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Ein Dutzend Staaten ringt im Chinesischen Meer
er bittert um eine Handvoll Felsinseln. Es geht um
Rohstoff vorkommen, Fischgründe und die geostrategische
Vormacht in der R egion. Und um tiefe historische Wunden.
18 3/2013
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: Ric
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im MeerMuskelspiele
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Auf den ersten Blick spricht nichts für eine Bootsfahrt zu den Senkaku-Inseln. Auf der Landkarte sind sie kaum zu fin-den, nur ein paar graue Punkte im weiten Blau des Chinesi-schen Meers deuten auf ihre Existenz hin. Auch von Nahem gibt es kaum mehr zu sehen: unbewohnte Felsen, die schroff aus dem Ozean ragen, darauf ein paar Sträucher, Ziegen und Maulwurfshügel, mehr nicht. Doch davon ließ sich eine klei-ne Gruppe japanischer Nationa-listen nicht beirren, als sie im August 2012 die 150 Kilometer Meer überquerte, die zwischen der japanischen Präfektur Oki-nawa und den Senkaku-Inseln liegen. Die Aktivisten hatten
eine Mission: Eine japanische Flagge hissen. Auf einem Felsen mitten im Ozean.
Säbelrasseln auf SeeSie waren nicht die ersten, die das versuchten. Schon wenige Tage zuvor war eine Gruppe Chinesen mit einer Fahne der Volksrepublik auf den Senkakus gelandet. Man könnte dies nun als bizarre Regatta abtun, doch der Flaggen-Wettstreit hat ei-nen brisanten Hintergrund: Ne-ben Japan beanspruchen auch China und Taiwan die Inseln, die sie Diaoyu-Inseln nennen. Seit Jahrzehnten streiten die Staaten erbittert um die Felsbrocken. Immer wieder kommt es zu ge-
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Muskelspielegenseitigen Provokationen und Drohgebärden: Fahnen werden mal gehisst, mal verbrannt, geg-nerische Schiffe ins Fadenkreuz genommen und Kampfjets in Richtung der Inseln entsandt.
Doch nicht nur vor den Sen-kaku- beziehungsweise Diao-yu-Inseln wird mit Säbeln gerasselt: Eine ganze Reihe Ge-bietskonflikte brodelt im Chi-nesischen Meer, dem Seegebiet, das an China, die koreanische Halbinsel, Japan und Taiwan so-wie – im Süden – an die Philip-pinen, Brunei, Indonesien, Ma-laysia, Thailand, Kambodscha und Vietnam grenzt. Um die kleinen Paracel-Inseln streiten sich China und Vietnam; weiter südlich beanspruchen gleich Fo
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sechs Nationen die Spratly-In-seln für sich. Hinzu kommen wei-tere Riffe, Felsen und versunkene Atolle sowie ein halbes Dutzend Staaten, die Besitzansprüche da-rauf anmelden. Anderen Ländern wie den USA und Russland geht es um Handelswege und Einfluss in der Region.
Auch in anderen Teilen der Welt gibt es ähnliche Territorial-streitigkeiten: Iran und die Verei-nigten Arabischen Emirate zan-ken um eine Insel im Persischen Golf; Großbritannien, Dänemark, Irland und Island liegen sich seit Jahrzehnten wegen eines einsa-men Felsens im Nordatlantik in den Haaren. Nirgends aber häu-fen sich die Konflikte so sehr wie im Chinesischen Meer.
Kein Wunder, denn hier verläuft eine der Hauptschlagadern des Welthandels. Ein Drittel des glo-balen Warenverkehrs passiert den südlichen Teil des Chinesi-schen Meeres. Doch auch was unter der Wasseroberfläche liegt, weckt Begehrlichkeiten. Von „Rohstoffnationalismus” spricht Torsten Geise vom Hamburger Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA). Der Politikwissenschaftler und Frie-densforscher beschäftigt sich schon lange mit der Region. Auf monatelangen Forschungsreisen in das Gebiet hat er in den ver-gangenen Jahren Interviews mit Politikern, Reedern, den Mitar-beitern von Küstenwachen und anderen Experten geführt und
parallel umfangreiche Medienre-cherchen betrieben: „Die Gebiete um die Inseln sind sehr fischreich und im Meeresgrund werden fos-sile Rohstoffe wie Erdöl, Erdgas oder Mangan vermutet.“
Seit Jahrzehnten wächst die Wirtschaft in der Region um das Chinesische Meer. In Ländern wie den Philippinen, Malaysia und Ja-pan wird damit auch das Bedürf-nis nach Energie und Rohstoffen stetig größer – vor allem aber in China. „Chinas Entwicklung ist sicher verantwortlich für die Dy-namik des Konflikts im Moment und seine Wahrnehmung in der Öffentlichkeit“, meint Geise. Die Wurzel des Problems liege je-doch an anderer Stelle.
KonfliktmitGeschichte
Denn zu den rein wirtschaft-lichen Ursachen kommt eine Reihe historischer Faktoren, die den Streit bis heute beein-flussen und so schwer lösbar machen. Bis Mitte des 20. Jahr-hunderts waren viele Staaten der Region als Kolonien fremd-verwaltet. Die Kolonialmächte zogen willkürlich Grenzen, sie dominierten die Kultur und das politische System. „So gab es in der Region nie einen Aus-tausch und es konnte sich kei-ne gemeinsame südostasiati-sche Identität entwickeln”, sagt Geise. „Bis heute spielt dieses Erbe der Kolonialzeit eine gro-ße Rolle für den Konflikt, weil es deswegen immer wieder zu gegenseitigen Ressentiments kommt.” Gleichzeitig sorgte die aggressive Expansionspolitik des japanischen Kaiserreichs bis zum Ende des Zweiten Welt-
Die Inseln gehören zu Japan, sagt
Japan: Patrouille der japanischen Küsten-wache vor einer der
Senkakus.
Punkte im Blau: Die Senkaku-Insel sind nur eins von mehreren um-strittenen Gebieten im Chinesischen Meer.
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Golf vonTonkin
Malaysi
a
Vietnam
Spratly-Inseln
Paracel-Inseln
Ost-chinesisches Meer
Süd-chinesisches Meer
GelbesMeer
Peking
China
Vietnam
SüdkoreaTokyo
Okinawa
Taiwan
Senkaku-Inseln (jap.)Diaoyu-Inseln (chin.)
Japa
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Philippinen
Golf vonTonkin
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Paracel-Inseln
Ost-chinesisches Meer
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China
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SüdkoreaTokyo
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Taiwan
Senkaku-Inseln (jap.)Diaoyu-Inseln (chin.)
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Philippinen
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kriegs für historische Traumata, die die Beziehungen von Japan zu China, Korea und Taiwan bis in die Gegenwart belasten.
Schlussendlich hat ausge-rechnet das internationale Seerecht die Konflikte im Chi-nesischen Meer verschärft, ob-wohl es genau das Gegenteil bewirken sollte. 1982 wurde im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen die Einführung einer „Ausschließ-lichen Wirtschaftszone“ (AWZ) beschlossen. Sie räumt Küsten-staaten in einer 200 Seemeilen breiten Zone das alleinige Recht zur wirtschaftlichen Nutzung des Meeres ein. Sie dürfen dort also beispielsweise Fischfang betreiben und Rohstoffe för-dern. „In den meisten Teilen der Welt war die Durchsetzung die-ser AWZ unproblematisch”, sagt Torsten Geise, „aber in der Regi-on um das Chinesische Meer lie-gen viele Staaten eng beieinan-der, die Ansprüche überlappen sich.” Statt den Streit zu schlich-ten, brachte das Seerechts-übereinkommen ungewollt neue Konfliktparteien hervor: Während etwa China, Japan,
Vietnam oder Taiwan ihre An-sprüche auf Inseln vor allem historisch begründen, konnten nun Länder wie die Philippinen oder Brunei die AWZ als Argu-ment heranziehen.
Fakten schaffen mit Beton
Vor allem China versucht seit-her, seine Position im Streit um die Inseln zu untermauern – und zwar wortwörtlich, mit Zement und Beton: So entste-hen chinesische Marinebasen und Leuchttürme auf bis dato unbewohnten Felsen. Mit sei-nen Wirtschaftseinnahmen rüstet die Volksrepublik gleich-zeitig ihre Armee auf. Allein dieses Jahr sollen die Ausga-ben um elf Prozent steigen. In den Nachbarländern wecken die chinesischen Muskelspiele Ängste. Auch Länder wie Japan oder Taiwan bauen deshalb ihre Streitkräfte aus. In spektaku-lären Manövern demonstriert man sich gegenseitig militäri-sche Stärke: China im Schul-terschluss mit Russland, Japan
dafür gemeinsam mit den USA, die erst kürzlich ihre Militär-präsenz im Südchinesischen Meer verstärkt haben.
Dennoch hält Torsten Geise eine Eskalation derzeit für un-wahrscheinlich. Man dürfe die Brisanz des Konflikts zwar nicht unterschätzen, so der GIGA-Forscher – sie aber auch nicht überbewerten. „Die Rhetorik ist sicherlich schärfer geworden – von einigen Scharmützeln ab-gesehen, sind die Bilder, die wir sehen, aber meist friedlich.”
Entwarnung also? Nicht ganz. Denn auch wenn der Kon-flikt nicht überkocht, bringt er schon jetzt negative Konse-quenzen mit sich. „Speziell für die Bekämpfung von Piraterie und Schmuggel ist der Konflikt ein Hindernis”, meint Geise. Denn Patrouillenboote meiden strittige Gebiete, um Nachbar-länder nicht zu provozieren. Davon profitieren Umweltsün-der, Schmuggler und Piraten. Sie können sich in den Gebieten bewegen, als würden sie ihnen gehören.
CHRISTOPH GURK
Die Inseln gehören zu China, sagt China: Propagandaplakat in der südchinesischen Küstenstadt Xiamen.
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