marketing-management wintersemester 2007-2008€¦ · prof. dr. hendrik schröder, universität...
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Prof. Dr. Hendrik Schröder, Universität Duisburg-Essen, Campus Essen MM GP 1 - 1
Marketing-Management – Wintersemester 2007-2008
1 Die Perspektiven des Marketing-Managements
Literaturhinweise zu Gliederungspunkt 1
Homburg/Krohmer, Marketing-Management, 2006 1-16
Kotler/Keller/Bliemel, Marketing-Management, 2007 3-39
Meffert, Marketing-Management, 1994 3-37
Meffert, Marketing, 2000 3-18: Marketing als
marktorientierte
Unternehmensführung
19-27: Ansätze der Marketing-
Theorie
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1.1 Marketing, Management und Marketing-Management
Was ist Marketing ?
Marketing
Marketing – Was kann das sein ?
strategisches
taktisches
kooperatives
offensives
globales
u.v.a.m.
Planung
Entscheidung
Kontrolle
Organisation
Controlling
Strategien
Instrumente
Politik
Führerschaft
Forschung
u.v.a.m.
Erlebnis
Relationship
Permission
Guerilla
u.v.a.m.
ist ein leidensfähiger,
wehrloser Begriff
Marketing – Was kann das sein ?
2007-08-11
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Helfen diese Schlagworte weiter?
Strategie-Innovation
Kernkompetenzen
eBusiness
Lernende Organisation
Vergessende Organisation
Quelle: Fragebogen Zukunftsmanagement, Trends und Entwicklungen im Marketing und Management,
Institut Absatzwirtschaft, Wirtschaftsuniversität Wien, März 2001
Unternehmensinterne EntwicklungenUnternehmensinterne Entwicklungen
Flexibilität und Geschwindigkeit
Zukunftsgestaltung
Schaffung neuer Märkte
Marken-Management
Relationship Marketing
Customer Insight
Permission-Marketing
Quelle: Fragebogen Zukunftsmanagement, Trends und Entwicklungen im Marketing und Management,
Institut Absatzwirtschaft, Wirtschaftsuniversität Wien, März 2001
KundenbeziehungenKundenbeziehungen
Erlebnis-Marketing
Kundenloyalität
Kunden-Profitabilität
Individualisierung
Branchenstruktur
Hyperwettbewerb
Wettbewerb zwischen
strategischen Allianzen
Unternehmensnetzwerke
Erhöhte Transparenz
Quelle: Fragebogen Zukunftsmanagement, Trends und Entwicklungen im Marketing und Management,
Institut Absatzwirtschaft, Wirtschaftsuniversität Wien, März 2001
WettbewerbsumfeldWettbewerbsumfeld
Unternehmensfusionen
BenchmarkingNeue
Wettbewerber
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Ist Marketing ...
■ ein absatzsteigerndes Hilfsinstrument ?
■ der Aufgabenbereich einer besonderen Funktionsabteilung ?
■ hauptsächlich Werbung ?
■ etwas Verkaufsförderung? Und
■ ein wenig Trademarketing?
(Zu der Ergebnissen der empirischen Untersuchungen vgl. Köhler/
Habann/Hahne 1999, S. 48 f.)
Definition Marketing
Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potentiellen
Märkte ausgerichteten Unternehmungsaktivitäten. (Meffert 1982)
Ansatzpunkt für den Absatzmarkt: Bedürfnis Bedarf Nachfrage
1. systematische Beeinflussung des Marktes zugunsten der Unternehmung
2. Führung der Unternehmung vom Markt her
Unternehmung AbsatzmarktBeschaffungs-
markt
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Marktorientierungbei der Führung des gesamten Unternehmens
Marktorientierungbei der Führung des gesamten Unternehmens
Gewinnung umfeldbezogener Informationen,
insbesondere über Kunden und Konkurrenten
unternehmensinterne Verbreitung
dieser Marktinformationen
informationsgestützte interfunktionale
Koordination aller Mitarbeiter und Maßnahmen
Schaffung von Kundennutzen
Erlangung von Wettbewerbsvorteilen
Bild: Merkmale der Marktorientierung (Quelle: Köhler 2000, S. 257)
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Becker (2002, S. 1): „Marketing als die bewusste Führung des ganzen Unternehmens
vom Absatzmarkt her ist nichts anderes als die rationale Antwort auf grundlegende
Veränderungen der Markt- und Wettbewerbsbedingungen.“
Bruhn (1999, S. 14): „Marketing ist eine unternehmerische Denkhaltung. Sie konkreti-
siert sich in der Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle sämtlicher
interner und externer Unternehmensaktivitäten, die durch eine Ausrichtung der
Unternehmensleistungen am Kundennutzen im Sinne einer konsequenten
Kundenorientierung darauf abzielen, absatzmarktorientierte Unternehmensziele zu
erreichen.“
Fritz/v.d.Oelsnitz (2001, S. 22): Marketing ist „das Management von Austausch-
prozessen und –beziehungen mit unternehmensinternen und –externen Partnern,
insbesondere mit Partnern auf Absatz- und Beschaffungsmärkten sowie im
Bereich der allgemeinen Öffentlichkeit.“
Homburg/Krohmer (2003): „a) In unternehmensexterner Hinsicht umfaßt Marketing
die Konzeption und Durchführung marktbezogener Aktivitäten eines Anbieters
gegenüber Nachfragern oder potentiellen Nachfragern seiner Produkte. ... b)
Marketing bedeutet in unternehmensinterner Hinsicht die Schaffung der Voraus-
setzungen im Unternehmen für die effektive und effiziente Durchführung dieser
marktbezogenen Aktivitäten. Dies schließt insbesondere die Führung des gesam-
ten Unternehmens nach der Leitidee der Marktorientierung ein. c) Sowohl die
externern als auch die internen Ansatzpunkte des Marketing zielen auf eine im
Sinne der Unternehmensziele optimale Gestaltung von Kundenbeziehungen ab.“
Kotler/Bliemel (2001, S. 24): „Marketing ist ein Prozeß im Wirtschafts- und Sozial-
gefüge, durch den Einzelpersonen und Gruppen ihre Bedürfnisse und Wünsche
befriedigen, indem sie Produkte und andere Dinge von Wert erstellen, anbieten
und miteinander austauschen.“
Meffert (2000, S. 8, 9): „Marketing ist die bewußt marktorientierte Führung des
gesamten Unternehmens oder marktorientiertes Entscheidungsverhalten in der
Unternehmung. ... Die marktorientierte Unternehmensführung umfaßt ... einen ...
unternehmensinternen als auch einen ... unternehmensexternen Prozeß.“
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Was ist Management ?
Gestaltung und Lenkung des Unternehmens in seiner Umwelt (globale
Umwelt, Aufgabenumwelt, interne Umwelt), mit dem Ziel die
Lebensfähigkeit zu sichern.
Marketing-Management
Köhler (1993): Marketing-Management = Marketing-Konzeption
■ Marketing-Planung
■ Marketing-Organisation
■ Marketing-Kontrolle
■ Informationskoordination durch Marketing-Controlling
■ Mitarbeiterführung
Homburg/Krohmer (2006, S. 12 f.): Perspektiven des Marketing
■ Theorie
■ Information
■ Strategien
■ Instrumente
■ Institutionen
■ Implementierung
■ Führung
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Zulieferer Hersteller Einzelhandel Konsument
3 Interne
Umwelt
3 Interne
Umwelt
2 Aufgabenumwelt2 Aufgabenumwelt
Warenströme
Geldströme
Informationsströme
Technik Rechtsordnung
GesellschaftPolitik
Natu
r
Ku
ltur
1 Globale Umwelt1 Globale Umwelt
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1.2 Strategisches und operatives Marketing-Management
(1) Strategisches und operatives Marketing-Management - eine Abgrenzung
(Auszug aus Ahlert 1998)
Abgrenzungskriterium für strategisches und operatives Management sind die Erfolgs-
potentiale.
Erfolgspotentiale sind die in einer bestimmten Unternehmung tatsächlich vorhan-
denen Voraussetzungen, die es dieser Unternehmung erlauben, langfristig
überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen. Es handelt sich um die spezifische
Kompetenz, das unverwechselbare Unternehmungsprofil, die Unique Selling
Proposition, den komparativen Wettbewerbsvorteil oder wie immer diese Potentiale in
der Literatur und Praxis bezeichnet werden.
Strategisches Management ist
die Schaffung neuer Erfolgspotentiale und/oder
der Ausbau vorhandener Erfolgspotentiale
zur Zukunftssicherung der Unternehmung.
Operatives Marketing-Management geht von den vorhandenen Erfolgspotentialen
aus und versucht, daraus den bestmöglichen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen.
Entsprechend richtet sich das Marketing-Management auf die Erfolgspotentiale im
Bereich des Marketing.
(2) Zum Grundverständnis strategischen Planens und Handelns
Die strategische Unternehmungsführung hat in ihrer relativ kurzen Geschichte in
Literatur und Praxis eine Vielzahl von Mißverständnissen erfahren. "Seitdem strate-
gische Planung zum Modethema geworden ist, wächst leider auch die Gefahr eines
oberflächlichen und unfachmännischen Umganges mit den neuen Lehren. Wie groß
das Wissensdefizit ist, zeigt beispielsweise eine Umfrage ... unter größeren
deutschen Unternehmen: Eine überwältigende Mehrheit verneint die Aussage,
strategische Entscheidungen könnten auch von Geschäfts-Bereichsleitungen
getroffen werden." (Link 1985, S. 248).
Um dem Leser ein Grundverständnis strategischen Denkens zu vermitteln, erscheint
es zweckmäßig, an diesen weit verbreiteten Mißverständnissen anzuknüpfen und die
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Wesensmerkmale des strategischen Managements herauszuarbeiten (vgl. zu dieser
Vorgehensweise Link 1985, S. 248 ff.).
(3) Das Wesen der strategischen Planung
Mißverständnis Nr. 1:
Das Wesen der strategischen Planung liege in der Langfristigkeit.
Diese weit verbreitete Ansicht läuft darauf hinaus, daß operative Planung kurzfristig
sei und durch Ausdehnung des Planungshorizontes zur strategischen Planung
würde.
Tatsächlich ist die Unterscheidung zwischen lang-, mittel- und kurzfristiger Planung
so sinnvoll und aussagefähig wie die Einteilung der Säugetiere in lange, mittellange
und kurze Tiere (vgl. Gälweiler 1974; Link 1985, S. 248).
Wie eingangs schon ausgeführt, unterscheidet sich strategische von operativer
Planung dadurch, daß neue Erfolgspotentiale zur Zukunftssicherung der
Unternehmung geschaffen und ausgebaut werden sollen, anstatt nur aus den
vorhandenen Erfolgspotentialen den bestmöglichen wirtschaftlichen Nutzen zu
ziehen. In der Unternehmungspraxis kommt es auf eine sinnvolle Kombination dieser
beiden Ansätze im Rahmen des evolutionären Managements an: Die
Perfektionierung des vorhandenen Geschäftes setzt überhaupt erst die Ressourcen
frei, um den Vorstoß in neue, risikobehaftete Gefilde wagen zu können. Dabei kann
die bestmögliche Ausschöpfung der vorhandenen Potentiale durch operatives
Management durchaus auch langfristig angelegt sein, während der strategische
Vorstoß in neue Marktfelder in relativ kurzer Zeit erfolgen kann. Die dadurch neu
geschaffenen Erfolgspotentiale sind dann wiederum bestmöglich zu nutzen, d.h. die
strategischen Grobpläne sind in operative (und dispositive) Detailpläne umzusetzen.
Im Planungszeitpunkt befindet sich die Unternehmung in einer bestimmten
Ausgangssituation ('Standort'; vorhandene Erfolgspotentiale). Strategisches Denken
bedeutet, nach neuen Betätigungsfeldern zu suchen, für die bestimmte Wünsche und
Anforderungen formuliert werden ('Wunschort'; strategische Zielkonzeption). Nur in
Ausnahmefällen verfügt die Unternehmung bereits im Planungszeitpunkt über
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hinreichend präzise Vorstellungen über die anzustrebende Situation und den
optimalen Weg dorthin.
Wird die Abfolge geplanter Einzelmaßnahmen, die durchgeführt werden müssen, um
unter Einwirkung der externen und internen Einflußgrößen vom Standort zum
Wunschort zu gelangen, also die 'Route', als Strategie bezeichnet, so können nun
drei verschiedene Ansätze der Strategieplanung unterschieden werden:
Als synoptische Planung wird der Versuch bezeichnet, die komplette Route defi-
nitiv vorauszubestimmen. Dies ist nur bei einem sehr weitreichenden Informations-
stand über den 'Wunschort' und die Wirkungsweise der externen und internen
Einflußgrößen möglich, über den gerade im Bereich strategischen Managements
in der Regel niemand verfügt.
Das andere Extrem besteht darin, sich auf die Wahl des ersten Schrittes zu be-
schränken, d.h. auf langfristige Planung bewußt zu verzichten. In dieser Politik des
'muddling through' (inkrementalistische Planung) ist u.E. keine
ernstzunehmende Alternative zu sehen.
Der geeignete 'Kompromiß' kann in dem Ansatz des evolutionären
Managements gesehen werden. Danach wird die Schrittfolge, so weit es der
Informationsstand zuläßt, vorausgeplant und dabei bereits eine lernorientierte
Anpassung vorgesehen. Im übrigen besteht die Aufgabe der Geschäftsführung
darin, die internen Voraussetzungen einer planmäßigen Evolution zu schaffen.
Das bedeutet, die Unternehmung mit Fähigkeiten auszustatten, die diese in die
Lage versetzen, auf dem Weg vom Standort zum Wunschort die zielführende
Strategie evolutorisch fortzuentwickeln und an den ebenfalls evolvierenden
Kontext (dynamische, ex ante nicht vorhersehbare Entwicklung der externen und
internen Einflußgrößen) anzupassen. Dabei bleibt es häufig nicht aus, von Zeit zu
Zeit auch die strategische Zielkonzeption gemäß den neuen Informationen zu
revidieren. Das heißt, auch der 'Wunschort' ist keine feststehende, sondern eine
sich dynamisch fortentwickelnde Kategorie strategischen Managements.
Zusammenfassend bildet strategisches Planen keine Alternative zum operativen Pla-
nen, sondern beide sind zu einem ganzheitlichen Management der strategischen
Erfolgspotentiale zu verknüpfen. In Zeiten der Instabilität des Kontextes kann die
Anpassungsfähigkeit als wichtigstes Erfolgspotential der Unternehmung angesehen
werden: "Evolution beruht immer darauf, auf Vorhandenem aufzubauen, Bewährtes
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zu bewahren und vom jeweils erreichten Entwicklungsstand aus weitere Neuerungen
auszuprobieren" (Malik/Probst 1981, S. 125). Dieses integrative Managementkonzept
stellt hohe Anforderungen an die Führungskräfte:
Verzicht auf zentrale Problemlösung und Implementierung radikaler Lösungen
nach der Bombenwurfstrategie top to down und
Verzicht auf streng hierarchische Organisationsstrukturen mit detaillierten Anwei-
sungssystemen bei relativ geringen Handlungsspielräumen des Personals in den
unteren Organisationseinheiten.
Stattdessen ist eine dezentrale, partizipative Problembewältigung mit weiten
Spielräumen zur eigenverantwortlichen Entscheidungsfindung zu organisieren.
Die Problemlösung sollte nicht von außen aufgezwungen werden, sondern unter
aktiver Beteiligung des betroffenen Personals 'von innen heraus' wachsen.
Die Partizipation ist nicht nur deswegen nützlich, weil die Mitarbeiter vor Ort über
intime Sachkenntnisse verfügen, die sie in den kreativen Prozeß der strategischen
Planung einbringen können. Vor allem kommt es darauf an, daß sich die Mitarbeiter
mit dem gefundenen Konzept der gewählten Strategie persönlich identifizieren
können.
Diesen Ansprüchen kommt der evolutionäre Managementansatz entgegen. Er geht
von der Einsicht aus, daß im Bereich komplexer sozialer Systeme (hier:
Unternehmungen) niemand die jeweils optimale Lösung ('Wunschort' und 'Route')
kennen kann. Vielmehr kommt es darauf an, geeignete Rahmenbedingungen zu
gestalten, damit das System aufgrund der ihm innewohnenden
Selbstorganisationsdynamik permanent in Richtung der unbekannten und sich
ständig wandelnden Optimallösung evolvieren kann.
Manager fungieren dabei nicht als 'Macher' oder Kommandeure, sondern als Kataly-
satoren und Kultivateure eines selbstorganisierenden Systems in einem evolvieren-
den Kontext.
(4) Maßgrößen und Kriterien des strategischen Managements
Mißverständnis Nr. 2:
Auch bei der strategischen Planung stünden Aufwand und Ertrag im Mittelpunkt.
Aufwand/Ertrag/Deckungsbeitrag/Return on Investment sind quantitative, statische
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Maßgrößen. Zur Beurteilung und Steuerung des operativen Verhaltens
(Ausschöpfung vorhandener Erfolgspotentiale) sind sie hinlänglich geeignet.
Warum sind diese Kennziffern nicht für strategische Entscheidungen geeignet?
Erstens werden bei der Umrechnung des Totalerfolges einer Unternehmung in
Periodenerfolge auch im 'modernen' internen Rechnungswesen, erst recht im
konventionellen Rechnungswesen regelmäßig Fehler gemacht.
Dies sei an einer Glosse verdeutlicht, der wir den Titel "Heiligenerzählung" geben
wollen:
In die Filiale eines Warenhauskonzerns wird ein junger Filialleiter entsandt mit dem
Auftrag, 'den Laden auf Vordermann' zu bringen. Die Konzernleitung ist mit der
Entwicklung des Filialdeckungsbeitrages unzufrieden. Der Neue schafft es innerhalb
von nur zwei Jahren, den Deckungsbeitrag hochzupushen, indem er den gesamten
Aufwand für Einkaufsstättenprofilierung (sprich Imagewerbung, Gebäudeerhaltung
etc.) rigoros zusammenstreicht, das Bedienungspersonal radikal ausdünnt, unter
Verzicht auf Vollständigkeit der Sortimente die Schnelldreher mit
Sonderpreisaktionen forciert und die defizitäre Lebensmittelabteilung nach dem
Store-in-the-Store Prinzip an eine Discountkette vermietet. Aufgrund der höchst
beachtlichen Sanierungserfolge wird dieser Filialleiter in die zentrale Verkaufsleitung
berufen, der Return on Investment in dem sanierten Haus geht in der Folgezeit
drastisch zurück, und unser Manager genießt fortan eine Legende:
"Die Filiale hatte Schieflage, bevor ER kam, sie blühte auf unter IHM, und sie ging
nieder, nachdem ER sie verließ".
Die Verwendung der falschen Maßgrößen für die Beurteilung des Unternehmungs-
erfolges und insbesondere die fehlerhafte Periodenabgrenzung kommen im Bereich
des Marketing besonders bei Investitionen in das Image, sogenannten
Marktinvestitionen, darüber hinaus aber auch bei Investitionen in die
Humanressourcen vor. Gerade in diesen Bereichen liegen die Erfolgspotentiale, auf
die das strategische Augenmerk besonders gerichtet sein sollte.
Zweitens läßt sich der Erfolg strategischer Entscheidungen nicht in eindimensio-
nalen, quantitativen Größen ausdrücken. Die strategische Zielkonzeption
umschließt eine mehrdimensionale Beschreibung des 'Wunschortes' insbesondere
auch mit qualitativen Maßgrößen wie z.B.
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Firmenimage,
Marktadäquanz der Leistungen,
Technologische Überlegenheit,
Kreativität, Flexibilität,
Verfügung über rechtliche Schutzpositionen (Vertragssysteme, Patente, Marken
etc.),
Know-how, Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter
etc.
Drittens ist darauf hinzuweisen, daß der operative Bereich der Bereich harter wirt-
schaftlicher Fakten, der robusten Maßnahmen und der hohen Prognosesicherheit
darstellt. Demgegenüber spielen sich strategische Entscheidungen im Bereich hoher
struktureller und substantieller Ungewißheit ab: Die Prognosen beruhen auf
'schwachen Signalen'. Wird von dem aus der operativen Denkweise gespeisten
'synoptischen Planungswahn' Abstand genommen, muß man sich stets darüber im
klaren sein, daß niemand die optimale Route im Vorhinein kennt, und damit weiß
auch niemand, ob man sich auf dem 'Holzweg' befindet:
Die Unternehmung ist mit den Potentialen auszustatten, um sich 'evolutorisch' den
Weg zum Wunschort durch alle vorausgesehenen und unerwartet eintreffenden
Widerstände und Widrigkeiten zu bahnen. Dies setzt außer den erwähnten
Fähigkeiten auch die Bereitschaft (Willigkeit) zum Aufbruch in unbekannte Felder
voraus.
Zusammenfassend ist darauf hinzuweisen, daß nicht Aufwand und Ertrag, sondern
mehrdimensionale, qualitative Zielgrößen Maßstäbe der strategischen Planung sind.
(5) Zur Frage des Marktbezuges strategischen Managements
Wesentliches Kennzeichen der Marketingkonzeption ist die Formel: Führung der
gesamten Unternehmung vom Markt her. Es liegt nun nahe, diese Orientierung auf
die strategische Planung zu übertragen. Dies wäre aber verfehlt:
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Die Märkte sind nicht Ausgangspunkt, sondern Zwischenergebnis der strategischen
Planung. Sind die Märkte erst einmal definiert, so ist ein wesentlicher Teil der
strategischen Arbeit bereits getan.
"Im Rahmen der Strategischen Planung wird nämlich darüber entschieden, welche
Märkte überhaupt als relevant/interessant für das Unternehmen angesehen werden
können und wie sie von anderen Märkten abgegrenzt oder auch mit anderen Märkten
zu einem Gesamtmarkt verschmolzen werden sollen... Man nennt die solchermaßen
abgegrenzten, eigenständigen Märkte üblicherweise 'Strategische
Geschäftseinheiten'. Ausgewählt und bearbeitet werden nur jene 'Strategischen
Geschäftseinheiten', bei denen Chancen und Risiken in Verbindung mit den eigenen
Stärken und Schwächen Aussicht auf eine gute Wettbewerbssituation bieten" (Link
1985, S. 250).
(6) Der Stellenwert der Portfolio-Methode
Diese Aussage ist offensichtlich verfehlt: Die Portfolio-Methode ist wohl der bekann-
teste und von Dozenten und Beratern am besten "verkäufliche" Teil der strategischen
Planung, aber sie ist ein Splitter im Gesamtkomplex der Problemstellungen: Die Port-
folio-Methode ist nur eine unter zahlreichen Methoden, die im Bereich der strate-
gischen Planung angewendet werden.
Außerdem ist auf den folgenden Sachverhalt hinzuweisen:
Die großen Probleme des strategischen Managements treten nicht im Zusammen-
hang mit der Anwendung der Portfolio-Methode auf, sondern bestehen darin, für die
einzelnen Märkte bzw. strategischen Geschäftseinheiten konkrete Produktangebote
zu konzipieren, die sich unter den bestehenden Wettbewerbsverhältnissen am Markt
durchsetzen. Von herausgehobener Bedeutung sind an dieser Stelle
Marktkenntnisse, Produktkenntnisse, Kreativität und Risikobereitschaft: "Hier liegt in
der Praxis die stärkste geistige und unternehmerische Herausforderung innerhalb der
strategischen Planung. Wie sie zu bewältigen ist, ist weitaus schwieriger zu lehren
und zu lernen als der Umgang mit den vielfältigen Portfolio-Varianten" (Link 1985, S.
250).
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(7) Die Funktionen von Planungsstäben
Strategische Planung sei primär eine Angelegenheit entsprechender Stabsstellen
Strategische Planung ist Bestandteil eines umfassenden Aufgabenkomplexes,
nämlich des strategischen Managements. Strategisches Management umschließt,
wie gezeigt wurde, die Phasen der
strategischen Willensbildung,
strategischen Willensdurchsetzung und der
strategischen Kontrolle.
Es zeigt sich, daß das strategische Management eine ureigene Aufgabe der Linien-
instanzen ist und Stäbe hier allenfalls unterstützend tätig werden können.
Daß es gerade bei schwierigen Aufgaben selbstverständliche Pflicht ist, daß ein
'Kapitän' die Schiffsführung und ein 'Chirurg' das Skalpell nicht an Gehilfen übergibt,
steht außer Frage.
Strategische Planung gehört zum harten Kern jener Führungsaufgaben, die von den
Linienmanagern jeweils höchstpersönlich und mit größtem Engagement wahr-
zunehmen sind.
Stabsstellen leisten wichtige Vorarbeiten, bringen Methodenkenntnisse ein, können
dafür sorgen, daß nach einer bestimmten Technologie geplant und daß die Teilpläne
aufeinander abgestimmt werden (Koordinationsfunktion). Weder Stabsstellen noch
neuerdings Controllingorganisationen sind berufen, die strategische Planung zu
übernehmen. Ebensowenig kann dies an externe Berater übertragen werden.
(8) Zur Frage der Partizipation an der strategischen Planung
Ob die strategische Planung den obersten Führungskräften vorzubehalten ist oder ob
mittlere und untere Führungskräfte an der Planungsarbeit zu beteiligen sind, ist eine
weithin umstrittene Frage. Für die Beschränkung der strategischen Planung auf die
oberste Führungsebene werden unter anderem folgende Argumente ins Feld geführt:
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'Frontoffiziere' dürfen nicht mit strategischen Zweifeln belastet werden, wenn sie
ihre Tagesarbeit erfolgreich erfüllen sollen.
Aufgrund der Betroffenheit der mittleren und unteren Führungskräfte durch
strategische Entscheidungen können diese nicht in den strategischen Entschei-
dungsprozeß einbezogen werden.
Wegen der Geheimhaltungsproblematik ist der Kreis der Beteiligten möglichst
klein zu halten.
Je mehr Führungskräfte an der strategischen Planung beteiligt werden, desto
größer ist der Zeitaufwand und desto weniger Zeit verbleibt für das wichtige
operative Geschäft.
Als Gegenargumente sind zu nennen:
Die Beteiligung der mittleren und unteren Führungskräfte an den strategischen
Entscheidungen ist eine conditio sine qua non für die Lösung der anschließen-
den Umsetzungsprobleme.
Auf die intimen Sachkenntnisse und den Einfallsreichtum der Basis kann bei
strategischen Entscheidungen nicht verzichtet werden.
Wenn man sich in Abkehr vom synoptischen Planungswahn dem Gedankengut
des evolutorischen Managements verschrieben hat, ist die Beteiligung aller
Führungskräfte an strategischen Entscheidungen eine unumstößliche Selbstver-
ständlichkeit.
Es ist gerade das Wesen des 'Konzepts der strategischen Geschäftseinheiten',
daß mittlere und untere Führungskräfte als Verantwortliche für diese strategischen
Geschäftseinheiten an dem Prozeß des strategischen Managements beteiligt sind.
Dem Einwand Betroffenheit und Geheimhaltung kann entgegengehalten werden,
daß natürlich in höchst sensiblen Bereichen Ausnahmen von dem allgemeinen
Partizipationsgebot zulässig sind.
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(9) Zur Frage des Timing strategischer Planung
Die strategische Planung ist Bestandteil des strategischen Managements, das durch
einen 'kumulativen Zirkel' über die Zeitachse abgebildet werden kann.
Wie die zweckmäßige Zeitstruktur (Timing) beschaffen ist, hängt von der Dynamik
der Umwelt/der Märkte ab.
Im Handel sind im allgemeinen kleinere Intervalle notwendig als in der Industrie, und
im stationären Einzelhandel kleinere als im Großhandel. Nur in Ausnahmefällen ist es
denkbar, daß eine strategische Planung jährlich einmal sinnvoll sein kann. Vielmehr
ist dieser Planungsrhythmus eher ein Indiz für den mangelnden Willen, den
verabschiedeten Plan überhaupt durchzusetzen. Der Nutzen einer guten
strategischen Planung besteht gerade darin, einen Weg zur Schaffung ausreichender
Erfolgspotentiale zu weisen, dessen Ziel und Richtung eben nicht jedes Jahr mit
hohen Kosten und großen Reibungsverlusten neu gesucht und ausgehandelt werden
müssen. Im übrigen widerspricht es dem Grundgedanken des evolutionären
Managements, dem strategischen Denken eine starre Zeitstruktur zu verordnen.
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1.3 Die Prozessphasen des Marketing-Managements
SituationsanalyseSituationsanalyse
EntwicklungsprognoseEntwicklungsprognose
ZielplanungZielplanung
MaßnahmenplanungMaßnahmenplanung
WirkungsprognoseWirkungsprognose
EntscheidungEntscheidung
DurchführungDurchführung
KontrolleKontrolle
Prozeß
des
Marketing-Management
ZielplanungZielplanung
Bestimmung der
ZielgruppenBestimmung der
Zielgruppen
Bestimmung der
ZielinhalteBestimmung der
Zielinhalte
Bestimmung der
ZielausmaßeBestimmung der
Zielausmaße
Bestimmung des
ZeithorizontsBestimmung des
Zeithorizonts
Bestimmung der
RessourcenBestimmung der
Ressourcen
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Die einzelnen Phasen können plakativ mit Fragen skizziert werden.
■ Situationsanalyse: Wo steht die Unternehmung, gemessen an bestimmten
Erfolgsgrößen?
■ Entwicklungsprognose: Wohin geht die Entwicklung der Unternehmung, wenn
keine neuen Maßnahmen geplant und umgesetzt werden?
■ Zielplanung: Welchen Erfolg strebt die Unternehmung an?
■ Maßnahmenplanung: Welche Strategien und Instrumente stehen zur Verfügung?
■ Wirkungsprognose: Inwieweit tragen verschiedene Strategien und Instrumente
dazu bei, die gesetzten Ziele zu erreichen?
■ Entscheidung: Welche Strategie wird mit welchen Maßnahmen umgesetzt?
■ Durchsetzung: Was muß getan werden, damit der Marketingplan von allen
Beteiligten akzeptiert und realisiert wird?
■ Kontrolle: Sind die gesetzten Ziele erreicht worden?
Jede Phase des Marketing-Management-Prozesses ist ein komplexer Vorgang.
Beispiel: Bei der Zielplanung sind die von dem Entscheider gewünschten zukünftigen
Zustände nach mehreren Dimensionen zu operationalisieren, dabei sind konfliktäre
und komplementäre Zielbeziehungen zu identifizieren und entsprechend zu
behandeln (vgl. Meffert 1994, S. 102 ff.). Des weiteren können zwischen den
einzelnen Phasen „Schleifen“ auftreten. Zeigt nämlich die Wirkungsprognose, daß
sich die Ziele nicht mit den geplanten Maßnahmen erreichen lassen, sind die Ziele
anzupassen oder neue Maßnahmen zu entwickeln.
(Quelle: Schröder, H., Handelsmarketing, München 2002, S. 34 f.)