myelitis kaplin depression

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Depression in der TM Adam Kaplin, MD, PhD (Erstveröffentlichung 2003) Dr. Kaplin ist Assistenzprofessor am Department of Psychiatry an der Johns Hopkins University School of Medicine und Leitender psychiatrischer Berater am Johns Hopkins Transverse Myelitis und Multiple Sclerosis Center. Dr. Kaplin ist auch Mitglied des medizinischen Beratungsgremiums der Transverse Myelitis Association. Traditionell wird die Transverse Myelitis (TM) als Erkrankung des Rücken- marks angesehen, bei der in Folge einer Schädigung des Rückenmarks, die durch bildgebende Verfahren sichtbar gemacht werden kann, motorische und sensible Fähigkeiten und somit Funktion von Blase, Stuhlgang und Sexualität beeinträchtigt werden. TM ist jedoch darüber hinaus eine autoimmune neuro- logische Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), bei der (durch Liquorentnahme sichtbare) aktivierte Immunzellen im Liquor schwimmen, der Rückenmark und Gehirn umgibt. TM lässt sich wahrscheinlich am besten verstehen in einer Linie mit den Erkrankungen der wiederkehrenden Optikusneuritis (greift die Sehnerven an, die visuelle Signale von den Augen zum Gehirn transportieren), der Neuromyelitis optica (die die Sehnerven und das Rückenmark angreift) und der Multiplen Sklerose (die jede Stelle des ZNS angreifen kann). Das traditionelle Verständnis der TM als einer allein das Rückenmark betreffenden Erkrankung findet man auch heute noch. Es hat zur Folge, dass die Auswirkungen dieser Autoimmunerkrankung auf das Gehirn lange Zeit unberücksichtigt blieben. Für die Multiple Sklerose (MS) gibt es dagegen eine umfassende Forschungstätigkeit zur Frage der Auswirkungen auf das Gehirn. Für MS wurde die höchste Depressionsrate festgestellt, die bisher für eine schwere chronische Krankheit beschrieben wurde, mit über 20% der an MS erkrankten Patienten, die zu einem beliebigen Zeitpunkt unter Depression leiden und einer Lebenszeitprävalenz (= Auftreten mindestens einmal im Leben) von über 50%. Untersuchungen, die am Johns Hopkins TM Center in Zusammenarbeit mit den Neurologie- und Psychiatrieabteilungen durchgeführt wurden, haben begonnen, ein Augenmerk auf die Häufigkeit von Depression als Ausprägung der aggressiven Immunreaktion bei TM zu richten. Vor einer Darstellung der Ergebnisse dieser ersten Untersuchungen ist es zunächst erforderlich, eine begriffliche Unterscheidung zu treffen zwischen der Demoralisierung (Entmutigung), einem psychologischen Zustand überwältigender Traurigkeit, der als Folge widriger Umstände auftritt, und der klinischen Depression, die wir als Krankheit des Gehirns auffassen.

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Depression in der TMAdam Kaplin, MD, PhD (Erstveröffentlichung 2003) Dr. Kaplin ist Assistenzprofessor am Department of Psychiatry an der Johns HopkinsUniversity School of Medicine und Leitender psychiatrischer Berater am Johns HopkinsTransverse Myelitis und Multiple Sclerosis Center. Dr. Kaplin ist auch Mitglied desmedizinischen Beratungsgremiums der Transverse Myelitis Association. Traditionell wird die Transverse Myelitis (TM) als Erkrankung des Rücken-marks angesehen, bei der in Folge einer Schädigung des Rückenmarks, diedurch bildgebende Verfahren sichtbar gemacht werden kann, motorische undsensible Fähigkeiten und somit Funktion von Blase, Stuhlgang und Sexualitätbeeinträchtigt werden. TM ist jedoch darüber hinaus eine autoimmune neuro-logische Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), bei der (durchLiquorentnahme sichtbare) aktivierte Immunzellen im Liquor schwimmen,der Rückenmark und Gehirn umgibt. TM lässt sich wahrscheinlich am bestenverstehen in einer Linie mit den Erkrankungen der wiederkehrendenOptikusneuritis (greift die Sehnerven an, die visuelle Signale von den Augenzum Gehirn transportieren), der Neuromyelitis optica (die die Sehnerven unddas Rückenmark angreift) und der Multiplen Sklerose (die jede Stelle desZNS angreifen kann). Das traditionelle Verständnis der TM als einer alleindas Rückenmark betreffenden Erkrankung findet man auch heute noch. Eshat zur Folge, dass die Auswirkungen dieser Autoimmunerkrankung auf dasGehirn lange Zeit unberücksichtigt blieben. Für die Multiple Sklerose (MS)gibt es dagegen eine umfassende Forschungstätigkeit zur Frage derAuswirkungen auf das Gehirn. Für MS wurde die höchste Depressionsratefestgestellt, die bisher für eine schwere chronische Krankheit beschriebenwurde, mit über 20% der an MS erkrankten Patienten, die zu einembeliebigen Zeitpunkt unter Depression leiden und einer Lebenszeitprävalenz(= Auftreten mindestens einmal im Leben) von über 50%. Untersuchungen,die am Johns Hopkins TM Center in Zusammenarbeit mit den Neurologie-und Psychiatrieabteilungen durchgeführt wurden, haben begonnen, einAugenmerk auf die Häufigkeit von Depression als Ausprägung deraggressiven Immunreaktion bei TM zu richten. Vor einer Darstellung derErgebnisse dieser ersten Untersuchungen ist es zunächst erforderlich, einebegriffliche Unterscheidung zu treffen zwischen der Demoralisierung(Entmutigung), einem psychologischen Zustand überwältigender Traurigkeit,der als Folge widriger Umstände auftritt, und der klinischen Depression, diewir als Krankheit des Gehirns auffassen.

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Demoralisierung 

Keine Verzweiflung ist so absolut wie jene, die uns in den ersten Augenblickenunseres ersten großen Unglücks überfällt, wenn wir noch nicht wissen, was esbedeutet, gelitten zu haben und geheilt worden zu sein, verzweifelt zu haben undzur Hoffnung zurückfinden zu können.George Eliot (1819-1880)

 Trauer ist eine nachvollziehbare und zu erwartende Reaktion, wenn manplötzlich und gegen den eigenen Willen in völlig andere Lebensumständegestoßen wird, die es erforderlich machen, den Verlust geschätzter Fähigkei-ten zu akzeptieren und sich ungewollten Kämpfen auszusetzen. Das ist beiallen chronischen Erkrankungen der Fall. Zusätzlich zu den potentiellschwerwiegenden Beeinträchtigungen, denen TM-Patienten ausgesetzt sind,weist diese Erkrankung Eigenheiten auf, die es für Patienten besondersschwer machen, sie zu ertragen. Es ist immer schwieriger, mit plötzlichen alsmit graduellen Veränderungen zurecht zu kommen: TM beginnt ohneVorwarnung und entwickelt sich im Verlauf von Stunden bis Tagen. DieTatsache, dass TM ein wenig bekanntes Leiden ist, bringt außerdem für dieBetroffenen zwei verwirrende Folgen mit sich. Erstens sind nicht viele Ärztemit der Diagnose, Prognose und Behandlung einer TM vertraut, was dazuführt, dass in der Regel keine Diagnose gestellt wird und die Patientenunvollständig unterrichtet und nicht ausreichend behandelt werden. Zweitenshat ein Großteil der TM-Patienten in ihrem Umfeld keinen Kontakt zuanderen Menschen, die von der gleichen Krankheit befallen wurden, mitdenen sie Erfahrungen austauschen könnten, was zu einem Gefühl derIsolation und Vereinsamung führt. Gelegentlich wird die Anpassungsfähigkeit eines Individuums von denBelastungen, denen es ausgesetzt ist, überwältigt und es wird mutlos, bestürztund überwältigt. Diesen Zustand nennt man Demoralisierung (Entmutigung).Demoralisierung wird definiert (Frank JD 1991) als ein Zustand derHilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Verwirrung, subjektiv wahrgenommenerUnfähigkeit, Isolierung und verminderten Selbstwertgefühls. Zur subjektivenErfahrung der Demoralisierung gehört das Gefühl, nicht fähig zu sein, vonaußen kommende oder an sich selbst gestellte Erwartungen zu erfüllen, dasGefühl, in einer Falle gefangen und machtlos zu sein, diese Lage zuverändern oder sich ihr zu entziehen, und das Gefühl, einzigartig und daherfür andere unverständlich zu sein. Die kombinierte Wirkung dieser Gefühle

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führt meist zu Frustration, Bestürzung und Vereinsamung.

Um die Gefühle des Versagens, der Überwältigung und der Vereinsamung zuüberwinden, die zusammen den Zustand der Demoralisation kennzeichnen,muss den Menschen gezeigt werden, wie sie wieder Mut erlangen können.Unterstützung bei der Entwicklung problembezogener Lösungsstrategienkann ein neues Gefühl wachsender Meisterung der Umstände erzeugen. Sokann das Einbauen von Ruhephasen in einen nachmittäglichen Ablaufplandabei behilflich sein, die Erschöpfung zu bekämpfen. Durch Einkaufen zuZeiten mit wenig Betrieb kann man das Gefühl vermeiden, gehetzt zu werdenund sich öffentlich wegen einer Behinderung bloßgestellt zu fühlen. DieUnterstützung durch einzelne Freunde und Gruppen kann derHoffnungslosigkeit und Isolation entgegenwirken. Kognitive Neuorientierungkann dabei helfen, unangemessene Erwartungen zu überprüfen. Zum Beispielkann eine Überprüfung des Glaubens, alle im Laufe der Rehabilitationerreichten Verbesserungen seien bedeutungslos, so lange sie nicht zu einervollständigen Wiederherstellung führten, dabei helfen, realitätsfernekurzfristige Erwartungen zu korrigieren. Gelegentlich kann die Anerkennungder erreichten Leistungen, die man durch andere Menschen erfährt, einebestärkende und inspirierende Wirkung haben. 

Psychosoziale Auswirkungen und langfristige Anpassung Da MS häufiger auftritt, liegen dazu umfassendere Untersuchungsergebnissevor. Eine Studie mit MS-Patienten, bei denen die Diagnose MSdurchschnittlich neun Jahre zuvor gestellt worden war, untersuchte derensubjektiven Erfahrungen und die psychosozialen Folgen ihrer Erkrankung(Mohr, Dick et al. 1999). Die Ergebnisse dieser Studie sind sehr lehrreich, dasie zeigen, dass die meisten Patienten – bei allen akuten Anpassungsschwie-rigkeiten, die eine autoimmune neurologische Erkrankung unvermeidlich mitsich bringt – im Lauf der Zeit neben den abträglichen Folgen ihrer Krankheitauch vorteilhafte Entwicklungen erkennen. In dieser Untersuchung berichteteine Minderheit der Patienten (20%) über eine Verschlechterung ihrerBeziehung durch die MS, meist dargestellt als Sorge, als Partner nichtgleichwertig zu sein oder in Form einer häufigeren Verärgerung oderReizbarkeit ihrer Partner. 30% berichteten über einen Zustand derDemoralisierung, gekennzeichnet durch Trauer, das Gefühl, dieUnabhängigkeit verloren zu haben und Unsicherheit über die Zukunft. Die

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Mehrheit der Patienten (60%) war aber der Meinung, durch die Krankheitauch Vorteile erfahren zu haben: ihre Beziehungen erschienen enger, siefühlten sich mitfühlender und mitteilsamer und würden das Leben als solchesmehr wertschätzen, sie hätten dadurch eine sinnvollere Perspektivegewonnen. Mit der Zeit, wenn Körper und Seele sich an die geändertenLebensumstände anpassen, wird die unerbittliche Traurigkeit in der Regeldurch Anpassung, Einsicht und Fortentwicklung gemildert. Depression isteiner der Gründe, warum einzelne Patienten sich auch nach vielen Monatenoder Jahren noch außer Stande fühlen, mit ihrer Krankheit zurecht zukommen und ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. 

Was ist Depression? Die Traurigkeit, die mit der Demoralisierung auftritt, ist etwas anderes alseine klinische Depression (die im Folgenden einfach als Depressionbezeichnet wird). Traurigkeit ist ein Symptom, während Depression einklinisches Syndrom darstellt: eine Konstellation etlicher Symptome, die beiden betroffenen Menschen gebündelt auftreten. Traurigkeit verhält sich zurDepression wie Husten zu einer Lungenentzündung: Husten kann wohl einAnzeichen für eine Lungenentzündung sein, doch nicht jeder Hustenanfall istFolge einer Lungenentzündung und gelegentlich kann eine Lungenentzün-dung auch ohne Husten auftreten. Falls gemeinsam mit dem Husten auchgrüner Schleim und Fieber, schnellere Atmung und Anzeichen für Infektionder Lungen in Röntgenuntersuchungen auftauchen, so nennt man diesesSyndrom Lungenentzündung. Wodurch ist also das Syndrom einer schwerendepressiven Störung (wie die Depression in der medizinischen Literaturgenannt wird) gekennzeichnet? Wesentliche Anzeichen sind eine dauerhafteund gleichgültige Niedergeschlagenheit, negative Selbsteinschätzung oderSelbstwertgefühl und eine verminderte Vitalität. Wie kann man dieseEigenschaften in einfache diagnostische Kriterien übertragen? Das US-amerikanische Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders(DSM-IV) ist das wesentliche diagnostische Referenzwerk für Psychiater undPsychologen in den USA. Nach dem DSM-IV müssen bei einer schwerenDepression 5 der folgenden 9 Symptome vorhanden sein: 1.) verminderteInteressefähigkeit (oder Freudlosigkeit) und/oder 2.) Niedergeschlagenheit;3.) vermindertes oder gesteigertes Schlafbedürfnis; 4.) verminderter odergesteigerter Appetit; 5.) Schuldgefühle, Gefühl der Wertlosigkeit;

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6.) subjektives Erschöpfungsgefühl oder Kraftlosigkeit; 7.) Konzentrations-schwierigkeiten; 8.) Empfinden/Anschein als ob Gedanken und Handlungenentweder verlangsamt (dahinschleppen) oder beschleunigt (getrieben) stattfinden;und 9.) Gedanken an Tod oder Suizid.

Da sich nur eine Minderheit der unter Depression leidenden Menschenbehandeln lässt, und selbst jene, die es tun, wegen des Stigmas, das seelischeKrankheiten umgibt, meist ihre Diagnose vor ihren Freunden undAngehörigen geheim halten, wird die tatsächliche Häufigkeit des Auftretensvon Depression häufig unterschätzt. In der Gesamtbevölkerung trittDepression mit einer Häufigkeit von 5% auf und 17% der Menschen leidenirgendwann in ihrem Leben darunter. Depressionen sind ein starkbeeinträchtigendes Leiden. Im Vergleich mit den häufigsten medizinischenUrsachen chronischer Behinderung, rangiert Depression – was dieAuswirkungen auf tägliche Tätigkeiten betrifft – an zweiter Stelle, übertroffennur von Herzkrankheiten. Depression ist außerdem eine letale Krankheit undführt in bis zu 15% der schweren Fälle zum Suizid. In den VereinigtenStaaten ist Suizid die dritthäufigste Todesursache in der Altersgruppe bis 24Jahren und die vierthäufigste in der Gruppe junger Erwachsener zwischen 24und 44 Jahren. Unter den MS-Patienten ist Suizid die dritthäufigsteTodesursache insgesamt, nach Lungenentzündung und Krebs, und tritt 7,5mal häufiger auf als in der Gesamtbevölkerung. Im Vergleich zu anderenhäufigen Todesursachen bei MS tritt Suizid eher bei relativ jungen Menschenmit leichterer Behinderung auf, was die verlorenen Lebensjahre besonderstragisch macht. Wir sind es nicht gewöhnt, daran zu denken, wie unser Gehirn unsereSeelenzustände und Launen reguliert – etwa wie ein Thermostat, das dieTemperatur in unseren Wohnungen reguliert – ebenso wenig wie wir darandenken, auf welche Weise das Gehirn uns beispielsweise in die Lage versetzt,sprachlich zu kommunizieren. Obwohl Depression durch eine Kombinationgenetischer Veranlagung und in der Umwelt auftretender Stressfaktorenverursacht werden kann, ist jedoch ebenfalls bekannt, dass eine Anzahlmedizinischer Veränderungen das Auftreten von Depression begünstigenkönnen. Neuropsychiatrische Erkrankungen, die das Gehirn in Mitleiden-schaft ziehen, weisen extrem hohe Häufigkeit des Auftretens von Depressionauf. Bei Leiden wie Schlaganfällen, Gehirntumoren, Alzheimer und Parkinsontritt Depression bei 30-50% der betroffenen Patienten auf. Weiterhin vonBedeutung sind die Ergebnisse von Untersuchungen, die gezeigt haben, dass

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das Auftreten der Depression bei diesen Erkrankungen nicht lediglich eineunvermeidliche Reaktion auf einen schweren Schicksalsschlag ist. Ein solcherwäre zum Beispiel auch die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), eine selektiveErkrankung der motorischen Nervenzellen, die zu einer nicht aufzuhaltendenMuskellähmung am ganzen Körper, einschließlich der Atemmuskulatur führtund in der Regel im Laufe von 3 bis 5 Jahren zum Tode durch Versagen derAtmung oder durch Aspiration führt. Das Gehirn in seiner Gesamtheit wirdvon ALS nicht in Mitleidenschaft gezogen. Unter den Patienten, die an dieserschrecklichen Krankheit leiden, besteht keine erhöhte Häufigkeit desAuftretens von Depression. Das legt nahe, dass Depression nicht alsunvermeidliche oder auch nur übliche Begleiterscheinung des Auftretensschwerer Schicksalsschläge angesehen werden sollte. Unter allen medizinischen Zuständen, über die zum gegenwärtigen ZeitpunktBerichte vorliegen, wird angenommen, dass MS die höchste Depressionsrateaufweist, wobei sie bei 50-60% der Patienten mindestens einmal im Lebenauftritt, nachdem die Diagnose MS gestellt wurde (Patten und Metz, 1997).Zu den Hinweisen darauf, dass Auswirkungen des Immunsystems auf dasGehirn zum Auftreten von Depression bei MS beitragen, gehören folgendedrei Erkenntnisse: 1.) Bei MS-Patienten, die eine Depression entwickeln, istdie Häufigkeit depressiver Angehöriger nicht größer als bei nicht-depressivenMS-Patienten, was nahe legt, dass es sich bei der Schlüsselursache um eineEinwirkung und nicht um genetische Veranlagung handelt; 2.) DieDepressionshäufigkeit steigt in den Perioden der Aktivierung des Immun-systems durch Verschlimmerung der Krankheit an, und 3.) Es besteht keineKorrelation zwischen dem Grad der Behinderung und dem Auftreten vonDepression bei MS-Patienten. 

TM und Depression Erste Untersuchungen, die am TM-Zentrum der Johns-Hopkins-Universitätin Zusammenarbeit mit den Abteilungen für Neurologie und Psychiatriedurchgeführt wurden, beginnen sich mit der Häufigkeit des Auftretens vonDepression bei TM-Patienten zu beschäftigen. In diesem Beitrag kann nureine Zusammenfassung der ersten Ergebnisse vorgestellt werden. Sie weisendarauf hin, dass die Häufigkeit von Depressionen bei TM-Patienten höher istals bei MS-Patienten mit einem vergleichbaren Grad an Beeinträchtigung.Wie schon die früheren Studien über MS-Patienten gezeigt haben, besteht

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keine Korrelation zwischen der Ernsthaftigkeit der Depression bei TM-Patienten und der Schwere der Beeinträchtigung der motorischen Funk-tionen, der Blase oder der Sexualität. Es besteht eine moderate Korrelationzwischen Depression und Sensibilitätsstörungen (vorwiegend mit Sympto-men, die in Zusammenhang mit Kribbeln, Prickeln und Gefühlstaubheitauftreten). Ob dies bedeutet, dass depressive Patienten eine niedrigereToleranz gegenüber diesen Symptomen aufweisen, oder alternativ, dass sichdie Sensibilitätssymptome besonders auf den Gemütszustand der Patientenauswirken, lässt sich auf Grund der vorliegenden Ergebnisse nicht sagen. Esist angebracht, darauf hinzuweisen, dass die Sensibilitätssymptome(einschließlich der chronischen Schmerzen!) wohl zu den quälendstenSymptomen gehören, die bei einer TM auftreten, und damit zu jenen, mitdenen es am schwierigsten ist, zurecht zu kommen. Eine weitere Korrelationwurde zwischen dem Auftreten von Depression und der Behandlung mitintravenösen Steroiden gefunden. Bei den Patienten, denen i.v. Steroideverabreicht worden waren, war kein Unterschied in der Schwere derSymptome bei Aufnahme oder des Behinderungsgrads nach der Erholungfeststellbar. Die Möglichkeit kann nicht ausgeschlossen werden, dassPatienten, die zum Zeitpunkt der Aufnahme durch den Einfluss einerDepression am stärksten beeinträchtigt schienen, mit größerer Häufigkeit fürdie Behandlung mit i.v. Steroiden vorgesehen wurden. Da bekannt ist, dassSteroide bei zahlreichen anderen Patientengruppen Depressionenverursachen, legt die Häufigkeit des Auftretens von Depression bei TM-Patienten, die mit Steroiden behandelt wurden, nahe, dass derGemütszustand der damit behandelten Patienten sorgfältig überwacht werdensollte. Es wurde eine hohe Häufigkeit von Depression bei TM festgestellt, ähnlichwie die schon für MS beschriebene. Wir haben uns die Frage gestellt, ob dieseDepression ein Anzeichen dafür sein könnte, dass das Gehirn durch dieAktivierung des Immunsystems im ZNS in Mitleidenschaft gezogen wurde.Zusätzlich zur hohen Häufigkeit von Depressionen leiden MS-Patienten auchunter erhöhtem Auftreten von kognitiven Beeinträchtigungen, die in Formvon Schwierigkeiten bei der Lösung bestimmter Aufgaben auftreten, dieKonzentration, kurzfristiges Abrufen von Einzelheiten und Verarbeitungs-schnelligkeit erfordern. Als wir die mentale Leistungsfähigkeit von TM-Patienten analysierten, fanden wir im Vorfeld, dass sie bei vielen kognitivenAufgaben hervorragend abschnitten. Bei bestimmten subtilen Aufgaben mitPapier und Stift hingegen schnitten einige TM-Patienten unerwartet schlecht

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ab; es handelte sich dabei um die gleichen Tests, bei denen auch MS-Patienten Schwierigkeiten hatten. Klinisch fiel auf, dass eine Minderheit vonTM-Patienten, auch solche ohne Depression und ohne medikamentöseBehandlung, berichteten, dass sie nicht mehr so viele Details im Kopfbehalten könnten ohne sie niederzuschreiben und dass sie zusätzliche Zeitbrauchten um komplexe Denkaufgaben zu bewältigen. 

Besondere Erwägungen zur Depression bei TM Die Bedeutung der Diagnose einer Depression bei TM darf nichtunterschätzt werden. Was häufig als besonders beeinträchtigend empfundenwird, ist weniger die Notwendigkeit, Hilfe beim Gehen in Anspruch nehmenzu müssen oder das Zurechtkommen mit den chronischen Schmerzen,sondern die Depression, die dazu führt, dass man schwer aus dem Bettkommt, dass man sich sozial isoliert fühlt und dass die Toleranzschwelle fürSchmerzen sinkt. Es ist üblich, dass bei Patienten mit TM und Depression dieMehrzahl der Beeinträchtigungen durch die Depression bedingt ist und eineBehandlung zu einer dramatischen Verbesserung ihres Zustands führt. Trotzihrer oft schrecklichen Auswirkung auf Patienten kann man Depressionbehandeln und die meisten Patienten, die sich einer angemessenenBehandlung unterziehen, erholen sich vollständig von ihren Symptomen. Waserforderlich ist, um dieses Ergebnis zu erzielen, ist häufig nichts anderes alsdie gleiche zupackende Herangehensweise, die TM-Patienten regelmäßig indie Bewältigung anderer Aspekte der Auswirkungen ihrer Krankheitinvestieren, von der Physiotherapie und Rehabilitation zur Verbesserung derGehfähigkeit oder der urologischen Behandlung der Blasenprobleme. Bevordie Depression jedoch behandelt werden kann, muss sie zunächstangemessen diagnostiziert werden. Wie auch bei vielen anderen medizinischen oder neurologischen Krankheitender Fall, kann das Erkennen von Depression bei TM dadurch erschwertwerden, dass sich die Symptome der psychiatrischen und der neurologischenErkrankung überlappen. Erschöpfung und Konzentrationsschwächen sindzum Beispiel typisch für viele TM-Patienten, so dass es schwierig wird, sichauf diese Symptome zu stützen, um eine Depression zu diagnostizieren. Esgibt allerdings bestimmte Hinweise, die behilflich sein können, TM-Symptome von denen einer Depression zu unterscheiden. Selbstvorwürfe,Schuldgefühle und Eigenvorhaltungen sind keine gängigen Reaktionen auf

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einen medizinischen Zustand, treten aber bei fast allen Fällen von Depressionauf. Die Allgegenwärtigkeit bestimmter Symptome kann ebenfalls einHinweis auf Depression sein. Häufige Niedergeschlagenheit oder fehlenderSpaß an Tätigkeiten, die Fähigkeiten erfordern, die von den neurologischenAuswirkungen der TM in Mitleidenschaft gezogen wurden, treten bei einerTM häufig auf, besonders während der ersten Wochen der Anpassung an dieKrankheit. Aber wenn die Niedergeschlagenheit allgegenwärtig ist und derPatient an keinerlei Tätigkeit mehr Spaß findet, so liegt die Vermutung nahe,dass eine Depression vorliegt. Auf ähnliche Weise sollte die Unfähigkeit, denersten akuten Schock über das Auftreten der TM auch nach vielen Monatenoder Jahren zu überwinden, als Hinweis auf eine heraufziehende Depressiongewertet werden. Die Feststellung "Er/sie ist nicht mehr der/die Gleiche, seitdie Krankheit zugeschlagen hat", viele Monate nach dem Beginn derKrankheit ausgesprochen, weist ebenfalls auf eine Depression hin. Hat einPatient zu Beginn gute Fortschritte bei der Bewältigung seinerneurologischen Beeinträchtigungen erzielt und bleibt er dann plötzlichstecken oder verliert sogar an Boden, so sollte die Eventualität einerDepression als mögliche Ursache in Betracht gezogen werden. Schließlichsind Suizidgedanken immer als Auswirkung der Depression zu werten,solange nicht das Gegenteil bewiesen ist und Suizidgedanken sollten zu einerprompten Untersuchung durch einen dafür ausgebildeten Psychiater oderPsychologen führen. Ganz besonders weil die Suizidhäufigkeit bei TM mitDepression offenkundig mindestens so groß, wenn nicht noch größer ist, alsbei anderen medizinischen Störungen. Letztlich sollte die Diagnose einer Depression idealerweise von einer Person,in der Regel einem Arzt, gestellt werden, die über Ausbildung und Erfahrungmit Gemütsbeeinträchtigungen verfügt, etwa einem Psychiater. Ebenso wiedie Menschen, die von einer TM betroffen sind, nicht auf ihre eigenenKenntnisse oder die ihrer Angehörigen und Freunde zurückgreifen konnten,um die neurologische Diagnose zu stellen, so sollte auch die Bestätigung derDiagnose der Depression und deren Behandlung durch einen ausgewiesenenSpezialisten erfolgen. Falls sich überhaupt die Frage stellt, ob eine Personunter Depression leidet, sollte ohne Zögern eine Untersuchung veranlasstwerden.  

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Barrieren auf dem Weg zu einer Behandlung der TM-Depression Die Rehabilitation und Erholung von TM lässt sich mit einer langen Reisevergleichen, die Gewissenhaftigkeit und dauernde Anstrengung erfordert. DieAnpassung an die geänderten Lebensumstände stellt schwere Anforderungen,wenn sich die neurologischen Symptome als langfristig bleibend heraus-stellen. Unglücklicherweise werden Depressionssymptome wie Hoffnungs-losigkeit und Verlust von Interesse und Lebensfreude oft zunächst als"Aufgeben" interpretiert und mit "Schwäche" oder "Trägheit" gleichgesetzt.Darüber hinaus sind viele Menschen der Auffassung, Depression seigleichbedeutend damit "verrückt" sein und vermeiden es aus diesem Grund,sich in Behandlung zu begeben. Die Erkenntnis, dass der Depression einbiochemisches Ungleichgewicht im Gehirn entspricht, das mit einerMedikamentenklasse von Antidepressiva genannten Chemikalien erfolgreichzu behandeln ist, und kein Charakterfehler oder persönliches Versagen, kannbei der Bekämpfung dieses Stigmas helfen. Vorurteile und Mythen über Antidepressiva nähren häufig ebenfalls denWiderstand gegen die Behandlung einer Depression. Antidepressiva wirkengezielt auf die Veränderungen im Gehirn der Patienten, die unter Depressionleiden, haben aber andererseits keine "launeverbessernde" Wirkung aufMenschen, die nicht depressiv sind. Antidepressiva machen daher nichtsüchtig wie Rauschmittel, die Euphorie auslösen, und sie haben keinerleiMarktwert auf der Straße. Außerdem lösen Antidepressiva keine"Ersatzgefühle" bei Menschen aus und bewirken nichts, was man nichtnormalerweise auch fühlen würde. Stattdessen stellen Antidepressiva dennormalen Zyklus von Hochs und Tiefs wieder her, in Korrespondenz mitden Erfolgserlebnissen und Frustrationen des Lebens, die bei Menschen, dieunter Depression leiden, verloren gegangen war. Gelegentlich führenMenschen, die sich weigern, Antidepressiva zu verwenden, auch dieBegründung auf, sie wollten nicht "wie ein Zombie" enden, weil sie vonMenschen wissen oder gehört haben wollen, die nicht mehr sie selbst waren,nachdem sie begonnen hatten, Medikamente einzunehmen. Dergrundlegende Fehler in diesem Argument liegt darin, dass eine Depressionsehr viel eher nachteilige Auswirkungen auf die Erscheinung einer Personhat, als die Medikamente, die eingenommen werden, um diese Störung desGemütszustandes zu behandeln. Wenn es auch stimmt, dass Medikamente,die zur Behandlung anderer mentaler Störungen, etwa Schizophrenie,verabreicht werden, auffallende Nebenwirkungen wie übermäßige Dämpfung

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und Gliedersteife mit sich bringen können, so bewirkt die sorgfältigeVerwendung von Antidepressiva durch ausgebildete Psychiater bei denMenschen, deren Verhalten durch die Depression verändert wurde, eineRückkehr zu ihrem ursprünglichen Zustand. Das Ziel einer Therapie mitAntidepressiva ist es, das betroffene Individuum wieder an das Steuer seineseigenen Lebens zu bringen, und seine Einschätzung der eigenen Gedanken,Gefühle und Verhaltensweisen zu verbessern während es die Kontrolle überdie Richtung seines eigenen Lebens wieder erlangt. Statt auffallenderNebenwirkungen, die darauf hinweisen, dass eine Person mit Medikamentengegen Depression behandelt wird, passiert meist nur eines, nämlich dassandere Menschen bemerken, dass die behandelte Person "wieder mehr zuihrem altes Selbst" zurückfindet. Die größte Barriere, die Menschen davon abhält, eine Behandlung derDepression zu suchen und zu akzeptieren sind – ohne jede Ausnahme – dieAuswirkungen der Depression selbst, die Menschen hoffnungslos undunmotiviert machen, so dass sie sich nicht vorstellen können, dass es jemalswieder besser gehen könnte. Ironischerweise sind es genau diese Symptomevon Depression, die eine Behandlung erforderlich machen, und doch stehensie der Fähigkeit des Betroffenen, sich die Hilfe zu suchen, die er braucht, imWeg. Die folgenden drei Hinweise können dabei behilflich sein, dieFestgefahrenheit dieser Situation zu überwinden. Erstens erfordert dieerfolgreiche Behandlung von Depression nicht, dass der Patient glaubt, eswerde ihm wieder gut gehen, sondern nur, dass er mit gutem Willen an derBehandlung mitwirkt. Zweitens: da das was bisher versucht worden ist,offensichtlich nicht ausgereicht hat, um die Situation zu ändern, ist dasAnnehmen der Behandlung oft die einzige vernünftige Alternative. Selbstwenn die Behandlung nicht erfolgreich sein sollte, wird es dem Patientennicht schlechter gehen, nur weil er etwas Neues ausprobiert hat. Und drittens,manchmal müssen wir alle die Ratschläge unserer Lieben akzeptieren, weilwir wissen, dass sie in guter Absicht und mit einer Objektivität gegebenwerden, die uns selbst im Moment vielleicht nicht zur Verfügung steht,besonders wenn unser gesunder Menschenverstand durch eine Krankheit inMitleidenschaft gezogen ist. In diesem Zusammenhang spielen Helfer ofteine besonders wichtige Rolle, wenn es darum geht, Patienten zu überzeugen,dass eine Behandlung ihrer Depression erforderlich ist.  

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Wer hilft den Helfern? Ein Helfer – Angehöriger, Freund, jemand, der sich kümmert – zu sein, hatsowohl positive wie negative Aspekte. In Wahrheit ist die Fähigkeit, sich umdie Menschen, die man liebt, kümmern zu können, wenn diese Hilfebrauchen, sowohl ein Privileg als auch eine Last. Eine ausführlicheErörterung der Auswirkungen einer TM auf die Helfer sprengt den Rahmendieses Beitrags. Es ist jedoch erforderlich, darauf aufmerksam zu machen,dass Helfer durch die TM-Erkrankung und die Depression der Menschen, diesie lieben, sehr stark belastet werden. Trotz dieser Tatsache konzentrierensich in der Regel praktisch sämtliche Anstrengungen der Helfer,Hilfeempfänger und Pfleger auf den Gesundheitszustand des TM- undDepressionspatienten, wobei die Belange des Helfers oft unter den Tischfallen. Im Allgemeinen leidet der Gesundheitszustand des Helfers nicht seltendarunter, dass er seine eigene Gesundheit vernachlässigt. Und das, obwohldas Wohlergehen des Hilfeempfängers ganz wesentlich davon abhängt, dassder Helfer seine Anstrengungen und Unterstützung fortsetzen kann, was ambesten durch einen gesunden Menschen möglich ist. Untersuchungen habengezeigt, dass eine Korrelation besteht zwischen einer steigenden Belastungdes Helfers und deren Auswirkungen auf den Patienten wie instabiler Verlauf,steigende körperliche Beeinträchtigung, Schmerzen und Depression. Da dieDepression all diese Variablen verschlimmert, haben Helfer oft ein sehrunmittelbares persönliches Interesse daran, dass die Gemütsstörung desHilfeempfängers angemessen behandelt wird. Vier Aspekte kann man Helfern ans Herz legen, die sie beachten sollten, umweiterhin für ihre Angehörigen sorgen zu können, ohne sich selbst zu ver-nachlässigen. Erstens sollten Helfer ihre eigenen Problemlösungsfähigkeitenverbessern. Das bedeutet in der Regel, zu unterscheiden, was getan undgeändert werden kann und was nicht, und verschiedene Lösungen für dieauftauchenden Probleme auszuprobieren bis die richtige gefunden ist.Sowohl die Helfer als auch die Hilfeempfänger müssen vermeiden, aufgescheiterten Lösungen zu beharren, da dies die Belastung für alle nurvergrößern. Zweitens, Information ist wichtig! Was Helfer über TM undDepression nicht wissen steigert ihre Besorgnis und kann sie daran hindern,Probleme effizient zu lösen. Die Bedeutung des Erfahrungs- undInformationsaustauschs unter Betroffenen ist oft von unschätzbarem Wert.Drittens, Helfer müssen sich von Zeit zu Zeit fragen: "Wie geht es mir?" DieBerücksichtigung ihrer eigenen Bedürfnisse sollte nicht als gegensätzlich zu

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den Bedürfnissen des Hilfeempfängers verstanden werden. Helfer, dieausgebrannt sind, sind ihren Angehörigen keine Hilfe mehr. Zu wissen, woman zusätzliche Hilfe bekommen kann, ist oft von grundlegender Bedeutungfür beide Beteiligte. Viertens sollten Helfer und Hilfeempfänger gleicher-maßen die offensichtliche Tatsache nicht aus den Augen verlieren, dass sie indieser Sache gemeinsam stecken und die gefundenen Lösungen daherkomplementär sein müssen. Es gibt meist mehrere Lösungsmöglich keitenfür ein Problem und es sollte denjenigen Lösungen der Vorrang gegebenwerden, die mehr Flexibilität ermöglichen, um so die Vorteile fürHilfeempfänger und Helfer gleichermaßen zu maximieren.  Schlussfolgerung Trauer und Entmutigung sind üblich, wenn Menschen den akutenBeschwerden einer TM ausgesetzt sind. Genügend Zeit für die Anpassungund Strategien, um wieder Mut zu fassen sind die Schlüssel zur Erholung ausdiesen akuten Situationen. Eine Depression andererseits ist eine Krankheit,die zumindest teilweise ein direktes Ergebnis der Auswirkungen desaktivierten Immunsystems von TM-Patienten auf ihr Gehirn zu sein scheint.Depression ist kein Charakterfehler oder Zeichen persönlicher Schwäche,nicht mehr als Diabetes oder Bluthochdruck es sind. Genau wie anderemedizinische Störungen ist auch die Depression eine Krankheit, dieerhebliche Beeinträchtigungen und eine hohe Sterblichkeit mit sich bringenkann und daher unverzüglich erkannt und behandelt werden muss.Glücklicherweise ist Depression auch eine jener Folgen der TM, die sich ambesten behandeln lassen und bei der eine angemessene Behandlung diePrognose einer vollständigen Wiederherstellung zulässt. Schließlich ist es vongrundlegender Bedeutung, die Auswirkungen zu berücksichtigen, die TM undDepression auf Patienten wie auch auf Angehörige und Helfer haben, da derErfolg letztlich davon abhängen wird, wie gut die betroffenen Menschen imKontext ihrer Familien funktionieren.  In diesem Beitrag habe ich die Ansicht vertreten, dass Depression bei TM,wie schon für MS vermutet, eine Folge der Auswirkungen des Immunsystemsauf das Gehirn sein kann. Die Mechanismen, die diesen Auswirkungen zuGrunde liegen, werden gegenwärtig aktiv untersucht. AktuelleUntersuchungen haben über die Auswirkungen berichtet, die eineBehandlung der Depression auf die Funktion des Immunsystems hat. Erste

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Studien weisen darauf hin, dass depressive MS-Patienten ein aggressiveresImmunsystem haben, das noch größeren neurologischen Schaden anrichtenkann, als das der nicht-depressiven MS-Patienten (Mohr, Goodkin et al.2001). Die Behandlung der Depression bei diesen MS-Patienten hat zu einerBesserung ihres Immunsystems geführt, was darauf hinweist, dass dieBehandlung der Depression nicht nur für das psychiatrische Wohlbefindendes Patienten wichtig ist, sondern auch für seinen neurologischenGesundheitszustand. Viele TM-Patienten sind schweren Leiden ausgesetzt, oft ohne eine recht-zeitige Diagnose und Behandlung ihrer neurologischen Erkrankung zuerfahren. Es ist von großer Bedeutung, dass die Depression, die begleitend zudieser Erkrankung auftreten kann, nicht ebenfalls übersehen oder unange-messen behandelt wird, da eine prompte und rechtzeitige Behandlunggewaltige Vorteile für Patienten und Angehörige und Helfer haben kann. 

Das einzige Gesetz, dass sich nie verändert, ist dass sich alles ändert, und dieLast, die ich heute zu tragen hatte, war nur einen Atemzug weit entfernt vonden Freuden, die ich morgen habe werde, und diese Freuden werden umsogewaltiger sein durch die Erinnerungen an die Lasten, die mir auferlegt waren.  Louis L'Amour (1908-1988)