösen würden. Die ursprüngliche

Wirkung des Horrors, den Menschen in eine Grenzsituation der eigenen Emotionen

zu versetzen entfällt, der Horror wird entdramatisiert. Der Horror wird damit auf jene

populärkulturelle Ebene transferiert, auf der sich die Backstreet Boys befinden. In

dem die Boyband Backstreet Boys diesen entdramatisierten Horror in ihrem Videoclip

mit sich selbst als unbedrohliche, positiv konnotierte Stars verbindet, bietet der

Horror im Videoclip und somit dieser Videoclip als Gesamterscheinung die

Möglichkeit einer vergnüglichen und horrorfremden Aneignung.

Horrorvergnügen

Dass Videoclips als das mediale Format, das sie sind von Haus aus die Möglichkeit

einer kurzzeitigen und fokussierten populärkulturellen Aneignung der in ihnen

präsentierten und inszenierten Themenkomplexe bieten ist bekannt. Die im Videoclip

zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ vorhandene, relativ sanfte und weniger

schreckliche Form der Horrorunterhaltung, lässt sich am Besten mit Attraktion im

Sinne von Geisterbahnen vergleichen. Das Format der Geisterbahn oder auch das

der Freakshow ermöglicht eine ebenso eine Beschäftigung mit Horror als

populärkulturelle Erscheinung, die auf einen kurzen vergnüglichen Schock abzielt,

nicht auf das Erzeugen eines nachhaltig verstörenden und angsteinflößenden

Effekts.

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Neben dem ‚sanften’ Horror ist einerseits die Versicherung des Geschehens als

Fiktion ausschlaggebend um die Möglichkeit des Vergnügens aufrecht zu erhalten,

andererseits muss es sich um eine Form des Horrors handeln, die auf stereotypische

und in kulturellen Strukturen verankerte Darstellungen des Horrors zurückgreift.

Diese Voraussetzung erbringen die in Geisterbahnen dargestellten Horrormythen

ebenso wie die von den Backstreet Boys verkörperten Figuren in ‚Everybody

(Backstreet’s back)’. Sie verweisen beide auf massentaugliche Symbole und Figuren

des Horrors, es handelt sich nicht um eine spezielle kulturelle Ausprägung, weder

von Horror oder einer sonstigen Form. Es bedarf keines Experten- oder

Insiderwissen um die Botschaft dieser Form des Horrors zu verstehen. Die Figuren

und Symboliken sind für jedermann verständlich und ermöglichen somit eine

populärkulturelle und vergnügliche Aneignung. Entsprechend dem allgemeinen

gesellschaftlichen Verständnis von Horror wird auf diese Weise eine Regelhaftigkeit

erzeugt, die in einem berechenbaren Szenario präsentiert wird.

Dieses Szenario entsteht durch die Kombination einer stereotypen Horrorkulisse

bestehend aus Figuren, Settings und Symbolen mit einer stereotypen Inszenierung

einer Boyband in der Kulisse der Popwelt. Es werden in diesem Videoclip zwei

Elemente des medialen Mainstream vereint, durch die der Horror von seiner

ursprünglichen Funktion, den/die BetrachterIn/ZuhörerIn in eine beispiellose

Extremsituation zu versetzen, losgelöst werden kann. So wird in diesem Videoclip ein

vergnüglicher Umgang auf Grund folgender Aspekte ermöglicht:

1. Die Horrorfiguren werden von den Backstreet Boys selbst dargestellt, was zwei

Deutungen zulässt: einerseits die Backstreet Boys als Stars und Performer im

Videoclip, andererseits die Backstreet Boys als Schauspieler in der eingebauten

Geschichte. Somit ist klar, dass es sich nicht um echte Horrorfiguren im Sinne eines

Horrorfilms handelt, sondern um die Boyband Backstreet Boys in der Kostümierung

von Horrorfiguren;

2. Abgesehen von Prolog und Epilog, spielt sich die Horrorgeschichte nur auf der

Bildebene des Clips ab, nur durch die visuelle Ergänzung werden der Text und die

Musik im gesamten Zusammenspiel mit Horror verbunden, für sich alleine sind sie

vollkommen horrorfreie Themen. Die von Text und Musik implizierte Version der

Bildebene wäre ein Dance-Performance-Video und in genau diesen Typ geht das

Video in der zweiten Hälfte allmählich über.

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Diese Möglichkeit des vergnüglichen Umgangs mit Horror stellt nun ein Angebot der

Backstreet Boys an ihre Fangemeinde dar, die zugleich die Zielgruppe für die

Produkte Song, Video und Band an sich bildet. Die Fans orientieren sich dabei an

dem Image, das die Boyband über ihre Produkte vermittelt. Diese Image ist

gleichermaßen die Verbindung zwischen der Boyband und ihren Fans als auch die

Konstante an der die Fans messen können, wie sehr sie und warum sie zu dieser

Boyband stehen.

Die Andeutung des Böse-Buben-Image

Die Mitglieder von Boybands sind zumeist als glatte, positive und verehrenswerte

Charaktere angelegt, mit denen sich die Fans identifizieren können, da die Stars

abseits ihres Poplebens so alltäglich wie die Fans selbst zu sein scheinen. Bei

Horrorfiguren eigenen sich zwar ihre teils übernatürlichen Fähigkeiten als Halbwesen

zu einer Form der Bewunderung, letztendlich verkörpern sie als grauenvolle

Personifikationen menschlicher Urängste aber das Ungewisse und das moralisch

Verwerfliche. Der Horror und seine Figuren sind im Endeffekt immer in irgendeinem

Auftreten oder einem Verhalten ein Ausdruck des Bösen oder aus ästhetischen

Gründen abzulehnen oder zu verabscheuen. Dies gilt selbst in den filmischen

Formaten der Komödie oder der Parodie.

Im Videoclip zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ werden die positiv konnotierten, in

der Tradition gängiger Popsongs stehenden Aussagen des Songtexts auf der

Bildebene mit der Darstellung von Horrorfiguren und –symbolen zusammengeführt,

die niemals als gänzlich positiv bewertet werden können. Die saubere Popwelt der

Boyband wird von einem Anflug des Bösen überlagert, wodurch die Boyband

Backstreet Boys ein Image der ‚bösen Buben’ erhält. Wenn ein Popstar seinem

eigenen Image entgegen als Horrorfigur auftritt, dann setzt dies zumindest voraus,

dass ihm die Existenz des Horrormythos bekannt ist und er sich traut als solcher

aufzutreten. Es kann des Weiteren bedeuten, dass er eine zweite, dem glatten

Popimage entgegengesetzte Identität besitzt, die er fortan für immer oder nur für

kurze Zeit in Form der Verkleidung als Horrorfigur auslebt.

Die Backstreet Boys, von denen anzunehmen ist, dass sie als Amerikaner mit der

Halloween-Tradition aufgewachsen sind, benutzen den Horror in ihrem Video um ein

‚böse Buben’-Image anzudeuten und um der Popwelt und ihren Fans zu zeigen, dass

sie sich mehr trauen und mehr können als nur in altbekannten Tanzvideos

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aufzutreten. Durch ihre Horrorverkleidungen zeigen sie, dass sie keine Angst vor den

zu Grunde liegenden Mythen haben, denn jemand, der sich aus dem Glauben an die

mögliche Existenz solcher Halbwesen vor ihnen fürchtet, wird sich nicht selbst als

Halbwesen verkleiden, sondern als einer ihrer Gegenspieler. Die Backstreet Boys

sind also nicht ausschließlich die netten Jungen von nebenan, sie sind nicht nur

gutaussehende, liebenswerte Popsternchen, sie sind auch die harten, männlichen

Typen, die sich nicht fürchten und sozusagen ihren Mann stehen können. Ob ihnen

dadurch Respekt oder Ablehnung der restlichen Popwelt zukommt, ob sie dadurch

bei ihren weiblichen Fans ihre Attraktivität steigern können oder neue Fans, männlich

wie weiblich hinzugewinnen kann hier nicht beantwortet werden.

Das Video zeigt außerdem, dass die Backstreet Boys auch keine Angst oder Scheu

haben, mit ihrer Verkleidung Schreckensmomente bei den Fans bzw. generell den

BetrachterInnen zu erzeugen. Sie sind in doppelter Hinsicht mutig, denn sie fürchten

sich auch nicht vor dem zurückwirkenden Horror in Form des Ausdrucks von

Schrecken, Grauen, Ekel usw. in der Reaktion ihrer Fans. Somit sind sie sich selbst

in ihrem Tun sicher, denn die Angst vor Misserfolg mit der Verkleidung als

Horrorfiguren scheint durch ihre vorhandenen populärkulturellen Errungenschaften

als Boygroup überboten zu werden. In dieser Hinsicht kann eine kommerziell wie

auch populärkulturell erfolgreiche Verwendung von Horror, wie sie mit diesem Video

erzielt wurde als Bestätigung des eigenen nahezu allmächtigen Popstarstatus

dienen.

Dass dieser Imagewechsel nur kurzzeitig ist und dass die Backstreet Boys nicht

wirklich vorhaben ihre Fans bzw. die ZuseherInnen zu schockieren zeigt sich in der

Tatsache, dass der Horror nur angedeutet aber nicht ausgeführt wird. Die zu Anfang

formulierte Prämisse, dass eine Horrorfigur notwendigerweise ein Opfer bedroht,

verletzt oder tötet tritt im Clip zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ nicht ein. Keine der

Horrorfiguren vollzieht den Horror auf der wichtigen körperlichen Ebene. Bis auf die

Ausnahme der Frau im roten Kleid als potentielles Opfer des Vampirs gibt es noch

nicht einmal Opfer, und selbst der angedeutete Biss des Vampirs in den Hals der

Frau wird im letzten Moment doch nicht ausgeführt. Auf die voranschreitende

körperlich Aktivität der Horrorfiguren folgt nicht etwa die Jagd nach einem Opfer oder

Kampf mit einem Widersacher sondern die zivile Zusammenkunft zum Ballabend.

Das Image der Boyband besiegt in Form der Tanzchoreografie sozusagen den

vorangegangenen Horror in Form der verkleideten Backstreet Boys, das Image als

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Boyband ist endgültiger und wiegt stärker als das kurzzeitige Horrorimage, das

lediglich als Möglichkeit angedeutet bleibt.

Das Image der ‚bösen Buben’ wird in diesem Clip recht moderat aufgebaut, der

Horror fungiert als Ornament für das Auftreten als Boyband, er ist das Beiwerk, das

deswegen erfolgreich funktionieren kann, weil es sich auf die entdramatisierte und

stereotyp geschönte Version des Horrors bezieht. Nach dem Ende des Clips ist auch

diese kurzzeitige Andeutung eines Imagewechsels beendet.

Der Videoclip zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ nutzt auf nicht-schockierende

Weise die Unterhaltungsfunktion des Horrors als besondere visuelle Komponente mit

der er sich aus der Masse belangloser Pop-Clips abzuheben scheint und mediale

Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dies kann aber nur für die Bildebene gelten, Text und

Ton folgen, wie in der Analyse deutlich geworden ist, dem Schema bekannter

Popsongs von Boybands. Die banale und unspektakuläre Basis aus Text und Ton

hinterlässt für die Bildebene eine inhaltliche Leere, die auf verschiedenste Weise

gefüllt werden kann. Mit der Verwendung von Horror wird in diesem Videoclip ein

visueller Anreiz geschaffen, der diese Leere nicht nur füllt sondern der über Text und

Ton hinaus eine eigene Geschichte erzählt. Dazu muss sich der Horror

einschränken, er darf nicht schockieren oder Angst erzeugen und er darf nicht über

die Dauer des Musikvideos hinaus Bestand haben. Weder der Song noch die Band

dürfen mit dem ursprünglichen Schrecken, Schock und Grauen des klassischen

Horrors in Verbindung gebracht werden, da der ‚echte’ Horror nicht dem Pop-Image

einer Boyband vereinbar ist.

Der Horror wird auf der Bildebene auf ein ästhetisches Zitat reduziert, durch die Art

und Weise der Konstruktion des Vergnügens wird die Rezeption gelenkt und die

entdramatisierte Version des Horrors zur einzigen Möglichkeit Horror und Boygroup

in einem Musikvideo zu verbinden gleichzeitig eine vergnügliche Rezeption zu

ermöglichen. Das Interessante am Horror in ‚Everybody (Backstreet’s back)’ ist somit

nicht die Darstellung des Horrors selbst, sondern seine Nutzung durch die

Kulturindustrie. Diese reduziert den Horror nun auf gewöhnliche, massentaugliche

Darstellungen, die von seiner ursprünglichen Funktion der Visualisierung verborgener

und verdrängter Ängste und gesellschaftlicher und moralischer Missstände durch die

schreckliche Figur des Halbwesens losgelöst sind. Der Horror ist dann nicht mehr

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übernatürlich, sondern alltäglich, da es ihn in der Kulturindustrie gibt, die ihn von

seinen übernatürlichen Eigenschaften entbehrt und profanisiert hat.

8.1.4. Verortung im Musikvideoclipkorpus

In der Figuren- und der Symbolanalyse wird deutlich, dass der Videoclip zu

‚Everybody (Backstreet’s back)’ mehreren Horrortypen des erstellten Korpus

zugeordnet werden kann. Nahezu jede der dargestellten Figuren vertritt einen

anderen klassischen Horrormythos: die Mumie, der Vampir und der Zombie sind

Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind, der Werwolf ist ein Tiermensch, Dr.

Jekyll/Mr. Hyde vertritt das Doppelgängermotiv und Erik, das Phantom der Oper lässt

sich als „(...) eine Variation des Monsters, mit dem man Mitleid haben muss“242

verstehen. Hinzu kommt das erläuterte Motiv des Albtraums. Durch die Vielzahl

thematisierter Mythen und ihrer Verknüpfung mit Tanzelementen ist dieser Videoclip

für den Korpus besonders repräsentativ, da sich hier weitere Beispiele des Pop- bzw.

Boygroup-Genres finden, die eine ähnliche Verwendung des Horrors auf struktureller,

inhaltlicher oder figurativer Ebene aufweisen.

Zumeist folgen diese Videoclips dem Prinzip, dass die InterpretInnen, wenn sie selbst

in einer Narration im Videoclip auftreten, stets eine Horrorfigur in Verbindung mit

einer Gesangs- und/oder Tanzperformance oder in einer finalen Tanzperformance

darstellen. Der Clip zu Michael Jacksons ‚Thriller’ ist vielleicht nach wie vor das

bekannteste und richtungsweisendste Beispiel für dieses Prinzip.

Ein neueres Video, das Boygroup und Horror verbindet ist ‚Just Because Of You’ der

Boyband Us5. Das Video beginnt ebenso wie ‚Everybody (Backstreet’s back)’

während einem nächtlichen Gewitter mit der Ankunft der Band in einem alten,

scheinbar verlassenen Schloss. Das inhaltliche Prinzip ist jedoch zu Beginn ein

anderes, da die folgenden drei Traumsequenzen der Bandmitglieder sie zunächst als

die Opfer einer Vampirfrau zeigen. Die Rückkehr zu dem angesprochenen Schema

erfolgt nach den obligatorischen Bissen der Vampirfrau in einer Interlude, in der die

Bandmitglieder als Zombies auf einem Friedhof eine Tanzperformance darbieten. Am

Ende stellt sich heraus, dass es sich bei dem Gesehenen lediglich um einen Film

handelt, den sich die Jungs von Us5 im Kino ansehen und in dem sie selber

mitwirken. Auch dieser Clip basiert also auf der Kombination stereotyper

242 Seeßlen 1979, S.58

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Horrorfiguren, Horrorsymboliken und Settings mit dem wesentlichen Boygroup-

Element der Tanzperformance. Der Text schildert dabei in bekannter Boyband-Pop-

Manier die Ernsthaftigkeit und Einzigartigkeit einer zerbrochenen Liebe zu einem

Mädchen. Neben der Verknüpfung der Horrorgeschichte mit Tanzelementen ist im

Video auch die Einbettung in die Rahmenhandlung des Kinofilms wichtig. Auch

hierbei lassen sich Parallelen zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ feststellen, denn

ähnlich dem als Zombie zurückkehrenden Busfahrer, sitzt in am Ende von ‚Just

Because Of You’ die (Vampir-)Frau im Kinopublikum und blickt die Jungs von Us5

mit leuchtend roten Augen an. Der wesentliche Unterschied besteht jedoch darin,

dass in diesem Videoclip die Rahmenhandlung nicht vom Song losgelöst gezeigt

wird.

Ein ähnliches Muster verfolgt der Videoclip zu ‚Wall To Wall’ von Chris Brown. In

einer nächtlichen Szene auf einem leeren Parkplatz nähert sich eine Vampirfrau aus

einer Nebelwolke heraus dem Auto von Chris Brown, als dieser einsteigt taucht die

Frau auf dem Beifahrersitz auf und beißt Chris Brown in den Hals, kurz darauf wacht

er mit Vampirzähnen auf, er fährt los und das eigentliche Musikvideo beginnt. Seine

Fahrt führt ihn zu einem düsteren Haus, in dem hauptsächlich weibliche Vampire

eine Party feiern und in dem er der besagten Frau wieder begegnet. Die Narration ist

von Performance-Elementen durchbrochen und mündet letztendlich in eine

Tanzchoreografie. Die Rahmenhandlung wird nach Ende der Tanzperformance auch

hier wieder aufgegriffen, in dem Chris Brown über den leeren Parkplatz zu seinem

Auto geht und die Frau erneut auf dem Beifahrersitz auftaucht.

Treten die InterpretInnen nicht selbst in einer Performance oder Narration im

Videoclip auf, so hat der Horror auf der Bildebene oftmals die Funktion das leichte,

süßliche und oft wenig aussagekräftige Image der dargebotenen Popmusik in Form

eines visuellen Anreizes zu kontrastieren.

Die Videoclips zu ‚Superfreak’ und ‚Somebody’s Watching Me’ der Dance-Formation

Beatfreakz zeigen, wie einfach eine solche Kombination von Tanzperformance und

Horrorfiguren funktionieren kann. Die Verkörperung von Horrorfiguren hat bei den

Beatfreakz eine parodistische Imagefunktion, die schon in der namentlichen

Vorstellung der einzelnen TänzerInnen deutlich wird. Ihre Pseudonyme wie ‚Mekill

Hacksaw’, ‚Creepin Curly Minogue’ oder ‚Pussy Corpse Trolls’ sind Horroradaptionen

von Namen bekannter MusikerInnen. So beschränken sich die beiden Videos auch

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auf die Inszenierung der Charaktere in unheimlichen Settings, um dann ohne weitere

Umschweife in Tanzperformances überzugehen.

Die Formation Young Punx verfolgt ein ähnliches Prinzip der populärkulturellen

Nutzung von Horror in Dancemusic-Videos zur Etablierung eines visuell ‚härteren’

Image. In ihren computeranimierten Clips zu ‚Your Music Is Killing Me’, ‚Wake Up

Make Up Bring It Up Shake Up’ und ‚You’ve Got To’ lassen sich die Bandmitglieder

vor buntem Hintergrund von singenden Totenköpfen, tanzenden Skeletten, einem

bösen Clown, einem fliegenden Auge und verschiedenen Tierköpfen vertreten.

Die Deutungsmusteranalyse führt aber auch vor Augen, dass ein Musikvideo wie

‚Everybody (Backstreet’s back)’ der Backstreet Boys nicht nur die Kontrastierung der

positiv konnotierten Popmusik durch düstere Horrorinhalte und eventuell einen

Imagewandel verfolgen muss, sondern dass auch die reine, als vergnüglich

anzusehende Unterhaltungsfunktion des Horrors im Vordergrund stehen kann. Einige

Beispiele von Popmusikvideos des Korpus zeigen, wie eine Horrorgeschichte auf der

Bildebene als reine narrative Ergänzung zu Text und Ton funktionieren kann. Dazu

ist eine Kombination mit Gesangs- oder Tanzperformances nicht mehr nötig.

So erzählt beispielweise der Videoclip zu ‚Believe’ der Chemical Brothers in der

Tradition des Psycho-Horros die Geschichte eines jungen Manns, der in seiner

Alltagswelt von den plötzlich lebendig gewordenen Maschinen, die er in einer Fabrik

bedient, verfolgt und bedroht wird, bis dass ihm letztendlich die Unterscheidung von

Realität und Fiktion entgleitet. Der Clip wird dabei von dem intensiven

Zusammenwirken des Dance-Beats und der Dynamik der Bilder geprägt.

Im Musikvideo zu ‚Sumisu’ schlüpft Farin Urlaub in die Rolle des Nosferatu während

auf der Bildebene die Ästhetik der filmischen Vorlage ‚Nosferatu – Eine Symphonie

des Grauens’ adaptiert wird. Die Intensität des Horrors wird in diesem Video jedoch

gesteigert, in dem Farin Urlaub als Vampir sein weibliches Opfer beißt und somit zu

einer aktiven Horrorfigur wird. Der Vampir wird hier als einsame, sich nach

Gesellschaft sehnende Kreatur dargestellt. Nur durch den unabwendbaren Biss, der

das Opfer in das gleichgesinnte Wesen verwandelt, ist es dem Vampir möglich seine

Einsamkeit zu beenden. Das selbe Motiv findet sich in parodistischer Weise im

Videoclip zu ‚Who Cares?’ des Duos Gnarls Barkley. Hier tritt der Vampir als

alternder Frauenheld auf, der sich des Nachts auf die Suche nach erotischen

Abenteuern macht und letzten Endes, getrieben von seinem Blutdurst einen Mann

beißt.

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8.2. Death in Vegas – ‚Aisha’ Regie: Terry Richardson, Jahr: 2000, Dauer: 4:00min

Death In Vegas ist eine 1994 gegründete britische Band, deren Musikstil zunächst in

Richtung BigBeat, Dub und Techno ging. Mit ihrem zweiten Album ‚The Contino

Sessions’, verlegte sich die mittlerweile aus dem Duo Richard Fearless und Tim

Holmes bestehende Gruppe mehr auf den Einsatz von Instrumenten und dem

Engagement von GastsängerInnen. Der Song ‚Aisha’, gesungen von Iggy Pop

bescherte der Band den ersten Top Ten Erfolg in England243 und erschien am

31.01.2000244 als zweite Singleauskopplung aus diesem Album. Bei dem

zugehörigen Videoclip führte Terry Richardson (*1965)245 Regie, der besonders als

Fotograf mit Kombinationen aus alltäglichen Begebenheiten, ‚trashigem’ Humor und

sexueller Provokation international bekannt geworden ist246.

8.2.1. Filmanalyse

Handlungsanalyse

Das Video zu ‚Aisha’ von Death in Vegas handelt von einer Frau, die vor einer nicht

sichtbaren Bedrohung flieht. Ihre Flucht beginnt in einem Wald und setzt sich über

Wiesen und Wege fort bis zu einem einzelnen und unbewohnten Haus, in das sie

sich zunächst rettet. Hier spitzt sich ihre bedrohliche Lage allerdings zu, sie flieht

zunächst durch einen Wohnraum und dann die Treppen hinauf in den oberen Stock.

Nach der Flucht in ein weiteres Zimmer kommt es zur vermeintlichen Konfrontation

mit dem Täter, jedoch ändert sich in dem Moment der Handlungsverlauf. Es stellt

sich heraus, dass es sich bei der gezeigten Handlung um den Dreh eines Films

handelt in dem die Frau als Schauspielerin mitwirkt.

Bis zu dem Zeitpunkt des Handlungswechsels sind erzählte Zeit und Erzählzeit im

Clip identisch, die Handlung verläuft zeitlich linear. Auf der Grundlage des erstellten

Filmprotokolls kann die Handlung im Videoclips in folgende Phasen unterteilt werden:

Flucht durch den Wald, Flucht über Wege und Wiesen, Flucht zum Haus und Suche

243 http://www.laut.de/wortlaut/artists/d/death_in_vegas/biographie/index.htm 244 http://en.wikipedia.org/wiki/The_Contino_Sessions 245 http://www.terryrichardson.com/biography.html 246 http://www.arte.tv/de/suche/785564.html

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nach Hilfe, Flucht in das und durch das Haus, Drehpause am Filmset und die Frau in

der Maske, Flucht aus dem Haus.

Die Story des Videoclips besteht aus zwei sich überlagernden Handlungssträngen:

die Flucht der Frau ist Teil eines ansonsten unbekannten Films, dessen Produktion

zum Thema des Videoclips wird. Das Spannungsmoment liegt darin, dass dieses

Prinzip der Doppelung für den Blick der ZuseherInnen erst im Moment der

Dekonstruktion ersichtlich wird, da die verschiedenen Kameraeinstellungen zuvor alle

anderen technischen Gegebenheiten eines solchen Filmdrehs ausblenden. Erst als

das Filmteam im Bild auftaucht wird klar, dass es sich auch bei der vorherigen

Handlung um den Dreh des Films und bei der Frau um eine Schauspielerin

gehandelt hat.

Das Video beginnt zunächst damit wie die Frau über den Waldboden rutscht, danach

läuft sie durch das Dickicht des Walds und über eine Lichtung. Ihre Flucht steigert

sich als sie aus dem Wald heraus über eine Wiese und danach einen Weg entlang

läuft, wobei sie mehrmals stolpert. Je näher sie dem einsamen Haus kommt, desto

angestrengter wird ihre Flucht, wobei eine Bedrohung nie sichtbar im Bild auftaucht.

Die verzweifelten Versuche der Frau in das Haus zu gelangen und Hilfe zu finden

stellen eine weitere Steigerung dar. Mit der Flucht in das Haus folgt auf diese ersten

Klimax eine leichte Entspannung, die allerdings durch die verstörende Atmosphäre

im Inneren des Hauses und die neuerliche Flucht durch das Haus sofort wieder

umschlägt. Die Spannung gipfelt in dem kurzen Moment des Schreis der Frau, in

dem nicht klar ist, dass die Frau von dem Regisseur des gedrehten Films und nicht

von einem irren Killer gewürgt wird. Danach ist die Anspannung vorbei, das Filmset

weist die Handlung als fiktiv und unbedrohlich aus, die Schlussszene, in der die Frau

aus dem Haus herausrennt hält die Ebene des Filmsets aufrecht und bietet den

ZuschauerInnen eine Form des Happy End.

In dem Video werden mit dem Wald und dem einsamen Haus zwei typische

Horrorschauplätze thematisiert, der Horror selbst zeigt sich in Kombination dieser

Orte mit der Flucht des stereotyp angelegten, weiblichen Opfers. Mit dem Clip endet

auch die integrierte Filmebene, der weitere Ausgang des gezeigten Films bleibt dabei

offen, und somit auch die Rolle der Frau als mögliches Opfer.

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Figurenanalyse

Wie bereits angedeutet ist im Videoclip zu ‚Aisha’ von Death in Vegas die Figur der

Frau auf der Flucht tragend für die Konzeption der Handlung und den

Spannungsaufbau, denn alleine durch die Flucht der Frau, durch ihr Äußeres und

durch ihre Mimik wird in diesem Video der Horror verbildlicht. Die Frau ist sowohl

Hauptfigur als auch Protagonistin, als solche antizipiert sie für die ZuseherInnen eine

eventuelle, nicht sichtbare antagonistische Bedrohung. Diese tritt durch die

Kombination aus Bild und Text lediglich in der Imagination des Publikums auf und

wird durch die Einführung der Ebene des Filmsets teilweise dekonstruiert. Teilweise

deswegen, weil die Bedrohung als Teil einer Filmhandlung in Bezug zu der Frau als

Opfer als fiktiv ausgewiesen wird, jedoch bleibt die Imagination einer Bedrohung auf

Grund der notwendigen Paarung von Opfer und Täter auch für eine Handlung

aufrecht, die als fiktiver Film identifiziert werden kann. Die Hauptfiguren sind also die

sichtbare Frau und der nicht sichtbare, im Text verankerte Täter, der in der

Vorstellung der ZuschauerInnen eine Personifikation erhält.

Durch die Überlagerung der Ebenen Videoclip und Film im Videoclip erhalten alle

auftretenden Figuren eine doppelte Bedeutung. Die Frau ist sowohl Hauptfigur des

Videoclips als auch Schauspielerin in einem Film, in dem sie nicht zwangsweise die

Hauptrolle spielen muss. Auf der Filmebene im Video ist die Figur der Frau relativ

eindimensional, sie ist das typische, sexualisierte weibliche Opfer. Sie ist schlank,

brünett und trägt hochhackige Schuhe, Spitzenunterwäsche und einen roten

Morgenmantel, der während ihrer angestrengten Flucht immer wieder versagt ihre

blanke Brust zu bedecken. Der plötzliche Wandel der Figur von der Protagonistin des

Videoclips hin zur Darstellerin in einem Film stellt jedoch eine komplexe Erweiterung

ihrer Eigenschaften und auch eine Veränderung ihrer Persönlichkeit dar, die sowohl

auf die vorherige Handlung als auch auf die gezeigten Settings zurückwirkt.

In der gezeigten Filmhandlung tauchen keine Nebenfiguren auf, was jedoch

bezüglich einer größeren, antizipierten Rahmenhandlung nicht der Fall sein muss. Es

ist sogar möglich, dass die Frau innerhalb des Films selbst nur eine Nebenrolle

einnimmt, im Videoclip ist sie jedenfalls die Hauptfigur. Auch die Mitglieder des

Filmteams nehmen zwei Rollen ein: sie sind einerseits Nebenfiguren im Musikvideo,

andererseits in ihrer Funktion als Mitglieder des Filmteams im produzierten Film

selbst keine Figuren.

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Die Eigenschaften der Settings ergeben sich daher aus der jeweils eingenommenen

Rolle der Frau. Zunächst handelt es sich um das Setting des Videoclips und

anschließend um das eines Filmdrehs, der in einem Videoclip sozusagen

‚dokumentiert’ wird.

Analyse der Bauformen

Das Musikvideo zu ‚Aisha’ ist rein narrativ, die Band tritt im Videoclip nicht auf. Die

Auflösung der suggerierten Videoclipebene als erweiterte Ebene eines Filmdrehs

kann in struktureller Hinsicht auch als Element eines Konzeptvideoclips gesehen

werden. Der Videoclip lässt sich an Hand der Settings grob in die bereits erläuterten

Phasen strukturieren. Das Gesamtkonzept des Videos stützt sich dabei auf die

angesprochene Zweiteilung der Handlung in jene vor und jene nach der Einführung

des Filmsets, die Filmebene weist dadurch nachträglich die gesamte Handlung als

Filmhandlung aus.

Die Flucht durch den Wald und über Wiesen und Wege zum Haus hin wird zumeist in

Kombinationen aus Groß-, Nah- und Halbnahaufnahmen der rennenden Frau und

halbtotalen Einstellungen der Umgebung gezeigt. Die Aufnahmen der flüchtenden

Frau betonen durch die Nähe zum attraktiven Körper der Frau diesen als Träger und

Spiegelbild des Horrors und geben detaillierte Einblicke in die körperliche

Beschaffenheit des potentiellen Opfers. Ihre Mimik und ihre scheinbare

Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen Nacktheit deuten auf die existenzielle

Ernsthaftigkeit dieser Flucht hin. Die eingestreuten weiten Einstellungen der

verschiedenen Landschaften dienen der Vergegenwärtigung des jeweiligen Settings,

sie zeigen allerdings auch, das innerhalb des gezeigten Raums keine offensichtliche

Bedrohung zu sehen ist.

Dem Gebrauch der subjektiven Kamera kommt in drei Szenen des Videoclips eine

besondere Bedeutung zu, denn alle drei weisen auf eine direkte Bedrohung der Frau

hin. Zu Beginn des Videos wird aus subjektiver Sicht gezeigt, wie die Frau auf dem

Waldboden sitzend, mit den Beinen scharrend aufzustehen und zu fliehen versucht.

Der dadurch freigegebene Blick auf ihre Reizwäsche konstruiert zudem ein stark

sexualisiertes Bild. Die zweite dieser Szenen findet erst spät im Clip statt: nachdem

die Frau aus dem Erdgeschoss des Hauses in den ersten Stock geflohen ist, wirft sie

mit Gegenständen in Richtung der Kamera, wodurch die Kamera in dieser

Einstellung die Bedrohung verkörpert. Die dritte Verwendung der subjektiven Kamera

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folgt kurz darauf, als die Frau in das Schlafzimmer flüchtet und auf das Bett fällt. Die

Kamera ist bereits im Raum, die Frau schreit direkt in sie hinein und aus Richtung

der Kamera legen sich Hände um ihren Hals. Direkt darauf folgt jedoch die Auflösung

der Szenerie, in dem die Kamera wegfährt und man sieht, dass die Hände nicht etwa

einem Killer, respektive den ZuseherInnen gehören, sondern dem Regisseur des

Films. Das Schreien in die subjektive Kamera wird in der Schlussszene des

Videoclips nochmals wiederholt, wirkt dann jedoch als eine, den ZuschauerInnen

höhnisch vor Augen gehaltene Parodie der zuvor aufgebauten Filmebene. Einerseits

kann sich das Publikum zu diesem Zeitpunkt der Fiktion von Blick und Handlung

sicher sein, zum anderen zeigt auch der Übergang von einem Schrei in ein Lachen

die nicht vorhandene Ernsthaftigkeit des suggerierten Horrors. Dieser Schrei ist

außerdem im Gegensatz zum ersten auch nicht zu hören, er bleibt hinter der

Tonstruktur des Videoclips verborgen und ist daher von der inhaltlichen Filmebene

losgelöst. Die subjektive Kamera ermöglicht in Kombination mit der fehlenden

Bedrohung in den weiten Kameraeinstellungen und dem Songtext die Vorstellung,

dass der/die ZuschauerIn selbst die Rolle des Mörders übernimmt.

Die Rolle der verschiedenen Handlungsorte als stereotypische Horrorsettings wurde

bereits erörtert. Sie bilden den Hintergrund für die Flucht der Frau, die sowohl als

Figur als auch thematisch stets im Vordergrund steht. Das rote Kleid macht die Frau

dabei in allen Settings durch seine Signalfarbe zum Opfer und zu einem leicht

sichtbaren Ziel.

Das Video erschöpft sich prinzipiell in der Darstellung der Flucht und der

überraschenden Wende der Ereignisse, besondere Funktionen von Farbsymboliken

oder Licht und Lichtverhältnissen sind nicht erkennbar. Darin liegt jedoch die

strukturelle und inhaltliche Besonderheit dieses Videoclips, der alles mehr oder

weniger normal aussehen lässt und auf den ersten Blick keinen offensichtlichen

Grund für die Flucht der Frau liefert.

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8.2.2. Symbolanalyse

Bildebene

Für die struktural-hermeneutische Symbolanalyse nach Müller-Doohm soll die

Sequenz, in der die Frau durch den Wohnraum des Hauses die Treppen hinauf läuft

und am Ende in die Kamera schreit beispielhaft analysiert werden (vgl. Filmprotokoll,

Sequenz 11). Diese Sequenz beinhaltet mit der Flucht, der Gegenwehr der Frau und

der Konfrontation samt Schrei wesentliche Motive des Horrors. Für die deskriptive

und rekonstruktive Analyse wurde die Sequenz in sieben repräsentative Stills

unterteilt.

Sequenz 11, Still 1

Bildbeschreibung: Zu sehen ist eine Frau, die durch ein Wohnzimmer läuft. Sie hat

lange braune Haare, trägt ein rotes Kleid oder einen roten Morgenmantel, ihre rechte

Hand ist nach vorne gerichtet, mit der linken stützt sie sich an einem der Sessel ab,

ihr linkes Bein zeigt ebenfalls nach vorne. Die Einrichtung des Zimmers besteht aus

modernen Designermöbeln, zwei Sesseln, einem Tisch, einer Couch und einer

Stehlampe, an der Wand hängt wahrscheinlich ein Bild. Im rechten oberen Eck

befindet sich ein Gang zu anderen Räumlichkeiten, an der Wand sind die Schatten

der Möbel und der Frau sichtbar.

Bildräumliche Komponenten: Die Frau befindet sich in der Mitte des Bilds, Boden und

Wand bilden durch den schwarz-weißen Kontrast die Hauptachse des Bildes, die den

Laufweg der Frau vorzeichnet. Die Möbel und die Frau sind im Bildvordergrund, die

Frau wird dabei als einziges sich bewegendes Objekt und zusätzlich farblich

hervorgehoben. Der Hintergrund aus schwarzem Boden und weißer Wand ist

großflächig gehalten, ebenso die einzelnen Objekte wie Sessel, Bild und Frau im

Vordergrund. Die Objekte sind alle entlang der genannten Hauptachse angeordnet.

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Es handelt es sich um eine Perspektive aus Obersicht, was die Person verkleinert

erscheinen lässt und einen Rundblick durch den Raum ermöglicht.

Bildästhetische Komponenten: Die Kameraeinstellung ist eine Halbtotale, durch die

Perspektive wird von der Frau ausgehend eine Dynamik innerhalb des eher

statischen Raums erzeugt. Farblich hebt sich die Frau durch ihre rote Kleidung klar

von der Umgebung ab. Das Licht ist eher matt, der Lichteinfall kommt von rechts

unten und wirft Schatten, was die Tiefe des Raums betont und den Bewegungsablauf

der Frau verdeutlicht. Die Farben sind von Spektrum und Fläche her hart

voneinander abgegrenzt.

Rekonstruktion: Das zentrale Motiv ist die Frau, die durch einen Wohnraum läuft.

Dieser geordnete Wohnraum als Symbol der Ruhe, des Ausruhens, des

Zusammenkommen und als zentraler, familiärer Ort eines Hauses ist hier nur ein

Durchgangsort für die laufende Frau. Er ist so gesehen nebensächlich und nur ein

Raum von vielen, den die Frau passiert, da ihr Laufen der wesentliche Inhalt des

Bilds ist. Die Bewegungen der Frau stehen im Gegensatz zu der eigentlichen Ruhe

des Raums, und machen die Frau zu einem Symbol für Eile, Hektik und Flucht, wofür

schnelle, hektische, unkontrollierte usw. Bewegungen kennzeichnend sind. Das

Zimmer ist daher nicht das Ziel der Frau, die Einrichtung stellt kein Angebot der Ruhe

dar, sondern ein Hindernis. Der unbewohnte Wohnraum bietet auch keine Hilfe oder

Hilfestellung im Sinne familiärer Geborgenheit oder die Anwesenheit einer hier

wohnenden Person. Die einzelne, durch diesen Raum laufende Frau symbolisiert so

ihre eigene Hilflosigkeit und die scheinbare Ausweglosigkeit der Situation.

Die Frau durchbricht die Ruhe des Raums auch durch die klare farbliche Abhebung

von Hintergrund und Einrichtung. Das rote Kleid hat Signalfarbe, die Farbe rot ist ein

Symbol für Blut, in diesem Fall für das Blut des Opfers, das vergossen wird.

Die Kameraeinstellung und die Perspektive lassen die Annahme einer

Beobachterperspektive zu, aus der heraus die Frau verfolgt wird.

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Sequenz 11, Still 2

Bildbeschreibung: Die Frau läuft eine Treppe hinauf, sie befindet sich gerade am

Treppenabsatz. Ihr Kopf ist in Richtung der aufsteigenden Treppe gerichtet, ihr

rechter Fuß ist nach vorne gerichtet, mit den Hände hält sie sich links und rechts am

Geländer fest. Ihr Oberkörper ist leicht nach vorne gebeugt. Das rote Kleid hat lange

Arme und geht ihr bis zu den Knien.

Bildräumliche Komponenten: Das Treppengeländer in der Mitte ist die Hauptachse

des Bildes, die wieder gleichbedeutend mit dem Laufweg der Frau ist. Das

Treppengeländer ist im Vordergrund, die Frau läuft aus dem Bildhintergrund die

Treppe hinauf in den Vordergrund, dabei ist sie relativ in der Bildmitte. Sowohl die

Wand im Hintergrund als auch die Treppe in Vorder- und Hintergrund sind

großflächig weiß gehalten, wodurch die Figur der Frau im roten Kleid eine deutliche

kontrastive Betonung erfährt und farblich in den Vordergrund gerückt wird.

Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich um eine halbtotale Kameraeinstellung

aus der Perspektive einer Obersicht. Die Kamera befindet sich in einer Position aus

welcher der gesamte zweistöckige Raum und somit der Laufweg der Frau sichtbar

ist. Das Licht ist immer noch matt und reicht gerade um die weiße Treppe von der

weißen Wand abzuheben und so die Tiefe des Raums darzustellen. Die

Kameraposition erzeugt eine Art allumfassenden Blick auf Raum und Person. Die

Frau in ihrem roten Kleid ist dabei das zentrale Objekt, nicht nur, weil sie die einzige

Person ist, sondern auch, weil sie sich in der Bildmitte befindet.

Rekonstruktion: Die Frau läuft die Treppe hinauf, sie nimmt also die Anstrengung des

Treppenlaufens in Kauf, da sie es eilig zu haben scheint oder sie sich eben auf der

Flucht befindet. Durch fehlende weitere räumliche Komponenten wird die Frau in

ihrem roten Kleid deutlich zum zentralen Objekt, ihre Körperlichkeit wird durch die

Farbe und den Schnitt des Kleids hervorgehoben. Die Treppe ist ein weiteres

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Hindernis, das die Frau auf ihrem Weg zu überwinden hat. Zum einen stellt die Wahl

des Wegs der Treppe die Suche nach der vermuteten Hilfe in einem anderen

Stockwerk des Hauses dar, zum anderen aber auch die Verzweiflung der Frau in

ihrer Situation. Die Treppe und somit die Flucht nach oben, in obere Stockwerke oder

in den Dachboden eines Hauses ist ein zentrales Motiv aus modernen Horrorfilmen,

das zumeist das baldige Ende der Flucht und das Auftreten des Killers einleitet.

Dieses Motiv symbolisiert die Steigerung der drohenden Gefahr.

Die Kamera folgt nun nicht mehr der Frau, sondern sie folgt der Kamera, in dem sie

die Treppe hinauf zu ihr hinläuft. Je nach Konzeption ist auch dies als Flucht zur

Gefahr hin statt von ihr weg zu verstehen und ebenfalls ein Motiv in der Tradition des

modernen Horrors.

Sequenz 11, Still 3

Bildbeschreibung: Die Frau steht am oberen Ende der Treppe, ihr Kopf ist leicht nach

links gedreht, sie schaut nach unten. Ihr Unterkörper und Teile des Oberkörpers sind

vom Geländer verdeckt. Das Kleid scheint offen zu sein.

Bildräumliche Komponenten: Die Frau befindet sich in der Bildmitte, im Vordergrund

ist die großflächige weiße Wand des Treppengeländers, die Frau ist eher im

Hintergrund. Das Geländer deutet als Hauptbildachse erneut den Weg der Frau an.

Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich wieder um eine halbtotale Einstellung

aus einer Untersicht, der Blick der Frau geht nach unten in Richtung Kamera. Das

Licht betont den Hintergrund und verstärkt zusammen mit der Perspektive die Tiefe

des Raums. Die Frau hebt sich dunkel von dem weißen Hintergrund ab, ihre

Konturen verschwimmen aber etwas.

Rekonstruktion: Die Kamera nimmt die Gegenperspektive aus der Position, in der

sich die Frau eben selbst noch befand ein, und folgt so nicht dem bisherigen

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beobachtenden Kameraverlauf. Der Blick der Frau nach unten symbolisiert eine Art

Innehalten während der Flucht, eine Form der Vergewisserung des Tatbestands der

Verfolgung und impliziert somit auch einen Verfolger, dessen Position mit der

Kamera identisch ist. Die Räumlichkeit der bisherigen Sequenz wird gebrochen und

in eine allwissende und allumfassende Beobachterperspektive sowohl aus Sicht der

Frau als auch aus der eines Verfolgers umgewandelt. Dadurch wird die für den

Horror notwendige Paarung von Opfer und Täter erzeugt. Die Frau wird zum Objekt

und Ziel der Verfolgung und ihr Laufen durch das Haus endgültig zu einer Flucht. Der

Täter folgt ihr auf dem selben Weg, somit ist der Weg des Täters für die Frau

einschätzbar, der Weg zurück ist ihr abgeschnitten.

Sequenz 11, Still 4

Bildbeschreibung: Die Frau läuft in einen weiteren Wohnraum hinein. Sie ist von

hinten zu sehen, das Kleid betont ihre Figur und geht ihr nur knapp über die Hüfte.

Ihre Haare wehen, die Arme hält sie leicht vom Körper weg. Im Raum ist recht

niedrig, in der Mitte stehen zwei weiße Sessel, links ein roter Sessel, rechts ein

weiterer weißer Stuhl und ein schwarzer Lederhocker. Die Wände sind weiß, der

Boden grau, vielleicht Teppichboden . Auf der rechten Seite wird der Raum von einer

Glasfassade begrenzt, in der sich die Zimmereinrichtung spiegelt, draußen scheint es

dunkel zu sein. An der Decke befinden sich einige eingelassene, runde Lampen. Im

Hintergrund lassen sich weitere Möbelstücke erahnen.

Bildräumliche Komponenten: Die Bildachsen aus Wand, Glasfassade und Boden

laufen in der Bildmitte in einem Fluchtpunkt zusammen. In dieser Bildmitte befindet

sich die Frau, die Möbel und die Deckenlampen sind entlang der Bildachsen

angeordnet. Die Frau bewegt sich mit dem Rücken zu den ZuseherInnen aus dem

Vordergrund heraus in Richtung Hintergrund. Die Objekte im Hintergrund sind Raum

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so angeordnet, dass sie einen Platz bilden und nicht im Laufweg der Frau stehen.

Die Spiegelungen und die Fluchtachsen erzeugen die Tiefe des Raums. Durch die

Anzahl der Objekte im Raum und deren kleineren Flächen wird die Frau stimmiger in

das Bild integriert, zu dem sind die Wände nun dunkler und ihr rotes Kleid hebt sich

nicht mehr so stark vom Hintergrund ab.

Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich um eine halbnahe Kameraeinstellung

aus gerader Aufsicht, allerdings aus einer Hinteransicht der Hauptfigur. Die Frau läuft

nicht wie bisher auf die Kamera zu, sondern von ihr weg. Der Raum wird künstlich

erhellt, die Farbgebung ist vielfältiger als zuvor. Durch den großen roten Sessel links

im Bild verschwindet die Frau etwas mehr im Gesamtbild, die Signalfunktion ihres

roten Kleids wird abgeschwächt. Das Licht betont den Vordergrund und dimensioniert

den Hintergrund eher durch die Spiegelung in den großen Fenstern.

Rekonstruktion: Der Raum ist nun kleiner wodurch die weiteren Fluchtwege der Frau

begrenzt werden. Auch ist in diesem Raum weder durch Personen oder

Gegenstände eine konkrete Hilfe zur Verbesserung ihrer Lage bzw. zur Abwehr vor

der Bedrohung gegeben. Die Tatsache, dass die Flucht nur räumliche

Veränderungen aber keine Verbesserung der Lage bringt, zeigt in der Symbolik des

Horrors die Sinnlosigkeit der Flucht und die Übermacht des Bösen und dessen

Allgegenwärtigkeit in Form der in jedem Raum in anderer Perspektive vorhandenen

Kamera. Die Glasfassade deutet noch auf eine Verbindung zur Außenwelt hin,

allerdings scheint es draußen oder in dem anderen Raum dunkel zu sein.

Sequenz 11, Still 5

Bildbeschreibung: Die Frau holt mit ihrer rechten Hand zum Wurf mit einem weißen

Gegenstand aus. Ihr Oberkörper steht seitlich zur Kamera, der linke Arm ist nach

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vorne gerichtet, der rechte angewinkelt nach hinten. Ihr Kopf ist leicht zurückgeneigt,

ihre Lippen sind zusammengepresst. Es ist nur die obere Hälfte des Oberkörpers zu

sehen, es ist wieder zu erkennen, dass das Kleid tief ausgeschnitten ist. Im

Hintergrund befinden sich verschiedene Lampen und Lichter, die einen Lichtspot an

die Decke werfen. Rechts von der Frau ist wieder die Glasfassade zu erkennen, in

der sich die Lichter spiegeln.

Bildräumliche Komponenten: Die Frau befindet sich im Vordergrund und in der

Bildmitte, der Hintergrund ist bis auf den grünlichen Lichtspot recht dunkel und

nebensächlich. Die angedeutete Wurfbewegung der Frau impliziert eine

Räumlichkeit, die sich hinter die Kamera oder zumindest bis zu ihr hin erstreckt. Die

Lichter an der Decke bilden die Achsen, die in einem Fluchtpunkt zusammenlaufen,

der sich etwas links neben der rechten Hand der Frau befindet. Die angedeutete

Bewegung des Arms kommt aus diesem Fluchtpunkt heraus und erzeugt eine

Dynamik im Bild, die Hand der Frau befindet sich dabei auf einer der Bildachsen.

Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich um eine Nahaufnahme aus gerader

Sicht. Die Frau stellt einen klaren Kontrast zum Hintergrund dar. Ihre Bewegung ist

bedrohlich, sie wirft einen Gegenstand in Richtung der Kamera, ihr Gesichtsausdruck

ist angespannt, ihr gesamter Ausdruck und ihre Körperhaltung drücken eine

Aggression aus. Es wird eine große Nähe zur Kamera bzw. den ZuseherInnen

erzeugt.

Rekonstruktion: Diese Aggression der Frau richtet sich gegen die Kamera bzw. den

Blick der Kamera und bricht mit der anscheinenden Harmlosigkeit des Raums und

dem fehlenden Gegenüber des faktischen Verfolgers. Der Verfolger und die Kamera

werden in Form einer subjektiven Kameraeinstellung vereint, die Bedrohung wirkt auf

die Kamera zurück. Die Frau bedroht die personifizierte Kamera, die Tatsache, dass

sie den einzigen verfügbaren Gegenstand zu werfen droht, zeugt jedoch von ihrer

Verzweiflung und ist nur ein kurzes Aufbäumen gegen die Übermacht des Verfolgers.

Die Frau ist das mehr oder weniger wehrlose, dem Täter ausgelieferte Opfer, das

eher durch die Betonung der Körperlichkeit hervorgehoben wird, als durch eine

aktive und durchdachte Gegenwehr. Ihr ist aber der Verfolger nun bekannt, sie kann

entsprechend auf ihn reagieren und weiß sich zumindest mit dieser Form der

Gegenwehr zu helfen. Die Frau passt nun nicht nur äußerlich, sondern auch ihrem

Verhalten nach in die stereotype weibliche Opferrolle des modernen Slasher-

Horrorfilms.

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Sequenz 11, Still 6

Bildbeschreibung: Die Frau läuft in einen Raum hinein, ihre Arme hält sie vom Körper

weg, der Kopf ist leicht nach hinten gelegt, der Körper etwas nach links verlagert.

Das Kleid ist sehr tief ausgeschnitten oder fast offen und an der rechten Schulter

zerrissen. Hinter ihr ist ein weißer Raum mit rotem Boden, aus dem sie gerade

kommt. Links von der Frau sieht man einen großen Spiegel mit Glühbirnen darüber,

davor stehen zwei Sessel. Im kleineren Teil des Spiegels ist eine weiße Wand zu

erkennen, im rechten, größeren Teil des Spiegels sieht man eine braune Wand. In

der Mitte des Bildes ist die Trennwand zwischen den beiden beschriebenen Räumen.

Bildräumliche Komponenten: Die Wand in der Bildmitte trennt das Bild in zwei

Hälften: rechts ist die Frau, die aus dem hellen Raum in den dunkleren Raum

hineinläuft, welcher im Hintergrund der linken Bildhälfte zu erkennen ist. Die Frau in

der rechten Bildhälfte befindet sich im Vordergrund des Gesamtbilds, die Einrichtung

in der linken Hälfte im Hintergrund, zu dem sind die Frau und der weiße Hintergrund

großflächiger als die Gegenstände in der linken Bildhälfte. Auf diese Weise wird hier

ein räumlicher Kontrast geschaffen, der durch die Wand in der Bildmitte getrennt

wird. Die Kombination aus Vorder- und Hintergrund dieser beiden Bildhälften erzeugt

die Tiefe des Raums, der in seiner Gesamtheit in beide Richtungen weitergedacht

werden kann. Zum einen als der Raum, aus dem die Frau gerade gelaufen kommt,

zum anderen als der Raum, in den sie läuft und der sich durch die Konstellation im

linken Bildausschnitt eröffnet. Es findet explizit ein räumlicher Übergang statt.

Bildästhetische Komponenten: Die Kameraeinstellung ist halbnah aus frontaler Sicht,

die Frau läuft auf die sich bereits im Raum befindende Kamera zu. Die gesamte

Einstellung ist recht dunkel, das Licht betont nur den Hintergrund der rechten

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Bildhälfte. Somit wird ein starker Kontrast der beiden Bildhälften geschaffen. Die Frau

geht im Vordergrund jedoch unter, ihr rotes Kleid wird nicht mehr hervorgehoben, sie

geht schon fast in die dunklere linke Bildhälfte über.

Rekonstruktion: Der neuerliche Wechsel des Raums führt nun immer mehr in die

Ausweglosigkeit, der Raum wirkt abgeschlossen, als eine Art Sackgasse, was durch

die Tatsache, dass die Kamera bereits im Raum auf das Opfer wartet bestärkt wird.

Im Sinne des Horrors ist damit klar, dass für das Opfer eine Flucht nur eine Frage der

Zeit ist, bis dass diese in der Konfrontation mit dem Täter endet. Durch die abermals

fehlende Hilfe in Form von Personen oder Waffen ist dies das zentrale Motiv. Der

angedeutete neue Raum wirkt wie eine Endstation der Flucht der Frau, er scheint

auch ästhetisch mehr zu ihr zu passen. Das offene Kleid weist die Frau nochmals

verstärkt als Sexualobjekt aus und bestätigt die klischeehafte Darstellung der Frau

innerhalb der Opferrolle im modernen Horrorfilm.

Sequenz 11, Still 7

Bildbeschreibung: Die Frau schreit in die Kamera, dabei ist ihr Mund weit offen, der

Kopf und der Körper sind gerade, ihre Haare fallen ebenso gerade auf ihre Schultern,

die Augen hat sie leicht zugekniffen. Ihr Kleid ist an der rechten Schulter zerrissen

und hat einen tiefen Ausschnitt bzw. ist es möglicherweise aufgegangen. Ihre Arme

hat sie am Körper angelegt, ihr Körper ist aber nur bis zur Brust zu sehen. Rechts

neben der Frau ist die selbe Einrichtung wie im vorherigen Still zu sehen.

Bildräumliche Komponenten: Die Zweiteilung des Bilds bleibt wie schon zuvor

bestehen, die Frau in der rechten Bildhälfte ist aber klar im Vordergrund, der

Hintergrund der linken Seite ist zudem leicht verschwommen, er wird unwichtig, das

Bild ist von dem Ausdruck des Schreiens der Frau dominiert.

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Bildästhetische Komponenten: Die schreiende Frau wird aus gerader Perspektive in

einer Nahaufnahme gezeigt. Das Licht ist matt und verschwindet zum einen fast im

Hintergrund, zum anderen kommt von vorne etwas Licht auf das Gesicht der Frau, so

dass ihr Schrei in den Fokus des Bilds rückt. Der Schrei verleiht dem Bild durch die

starke Mimik der Frau seine Dynamik. Die Beobachterperspektive rückt im Moment

der Verdichtung der Handlung auf den Schrei näher an die Person und an das

Geschehen heran. Die Frau und der Hintergrund wirken stimmiger und einander

zugehöriger.

Rekonstruktion: Der Hintergrund und der Raum werden eher nebensächlich, der

Schrei der Frau als Ausdruck von Angst, Schock oder Grauen rückt als eine direkte

und affektive Reaktion auf eine Bedrohung oder eine schockierende Begebenheit in

den Mittelpunkt. Die Frau ist als Opfer nun Träger des Horrors, wodurch ihr

eigentlicher Körper unwichtig wird und dafür dessen Eigenschaften bezüglich des

Horrors hervorgehoben werden. Der Schrei stellt auch im Sinne des Horrors das

Ende der Flucht und die Konfrontation mit dem Schrecken dar, der nur latent als

Reaktion der Frau im Bild vorhanden ist. Für die Darstellung des Horrors mittels des

Schreis der Frau als Reaktion auf den Horror ist die Betonung des jeweiligen

Körperteils wichtig, daher wird die Frau in Nahaufnahme gezeigt. Die subjektive

Kamera ist nun ganz klar Träger der Bedrohung, der Horror ist sehr nah am

Publikum, die Reaktion der Frau kann auch als Reaktion auf den Blick der

ZuseherInnen verstanden werden.

Textebene

Die einzige Textzeile dieser Sequenz lautet ‚the gods all suck’, sie wird gesungen

bzw. eher gesprochen während die Frau durch den Wohnraum in Richtung Treppe

läuft. Es handelt sich um raue Slang-Sprache, die übersetzt bedeutet: ‚die Götter sind

alle (echt) beschissen’. Auch wenn die gesamte Sequenz damit recht wenig Text

beinhaltet, ist dieser dafür durchaus ausschlaggebend, denn mit Gott bzw. Religion

und Glaube wird so ein wichtiges Thema in Bezug auf Horror angesprochen.

Es wird nicht nur der Gott oder ein Gott als negativ bezeichnet, sondern alle Götter

aller Religionen. Das englische ‚to suck’ kann hierbei verschieden starke

Bedeutungen haben. Grundlegend ist aber die Benennung der Götter als schlecht,

was auf Unzufriedenheit, Enttäuschung, mangelndes Vertrauen, Ungläubigkeit usw.

hinsichtlich der Existenz von Göttern und den ihnen zugeschrieben Eigenschaften

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und Aufgaben deutet. Die Voraussetzung für eine solche Aussage ist daher eine

Vorstellung solcher Aufgaben und Eigenschaften in Verbindung mit der Vorstellung

von einem oder mehreren Göttern. Um eine negative Aussage wie ‚the gods all suck’

machen zu können, müssen die Erfüllungen dieser Vorstellungen von Göttern und

ihren Eigenschaften entweder wiederholt oder in einer speziellen, eventuell

besonders erwartungsvollen Situation nicht eingetreten sein.

Im Horror ist die Religion oftmals die letzte Instanz mit der das Böse noch vertrieben

werden kann, wenn jedoch auch die Religion und der Glaube an das Gute nicht mehr

helfen können, ist die Situation recht ausweglos. Die Religion symbolisiert im Horror

den Glauben an das Gute, an Recht und Ordnung, somit kann vor dem Hintergrund

der Religion immer die Frage gestellt werden, wie es nur zu der leiblichen Existenz

des Bösen kommen kann. Dies wirft die weitere Frage auf, wie es möglich ist, dass

die Religion und der Glaube und respektive Gott selbst es zulassen können, dass

das Böse überhaupt existiert, wo es doch die Aufgabe der Religion ist, das Böse

abzuwenden. Gerade im modernen Horror spielt dieses ‚Versagen’ von Religion und

Glaube eine zentrale Rolle, dieser Hilflosigkeit und Erklärungsnot steht die

‚unglaubliche’ Möglichkeit der puren, triebgesteuerten Grausamkeit menschlichen

Handelns gegenüber. Mit der Aussage ‚the gods all suck’ wird dieses Fehlen einer

göttlichen Hilfe, eines himmlischen Beistands im Moment der existenziellen Not

verdeutlicht und der Horror auf eine weitere Ebene gehoben.

Der Text wird nun von einem Mann vorgetragen, es ist also klar, dass dieser Satz

nicht von der fliehenden Frau stammen kann, er kann aber an sie und ihre

momentane Notsituation gerichtet sein. Bezieht sich die Aussage auf die Meinung

des ‚Sängers’, so dient er zur Erklärung oder auch zur Rechtfertigung seiner

Handlung gegenüber der Religion und dem Glauben. Die Götter sind ihm nicht gut

gestellt, sie erfüllen nicht seine Erwartungen an sie, vielleicht glaubt er schon gar

nicht mehr an irgendeine Form ihrer Existenz. Wenn er nicht an sie glaubt, wenn sie

ihm nicht beistehen und helfen, dann muss er sich und seine Taten nicht vor den

Göttern rechtfertigen oder ihnen verpflichtet sein, Gebote zum Bestehen einer guten

Welt zu beachten.

Ist die Textzeile an die Frau gerichtet, so ist sie ein, auf der Meinung und Erfahrung

des ‚Sängers’ gegründeter Hinweis, dass sie erst gar nicht um Hilfe und Beistand

beten braucht, da die Götter ‚beschissen’, schlecht oder einfach abwesend sind. Die

Frau ist existenziell auf sich alleine gestellt, es wird kein göttliches Wunder

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geschehen, dass sie aus ihrer Lage befreit. Die Textzeile kann also entweder von

einem unabhängigen Erzähler als Kommentar oder Hinweis verfasst sein, sie kann

von einer Person ‚gesungen’ werden, die auf Grund des Wissens der fehlenden

göttlichen Hilfe an deren Stelle als Retter oder Helfer der Frau einspringen wird, oder

die Aussage kann direkt von dem Killer in Form der personifizierten Bedrohung

kommen, der ohne den Glauben an das Gute und Rechte die Frau als sein Opfer

ermorden wird.

Bezogen auf die Funktionsweise des modernen Horrors, ist für die Flucht der Frau

vor einer unbekannten Bedrohung somit klar, dass keine höhere Macht eingreifen

wird, es geht um die reine körperliche Existenz und deren mögliche Zerstörung. Die

Existenz der Bedrohung wird am Ende mit dem Schrei der Frau bestätigt, der zu dem

diegetisch ist und somit zu einem Teil der Text- und Tonebene außerhalb des

bisherigen Clips wird.

8.2.2.1. Zusammenspiel von Bild und Text in ‚Aisha’

Führt man nun die rekonstruierten Symbolgehalte der einzelnen Stills in Verbindung

mit der genannten Textzeile wieder zusammen, so wird der Gehalt des Horrors

dieser Sequenz deutlich. Die Frau ist durch ihre leichte und auffällig rote Kleidung mit

Symbolwerten des sexualisierten weiblichen Opfers des modernen Slasher-Horrors

belegt. Ihre hektische und scheinbar ziellose Flucht symbolisiert das Vorhandensein

einer Bedrohung, vor der sie zu fliehen versucht. Dadurch wird ihre Opferrolle mit der

imaginierten Existenz einer personifizierten Bedrohung genauer definiert, die

verschiedenen Blickwinkel symbolisieren die Allgegenwärtigkeit der Bedrohung. Ihre

Flucht durch verschiedene Räume, besonders die Flucht die Treppe hinauf ist typisch

für den modernen Horror und zeigt zugleich deren Sinnlosigkeit. Das Haus als

geschlossener Raum grenzt sowohl die Fluchtmöglichkeiten als auch den Raum des

Bösen ein und so ist eine Flucht in höhergelegenere und kleinere Räume

gleichbedeutend mit der Konzentration der finalen Bedrohung auf immer weniger

Raum.

Die eigentliche Bedrohung ist dabei nie zu sehen, der direkte Angriff der Frau auf die

Kamera und ihr finaler Schrei in die Kamera eröffnen aber die Möglichkeit, die

Bedrohung hinter der Kamera respektive (unfreiwillig) in den ZuschauerInnen selbst

zu vermuten. Die Frau würde also recht vergeblich versuchen vor dem

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aufdringlichen, eben bedrohlichen Blick der allgegenwärtigen Kamera zu fliehen,

ebenso wie die ZuschauerInnen vergeblich versuchen würden nicht in die Rolle des

Verfolgers zu schlüpfen, der sich in eben jenem Blick der Kamera verbirgt.

Allgemein kann man sagen, dass die Sequenz auf der Bildebene also einen

Ausschnitt aus der Flucht einer Frau vor einer fast unbekannten Bedrohung bis zur

Konfrontation mit dieser zeigt. Fast unbekannt ist die Bedrohung deswegen, weil es

wie erläutert ebenso möglich ist, dass die Bedrohung ein Killer ist, der lediglich im

Songtext vorhanden ist. Dafür spricht auch die Notwendigkeit des Horrors, dass ein

Opfer einem Täter bedarf und umgekehrt.

Diese Täter-Opfer-Paarung kommt im Videoclip zu ‚Aisha’ durch das Zusammenspiel

von Bild- und Textebene zu Stande, in dem sich der männliche, sozusagen

erzählende Täter auf der Textebene befindet und das weibliche, sozusagen

reagierende Opfer auf der Bildebene. Beide antizipieren auf ihrer Ebene die andere

Person, in dem sie ihre eigene Aktion bzw. Reaktion auf die/den Andere/n schildern.

Die Frau als Opfer, in dem sie auf der Bildebene vor dem Mörder auf der Textebene

flieht, der Mann als Mörder, in dem er auf der Textebene das fliehende Opfer auf der

Bildebene indirekt bedroht. Durch diese Rollenverteilung wird zugleich auch deutlich,

dass die Situation für die Frau in jeder Hinsicht ausweglos ist. Auf der Textebene ist

keine Hilfe zu erwarten, da diese wohl ausschließlich mit der Erzählung aus Sicht des

Killers belegt ist, zumindest aber eine übergeordnete, helfende Instanz abstreitet. Auf

der Bildebene sind ebenso weder zur Hilfe kommende Personen noch zur

Gegenwehr nutzbare Gegenstände vorhanden, der Status der Frau als

ausgeliefertes Opfer ist besiegelt.

Durch die konzeptuelle Aufteilung von Täter auf der Textebene und Opfer auf der

Bildebene ist aber auch die Möglichkeit genommen, dass eine der beiden Personen

in die andere Ebene übertritt. Der Text ist dabei vorgegeben und im Voraus bekannt

und abgeschlossen, was bedeuten würde, dass dieser Täter das Opfer auf der

Bildebene nicht bedrohen kann. Es könnte höchstens ein weiterer Täter auf der

Bildebene vorhanden sein. Das Opfer ist auf der Textebene namentlich vorhanden,

seine Geschichte ist bereits erzählt.

Der Horror dieser Sequenz entfaltet sich also in dem intensiven, sich ergänzenden

Zusammenspiel der beiden Ebenen. Die Tonebene hat am Aufbau des Horrors

durchaus auch einen Anteil, da die Flucht der Frau sich mit den treibenden Beats

und der Bassmelodie ergänzt. Die recht hohe verzerrte Gitarre und die

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eingeworfenen Elektrosounds erzeugen auch auf musikalischer Ebene eine

angespannte, vielleicht etwas verstörende Atmosphäre, an welche die Hektik und die

Bedrohlichkeit dieser Szenerie angepasst erscheint. Wichtig ist die Tonebene am

Schluss der Sequenz, denn hier geht die Gitarre bereits in ein kreischendes

Geräusch über, worauf die Musik zunächst endet und nur der Schrei der Frau zu

hören ist. Dadurch wird der Horror kurzzeitig auf allen Ebenen manifestiert, da der

Schrei zu sehen und außer ihm kein weiterer Text zu hören ist.

8.2.2.2. Einordnung der Sequenz in den gesamten Videoclip

Bildebene

Die Handlungsanalyse zeigt, dass die Flucht der Frau auf der Bildebene das alleinige

und somit das Hauptmotiv des Clips ist, das Hauptmotiv auf der Textebene ist die

Existenz eines Mörders, der als Erzähler bzw. Kommentator fungiert. Somit ist die

aus dem Bild-Text-Verhältnis entstehende Täter-Opfer-Konstellation für den

gesamten Videoclip konstitutiv und die Ergebnisse der Symbolanalyse der

Beispielsequenz auf den gesamten Videoclip anwendbar. Die Personen und die

Handlungsorte sind dabei als stereotyp in der Tradition des modernen Horrorfilm zu

verstehen. Die Flucht führt die Frau aus einer Konfrontationssituation mit dem Täter

durch einen Wald, über Wiesen und Wege zu dem Haus, diese voranschreitende

räumliche Begrenzung ist gleichbedeutend mit der räumlichen Begrenzung des

Wirkungskreises des Täters. Die farbliche und sexualisierte Darstellung der Frau

weisen sie innerhalb der Horrorsymbolik als Opfer aus.

Der inhaltliche Bruch der Videocliphandlung folgt auf den Schrei der Frau im Moment

der größten Dichte des Horrors, in dem die sie würgenden Händen nicht etwa dem

Killer, sondern dem Regisseur eines Films gehören. Die Frau wird dadurch vom

Opfer eines Killers zur Darstellerin eines Opfers in einem Film, die bisherige

Handlung wird sowohl rückwirkend als auch vorausgreifend als fiktiv enttarnt.

Der Horror ist trotzdem in der erläuterten Form vorhanden, jedoch wird er auf eine

weitere Filmebene innerhalb des Videoclips gehoben, die Handlung wird sozusagen

zu einer Fiktion in der Fiktion. Die Ausweglosigkeit der Situation der Frau und ihre

Verzweiflung werden so aufgelöst, für die gesamte Clipgeschichte bedeutet dies

jedoch eine Steigerung der gezeigten Horrorhandlung: der Horror der gezeigten

Geschichte lässt sich nur abwenden, in dem er für diese Geschichte als eine fiktive

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Erzählung dekonstruiert wird, nur dadurch, dass die Frau eine Schauspielerin in

einem Film ist, nur durch das Ende des Drehs dieser Szene kann sie diesem Horror

entkommen. Der Horror selbst kann nun erneut imaginär weitergedacht werden, in

dem nicht nur der fehlende Täter ergänzt wird, sondern auch die fehlende ‚Echtheit’

des Gesehenen durch das Wissen um den Ablauf solcher Horrorgeschichten

authentisch wird. Die im Anschluss an die enttarnende Filmset-Szenerie

wiederaufgegriffene Symbolik der Flucht und des Schreis setzen die Handlung fort,

haben ihre vorherige Wirkung jedoch verloren.

Textebene

Wie bereits an der Beispielsequenz dargestellt wurde, ist die Textebene die primäre

Handlungsebene des Täters. Betrachtet man den gesamten Text, so wird in diesem

die Person des Täters konkretisiert und dadurch das Zusammenwirken von Täter und

Opfer durch die Verknüpfung der Ebenen von Text und Bild deutlich. Der im Bild

unsichtbaren Bedrohung wird durch die Erzählung oder den Kommentar des

Sängers/ Verfassers eine fassbare Person zugewiesen, die sich zudem selbst

mehrmals als Mörder tituliert.

So beginnt der Song mit den Zeilen „Aisha, we’ve only just met, and I think you ought

to know I’m a murderer“, wodurch gleich zu Beginn die Personenkonstellation geklärt

wird. Der Sprecher ist der Mörder, er richtet seinen Text an die Person Aisha,

wodurch die auf der Bildebene fliehende Frau als eben die Person Aisha

ausgewiesen wird. Das lässt die Frau zum potentiellen Opfer des im Text

vorgestellten Mörders werden. Im Text wendet sich der Mörder direkt an sein ihm

namentlich bekanntes Opfer, was der Täter-Opfer-Beziehung eine gewisse

Vertrautheit unterstellt. Die Bemerkung „we’ve only just met“ deutet jedoch daraufhin,

dass der Täter sein Opfer besser kennen könnte als es umgekehrt der Fall ist. Durch

die geschlechtliche Konstellation von männlichem Sprecher als Mörder und

weiblichem Opfer auf der Flucht erscheint es plausibel, dass es sich um einen

Triebtäter handelt. In der Tradition des Slasher-Horrors verstärken die anfänglichen

Settings in der Natur sowie die sexualisierte Darstellung des weiblichen Opfers diese

Annahme.

In der zweiten Strophe heißt es „I have a portrait on my wall, he’s a serial killer“, was

durch die Rede in der dritten Person entweder auf eine andere Person als Killer oder

auf eine wie auch immer zu begründende gespaltene Persönlichkeit des Sprechers

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schließen lässt, die der Tradition des Irren als modernes Halbwesen zwischen

Normalität und Wahnsinn Rechnung tragen würde. Das Bild eines Serienkillers kann

aber auch als Vorbild für den Sprecher dienen, jedenfalls wird die Eigenschaft des

Mörders an sich durch den Aspekt des Serienkillers spezifiziert. Die darauf folgende

Textzeile „I thought he wouldn’t escape, Aisha, he got out“ lässt sich ebenso aus den

genannten Blickwinkeln lesen, zum einen der entflohene Killer, zum anderen der

Ausbruch des Wahnsinns im eigenen Körper als psychische Störung. Im Songtext

werden sodann mit dem Friedhofs (cemetary) als kühler und feuchter Ort (cold and

damp place) und Leichen (dead bodies) weitere Horrorsymbole zur Erzeugung einer

unheimlichen und bedrohlichen Stimmung verwendet.

Gegen Ende des Texts heißt es „I still want to be human again, what am I? What am

I? I’m a murderer”, was zum einen auf die Nichtmenschlichkeit des Verfassers als

Monster unbekannter Art hindeutet, zum anderen bezeichnet er sich selbst in einer

Art der Selbstversicherung wieder als Mörder. Die Zeilen ‚Aisha I’m confused, Aisha

I’m vibrating’ verdeutlichen den verwirrten und psychisch labilen Zustand des Täters

gegenüber seinem Opfer und auch die Erregung auf Grund der Attraktivität des

Opfers und/oder der bevorstehenden Tat. Der Text endet mit der bereits in der

Symbolanalyse interpretierten Aussage ‚the gods all suck.’

Bei dem Musikvideo zu ‚Aisha’ von Death in Vegas handelt es sich um die Flucht

oder zumindest um den Teilmoment der Flucht einer Frau vor einem männlichen,

möglicherweise triebgesteuerten Täter. Diese Flucht führt die Frau aus der

anfänglichen Konfrontationssituation mit dem Täter durch einen Wald, über Wiesen

und Wege hin zu einem leerstehenden, aber wohnlichen Haus, in das sie sich rettet,

in dem aber auch letztlich die eigentliche Bedrohungssituation stattfindet. Die

Besonderheit liegt hierbei in dem erläuterten Zusammenspiel von Bild und Ton,

welches diese Geschichte erst ermöglicht. Auf dieser Handlungsebene wird der

Horror lediglich an Hand des Motivs der Flucht symbolisiert und konstant gesteigert,

bis dass er durch die Enttarnung des Gezeigten als Teil eines Films zunächst

abgeschwächt aber nicht komplett auflöst wird.

Die Konzeption aus allwissendem Täter auf der Textebene und unschuldigem,

sexualisiertem Opfer auf der Bildebene stellt dieses Musikvideo in die Tradition des

modernen Slasher-Horrors.

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8.2.2.3. Die visuelle Funktion des Horrors in ‚Aisha’

Die Inszenierung des Horrors im Video zu ‚Aisha’ von Death In Vegas funktioniert

vornehmlich durch die erwähnte Kombination aus Bild und Text. Auch wenn sich die

Bildsprache des Videoclips bereits stark dem Horror zuordnen lässt, ist die im Text

angelegte Rolle des Mörders letztendlich ebenso entscheidend für die Entstehung

des Horrors hinsichtlich des gesamten Clips.

Entsprechend der erstellten Typologie der rein visuellen (bildstrukturellen?) Funktion

von Horror auf der Bildebene, lässt sich ‚Aisha’ von Death In Vegas dem Typus der

Visualisierung des Songtexts zuordnen. Die Frau visualisiert auf der Bildebene das

notwendige Opfer, das zu einem Mörder gehört, der selbst jedoch auf die Darstellung

auf der Textebene beschränkt bleibt. Diese Form der Visualisierung stellt somit einen

Sonderfall dar, weil der Songtext bildlich nicht eins zu eins umgesetzt wird, sondern

die Bild- und die Textebene jeweils die Handlung und die Figur thematisieren, die auf

der jeweils anderen Ebene manifest fehlt. Somit ist aber auch gewährleistet, dass es

sich bei der Bildebene nicht nur um eine narrative Ergänzung des Textes handelt, da

beide Ebenen in direktem, inhaltlichen Bezug zueinander stehen.

Dieser Clip zeigt durch seine Gesamtstruktur sehr deutlich, wie die gleichberechtigte

Stellung der drei Ebenen Bild, Text und Ton zur Funktion und zum Verständnis eines

Musikvideos beiträgt. Es ist nicht möglich zu sagen, ob in diesem Videoclip die Text-

oder die Bildebene eine wichtigere oder entscheidendere Rolle spielen.

8.2.3. Kultursoziologische Deutungsmusteranalyse

8.2.3.1. Einordnung des Videoclips in das Deutungsmuster Horror

Die Flucht der Frau vor einer unbekannten Bedrohung, wahrscheinlich aber vor

einem männlichen Killer, lässt sich folgendermaßen deuten: wenn eine Frau auf der

Flucht ist, dann wird sie verfolgt. Diese recht allgemeine Deutung wird durch das für

den modernen Horror konstitutive Personenpaar von Täter und Opfer spezifiziert:

wenn eine Frau auf der Flucht ist, dann ist sie das Opfer eines Killers. Die Deutung

der Frau als das Opfer eines Killers geht hierbei aus den Ergebnissen der

Symbolanalyse hervor, und kann in Anlehnung an die Funktionsweise des modernen

Slasher-Films weiter detailliert werden: wenn eine Frau leicht oder aufreizend

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gekleidet – oder allgemein sexualisiert inszeniert – auf der Flucht ist, dann ist sie das

Opfer eines, aus welchem Grund auch immer, irren Killers. Setzt man diese Deutung

in Bezug zu der Funktionsweise der Täter-Opfer-Konstellation im Horror, so lässt sich

daraus auf ein weiteres Deutungsmuster schließen: wenn die Frau das Opfer eines

Killers ist, dann wird sie von ihm getötet oder mindestens verletzt.

Ausschlaggebend sind also die Personenkonstellation, die Handlungsorte und der

Handlungsverlauf, sie alle ermöglichen in der Kombination aus den Ebenen Bild,

Text und Ton die Deutung der Handlung als ein Teil von Horror. Die Gültigkeit des

Deutungsmusters Horror wird allerdings erst mit dem Eintreten dieser implizit

vorausgesetzten Bedingungen erreicht, welche in dem gesellschaftlich etablierten

Wissen um den Ablauf von Horror begründet sind.

Das Video zu ‚Aisha’ zeigt zu Beginn aus subjektiver Sicht eine bedrohliche Situation

für das Opfer, jedoch keinen direkten Täter. Danach wird die gemäß des Ablaufs von

Horror als logisch erscheinende Flucht durch stereotype Handlungsorte gezeigt, der

Täter wird durch den Umstand der Flucht antizipiert, ist aber immer noch nicht

sichtbar. Auch die anschließende vergebliche Suche nach Hilfe entspricht dem

Deutungsmuster des Horrors und hält die Existenz einer Bedrohung, sowie das

mitgedachte Töten des Opfers aufrecht. Die Flucht in das Haus und somit die

räumliche Eingrenzung der möglichen Existenz einer personifizierten Bedrohung

führt zu einer weiteren Bestätigung der Deutung der Handlung als Horror, jedoch ist

bereits bekannt, dass sich genau an der Stelle des Auftretens der Bedrohung die

bisherige, und in der Folge auch die gesamte Handlung wandelt.

Durch das Auftreten des Filmteams wird die Handlung des Videoclips bis dato als

fiktiv enttarnt und die Frau vom Opfer eines Killers zur Darstellerin eines Opfers eines

Killers in einem Film. Denn wenn die Frau von einem Filmteam und von, für die

Produktion eines Films benötigtem technischem Equipment umgeben ist, dann ist sie

eine Schauspielerin. Die vorangestellten Deutungen der Handlung als Horror müssen

in der Folge auf die Erzählung eines Horrorfilms im Rahmen des Videoclips

umgedeutet oder transponiert werden. Die Deutung des Horrors wird damit also nicht

hinfällig, sie wird lediglich auf eine weitere Handlungsebene transferiert. Die Frau, die

als Schauspielerin ein Opfer in einem (Horror-)Film darstellt vereint in sich die selben

Deutungen, wie die Frau, die im Videoclip als Opfer auftritt. Das gilt auch für die

Handlungsorte, die Horrorsymbole und den imaginierten Täter. Die Deutungen

beruhen auf dem gedanklichen Weiterführen der Handlung durch die RezipientInnen

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und ihrem Wissen darüber, wie die Handlung vor und nach dem im Videoclip bzw. im

Film im Videoclip gezeigten Handlungsausschnitt verlaufen musste und muss. Dafür

ist die Thematisierung eines Teils einer Horrorhandlung ausreichend.

Es ist weder ein Täter noch eine andere Art der Bedrohung zu sehen, noch wurde

die Frau verletzt oder getötet, sie wird sogar als Schauspielerin enttarnt. Für die Bild-

wie für die Textebene gilt somit, dass die Frau ist ein Opfer ist, das nicht getötet wird

und der männliche Täter ein Mörder ist, der nicht tötet. Der Horror findet faktisch

nicht statt, er ist alleine durch die Personenkombination von Mörder auf Textebene

und Opfer auf Bildebene latent vorhanden. In diesem Zusammenspiel von Bild und

Text erscheint es dem Täter auch gar nicht möglich zu sein auf der Bildebene

auftreten zu können, um das Opfer zu töten.

Die folgenden vier inhaltlichen Aspekte des Videoclips sprechen dafür, die Frau als

Schauspielerin als Variation des final girl’-Motivs zu deuten. Erstens dauert die Flucht

der Frau und somit auch ihre mögliche Gegenwehr recht lange, zweitens treten keine

anderen Personen auf als Hilfe auf, die Frau scheint auf sich gestellt zu sein, drittens

kommt es kommt zu einer finalen Gegenüberstellung von Täter und Opfer und

viertens wird der Täter durch die Auflösung der Handlung als Filmdreh für den

Moment besiegt, in dem er sich für die bisherige Handlung als fiktiv herausstellt.

Durch die Aufteilung der Täter-Opfer-Paarung auf Text- und Bildebene und das

Fehlen des manifesten Horrors sind diese Punkte als Variation des Motivs zu

verstehen.

8.2.3.2. ‚... and I think you ought to know, I’m a murderer’: der sexualisierte Horror

Das Opfer als Sexualobjekt

Die Ergebnisse der Symbolanalyse machen deutlich, dass die Frau in der Rolle des

Opfers sowohl bezogen auf ihre Kleidung und ihre Gestik, als auch mit

bildtechnischen Mitteln wie Kameraeinstellungen, Schnitten und Farbgebung stark

sexualisiert dargestellt wird. Ihre Einordnung in den Horror, genauer in den Slasher-

Film erfolgt über das Täter-Opfer-Muster und die Annahme, dass eine Frau, wenn

das Opfer eines irren Killers ist, sexualisiert dargestellt wird. Die Darstellung als

sexualisiertes Opfer auf der Bildebene wird dabei über die Existenz des Killers auf

der Textebene legitimiert.

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Wie zuvor erläutert kann die Darstellung der Frau in ‚Aisha’ als Variation des ‚final

girl’-Motivs verstanden werden. Als stereotypisches Horrormotiv ermöglicht und

bedingt es die Reduktion der Frau zu einem hilflosen und schwachen Sexualobjekt in

der Fantasie eines allmächtigen männlichen Blicks. Der Videoclip zu ‚Aisha’ adaptiert

und reproduziert so durch seine Ästhetik und Inszenierung ein bestimmtes

Geschlechterverhältnis, in welchem die Eigenschaften der Frau auf ihre

Körperlichkeit beschränkt sind und die tragende Eigenschaft des Manns die

körperliche Eroberung und Dominierung der Frau ist. Für die Frau gibt es dabei kein

Entkommen aus dieser Konstellation, da ihr weiterer Weg als Opfer in einem

Horrorkontext vorgegeben ist. Der Videoclip zeigt die stereotypische Vorstellung, wie

ein solcher Horrorplot abzulaufen hat, wie die Rollen verteilt sein müssen und welche

Eigenschaften mit ihnen verbunden sind. Dies zeigt er nicht nur als Videoclip, der auf

eine kulturelle und gesellschaftliche Internalisierung der Funktionsweisen von

Slasher-Filmen rekurriert, er zeigt in sich selbst, auf einer übergeordneten Ebene die

Produktion eines solchen Films aus dessen Funktionsweisen er sich der Darstellung

und Inszenierung von Geschlechterverhältnissen bedient. Der Videoclip zu ‚Aisha’

folgt dabei der Form und Funktion des ‚final girl’-Motivs im Slasher-Film ohne den

Horror auszuführen oder den Täter zu zeigen, was die Handlung zu einem reinen

Abbild bestimmter Geschlechterverhältnisse werden lässt.

Durch den nicht ausgeführten Horror, d.h. dadurch, dass es zu keiner Konfrontation

der Frau als ‚final girl’ mit dem Killer kommt, wird ihr zum einen die Möglichkeit

genommen, sich in einer Konfrontationssituation zu beweisen, zum anderen kann sie

auch nicht endgültig als Opfer charakterisiert werden, da sie ohne die

Konfrontationssituation zu keinem werden kann. Die Chance sich dem allmächtigen

Killer entgegenzustellen und sich zur Wehr zu setzen wird ihr verwehrt. Es existiert

für die Frau keine Möglichkeit sich der männlichen Rolle anzunähern oder diese im

Sinne des Horrors durch den Sieg über den männlichen Killer selbst einzunehmen

bzw. das Geschlechterverhältnis zumindest zu egalisieren. In diesem Sinne wird die

Frau in ‚Aisha’ um die wesentlichen Eigenschaften eines ‚final girl’ reduziert, ihr wird

somit in der Funktionsweise des Horrors die Ausübung der Figur des ‚final girl’

versagt, sie darf sich noch nicht einmal vergeblich zur Wehr setzen. Dadurch bleibt

sie ein schwaches Sexualobjekt und der unsichtbare, antizipierte männliche Killer

allmächtig und allwissend. Er ist der Frau körperlich und strategisch sogar noch in

dem Moment überlegen, da sich die Frau nur noch so vor dem Killer retten kann, in

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dem die Bildebene als fiktiv aufgelöst wird und die Frau vom Opfer zur Darstellerin

eines Opfers wird.

Diese geschlechtsbedingten Machtverhältnisse des Slasher-Horrors werden im Clip

zu ‚Aisha’ ebenso wenig manifest ausgeführt wie der Horror selbst, statt dessen

werden die Rollen zusätzlich strategisch auf die Bild- und die Textebene aufgeteilt.

Der männliche Mörder ist also nur über die Visualisierung des sexualisierten

weiblichen Opfer als seinem Gegenpart vorhanden, der Text sichert diese

Rollenverteilung ab. Die Frau ist dadurch nicht mehr das sexualisierte Opfer in einer

männlichen Fantasie eines Horrorfilms, sie ist nur noch eine Sexualfantasie. Ihrem

Körper nur die Funktion als Projektionsfläche sexueller Begierde zugestanden, nicht

die Funktion als Projektionsfläche des Horrors.

Die Qual als Lust(gewinn)

Die Flucht des weiblichen Opfers ist zugleich die Jagd des männlichen Täters. Durch

das Fehlen einer differenzierten Charakterisierung und Visualisierung des Täters und

durch die erläuterte Sexualisierung der Frau wird der Umstand der Jagd und des

Quälens des Opfers zu einem rein spezifischen Umgang des Lustgewinns. Zum

einen handelt es sich generell um die masochistische Perspektive des Killers, die

durch die sexuelle Komponente der Hetzjagd nach dem Opfer ebenfalls sadistisch

ist. Die Jagd als Spiel mit der Angst des Opfers verdeutlicht über die

Geschlechterkonstellation erneut das Machtmonopol des männlichen Täters über

das weibliche Opfer, ihr Leben liegt sprichwörtlich in seinen Händen. Die zuvor

erläuterten Aspekte verorten diese Jagd in den berechenbaren Rahmen eines

ungefährdeten Lustgewinns, denn der Frau als Lustobjekt stehen keine

Möglichkeiten der Gegenwehr oder des Entkommens zur Verfügung, wodurch die

Jagd keinen unbefriedigenden Ausgang nehmen kann.

Gewaltpotential

Das Potential an Gewaltdarstellungen ist im Video zu ‚Aisha’ relativ hoch, auch wenn

die manifeste Gewalt und ihre Darstellung eher gering bleibt. Die körperliche Gewalt

ist durch die Täter-Opfer-Konstellation latent vorhanden, im Horror ist ein Täter

immer ein Symbol von Gewalt. Dabei vereint die Figur des Täters in sich die ihm

widerfahrene Form von Gewalt mit jener Form der Gewalt, die er an seinen Opfer

ausübt. Diese Gewaltäußerungen müssen dabei nicht deckungsgleich sein, gerade

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im Slasher-Film kompensiert der oftmals gestörte Täter die psychisch erfahrene

Gewalt durch die Ausführung physischer Gewalt. In ‚Aisha’ sind die

Gewaltdarstellungen per Definition ‚sauber’, wenngleich auch ihre Auswirkungen an

den körperlichen Reaktionen der Frau abzulesen sind. Die körperliche Gewalt scheint

im Clip auf Grund der Bedrohung durch die Jagd zu überwiegen. Es handelt sich

jedoch ebenso um eine Form psychischer Gewalt. Der Täter ist auf der Bildebene nur

imaginär, durch die Erzählung auf der Textebene erzeugt vorhanden. Die Gewalt ist

daher ebenso psychisch in der Erzählung als die Möglichkeit einer solchen

Bedrohung gegenwärtig, deren Existenz als Folge dessen auf der Bildebene

vorausgesetzt wird.

Die Frau in der Rolle des Opfers in einer Horrorhandlung ist das Ziel intendierter,

personaler, physischer Gewalt, die zu dem sexuell motiviert ist. Außerhalb ihrer

funktionalisierten Darstellung in der Horrorebene des Videoclips ist sie aber auch das

Abbild latenter gesellschaftlicher Gewalt, die ebenso sexuell motiviert sein kann.

Nicht im Sinne des Begehrens und sexueller Fügung, sondern in Bezug auf die

Durchsetzung und Reproduktion männlicher Macht in der Gesellschaft mittels einer

sexuell begründeten Definition des Geschlechterverhältnisses. Das weite Feld des

Horrors bietet eine große Grundlage für die Analyse geschlechtermotivierter

Gewaltdarstellungen. Der Verwendung dieser Form von Horror, wie sie im Clip zu

‚Aisha’ vorzufinden ist, kommt im Medium Musikvideoclip noch eine weitere

Bedeutung zu. Die erläuterte, auf die Sexualisierung reduzierte Inszenierung der

Frau im Videoclip unter dem inhaltlichen Vorwand der Frau als Opfer in einem

Slasher-Film, beinhaltet viel subtilere und unterschwelligere Darstellungen der

Diskriminierung von Frauen, die sich hinter dem populärkulturellen Schleier des

Wissens um die Funktionsweise des Slasher-Films verstecken. Eine solche

Darstellung männlicher Macht über weibliche Sexualobjekte ist viel weniger

offensichtlich als beispielsweise jene in den vieldiskutierten Rap- und HipHop

Videoclips. Somit wird auch das plumpe Gegenargument, den Frauen könnte ihre

Degradierung zum Sexualobjekt aus welchem Grund auch immer gefallen entkräftet,

denn sich mit einem Sexualobjekt zu identifizieren, das aus genau diesem Grund

abgeschlachtet wird, fällt bestimmt schwer.

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8.2.4. Einordnung in den Videoclipkorpus

Das Video zu ‚Aisha’ ist innerhalb des Korpus und des Typus Mörder auf Grund der

erläuterten Struktur sicherlich ein Sonderfall, allerdings zeigt es bereits einen Aspekt

aller Videoclips dieses Typs auf: in keinem der Clips, die sich dem modernen

Horrormythos von Mördern, Killern und Irren zuordnen lassen, wird der Tatbestand

des Mords auf der Bildebene manifest gezeigt. In diesem Sinne arbeiten die Clip

dieses Typs mit einer ‚sauberen’ Darstellung der Gewalt in Bezug auf Horror.

Die detaillierteste Darstellung eines Mords auf der Bildebene findet sich in dem

größtenteils narrativen Video zu ‚Billie Jean’ der Gruppe The Bates, die sich nicht nur

nach Norman Bates aus Hitchcocks ‚Psycho’ benannt haben, sondern im genannten

Video auch noch die berühmteste Duschszene des Films nachstellen. Diese ist

allerdings im Clip dadurch abgeschwächt, dass weder das Messer noch das

fließende Blut oder das schreiende Opfer zu sehen sind, diese Komponenten

erbringen die RezipientInnen auf Grund der Bekanntheit der Szene selbst. Eine

Ausnahme ist der Videoclip zu Alice Cooper’s ‚(He’s back) the man behind the mask’,

denn der Song ist Teil des Soundtracks zu dem Horrorfilm ‚Freitag der 13. –Teil VI:

Jason lebt!’ und enthält daher zahlreiche Szenen von Jason Voorhees aus dem Film,

jedoch keine in denen er explizit tötet.

Auf der Textebene befasst sich Nick Cave’s Album ‚Murder Ballads’ von 1996 mit

dem Thema Liebe und Mord, die daraus hervorgegangenen Videos ‚Henry Lee’ und

‚Where the wild roses grow’ zeigen zwei vollkommen unterschiedliche Umsetzungen

des Themas. Das Duett ‚Henry Lee’ mit P.J. Harvey ist ein reiner Performance-Clip

und schildert auf der Textebene einen Eifersuchtsmord eines Mädchens an Henry

Lee. In dem bekannteren Clip zu ‚Where the wild roses grow’, ein Duett mit Kylie

Minogue, übernimmt diese die Schilderung aus Sicht des Opfers, während Nick Cave

den Täter verkörpert. Im Vergleich der Frau mit einer wilden, blühenden Rose, die

zwangsweise verwelken muss und mit der Begründung ‚All beauty must die'

erschlägt er sein Opfer. Der Videoclip zeigt die Geschichte danach, Kylie Minogue

liegt als getötetes Opfer unentdeckt in einem See, der Mörder ist dem gängigen

Muster der Kriminologie nach an den Ort seiner Tat zurückgekehrt und besingt die

fatale Liebschaft rückblickend.

In einigen Videoclips sind Mörder, Killer und Irre in Text und Bild latenter vorhanden.

In Slayers Clip zu ‚Bloodline’ in es heißt z.B. ‚I'll kill you and your dreams tonight’

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oder in dem Song ‚Lords And Wolves’ der Band Underminded kommen die Zeilen

‚killing babies solely on greedy needs’ oder ‚will you please just kill me?’ und ;killing

you is what we want’ vor. Beide Songs beinhalten Schlagwörter wie ‚death’, ‚blood’

‚cut’ oder ‚hell’ usw., die symbolisch mit Mord und Tod im Horror verbunden werden

können. Die Verbindung zur Horrorfigur des Mörders so zwar ist symbolisch

vorhanden, jedoch eher schwach ausgeprägt. Der Clip zu ‚Lords And Wolves’ ist ein

hauptsächlich Performance-Clip, die Band spielt in einem dunklen Setting. In diese

Performance werden Bilder eines dunkelgekleideten Manns eingestreut, der nachts

an einem Gebäude einen roten Farbsprengsatz anbringt und zündet. Die rote Farbe

kann durchaus als Symbol für Blut in der Tradition des Splatterfilms verstanden

werden, besonders da die Farbe in Zeitlupe zerplatzt und einen großen Fleck

hinterlässt in dem der schwarze Schriftzug ‚Rise’ zu erkennen ist. Mit dieser

Einstellung endet das Video. Der Clip zu ‚Bloodline’ von Slayer ist nahezu ein reiner

Performance-Clip, der die Symbolik des Bluts in einer Doppelung der Bildebene sehr

deutlich verwendet, denn die Band wird abwechselnd normal und blutüberströmt

gezeigt. Dieses Blutmotiv wird durch zwei Symbole der Unschuld durchbrochen: zum

einen wird ein Kätzchen gezeigt, das von der Blutlache am Boden trinkt, zum

anderen eine junge Frau, die in der Blutlache kniend von einem Priester eine Hostie

empfängt.

Das Video zu ‚Compulsion’ der Gruppe The Flesh verwendet ähnliche

Gestaltungselemente wie der Clip zu Death In Vegas ‚Aisha’ jedoch ist die

Perspektive genau entgegengesetzt. In der Narration übernimmt die subjektive

Kamera die Perspektive eines Entführungsopfers, zu sehen sind nur die gefesselten

Hände und Füße. Das Setting ist eine verlassene und heruntergekommene Hütte, in

der die Sängerin der Band zusammen mit ein paar in schwarz gekleideten Männern

die Rolle der Bedrohung für das Opfer einnimmt. Ein Mord wird hier zwar nicht direkt

suggeriert, die antizipierte Geschichte lässt diese Deutung jedoch zu und auch der

Stil des Settings und der Kleidung der Männer kann über eine Entführung hinaus zu

einem möglichen Mord gedeutet werden. Die Narration des Clips wird durch die

Performance der Band in einem separaten Setting ergänzt.

Besonders hervorzuheben ist schließlich noch das Video zu ‚Serial Killer’ der Band

Motorhead, da es sich hierbei um eine poetische Spoken-Word Performance aus der

Sicht eines verurteilten Serienmörders handelt. Der Clip zeigt zunächst Sänger

Lemmy Kilmister in einem grünlich schalen Licht im Portrait, später wie er auf einem

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elektrischen Stuhl sitzt. Dazu erzeugen blitzende Lichter und authentisch-

dokumentarisch wirkende schwarz-weiß Aufnahmen von Todeszellen und

Hinrichtungskammern eine verstörende Bildebene. Diese wird durch das Knistern

und Rauschen und die verzerrte Stimme auf der Tonebene verstärkt. Im Text

bezeichnet sich das lyrische Ich des Sängers unter anderem als ‚serial killer’, ‚bloody

hand’ und ‚black dead nightmare’. Insgesamt wird die reuelose Schilderung eines

Serienkillers im Moment seiner Hinrichtung inszeniert, seine Taten sind dabei

wiederum nur in der Imagination der RezipientInnen präsent.

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9. Zusammenfassung und Fazit: Formen und Funktionen der Inszenierung von Horror in Musikvideoclips

Wie in der Beispielanalyse gezeigt werden konnte, decken die Videoclips zu

‚Everybody (Backstreet’s back)’ der Backstreet Boys und ‚Aisha’ von Death In Vegas

als Prototypen des gesamten Korpus alle neun erstellten Horrortypen ab. Bei dem

Musikvideoclipkorpus handelt es wie schon erwähnt um eine Auflistung, die keinen

Anspruch auf Vollständigkeit bezüglich ‚Horrorclips’ oder deren Verteilung gemäß der

Horrortypen erhebt. Die 136 Musikvideos des Korpus verdeutlichen vielmehr die

generelle Verbreitung visualisierter Horrormythen in der medialen Gattung des

Musikvideos, die sich über alle Musikstile, Videocliptypen und Bekanntheitsgrade der

InterpretInnen erstreckt. Die Analyse des Korpus hat zu dem weitere Ergebnisse

hervorgebracht, die in den beiden Beispielclips zum Teil nur angedeutet aufzufinden

sind.

Eine bereits angesprochene Auffälligkeit, der eine gesonderte Betrachtung

zukommen müsste, die im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist, betrifft das

Geschlechterverhältnis in den Videoclips des Korpus. Lediglich sechs der Clips

beinhalten weibliche Horrorfiguren: die Hexen in ‚Burn The Witch’ von Queens of the

Stone Age und ‚Witches! Witches! Rest Now In The Fire!’ von Get Well Soon, das

Halb-Mensch-Halb-Krake-Wesen Sheena in ‚Sheena Is A Parasite’ von The Horrors,

das ‚Living Dead Girl’ in Rob Zombies gleichnamigem Clip und die weiblichen

Vampire in den Clips zu ‚The Creeps’ von The Freaks und ‚Just Because Of You’ von

Us5. Als Opfer männlicher Halbwesen sind Frauen dagegen recht häufig vertreten,

so z.B. in ‚Aisha’ von Death In Vegas, ‚Where The Wild Roses Grow’ von Nick Cave,

‚Sumisu’ von Farin Urlaub, ‘Monster Hospital’ der Gruppe Metric oder in ‚Everybody

(Backstreet’s back)’ der Backstreet Boys. Die stereotypisch sexualisierte Darstellung

des attraktiven, schwachen und unschuldigen weiblichen Opfers ist fast allen jener

Clips gemeinsam. Die Eigenschaften der Opferrolle sind dabei oftmals

nebensächlich, der Horror wird nicht immer ausgeführt, was bedeutet, dass das

weibliche Opfer nicht immer direkt bedroht wird oder gar zu Tode kommt. In diesen

Fällen steht die inszenierte Attraktivität des weiblichen Körpers im Vordergrund und

nicht die Sterblichkeit oder die Zerstörbarkeit des menschlichen Körpers, die gerade

im modernen Horror lediglich attraktiv inszeniert wird um in der Folge um so

detaillierter derangiert zu werden.

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Bezüglich den Interpretinnen fällt auf, dass nur in Peaches Clip zu ‚Kick It’ in Form

bedrohlicher Zombies Horrormythen explizit figurativ vertreten sind. Alle anderen

Videos von Künstlerinnen verwenden besonders auf der Bildebene eher sehr

abgeschwächte Horrorsymbole. So wird z.B. die Sängerin von Bat for Lashes in

‚What’s A Girl To Do’ auf dem Fahrrad von unheimlichen Menschen mit Tierköpfen

begleitet, das Gesicht einer der Sängerinnen von CSS ähnelt im Clip zu ‚Alala’ kurz

einem Zombie und das Video der Frauenband The Priscillas zu ‚All My Friends Are

Zombies’ kommt über den stereotyp an Zombies angelehnten Gang der nicht hinaus.

Alle weiteren Interpretinnen sind Sängerinnen in einer männlichen Band und treten in

den Clips auch in erster Linie als solche auf, wie in ‚Y Control’ von The Yeah Yeah

Yeahs, ‚Monster’ von You Say Party We Say Die! oder den oben genannten

Beispielen. Lediglich in ‚Monster Hospital’ der Gruppe Metric ist die Sängerin auch

das Opfer und in ‚Compulsion’ von The Flesh übernehmen Band und Sängerin die

Täterrollen.

Nicht nur bei der erwähnten Darstellung von weiblichen Opfern, sondern auch bei

jener von Horrorfiguren und -mythen fällt in den Videoclips des Korpus auf, dass zur

Erzeugung bzw. Identifizierung von Horror auf der Bildebene die korrekte Darstellung

von Figuren und ihren Eigenschaften entsprechend der filmischen und literarischen

Vorlagen nicht zwangsweise nötig ist. Da sich das Musikvideo zwar an filmische

Darstellungen anlehnen kann, sich in seiner Machart aber klar vom Film abgrenzt,

muss es weder filmisch-dramaturgischen Regeln folgen, noch abgeschlossene

Stories erzählen oder Figuren logisch aufbauen. So ist es beispielsweise möglich,

dass der Protagonist im Clip zu ‚Born In 69’ der Band Rocket from the Crypt von

Außerirdischen entführt wird, die ihm ein fremdes aber menschliches Gehirn

transplantieren, wodurch er zu einem Vampir und nicht zu einem Zombie wird. Albert

Hammond verkörpert in seinem Clip zu ‚Back to the 101’ nach einem Unfall einen

Geist, der durch den Sprung in sein eigenes Grab aus diesem als Zombie wieder

hervorsteigt. Ebenso sind die zahlreichen Dance-Performances von Zombies in Clips

wie ‚Somebody’s Watching Me’ von Beatfreakz, ‚Just Because Of You’ von Us5 oder

auch Michael Jacksons ‚Thriller’ den apathischen Bewegungen ihrer filmischen

Vorlagen eher uneigen. Wie in der Analyse von ‚Everybody (Backstreet’s back)’

aufgezeigt wird, entspricht eine solche Verwendung von Horrorfiguren einer

Unterordnung des Bildinhalts unter die bildstrukturellen Vorgaben entsprechender

Boygroup- oder Pop-Videos. Dieses Analysebeispiel macht aber auch deutlich, dass

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eine unpassende oder entfremdete Verwendung von Horrorfiguren im Videoclip nicht

automatisch oder ausschließlich eine parodistische Verwendung des Horrors

bedeuten muss. Die Videoclips zu ‚Sumisu’ von Farin Urlaub, ‚Living Dead Girl’ von

Rob Zombie oder ‚Billie Jean’ von The Bates können trotz ihrer weniger

schockierenden Machart durchaus als Hommage an die filmischen Vorlagen

‚Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens’, ‚Das Cabinet des Dr. Caligari’ und

‚Psycho’ verstanden werden, das Video zu ‚I Walked With A Zombie’ von Wednesday

13 beinhaltet sogar Szenen des gleichnamigen Horrorklassikers. Einige der Clips des

Korpus versuchen durch Einblendungen des Titels zu Beginn oder des Schriftzugs

‚The End’ den Eindruck eines Horrorfilms zu erwecken oder den Clip so zumindest in

die Tradition des Horrorfilms zu stellen. Die Schrift ist dann zumeist ästhetisch an die

bekannten Schriftzügen von Horrorfilmen angepasst. Beispiele hierfür finden sich in

‚Who Cares?’ von Gnarls Barkley, ‚Attack of the Ghost Riders’ von The Raveonettes,

‚Nightmares’ von King Gordy oder ‚Monster’ der Band The Automatic. Der Clip zu

‚Sumisu’ von Farin Urlaub adaptiert gar die typischen Kreisblenden seiner

Stummfilmvorlage ‚Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens’.

Zusammengefasst betrachtet fällt auf, dass in den 136 Musikvideoclips des Korpus

von den InterpretInnen fast nie die klassische, das Monster bekämpfende

Heldenrolle eingenommen wird. Wenn die KünstlerInnen selbst in der Narration des

Clips auftreten, dann in der Rolle einer Horrorfigur oder seltener in der Rolle der/des

Opfer/s. Es ist anzunehmen, dass gerade die Tatsache oder die Möglichkeit der

Produktion eines Horrorclips zu einem horrorfremden Song den Reiz der Darstellung

des Bösen ausübt, sozusagen die vermeintliche Chance sich einen Clip lang von

dem eigenen (Pop-)Image zu distanzieren. Diese Überlegung stellt sich nicht für

InterpretInnen, die bereits ein Horrorimage haben, denn in diesen Fällen bedingt das

Image die Darstellung von Horrorfiguren durch die InterpretInnen, da die Übernahme

der Opferrolle das Horrorimage verkehren würde. Die Inszenierung eines

Horrorimage durch Maskierungen ist auf narrativer Ebene in den relativ gleichartig

strukturierten Videoclips der Band Lordi zu erkennen, auf perfomativer Ebene z.B. in

den Clips der Gruppen Slipknot und Insane Clown Posse. Ästhetisch und

dramaturgisch stehen diese Darstellungen jedoch immer in Bezug zu dem Rahmen

der vom Musikfernsehen als Forum bereitgestellten Möglichkeiten.

Die Gemeinsamkeiten von Horror und Gewalt sind in der vorliegenden Arbeit

theoretisch dargelegt worden, die Clipanalyse von Death In Vegas ‚Aisha’ hat die

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Latenz dieser Verbindung und eine Möglichkeit der Distanzierung in der

Visualisierung von Gewalt in Form von Horror aufgezeigt. Die Aufteilung der Täter-

Opfer-Konstellation auf die Bild- und die Textebene entschärft die Grausamkeit des

eigentlichen antizipierten Verbrechens, das sich in seiner Gänze in den Köpfen der

RezipientInnen abspielt. Allerdings wird auch klar, dass sich der Clip dadurch auf der

Bildebene ausschließlich auf die sexualisierte Inszenierung der Frau konzentriert

über die Horror und Gewalt auf latenter Ebene in den Clip transferiert werden.

Die Visualisierung von Horror in Musikvideoclips steht aus Gründen der Ästhetik und

Moral zwangsweise in einer ebenso engen Verbindung zum Thema der Zensur wie

die Darstellung von Gewalt an sich. Die Produktion eines Popvideoclips, der mit den

ursprünglich schrecklichen und grauenvollen Bildern des Horrors arbeitet, entspricht

nicht der kommerziellen Grundlage der Werbefunktion des Musikvideos. Der Horror

ist in jeder seiner Formen zunächst einmal negativ konnotiert, er kann auf Grund

seiner ursprünglichen Eigenschaften nicht als positive Werbefunktion genutzt

werden, seine bildliche Darstellung verbannt ihn in Sendeformate zu später Stunde

oder gleich in die Zensur.

In den relativ geringen und stereotypen Formen seiner Inszenierung ist der Horror mit

seinen Mythen und Figuren jedoch so stark im populärkulturellen Gedächtnis der

massenmedialen Unterhaltungsgesellschaft verankert, dass sein bloßes Abbild

ausreicht um als Horror erkannt und verstanden zu werden. In diesem Sinn sind die

eigentlichen schrecklichen Eigenschaften des Horrors jenseits des Abbilds des

Horrors ausgeblendet, sie lassen sich in einem populärkulturellen Kontext nicht

nutzen. Die äußere Form des Horrors siegt über seine funktionalen Eigenschaften,

wodurch der Horror neutralisiert, entdramatisiert und seinem eigenen Abbild reduziert

wird.

Durch eine solche funktionale Abschwächung mit gleichzeitiger formaler Aufwertung

kann der Horror in seiner Inszenierung eine positivere Konnotation erreichen, die ihn

für die populärkulturelle Gattung des Musikvideoclips inhaltlich und strukturell nutzbar

machen. In dem Analysebeispiel zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ zeigt sich diese

Profanisierung des Horrors in der Kombination mit Tanzelementen, die letztlich die

Oberhand im Musikvideo übernehmen. Der Horror existiert als sinnfreies Kostüm, in

das die Boygroup Backstreet Boys schlüpfen kann und in dem sie ihre normalen

Aktivitäten des Singens und Tanzens ebenso ausüben kann wie ohne Kostüm.

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Bezogen auf die Bildebene als wesentliche Erweiterung des vorgegebenen Songs,

blendet das Musikvideo zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ die funktionalen

Eigenschaften des Horrors aus, in dem es ihn als visuelle Hülle, als Kostümierung für

die Boygroup nutzt. Der Clip zu ‚Aisha’ blendet auf der Bildebene die formalen

Eigenschaften des Horrors aus, in dem er den Täter auf der Textebene belässt und

die Frau im entscheidenden Moment der Videocliphandlung als Schauspielerin in

einem Film enttarnt und die Form des Horrors damit dekonstruiert. Die beiden

Videoclipanalysen stellen somit auch zwei Möglichkeiten dar, Horror zu verwenden

und die Zensur zu umgehen. Im Fall von ‚Aisha’ stellt sich die Frage der Zensur

allerdings auch unabhängig vom Horror in Bezug auf die sexualisierte Darstellung.

Wie bereits angedeutet wurde und wie auch im Korpus zu erkennen ist, existieren

auch drastischere Visualisierungen von Horror. Videoclips wie ‚Come To Daddy’ von

Aphex Twin oder ‚Rock DJ’ von Robbie Williams sind auf Grund ihrer, als besonders

künstlerisch definierten Machart oder eben weil sie als Popclip der Zensur zum Opfer

fielen Eingang in die Populärkultur gefunden. Abseits des Musikvideo-Mainstreams

existieren jedoch ganze Musikstile die sich bewusst auf das Horrorgenre stützen und

sich dessen ursprüngliche Ästhetik des Schreckens, Schocks und Ekels aneignen.

So lehnen sich im Horrorpunk die textlichen und visuellen Bestandteile der Musik an

frühe Monster B-Movies an247, ein Beispiel aus dem Korpus ist das Video ‚I Walked

With A Zombie’ der Band Wednesday 13. Auch die Ästhetik des Psychobilly steht

dem Horror nahe, hier werden Horrorsymboliken mit Elementen des Rock’n’roll der

1950er Jahre kombiniert248, im Korpus ist dieser Musikstil durch die Gruppe The

Ghastly Ones und ihr Video ‚Haulin’ Hearse’ vertreten. Horrorcore ist ein Subgenre

des Rap, in dem die Texte oftmals an bekannte Szenarien aus Splatterfilmen

angelehnt und mit Samples typischer Geräusche unterlegt sind249. Im Korpus ist

Horrorcore besonders durch jene Bands und Interpreten wie Insane Clown Posse,

Boondox oder MC Basstard vertreten, die unter den Typus Masken und Maskierung

fallen. Es ist also zu erkennen, das der Horror abseits des musikalischen Mainstream

auch in ursprünglicher Form und Funktion anzutreffen ist, jedoch selbst dann keine

spezifische Verbindung von Horror und Musikstil existiert.

In der Inszenierung in Musikvideoclips tritt der Horror in allen seinen Formen als

Figur oder Mythos auf. Das inhaltliche Zusammenspiel von Text und Bild ist dabei

247 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Horrorpunk 248 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Psychobilly 249 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Horrorcore

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vollkommen frei, ein Horrortext zieht nicht notwendigerweise eine visuelle Umsetzung

auf der Bildebene nach sich, genauso wenig muss die Visualisierung von Horror eine

Erwähnung von Horror im Text voraussetzen. Die musikalische Richtung ist im

Zusammenspiel mit dem Horrorgenre weder für die Text- noch für die Bildebene

ausschlaggebend. Der Horror kann in seiner Verwendung in Musikvideoclips

besonders auf der Bildebene eine starke Funktion der Erzeugung oder Festigung

eines Image übernehmen, die Möglichkeiten dieser Funktion sind in der vorliegenden

Arbeit erläutert worden. Die Beispielanalysen und der Videoclipkorpus zeigen nicht

zuletzt, dass die Bezeichnung ‚Horrormusikvideo’ aus genretheoretischer Sicht nur

schwerlich möglich ist und einer gesonderten Erforschung bedarf.

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Reichertz, Jo: Objektive Hermeneutik, in: Hitzler, Ronald; Honer, Anne (Hg.): Sozialwissenschaftliche

Hermeneutik. Eine Einführung, Leske + Budrich, Opladen, 1997; S.31-56

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Rösing, Helmut: Bilderwelt der Klänge – Klangwelt der Bilder. Beobachtungen zur Konvergenz der

Sinne, in: Helms, Dietrich; Phleps, Thomas (Hg.): Clipped Differences, transcript Verlag, Bielefeld,

2003; S.9-26

Rötter, Günther: Videoclips und Visualisierung von E-Musik, in: Kloppenburg, Josef (Hg.): Musik

multimedial. Filmmusik, Videoclip, Fernsehen; Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert 11, Laaber

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Schmidt, Axel: Sound and Vision go MTV – die Geschichte des Musiksenders bis heute, in:

Neumann-Braun, Klaus (Hg.): Viva MTV!, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1999; S.93-131

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Ullrich, Carsten G.: Deutungsmusteranalyse und diskursives Interview; in: Zeitschrift für Soziologie,

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Vogelsang, Waldemar: Jugendliche Video-Cliquen. Action- und Horrorvideos als

Kristallisationspunkte einer neuen Fankultur, Westdeutscher Verlag, Opladen, 1991

Vossoughi, Lukas: Gegenwelten – Bilder des Schreckens. Über die Darstellung narrativer und

ikonografischer Motive im Horrorfilm; Universität Wien, Diplomarbeit, 2002

Weibel, Peter: Was ist ein Videoclip? in Body, Veruschka; Weibel, Peter (Hg.): Clip, Klapp, Bum. Von

der visuellen Musik zum Musikvideo; DuMont Reiseverlag, Köln, 1987; S.274-275

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Medizinverlag, München, 1995; S.127-213

Winter, Rainer; Kagelmann: H. Jürgen: Videoclips, in: Bruhn, Herbert; Oerter, Rolf; Rösing, Helmut

(Hg.): Musikpsychologie. Ein Handbuch; Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2002; S. 208-220

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Internetquellen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Horrorcore [08.06.2008]

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http://de.wikipedia.org/wiki/Psychobilly [08.06.2008]

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http://en.wikipedia.org/wiki/Joseph_Kahn [01.06.08]

http://en.wikipedia.org/wiki/The_Contino_Sessions [25.05.2008]

http://www.arte.tv/de/suche/785564.html [25.05.2008]

http://www.josephkahn.com/biography/1103.xml?page=2 [01.06.08]

http://www.indiepedia.de/index.php/Horror [08.06.2008]

http://www.laut.de/wortlaut/artists/d/death_in_vegas/biographie/index.htm [25.05.2008]

http://www.terryrichardson.com/biography.html [25.05.2008]

Verwendete Internetquellen zur Recherche von Musikvideoclips: http://ifmv.blogspot.com/

http://videos.antville.org/

http://www.indiepedia.de/

http://www.mvdbase.com/

http://www.popzoot.tv/cliparchiv/

http://www.videoville.org/

http://www.youtube.com/

Webplattform zur Transkription von audiovisuellen Produkten http://filmolator.designtist.org

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11. Abstract

Die vorliegende Arbeit untersucht aus einer wissenssoziologischen Perspektive die

Formen und die Funktionen des Horrors in der medialen Gattung Musikvideoclips. Zu

Beginn wird in Titeln und Namen aufgezeigt, wie das Horrorgenre und das

Musikbusiness generell zusammenspielen.

Es folgt mit den Kapiteln zu Musikfernsehen, zu Musikvideoclips und zu Horror die

theoretische Grundlage dieser Arbeit. Zunächst wird die Entstehung des

Musikfernsehens in Form des Senders MTV und dessen Programmstruktur erläutert.

Als Gegenbeispiel werden in einem kurzen Abriss das Konzept des deutschen

Musiksenders VIVA und dessen internationale Rolle portraitiert. Als Schlusspunkt

des Kapitels wird die Besonderheit der Präsentation von Musikvideos im Format

Musikfernsehen erörtert.

Das Kapitel zu Musikvideoclips beginnt mit der Geschichte und der Entwicklung von

frühen Vorgängern bis hin zur heutigen Form der Clips. Dabei wird auch deren

werbetechnische Funktion erläutert. Nach der Darstellung verschiedener

Definitionsmöglichkeiten von Musikvideoclips, werden ihre Funktionen und ihre

Struktur aufgezeigt. Das Kapitel erarbeitet die Unterschiede der Bildebene des

Videoclips zu Film und Fernsehen und grenzt die Tonebene des Musikvideos von der

Filmmusik ab. Als erstes theoretisches Ergebnis schließt die Kategorisierung von

Musikvideoclips an. Die Arbeit folgt dabei dem Modell von Michael Altrogge, das vor

dem Hintergrund älterer Modelle dargestellt wird. Die drei grundlegenden Musikstile

und die vier Möglichkeiten Musikvideoclips zu kategorisieren dienen der Arbeit als

Grundlage für die spätere empirische Analyse. Die Vorstellung einiger

Zusammenhänge von Musikstil und Cliptypen leitet zum thematischen Fokus des

Horrors über.

Zunächst werden die Grundlagen des Horrors aus phantastischen Literatur heraus

und an Hand der Figur des Halbwesens erläutert. Die Typologie der Halbwesen ist

dabei theoretische Grundlage für die spätere empirische Arbeit. Die Trennung von

klassischem und modernem Horrorfilm und die Erläuterung der Symbolik des Horrors

bilden die Basis für die Untersuchung der Form des Horrors in Videoclips. Danach

werden die Funktionen wie z.B. Angst- und Spannungserzeugung des Horrors

vorgestellt und der Bogen zur medialen Darstellung von Gewalt in Film und

Fernsehen gespannt.

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Ein Überblick über den Forschungsstand zu Gewalt und Horror in Musikvideoclips

leitet in den empirischen Teil der Arbeit über. Zuvor wird der Korpus der 136

Musikvideoclips beschrieben und die neun entwickelten Typen der Form des Horrors

in Musikvideos erklärt. Als Zwischenergebnis werden fünf Typen der visuellen

Funktion des Horrors genannt: Image, Verbildlichung des Songtexts, narrative

Ergänzung, symbolische Ergänzung und keine Funktion auf der Bildebene.

Es folgt die Darlegung des methodischen Vorgehens, bei dem es sich um eine

Kombination aus Filmanalyse, Videoclipanalyse als struktural-hermeneutische

Symbolanalyse und Deutungsmusteranalyse handelt. Diese drei methodischen

Ansätze werden jeweils in ihrer Konzeption erläutert, ihre Verwendung für die

Videoclipanalyse in der vorliegenden Arbeit wird diskutiert und die einzelnen

Arbeitsschritte der Videoclipanalyse werden erörtert.

Die Analyse zweier ausgewählter Musikvideos ist das Kernstück dieser Arbeit und

zugleich das abschließende Kapitel. An Hand der erläuterten Methoden werden der

Clip zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ der Boyband Backstreet Boys und das Video

zu ‚Aisha’ der Gruppe Death In Vegas analysiert. Beide Beispiele werden in der

Filmanalyse strukturell interpretiert und danach in der Videoclipanalyse als struktuarl-

hermeneutische Symbolanalyse je an Hand einer Beispielsequenz deskriptiv und

rekonstruktiv analysiert. Die Deutungsmusteranalysen erarbeiten auf dieser Basis die

latenten Sinngehalte in den beiden Clips. Hier sind die zentralen Ergebnisse zum

einen die entdramatisierte und die sexualisierte Form, die der Horror in den

Videoclips annimmt, zum anderen die Image erzeugende Funktion des Horrors auf

der Bildebene. Beide Videoclips decken die erstellten Typologien ab und werden am

Ende wieder im Korpus verortet.

Abschließend werden die Ergebnisse bezüglich der Formen und Funktionen von

Horror in Musikvideoclips nochmals zusammengefasst wiedergegeben.

Im Anhang finden sich die Filmprotokolle, Songtexte und die umfangreiche Liste der

Musikvideoclips des Korpus.

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12. Lebenslauf Persönliche Daten Name, Vorname: Klug, Daniel Geburtsdatum, -ort: 18.Juli 1978, Aachen E-Mail: [email protected] Ausbildung 09/2006 – 06/2008 Magisterstudium der Soziologie an der Universität Wien 10/2002 – 08/2006 Bakkalaureatsstudium der Soziologie an der Universität Wien 10/1998 – 07/2000 Studium der Germanistik an der Ludwig-Maximilian-Universität

München 09/1988 – 07/1998 Gymnasium Olching 09/1984 – 07/1988 Grundschule Olching

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Berufstätigkeit 06/2007 – 06/2008 Institut für Soziologie, Universität Wien

„Workshop & Workshow Visuelle Soziologie“ 05/2007 – 12/2007 L & R Sozialforschung Wien 12/2006 – 10/2007 Neuberger Research Markt- und Meinungsforschung Wien 05/2006 – 10/2007 TrendCom Markt- und Meinungsforschung Wien 08/2005 – 10/2005 Institut für Medienwissenschaft, Universität Basel

Projekt „CLIPS Bild- Text- Tonanalysen“ Projekt zur interdisziplinären Forschung und Lehre

04/2004 – 10/2004 Institut für Technikfolgen – Abschätzung Wien 03/2001 – 02/2002 Bayerischer Rundfunk München Veröffentlichungen Klug, Daniel; Taschek, Michaela: Das kurze Grauen. Horror in Musikvideoclips; in: Biedermann, Claudio; Stiegler, Christian: Horror und Ästhetik. Eine interdisziplinäre Spurensuche, UVK Verlag Konstanz (erscheint 06/2008) Vorträge 03/2007 Das kurze Grauen. Horror in Musikvideoclips; Symposium zu einer

inter-medialen Ästhetik des Horrors, 30./31.03.07, Wien 11/2007 Formen und Funktionen der Inszenierung von Horror in

Musikvideoclips; Workshop & Workshow Visuelle Soziologie, 23./24.11.07, Wien

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13. Anhang Interpret: Backstreet Boys Titel: Everybody (Backstreet’s Back) Dauer: 5:01min. Regie: Joseph Kahn Jahr: 1997

Bildebene Textebene TonebeneNr. Dauer Screenshot Kamera Handlung Dialog Musik, Ton, Geräusch Memo (Horror)1 0:00 –

0.05

Halbnah Ein hölzernes Schlosstor geht auf; im Hintergrund Nacht und Blitze, die Backstreet Boys und ein Busfahrer vor dem Tor; kurzer Schwenk durch die Eingangshalle mit Kerzen und leeren Gängen

Orgel, Streicher Schloss, Blitz, Donner Musik schwillt an Knarrende Tür

Unbekannter, abgelegener Ort Sitz des Unbekannten und Unheimlichen, das Verborgene

2 0:06 –0:27

Halbnah Nah

BSB und Fahrer stehen vor dem offenen Tor Hintergrund: Blitz, Nacht Fahrer rennt weg

Nick: „This is the second time the bus broke down.“; Fahrer: “This ain’t my fault.”; Brian: “Yo, we’re not gonna make it to the next show.”; Durcheinander reden; Fahrer: “Ain’t my fault. Look, the bus broke down, I’ll get it fixed, y’all just chill here for a minute” Howie: “Honestly this place is creepy.” Fahrer: “Look, look. I’ll be back.”

Hintergrundmusik, Streicher Donner Musik steigert sich Tusch

Autopanne, verlassene Gegend Klassischer Teenie-Horror Anfang I’ll be back eben nicht Der Satz bedeutet das Gegenteil

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3 0:28 –0:44

Halbtotal Groß Nah Groß

Brian in dunklem Zimmer mit großem Himmelbett Spinnweben an der Wand Draußen Nacht, Blitze Ausgestopfter Bärenkopf an Wand, Blitz Brian schüttelt Bettdecke auf Brian liegt in Bett, richtet sich auf Brian holt unter Bettdeck ausgestopftes Tier hervor

Leichte Hintergrundmusik Spinnweben, dunkel unheimlicher Ort, unheimliche Atmosphäre

Donner Musik schwillt an Quieken, Schrei

Das Alte Das Tote In diesem Schlafzimmer kann man keine Ruhe finden Schrei, Schrecken, Angst

4 0:45

Total Schloss zwischen spitzen Bergen Vollmond, dunkle Nacht; Blitze Fledermäuse

Schrei

Horrorsymbolik: Schloss, Fledermaus, Vollmond, Nacht Der äußere Ort wird genauer definiert

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5 0:46 –1:01

Nah

Brian steht als Werwolf in seinem Zimmer Arme ausgebreitet Heult Kopf in Nacken

Everybody Rock your body Everybody Rock your body right

Intro Ruhige Musik, keine Beats Heulen

Werwolf, erstes Setting und erster Mythos

6 1:02 –1:04

Halbnah groß

Frau in rotem Kleid in Schlossgang, Augen geschlossen Gesicht der Frau öffnet Augen

Backstreet's Back alright

Musik steigert sich Stoppt, nur Gesang Musik setzt ein

Rot als Signalfarbe, Blut, Opfer

7 1:05 –1:14

Halbnah Groß

Brian turnt als Werwolf durchs Zimmer Gesicht alter Mann

Instrumentale Strophe

Werwolf Das Alte

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Halbnah halbnah Groß Halbnah groß

mehrere Frauen bewegen sich lasziv vor einem Sarg Frau in rotem Kleid Frauen vor Sarg Frau leckt Sarg ab Sarg geht auf Howie als Vampir im Sarg

Oh my God

Erste Strophe (A.J.)

Sarg, hier als sexuelle Anziehung zweites Setting/Mythos Angedeutete erotische Komponente des Vampirs Zweiter Mythos: Vampir

8 1:15 –1:31

Groß Nah Halbnah Groß Groß

AJ als Phantom der Oper mit halber Maske sitzt mit Frauen an einer großen Festtafel mit Kerzenständer Ratte auf Tisch A.J. singt

we're back again Brothers, sisters, everybody sing We're gonna bring the flavor show you how I've gotta question for ya

Erste Strophe (A.J.) Ruhigere Musik, Bassriff

Drittes Setting/Mythos, Phantom der Oper Dekadenz, Maßlosigkeit (vgl. Todsünde), Gegensatz zwischen Luxus und gesellschaftlicher Abgeschiedenheit (vs. Frauen als Gäste)

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Groß Ratte auf Tisch better answer now yeah

Ungeziefer (Wiederspruch)

9 1:31 –1:34

Halbnah Groß nah

Nick als Mumie in einem Sarkophag Ausgestopfter Bärenkopf an Wand Kevin von der Seite

Am I original? Yeah

Pre-Chorus plus Streicher

Viertes Setting/Mythos: Mumie Das Alte, hinaufbeschworen aus der Vergessenheit Das Tote Letztes Setting/Mythos?

10 1:35 –1:38

Nah Groß Nah nah

Brian als Werwolf Ausgestopfter Wildschweinkopf Kevin von der Seite

Am I the only one? Yeah

Zähne sehr deutlich als Markenzeichen des Werwolfs, das Animalische Das Tote

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11 1:39 –1:44

Groß Halbnah nah

Nick als Mumie Howie als Vampir durch Zimmer Kevin von der Seite

Am I sexual? Yeah

Mumie bewegt sich, ist bereits von den Toten auferstanden bzw. hinaufbeschworen worden Vampir tritt aus Sarg in ‚normalen’ Raum/Leben über

12 1:45 –1:48

Groß Groß

Howie als Werwolf Nick als Mumie kommt aus Sarkophag

Am I everything you need?

Wieder die Zähne Bedrohlicher, aggressiver Blick?

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nah Kevin dreht Kopf auf andere Seite, grün-blaues Gesicht, Kevin als Dr. Jekyll und Mr. Hide

You better rock you body now

Fünftes Setting/Mythos: Dr. Jekyll/ Mr. Hyde

13 1:49 –2:14

Nah Nah Halbnah Nah Halbnah Halbnah

Kevin als Dr.J &Mr.H von der Seite in Arbeitszimmer, bewegt Arm Howie Vampir tanzt vor offenem Sarg Nick Mumie tanzt vor Sarkophag, Arme Richtung Kamera Kevin Dr.J tanzt seitlich vor Wand Howie tanzt vor Sarg, daneben steht Dienstpersonal Brain Werwolf macht Backflip in Gang

Everybody Yeah Rock your body Yeah Everybody Rock your

Chorus Dance-Beat

Die innere Gespaltenheit, Widerspruch, psychische Labilität Das ‚Wahnsinnige’ Das Wilde, das Animalische, unkontrolliert

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Groß Halbnah Groß Halbnah Halbnah Groß Halbnah Halbnah Groß Halbnah Halbnah Groß Zoom nah

Nick Mumie Howie Vampir tanzt Seine Füße Howie tanzt vor Sarg AJ als Ph. steht an Tischende und singt AJ singt mit Gestik wie Opernsänger Kevin steht vor Wand Nick tanzt vor Sarkophag Brian Kopf von Seite AJ steht an Tischende Werwolf Brian Festtafel Howie tanzt vor Sarg Zwei Dienstmädchen, eine dreht Kopf zur Kamera

Body Right Backstreet's back Alright alright

Bricht aus

14 2:15 –2:31

Halbnah Groß

AJ als Ph. in einem Raum, tanzt mit mehreren Frauen in roten und schwarzen Kleidern Morphing: Masken wird angedeutet, Bild verzerrt

Now throw your hands up in the air And wave 'em around like you just don't care Uh uh uh (Chor)

Zweite Strophe Keine Melodie, nur Beats/Gesang

Rot und schwarz Farbsymbolik des Horrors Maske, Geist (?)

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Halbnah Groß halbnah

AJ und Frauen tanzen Morphing: Gesicht kommt aus Bildfläche AJ und Frauen, Tanzchoreografie

If you wanna party let me hear you yell Uuuuuh (Chor) 'Cause we've got it goin' on again

Phantom tanzt gesellschaftlich akzeptiertes Verhalten trotz der Abgeschiedenheit und Stigmatisierung als unheimliches Wesen Maske, das Verborgene (?)

15 2:32 –2:49

Halbnah Nah Halbnah

Kevin tanzt Frau in rotem Kleid, hinter ihr taucht Howie Vampir aus Morphing auf Nick Mumie stehend in Gruft mit anderen Mumie, Kreuz, langsam

Am I original? Yeah

Pre-Chorus Streicher

Hier auch: Zimmer als Arbeitszimmer Wissenschaft als Horror, der Wissenschaftler zwischen abgehobenem, weltfremden Wahnsinn und Wissenschaftlichkeit Frau als unschuldiges, unwissendes Opfer des Vampirs Schwerfälligkeit er Mumie, langsamer Horror

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Halbnah Nah Halbnah Halbnah Groß Groß Nah, Zoom nah

Brian als Werwolf, leicht tanzend AJ Phantom mit Frauen Nick Mumie aus Sarkophag heraus Kevin nimmt Tasche von Gesicht weg, gute Seite Howie hinter Rücken von Frau Kevin von Seite böse Seite Howie mit Vampirfrauen, aufgerissene Münder, Hände ausgestreckt

Am I the only one? Yeah Am I sexual? Yeah Am I everything you need? You better rock you body now

Der Doppelgänger, das Verdecken der bösen Seite, Verstecken hinter der Wissenschaft (?) Zwischen Bedrohung und sexueller Anziehung

16 2:50 –3:15

Total

Brian macht Flick-Flacks in den Tanzsaal

Everybody

Chorus Melodie, Dance-Beat

Das Wilde

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Nah Groß Halbnah Nah Halbnah Halbnah Nah Nah Nah Halbnah Zoom, nah Nah, halbnah

Nick tanzt mit zwei Mumie Choreo Kevin Dr.J Böse Seite Nick tanzt mit anderen Mumien Howie Vampir kurz vor Biss in Hals von Frau, Kopf zu Kamera Nick tanzt mit anderen Mumien Kevin Dr. J in aufgehender Tür, dreht sich Kevin frontal, beide Gesichter zu sehen Frau mit Howies Händen um Hals Kevin frontal, Ratte auf Schulter Brian Werwolf im Zimmer

Yeah Rock your body Yeah Every body Rock Your Body right

Keine Schwerfälligkeit mehr Zwiegespalten, jetzt: die böse Seite Wehrloses Opfer

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Halbnah total

AJ am Banketttisch mit Frauen sitzend Nick tanzt mit anderen Mumien Brian in Halle Flickflacks an Wand, durch Halle

Backstreet's Back alright Alright

Musik wird ruhiger

17 3:16 –3:22

Halbnah Halbnah Nah Zoom weg Nah

Kevin Dr. J, Gesicht kommt hinter Tasche hervor Nick in Gruft Howie deutet Biss in Hals von Frau an AJ am Banketttisch Howie nochmals angedeuteter Biss

Ah yeah ah yeah

Musik fährt runter, wird tiefer

Sexuelle Andeutungen des Biss

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Halbnah nah

Nick in Gruft Nochmals Howie angedeuteter Biss, Frau lächelt

Musik endet, Beats werden weniger

18 3:23 –3:39

Nah Nah Versch. Nah, zoom out Nah

Nick als Mumie singt Eisentor Aufschrift: ’Ballroom Dance Tonight’, Hintergrund Schloss BSB tanzen in zivil mit Frauen in vornehmen Ballkleidern, mittelalterliche Szene Nick als Mumie in Gruft AJ tanzt Nick als Mumie

So everybody everywhere Don't be afraid, don't have no fear Gonna tell the world, make it understand As long as there'll be

Mittelteil, Interlude Ruhig, nur Streicher

Wechsel der Handlung bzw. Erweiterung Tanz als gesellschaftliches Ereignis, als Verbindung zur Außenwelt Unschuldige Frauen zum Tanz Stellvertretend für das trotzdem vorhandene Horror-Alter Ego

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Schloss in der Nacht, Blitz Nick tanzt in zivil

music we'll be coming back

Musik schwillt ein bisschen an

Schloss, Nacht, Blitz

19 3:40 –3:47

Halbtotal Halbnah Nah Halbnah Halbnah Halbnah halbnah

Howie kommt aus seinem Sarg Brian in Halle macht Backflip von Sofa Howie öffnet Mantel, Fledermäuse fliegen heraus, deutet Schrei an Brian macht Backflip durch Raum von Kevin Dr. J, der Tasche in Vordergrund hält Howie und Fledermäuse Kevin mit Tasche Frau in roten Kleid, aus Hintergrund kommen Fledermäuse Richtung Kamera bis Bild schwarz ist

again Musik setzt wieder ein, steigernd Musik steigert sich Beat beginnt wieder Beat setzt ein, Musik wird immer höher Stopp

Wieder das Wilde Verwandlung, das Tierische Fledermäuse Verbindung von Opfer, Bedrohung und dem Animalischen Symbolischer Ersatz für den Biss des Vampirs?

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20 3:48 –4:29

Halbtotal Halbnah Nah Halbtotal Nah Halbtotal Nah Halbnah Nah Halbtotal Versch. Perspektiven Nah Zoom out

Tanzsaal, BSB in zivil mit TänzerInnengruppe, tanzen Choreo Brian singt und tanzt Alle Kevin Alle Howie Alle Brian Alle Alle Kevin AJ, andere im Hintergrund

Everybody Yeah Rock your body Yeah Everybody Rock your Body right Rock your body right Backstreet's Back Everybody Rock your body Backstreet's Back alright

Chorus Melodie, Dance-Beats Beat endet Musik endet Fade out

Hier z.T.: Tanzchoreografie imitiert Zombiebewegungen bzw. orientiert sich etwas daran (?) Hier: Ähnlichkeiten der Bewegung mit der von Zombies Zombies eher moderner Horror, angedeutet

21 4:30 –4:34

nah Brian schreckt in der Nacht aus seinem Bett auf; dunkle Nacht, Blitze Reibt sich die Arme

Donner, Blitze Leise Orgel

Aufschrecken, Albtraum, Ekel

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Vergewissern, dass es nur ein Traum war

22 4:35 –5:01

Nah Zoom out Zoom out Zoom out Schneller Zoom, groß groß

Brian trifft Howie auf Gang, in zivil Gestikulierend Kevin kommt dazu AJ kommt dazu Nick kommt dazu Zoom out, halbnah Howie geht vor Zombie-Busfahrer steht vor Tür Alle BSB schreien

Brian: „Yo Howie, man, I gotta tell you bout this dream I had last night. I was a werewolf and I had hair all over my body and…” Howie: “ No way man, I had a dream also, I was a Dracula…” Kevin: “Did you guys had troubles sleeping last night?” AJ: “I had a creepy dream last night…” Nick “Yo yo guys man I had a dream, but I was a mummy and…” Durcheinander Howie: “Let’s just get outta here.” Busfahrer (mit Grabstimme): “Let’s go!”

Musik kommt auf Steigernd Steigernd Tusch, Donner Schrei, Tusch

Nicht glauben können, Realität vs. Traum Gegenseitiges Erzählen der Träume als Absicherung der Realität (für sich selbst und für die anderen)

Videoclipgeschichte wird zu Horrorgeschichte in der Erzählung der BSB Selbes Zusammenkunft wie zu Beginn des Videos bzw. der Erzählung Zombie, untot Schreien als Reaktion auf den Zombie-Busfahrer

Offenes Ende

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Interpret: Death In Vegas Titel: Aisha Dauer: 4:00min. Regie: Terry Richardson Jahr: 2000

Bildebene

Textebene TonebeneNr. Dauer Screenshot Kamera Handlung Dialog Musik, Ton, Geräusch Memo (Horror)1 0:00 –

0:10

halbnah Wald, verschiedene Einstellungen Schweres Atmen einer Frau, Stöhnen

In Gefahr, Nervosität, Flucht Wald als stereotyper, undurchsichtiger Ort an dem die Gefahr lauert Möglichkeit eines tierischen Monsters

2 0:11 –0:19

Groß Nah Nah groß

Frauenbeine auf Waldboden, leicht scharrend, man kann unter den Rock sehen Von Seite durch Bäume: Frauenbeine, Unterleib, rotes Kleid, weiße Unterwäsche, Strapse rutscht auf Rücken rückwärts, starkes Bewegen der Beine, versucht aufzustehen Frau dreht sich um und läuft auf allen vieren Durch Bäume hindurch: Frau krabbelt

Aisha We've only just met

Musik beginnt, nur Gitarre Beat setzt ein

Die Frau als Lustobjekt und als Opfer evtl. verzweifelte Flucht, hektisch, hat keine Zeit Aus dem Blick des Täters? Die Bedrohung ist sehr nah

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3 0:20 –0:48

Halbtotal Halbtotal Nah Groß Halbnah Nah Halbtotal nah

Frau läuft durch Wald, leicht ziellos Obersicht: Frau läuft durch Wald, bleibt kurz stehen sieht sich um, niemand zu sehen Frau läuft weiter Füße Frau von Seite: läuft, weicht Ästen aus Verschieden Einstellung der rennenden Frau Untersicht: Frau bleibt stehen, gebeugt, Rast Leerer Wald Frau gebeugt

And I think you ought to know I'm a murderer I have a portrait on my wall He's a serial killer I thought he wouldn't escape Aisha, He got out

Strophe Immer mehr musikalische Elemente werden zugefügt Treibende Beats

Verfolgung durch unbekannte Gefahr, Person Flucht vor Unbekannt Flucht wirkt ziellos, weil nicht klar ist wo sich die Bedrohung befindet und was die Bedrohung eigentlich ist Pause, vergewissern, ob jemand folgt Niemand da?

4 0:49 –1:13

Halbnah Halbnah Nah Halbtotal Nah Halbnah

Frau läuft aus Wald heraus über Wiese Frau von hinten: Läuft jetzt schneller, angestrengter Von vorne: Oberteil offen, rennt mit Armen ausholend Schaut sich um stolpert und fällt Steht auf läuft weiter, mit Händen vor Brust, Kleid ist offen, Kamera wackelt

We live in a cemetary

Strophe Leichter musikalischer Tusch

Rettet sich aus Wald, kann dem Horror-Setting entkommen, die Lage könnte sich bessern Die Flucht ist immer noch so existenziell bzw. akut, dass sie ihre Kleidung nicht so sehr beachtet

Sexualisierte Darstellung

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Nah Halbnah Halbnah groß

Stolpert wieder, von hinten, läuft weiter, Kleidung offen Von Seite: Frau rennt in K. hinein, schaut zur Seite Von vorne: rennt, Kleid offen, verliert Schuh

A cold and damp place

Flucht wirkt angestrengter, ihre Kleidung (Schuhe) ist hinderlich und gibt den Blick auf ihren Körper frei Zuschauer hat Beobachterstatus vs. Zuschauer aus Sicht des Mörders?

5 1:14 –1:26

Groß Nah Halbnah Groß nah

Füße der Frau auf Weg Frau läuft auf Weg, Dreht sich um Frau rennend von Seite, dreht sich um Von vorne: Gesicht Frau von Seite rennend

And science runs through us Making us Gods The rules are all wrong

Strophe Flucht in die Zivilisation? Es könnte Hilfe kommen, ihre Lage könnte sich wieder bzw. weiter verbessern Immer noch Absichern gegen mögliche Verfolger

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Groß Füße

6 1:27 –1:48

Totale Halbtotal Nah Halbtotal Nah Halbtotal groß

Frau läuft auf weißes Haus zu, vorne Wiese, Zaun, hinten Wald Frau vor Zaun Untersicht: Klettert über Zaun Frau hinter Zaun Läuft auf Eisentor zu, geht durch Eisentor Steht vor Hauswand klopft gegen Tür Frau vor Haus öffnet Tür, geht in Haus

Every borrusion/ perversion is justified They honestly believe dead bodies Anything goes around here

Strophe wie immer Beat ähnlich dem Klopfen Musik wird höher

Das Haus als Zeichen von Zivilisation, und eventueller Rettung Das Haus als einsamer, abgeschiedener Ort Hindernisse werden überwunden Sexualisierte Darstellung des Opfers... Niemand hört sie Steigerung der Sicherheit durch Betreten des Stalls?

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7 1:49 –1:55

Halbtotal Halbtotal Nah halbtotal

Frau läuft suchend durch leere Stallungen raus wieder über Wiese auf weiteres weißes Haus zu Frau von Seite, schaut zurück Frau vor Haus

I still want to to be human again What am I?

s.o. Keine menschliche Rettung, Flucht geht weiter

8 1:56 –2:20

Nah Halbnah Halbnah Halbtotal Nah, groß

Von hinten: Frau läuft durch weißen Gang, schaut zurück Blick aus Innerem des Hauses (moderne Einrichtung, große Fenster): Frau läuft über Terrasse des Hauses Obersicht (aus oberem Stock?): Frau vor Fenster Von innen: Frau versucht Fenstertüren von außen zu öffnen Untersicht von innen (aus unterem Stock?): Frau klopft gegen Fenster, ruft verzweifelt

What am I? I'm a murderer Aisha

Musik um Melodie erweitert Musik wird härter, Gitarre

Flucht in das vermeintlich sichere Haus nicht möglich Perspektivenwechsel: an Zuschauer adressierte Hilfeforderung aus verschiedenen Sichten Kann nicht geholfen werden Ihre Lage wird schlechter, obwohl noch immer keine Bedrohung zu sehen ist

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groß Von außen: Frau sinkt vor Fenster zusammen, steht dann erschöpft wieder auf

Leichte Resignation

9 2:21 –2:30

Halbnah Halbnah halbnah

Läuft wieder zurück den Balkon entlang Von hinten: Frau läuft um Haus herum, schaut zurück, Kamera stockend... Frau verliert Schuh Klettert in kleines rundes Fenster

Aisha I'm confused

Musik wird etwas hektischer in der Melodie Leicht geschrieen

Kraft geschöpft für weitere Flucht, sie gibt noch nicht auf Klare Verfolgerperspektive, die Bedrohung scheint wieder sehr nah zu sein (unüberlegte) Flucht ins Ungewisse, Verzweiflung

10 2:31 –2:45

Nah

Frau fällt in Schlafzimmer auf Bett mit Eisbärenfell

Aisha I'm vibrating

s.o. Leicht geschrieen Leicht geschrieen

Das Animalische, das Tote Zähne deuten eine Biss an, wieder das Animalische und das Tote

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Groß Groß Nah Nah Groß halbnah

ausgestopfte Tierköpfe Schlange Frau schaut sich um Knochengebisse auf Anrichte Frau steht auf, Dekollete, rückwärts vor weiße Wand, ängstlich

I'm a murderer

Unheimliche Stimmung Die Lage hat sich durch die Flucht ins Haus nicht gebessert, der Horror scheint überall zu sein Sexualisierte Darstellung

11 2:46 –3:10

Halbtotal Halbtotal Halbnah, nah Halbnah Halbnah, nah

Obersicht: Frau rennt durch Wohnzimmer, Treppe hinauf Richtung Kamera Untersicht: Frau schaut von Treppenende runter Frau kommt in weiteres Wohnzimmer (moderne Einrichtung) nimmt Sachen von Tisch und wirft sie Richtung Kamera, schreit (Motherfucker) Läuft Treppen wieder runter

The Gods all suck s.o.

Mehrere Beobachterperspektiven Zuschauer ist als Mörder überall, oben und unten Der (Wirkungs-)Raum der möglichen Bedrohung verdichtet sich immer mehr Direkte Adressierung an Kamera Verhältnis Kamera (Z.) und Opfer (Frau) verdichtet sich Sie wird aggressiv, pur Verzweiflung oder letztes Aufbäumen des Opfers durch die Konfrontation mit der Bedrohung, es wird

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nah

Rennt wieder in Schlafzimmer Fällt auf Bett , setzt sich auf und schreit in Kamera

Musik endet und geht in Schrei über

existenziell Gegenwehr bleibt ohne Erfolg Flucht noch nicht zu Ende, kämpft Dichtester Horror im VC, auf Bild-, Text- und Tonebene zuglich vorhanden

12 3:11 –3:36

Nah Halbnah Halbnah, nah

Frau schreit noch immer, von rechts kommen Hände und würgen sie Mann würgt Frau, lässt von ihr ab, anderer Mann von links, fasst ihre Haare Mehrere Leute von Maske um Frau herum, richten sie wieder her (Lippen, Haare, Make-up) Frau trinkt aus Wasserflasche

Gesprochen: Is that alright?

Schrei geht noch weiter bzw. geht wieder in Musik über Musik setzt wieder ein, Gitarre ähnlich einem Schrei

Angriff des Killers, Tötungsversuch Unklar Wendepunkt am Höhepunkt des Horrors: Filmset = Auflösung der bisherigen Geschichte Film im VC Horror dekonstruiert Schminken/Maske als Betonung der Körperlichkeit ist jetzt gerechtfertigt

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Halbnah

Frau, Gesicht (neu geschminkt)

Musik variert in Elementen und Melodie

13 3:37 –4:00

Halbtotal Nah Nah groß nah

Überblende: Frau rennt von Haus weg zu Kamera Frau Gesicht Rennt langsamer, stolpert, fällt Frau, Gesicht, schreit stark, lacht dann, lässt sich zur Seite fallen Liegt auf Seite in Wiese, erschöpft, lacht

Musik fadet aus

Erneute bzw. fortgesetzte Flucht vom Haus weg Schrei hat keine Wirkung mehr Horror wird nie explizit gezeigt, imaginisiert

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MUSIKVIDEOCLIPKORPUS

1. Das künstliche Wesen

MUSIKVIDEOCLIP HORROR

Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) Horrormythos (Figur) Videoclipebene Visuelle Funktion des

Horrors

01 Alice Cooper Feed My Frankenstein 04:13 Performance Rock ? (1992) das künstliche Wesen Bild + Text Image

02 Animal Collective Peacebone 05:21 Narrativ Dancepop Timothy Saccenti (2007)

das künstliche Wesen Bild Narrative Ergänzung

03 Aphex Twin Come To Daddy 05:51 Narrativ + Konzept Dancepop Chris Cunningham

(1997) das künstliche Wesen Bild + Text + Ton Narrative Ergänzung,

Verbildlichung

04 Chemical Brothers Believe 04:22 Narrativ Dancepop Dom&Nic (2005) das künstliche Wesen Bild + Text Narrative Ergänzung

05 Dir En Grey Obscure 04:55 Performance + Konzept Heavy Metal Takashi Miike (2007) das künstliche

Wesen Bild Image, Symbolische Ergänzung

06 Marilyn Manson The Beautiful People 03:48 Performance Rock Floria Sigismondi (1997)

das künstliche Wesen Bild Image, Symbolische

Ergänzung

07 Rob Zombie Dragula 03:48 Performance + Narrativ Rock Rob Zombie (1998) das künstliche

Wesen Bild + Text Narrative Ergänzung, Image

08 Rocket From The Crypt Born In 69 02:17 Narrativ + Performance Rock Steven Hanft (1996) das künstliche

Wesen Bild Narrative Ergänzung

09 Six Feet Under The Day The Dead Walked 02:15 Performance +

Narrativ Heavy Metal ? (2001) das künstliche Wesen Bild + Text + Ton Image, Symbolische

Ergänzung

10 The Knife Silent Shout 04:53 Konzept + Performance Dancepop Andreas Nilsson

(2006) das künstliche Wesen Bild Symbolische Ergänzung

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2. Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind

MUSIKVIDEOCLIP HORROR

Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) Horrormythos (Figur) VC Ebene Visuelle Funktion des

Horrors

01 Albert Hammond Jr. Back To The 101 03:25 Narrativ Rock Patrick Daughters (2006) Untote Bild Narrative Ergänzung

02 Alice Cooper Feed My Frankenstein 04:13 Performance Rock ? (1992) Untote Bild + Text Image

03 Annie Lennox Love Song For A Vampire 04:12 Performance +

Narrativ Softpop Sophie Mueller (1992) Untote Bild + Text (Titel) Verbildlichung

04 Anthrax What Doesn't Die 04:27 Performance + Narrativ Heavy Metal Michael John Sarna

(2004) Untote Bild + Text Verbildlichung

05 Audio Adrenaline Some Kind Of Zombie 04:49 Performance + Narrativ Rock Eric Welsh (1998) Untote Text keine Verwendung

Bildebene

06 Beatfreakz Somebody's Watching Me 02:50 Narrativ +

Performance Dancepop Justin Dickel (2006) Untote Bild Image, Narrative Ergänzung

07 Backstreet Boys Everybody (Backstreet's Back) 04:45 Perfomance +

Narrativ Dancepop Joseph Kahn (1997) Untote Bild Narrative Ergänzung

08 Beck E-Pro 03:12 Konzept Rock Shynola (2005) Untote Bild Symbolische Ergänzung

09 Braund Reynolds Rocket 02:52 Narrativ Dancepop Duncan Skiles (2005) Untote Bild Symbolische Ergänzung

10 Butthole Surfers Who Was In My Room Last Night? 03:10 Narrativ +

Performance Rock William Stobough (1993) Untote Bild + Text Verbildlichung

11 Chemical Brothers Hey Boy Hey Girl 03:42 Narrativ Dancepop Dom&Nic (1999) Untote Bild Symbolische Ergänzung

12 Chiodos One Day All Women Will Become Monsters 03:36 Performance +

Narrativ Rock Michael Grodner (2005) Untote Bild Symbolische Ergänzung

13 Chris Brown Wall To Wall 05:19 Performance + Narrativ Rap/HipHop Erik White (2007) Untote Bild Narrative Ergänzung

14 Coheed & Cambria Blood Red Summer 03:58 Narrativ + Performance Rock Marc Webb (2004) Untote Bild Narrative Ergänzung

15 Cradle Of Filth From Cradle To Enslave 04:32 Performance + Narrativ Heavy Metal Alex Chandon (1999) Untote Bild + Text Image, Symbolische

Ergänzung

16 CSS Alala 03:55 Performance + Narrativ Dancepop Cat Solen (2006) Untote Bild Symbolische Ergänzung

17 Daft Punk Around The World 03:51 Konzept Dancepop Michel Gondry (1997) Untote Bild Symbolische Ergänzung

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18 Daft Punk Primetime Of Your Life 04:04 Narrativ + Konzept Dancepop Tony Gardner (2006) Untote Bild Narrative Ergänzung

19 Dr. Dre & Ice Cube Natural Born Killaz 06:36 Performance + Narrativ Rap/HipHop Gary Gray (1995) Untote Bild + Text (Titel) Symbolische Ergänzung

20 Farin Urlaub Sumisu 02:31 Narrativ Rock Norbert Heitker (2001) Untote Bild Narrative Ergänzung

21 Gorillaz Clint Eastwood 04:38 Performance + Narrativ Dancepop Jamie Hewlett, Pete

Candeland (2001) Untote Bild Narrative Ergänzung

22 Insane Clown Posse Hokus Pokus 03:53 Performance + Narrativ Rap/HipHop Steven Hanft (1998) Untote Bild + Text Image

23 Iron Maiden The Wicker Man 04:36 Performance + Narativ Heavy Metal Dean Karr (2000) Untote Text + Bild Image

24 John Fogerty Eye Of The Zombie 04:22 Konzept + Narrativ Rock Matt Mahurin (1986) Untote Bild + Text Narrative Ergänzung,

symbolische Ergänzung

25 Jon Spencer Blues Explosion Burn It Off 03:23 Performance +

Narrativ Rock StyleWar (2004) Untote Bild Narrative Ergänzung, symbolische Ergänzung

26 Jon Spencer Blues Explosion She Said 03:05 Performance +

Narrativ Rock Floria Sigismondi (2002) Untote Bild Narrative Ergänzung

27 Kante Zombi 03:49 Performance + Konzept Rock Showcase Beat Le

Mot (2004) Untote Text keine Verwendung auf Bildebene

28 Korn A.D.I.D.A.S. 02:36 Narrativ Rock Joseph Kahn (1997) Untote Bild Narrative Ergänzung

29 Lordi Blood Red Sandman 03:52 Performance + Narrativ Rock Pete Riski (2004) Untote Bild + Text + Ton Image, Verbildlichung

30 Lordi Devil Is A Loser 03:39 Performance + Narrativ Rock Pete Riski (2002) Untote Bild + Text + Ton Image, Verbildlichung

31 Lordi Hard Rock Hallelujah 03:14 Performance + Narrativ Rock Pete Riski (2006) Untote Bild + Text + Ton Image, Verbildlichung

32 Lordi Who's Your Daddy 03:36 Performance + Narrativ Rock Pete Riski (?) Untote Bild + Text + Ton Image, Verbildlichung

33 Lordi Would You Love A Monsterman 03:19 Performance +

Narrativ Rock Pete Riski (2006) Untote Bild + Text + Ton Image, Verbildlichung

34 Metric Monster Hospital 03:54 Performance+ Narrativ Rock Micah Meisner (2005) Untote Bild+ Text Verbildlichung

35 Michael Jackson Thriller 13:40 Perfomance + Narrativ Dancepop John Landis (1983) Untote Bild + Text + Ton Narrative Erzählung,

Verbildlichung

36 Mondo Fumatore Skeleton Town 03:27 Narrativ Dancepop ? (2003) Untote Bild + Text (Titel) Symbolische Ergänzung

37 Oxide & Neutrino Devil's Nightmare 03:40 Performance + Konzept Dancepop ? (2001) Untote Text keine Verwendung auf

Bildebene

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38 Peaches feat. Iggy Pop Kick It 02:54 Performance+ Narrativ Rock Dawn Shadforth &

Alex Smith (2003) Untote Bild Symbolische Ergänzung

39 Phantom Planet Big Brat 04:02 Narrativ Rock Spike Jonze / AV Club (2003) Untote Bild Narrative Ergänzung

40 Queens of the Stone Age Burn The Witch 03:41 Narrativ +

Performance Rock Liam Lynch (2005) Untote Bild + Text Narrative Ergänzung, Verbildlichung

41 Queens of the Stone Age Go With The Flow 03:09 Performance +

Narrativ Rock Shynola (2003) Untote Bild Symbolische Ergänzung

42 Ramones Pet Semetary 03:26 Performance + Narrativ Rock Bill Fishman (1989) Untote Bild + Text Verbildlichung

43 Ray Parker Jr. Ghostbusters Theme 04:03 Performance + Narrativ Dancepop Ivan Reitman (1984) Untote Text + Bild Verbildlichung

44 Refused New Noise 05:14 Performance Rock Jocke Ahlund (1999) Untote Bild Symbolische Ergänzung

45 Rob Zombie Living Dead Girl 03:24 Narrativ Rock Rob Zombie (1999) Untote Bild + Text + Ton? Image, Verbildlichung

46 Robbie Williams Rock DJ 04:17 Performance + Konzept Dancepop Vaughan Arnell

(2000) Untote Bild Symbolische Ergänzung

47 Six Feet Under The Day The Dead Walked 02:15 Performance +

Narrativ Heavy Metall ? (2001) Untote Bild + Text Image, symbolische Ergänzung

48 The 69 Eyes Devils 03:25 Performance + Narrativ Heavy Metall

Niclas Fronda & Fredrik Lofberg (2004)

Untote Bild Image

49 The Aquabats Fashion Zombies 03:29 Performance + Narativ Dancepop

Christian Jacobs & Jason De Villiers (2005)

Untote Bild + Text Verbildlichung

50 The Ghost Frequency

Never Before Have I Seen A Man Alive That Looks So Exactly Like A Skeleton

03:29 Performance Rock ? (2007) Untote Bild + Text Image, Verbildlichung

51 The Ghost Frequency Nightmare 03:33 Performance Rock ? (2007) Untote Bild + Text Image, Verbildlichung

52 The Fashion Solo Impala 03:09 Performance + Narrativ Dancepop Jakob Printzlau Untote Bild Symbolische Ergänzung

53 The Flatlinerz Satanic Verses 04:48 Performance + Narrativ Rap/HipHop ? (1994) Untote Bild + Text Image, symbolische

Ergänzung

54 The Freaks The Creeps (Get On The Dancefloor) 02:51 Narrativ +

Performance Dancepop ? (2007) Untote Bild Narrative Ergänzung

55 The Killers Bones 03:48 Performance + Narrativ Rock Tim Burton (2006) Untote Bild + Text (Titel) Symbolische Ergänzung

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56 The Hooters All You Zombies 04:41 Performance Rock Donald Cammell (1985) Untote Text keine Verwendung

Bildebene

57 The Priscillas All My Friends Are Zombies 02:51 Performance Rock ? (?) Untote Bild + Text (Titel) keine Verwendung

Bildebene

58 The Raveonettes Attack of the Ghost Riders 02:32 Narrativ Rock Peter Pedersen

(2002) Untote Bild + Text (Titel) Narrative Ergänzung

59 The Sleepy Jackson Vampire Racecourse 03:11 Performance Rock Nice Trees (2003) Untote Bild + Text (Titel) Symbolische Ergänzung, Verbildlichung

60 The White Stripes Seven Nation Army 03:56 Performance Rock Alex & Martin (2003) Untote Bild Symbolische Ergänzung

61 Us5 Just Because Of You 03:57 Performance + Narrativ Dancepop Oliver Sommer

(2005) Untote Bild Narrative Ergänzung

62 Wednesday 13 I Walked With A Zombie 03:43 Narrativ + Performance Heavy Metal P.R. Brown (2005) Untote Bild + Text Narrative Ergänzung,

Image

63 Yeah Yeah Yeahs Y Control 03:57 Performance + Konzept Rock Spike Jonze (2004) Untote Bild Visuelle ästhetische

Ergänzung

64 You Say Party! We Say Die! Monster 03:37 Narrativ +

Performance Rock Sean Wainsteim (?) Untote Bild + Text Narrative Ergänzung

65 Young Punx Wake Up Make Up Bring It Up Shake Up 03:18 Konzept +

Performance Dancepop Han Hoogerbrugge (2007) Untote Bild Image, symbolische

Ergänzung

66 Young Punx You've Got To 03:08 Konzept + Performance Dancepop Han Hoogerbrugge

(2007) Untote Bild Image, symbolische Ergänzung

67 Young Punx Your Music Is Killing Me 03:13 Konzept + Performance Dancepop Han Hoogerbrugge

(2007) Untote Bild + Text Image, symbolische Ergänzung

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3. Tiermenschen

MUSIKVIDEOCLIP HORROR

Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) Horrormythos (Figur) VC Ebene Visuelle Funktion des

Horrors

01 Backstreet Boys Everybody (Backstreet's Back) 04:45 Perfomance +

Narrativ Dancepop Joseph Kahn (1997) Tiermensch Bild Narrative Ergänzung

02 Basement Jaxx Where's Your Head At 04:14 Narrativ + Performance Dancepop Traktor (2001) Tiermensch Bild Narrative Ergänzung

03 Beatfreakz Superfreak 03:34 Performance + Narrativ Dancepop Justin Dickel (2006) Tiermensch Bild Image, Narrative

Ergänzung

04 Billy Talent Fallen Leaves 03:20 Performance + Narrativ Rock Dean Carr (2006) Tiermensch Bild Narrative Ergänzung

05 Clor Good Stuff 04:00 Narrativ + Konzept Rock Frasier Jamieson

(2005) Tiermensch Bild Symbolische Ergänzung

06 Danzig Killer Wolf 03:57 Performance + Narrativ Rock Anton Corbijn (1990) Tiermensch Text keine Verwendung auf

Bildebene

07 Everytime I Die We're Wolf 03:42 Performance + Narrativ Rock ? (2007) Tiermensch Bild + Text Symbolische Ergänzung

08 Fatboy Slim Wonderful Night 03:00 Narrativ Dancepop John Watts (2004) Tiermensch Bild Narrative Ergänzung

09 Gnarls Barkley Who Cares 03:36 Narrativ Dancepop Barney Clay (2006) Tiermensch Bild Narrative Ergänzung

10 Gyroscope Beware Wolf 03:23 Performance + Narrativ Dancepop ? (2006) Tiermensch Bild Narrative Ergänzung,

Verbildlichung

11 Mastodon The Wolf Is Loose 03:37 Narrativ + Performance Heavy Metall Jonathan Rej & Tom

Bingham (2006) Tiermensch Bild + Text (Titel) Symbolische Ergänzung

12 Michael Jackson Thriller 13:40 Perfomance + Narrativ Dancepop John Landis (1983) Tiermensch Bild + Text Verbildlichung

13 Ozzy Osbourne Bark at the Moon 04:24 Performance + Narrativ Rock Mike Mansfield

(1983) Tiermensch Bild + Text Verbildlichung

14 Queens of the Stone Age Someone's In The Wolf 07:21 Narrativ Rock Chapman Baehler

(2005) Tiermensch Bild + Text Narrative Ergänzung, Verbildlichung

15 The Horrors Sheena Is A Parasite 01:40 Performance + Konzept Rock Chris Cunningham

(2006) Tiermensch Bild + Text Verbildlichung

16 Spider Virus Werewolf Ears 02:26 Performance + Narrativ Rock Mitch Riley (?) Tiermensch Bild + Text Symbolische Ergänzung

17 TV On The Radio Wolf Like Me 04:36 Narrativ + Performance Rock John Watts (2006) Tiermensch Bild + Text Narrative Ergänzung

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4. Tiere mit menschlichen Zügen MUSIKVIDEOCLIP HORROR

Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) Horrormythos (Figur) VC Ebene Visuelle Funktion des

Horrors

01 Beastie Boys Intergalactic 04:33 Performance; Narrativ Rap/HipHop Nathaniel Hornblower

(1998) Tiere mit menschl. Zügen Bild Narrative Ergänzung

02 Prophet Omega The Right Thing 03:13 Narrativ + Performance Rock Sean Donnelly (2006) Tiere mit menschl.

Zügen Bild Narrative Ergänzung

03 Queens of the Stone Age No One Knows 04:18 Performance +

Narrativ Rock Dean Karr (2002) Tiere mit menschl. Zügen Bild Narrative Ergänzung

04 The Automatic Monster 03:50 Performance + Narrativ Rock Up The Resolution

(2006) Tiere mit menschl. Zügen Bild + Text Narrative Ergänzung

05 You Say Party! We Say Die! Monster 03:37 Narrativ +

Performance Rock Sean Wainsteim (2007)

Tiere mit menschl. Zügen Bild + Text Symbolische Ergänzung

5. Doppelgänger MUSIKVIDEOCLIP HORROR

Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) Horrormythos (Figur) VC Ebene Visuelle Funktion des

Horrors

01 Backstreet Boys Everybody (Backstreet's Back) 04:45 Perfomance +

Narrativ Dancepop Joseph Kahn (1997) Doppelgänger Bild Narrative Ergänzung

02 Busta Rhymes Gimme Some More 02:39 Narrativ + Performance Rap/HipHop Hype Williams (1998) Doppelgänger Bild Narrative Ergänzung

03 Prodigy Breathe 03:50 Performance Dancepop Walter Stern (1997) Doppelgänger Bild Symbolische Ergänzung

04 Rob Zombie Living Dead Girl 03:24 Narrativ Rock Rob Zombie (1999) Untote Bild + Text + Ton Verbildlichung, Image

6. Hexen und Hexerei MUSIKVIDEOCLIP HORROR

Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) Horrormythos (Figur) VC Ebene Visuelle Funktion des

Horrors

01 Get Well Soon Witches! Witches! Rest Now In The Fire! 03:57 Narrativ +

Performance Rock Gerster & Modersohn (2008) Hexen und Hexerei Bild + Text Verbildlichung

02 Queens of the Stone Age Burn The Witch 03:41 Narrativ +

Performance Rock Liam Lynch (2005) Hexen und Hexerei Bild + Text Verbildlichung, Narrative Ergänzung

03 Rob Zombie American Witch 03:33 Performance Rock ? (2006) Hexen und Hexerei Text + Bild Image, Verbildlichung

04 The Weird War Grand Fraud 06:06 Narrativ + Performance Rock ? (2004) Hexen und Hexerei Bild Narrative Ergänzung

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7. Mörder, Killer und Irre MUSIKVIDEOCLIP HORROR

Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) Horrormythos (Figur) VC Ebene Visuelle Funktion des

Horrors

01 Alice Cooper (He's Back) The Man Behind The Mask 04:06 Performance +

Narrativ Rock Jeff Abelson (1986) Mörder Bild + Text Image, Narrative Ergänzung

02 Death In Vegas Aisha 04:00 Narrativ Dancepop Terry Richardson (2000) Mörder Bild + Text Verbildlichung, Narrative

Ergänzung

03 Foo Fighters Everlong 04:39 Narrativ + Performance Rock Michel Gondry (1997) Mörder Bild Symbolische Ergänzung

04 Iron Maiden Bring Your Daughter To The Slaughter 04:41 Performance +

Narrativ Heavy Metal ? (1990) Mörder Text + Bild Image, Narrative Ergänzung

05 Jet Look What You've Done 03:48 Performance + Narrativ Rock Robert Hales (2004) Mörder Bild Narrative Ergänzung

06 Motorhead Serial Killer 01:36 Performance Heavy Metal Stefan Browatzki (2002) Mörder Text + Bild Symbolische Ergänzung

07 Nick Cave Henry Lee 03:53 Performance Rock Rocky Schenk (1996) Mörder Text keine Verwendung auf Bildebene

08 Nick Cave Jack The Ripper 03:56 Performance Rock John Hillcoat (1992) Mörder Text + Bild Visualisierung, symbolische Ergänzung

09 Nick Cave Where the wild roses grow 04:43 Narrativ +

Performance Rock Rocky Schenk (1995) Mörder Text + Bild Visualisierung

10 Rockwell Somebody's Watching Me 03:34 Narrativ Dancepop Francis Delia (1984) Mörder Bild + Text Verbildlichung, Narrative

Ergänzung

11 Slayer Bloodline 03:41 Performance Heavy Metal Evan Bernard (2001) Mörder Bild + Text Image, symbolische Ergänzung

12 The Apes Black Tears 02:45 Narrativ Rock Divya Srinivasan (2001) Mörder Bild Symbolische Ergänzung

13 The Bates Billie Jean 04:15 Performance + Narrativ Rock ? (1995) Mörder Bild Narrative Ergänzung

14 The Flesh Compulsion 02:48 Narrativ + Performance Rock Geoff Plauger (?) Mörder Bild Narrative Ergänzung

15 Underminded Lords And Wolves 03:41 Performance + Narrativ Heavy Metal ? (?) Mörder Text keine Verwendung auf

Bildebene

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8. Masken und Maskierungen

MUSIKVIDEOCLIP HORROR

Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) Horrormythos (Figur) VC Ebene Visuelle Funktion des

Horrors

01 Bat For Lashes What's A Girl To Do 02:57 Narrativ + Performance Rock Dougal Wilson (2007) Maskierung Bild Symbolische Ergänzung

02 Boondox Red Mist 03:16 Performance + Konzept Rap/HipHop ? (2006) Maskierung Bild+ Text Image

03 Boondox They Pray With Snakes 04:09 Performance + Narrativ Rap/HipHop Violent J (2006) Maskierung Bild Image

04 Insane Clown Posse Halls of Illusion 03:44 Performance + Narrativ Rap/HipHop Kevin Kerslake

(1997) Maskierung Bild Image

05 Insane Clown Posse Tilt-A-Whirl 04:08 Performance + Narrativ Rap/HipHop Marc Klasfeld (2000) Maskierung Bild + Text Image

06 Insane Clown Posse Piggy Pie 04:02 Performance Rap/HipHop ? (?) Maskierung Bild Image

07 Klobbermeister Screwed Up In Detox 03:08 Performance Rock Brian Rainey and Will Purcell (?) Maskierung Bild Image

08 MC Basstard Fegefeuer 03:18 Performance + Narrativ Rap/HipHop ? (2003) Maskierung Bild + Text Image

09 Mudvayne Dig 03:17 Performance Heavy Metal Thomas Mignone (2001) Maskierung Bild Image

10 Slipknot Duality 03:34 Performance + Narrativ Heavy Metal Tony Petrossian & M.

Shawn Crahan (2004) Maskierung Bild + (Ton ?) Image

11 Slipknot Left Behind 03:38 Narrativ + Performance Heavy Metal David Meyers (2001) Maskierung Bild + (Ton ?) Image

12 Slipknot Spit It Out 02:59 Performance + Narrativ Heavy Metal Thomas Mignone

(2000) Maskierung Bild + (Ton ?) Image

13 Slipknot Wait And Bleed 03:08 Performance Heavy Metal Thomas Mignone (2000) Maskierung Bild + (Ton ?) Image

14 The Ghastly Ones Haulin' Hearse 02:25 Performance + Narrative Rock Baron Shivers (?) Maskierung Bild + Ton Image

Page 184: MAGISTERARBEIT - univie.ac.at · The Killers, The Kills und dem Rapper Anybody Killa. Visualisierung von Horror als eine Form des Beiwerks zur Musik, wird oftmals stereotyp mit bestimmten

9. Albtraum

MUSIKVIDEOCLIP HORROR

Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) Horrormythos (Figur) VC Ebene Visuelle Funktion des

Horrors

01 Aiden Knife Blood Nightmare 03:16 Performance + Narrativ Rock ? (2005) Albtraum Bild + Text Symbolische Ergänzung

02 Backstreet Boys Everybody (Backstreet's Back) 04:45 Perfomance +

Narrativ Dancepop Joseph Kahn (1997) Albtraum Bild Narrative Ergänzung

03 Billy Talent Devil In A Midnight Mass 03:29 Performance + Narrativ Rock Sean Michael Turrell

(2006) Albtraum Bild + Text Narrative Ergänzung

04 Gravediggaz Diary Of A Madman 04:05 Performance + Narrativ Rap/HipHop Hype Williams (?) Albtraum Bild + Text keine Verwendung auf

Bildebene

05 King Gordy Nightmares 03:40 Performance + Narrativ Rap/HipHop Bill Fishman (2004) Albtraum Bild Narrative Ergänzung,

Verbildlichung

06 Kyuss Demon Cleaner 04:41 Narrativ + Konzept Rock ? (1994) Albtraum Bild Symbolische Ergänzung

07 Metallica Enter Sandman 05:31 Performance + Narrativ Heavy Metal Wayne Isham (1991) Albtraum Bild + Text Symbolische Ergänzung

08 The Cure Lullaby 04:08 Performance Rock Tim Pope (1989) Albtraum Bild + Text Image

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