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Ausgabe 66 im Frühling 2011 Hämatologie Klinische Chemie Klinische Immunologie Medizinische Mikrobiologie Medizinische Genetik Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik 66 Ri port 4 Das Kreuz mit den Kreuzschmerzen 7 Das «2nd International Symposium on Defects in Innate Immunity and Inflammation» ist Vergangenheit 8 Personalisierte Referenzwerte 10 Immunchemischer Nachweis auf okkultes Blut im Stuhl 11 Autoimmunhämolytische und Medikamenten-induzierte Anämie (AIHA) 14 Für Sie gelesen 15 short-riport 19

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Page 1: Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik - risch.ch · In Sevelen hat im Januar 2011 ein Referat stattgefunden zum Thema «Das Kreuz mit den Kreuzschmerzen». In Zürich haben wir

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Ausgabe 66 im Frühling 2011

Hämatologie

Klinische Chemie

Klinische Immunologie

Medizinische Mikrobiologie

Medizinische Genetik

Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik

66R

ipor

t

4 Das Kreuz mit den Kreuzschmerzen 7 Das «2nd International Symposium on Defects

in Innate Immunity and Inflammation» ist Vergangenheit 8 Personalisierte Referenzwerte

10 Immunchemischer Nachweis auf okkultes Blut im Stuhl 11 Autoimmunhämolytische

und Medikamenten-induzierte Anämie (AIHA) 14 Für Sie gelesen 15 short-riport 19

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Waldeggstrasse 373097 Liebefeld-Bern

Menschen werden älter, Maschinen veralten: ein grosser Unterschied. Die extrem schnelle Entwicklung im Technologie-Bereich verkürzt die Einsatz-Zeiten von Analyzern auf 5 bis höchsten 7 Jahre. Obwohl die Analysengeräte noch einwandfrei funktionieren, müssen sie aus Qualitäts- und Effizienzgründen ausgemustert werden: sie sind veraltet.

Es gilt die alte Weisheit «tempora mutantur et nos mutamur in il-lis». Dies bedeutet im Bereich der Analytik, dass die Routine auf wesentlich leistungsfähigeren Analysenstrassen abgearbeitet werden muss. Dem tariflichen Druck kann nur durch Effizienz-steigerung ausgewichen werden. Wenn es aber gelingt, gleich-zeitig die Qualität und die Verfügbarkeit der Resultate zu verbes-sern, so läuft die Entwicklung generell gesehen in die richtige Richtung. Auf dem Bild sehen Sie die neuen Analysenstrassen COBAS 6000 von Roche, die bei uns z. Zt. in Betrieb genommen werden. Damit wird an allen 11 Standorten unserer Laborgruppe eine Harmonisierung der Analytik erreicht.

Nach 40 Jahren Laborleitung werde ich mich aus dem operativen Bereich noch weiter zu-rückziehen. Der operative Betrieb wird durch meine beiden Söhne Lorenz und Martin über-nommen, was z.T. ohne grosse Ankündigung bereits erfolgt ist. Die offizielle Stabsübergabe wurde auf das XVII. Diagnostik Symposium am 24. März 2011 terminiert. Damit ist die Konti-nuität im Führungsbereich unserer Laborgruppe gewährleistet. Meinerseits freue ich mich auf etwas mehr Freizeit und etwas weniger Verantwortung. Wenn man meine Erfahrung auch in Zukunft noch nutzen will, so soll’s mir nur recht sein.

In Sevelen hat im Januar 2011 ein Referat stattgefunden zum Thema «Das Kreuz mit den Kreuzschmerzen». In Zürich haben wir mitgeholfen, das 2. Internationale Symposium «on Defects in Innate Immunity and Inflammation» durchzuführen. Von beiden Veranstaltungen finden Sie eine Zusammenfassung in dieser Ausgabe.

In den letzten zwei Jahren haben wir bei einem Kollektiv von 1'200 Personen 80 Parameter, aufgeteilt in Alterskategorien von 10 Jahren, untersucht. Jeweils 120 gesunde weibliche und männliche Personen haben sich zur Verfügung gestellt, um die Referenzbereiche in der Schweiz altersabhängig zu überprüfen oder neu festzulegen. Nach der statistischen Auswer-tung werden diese Referenzbereiche in unsere Befunde integriert. Die Notwendigkeit dieser «personalisierten Referenzwerte» können Sie auf Seite 8 nachlesen.

Parallel dazu läuft eine Hypertoniestudie in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Fakultät des Universitätsspitals Basel. Bis jetzt wurden bei über 300 gesunden Probanden im Alter von 25 - 40 Jahren neben 24h-Blutdruck, Gewicht und 24h-EKG zusätzlich über 80 Laborpa-rameter untersucht. Für diese Langzeitstudie werden in einer speziellen Serothek 20 Aliquots bei - 80° eingefroren, um später herausfinden zu können, welche Parameter prädiktiv die Entwicklung einer Hypertonie hätten anzeigen können.

Der Frühling kommt und damit werden die Pollenallergiker einer unangenehmen Belastungs-probe ausgesetzt. Die Allergiediagnostik hat sich entschieden verändert. Wir haben darauf mit einem neuen Formular reagiert. Im «short-Riport 19» erfahren sie das neueste aus der Allergiediagnostik.

Für die Treue und die angenehme Zusammenarbeit in den letzten 40 Jahren möchte ich mich bei allen Einsendern, Freunden und Bekannten bedanken. Ich darf Sie bitten, auch meinen beiden Söhnen Lorenz und Martin das Vertrauen zu schenken, welches ich jahrelang von Ihnen erfahren durfte.

Freundliche Grüsse,Dr. sc. nat. Gert Risch

Nach 40 Jahren: wie weiter?

Akkreditierungnach ISO 17025 *

Zertifizierungnach ISO 9001:2000 *REG NR. 13231

STS 177

www.risch.ch

Via Arbostra 26963 Pregassona

Theatergasse 264500 Solothurn

Schaffhauserstrasse 1268302 Kloten

Fröhlichstrasse 75200 Brugg

Mühlentalstrasse 288200 Schaffhausen*

Rue des Lilas 82800 Delémont

Bubenbergplatz 103011 Bern

Landstrasse 1579494 Schaan*

Ziegelrain 255000 Aarau

Gersauerstrasse 86440 Brunnen

Layout / GestaltungIDconnect Design SolutionsBergstrasse 45, FL-9495 [email protected] www.id-connect.com

ImpressumVerantwortlich für den Inhalt dieser Ausgabe: Dr. sc. nat. Gert RischPD Dr. med. Lorenz Risch, MPHDr. med. Martin RischDr. rer. nat. Sabine BerchtoldDr. med. Walter Fierz, MHIMDr. phil. Peter HagemannDr. med. Pedro Medina EscobarDr. rer. nat. Martine Michel BlancoProf. Dr. med. Urs NydeggerDr. phil. II Michael RitzlerDr. rer. biol. hum. Ute WiedemannDr. sc. nat. ETH Monika WydlerDr. phil. II Manfred Zerlauth

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Waldeggstrasse 373097 Liebefeld-Bern

Menschen werden älter, Maschinen veralten: ein grosser Unterschied. Die extrem schnelle Entwicklung im Technologie-Bereich verkürzt die Einsatz-Zeiten von Analyzern auf 5 bis höchsten 7 Jahre. Obwohl die Analysengeräte noch einwandfrei funktionieren, müssen sie aus Qualitäts- und Effizienzgründen ausgemustert werden: sie sind veraltet.

Es gilt die alte Weisheit «tempora mutantur et nos mutamur in il-lis». Dies bedeutet im Bereich der Analytik, dass die Routine auf wesentlich leistungsfähigeren Analysenstrassen abgearbeitet werden muss. Dem tariflichen Druck kann nur durch Effizienz-steigerung ausgewichen werden. Wenn es aber gelingt, gleich-zeitig die Qualität und die Verfügbarkeit der Resultate zu verbes-sern, so läuft die Entwicklung generell gesehen in die richtige Richtung. Auf dem Bild sehen Sie die neuen Analysenstrassen COBAS 6000 von Roche, die bei uns z. Zt. in Betrieb genommen werden. Damit wird an allen 11 Standorten unserer Laborgruppe eine Harmonisierung der Analytik erreicht.

Nach 40 Jahren Laborleitung werde ich mich aus dem operativen Bereich noch weiter zu-rückziehen. Der operative Betrieb wird durch meine beiden Söhne Lorenz und Martin über-nommen, was z.T. ohne grosse Ankündigung bereits erfolgt ist. Die offizielle Stabsübergabe wurde auf das XVII. Diagnostik Symposium am 24. März 2011 terminiert. Damit ist die Konti-nuität im Führungsbereich unserer Laborgruppe gewährleistet. Meinerseits freue ich mich auf etwas mehr Freizeit und etwas weniger Verantwortung. Wenn man meine Erfahrung auch in Zukunft noch nutzen will, so soll’s mir nur recht sein.

In Sevelen hat im Januar 2011 ein Referat stattgefunden zum Thema «Das Kreuz mit den Kreuzschmerzen». In Zürich haben wir mitgeholfen, das 2. Internationale Symposium «on Defects in Innate Immunity and Inflammation» durchzuführen. Von beiden Veranstaltungen finden Sie eine Zusammenfassung in dieser Ausgabe.

In den letzten zwei Jahren haben wir bei einem Kollektiv von 1'200 Personen 80 Parameter, aufgeteilt in Alterskategorien von 10 Jahren, untersucht. Jeweils 120 gesunde weibliche und männliche Personen haben sich zur Verfügung gestellt, um die Referenzbereiche in der Schweiz altersabhängig zu überprüfen oder neu festzulegen. Nach der statistischen Auswer-tung werden diese Referenzbereiche in unsere Befunde integriert. Die Notwendigkeit dieser «personalisierten Referenzwerte» können Sie auf Seite 8 nachlesen.

Parallel dazu läuft eine Hypertoniestudie in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Fakultät des Universitätsspitals Basel. Bis jetzt wurden bei über 300 gesunden Probanden im Alter von 25 - 40 Jahren neben 24h-Blutdruck, Gewicht und 24h-EKG zusätzlich über 80 Laborpa-rameter untersucht. Für diese Langzeitstudie werden in einer speziellen Serothek 20 Aliquots bei - 80° eingefroren, um später herausfinden zu können, welche Parameter prädiktiv die Entwicklung einer Hypertonie hätten anzeigen können.

Der Frühling kommt und damit werden die Pollenallergiker einer unangenehmen Belastungs-probe ausgesetzt. Die Allergiediagnostik hat sich entschieden verändert. Wir haben darauf mit einem neuen Formular reagiert. Im «short-Riport 19» erfahren sie das neueste aus der Allergiediagnostik.

Für die Treue und die angenehme Zusammenarbeit in den letzten 40 Jahren möchte ich mich bei allen Einsendern, Freunden und Bekannten bedanken. Ich darf Sie bitten, auch meinen beiden Söhnen Lorenz und Martin das Vertrauen zu schenken, welches ich jahrelang von Ihnen erfahren durfte.

Freundliche Grüsse,Dr. sc. nat. Gert Risch

Nach 40 Jahren: wie weiter?

Akkreditierungnach ISO 17025 *

Zertifizierungnach ISO 9001:2000 *REG NR. 13231

STS 177

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Via Arbostra 26963 Pregassona

Theatergasse 264500 Solothurn

Schaffhauserstrasse 1268302 Kloten

Fröhlichstrasse 75200 Brugg

Mühlentalstrasse 288200 Schaffhausen*

Rue des Lilas 82800 Delémont

Bubenbergplatz 103011 Bern

Landstrasse 1579494 Schaan*

Ziegelrain 255000 Aarau

Gersauerstrasse 86440 Brunnen

Layout / GestaltungIDconnect Design SolutionsBergstrasse 45, FL-9495 [email protected] www.id-connect.com

ImpressumVerantwortlich für den Inhalt dieser Ausgabe: Dr. sc. nat. Gert RischPD Dr. med. Lorenz Risch, MPHDr. med. Martin RischDr. rer. nat. Sabine BerchtoldDr. med. Walter Fierz, MHIMDr. phil. Peter HagemannDr. med. Pedro Medina EscobarDr. rer. nat. Martine Michel BlancoProf. Dr. med. Urs NydeggerDr. phil. II Michael RitzlerDr. rer. biol. hum. Ute WiedemannDr. sc. nat. ETH Monika WydlerDr. phil. II Manfred Zerlauth

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Das Kreuz mit den Kreuzschmerzen

Prof. Dr. med. Thomas Rosemann Muskuloskelettale Beschwerden und unter ihnen Kreuzschmerzen zählen zu den

häufigsten Behandlungsanlässen in der Hausarztpraxis. Epidemiologische Daten zeigen, dass praktisch niemand im

Laufe seines Lebens davon verschont bleibt. Wahrscheinlich sind Kreuzschmerzen einfach untrennbar mit dem auf-

rechten Gang des Menschen verbunden.

Es existiert eine Fülle von therapeutischen Ansätzen, nur für wenige gibt es aber ei-ne gute Evidenz, wobei das Fehlen gros-ser methodisch guter Studien oftmals da-rin begründet liegt, dass es auch gar kein kommerzielles Interesse gibt, einfache, kostengünstige Interventionen zu evaluie-ren. Nachfolgend soll, basierend auf der hausärztlichen Leitlinie der Deutschen Ge-sellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM), die aktuelle Evidenz zur Behandlung der Kreuzschmerzen dargelegt werden.

DefinitionKreuzschmerzen (untere Rückenschmer-zen) sind Schmerzen im Bereich des Rü-ckens vom unteren Rippenbogen bis zu den Glutäalfalten, evtl. mit Ausstrahlung in die Beine, die zu Einschränkungen bei den täglichen Verrichtungen führen (ICD-10: M54.5).

Akute Kreuzschmerzen: weniger als 12 Wochen Dauer. Bei einer Dauer über 6 Wochen spricht man von «subakuten» Kreuzschmerzen.

Rezidivierende Kreuzschmerzen: nach einem symptomfreien Intervall von mindestens 6 Monaten.

Chronische Kreuzschmerzen: länger als 12 Wochen.

Epidemiologie60 - 80 % der Bevölkerung hatten schon einmal in ihrem Leben Kreuzschmerzen, Jüngere häufiger als Ältere.

KlassifikationKreuzschmerzen können von einer Vielzahl anatomischer Strukturen ausgehen, doch bleibt trotz Diagnostik bei ca. 85 % der Patienten die genaue Ursache der Kreuz-schmerzen unklar, und die Beschwerden

heilen spontan. Das Vorgehen sollte da-her nicht darauf ausgerichtet sein, den Ursprung der Kreuzschmerzen zu klären, sondern stattdessen Patienten mit un-komplizierten Verläufen vor übermässiger Diagnostik zu schützen und gleichzeitig die wenigen abwendbar gefährlichen Verläufe, die sofortiger Intervention oder weiterer Diagnostik bedürfen, zu erkennen und um-gehend zu behandeln. Nur etwa 2 % der Kreuzschmerzen erwachsener Patienten in primärärztlicher Versorgung treten in Zu-sammenhang mit einer gastrointestinalen, gynäkologischen oder urologischen Krank-heit (z.B. Pankreatitis, Endometritis oder Pyelonephritis) auf. Bei primär vom Rücken ausgehenden muskuloskelettalen Schmer-zen hat sich folgende Einteilung internatio-nal bewährt:

VorgehensweiseFür die Behandlung der Kreuzschmerzen sind drei Fragen wichtig: Liegt eine gefähr-liche (systemische) Erkrankung zugrunde?

Werden Nerven komprimiert? Gibt es Fak-toren (z.B. depressive Verstimmung, Unzu-friedenheit mit dem Arbeitsplatz), die die Prognose des Patienten verschlechtern? Die Anamnese und eine kurze klinische Untersuchung genügen, um einen entspre-chenden Befund zu erheben.

AnamneseWährend einer Konsultation wegen Kreuz-schmerzen sollte frühzeitig folgendes er-fragt werden:

Allgemeine Angaben zu den SchmerzcharakteristikaLokalisation, Dauer, Auslöser, Ausstrah-lung (einseitig/beidseitig, wohin), Abhän-gigkeit von Position (sitzend, liegend, ste-hend) und Bewegung, (Tages-) zeitlicher Verlauf, Stärke der Schmerzen und Beein-trächtigung täglicher Verrichtungen, frühere Episoden und deren Behandlung, Umgang mit den Beschwerden und erste eigene Behandlungsversuche, Besserung bei Be-wegung, Begleitsymptome und Vorer-krankungen, psychosoziale Anamnese, Patientenvorstellungen über die Ursa-che ihrer Beschwerden.

Klinische Untersuchung Das Ausmass der körperlichen Untersu-chung richtet sich immer nach den Ergeb-nissen der Anamnese. Bestehen Hinweise auf eine extravertebrale Ursache der Be-schwerden, z.B. das Vorliegen einer Harn-wegsinfektion, sollten die entsprechenden Organsysteme untersucht werden (level of evidence DIV). Liegen anamnestisch keine Warnhinweise vor und schildert der Patient Beschwerden im Rücken ohne Hinweise auf eine Nervenkompression (s.radikuläre Beschwerden), muss keine neurologische Untersuchung durchgeführt werden, und es genügt die folgende Basisdiagnostik In-spektion, Palpation, Beweglichkeitsprü-fung, Lasègue.

Bei radikulären Schmerzen sollte zusätz-lich eine neurologische Basisdiagnostik durchgeführt werden. Wir empfehlen, min-destens folgende Tests im Seitenvergleich durchzuführen:· Inspektion· Muskelkraft bei Dorsalflexion des

Fusses und der Grosszehe, Ein-beinstand mit Kniebeuge

· Achillessehnenreflex (ASR) · Patellarsehnenreflex (PSR) · Berührungsempfindung medialer (L4),

dorsaler (L5) und lateraler (S1) Fuss

Weitere Diagnostik Anamnese und klinische Untersuchung ge-nügen, um sich ein Bild über die Art der Kreuzschmerzen zu machen und gefährli-che Verläufe auszuschliessen. Bei unkom-plizierten Kreuzschmerzen bringen zu-sätzliche bildgebende Verfahren keinen diagnostischen Mehrwert, sondern kön-nen dazu führen, dass Arzt und Patient sich auf nicht therapierelevante Zufallsbefunde fixieren, die nicht in Zusammenhang mit den aktuellen Beschwerden stehen. Lie-gen Warnhinweise vor, müssen je nach Verdachtsdiagnose weitere klinische Tests, Laboruntersuchungen, bildgebende Ver-fahren und/oder Überweisungen in fach-ärztliche Behandlung erfolgen.

Indikation für den Einsatz bildgebender VerfahrenBesonders starke Schmerzen, Therapie-resistente Beschwerden, unkomplizierte Kreuzschmerzen: nach vier Wochen, ra-dikuläre Kreuzschmerzen: nach ca. ein bis zwei Wochen, ausgeprägte neurologische Störungen, Warnhinweise auf entzündli-che / maligne Prozesse oder Trauma (kom-plizierte Kreuzschmerzen).

TherapieZiel der Kreuzschmerztherapie ist die Schmerzkontrolle oder Linderung der Be-schwerden. Die Patienten sollten möglichst in die Lage versetzt werden, ihren täglichen Verrichtungen wieder nachzukommen. Warnhinweise müssen frühzeitig erkannt und gefährliche Verläufe vermieden wer-den. Weiteres Ziel ist die Prävention chro-nischer Verläufe. Dabei ist es wichtig, den

Internationale Einteilung der muskuloskelettalen Schmerzen

Akute unkomplizierteKreuzschmerzen

Synonyme: Lumbago, «Hexenschuss», unspezifische Kreuzschmerzen, nicht radikuläre Kreuzschmerzen

Unkomplizierte Kreuzschmerzen

Synonyme: Ischialgie, Lumboischialgie· Alter 20 - 50 Jahre· Lumbosakrale Schmerzen, evtl. mit dermatomüber-

greifender Ausstrahlung in das Gesäss oder die Ober-schenkel

· Bewegungsabhängige Schmerzen: Positionsänderun-gen können zu einer Besserung oder Verschlechte-rung führen

· Guter Allgemeinzustand (AZ)

Radikuläre Kreuzschmerzen

· Einseitige Schmerzen im Bein, die schlimmer als die Kreuzschmerzen sind

· Ausstrahlung in den Fuss oder die Zehen· Taubheitsgefühl und Parästhesien in gleicher

Ausbreitung· Positiver Lasègue-Test· Reflexauffälligkeiten, motorische oder sensible Ausfäl-

le im Versorgungsgebiet einer Nervenwurzel· Schmerzen, die nur bis zum Knie ausstrahlen, sind

häufig «pseudoradikulär»: Die sensomotorischen Reiz- bzw. Ausfallerscheinungen sind nicht eindeutig einem oder mehreren Dermatomen zuzuordnen und zeigen in der körperlichen Untersuchung einen negativen Lasègue-Test

Abwendbar gefährliche Verläufe

Etwa 1 % aller Kreuzschmerzen primärärztlicher Patien-ten sind auf Tumorerkrankungen, Frakturen, Infektionen, interventionsbedürftige Deformitäten (wie z.B. Spondy-lolisthesis im Kindesalter) oder entzündlich rheumati-sche Erkrankungen zurückzuführen

Komplizierte Kreuzschmerzen

· Alter < 20 Jahre > 50 Jahre· Zunehmender, nicht bewegungsabhängiger Schmerz

oder Persistenz der Beschwerden trotz Therapie· Schlechter Allgemeinzustand· Fieber (z.B. als Hinweis auf einen paraspinalen

Abszess)· Bekannte Tumorerkrankung· Adäquates Trauma, das eine Fraktur wahrscheinlich

macht· Intravenöser Drogenmissbrauch· Fortgeschrittene HIV-Infektion, Immunsuppression· Systemische Steroidmedikation oder bekannte

Osteoporose· Ausgeprägte neurologische Ausfälle z.B. Reflexauf-

fälligkeiten, motorische und sensible Ausfälle im Versorgungsgebiet mehrerer Nervenwurzeln oder das Kauda-Equina-Syndrom (Reithosenanästhesie, Blasen- und Mastdarmstörung)

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Das Kreuz mit den Kreuzschmerzen

Prof. Dr. med. Thomas Rosemann Muskuloskelettale Beschwerden und unter ihnen Kreuzschmerzen zählen zu den

häufigsten Behandlungsanlässen in der Hausarztpraxis. Epidemiologische Daten zeigen, dass praktisch niemand im

Laufe seines Lebens davon verschont bleibt. Wahrscheinlich sind Kreuzschmerzen einfach untrennbar mit dem auf-

rechten Gang des Menschen verbunden.

Es existiert eine Fülle von therapeutischen Ansätzen, nur für wenige gibt es aber ei-ne gute Evidenz, wobei das Fehlen gros-ser methodisch guter Studien oftmals da-rin begründet liegt, dass es auch gar kein kommerzielles Interesse gibt, einfache, kostengünstige Interventionen zu evaluie-ren. Nachfolgend soll, basierend auf der hausärztlichen Leitlinie der Deutschen Ge-sellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM), die aktuelle Evidenz zur Behandlung der Kreuzschmerzen dargelegt werden.

DefinitionKreuzschmerzen (untere Rückenschmer-zen) sind Schmerzen im Bereich des Rü-ckens vom unteren Rippenbogen bis zu den Glutäalfalten, evtl. mit Ausstrahlung in die Beine, die zu Einschränkungen bei den täglichen Verrichtungen führen (ICD-10: M54.5).

Akute Kreuzschmerzen: weniger als 12 Wochen Dauer. Bei einer Dauer über 6 Wochen spricht man von «subakuten» Kreuzschmerzen.

Rezidivierende Kreuzschmerzen: nach einem symptomfreien Intervall von mindestens 6 Monaten.

Chronische Kreuzschmerzen: länger als 12 Wochen.

Epidemiologie60 - 80 % der Bevölkerung hatten schon einmal in ihrem Leben Kreuzschmerzen, Jüngere häufiger als Ältere.

KlassifikationKreuzschmerzen können von einer Vielzahl anatomischer Strukturen ausgehen, doch bleibt trotz Diagnostik bei ca. 85 % der Patienten die genaue Ursache der Kreuz-schmerzen unklar, und die Beschwerden

heilen spontan. Das Vorgehen sollte da-her nicht darauf ausgerichtet sein, den Ursprung der Kreuzschmerzen zu klären, sondern stattdessen Patienten mit un-komplizierten Verläufen vor übermässiger Diagnostik zu schützen und gleichzeitig die wenigen abwendbar gefährlichen Verläufe, die sofortiger Intervention oder weiterer Diagnostik bedürfen, zu erkennen und um-gehend zu behandeln. Nur etwa 2 % der Kreuzschmerzen erwachsener Patienten in primärärztlicher Versorgung treten in Zu-sammenhang mit einer gastrointestinalen, gynäkologischen oder urologischen Krank-heit (z.B. Pankreatitis, Endometritis oder Pyelonephritis) auf. Bei primär vom Rücken ausgehenden muskuloskelettalen Schmer-zen hat sich folgende Einteilung internatio-nal bewährt:

VorgehensweiseFür die Behandlung der Kreuzschmerzen sind drei Fragen wichtig: Liegt eine gefähr-liche (systemische) Erkrankung zugrunde?

Werden Nerven komprimiert? Gibt es Fak-toren (z.B. depressive Verstimmung, Unzu-friedenheit mit dem Arbeitsplatz), die die Prognose des Patienten verschlechtern? Die Anamnese und eine kurze klinische Untersuchung genügen, um einen entspre-chenden Befund zu erheben.

AnamneseWährend einer Konsultation wegen Kreuz-schmerzen sollte frühzeitig folgendes er-fragt werden:

Allgemeine Angaben zu den SchmerzcharakteristikaLokalisation, Dauer, Auslöser, Ausstrah-lung (einseitig/beidseitig, wohin), Abhän-gigkeit von Position (sitzend, liegend, ste-hend) und Bewegung, (Tages-) zeitlicher Verlauf, Stärke der Schmerzen und Beein-trächtigung täglicher Verrichtungen, frühere Episoden und deren Behandlung, Umgang mit den Beschwerden und erste eigene Behandlungsversuche, Besserung bei Be-wegung, Begleitsymptome und Vorer-krankungen, psychosoziale Anamnese, Patientenvorstellungen über die Ursa-che ihrer Beschwerden.

Klinische Untersuchung Das Ausmass der körperlichen Untersu-chung richtet sich immer nach den Ergeb-nissen der Anamnese. Bestehen Hinweise auf eine extravertebrale Ursache der Be-schwerden, z.B. das Vorliegen einer Harn-wegsinfektion, sollten die entsprechenden Organsysteme untersucht werden (level of evidence DIV). Liegen anamnestisch keine Warnhinweise vor und schildert der Patient Beschwerden im Rücken ohne Hinweise auf eine Nervenkompression (s.radikuläre Beschwerden), muss keine neurologische Untersuchung durchgeführt werden, und es genügt die folgende Basisdiagnostik In-spektion, Palpation, Beweglichkeitsprü-fung, Lasègue.

Bei radikulären Schmerzen sollte zusätz-lich eine neurologische Basisdiagnostik durchgeführt werden. Wir empfehlen, min-destens folgende Tests im Seitenvergleich durchzuführen:· Inspektion· Muskelkraft bei Dorsalflexion des

Fusses und der Grosszehe, Ein-beinstand mit Kniebeuge

· Achillessehnenreflex (ASR) · Patellarsehnenreflex (PSR) · Berührungsempfindung medialer (L4),

dorsaler (L5) und lateraler (S1) Fuss

Weitere Diagnostik Anamnese und klinische Untersuchung ge-nügen, um sich ein Bild über die Art der Kreuzschmerzen zu machen und gefährli-che Verläufe auszuschliessen. Bei unkom-plizierten Kreuzschmerzen bringen zu-sätzliche bildgebende Verfahren keinen diagnostischen Mehrwert, sondern kön-nen dazu führen, dass Arzt und Patient sich auf nicht therapierelevante Zufallsbefunde fixieren, die nicht in Zusammenhang mit den aktuellen Beschwerden stehen. Lie-gen Warnhinweise vor, müssen je nach Verdachtsdiagnose weitere klinische Tests, Laboruntersuchungen, bildgebende Ver-fahren und/oder Überweisungen in fach-ärztliche Behandlung erfolgen.

Indikation für den Einsatz bildgebender VerfahrenBesonders starke Schmerzen, Therapie-resistente Beschwerden, unkomplizierte Kreuzschmerzen: nach vier Wochen, ra-dikuläre Kreuzschmerzen: nach ca. ein bis zwei Wochen, ausgeprägte neurologische Störungen, Warnhinweise auf entzündli-che / maligne Prozesse oder Trauma (kom-plizierte Kreuzschmerzen).

TherapieZiel der Kreuzschmerztherapie ist die Schmerzkontrolle oder Linderung der Be-schwerden. Die Patienten sollten möglichst in die Lage versetzt werden, ihren täglichen Verrichtungen wieder nachzukommen. Warnhinweise müssen frühzeitig erkannt und gefährliche Verläufe vermieden wer-den. Weiteres Ziel ist die Prävention chro-nischer Verläufe. Dabei ist es wichtig, den

Internationale Einteilung der muskuloskelettalen Schmerzen

Akute unkomplizierteKreuzschmerzen

Synonyme: Lumbago, «Hexenschuss», unspezifische Kreuzschmerzen, nicht radikuläre Kreuzschmerzen

Unkomplizierte Kreuzschmerzen

Synonyme: Ischialgie, Lumboischialgie· Alter 20 - 50 Jahre· Lumbosakrale Schmerzen, evtl. mit dermatomüber-

greifender Ausstrahlung in das Gesäss oder die Ober-schenkel

· Bewegungsabhängige Schmerzen: Positionsänderun-gen können zu einer Besserung oder Verschlechte-rung führen

· Guter Allgemeinzustand (AZ)

Radikuläre Kreuzschmerzen

· Einseitige Schmerzen im Bein, die schlimmer als die Kreuzschmerzen sind

· Ausstrahlung in den Fuss oder die Zehen· Taubheitsgefühl und Parästhesien in gleicher

Ausbreitung· Positiver Lasègue-Test· Reflexauffälligkeiten, motorische oder sensible Ausfäl-

le im Versorgungsgebiet einer Nervenwurzel· Schmerzen, die nur bis zum Knie ausstrahlen, sind

häufig «pseudoradikulär»: Die sensomotorischen Reiz- bzw. Ausfallerscheinungen sind nicht eindeutig einem oder mehreren Dermatomen zuzuordnen und zeigen in der körperlichen Untersuchung einen negativen Lasègue-Test

Abwendbar gefährliche Verläufe

Etwa 1 % aller Kreuzschmerzen primärärztlicher Patien-ten sind auf Tumorerkrankungen, Frakturen, Infektionen, interventionsbedürftige Deformitäten (wie z.B. Spondy-lolisthesis im Kindesalter) oder entzündlich rheumati-sche Erkrankungen zurückzuführen

Komplizierte Kreuzschmerzen

· Alter < 20 Jahre > 50 Jahre· Zunehmender, nicht bewegungsabhängiger Schmerz

oder Persistenz der Beschwerden trotz Therapie· Schlechter Allgemeinzustand· Fieber (z.B. als Hinweis auf einen paraspinalen

Abszess)· Bekannte Tumorerkrankung· Adäquates Trauma, das eine Fraktur wahrscheinlich

macht· Intravenöser Drogenmissbrauch· Fortgeschrittene HIV-Infektion, Immunsuppression· Systemische Steroidmedikation oder bekannte

Osteoporose· Ausgeprägte neurologische Ausfälle z.B. Reflexauf-

fälligkeiten, motorische und sensible Ausfälle im Versorgungsgebiet mehrerer Nervenwurzeln oder das Kauda-Equina-Syndrom (Reithosenanästhesie, Blasen- und Mastdarmstörung)

LMZ-RP-66-druck.indd 4-5 7.3.2011 10:04:07 Uhr

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Patienten durch eine gründliche Aufklärung und Schulung aktiv in die Behandlung ein-zubinden. Sofern komplizierende Faktoren ausgeschlossen wurden, ist die erste The-rapie bei unkomplizierten und radikulären Kreuzschmerzen nahezu identisch. Ihre Behandlung wird im Folgenden daher ge-meinsam besprochen, und nur, wenn not-wendig, wird auf unterschiedliche Vorge-hensweisen hingewiesen.

PatientenberatungDer wichtigste Baustein der hausärztlichen Therapie ist das Beratungsgespräch. Ziel ist es, die Patienten aktiv in die Behandlung einzubeziehen, um sie so früh wie möglich zur Wiederaufnahme ihrer üblichen Aktivität zu bewegen. Im Beratungsgespräch sollten folgende Punkte angesprochen werden:Langfristig sollten alle Patienten mit Kreuz-schmerzen regelmässig körperlich aktiv sein. Häufig stösst dies auf Unverständnis seitens der Patienten, da sie aus Angst vor erneuten Schmerzen dazu neigen, Bewe-gungen zu vermeiden, was wiederum zur Verstärkung der aktuellen Beschwerden beiträgt (Teufelskreis). Eine Verhaltensän-derung zu bewirken ist schwierig und hängt von der Motivationslage der Patienten ab. Hilfreich ist es, im Zwiegespräch mit dem Patienten seine derzeitige Motivation für mehr körperliche Aktivität zu erfragen und neben der reinen Empfehlung ggf. Pro und Contra vermehrter Aktivität sowie Beden-ken und Schwierigkeiten in der Umsetzung zu besprechen und erste Ansätze geänder-ten Verhaltens zu bestärken. Spezielle Rü-ckenübungen sind nicht notwendig.

Medikamentöse TherapieDie medikamentöse Therapie ist sympto-matisch und soll den Patienten unterstüt-zen, frühzeitig seine übliche Aktivität wieder aufzunehmen.

Empfohlene TherapienBei leichten Kreuzschmerzen ist Parace-tamol das Mittel der ersten Wahl. Bei un-genügender Wirkung können ASS und nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) ein-gesetzt werden. Eine parenterale Applikati-on, die mit einem Placeboeffekt verbunden sein kann, ist angesichts potentieller UAW,

Autor

Prof. Dr. med. Thomas Rosemann

Institutsdirektor - Institut für Hausarztmedizin

Universitätsspital Zürich

Sonneggstr. 6E · 8091 Zürich

[email protected]

Autor

Prof. Dr. med. Urs Nydegger

FAMH Hämatologie und klinische Immunologie,

FMH Innere Medizin und Hämatologie

labormedizinisches zentrum Dr Risch

Liebefeld bei Bern

[email protected]

wie z.B. Anaphylaxie, Abszesse, nicht ge-rechtfertigt. Sind NSAR unzureichend wirk-sam oder aufgrund von Kontraindikationen nicht indiziert, können Kombinationspräpa-rate aus Paracetamol und Kodeinphosphat eingesetzt werden. Hier ist mit Obstipation, Übelkeit und Benommenheit zu rechnen.

Mit Einschränkungen einsetzbare medikamentöse Therapien· Muskelrelaxantien· Opioide · Antidepressiva · Perkutan applizierte Antiphlo-

gistika und Hyperämika · Applikation von Lokalanästhetika oder

Glukokortikoiden in den Epiduralraum oder die Umgebung der Spinalwurzel · Intrakutane oder subkutane Infiltrati-

onsbehandlung mit Lokalanästhetika und/oder Glukokortikoiden (Quad-

delung, Triggerpunktinjektionen)

Abzulehnende medikamentöse Therapie· Orale Glukokortikoide · Intravenöse oder intramuskuläre Injekti-

on von Schmerzmitteln, insbesondere von Diclofenac · Lokalanästhetika- oder Glukokortikoid-

injektionen in die Wirbelbogengelenke

Nicht medikamentöse TherapienNeben Beratung und der Schmerzthera-pie sind in der Behandlung akuter Kreuz-schmerzen keine weiteren Massnahmen notwendig. Sollten sich Arzt und Patient dennoch für weitere Therapien entschei-den (z.B. weil die bisherigen ohne Erfolg blieben), sollte es Nachweise ihrer Wirk-samkeit geben. Dies ist bislang nur für die Manipulationsbehandlung der Fall. Nicht alle in der Behandlung von Kreuzschmer-zen bekannten Verfahren können hier an-gesprochen werden. Es wurde stattdessen eine Auswahl häufiger und in Studien un-tersuchter Therapien getroffen.

Mit Einschränkung einsetzbare Therapieformen Die Bedeutung von Chirotherapie, bzw. manueller Medizin, für die Behandlung von Kreuzschmerzen wird kontrovers disku-tiert. Wir empfehlen Manipulations- oder

Mobilisationsbehandlungen für akute oder persistierende, unkomplizierte, nicht-ra-dikuläre Kreuzschmerzen, zum Beispiel ISG-Blockierungen. Hitze- und Kältean-wendungen, Massagen, Kurzwellenbe-handlung oder Ultraschallanwendungen bei akuten Kreuzschmerzen. Die Wirksam-keit von Rückenschulen ist mehrfach un-tersucht worden, doch sind die Ergebnisse widersprüchlich. Wir empfehlen Rücken-schulungen bei Patienten mit länger anhal-tenden, unkomplizierten Kreuzschmerzen (mehr als 6 Wochen), die auf Therapieme-thoden erster Wahl nicht angesprochen haben. Krankengymnastik: Wir empfeh-len Krankengymnastik optional bei Patien-ten mit persistierenden, akuten und chro-nischen unkomplizierten Kreuzschmerzen, wenn möglich, im Zusammenhang mit schmerz- und verhaltenstherapeutischer Betreuung. Die Stellung der Akupunktur in der Behandlung akuter wie chronischer Kreuzschmerzen ist z. Zt. noch ungeklärt. Sie kann optional neben evidenzbasierten Therapieverfahren (Aktivierung, Analgeti-ka) in Abstimmung mit den Patienten und entsprechender Risikoabwägung (Infektio-nen, Trauma) eingesetzt werden. Die Stel-lung der transkutanen elektrischen Ner-venstimulation (TENS) in der Behandlung akuter Kreuzschmerzen ist nicht endgültig geklärt. Es gibt Erkenntnisse, dass Verhal-tenstherapie bei akuten und chronischen Kreuzschmerzen zu einer effektiveren Schmerzlinderung und Funktionsverbes-serung führt. Wir empfehlen eine psycho-logische Therapie bei Patienten mit Risiko-faktoren für einen chronischen Verlauf, die mit langen Arbeitsunfähigkeitszeiten ein-hergehen.

Den Volltext der Leitlinie sowie weiterfüh-rende Informationen finden Sie unter http://leitlinien.degam.de

Das «2nd International Symposium on Defects in Innate Immunity and Inflammation» ist Vergangenheit

Prof. Dr. med. Urs Nydegger Die Entzündung von Geweben oder gar des ganzen Körpers ist noch heute zuoberst auf

der Liste der abklärungsbedürftigen Krankheitszustände: lokal ist Entzündung etwas gutes, von der Natur mit Abwehr

und Reparation beauftragt, hingegen kann sie systemisch ausgeweitet zur Lebensbedrohung werden.

Am 4. und 5. Februar 2011 hat im Kinder-spital Zürich ein zweitägiges, international beachtetes Symposium stattgefunden, welches Grundlagen und angewand-te Medizin von entzündlichen Zustän-den und Pathomechanismen thematisiert hatte. 16 Referate hatten Themen wie Infektionskrankheiten, Autoimmunkrank-heiten wie Lupus erythematodes, aber auch das Komplementsystem und sei-ne Defekte, Ursachen der senilen Blind-heit, angioneurotisches Oedem, Durch-blutungs-Probleme nach Herzinfarkt und Hirnschlag zum Inhalt und wurden von einer jungen, auch klinisch tätigen For-schergeneration aufdatiert.

Es zeigte sich, dass unser Immunsystem nicht einfach, wie während der letzten Jahrzehnte einseitig beleuchtet, aus einer adaptiven Immunität besteht. Diese be-grenzt sich thematisch zu stark auf Anti-körperbildung und auf die Schäden, wel-che Autoantikörper anrichten. Viel mehr haben auch wir Primaten ein angeborenes Immunsystem, ganz ähnlich wie dieses von niederen Lebewesen zu Land und zu Wasser, daher sein Name «innate immu-nity». Dazu gehört das Komplementsys-tem und weitere Substanzen sowie eine Anzahl verschiedener Zelltypen, welche an vorderster Front ohne Beteiligung der adaptiven Immunität unsere Individualität und unser Überleben sicherstellen. Die Leistungs-Performance der angeborenen Immunität erlangt Bedeutung bei der Ent-stehung der Arteriosklerose und auch die

Kardiologen lieben es neuerdings, die Se-rumspiegel des C-reaktiven Proteins CRP zu bestimmen, ja diesem sogar prädik-tiven Wert zum Erleiden eines Herzinfarkts oder eines Hirnschlags beizumessen. Endothelzellen, spezielle T-Lymphozyten, natürliche Killerzellen, sie alle spielen ei-ne entscheidende Rolle, wenn es um die Erhaltung unserer Gesundheit geht und unsere Kenntnisse über deren physiologi-sches Zusammenspiel wurde in spannen-den Vorträgen mit hohem Teachingwert dargestellt. Schliesslich war es Jean Lin-denmann (verpasster Nobelpreis!), wel-cher in Zürich in den 1970-er Jahren die Interferone entdeckte und man kam sich nicht deplatziert vor, in eben dieser Stadt auch über das Zytokin-Netzwerk und sein Zusammenspiel mit Komplement und Entzündung neue Erkenntnisse zu erfah-ren. Zur Erweiterung des Untersuchungs-spektrums in der Labormedizin hat das Symposium nur indirekt beigetragen – solche Dosierungsmöglichkeiten wie für Fikolin, Lektin-bindenden Proteinen oder gar für die einzelnen Komplementkompo-nenten sind allgemein noch zu wenig be-kannt und dem Spezialisten vorenthalten. Die Zukunft wird weisen, ob solche, für einzelne Patienten und sogar Neugebo-rene wichtige Parameter einer breiteren Ärzteschaft bekannt werden wird.

Gedankt sei an dieser Stelle den Insti-tuten des Universitätsspitals Basel, der Universität Bern, des Kantonsspital Aar-au und last but not least dem Laborme-

dizinischen Zentrum Dr Risch in Schaan, für die tatkräftige und professionelle Ar-beit bei der Planung und Durchführung des Symposiums.

Verschiedene, durchaus nicht-medizini-sche Neuerungen machen dieses Sym-posium zum wichtigen Ereignis: die Vor-träge sind zur Publikation in «Transfusion and Apheresis Science» und in der «Pi-pette» vorangemeldet, ebenso werden die PowerPoint-Präsentationen der Refe-renten auf www.immune-complex.ch aufgeschaltet und die SULM wird das Thema an der kommenden www.swiss-medlab.ch schwergewichtig thematisie-ren.

LMZ-RP-66-druck.indd 6-7 7.3.2011 10:04:10 Uhr

Page 7: Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik - risch.ch · In Sevelen hat im Januar 2011 ein Referat stattgefunden zum Thema «Das Kreuz mit den Kreuzschmerzen». In Zürich haben wir

6 7

Patienten durch eine gründliche Aufklärung und Schulung aktiv in die Behandlung ein-zubinden. Sofern komplizierende Faktoren ausgeschlossen wurden, ist die erste The-rapie bei unkomplizierten und radikulären Kreuzschmerzen nahezu identisch. Ihre Behandlung wird im Folgenden daher ge-meinsam besprochen, und nur, wenn not-wendig, wird auf unterschiedliche Vorge-hensweisen hingewiesen.

PatientenberatungDer wichtigste Baustein der hausärztlichen Therapie ist das Beratungsgespräch. Ziel ist es, die Patienten aktiv in die Behandlung einzubeziehen, um sie so früh wie möglich zur Wiederaufnahme ihrer üblichen Aktivität zu bewegen. Im Beratungsgespräch sollten folgende Punkte angesprochen werden:Langfristig sollten alle Patienten mit Kreuz-schmerzen regelmässig körperlich aktiv sein. Häufig stösst dies auf Unverständnis seitens der Patienten, da sie aus Angst vor erneuten Schmerzen dazu neigen, Bewe-gungen zu vermeiden, was wiederum zur Verstärkung der aktuellen Beschwerden beiträgt (Teufelskreis). Eine Verhaltensän-derung zu bewirken ist schwierig und hängt von der Motivationslage der Patienten ab. Hilfreich ist es, im Zwiegespräch mit dem Patienten seine derzeitige Motivation für mehr körperliche Aktivität zu erfragen und neben der reinen Empfehlung ggf. Pro und Contra vermehrter Aktivität sowie Beden-ken und Schwierigkeiten in der Umsetzung zu besprechen und erste Ansätze geänder-ten Verhaltens zu bestärken. Spezielle Rü-ckenübungen sind nicht notwendig.

Medikamentöse TherapieDie medikamentöse Therapie ist sympto-matisch und soll den Patienten unterstüt-zen, frühzeitig seine übliche Aktivität wieder aufzunehmen.

Empfohlene TherapienBei leichten Kreuzschmerzen ist Parace-tamol das Mittel der ersten Wahl. Bei un-genügender Wirkung können ASS und nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) ein-gesetzt werden. Eine parenterale Applikati-on, die mit einem Placeboeffekt verbunden sein kann, ist angesichts potentieller UAW,

Autor

Prof. Dr. med. Thomas Rosemann

Institutsdirektor - Institut für Hausarztmedizin

Universitätsspital Zürich

Sonneggstr. 6E · 8091 Zürich

[email protected]

Autor

Prof. Dr. med. Urs Nydegger

FAMH Hämatologie und klinische Immunologie,

FMH Innere Medizin und Hämatologie

labormedizinisches zentrum Dr Risch

Liebefeld bei Bern

[email protected]

wie z.B. Anaphylaxie, Abszesse, nicht ge-rechtfertigt. Sind NSAR unzureichend wirk-sam oder aufgrund von Kontraindikationen nicht indiziert, können Kombinationspräpa-rate aus Paracetamol und Kodeinphosphat eingesetzt werden. Hier ist mit Obstipation, Übelkeit und Benommenheit zu rechnen.

Mit Einschränkungen einsetzbare medikamentöse Therapien· Muskelrelaxantien· Opioide · Antidepressiva · Perkutan applizierte Antiphlo-

gistika und Hyperämika · Applikation von Lokalanästhetika oder

Glukokortikoiden in den Epiduralraum oder die Umgebung der Spinalwurzel · Intrakutane oder subkutane Infiltrati-

onsbehandlung mit Lokalanästhetika und/oder Glukokortikoiden (Quad-

delung, Triggerpunktinjektionen)

Abzulehnende medikamentöse Therapie· Orale Glukokortikoide · Intravenöse oder intramuskuläre Injekti-

on von Schmerzmitteln, insbesondere von Diclofenac · Lokalanästhetika- oder Glukokortikoid-

injektionen in die Wirbelbogengelenke

Nicht medikamentöse TherapienNeben Beratung und der Schmerzthera-pie sind in der Behandlung akuter Kreuz-schmerzen keine weiteren Massnahmen notwendig. Sollten sich Arzt und Patient dennoch für weitere Therapien entschei-den (z.B. weil die bisherigen ohne Erfolg blieben), sollte es Nachweise ihrer Wirk-samkeit geben. Dies ist bislang nur für die Manipulationsbehandlung der Fall. Nicht alle in der Behandlung von Kreuzschmer-zen bekannten Verfahren können hier an-gesprochen werden. Es wurde stattdessen eine Auswahl häufiger und in Studien un-tersuchter Therapien getroffen.

Mit Einschränkung einsetzbare Therapieformen Die Bedeutung von Chirotherapie, bzw. manueller Medizin, für die Behandlung von Kreuzschmerzen wird kontrovers disku-tiert. Wir empfehlen Manipulations- oder

Mobilisationsbehandlungen für akute oder persistierende, unkomplizierte, nicht-ra-dikuläre Kreuzschmerzen, zum Beispiel ISG-Blockierungen. Hitze- und Kältean-wendungen, Massagen, Kurzwellenbe-handlung oder Ultraschallanwendungen bei akuten Kreuzschmerzen. Die Wirksam-keit von Rückenschulen ist mehrfach un-tersucht worden, doch sind die Ergebnisse widersprüchlich. Wir empfehlen Rücken-schulungen bei Patienten mit länger anhal-tenden, unkomplizierten Kreuzschmerzen (mehr als 6 Wochen), die auf Therapieme-thoden erster Wahl nicht angesprochen haben. Krankengymnastik: Wir empfeh-len Krankengymnastik optional bei Patien-ten mit persistierenden, akuten und chro-nischen unkomplizierten Kreuzschmerzen, wenn möglich, im Zusammenhang mit schmerz- und verhaltenstherapeutischer Betreuung. Die Stellung der Akupunktur in der Behandlung akuter wie chronischer Kreuzschmerzen ist z. Zt. noch ungeklärt. Sie kann optional neben evidenzbasierten Therapieverfahren (Aktivierung, Analgeti-ka) in Abstimmung mit den Patienten und entsprechender Risikoabwägung (Infektio-nen, Trauma) eingesetzt werden. Die Stel-lung der transkutanen elektrischen Ner-venstimulation (TENS) in der Behandlung akuter Kreuzschmerzen ist nicht endgültig geklärt. Es gibt Erkenntnisse, dass Verhal-tenstherapie bei akuten und chronischen Kreuzschmerzen zu einer effektiveren Schmerzlinderung und Funktionsverbes-serung führt. Wir empfehlen eine psycho-logische Therapie bei Patienten mit Risiko-faktoren für einen chronischen Verlauf, die mit langen Arbeitsunfähigkeitszeiten ein-hergehen.

Den Volltext der Leitlinie sowie weiterfüh-rende Informationen finden Sie unter http://leitlinien.degam.de

Das «2nd International Symposium on Defects in Innate Immunity and Inflammation» ist Vergangenheit

Prof. Dr. med. Urs Nydegger Die Entzündung von Geweben oder gar des ganzen Körpers ist noch heute zuoberst auf

der Liste der abklärungsbedürftigen Krankheitszustände: lokal ist Entzündung etwas gutes, von der Natur mit Abwehr

und Reparation beauftragt, hingegen kann sie systemisch ausgeweitet zur Lebensbedrohung werden.

Am 4. und 5. Februar 2011 hat im Kinder-spital Zürich ein zweitägiges, international beachtetes Symposium stattgefunden, welches Grundlagen und angewand-te Medizin von entzündlichen Zustän-den und Pathomechanismen thematisiert hatte. 16 Referate hatten Themen wie Infektionskrankheiten, Autoimmunkrank-heiten wie Lupus erythematodes, aber auch das Komplementsystem und sei-ne Defekte, Ursachen der senilen Blind-heit, angioneurotisches Oedem, Durch-blutungs-Probleme nach Herzinfarkt und Hirnschlag zum Inhalt und wurden von einer jungen, auch klinisch tätigen For-schergeneration aufdatiert.

Es zeigte sich, dass unser Immunsystem nicht einfach, wie während der letzten Jahrzehnte einseitig beleuchtet, aus einer adaptiven Immunität besteht. Diese be-grenzt sich thematisch zu stark auf Anti-körperbildung und auf die Schäden, wel-che Autoantikörper anrichten. Viel mehr haben auch wir Primaten ein angeborenes Immunsystem, ganz ähnlich wie dieses von niederen Lebewesen zu Land und zu Wasser, daher sein Name «innate immu-nity». Dazu gehört das Komplementsys-tem und weitere Substanzen sowie eine Anzahl verschiedener Zelltypen, welche an vorderster Front ohne Beteiligung der adaptiven Immunität unsere Individualität und unser Überleben sicherstellen. Die Leistungs-Performance der angeborenen Immunität erlangt Bedeutung bei der Ent-stehung der Arteriosklerose und auch die

Kardiologen lieben es neuerdings, die Se-rumspiegel des C-reaktiven Proteins CRP zu bestimmen, ja diesem sogar prädik-tiven Wert zum Erleiden eines Herzinfarkts oder eines Hirnschlags beizumessen. Endothelzellen, spezielle T-Lymphozyten, natürliche Killerzellen, sie alle spielen ei-ne entscheidende Rolle, wenn es um die Erhaltung unserer Gesundheit geht und unsere Kenntnisse über deren physiologi-sches Zusammenspiel wurde in spannen-den Vorträgen mit hohem Teachingwert dargestellt. Schliesslich war es Jean Lin-denmann (verpasster Nobelpreis!), wel-cher in Zürich in den 1970-er Jahren die Interferone entdeckte und man kam sich nicht deplatziert vor, in eben dieser Stadt auch über das Zytokin-Netzwerk und sein Zusammenspiel mit Komplement und Entzündung neue Erkenntnisse zu erfah-ren. Zur Erweiterung des Untersuchungs-spektrums in der Labormedizin hat das Symposium nur indirekt beigetragen – solche Dosierungsmöglichkeiten wie für Fikolin, Lektin-bindenden Proteinen oder gar für die einzelnen Komplementkompo-nenten sind allgemein noch zu wenig be-kannt und dem Spezialisten vorenthalten. Die Zukunft wird weisen, ob solche, für einzelne Patienten und sogar Neugebo-rene wichtige Parameter einer breiteren Ärzteschaft bekannt werden wird.

Gedankt sei an dieser Stelle den Insti-tuten des Universitätsspitals Basel, der Universität Bern, des Kantonsspital Aar-au und last but not least dem Laborme-

dizinischen Zentrum Dr Risch in Schaan, für die tatkräftige und professionelle Ar-beit bei der Planung und Durchführung des Symposiums.

Verschiedene, durchaus nicht-medizini-sche Neuerungen machen dieses Sym-posium zum wichtigen Ereignis: die Vor-träge sind zur Publikation in «Transfusion and Apheresis Science» und in der «Pi-pette» vorangemeldet, ebenso werden die PowerPoint-Präsentationen der Refe-renten auf www.immune-complex.ch aufgeschaltet und die SULM wird das Thema an der kommenden www.swiss-medlab.ch schwergewichtig thematisie-ren.

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8 9

Personalisierte Referenzwerte

Dr. med. Pedro Medina Escobar Die personalisierte Medizin geht von der Beobachtung aus, dass Patienten mit iden-

tischer Diagnose unterschiedlich auf medizinische Massnahmen ansprechen. Dies äussert sich auch auf der Stufe

Labordiagnostik: der personalisierte Referenzwert sollte von der Beobachtung ausgehen, dass die Physiologie von

Individuen gleichen Alters und gleicher Pathologie anders sein kann, sogar ohne dass sich der Patient als «unnormal»

bzw. krank fühlen muss. Während sich die Behandlung für den einen Patienten als gut wirksam erweist, mag sie für

den anderen nicht die gewünschte Wirkung erzielen. Die physiologische Gesunderhaltung des Menschen ist demnach

komplex. Dies stellt uns vor die Herausforderung, beim einzelnen Patienten zu erkennen, wo sich bei ihm das Gleich-

gewicht zwischen Kranksein und Nichtkranksein befindet und wo es verloren geht. Während sich ein Labor-Referenz-

wert für den einen Patienten als normal erwies, ist die «Kranksein-Grenze» für den anderen bereits überschritten.

Pathologische Laborwerte machen einen Patienten noch nicht krank – und sollen es auch nicht. Ein im medizinischen Labor ermittelter Messwert ist noch kein Befund und ein Laborbefund ist noch keine Diag-nose, und doch: Abweichung von einem Zahlenbereich, welcher mit gesunden Nor-malpersonen berechnet worden ist, len-ken Patient und Arzt auf einen der Analyse zugehörigen klinisch-pathologischen Zu-stand, der erst mal schlummern kann und welchen es zu hinterfragen gilt. So gilt es denn zu unterscheiden:· Laboranalyse im Rahmen eines Check-

Up oder der Militärtauglichkeit· Laboranalyse bei Screening-Program-

men auf Erbkrankeiten, z.B. auf Phenylketonurie beim Neugeborenen

· Laboranalyse zur Erhebung einer Keimfreiheit, z.B. bei Blutspendewilli-gen, Schwangeren oder Sex Workern

· Laboranalyse bei Sportlern· Laboranalyse bei klinisch kranken

Menschen· Laboranalyse zur Beurteilung der

Wirksamkeit einer therapeutischen Massnahme

Referenzbereiche oder was ist «normal»?Die Diskussion in der Medizin, welche La-borwerte als «normal» zu gelten hätten und welche nicht, ist bei gering abweichenden Werten besonders spannend und man mag sich fragen, ob für die einzelnen Pro-banden auch noch ein leicht abweichender Wert, der aus dem Resultateausdruckblatt vom IT-Programm bereits ein Sternchen er-hält, auch beunruhigend sei.Die Begriffe «Referenzwerte» und «Normal-bereiche» sind keine physikalische oder

mathematische Größen, sondern medizini-sche Größen, die einer spezifischen Defini-tion bedürfen.· Welcher Körperzustand als «normal»

oder «unnormal» zu gelten hat, ist eine willkürliche Festlegung.

· Der Unterschied des Alterungsprozesses eines Individuums macht es komplex, Laborwerte des älteren Patienten strikte auf eine arbiträr begrenzte Altersgruppe von Normalpersonen zu beziehen.

Weil es so schwierig ist, sich auf einen allgemein gültigen Normwert zu einigen, sind anstelle des «Normwertes» die Begrif-fe «Referenzwert» bzw. «Referenzbereich» üblich geworden. Unter Referenzbereich verstehen wir den Zahlenbezirk, in welchen die Werte gesunder Spender einer Labor-analyse unter definierten Bedingungen fal-len. Dabei spielt die Anzahl der gesunden Probanden, mit welcher man diesen Refe-renzbereich berechnet, eine wichtige Rolle, nimmt doch mit steigender Beobachtungs-anzahl die statistische Signifikanz zu.

Wenn wir einen Referenzbereich ermitteln, wollen wir ein Werkzeug schaffen, um Ana-lyseresultate von Patienten mit jenen einer möglichst grossen Anzahl gesunder Indivi-duen einer ähnlichen Population zu verglei-chen. Dabei geht man wie folgt vor:1. Man wählt den Analyten, für welchen

man einen Referenzbereich ermitteln will. Man legt die bereits bekannten Kri-terien für eine bekannte Streuung fest, wie Altersgruppe, Body Mass Index oder Einflüsse wie in Tabelle «Referenz-werte, bzw. Referenzbereiche hängen ab von» (s. Seite 9).

2. Man definiert die Referenzpopulation: diese sollte demographisch jener des

Patienten entsprechen und man defi-niere den Einfluss des Lebensalters des Patienten.

3. Man definiere die Präanalytik, welche für die Patientenprobe dieselbe sein sollte, wie jene, die bei den Kontrollen zum Einsatz kam.

Zur Berechnung des Referenzbereichs von z.B. 120 gesunden Spendern elimini-ere man die Ausreisser. Diese werden de-finiert als eine Distanz, die über einen Drittel des durch sämtliche anderen Analysenwert etablierten Bereichs zu liegen kommt (ref UCSD Lab Med 2010). Sind die Ausrei-sser ausgeschlossen, dann beurteile man, ob die einzelnen Werte einer Gauss’schen Verteilung entsprechen. Oft genügt es, das Histogramm von blossem Auge zu inspi-zieren, aber für die strenge Berechnung des Mittel- und Median-Wertes gibt es Formeln. Der «Häufigste Wert» oder «Maxi-malwert der Verteilung» (engl: mode) weist schliesslich auf den am wahrscheinlichsten gesunden Wert hin und die Statistiker inte-ressieren sich dann auch noch um «skew-ness» (Schiefe, Schräge) und «kurtosis» der Verteilungskurve von Einzelwerten (Exzess, Wölbung); dementsprechend ist eine steile und enge Gauss’sche Verteilung repräsen-tativ und eine flache und weit ausholende ist problematisch. Wie man einen Refe-renzbereich darstellt zeigt Abbildung 1.

Eine sinnvolle Interpretation von Labor-resultaten bedarf eines Brückenschlags zur klinischen Situation und eines dar-aus abzuleitenden, erwarteten pathologi-schen Wertes. Idealerweise werden dann die Gauss’schen Verteilungskurven einer Analyse mit Gesunden und mit am vollem Erscheinungsbild der Krankheit leidenden

Menschen ermittelt: wie in Abbildung 2 dargestellt, ist eine 100 %-ige entweder/oder Situation unmöglich, sogar auch dann, wenn man Ausreisser eliminiert. Aber immerhin: eine schöne Trennung ist für jede Analyse darstellbar und es be-steht die mathematische Möglichkeit zwei Kurven darzustellen. Die eine ermittelt als Referenzwertkurve von Gesunden und die andere ermittelt als Gauss’sche Ver-

teilung der Analysewerte von sagen wir mal 120 an einer gut definierten Krankheit leidenden Patienten (Abbildung 2), womit eine apodiktisch formulierbare Grenze i.S. «von hier an ist es abnormal» zur Darstel-lung gelangt.

Eine hundertprozentig sichere Aussa-ge, wo genau auf Grund eines einzelnen Messwertes die Gesundheit eines Men-schen aufhört und die Krankheit anfängt, ist unmöglich, aber für die Mathematiker liegt sie dort, wo sich die «falsch positi-ven» beider Referenzwertkurven überlap-pen (decision point, cutoff).

Laboranalysen in diagnostischen Labora-torien wie in Spitälern, Arztpraxen, Reha-bilitationszentren und Apotheken werden heute mit Automaten durchgeführt. Das Analyseröhrchen gelangt beim Eintreffen im Analyselabor auf einen Probenverteiler und der hauseigene Computer begleitet die Analyseprobe auf den verschiedenen Stationen, deren Etappen durch die vom verschreibenden Arzt angeordneten Un-tersuchungen bestimmt sind. Methodik und Referenzwerte sind dadurch von den Apparateherstellenden Unternehmen vor-gegeben. Das labormedizinische zentrum Dr Risch steht mit diesen Unternehmen in ständigem Kontakt, um die Bestimmung der Referenzwerte auf dem aktuellen Stand des Wissens zu halten. Die Gerä-te-Automaten, im Jargon auch Plattform genannt, liefern so die Referenzwerte der eingeschlossenen Analysen gleich mit. Diese Referenzwerte sind nach Good La-boratory Practice Standards (GLP) ermit-telt. Im November 2008 wurde die GLP für Referenzwerte vom Clinical and Laborato-ry Standards Institute (CLSI) neu revidiert und hat die Bezeichnung «C28-A3» erhal-ten. Das CLSI-Dokument gibt den Analy-selaboratorien eine Richtlinie in die Hand,

um die Kriterien zur Auswahl gesunder Normalpersonen eng zu fassen und ge-genwärtig sind die Apparateherstellenden Firmen dran, noch strengeren Richtlinien Genüge zu tun (s. Literatur).

Allerdings stellt sich sogleich eine neue Herausforderung, nämlich die der perso-nalisierten Medizin, die aktuell vor dem Durchbruch steht: So sind die Giganten der Pharmaindustrie Roche und Novartis mit den neuesten Medikamenten bei der Behandlung von Krebs auf eine verfeiner-te Labordiagnostik angewiesen, die ihrer-seits nach zuverlässigen Referenzwer-ten strebt. Wenn es eine Personalisierte Medizin gibt, dann müssen wir auch den Begriff «Personalisierter Referenzwert» definieren: von amtlicher Seite noch aus-stehend, halten wir dafür, dass jedes Indi-viduum im mit ~1000 gesunden Spendern etablierten, also dementsprechend weit gestreuten Bereich, seinen eigenen engen Platz einnimmt; als Beispiel sei der IgG-Plasmaspiegel angefügt (Referenzbereich: 6 - 16 g / L) für welchen einige Menschen mit 7 g / L völlig gesund sind, andere aber 14 g / L brauchen um nicht infektions-an-fällig zu werden (Referenz Abstract SGIM).

Auswahl, Dosierung und Erfolgskontrolle einer medikamentösen Behandlung, ihrer-seits von der Laboranalyse stark gestützt, ergibt infolge der individuellen Pharmako-dynamik von Patient zu Patient äusserst unterschiedliche Referenzwerte, die es im Sinne der Personalisierung abzuglei-chen gilt; dieser Aspekt kommt sowohl für Kontroll-Untersuchungen, z.B. der An-ämie oder der Nierenfunktion zum tragen, wie er auch wichtig ist für die Serumspie-gel-Dosierung des eingenommenen Me-dikamentes.

Eine Ausnahme bilden die mikrobiologi-schen Analysen von infektiösen Agenten wie Viren oder Bakterien: Wird der Back-ground Wert der Methode, der sog. cutoff, überschritten, so ist der Keim vorhanden und dies braucht dann nicht bei gesunden Normalpersonen, die für einen gegebenen Keim steril sind, nachgeprüft zu werden.

Mit dem Aufkommen der Personalisierten Medizin wird es für die Labormedizin zur Pflicht, die bisher etablierten Referenzbe-

Referenzwerte bzw. Referenzbereiche hängen ab von:

· Alter· Geschlecht· Gravidität · Tagesrhythmus · Essgewohnheiten· körperliches Training · Klima

Abb. 1: Graphische Darstellung eines Referenzbereichs

ReferenceRange

2.5 % FalsePositives

2.5 % FalsePositives

Healthy95 %

An beiden Enden kommen je 2.5 % der Referenz-

werte zu liegen, welche man als «falsch positiv»,

will heissen: falsch pathologisch, bezeichnen darf.

Beachte die schöne Symmetrie und Steilheit der

Gauss’schen Verteilung.

Abb. 2: Zwei Gauss’sche Verteilungskurven

FPFN

DiseasedHealthy

Decision Point (e.g. cutoff)

Im linken Bildteil sieht man die Referenzwertkur-

ve ermittelt mit 120 Gesunden SpenderInnen

und Spendern. Im rechten Bildteil sieht man ei-

ne Gauss’sche Verteilung derselben Analyse wel-

che von 120 typisch an einer nosologisch einheit-

lich exprimierten Erkrankung leidenden Patienten

stammt. FN und FP heisst hier: falsch negativ

und falsch positiv – dort wo sich FN und FP über-

schneidet ist der cutoff, oder die «von hier an ist es

abnormal» Grenze.

LMZ-RP-66-druck.indd 8-9 7.3.2011 10:04:11 Uhr

Page 9: Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik - risch.ch · In Sevelen hat im Januar 2011 ein Referat stattgefunden zum Thema «Das Kreuz mit den Kreuzschmerzen». In Zürich haben wir

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Personalisierte Referenzwerte

Dr. med. Pedro Medina Escobar Die personalisierte Medizin geht von der Beobachtung aus, dass Patienten mit iden-

tischer Diagnose unterschiedlich auf medizinische Massnahmen ansprechen. Dies äussert sich auch auf der Stufe

Labordiagnostik: der personalisierte Referenzwert sollte von der Beobachtung ausgehen, dass die Physiologie von

Individuen gleichen Alters und gleicher Pathologie anders sein kann, sogar ohne dass sich der Patient als «unnormal»

bzw. krank fühlen muss. Während sich die Behandlung für den einen Patienten als gut wirksam erweist, mag sie für

den anderen nicht die gewünschte Wirkung erzielen. Die physiologische Gesunderhaltung des Menschen ist demnach

komplex. Dies stellt uns vor die Herausforderung, beim einzelnen Patienten zu erkennen, wo sich bei ihm das Gleich-

gewicht zwischen Kranksein und Nichtkranksein befindet und wo es verloren geht. Während sich ein Labor-Referenz-

wert für den einen Patienten als normal erwies, ist die «Kranksein-Grenze» für den anderen bereits überschritten.

Pathologische Laborwerte machen einen Patienten noch nicht krank – und sollen es auch nicht. Ein im medizinischen Labor ermittelter Messwert ist noch kein Befund und ein Laborbefund ist noch keine Diag-nose, und doch: Abweichung von einem Zahlenbereich, welcher mit gesunden Nor-malpersonen berechnet worden ist, len-ken Patient und Arzt auf einen der Analyse zugehörigen klinisch-pathologischen Zu-stand, der erst mal schlummern kann und welchen es zu hinterfragen gilt. So gilt es denn zu unterscheiden:· Laboranalyse im Rahmen eines Check-

Up oder der Militärtauglichkeit· Laboranalyse bei Screening-Program-

men auf Erbkrankeiten, z.B. auf Phenylketonurie beim Neugeborenen

· Laboranalyse zur Erhebung einer Keimfreiheit, z.B. bei Blutspendewilli-gen, Schwangeren oder Sex Workern

· Laboranalyse bei Sportlern· Laboranalyse bei klinisch kranken

Menschen· Laboranalyse zur Beurteilung der

Wirksamkeit einer therapeutischen Massnahme

Referenzbereiche oder was ist «normal»?Die Diskussion in der Medizin, welche La-borwerte als «normal» zu gelten hätten und welche nicht, ist bei gering abweichenden Werten besonders spannend und man mag sich fragen, ob für die einzelnen Pro-banden auch noch ein leicht abweichender Wert, der aus dem Resultateausdruckblatt vom IT-Programm bereits ein Sternchen er-hält, auch beunruhigend sei.Die Begriffe «Referenzwerte» und «Normal-bereiche» sind keine physikalische oder

mathematische Größen, sondern medizini-sche Größen, die einer spezifischen Defini-tion bedürfen.· Welcher Körperzustand als «normal»

oder «unnormal» zu gelten hat, ist eine willkürliche Festlegung.

· Der Unterschied des Alterungsprozesses eines Individuums macht es komplex, Laborwerte des älteren Patienten strikte auf eine arbiträr begrenzte Altersgruppe von Normalpersonen zu beziehen.

Weil es so schwierig ist, sich auf einen allgemein gültigen Normwert zu einigen, sind anstelle des «Normwertes» die Begrif-fe «Referenzwert» bzw. «Referenzbereich» üblich geworden. Unter Referenzbereich verstehen wir den Zahlenbezirk, in welchen die Werte gesunder Spender einer Labor-analyse unter definierten Bedingungen fal-len. Dabei spielt die Anzahl der gesunden Probanden, mit welcher man diesen Refe-renzbereich berechnet, eine wichtige Rolle, nimmt doch mit steigender Beobachtungs-anzahl die statistische Signifikanz zu.

Wenn wir einen Referenzbereich ermitteln, wollen wir ein Werkzeug schaffen, um Ana-lyseresultate von Patienten mit jenen einer möglichst grossen Anzahl gesunder Indivi-duen einer ähnlichen Population zu verglei-chen. Dabei geht man wie folgt vor:1. Man wählt den Analyten, für welchen

man einen Referenzbereich ermitteln will. Man legt die bereits bekannten Kri-terien für eine bekannte Streuung fest, wie Altersgruppe, Body Mass Index oder Einflüsse wie in Tabelle «Referenz-werte, bzw. Referenzbereiche hängen ab von» (s. Seite 9).

2. Man definiert die Referenzpopulation: diese sollte demographisch jener des

Patienten entsprechen und man defi-niere den Einfluss des Lebensalters des Patienten.

3. Man definiere die Präanalytik, welche für die Patientenprobe dieselbe sein sollte, wie jene, die bei den Kontrollen zum Einsatz kam.

Zur Berechnung des Referenzbereichs von z.B. 120 gesunden Spendern elimini-ere man die Ausreisser. Diese werden de-finiert als eine Distanz, die über einen Drittel des durch sämtliche anderen Analysenwert etablierten Bereichs zu liegen kommt (ref UCSD Lab Med 2010). Sind die Ausrei-sser ausgeschlossen, dann beurteile man, ob die einzelnen Werte einer Gauss’schen Verteilung entsprechen. Oft genügt es, das Histogramm von blossem Auge zu inspi-zieren, aber für die strenge Berechnung des Mittel- und Median-Wertes gibt es Formeln. Der «Häufigste Wert» oder «Maxi-malwert der Verteilung» (engl: mode) weist schliesslich auf den am wahrscheinlichsten gesunden Wert hin und die Statistiker inte-ressieren sich dann auch noch um «skew-ness» (Schiefe, Schräge) und «kurtosis» der Verteilungskurve von Einzelwerten (Exzess, Wölbung); dementsprechend ist eine steile und enge Gauss’sche Verteilung repräsen-tativ und eine flache und weit ausholende ist problematisch. Wie man einen Refe-renzbereich darstellt zeigt Abbildung 1.

Eine sinnvolle Interpretation von Labor-resultaten bedarf eines Brückenschlags zur klinischen Situation und eines dar-aus abzuleitenden, erwarteten pathologi-schen Wertes. Idealerweise werden dann die Gauss’schen Verteilungskurven einer Analyse mit Gesunden und mit am vollem Erscheinungsbild der Krankheit leidenden

Menschen ermittelt: wie in Abbildung 2 dargestellt, ist eine 100 %-ige entweder/oder Situation unmöglich, sogar auch dann, wenn man Ausreisser eliminiert. Aber immerhin: eine schöne Trennung ist für jede Analyse darstellbar und es be-steht die mathematische Möglichkeit zwei Kurven darzustellen. Die eine ermittelt als Referenzwertkurve von Gesunden und die andere ermittelt als Gauss’sche Ver-

teilung der Analysewerte von sagen wir mal 120 an einer gut definierten Krankheit leidenden Patienten (Abbildung 2), womit eine apodiktisch formulierbare Grenze i.S. «von hier an ist es abnormal» zur Darstel-lung gelangt.

Eine hundertprozentig sichere Aussa-ge, wo genau auf Grund eines einzelnen Messwertes die Gesundheit eines Men-schen aufhört und die Krankheit anfängt, ist unmöglich, aber für die Mathematiker liegt sie dort, wo sich die «falsch positi-ven» beider Referenzwertkurven überlap-pen (decision point, cutoff).

Laboranalysen in diagnostischen Labora-torien wie in Spitälern, Arztpraxen, Reha-bilitationszentren und Apotheken werden heute mit Automaten durchgeführt. Das Analyseröhrchen gelangt beim Eintreffen im Analyselabor auf einen Probenverteiler und der hauseigene Computer begleitet die Analyseprobe auf den verschiedenen Stationen, deren Etappen durch die vom verschreibenden Arzt angeordneten Un-tersuchungen bestimmt sind. Methodik und Referenzwerte sind dadurch von den Apparateherstellenden Unternehmen vor-gegeben. Das labormedizinische zentrum Dr Risch steht mit diesen Unternehmen in ständigem Kontakt, um die Bestimmung der Referenzwerte auf dem aktuellen Stand des Wissens zu halten. Die Gerä-te-Automaten, im Jargon auch Plattform genannt, liefern so die Referenzwerte der eingeschlossenen Analysen gleich mit. Diese Referenzwerte sind nach Good La-boratory Practice Standards (GLP) ermit-telt. Im November 2008 wurde die GLP für Referenzwerte vom Clinical and Laborato-ry Standards Institute (CLSI) neu revidiert und hat die Bezeichnung «C28-A3» erhal-ten. Das CLSI-Dokument gibt den Analy-selaboratorien eine Richtlinie in die Hand,

um die Kriterien zur Auswahl gesunder Normalpersonen eng zu fassen und ge-genwärtig sind die Apparateherstellenden Firmen dran, noch strengeren Richtlinien Genüge zu tun (s. Literatur).

Allerdings stellt sich sogleich eine neue Herausforderung, nämlich die der perso-nalisierten Medizin, die aktuell vor dem Durchbruch steht: So sind die Giganten der Pharmaindustrie Roche und Novartis mit den neuesten Medikamenten bei der Behandlung von Krebs auf eine verfeiner-te Labordiagnostik angewiesen, die ihrer-seits nach zuverlässigen Referenzwer-ten strebt. Wenn es eine Personalisierte Medizin gibt, dann müssen wir auch den Begriff «Personalisierter Referenzwert» definieren: von amtlicher Seite noch aus-stehend, halten wir dafür, dass jedes Indi-viduum im mit ~1000 gesunden Spendern etablierten, also dementsprechend weit gestreuten Bereich, seinen eigenen engen Platz einnimmt; als Beispiel sei der IgG-Plasmaspiegel angefügt (Referenzbereich: 6 - 16 g / L) für welchen einige Menschen mit 7 g / L völlig gesund sind, andere aber 14 g / L brauchen um nicht infektions-an-fällig zu werden (Referenz Abstract SGIM).

Auswahl, Dosierung und Erfolgskontrolle einer medikamentösen Behandlung, ihrer-seits von der Laboranalyse stark gestützt, ergibt infolge der individuellen Pharmako-dynamik von Patient zu Patient äusserst unterschiedliche Referenzwerte, die es im Sinne der Personalisierung abzuglei-chen gilt; dieser Aspekt kommt sowohl für Kontroll-Untersuchungen, z.B. der An-ämie oder der Nierenfunktion zum tragen, wie er auch wichtig ist für die Serumspie-gel-Dosierung des eingenommenen Me-dikamentes.

Eine Ausnahme bilden die mikrobiologi-schen Analysen von infektiösen Agenten wie Viren oder Bakterien: Wird der Back-ground Wert der Methode, der sog. cutoff, überschritten, so ist der Keim vorhanden und dies braucht dann nicht bei gesunden Normalpersonen, die für einen gegebenen Keim steril sind, nachgeprüft zu werden.

Mit dem Aufkommen der Personalisierten Medizin wird es für die Labormedizin zur Pflicht, die bisher etablierten Referenzbe-

Referenzwerte bzw. Referenzbereiche hängen ab von:

· Alter· Geschlecht· Gravidität · Tagesrhythmus · Essgewohnheiten· körperliches Training · Klima

Abb. 1: Graphische Darstellung eines Referenzbereichs

ReferenceRange

2.5 % FalsePositives

2.5 % FalsePositives

Healthy95 %

An beiden Enden kommen je 2.5 % der Referenz-

werte zu liegen, welche man als «falsch positiv»,

will heissen: falsch pathologisch, bezeichnen darf.

Beachte die schöne Symmetrie und Steilheit der

Gauss’schen Verteilung.

Abb. 2: Zwei Gauss’sche Verteilungskurven

FPFN

DiseasedHealthy

Decision Point (e.g. cutoff)

Im linken Bildteil sieht man die Referenzwertkur-

ve ermittelt mit 120 Gesunden SpenderInnen

und Spendern. Im rechten Bildteil sieht man ei-

ne Gauss’sche Verteilung derselben Analyse wel-

che von 120 typisch an einer nosologisch einheit-

lich exprimierten Erkrankung leidenden Patienten

stammt. FN und FP heisst hier: falsch negativ

und falsch positiv – dort wo sich FN und FP über-

schneidet ist der cutoff, oder die «von hier an ist es

abnormal» Grenze.

LMZ-RP-66-druck.indd 8-9 7.3.2011 10:04:11 Uhr

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Autoimmunhämolytische und Medikamenten-induzierte Anämie (AIHA)

Prof. Dr. med. Urs Nydegger Die beiden Lehrbuchkapitel Autoimmunhämolytische Anämie (AIHA) und Medikamen-

ten-induzierte hämolytische Anämie haben eines gemeinsam: sie handeln um seltene Krankheitsbilder des Bereichs

«Immunkomplex-Krankheiten» mit entscheidender Beteiligung des Komplementsystems. Treten sie einmal auf, so

sind diese Krankheitszustände eindrücklich und können die Form einer schweren Erkrankung annehmen - sollen und

dürfen aber nicht zum Tode führen, wenn durch eine kompetente Labordiagnostik Ursache und Behandlung erhellt

werden. Der vorliegende Beitrag drückt dem Kliniker die Klinke zum Immunhämatologischen Laboratorium und zieht

bei jeder Erklärungsstufe im Labor Rückschluss zur Klinik.

Die Gesamtoberfläche von Erythrozyten eines Erwachsenen entspricht der eines halben Fussballfeldes: auf diesem Spielfeld spielen Serumeiweisse einen «Fussball», der kompetenter Schiedsrichter bedarf. Eine Immunhämolyse ist gekennzeichnet durch eine verkürzte Erythrozytenüberle-benszeit in der Zirkulation. Klinisch und serologisch lassen sich Immunhämolysen in verschiedene Klassen unterteilen – die-se werden durch spezifisch anti-erythro-zytäre, komplement (C)- und / oder nicht-komplement (∅C)-aktivierende Antikörper verursacht. Allmählich oder akut stellt sich eine milde, mässige oder starke Anämie ein, wo die Symptomatik von der Dau-er der Hämolyserate abhängt – zwischen Wohlfühlen und schwerer Krankheit ist al-les möglich: Flanken- und Bauchschmer-zen kündigen Blässe und Gelb-Verfärbung der Tegumente an. Diagnosestellung und vor allem Therapie gestalten sich häufig schwierig und erfordern spezielle Kennt-nisse über die humorale Immunität. Der Mechanismus der Hämolyse ist geklärt – die Antikörper gehören zur IgG-, zur IgM- oder selten zur IgA Klasse. Die int-ravasale Immunhämolyse resultiert aus der Einwirkung der aktivierten termina-len Komplementkomponenten (C5b-9-Komplex) auf die Zellmembran. Im ersten Fall, und wenn die Komplementaktivierung ausbleibt (Ak∅C) werden die sensibilisier-ten Erythrozyten über die Rezeptoren für IgG Moleküle (IgG3, IgG1, selten IgG2) oder, wenn die Antikörper Komplement aktivieren (AkC) über den C3b-Komple-ment-Rezeptor (CR1/ CD35) von Makro-phagen, vor allem in der Milz abgebaut. Bei starker Beladung mit Antikörpern und/oder C3b-Fixation ist die Leber, dort die Kupffer’schen Sternzellen der Ort, wo die Erythrozyten aus der Zirkulation entfernt werden. Wenn nun beim klinisch betreuen-

den Arzt ein Bericht über vorhandene anti- erythrozytäre Antikörper eintrifft, so wird dieser seine therapeutischen Massnahmen zur Eindämmung der Hämolyse-auslösen-den Faktoren aufgrund der Laborresulta-te optimal ausrichten können. Die Kom-petenz im Immunhämatologie-Labor baut sich bereits auf Stufe medizinisch-techni-scher Laborassistent auf: dort verfügt das Analyselabor über austypisierte Spender-erythrozyten und einer Sammlung von analytischen monoklonalen Antikörpern: erfahrene Laborantinnen sind tagtäglich mit der Definition von Spender-/ Empfän-ger – oder Kind / Mutter Kompatibilitäten des werdenden Kindes beschäftigt und können die so erworbene Kompetenz der viel seltener vorkommenden Nachfrage des Klinkers nach Abklärung einer AIHA gerecht werden.

Die TeilnehmerInnen der Fortbildungs-tagung wurden auf das 2nd International Symposium on Defects in Innate Immu-nity & Inflammation aufmerksam gemacht, welches im Februar 2011 im Kinderspi-tal Zürich, dank einem Fortbildungsbei-trag des labormedizinischen zentrums Dr Risch, stattfand – neue Trends zur Be-handlung der Organschädigung durch Antikörper und Komplement wurden dort aufdatiert (siehe Beitrag Seite 7).

Mit dem Altern nimmt die Inzidenz zu; 50 % der Fälle sind idiopathisch und bleiben es, die andere Hälfte leidet an einer auslösen-den Grundkrankheit wie beispielsweise Infektionen, Lupus erythematodes, Käl-teagglutinine: Mycoplasma pneumoniae Infektion, infektiöse Mononucleose oder auch seltenere Gründe wie Thyroiditis, Autoimmunhepatitis oder Allergien. Un-erklärterweise ist die AIHA vor allem eine Krankheit der Frauen. Im peripheren Blut-

ausstrich lassen sich mit unterschiedlicher Ausprägung Anisozytose, Mikrozytose, Sphärozytose, Polychromasie und Reti-kulozytose nachweisen. Der Coombs-Test (synonym: Direkter Antiglobulintest, DAT) ist im klassischen Fall stark positiv; freie Antikörper finden sich bei etwa der Hälf-te der Fälle.

Therapeutisch geht es um Entfernung/Hemmung der Autoantikörper (Plasma-pherese, Immunsuppressive Therapie, allen voran Steroide) oder auch um Hem-mung des Komplementsystems (Eculi-zumab) oder, in Vorbereitung der Plasma-fraktionierenden Industrie, Faktor H aus Gemischen («Pools») von Humanplasma gesunder Spenderinnen und Spender. Dexa methason-Stosstherapie (40 mg / d an 4 aufeinanderfolgenden Tagen und Wiederholung je nach Verlauf alle 4 Wo-chen, insgesamt bis zu 6 Zyklen bei Re-spondern). Azathioprin, Mycophenolat Mofetil und Cyclophosphamid stehen in Reserve. Rituximab (anti-CD20) kann ver-sucht werden. Bluttransfusionen sind bei einer anämischen Hypoxie nach Einleitung der spezifischen Therapie angezeigt und am schnellsten wirksam. Die Literatur wird immer kritischer, was das Alter der Spen-dererythrozyten anbelangt: Frische, nicht gewaschene Erythrozytenkonzentrate sind das Beste. Die Labordiagnostik muss sol-che Behandlungsprotokolle regelmässig begleiten – oft verschwinden pathologi-sche Befunde im immunhämatologischen Labor, bevor sich der klinische Zustand bessert und sie instruieren den Therapeu-ten, die begonnene Behandlung fortzuset-zen ohne die Geduld zu verlieren.

AIHA vom Kältetyp kommt im Anschluss an eine Infektion (meistens atypische Pneumonie oder Mononucleose) vor. Die

Autor

Dr. med. Pedro Medina Escobar,

FAMH Klinische Chemie Cand.

labormedizinisches zentrum Dr Risch

Liebefeld bei Bern

[email protected]

reiche auf ein Patienten-individuelles Niveau zu bringen. Sicher gilt es nun nicht, tradi-tionelle Referenzbereiche in Frage zu stel-len, sondern vielmehr, für deren Abgren-zung verfeinerte Kriterien anzuwenden.

Einerseits stehen Formeln zur Verfügung, mit welchen Referenzwerte individual-spezifisch (Körpergewicht, Körperober-fläche) angepasst werden, wie bei der Schwartz’schen Formel zur Errechnung der Nierenfunktion – hier soll der verschrei-bende Arzt frühzeitig daran denken, bei den klinischen Angaben an das Labor die notwendigen Patientendaten zu erheben und dem Resultate-validierenden FAMH-Spezialisten im Labor weiterzuleiten.

Einige Autoren schlagen auch vor, dass sich jeder Patient selbst den Referenz-wert aus gesunden Zeiten sichert: Wer heute als gesunder Mensch eine Serum-rückstellprobe einfriert, kann sich diese Jahre danach im Krankheitsfalle auftauen lassen und als Referenzprobe mit der in der Krankheitsphase entnommenen Pro-be vergleichen lassen.

Wenn es uns mit diesem Text gelungen ist, den Leser auf das längst nicht abgeschlos-sene und immer neu anzupassende The-ma der Frage, was im Analyselabor denn normal und abnormal sei aufmerksam zu machen, so ist ein wichtiger Teil unseres Anliegens erfüllt. Es ist zu hoffen, dass die angewandte Semantik auch in der wach-senden IT-Vernetzung im Rahmen der eHealth Programme Anwendung findet.

Immunchemischer Nachweis auf okkultes Blut im Stuhl

Dr. phil. II Michael Ritzler Auf dem Markt sind viele Screening Tests. Nicht

alle mit überzeugender Performance.

Das kolorektale Karzinom (KRK) gehört mit zu den häufigsten Krebserkrankungen ge-nerell. Prognostisch günstige Frühstadien lassen sich im Allgemeinen gut erfassen und kurativ beheben. Nebst der Primär-prävention existiert auch ein adäquates, wissenschaftlich gut belegtes Screening. In vielen Ländern existieren diesbezüg-lich klare Leitlinien. Die Empfehlungen sind zwar nicht identisch aber weitgehend ver-gleichbar. In der Schweiz fehlen aktuell all-gemeine Leitlinien, bzw. sind noch nicht anerkannt. Goldstandart ist sicherlich die Koloskopie. Diese bleibt aber den Gastro-enterologen vorenthalten und die Abgel-tung als Primär-Screening ist noch nicht offiziell geregelt (1). Den Grundversorgern, zunehmend durch die Aktualität und Me-dienpräsenz des KRK mit dieser Thematik konfrontiert, steht diagnostisch primär nur der Nachweis von okkultem Blut im Stuhl (FOBT) als Screening zur Verfügung.

Methodisch stehen entweder der Guajak-Stuhltest (Reaktion mit Globulin-gebunde-nen Peroxidasen) oder der Immunochemi-sche Bluttest (iFOBT, klonale Antikörper gegen humanes Hämoglobin) zur Verfü-gung. Ersterer ist unspezifisch, da er auch mit Nahrungs-Peroxidasen reagieren kann und somit eine vorausgehende Diät ver-langt und zudem im Gegensatz zum im-munochemischen Test als weniger sensi-tiv gilt. Das verbesserte Handling und der spezifische Nachweis von humanem Blut sprechen trotz leicht höherer Kosten klar für den immunochemischen Test. Momen-tan sind etliche Anbieter des FOBT mit ganz unterschiedlichen Performance Cha-rakteristika auf dem Markt. Die Sensitivität reicht je nach Test von ca. 10 - 60 % (2). In unserem Labor sind aktuell sowohl der Gu-ajak- als auch ein hochsensitiver iFOBT im Einsatz. Zur Analyse muss beim iFOBT – im Gegensatz zu den drei Guajak-Testbrief-chen – nur Nativstuhl eingesandt werden, was das Procedere für den Patienten ver-einfacht und allfällige zusätzliche Analysen aus dem Nativstuhl ermöglicht. Dies und die oben erwähnte bessere Performance geben dem iFOBT klar den Vorzug.

Autor

Dr. phil. II Michael Ritzler

FAMH Medizinische Mikrobiologie, inkl. DNS/RNS

Abteilungsleiter Mikrobiologie

labormedizinisches zentrum Dr Risch · Schaan

[email protected]

Literatur

1. Kolonkarzinom-Screening in der Schweiz –

die Position der SGG/SSG, Version1.

Oktober 2006

2. Hundt et al. (2009). Ann Intern Med 150:162-

169

Literatur

CLSI. Defining, Establ. and Verifying Reference

Intervals in the Clinical Laboratory; Approved

Guideline - Third Edition. CLSI doc. C28-A3.

Wayne, PA: Clinical and Laboratory Standards

Institute; 2008.

LMZ-RP-66-druck.indd 10-11 7.3.2011 10:04:11 Uhr

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Autoimmunhämolytische und Medikamenten-induzierte Anämie (AIHA)

Prof. Dr. med. Urs Nydegger Die beiden Lehrbuchkapitel Autoimmunhämolytische Anämie (AIHA) und Medikamen-

ten-induzierte hämolytische Anämie haben eines gemeinsam: sie handeln um seltene Krankheitsbilder des Bereichs

«Immunkomplex-Krankheiten» mit entscheidender Beteiligung des Komplementsystems. Treten sie einmal auf, so

sind diese Krankheitszustände eindrücklich und können die Form einer schweren Erkrankung annehmen - sollen und

dürfen aber nicht zum Tode führen, wenn durch eine kompetente Labordiagnostik Ursache und Behandlung erhellt

werden. Der vorliegende Beitrag drückt dem Kliniker die Klinke zum Immunhämatologischen Laboratorium und zieht

bei jeder Erklärungsstufe im Labor Rückschluss zur Klinik.

Die Gesamtoberfläche von Erythrozyten eines Erwachsenen entspricht der eines halben Fussballfeldes: auf diesem Spielfeld spielen Serumeiweisse einen «Fussball», der kompetenter Schiedsrichter bedarf. Eine Immunhämolyse ist gekennzeichnet durch eine verkürzte Erythrozytenüberle-benszeit in der Zirkulation. Klinisch und serologisch lassen sich Immunhämolysen in verschiedene Klassen unterteilen – die-se werden durch spezifisch anti-erythro-zytäre, komplement (C)- und / oder nicht-komplement (∅C)-aktivierende Antikörper verursacht. Allmählich oder akut stellt sich eine milde, mässige oder starke Anämie ein, wo die Symptomatik von der Dau-er der Hämolyserate abhängt – zwischen Wohlfühlen und schwerer Krankheit ist al-les möglich: Flanken- und Bauchschmer-zen kündigen Blässe und Gelb-Verfärbung der Tegumente an. Diagnosestellung und vor allem Therapie gestalten sich häufig schwierig und erfordern spezielle Kennt-nisse über die humorale Immunität. Der Mechanismus der Hämolyse ist geklärt – die Antikörper gehören zur IgG-, zur IgM- oder selten zur IgA Klasse. Die int-ravasale Immunhämolyse resultiert aus der Einwirkung der aktivierten termina-len Komplementkomponenten (C5b-9-Komplex) auf die Zellmembran. Im ersten Fall, und wenn die Komplementaktivierung ausbleibt (Ak∅C) werden die sensibilisier-ten Erythrozyten über die Rezeptoren für IgG Moleküle (IgG3, IgG1, selten IgG2) oder, wenn die Antikörper Komplement aktivieren (AkC) über den C3b-Komple-ment-Rezeptor (CR1/ CD35) von Makro-phagen, vor allem in der Milz abgebaut. Bei starker Beladung mit Antikörpern und/oder C3b-Fixation ist die Leber, dort die Kupffer’schen Sternzellen der Ort, wo die Erythrozyten aus der Zirkulation entfernt werden. Wenn nun beim klinisch betreuen-

den Arzt ein Bericht über vorhandene anti- erythrozytäre Antikörper eintrifft, so wird dieser seine therapeutischen Massnahmen zur Eindämmung der Hämolyse-auslösen-den Faktoren aufgrund der Laborresulta-te optimal ausrichten können. Die Kom-petenz im Immunhämatologie-Labor baut sich bereits auf Stufe medizinisch-techni-scher Laborassistent auf: dort verfügt das Analyselabor über austypisierte Spender-erythrozyten und einer Sammlung von analytischen monoklonalen Antikörpern: erfahrene Laborantinnen sind tagtäglich mit der Definition von Spender-/ Empfän-ger – oder Kind / Mutter Kompatibilitäten des werdenden Kindes beschäftigt und können die so erworbene Kompetenz der viel seltener vorkommenden Nachfrage des Klinkers nach Abklärung einer AIHA gerecht werden.

Die TeilnehmerInnen der Fortbildungs-tagung wurden auf das 2nd International Symposium on Defects in Innate Immu-nity & Inflammation aufmerksam gemacht, welches im Februar 2011 im Kinderspi-tal Zürich, dank einem Fortbildungsbei-trag des labormedizinischen zentrums Dr Risch, stattfand – neue Trends zur Be-handlung der Organschädigung durch Antikörper und Komplement wurden dort aufdatiert (siehe Beitrag Seite 7).

Mit dem Altern nimmt die Inzidenz zu; 50 % der Fälle sind idiopathisch und bleiben es, die andere Hälfte leidet an einer auslösen-den Grundkrankheit wie beispielsweise Infektionen, Lupus erythematodes, Käl-teagglutinine: Mycoplasma pneumoniae Infektion, infektiöse Mononucleose oder auch seltenere Gründe wie Thyroiditis, Autoimmunhepatitis oder Allergien. Un-erklärterweise ist die AIHA vor allem eine Krankheit der Frauen. Im peripheren Blut-

ausstrich lassen sich mit unterschiedlicher Ausprägung Anisozytose, Mikrozytose, Sphärozytose, Polychromasie und Reti-kulozytose nachweisen. Der Coombs-Test (synonym: Direkter Antiglobulintest, DAT) ist im klassischen Fall stark positiv; freie Antikörper finden sich bei etwa der Hälf-te der Fälle.

Therapeutisch geht es um Entfernung/Hemmung der Autoantikörper (Plasma-pherese, Immunsuppressive Therapie, allen voran Steroide) oder auch um Hem-mung des Komplementsystems (Eculi-zumab) oder, in Vorbereitung der Plasma-fraktionierenden Industrie, Faktor H aus Gemischen («Pools») von Humanplasma gesunder Spenderinnen und Spender. Dexa methason-Stosstherapie (40 mg / d an 4 aufeinanderfolgenden Tagen und Wiederholung je nach Verlauf alle 4 Wo-chen, insgesamt bis zu 6 Zyklen bei Re-spondern). Azathioprin, Mycophenolat Mofetil und Cyclophosphamid stehen in Reserve. Rituximab (anti-CD20) kann ver-sucht werden. Bluttransfusionen sind bei einer anämischen Hypoxie nach Einleitung der spezifischen Therapie angezeigt und am schnellsten wirksam. Die Literatur wird immer kritischer, was das Alter der Spen-dererythrozyten anbelangt: Frische, nicht gewaschene Erythrozytenkonzentrate sind das Beste. Die Labordiagnostik muss sol-che Behandlungsprotokolle regelmässig begleiten – oft verschwinden pathologi-sche Befunde im immunhämatologischen Labor, bevor sich der klinische Zustand bessert und sie instruieren den Therapeu-ten, die begonnene Behandlung fortzuset-zen ohne die Geduld zu verlieren.

AIHA vom Kältetyp kommt im Anschluss an eine Infektion (meistens atypische Pneumonie oder Mononucleose) vor. Die

Autor

Dr. med. Pedro Medina Escobar,

FAMH Klinische Chemie Cand.

labormedizinisches zentrum Dr Risch

Liebefeld bei Bern

[email protected]

reiche auf ein Patienten-individuelles Niveau zu bringen. Sicher gilt es nun nicht, tradi-tionelle Referenzbereiche in Frage zu stel-len, sondern vielmehr, für deren Abgren-zung verfeinerte Kriterien anzuwenden.

Einerseits stehen Formeln zur Verfügung, mit welchen Referenzwerte individual-spezifisch (Körpergewicht, Körperober-fläche) angepasst werden, wie bei der Schwartz’schen Formel zur Errechnung der Nierenfunktion – hier soll der verschrei-bende Arzt frühzeitig daran denken, bei den klinischen Angaben an das Labor die notwendigen Patientendaten zu erheben und dem Resultate-validierenden FAMH-Spezialisten im Labor weiterzuleiten.

Einige Autoren schlagen auch vor, dass sich jeder Patient selbst den Referenz-wert aus gesunden Zeiten sichert: Wer heute als gesunder Mensch eine Serum-rückstellprobe einfriert, kann sich diese Jahre danach im Krankheitsfalle auftauen lassen und als Referenzprobe mit der in der Krankheitsphase entnommenen Pro-be vergleichen lassen.

Wenn es uns mit diesem Text gelungen ist, den Leser auf das längst nicht abgeschlos-sene und immer neu anzupassende The-ma der Frage, was im Analyselabor denn normal und abnormal sei aufmerksam zu machen, so ist ein wichtiger Teil unseres Anliegens erfüllt. Es ist zu hoffen, dass die angewandte Semantik auch in der wach-senden IT-Vernetzung im Rahmen der eHealth Programme Anwendung findet.

Immunchemischer Nachweis auf okkultes Blut im Stuhl

Dr. phil. II Michael Ritzler Auf dem Markt sind viele Screening Tests. Nicht

alle mit überzeugender Performance.

Das kolorektale Karzinom (KRK) gehört mit zu den häufigsten Krebserkrankungen ge-nerell. Prognostisch günstige Frühstadien lassen sich im Allgemeinen gut erfassen und kurativ beheben. Nebst der Primär-prävention existiert auch ein adäquates, wissenschaftlich gut belegtes Screening. In vielen Ländern existieren diesbezüg-lich klare Leitlinien. Die Empfehlungen sind zwar nicht identisch aber weitgehend ver-gleichbar. In der Schweiz fehlen aktuell all-gemeine Leitlinien, bzw. sind noch nicht anerkannt. Goldstandart ist sicherlich die Koloskopie. Diese bleibt aber den Gastro-enterologen vorenthalten und die Abgel-tung als Primär-Screening ist noch nicht offiziell geregelt (1). Den Grundversorgern, zunehmend durch die Aktualität und Me-dienpräsenz des KRK mit dieser Thematik konfrontiert, steht diagnostisch primär nur der Nachweis von okkultem Blut im Stuhl (FOBT) als Screening zur Verfügung.

Methodisch stehen entweder der Guajak-Stuhltest (Reaktion mit Globulin-gebunde-nen Peroxidasen) oder der Immunochemi-sche Bluttest (iFOBT, klonale Antikörper gegen humanes Hämoglobin) zur Verfü-gung. Ersterer ist unspezifisch, da er auch mit Nahrungs-Peroxidasen reagieren kann und somit eine vorausgehende Diät ver-langt und zudem im Gegensatz zum im-munochemischen Test als weniger sensi-tiv gilt. Das verbesserte Handling und der spezifische Nachweis von humanem Blut sprechen trotz leicht höherer Kosten klar für den immunochemischen Test. Momen-tan sind etliche Anbieter des FOBT mit ganz unterschiedlichen Performance Cha-rakteristika auf dem Markt. Die Sensitivität reicht je nach Test von ca. 10 - 60 % (2). In unserem Labor sind aktuell sowohl der Gu-ajak- als auch ein hochsensitiver iFOBT im Einsatz. Zur Analyse muss beim iFOBT – im Gegensatz zu den drei Guajak-Testbrief-chen – nur Nativstuhl eingesandt werden, was das Procedere für den Patienten ver-einfacht und allfällige zusätzliche Analysen aus dem Nativstuhl ermöglicht. Dies und die oben erwähnte bessere Performance geben dem iFOBT klar den Vorzug.

Autor

Dr. phil. II Michael Ritzler

FAMH Medizinische Mikrobiologie, inkl. DNS/RNS

Abteilungsleiter Mikrobiologie

labormedizinisches zentrum Dr Risch · Schaan

[email protected]

Literatur

1. Kolonkarzinom-Screening in der Schweiz –

die Position der SGG/SSG, Version1.

Oktober 2006

2. Hundt et al. (2009). Ann Intern Med 150:162-

169

Literatur

CLSI. Defining, Establ. and Verifying Reference

Intervals in the Clinical Laboratory; Approved

Guideline - Third Edition. CLSI doc. C28-A3.

Wayne, PA: Clinical and Laboratory Standards

Institute; 2008.

LMZ-RP-66-druck.indd 10-11 7.3.2011 10:04:11 Uhr

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Krankheit ist selten und tritt vorwiegend ab einem Alter von 14 Jahren auf. Bitte verwechseln wir die AIHA vom Kältetyp (Kälte beginnt hier bereits bei 30 °C) nicht mit der Kryoglobulinämie, wo zirkulieren-de Immunkomplexe, meist aus Parapro-teinen bestehend (s. Riport 57, Seite 8: «Immunkomplexe: Antigen und Antikörper im Wechselspiel») eine Hyperviskosität des Blutes, Blutzirkulationsstörungen in der Peripherie und eine systemische Vaskuli-tis hinterlassen. Kälteagglutinin-Patienten kennen ihre Krankheit – oft lassen sie sich in wärmeren Ländern nieder und meiden gekühlte Speisen oder Glace!

Die AIHA vom Mischtyp und die Paroxys-male Kältehämoglobinurie vom Donath-Landsteiner Typ gehören zu den Raritäten.

Medikamenten-induzierte HämolyseMan ermisst die Zahl der verschiedenen Medikamente, welche eine Hämolyse aus-lösen können auf etwa 100. Die genau-en Mechanismen der Immunisierung sind bisher nicht geklärt. Möglicherweise wer-den durch das Medikament oder die Me-taboliten an der betroffenen Zelloberfläche Neoantigene neu geschaffen, die zur Bil-dung von Autoantikörpern und/oder medi-kamentenabhängigen Antikörpern führen. Um das Jahr 1970 begann man die Art und Weise, wie Medikamente den Eryth-

rozyten Schaden zufügen zu verstehen (Tabelle 1 / Abbildung 1). Während in den 1970er Jahren Methyldopamin und Peni-cillin dafür gefürchtet waren, hat sich heute das Spektrum erweitert (Tabelle 2). Wich-tig zu wissen: Jedes dieser modernen Me-dikamente hat auf seiner Nebenwirkungs-liste häufigere Nebenwirkungsgefahren als die Hämolyse welche selten, aber gefürch-tet, bleibt. Die minimale Zeit für eine pri-märe Immunantwort beträgt 5 - 6 Tage. Die Immunisierung kann während des Thera-piekurses und häufig auch nach Absetzen des Medikamentes entstehen. Danach kann jede Reexposition zu dem ursächli-chen Medikament eine sofortige Reaktion bewirken.

DiagnoseDiese bleibt klinisch und ist im Labor nur erschwert mit dem vermuteten auslösen-den Medikament in Verbindung zu brin-gen. Der Auslassversuch kann umständlich sein: Absetzen des inkriminierten Medika-mentes und abwarten bis Besserung ein-tritt; dieses Vorgehen ist dann möglich, wenn zum inkriminierten Medikament eine gute Alternative für den Patienten besteht. Man denke also bei einer hämolytischen Anämie und einem reaktiven Coombs-Test immer auch an Medikamente und suche im Internet für Zusammenhänge, z.B. im Suchfeld bei google: «medikamentenna-

me« und «hämolytische Anämie». Wir hat-ten seinerzeit im Universitätsspital Bern mit der damaligen Cheflaborantin, Frau Annalies Baumann (heute lmz Dr Risch Liebefeld) für einen grösseren Interessen-tenkreis Laborteste entwickelt, nach dem Prinzip: Patientenserum mit Testerythrozy-ten in Gegenwart oder Abwesenheit des Medikamentes inkubieren um so in vitro mit anti-humanglobulin Antiserum einen Coombs-Test auszulösen. Angesichts der selten bleibenden Aufträge mussten wir das Projekt aus Kostengründen fallen las-sen und heute schickt ganz Helvetien sei-ne abklärungsbedürftigen Fälle in das In-stitut für Transfusionsmedizin der Charité, D-Berlin, wo auch mit Metaboliten der in-kriminierten Medikamente schlüssige Re-sultate ausgearbeitet werden.

TherapieDas verdächtigte oder bekannterweise in-kriminierte Medikament muss sofort ab-gesetzt werden. Bei klinisch relevanter Anämie werden Erythrozytenkonzentrate transfundiert. Komplikationen wie Schock-symptome und Gerinnungsstörungen wer-den symptomatisch behandelt. Bei Nieren-versagen und persistierender Hämolyse durch Medikamentreste in der Zirkulation ist die Plasmapherese bzw. die Hämodia-lyse angezeigt.

Tabelle 1: Wie Medikamente die Erythrozyten schädigen können

Reaktionstyp Prototyp

Hapten- oder Immunkomplextyp(IgGC)- und / oder IgM-Antikörper, die nur in Anwesenheit des ursächlichen Medikamentes und / oder seiner Metaboliten mit den betroffenen Erythrozyten reagieren (mechanistisch medikamenten- abhängige Antikörper, induziert durch das Medikament)

Penicillin

Autoimmuntyp IgG∅C-Autoantikörper, die mit den betroffenen Erythrozyten in Anwesenheit sowie in Abwesenheit des ursächlichen Medikamentes reagieren

Aldomet

MischformSowohl Autoantikörper als auch medikamentenabhängige Antikörper

Quinidine

Stau der Komplementaktivierung auf Stufe C3 Eculizumab

Tabelle 2: Auswahl Hämolyse-induzierender Medikamente I

Handelsname Generic Name Indikation

Aldomet Methyldopamin Hypertonie

Ampicillin, ClamoxilPenicillin (beta-lactamase empfindlich)

Bakterielle Infektionen (Staphylokokken, Strepto-kokken, Pasteurella multo-cida)

RocephinFortamAugmentin

Primaxin

Cephalosporin, ein beta-lactamase resistentes AntibiotikumCeftriaxoneCeftazidimeAmoxicillin-Clavulansäu-re, beta-lactamase-resis-tentImipenem

Bakterielle Infektionen, welche eine i.v. Antibiose benötigen (Breitbandspek-trum – z.B. Enterobacteri-cae, nicht-Fermenter (Pseudomonas)

Eculizumab Alexion PNH, Hämolyse

Rituximab Rituxan Autoimmun-Erkrankungen

Abbildung 1: Die drei Klassiker des Medikamentös-induzierten extramembranösen Schadens auf Erythrozyten

a

Immunkomplextyp: das Medikament hat spezifisch gegen sich selbst gerichtet An-tikörper induziert, welche sich zu Immun-komplexen ausbilden und diese ihrerseits finden auf der Erythrozytenoberfläche Orte, wo sie sich niederlassen können.

b

Hier hat das Medikament einen Antikör-per induziert, welcher mit Strukturen auf der Erythrozytenoberfläche kreuzreagiert; bitte beachte die Bindung des anti- erythrozytären Antikörpers ohne dass dort das Medikament anwesend ist.

c

Mischtyp, Komplementaktivierend

PrognoseWird die Ursache des hämolytischen Syn-droms rechtzeitig erkannt, können der Verlauf und die Prognose nach Antigen-karenz trotz des zu Beginn dramatischen Krankheitsbildes insgesamt günstig sein. Meist bilden sich die Krankheitssympto-me innerhalb von wenigen Tagen bis Wo-chen zurück. Auch die Niereninsuffizienz ist durch entsprechende Behandlung fast immer vorübergehend und heilt ohne Re-siduum aus. Dennoch kommt es in der akuten Phase als Folge von begleitenden Komplikationen wie Schock, Verbrauchs-koagulopathie und Nierenversagen immer wieder zu Todesfällen aus medikamenten-induzierten Hämolysen.

Autor

Prof. Dr. med. Urs Nydegger

FAMH Hämatologie und klinische Immunologie,

FMH Innere Medizin und Hämatologie

labormedizinisches zentrum Dr Risch

Liebefeld bei Bern

[email protected]

Zusammenfassung des Vortrages anlässlich der

Fortbildungstagung der Schweizer Gesellschaft

für Transfusionsmedizin, Kantonsspital Luzern,

im Januar 2011.

LMZ-RP-66-druck.indd 12-13 7.3.2011 10:04:15 Uhr

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Krankheit ist selten und tritt vorwiegend ab einem Alter von 14 Jahren auf. Bitte verwechseln wir die AIHA vom Kältetyp (Kälte beginnt hier bereits bei 30 °C) nicht mit der Kryoglobulinämie, wo zirkulieren-de Immunkomplexe, meist aus Parapro-teinen bestehend (s. Riport 57, Seite 8: «Immunkomplexe: Antigen und Antikörper im Wechselspiel») eine Hyperviskosität des Blutes, Blutzirkulationsstörungen in der Peripherie und eine systemische Vaskuli-tis hinterlassen. Kälteagglutinin-Patienten kennen ihre Krankheit – oft lassen sie sich in wärmeren Ländern nieder und meiden gekühlte Speisen oder Glace!

Die AIHA vom Mischtyp und die Paroxys-male Kältehämoglobinurie vom Donath-Landsteiner Typ gehören zu den Raritäten.

Medikamenten-induzierte HämolyseMan ermisst die Zahl der verschiedenen Medikamente, welche eine Hämolyse aus-lösen können auf etwa 100. Die genau-en Mechanismen der Immunisierung sind bisher nicht geklärt. Möglicherweise wer-den durch das Medikament oder die Me-taboliten an der betroffenen Zelloberfläche Neoantigene neu geschaffen, die zur Bil-dung von Autoantikörpern und/oder medi-kamentenabhängigen Antikörpern führen. Um das Jahr 1970 begann man die Art und Weise, wie Medikamente den Eryth-

rozyten Schaden zufügen zu verstehen (Tabelle 1 / Abbildung 1). Während in den 1970er Jahren Methyldopamin und Peni-cillin dafür gefürchtet waren, hat sich heute das Spektrum erweitert (Tabelle 2). Wich-tig zu wissen: Jedes dieser modernen Me-dikamente hat auf seiner Nebenwirkungs-liste häufigere Nebenwirkungsgefahren als die Hämolyse welche selten, aber gefürch-tet, bleibt. Die minimale Zeit für eine pri-märe Immunantwort beträgt 5 - 6 Tage. Die Immunisierung kann während des Thera-piekurses und häufig auch nach Absetzen des Medikamentes entstehen. Danach kann jede Reexposition zu dem ursächli-chen Medikament eine sofortige Reaktion bewirken.

DiagnoseDiese bleibt klinisch und ist im Labor nur erschwert mit dem vermuteten auslösen-den Medikament in Verbindung zu brin-gen. Der Auslassversuch kann umständlich sein: Absetzen des inkriminierten Medika-mentes und abwarten bis Besserung ein-tritt; dieses Vorgehen ist dann möglich, wenn zum inkriminierten Medikament eine gute Alternative für den Patienten besteht. Man denke also bei einer hämolytischen Anämie und einem reaktiven Coombs-Test immer auch an Medikamente und suche im Internet für Zusammenhänge, z.B. im Suchfeld bei google: «medikamentenna-

me« und «hämolytische Anämie». Wir hat-ten seinerzeit im Universitätsspital Bern mit der damaligen Cheflaborantin, Frau Annalies Baumann (heute lmz Dr Risch Liebefeld) für einen grösseren Interessen-tenkreis Laborteste entwickelt, nach dem Prinzip: Patientenserum mit Testerythrozy-ten in Gegenwart oder Abwesenheit des Medikamentes inkubieren um so in vitro mit anti-humanglobulin Antiserum einen Coombs-Test auszulösen. Angesichts der selten bleibenden Aufträge mussten wir das Projekt aus Kostengründen fallen las-sen und heute schickt ganz Helvetien sei-ne abklärungsbedürftigen Fälle in das In-stitut für Transfusionsmedizin der Charité, D-Berlin, wo auch mit Metaboliten der in-kriminierten Medikamente schlüssige Re-sultate ausgearbeitet werden.

TherapieDas verdächtigte oder bekannterweise in-kriminierte Medikament muss sofort ab-gesetzt werden. Bei klinisch relevanter Anämie werden Erythrozytenkonzentrate transfundiert. Komplikationen wie Schock-symptome und Gerinnungsstörungen wer-den symptomatisch behandelt. Bei Nieren-versagen und persistierender Hämolyse durch Medikamentreste in der Zirkulation ist die Plasmapherese bzw. die Hämodia-lyse angezeigt.

Tabelle 1: Wie Medikamente die Erythrozyten schädigen können

Reaktionstyp Prototyp

Hapten- oder Immunkomplextyp(IgGC)- und / oder IgM-Antikörper, die nur in Anwesenheit des ursächlichen Medikamentes und / oder seiner Metaboliten mit den betroffenen Erythrozyten reagieren (mechanistisch medikamenten- abhängige Antikörper, induziert durch das Medikament)

Penicillin

Autoimmuntyp IgG∅C-Autoantikörper, die mit den betroffenen Erythrozyten in Anwesenheit sowie in Abwesenheit des ursächlichen Medikamentes reagieren

Aldomet

MischformSowohl Autoantikörper als auch medikamentenabhängige Antikörper

Quinidine

Stau der Komplementaktivierung auf Stufe C3 Eculizumab

Tabelle 2: Auswahl Hämolyse-induzierender Medikamente I

Handelsname Generic Name Indikation

Aldomet Methyldopamin Hypertonie

Ampicillin, ClamoxilPenicillin (beta-lactamase empfindlich)

Bakterielle Infektionen (Staphylokokken, Strepto-kokken, Pasteurella multo-cida)

RocephinFortamAugmentin

Primaxin

Cephalosporin, ein beta-lactamase resistentes AntibiotikumCeftriaxoneCeftazidimeAmoxicillin-Clavulansäu-re, beta-lactamase-resis-tentImipenem

Bakterielle Infektionen, welche eine i.v. Antibiose benötigen (Breitbandspek-trum – z.B. Enterobacteri-cae, nicht-Fermenter (Pseudomonas)

Eculizumab Alexion PNH, Hämolyse

Rituximab Rituxan Autoimmun-Erkrankungen

Abbildung 1: Die drei Klassiker des Medikamentös-induzierten extramembranösen Schadens auf Erythrozyten

a

Immunkomplextyp: das Medikament hat spezifisch gegen sich selbst gerichtet An-tikörper induziert, welche sich zu Immun-komplexen ausbilden und diese ihrerseits finden auf der Erythrozytenoberfläche Orte, wo sie sich niederlassen können.

b

Hier hat das Medikament einen Antikör-per induziert, welcher mit Strukturen auf der Erythrozytenoberfläche kreuzreagiert; bitte beachte die Bindung des anti- erythrozytären Antikörpers ohne dass dort das Medikament anwesend ist.

c

Mischtyp, Komplementaktivierend

PrognoseWird die Ursache des hämolytischen Syn-droms rechtzeitig erkannt, können der Verlauf und die Prognose nach Antigen-karenz trotz des zu Beginn dramatischen Krankheitsbildes insgesamt günstig sein. Meist bilden sich die Krankheitssympto-me innerhalb von wenigen Tagen bis Wo-chen zurück. Auch die Niereninsuffizienz ist durch entsprechende Behandlung fast immer vorübergehend und heilt ohne Re-siduum aus. Dennoch kommt es in der akuten Phase als Folge von begleitenden Komplikationen wie Schock, Verbrauchs-koagulopathie und Nierenversagen immer wieder zu Todesfällen aus medikamenten-induzierten Hämolysen.

Autor

Prof. Dr. med. Urs Nydegger

FAMH Hämatologie und klinische Immunologie,

FMH Innere Medizin und Hämatologie

labormedizinisches zentrum Dr Risch

Liebefeld bei Bern

[email protected]

Zusammenfassung des Vortrages anlässlich der

Fortbildungstagung der Schweizer Gesellschaft

für Transfusionsmedizin, Kantonsspital Luzern,

im Januar 2011.

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Für Sie gelesen

Dr. phil. P. Hagemann «Die Butter oder der Toast?» ruft einige Schritte in der Karriere des Cholesterins während der

letzten 30 Jahre in Erinnerung: Erkennen und Gewichten kardiovaskulärer und anderer Risikofaktoren.

1989 war die schwedische Cholesterin-Kampagne angelaufen. Zweifel an den hehren Motiven kamen dem dänischen Internisten Uffe Ravnskov, der in Lund ar-beitete, bereits ein Jahr später. Sein Buch vom «Mythos Cholesterin», auf englisch publiziert im Jahr 2000, erschien in deut-scher Übersetzung 2002 im Hirzel-Verlag, Stuttgart. Besonders aufschlussreich ist das Zitat des US Ernährungswissenschaf-ters DS Goodman (Columbia Universität, New York) auf Seite 170: «Die gegenwärti-ge Cholesterin-Kampagne stellt eine selte-ne Übereinstimmung der Interessen vieler unterschiedlicher Gruppierungen dar. Die Beschäftigten im Gesundheitswesen, die pharmazeutische Industrie, die Regierung, die Öffentlichkeit – sie alle werden davon profitieren». Auch für das Geschäft des La-bors war Cholesterin in den 80er und 90er Jahren gut gewesen, so lange es noch reichlich entschädigt wurde.

Allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass der Kritikaster mit seinen «zehn Irr-tümern» bei aller Polemik wohl nicht ganz Unrecht hatte. Aber es zeichnete sich ei-ne elegante seitliche Arabeske ab, seit die Implikationen der Forschungen von Brown und Goldstein zum Stoffwechsel von Cho-lesterin (Nobelpreis 1985) allmählich deut-lich geworden waren. Die Entwicklung von Pharmaka wurde auf die Hemmung von LDL und die Förderung von HDL fokus-siert, in den PowerPoint-Präsentationen tauchten Teufelchen und Engelein auf, und im Labor gelang es, sich die anspruchsvol-len neuen Methoden angemessen bezah-len zu lassen, obwohl sie bei Kranken bis jetzt noch nicht so gut sind, wie sie sein sollten (Clin Chem 2010; 56/6: 977-986).

Trotzdem blieb es nicht nur für die Autorin des folgenden Artikels schwierig, die Risi-ken von Cholesterin und Neutralfetten aus-einander zu halten und korrekt auf Bauch, Herz und Stoffwechsel (Diabetes) zu vertei-len. In ihrem Beitrag im Scientific American (2010; 302/5: 10-11) vermutet sie, dass Kohlenhydrate schädlicher für das Herz

sind als Fette. Die Journalistin hält einlei-tend fest, dass sich trotz 30-jähriger Re-duktion im Konsum ungesättigter Fettsäu-ren der Anteil an Übergewichtigen in den USA verdoppelte, die Diabetes-Häufigkeit verdreifachte und Herzkrankheiten noch immer die häufigste Todesursache sind. Sie schliesst daraus, dass möglicherweise der falsche Schuldige verfolgt worden war.

Und dabei gedacht:«Falsch» trifft kaum zu, ich würde eher sa-gen: notwendig, aber nicht hinreichend. Durch das Ausweichen auf die anschei-nend unschädlichen Kohlenhydrate haben diese möglicherweise die Lipide an Gefah-renpotential überholt. Der Beitrag im Sci-entific American stützt sich dabei im Hin-blick auf die Lipide auf eine Meta-Analyse mit 350'000 Probanden ab (Am J Clin Nutr 2010; 91: S35-S46) und zitiert verstreute Hinweise auf die Schädlichkeit von Nah-rungsmitteln mit hohem glykämischem In-dex – wobei dessen Stellenwert allerdings umstritten ist. «Carbs against Cardio», so der Titel des referierten Artikels, ist vielleicht zu eindimensional gedacht: Mag sein, dass das Konzept des «metabolischen Syn-droms» (Circulation 2009; 120: 1640-5) weiter führt. Das Quartett von Adipositas, Hypertonie, Hyperglykämie und patholo-gischen Lipidkonzentrationen (Triglyzeride erhöht, HDL-Cholesterin erniedrigt) ist kli-nisch stumm, aber umso tödlicher.

Weshalb müssen wir neuerdings den Sci-entific American konsultieren, der ja nicht ein ausgesprochen medizinisches Fach-blatt ist? Dazu erklärte der Harvard-For-scher Meir Stampfer der Autorin, dass die Süssgetränke-Industrie alles daran setze, Studien über Nahrungsmittel mit hohem glykämischem Index zu diskreditieren und ihre Publikation zu verhindern... Ausserdem sind Lipide nicht plötzlich harmlos, sondern allenfalls etwas weniger schädlich als Koh-lenhydrate. Ein Experte für Lipide mutiert auch nicht über Nacht zu einem solchen für Kohlenhydrate und die so genannten

Beraterhonorare der Pharmafirmen wollen hart verdient sein. Lipidsenkende Arznei-mittel sind nicht plötzlich überflüssig, und die Statine werden wohl noch eine Weile Spitzenreiter im Pharma-Umsatz bleiben. Kann es schliesslich sein, dass da noch Spuren «autistisch-undisziplinierten Den-kens in der Medizin» (Eugen Bleuler, 1922) persistieren? Umgekehrt ist die Auffassung der Autorin über die neue kardiale Schäd-lichkeit der Kohlenhydrate weder Evidenz- noch Empirie-basiert, sondern bis auf wei-teres ein reiner Analogieschluss: wenn 30 Jahre Kampf an der Lipid-Front keinen Durchbruch erzielt haben, müssen eben Kohlenhydrate die Schuldigen sein.

Das alles klingt nicht eben berauschend – aber, wie schon Max Perutz (Nobelpreis 1962 für die Strukturaufklärung von Hä-moglobin) im Titel einer Broschüre fragte: «Ging’s ohne Forschung besser?»

Neues Allergie-Auftragsformular / Molekulare Allergie-Diagnostik

War es nun eine Wespe oder eine Biene, die mich gestochen hat, und worauf ich so heftig reagiert habe? Das stechende Insekt kann oft nicht klar identifiziert werden. Und die spezifischen IgE-Tests mit den Gesamtextrakten von Bienen-(i1) und Wespengift (i3) zeigen in vielen Fällen beide ein positives Ergebnis an. Dies kann sowohl an einer tatsächlichen Doppelsensibilisierung ge-genüber Bienen- und Wespengift liegen, als auch an Kreuzreakti-onen. Wie führt uns da die molekulare Allergie-Diagnostik weiter?

Das Beispiel zeigt eine mögliche Problematik der herkömmlichen Allergie-Diagnostik, bei welcher sowohl bei Hauttests als auch bei Laboruntersuchungen für die spezifischen IgE Bestimmung Allergen-Extrakte verwendet werden. Extrakte sind komplexe Gemische, die aus biologischen Rohmaterialen durch Homoge-nisierung und Aufreinigung hergestellt werden. Diese Extrakte enthalten aber nicht nur die wenigen allergieauslösenden Protei-ne, sondern auch sehr viele nicht relevante Komponenten unter-schiedlichster Art. Dies führt zu einer Reihe von Nachteilen, wie nicht-definierte Kreuzreaktionen und mangelhafte Standardisier-barkeit.

Je nach Gewebe können tausende unterschiedliche Proteine in jeder Zelle vorhanden sein. Allergien werden aber von einer über-schaubaren Zahl von Proteinen ausgelöst, die heute zu einem grossen Teil als molekulare Allergene bekannt sind und meist synthetisch als rekombinante Proteine hergestellt werden kön-nen und bereits kommerziell erhältlich sind.

Im Beispiel der Bienen-/Wespengift-Allergie sind dies die rekom-binanten Einzel-Allergene: rApi m 1 (Apis mellifera / Honigbiene) und rVes v 5 (Vespula vulgaris / Gemeine Wespe), womit die Sen-sibilisierung gegen Bienen- oder Wespengift eindeutig zugeord-net werden kann. Für Kreuzreaktionen sind oft Zuckergruppen von Glykoproteinen verantwortlich, die sogenannten kreuzreakti-ven Kohlenhydratdeterminanten (CCD «Cross-reaktive Carbohy-drat Determinants»).

Haupt- und NebenallergeneDie molekulare Allergie-Diagnostik ist aber nicht nur in der Insek-tengift-Allergiediagnostik nützlich, sondern hat vor allem auch in der Diagnostik der Pollen-Allergie und Nahrungsmittel-Allergie eine wichtige Rolle eingenommen. Hier kann man durch die Un-terscheidung von sogenannten Haupt- oder Leitallergenen und Nebenallergenen wertvolle Zusatzinformationen gewinnen.

Hauptallergene sind für die entsprechenden Pollengruppen cha-rakteristisch und meist auch für die klinischen Beschwerden ver-

ISO 17025 / Nr. STS 177akkreditiert durch SAS *

ISO 9001 / Nr. 13231zertifiziert durch SQS *

www.risch.ch

short-Riport 19März 2011

Bern

Delémont

Lugano

Schaffhausen *

Schaan *

antwortlich. Das Hauptallergen der Birkenpollen ist das Protein Betula verrucosa 1 (Bet v 1), das an der natürlichen Abwehr der Pflanzen beteiligt ist («pathogenesis-related protein family 10» PR-10). Für die Esche ist es das in hohem Masse kreuzreagie-rende Olivenpollen-Allergen Olea europaea 1 (Ole e 1), ein Tryp-sin-Inhibitor. Bei Gräserpollen ist das Hauptallergen das Phleum praetense 1 und 5b (Phl p 1 und Phl p 5b) und bei Kräuterpollen das Ambrosia artemisiifolia 1 (Amb a 1), eine Pektatlyase, für die Ambrosia und das Artemisia vulgaris 1 (Art v 1), ein Defensin, für den Beifuss. Diese Hauptallergene werden von den meisten Pa-tienten «erkannt», die gegen diese Pollen allergisch sind und eig-nen sich deshalb auch als Suchtest.

Die molekulare Allergie-Diagnostik ist wichtig bei der Indikations-stellung für die spezifische Immuntherapie (SIT). So eignen sich Patienten mit Birken-Allergie, die nicht auf die kreuzreagie-renden Nebenallergene Profilin (Bet v 2) und Polcalcin (Bet v 4) sensibilisiert sind, besser für eine Hyposensibilisierung als solche mit Reaktion auf Bet v 2 und Bet v 4, während sich die seltene-ren Patienten, die nur auf die Nebenallergene reagieren, wenig eignen. Eine ähnliche Rolle spielen bei der Gräser-Allergie eben-falls die Nebenallergene Polcalcin (Phl p 7) und Profilin (Phl p 12). Zusammengefasst haben Patienten, die gegen ein Hauptaller-gen sensibilisiert sind, eine gute Ausgangslage für eine SIT; die-jenigen, die ausschließlich gegen Nebenallergene sensibilisiert sind, eignen sich nur eingeschränkt für eine SIT.

Nebenallergene finden sich nicht nur in den Pollen von mehreren, unterschiedlichen Pflanzen, sondern auch in Obst und Gemüse und gehören den Familien Profiline, Speicherproteine, Lipidtrans-ferproteine u. a. an. Sie weisen eine hohe Kreuzallergenität auf und sind deshalb oft für kombinierte Nahrungsmittel- und Pollen- sensibilisierungen verantwortlich.

Kreuzreaktionen zu Nahrungsmitteln und Anaphylaxie-RisikoProteine der Familie PR-10, der auch das Hauptallergen der Birkenpollen Bet v 1 zugehört, kommen nicht nur in anderen Pollenpflanzen (u. a. Hasel, Erle, Buche), sondern auch in zahl-reichen Obst und Gemüsesorten sowie Nüssen und Legumino-sen vor. Sie stellen die Grundlage dar für die bei Birkenpollenal-lergikern beobachteten Kreuzallergien zu Nahrungsmitteln. Aufgrund der Hitzelabilität und Magensäure-Empfindlichkeit die-ser Allergene werden die Symptome nach Genuss des rohen, nicht aber gekochten Nahrungsmittels ausgelöst und bleiben in der Regel auf die Mundhöhle beschränkt in Form des oralen Allergie-Syndroms (OAS). Es wurden aber auch schwerere Re-

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Für Sie gelesen

Dr. phil. P. Hagemann «Die Butter oder der Toast?» ruft einige Schritte in der Karriere des Cholesterins während der

letzten 30 Jahre in Erinnerung: Erkennen und Gewichten kardiovaskulärer und anderer Risikofaktoren.

1989 war die schwedische Cholesterin-Kampagne angelaufen. Zweifel an den hehren Motiven kamen dem dänischen Internisten Uffe Ravnskov, der in Lund ar-beitete, bereits ein Jahr später. Sein Buch vom «Mythos Cholesterin», auf englisch publiziert im Jahr 2000, erschien in deut-scher Übersetzung 2002 im Hirzel-Verlag, Stuttgart. Besonders aufschlussreich ist das Zitat des US Ernährungswissenschaf-ters DS Goodman (Columbia Universität, New York) auf Seite 170: «Die gegenwärti-ge Cholesterin-Kampagne stellt eine selte-ne Übereinstimmung der Interessen vieler unterschiedlicher Gruppierungen dar. Die Beschäftigten im Gesundheitswesen, die pharmazeutische Industrie, die Regierung, die Öffentlichkeit – sie alle werden davon profitieren». Auch für das Geschäft des La-bors war Cholesterin in den 80er und 90er Jahren gut gewesen, so lange es noch reichlich entschädigt wurde.

Allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass der Kritikaster mit seinen «zehn Irr-tümern» bei aller Polemik wohl nicht ganz Unrecht hatte. Aber es zeichnete sich ei-ne elegante seitliche Arabeske ab, seit die Implikationen der Forschungen von Brown und Goldstein zum Stoffwechsel von Cho-lesterin (Nobelpreis 1985) allmählich deut-lich geworden waren. Die Entwicklung von Pharmaka wurde auf die Hemmung von LDL und die Förderung von HDL fokus-siert, in den PowerPoint-Präsentationen tauchten Teufelchen und Engelein auf, und im Labor gelang es, sich die anspruchsvol-len neuen Methoden angemessen bezah-len zu lassen, obwohl sie bei Kranken bis jetzt noch nicht so gut sind, wie sie sein sollten (Clin Chem 2010; 56/6: 977-986).

Trotzdem blieb es nicht nur für die Autorin des folgenden Artikels schwierig, die Risi-ken von Cholesterin und Neutralfetten aus-einander zu halten und korrekt auf Bauch, Herz und Stoffwechsel (Diabetes) zu vertei-len. In ihrem Beitrag im Scientific American (2010; 302/5: 10-11) vermutet sie, dass Kohlenhydrate schädlicher für das Herz

sind als Fette. Die Journalistin hält einlei-tend fest, dass sich trotz 30-jähriger Re-duktion im Konsum ungesättigter Fettsäu-ren der Anteil an Übergewichtigen in den USA verdoppelte, die Diabetes-Häufigkeit verdreifachte und Herzkrankheiten noch immer die häufigste Todesursache sind. Sie schliesst daraus, dass möglicherweise der falsche Schuldige verfolgt worden war.

Und dabei gedacht:«Falsch» trifft kaum zu, ich würde eher sa-gen: notwendig, aber nicht hinreichend. Durch das Ausweichen auf die anschei-nend unschädlichen Kohlenhydrate haben diese möglicherweise die Lipide an Gefah-renpotential überholt. Der Beitrag im Sci-entific American stützt sich dabei im Hin-blick auf die Lipide auf eine Meta-Analyse mit 350'000 Probanden ab (Am J Clin Nutr 2010; 91: S35-S46) und zitiert verstreute Hinweise auf die Schädlichkeit von Nah-rungsmitteln mit hohem glykämischem In-dex – wobei dessen Stellenwert allerdings umstritten ist. «Carbs against Cardio», so der Titel des referierten Artikels, ist vielleicht zu eindimensional gedacht: Mag sein, dass das Konzept des «metabolischen Syn-droms» (Circulation 2009; 120: 1640-5) weiter führt. Das Quartett von Adipositas, Hypertonie, Hyperglykämie und patholo-gischen Lipidkonzentrationen (Triglyzeride erhöht, HDL-Cholesterin erniedrigt) ist kli-nisch stumm, aber umso tödlicher.

Weshalb müssen wir neuerdings den Sci-entific American konsultieren, der ja nicht ein ausgesprochen medizinisches Fach-blatt ist? Dazu erklärte der Harvard-For-scher Meir Stampfer der Autorin, dass die Süssgetränke-Industrie alles daran setze, Studien über Nahrungsmittel mit hohem glykämischem Index zu diskreditieren und ihre Publikation zu verhindern... Ausserdem sind Lipide nicht plötzlich harmlos, sondern allenfalls etwas weniger schädlich als Koh-lenhydrate. Ein Experte für Lipide mutiert auch nicht über Nacht zu einem solchen für Kohlenhydrate und die so genannten

Beraterhonorare der Pharmafirmen wollen hart verdient sein. Lipidsenkende Arznei-mittel sind nicht plötzlich überflüssig, und die Statine werden wohl noch eine Weile Spitzenreiter im Pharma-Umsatz bleiben. Kann es schliesslich sein, dass da noch Spuren «autistisch-undisziplinierten Den-kens in der Medizin» (Eugen Bleuler, 1922) persistieren? Umgekehrt ist die Auffassung der Autorin über die neue kardiale Schäd-lichkeit der Kohlenhydrate weder Evidenz- noch Empirie-basiert, sondern bis auf wei-teres ein reiner Analogieschluss: wenn 30 Jahre Kampf an der Lipid-Front keinen Durchbruch erzielt haben, müssen eben Kohlenhydrate die Schuldigen sein.

Das alles klingt nicht eben berauschend – aber, wie schon Max Perutz (Nobelpreis 1962 für die Strukturaufklärung von Hä-moglobin) im Titel einer Broschüre fragte: «Ging’s ohne Forschung besser?»

Neues Allergie-Auftragsformular / Molekulare Allergie-Diagnostik

War es nun eine Wespe oder eine Biene, die mich gestochen hat, und worauf ich so heftig reagiert habe? Das stechende Insekt kann oft nicht klar identifiziert werden. Und die spezifischen IgE-Tests mit den Gesamtextrakten von Bienen-(i1) und Wespengift (i3) zeigen in vielen Fällen beide ein positives Ergebnis an. Dies kann sowohl an einer tatsächlichen Doppelsensibilisierung ge-genüber Bienen- und Wespengift liegen, als auch an Kreuzreakti-onen. Wie führt uns da die molekulare Allergie-Diagnostik weiter?

Das Beispiel zeigt eine mögliche Problematik der herkömmlichen Allergie-Diagnostik, bei welcher sowohl bei Hauttests als auch bei Laboruntersuchungen für die spezifischen IgE Bestimmung Allergen-Extrakte verwendet werden. Extrakte sind komplexe Gemische, die aus biologischen Rohmaterialen durch Homoge-nisierung und Aufreinigung hergestellt werden. Diese Extrakte enthalten aber nicht nur die wenigen allergieauslösenden Protei-ne, sondern auch sehr viele nicht relevante Komponenten unter-schiedlichster Art. Dies führt zu einer Reihe von Nachteilen, wie nicht-definierte Kreuzreaktionen und mangelhafte Standardisier-barkeit.

Je nach Gewebe können tausende unterschiedliche Proteine in jeder Zelle vorhanden sein. Allergien werden aber von einer über-schaubaren Zahl von Proteinen ausgelöst, die heute zu einem grossen Teil als molekulare Allergene bekannt sind und meist synthetisch als rekombinante Proteine hergestellt werden kön-nen und bereits kommerziell erhältlich sind.

Im Beispiel der Bienen-/Wespengift-Allergie sind dies die rekom-binanten Einzel-Allergene: rApi m 1 (Apis mellifera / Honigbiene) und rVes v 5 (Vespula vulgaris / Gemeine Wespe), womit die Sen-sibilisierung gegen Bienen- oder Wespengift eindeutig zugeord-net werden kann. Für Kreuzreaktionen sind oft Zuckergruppen von Glykoproteinen verantwortlich, die sogenannten kreuzreakti-ven Kohlenhydratdeterminanten (CCD «Cross-reaktive Carbohy-drat Determinants»).

Haupt- und NebenallergeneDie molekulare Allergie-Diagnostik ist aber nicht nur in der Insek-tengift-Allergiediagnostik nützlich, sondern hat vor allem auch in der Diagnostik der Pollen-Allergie und Nahrungsmittel-Allergie eine wichtige Rolle eingenommen. Hier kann man durch die Un-terscheidung von sogenannten Haupt- oder Leitallergenen und Nebenallergenen wertvolle Zusatzinformationen gewinnen.

Hauptallergene sind für die entsprechenden Pollengruppen cha-rakteristisch und meist auch für die klinischen Beschwerden ver-

ISO 17025 / Nr. STS 177akkreditiert durch SAS *

ISO 9001 / Nr. 13231zertifiziert durch SQS *

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Bern

Delémont

Lugano

Schaffhausen *

Schaan *

antwortlich. Das Hauptallergen der Birkenpollen ist das Protein Betula verrucosa 1 (Bet v 1), das an der natürlichen Abwehr der Pflanzen beteiligt ist («pathogenesis-related protein family 10» PR-10). Für die Esche ist es das in hohem Masse kreuzreagie-rende Olivenpollen-Allergen Olea europaea 1 (Ole e 1), ein Tryp-sin-Inhibitor. Bei Gräserpollen ist das Hauptallergen das Phleum praetense 1 und 5b (Phl p 1 und Phl p 5b) und bei Kräuterpollen das Ambrosia artemisiifolia 1 (Amb a 1), eine Pektatlyase, für die Ambrosia und das Artemisia vulgaris 1 (Art v 1), ein Defensin, für den Beifuss. Diese Hauptallergene werden von den meisten Pa-tienten «erkannt», die gegen diese Pollen allergisch sind und eig-nen sich deshalb auch als Suchtest.

Die molekulare Allergie-Diagnostik ist wichtig bei der Indikations-stellung für die spezifische Immuntherapie (SIT). So eignen sich Patienten mit Birken-Allergie, die nicht auf die kreuzreagie-renden Nebenallergene Profilin (Bet v 2) und Polcalcin (Bet v 4) sensibilisiert sind, besser für eine Hyposensibilisierung als solche mit Reaktion auf Bet v 2 und Bet v 4, während sich die seltene-ren Patienten, die nur auf die Nebenallergene reagieren, wenig eignen. Eine ähnliche Rolle spielen bei der Gräser-Allergie eben-falls die Nebenallergene Polcalcin (Phl p 7) und Profilin (Phl p 12). Zusammengefasst haben Patienten, die gegen ein Hauptaller-gen sensibilisiert sind, eine gute Ausgangslage für eine SIT; die-jenigen, die ausschließlich gegen Nebenallergene sensibilisiert sind, eignen sich nur eingeschränkt für eine SIT.

Nebenallergene finden sich nicht nur in den Pollen von mehreren, unterschiedlichen Pflanzen, sondern auch in Obst und Gemüse und gehören den Familien Profiline, Speicherproteine, Lipidtrans-ferproteine u. a. an. Sie weisen eine hohe Kreuzallergenität auf und sind deshalb oft für kombinierte Nahrungsmittel- und Pollen- sensibilisierungen verantwortlich.

Kreuzreaktionen zu Nahrungsmitteln und Anaphylaxie-RisikoProteine der Familie PR-10, der auch das Hauptallergen der Birkenpollen Bet v 1 zugehört, kommen nicht nur in anderen Pollenpflanzen (u. a. Hasel, Erle, Buche), sondern auch in zahl-reichen Obst und Gemüsesorten sowie Nüssen und Legumino-sen vor. Sie stellen die Grundlage dar für die bei Birkenpollenal-lergikern beobachteten Kreuzallergien zu Nahrungsmitteln. Aufgrund der Hitzelabilität und Magensäure-Empfindlichkeit die-ser Allergene werden die Symptome nach Genuss des rohen, nicht aber gekochten Nahrungsmittels ausgelöst und bleiben in der Regel auf die Mundhöhle beschränkt in Form des oralen Allergie-Syndroms (OAS). Es wurden aber auch schwerere Re-

LMZ-RP-66-druck.indd 14-15 7.3.2011 10:04:17 Uhr

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Einsatzmöglichkeiten der molekularen Allergiediagnostik

Bereich Quelle Protein Hitze-Stabilität AllergenMolekül

Pollen Frühjahr BirkeEsche

PR-10, Profilin, PolcalcinTrypsin-Inhibitor

PR-10:labil

Bet v 1, Bet v 2 / 4Ole e 1

Frühsommer Gräser Profilin, Polcalcin Phl p 1 / 5b, Phl p 7 / 12

Spätsommer AmbrosiaBeifuss

Pektat-Lyase,Defensin, LTP

LTP:stabil

Amb a 1Art v 1, Art v 3

Nahrungsmittel Ei Hühnerei Ovomucoid stabil Gal d 1

Fisch KarpfenDorsch

Parvalbumin stabil Cyp c 1Gad c 1

Schalen- / Krustentiere Tropomyosin stabil Pen a 1

Anaphylaxie-Risiko Nüsse

Früchte

ErdnussHaselnussPfirsich

2S Albumin, LTPLTPLTP

stabilAra h 2, Ara h 9Cor a 8Pru p 3

WEIDA Weizen Omega-5-Gliadin Tri a 19

Latex Naturlatex Pro- / HeveinProfilin

stabil Hev b 6.01 / 02Hev b 8

Biene / Wespe Gift BieneWespe

Phospholipase A2Ag 5

Api m 1Ves v 5

aktionen auf ein PR-10 (Gly m 4) beschrieben nach Aufnahme von wenig hitzebehandelten Soja-Produkten (z.B. Sojamilch, Sportlergetränk).

Ein höheres Risiko für anaphylaktische Reaktionen haben Sensibilisierungen gegen Speicherproteine wie das 2S-Albumin etwa von Erdnuss (Ara h 2) oder Paranuss (Ber e 1) oder Li-pidtransferproteine (LTP) von Pfirsich (Pru p 3), Erdnuss (Ara h 9) oder Haselnuss (Cor a 8). Anstrengungsinduzierte Anaphylaxien (WEIDA) sind gehäuft bei einer Sensibilisierung auf das Omega-5-Gliadin (Tri a 19) des Weizens.

Bei einer frühkindlichen Hühnereiweiss-Sensibilisierung gegen Ovomucoid (Gal d 1) persistiert die Eiallergie häufiger bis ins Er-wachsenenalter als bei Eiallergie ohne Ovomucoid-Sensibilisie-rung und die Beschwerden treten auch beim Genuss von ge-kochtem Ei auf.

Tropomyosin ist einerseits ein kreuzreagierendes Hauptallergen bei Schalen- / Krustentieren (Pen a 1) und andererseits bei Haus-staubmilben (Der p 10), während das hitzestabile Parvalbumin eines der Hauptallergene bei Fischen (Cyp c 1) darstellt.

Patienten mit einer Naturlatexsensibilisierung können Allergien auf Avocado, Banane, Kiwi sowie weitere Lebensmittel entwi-ckeln. Eine gezielte In-vitro-Diagnostik, z.B. gegen Prohevein/

Hevein (Hev b 6.01 / Hev b 6.02) ist nur bei den Naturlatexaller-gikern sinnvoll, die an einer Nahrungsmittelallergie, in der Regel in Form eines OAS, erkrankt sind. Sensibilisierung auf Latex-Profilin Hev b 8 ist oft Ausdruck einer blossen Kreuzreaktion mit Pollenprofilin und daher in den meisten Fällen harmlos.

SchlussfolgerungenDie Abklärung von Allergien beruht nach wie vor auf Anamnese, Klinik, Hauttest, In-vitro-Test und eventuell Provokationstest. Bei der Labor-Diagnostik hat die Anwendung von molekular definier-ten Allergenen zur Bestimmung spezifischer IgE neue Möglich-keiten gebracht und diese neuen Dimensionen werden sich in Zukunft noch erweitern. So ist es möglich, Kreuzreaktionen zu verstehen, das Risiko für systemische Reaktionen besser abzu-schätzen und die Indikation für die spezifische Immuntherapie gezielter zu stellen. Mit unserem neuen Allergie-Auftragsformular haben wir diese Entwicklung aufgenommen und die ganze Seite 4 der molekula-ren Diagnostik gewidmet.Sie können das neue Allergie-Auftrags-formular per sofort bei uns bestellen.

AnsprechpartnerDr. med. Walter Fierz, MHIM, FAMH Klinische ImmunologiePD Dr. med. Lorenz Risch, MPH, Laborleiter FAMH

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