s%c3%96t_erweiterte mikro%c3%b6konomische grundlagen

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Unvollstndige EntwurfsfassungAlltags- und LebenskonomieErweiterte mikrokonomische Grundlagen fr die Theorie der Neuen Hauswirtschaftvon Prof. Dr. Michael-Burkhard Piorkowsky Professur fr Haushalts- und Konsumkonomik Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universitt BonnBonn, 16. April 20102It is clear, however, that logically there is nothing fundamentalaboutthetraditionalboundariesof economic science.PaulAntonySamuelson:Foundationsof Economic Analysis. Cambridge 194734InhaltSeiteAbbildungsverzeichnis1 Wirtschaftstheoretische und empirische Grundlagen1.1 Wirtschaft als fundamentaler Aspekt der Lebenswelt1.2 Methodologischer Individualismus als Erkenntnisverfahren1.3 Empirische Skizze der Alltags- und Lebenskonomie2 Haushalte und Unternehmen in der traditionellen Mikrokonomik2.1 Zum Forschungsprogramm der Mikrokonomik2.1.1 Mikrokonomik und Makrokonomik2.1.2 Klassische und neoklassische konomik2.2 Verhaltens- und Umweltannahmen fr die Modellbildung2.2.1 Zum wissenschaftstheoretischen Charakter der Annahmen2.2.2 Nutzen und Grenznutzen2.2.3 Haushalte und Unternehmen2.3 Elementare Modelle des Haushalts und der Unternehmung2.3.1 Theorie der Nachfrage2.3.2 Haushalte als Anbieter2.3.3 Elementares Modell der Unternehmung3 Ergnzungen fr das Verstndnis der Alltags- und Lebenskonomie3.1 Neo-neoklassische Haushalts- und Familienkonomik3.1.1 Theorie der Allokation der Zeit3.1.2 Humankapitaltheorie3.1.3 konomik der Familie und Bevlkerungskonomik3.2 Weitere Neue konomiken zur Analyse von Institutionen3.2.1 Neue Institutionenkonomik und Transaktionskostenkonomik3.2.2 Verbndekonomik3.2.3 Evolutorische konomik3.2.4 Verhaltenskonomik3.3 Umwelt- und Ressourcenkonomik (noch zu ergnzen)3.3.1 Umweltkonomik (noch zu ergnzen)3.3.2 kologische konomik (noch zu ergnzen)Literaturverzeichnis5AbbildungsverzeichnisSeiteAbbildung1: Wirtschaftliche und nicht wirtschaftliche Aspekte von HandlungenAbbildung2: Gesamtnutzen und Grenznutzen beim Verbrauch eines GutesAbbildung3: Haushaltsoptimum fr den Zwei-Gter-FallAbbildung4: Verlufe von ErtragskurvenAbbildung5: Traditionelle und Neue HaushaltstheorieAbbildung6: Verhaltenswissenschaftliches HandlungsmodellAbbildung 7: Hypothetische Formen der Wertfunktion und der Gewichtungsfunktion61 Wirtschaftstheoretische und empirische Grundlagen1.1 Wirtschaft als fundamentaler Aspekt der LebensweltWirtschaftundwirtschaftlichesHandelnwerdenhieralsfundamentalerAspektderLebens-welt begriffen, der mit jeder oder fast jeder menschlichen Aktivitt verknpft sein kann. Diese Auffassung unterscheidet sich von Theorien ber ein abgrenzbares Wirtschaftssystem als Teil des Gesellschaftssystems oder eine Wirtschaftsordnung als Teil der Gesellschaftsordnung und spezifische wirtschaftliche Handlungen, insbesondere mit der Fokussierung auf das Preissys-tem und den Gtertausch auf Mrkten. Das Empfinden von Bedrfnissen, Gterknappheit und Unsicherheit ber die Zukunft ist nach dem Verstndnis der konomik, also der Wissenschaft von der konomie, unbestritten ein Ausgangspunkt fr wirtschaftliche Handlungen. Aber die aufBedrfnisbefriedigungzielendenManahmenderProduktion,Arbeitsteilung,Institutio-nenbildungundsonstigenOrganisationwirtschaftlicherAktivittenlassensichnichthinrei-chenddurchTauschprozesseundGeldgebraucherfassen.1NachdemengenVerstndnisvon WirtschaftmssteninsbesonderedienichtdurchGeldvermitteltenVersorgungsprozessein Familien und Vereinen als nicht wirtschaftliche Aktivitten gewertet werden, obwohl knappe Mittel zur Einkommenserzielung in Geld und Naturalien und zur Befriedigung der Bedrfnis-se der Mitglieder eingesetzt werden. In der neueren Mikrokonomik wird davon ausgegangen, dass sich die Bedrfnisse (...) nichtaufGterundDienstleistungen(beziehen,M.-B.P.) wieOrangen,AutosoderGesund-heitsdienste,sondernaufgrundlegendeWahlobjekte,diejederHaushaltherstellt,indemer Marktgterund-leistungen,eigeneZeitundandereFaktoreneinsetzt.Diesetieferliegenden PrferenzenbeziehensichaufgrundlegendeAspektedesLebens,wieGesundheit,Prestige, Sinnenfreude, Wohlwollen, oder Neid, die nicht immer in einer festen Relationen zu Marktg-ternund-leistungenstehen.2konomen,diediesemAnsatzfolgen,dermageblichvonG. S.Becker,demWirtschaftsnobelpreistrgervon1992,begrndetwordenist,gehendavon aus,dassMenschenhandeln,umihreSituationzuverbessernbzw.Verschlechterungenzu vermeiden und dabei stets mit Knappheiten, Wahlzwngen und Unsicherheit ber die Zukunft konfrontiert sind. Sie streben positive Ergebnisse an und wgen die dafr zu erwartenden ne-gativenFolgenab.konomennennendiepositivgewertetenHandlungsfolgenGteroder Nutzen und die negativ gewerteten Folgen Ungter oder Kosten. Auch wenn dies oft in Geld-einheitengemessenwird,sinddieKosteneinerSacheoderAktivittbeiWahlhandlungen stets die Kosten der besten Alternative, auf die verzichtet werden muss. Kosten sind folglich entgangener Nutzen oder, wie konomen sagen, Alternativ- oder Opportunittskosten.3DiesesVerstndnisvonWirtschaftundWirtschaftenfindetsichnichtnurinderNeuen Mikrokonomik,sondernauchinderBetriebswirtschaftslehre.DieterSchneider(1987)ver-steht Wirtschaften nicht als eine Teilmenge smtlicher menschlicher Handlungen, sondern als einElement,dasjedermenschlichenHandlungzukommenkann.ErsiehtdieNotwendigkeit undspezifischeFunktiondesWirtschaftensinderVerringerungvonEinkommensunsicher-heit, insbesondere durch Bildung und Erhaltung von Institutionen mit wirtschaftlicher Zweck-setzung, und wendet den funktionalen Unternehmerbegriff auf einkommenssichernde Aktivi-1Vgl. dagegen Kaminski/Koch (2005), S. 33-35; vgl. dazu Luhmann (1989), S. 14, der klarstellt, dass nach sei-ner Theorie soziale Systeme ausschlielich aus sinnhafter Kommunikation bestehen, aber nicht ausRessourcen oder Personen. Damit wird auch verstndlich, warum Luhmann die Wirtschaft durch das Medium Geld und die spezifische Kommunikation in der Differenz von Zahlung und Nichtzahlung binr kodiert sieht. Vgl. dazu Luh-mann (1985), S. 16; S. 197, S. 324; derselbe (1986), S. 101-104.2Becker (1982), S. 4.3Vgl. McKenzie/Tullock (1984), S. 28-31.7ttenan,seieseineHausfrau,dieihrspezialisiertesWissenzu gnstigenEinkufennutzt, oder ein Facharbeiter, der das Erwerbseinkommen fr die Familie verdient.4Auch wenn nach dem dargelegten Verstndnis eine Abgrenzung von wirtschaftlichen ge-genbernichtwirtschaftlichenInstitutionenundHandlungennichtimherkmmlichenSinn sektoral mglich ist, lassen sich nach der Bedeutung des wirtschaftlichen Elements oder As-pektsmehroderwenigerwirtschaftlichgeprgteHandlungenundInstitutionenerkennen. Schneider(1987)unterscheidetinsbesondereHaushalte,Betriebe,Unternehmen,Verbnde undMrktenachderArtderInnenbeziehungenundderEinflussnahmeaufTausch-verhltnisse.DanachsindHaushalteselbsttauschendeWirtschaftseinheitenmitnichtauf TauschverhltnissenberuhendenInnenbeziehungen.BetriebesindselbsttauschendeWirt-schaftseinheitenmitaufTauschverhltnissenberuhendenInnenbeziehungen.Unternehmen sindNachfragerundAnbieteraufverschiedenenMrktenundbegleitenihreMarkt-handlungen disponierend und produzierend. Und Mrkte sowie marktordnende Verbnde, wie Kartelle,sindnichtselbsttauschendeInstitutionen.5Demnachkannlediglichvonmehroder wenigerwirtschaftlichenundnichtwirtschaftlichenAspektenvonHandlungeninspezifisch wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Institutionen gesprochen werden (vgl. Abb. 1).Abb. 1: Wirtschaftliche und nicht wirtschaftliche Aspekte von HandlungenWirtschaftliche Aspekte von Handlungen in wirtschaftlichen Institutionen, z.B. Investition im UnternehmenWirtschaftliche Aspekte von Handlungen in nicht wirtschaftlichen Institutionen, z.B. Heirat aus finanziellem MotivNicht wirtschaftliche Aspekte von Hand-lungen in wirtschaftlichen Institutionen, z.B. Liebesabenteuer im Bro *Nicht wirtschaftliche Aspekte von Hand-lungen in nicht wirtschaftlichen Institutionen, z.B. Spaziergang mit den Kindern ** Werden von den Handelnden oder von einem konomen die Opportunittskosten, also der entgangene Nutzen, in Betracht gezogen, dann erhalten auch solche Aktivitten einen konomischen Aspekt.Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schneider (1987), S. 13-14DieKritikanderGleichsetzungderWirtschaftmitdemPreissystemundwirtschaftlicher HandlungenmitTauschbeziehungenhatauchzueinemerweitertenBlickaufEntschei-dungssystemefrwirtschaftlichbedeutsameAktivittenundTransaktionennebendem Marktsystemgefhrt. Dazu gehrenLiebe und Drohung(Boulding, 1981), z.B. bei der Aus-handlung familirer Arbeitsteilung; Widerspruch und Abwanderung (Hirschmann, 1974), z.B. Kuferprotest und Kaufboykott; Hierarchie undDemokratie (Dahl/Lindblom, 1953), z.B.fr die Bereitstellung ffentlicher Gter; Gruppenverhandlungen, z.B. Tarifverhandlungen, Tradi-tion,z.B.dertraditionelleSonntagsbraten, undZufall,z.B.derWurfeinerMnzealsEnt-scheidungsmechanismus.6Es ist als konomischer Imperialismus bezeichnet worden, dass die konomische Ana-lyseauffastalleLebensbereicheausgedehntwordenist,einschlielichderPartnerwahlund Familiengrndung, der Arbeitsteilung im Haushalt und der Entscheidung ber die Gestaltung der Freizeit. Aber Hans Albert (1984), der als einer der Hauptvertreter des Kritischen Rationa-4Schneider(1987),S.1-19.DieGleichsetzungvonHaushaltsfhrungundUnternehmertumfindetsichbereits bei Marshall (1997/1920), S. 117, S. 173.5Schneider (1987), S. 22-25.6Vgl. dazu Frey (1976).8lismuskeinausdrcklicherAnhngerdieserkonomischenDenkschuleist,hatdieszurck-gewiesen: Prinzipiell kommt der Ansatz der theoretischen konomie berall in Betracht, wo Knappheit, Bewertungen alternativer Handlungsmglichkeiten und daraus entspringende Ent-scheidungenundHandlungenauftreten,wobeikeineswegsjeweilsbewuteKalkulationen vorausgesetzt werden.7Tatschlich lsst sich nicht immer klren, ob Menschen bewusst die Kosten und Nutzen ihrerHandlungenabwgenundihrenEntscheidungenzugrundelegen.Teilswissensiees selbernicht,teilswollensieessichnichteingestehen,teilsnichtoffenbaren.Aberesgehrt zudenGrundannahmenderkonomischenTheorie,dassRationalitt,alsovernunft-orientiertes Vorgehen, in irgendeiner Form eine Rolle spielt oder spielen sollte. Es ist die re-gulative Idee der konomik, Kosten und Nutzen oder Vor- und Nachteile von Handlungen zu betrachten8, so wie in den NaturwissenschaftenUrsache und Wirkunganalysiert werden. Ob wohl jemals den Physikern physikalischerImperialismus vorgeworfenworden ist, weil sie den Aufbau der Welt aus Atomen erklren?1.2 Methodologischer Individualismus als ErkenntnisverfahrenDerAusgangspunktderkonomischenAnalyseistdasIndividuum.NurIndividuenhaben wertendeVorstellungen,treffenEntscheidungenundentschlieensichzumHandeln,wenn siedieFreiheitdazuhaben.AlleGruppenentscheidungenund-handlungenlassensichals gemeinsameundalsindividuelleHandlungenauffassen.9NichtFamilienhaushalte,Unter-nehmen oder der Staat entscheiden und handeln, sondern die Haushaltsmitglieder, die Eigen-tmerundBeschftigtenimUnternehmenunddieMitgliederderParlamenteundRegierun-gen.WennvonHaushalts- oderUnternehmensentscheidungengesprochenwird,soistdas lediglich eine verkrzte Ausdrucksweise fr den eingangs beschriebenen Sachverhalt. DieserErklrungsansatzfrdie ModellierungvonMikro-Makro-bergngenhatinder konomik eine lange Tradition. Das theoretische Konzept wird in den Wirtschafts- und Sozi-alwissenschaftenalsmethodischerodermethodologischerIndividualismusbezeichnet.Der UrsprungwirdbeiAdamSmithundderklassischenPolitischenkonomiegesehen,dieBe-zeichnunggehtaufJosephAloisSchumpeter(1998/1908)zurck,MaxWeber(1995/1913, 1922b)hatesalsErkenntnisverfahrennachdrcklichgefordertundauchKarlRaimundPop-per(1975/1958)hatesfr unverzichtbarfrdieSozialwissenschaftengehalten.Strittigist allerdings, ob es nur ein Erkenntnisverfahren ist oder auch einen Ausgangspunkt fr die Beur-teilung und Gestaltung sozialer Verhltnisse bieten kann.10FrSchumpeter(1998/1908)wardermethodologischeIndividualismusausschlielich ein Erkenntnisverfahren der theoretischen Nationalkonomie, also der reinen volkswirtschaft-lichenTheorie:Er bedeutetnur,damanbeiderBeschreibunggewisserwirtschaftlicher VorgngevondemHandelnderIndividuenausgehe.11DenHauptinhaltdertheoretischen NationalkonomiesahSchumpeterinderAnalysederMrkte,insbesonderederPreis-erscheinung;frdiesoziologischeAnalysehielterdiesesErkenntnisverfahrenfrunge-eignet.12Dagegen hat Max Weber (1995/1913) dieses Konzept als eine notwendige Methode sozi-alwissenschaftlicher Erklrung begrndet und sogar zur Analyse zentralistisch vergesellschaf-7Albert (1984), S. 6.8Vgl.Weber(1922b),S.33,S.64;Becker(1982),S.11;McKenzie/Tullock(1984),S.30-31;vgl.dazuaus psychologischer und philosophischer Sicht Jungermann/Ltge (2009), insbesondere S. 108.9McKenzie/Tullock (1984), S. 28.10Vgl.Hayeck(1952),S.13,Funote3,S.15;Blaug(1980),S.46-52;Bschges(1985),S.7-10;Giddens (1997/1984), S. 270-279; Norkus (2001), S. 22-24.11Schumpeter (1998/1908), S. 90-91.12Ebenda, S. 94-95.9teterSystemefrunverzichtbargehalten13.Weber(1922b)hatsichauerdemnachdrcklich gegendieVerwechselungvonpositiverundnormativerBedeutungeinessolchenVorgehens gewandt:DasungeheureMiverstndnisjedenfalls,alsobeineindividualistische Me t h o d eeine (in i r g e n d e i n e m mglichen Sinn) individualistische We r t u n g be-deute, ist ebenso auszuschalten, wie die Meinung: der unvermeidlich (relativ) rationalistische CharakterderB e g r i f f s bildungbedeutedenGlaubenandasV o r w a l t e nrationaler Motiveodergar:einepositiveWe r t u n gdesRationalismus.Aucheinesozialistische Wirtschaftmtesoziologischgenausoindividualistischd.h.:ausdemH a n d e l nder E i n z e l n e n: derTypenvonFunktionren,dieinihrauftreten, herausdeutend v e r s t a n d e nwerden,wieetwadieTauschvorgngedurchdieGrenznutzenlehre(oder einezufindendebessere,aberind i e s e mPunkthnlicheMethode).Dennstetsbeginnt auch dort die entscheidende empirisch-soziologische Arbeit erst mit der Frage: welche Motive b e s t i m m t e n und b e s t i m m e n die einzelnen Funktionre und Glieder dieser Gemein-schaft, sich so zu verhalten, da sie e n t s t a n d und f o r t b e s t e h t?14Gegen den methodologischenIndividualismus knnen zwei extreme Standpunkte einge-nommenwerden:DereineStandpunktunterstellt,dassdieMenschenstetsineinegegebene Gesellschaft hineingeboren und von den bestehenden Institutionen geprgt werden, so dass ihr DenkenundHandelndurchdiebernommenenWerte,NormenundRollengelenktwerden. Dem anderen Standpunkt zufolge besteht die moderne Gesellschaft aus vllig autonomen In-dividuen,dieihrLebennacheigenenVorstellungengestaltenundmitderRealisierungihrer individuellenArbeits- undLebensweisendiegesellschaftlichenMakrostrukturenalslineares Aggregaterzeugen.BeidePositionenfhrenzuunrealistischenGrundannahmenundprob-lematischentheoretischenModellen:ImerstenFallzurVorstellungvoneinerGesellschaft ohne Personen als den eigentlichen Akteuren.Im zweiten Fall zur Vorstellung von einer Ge-sellschaft bestehend aus einer Ansammlung autonomer und atomisierter Individuen ohne jede institutionelleodersonstigesozialeVerknpfung.BeidesversuchendemPrinzipdesmetho-dologischen Individualismus verpflichtete Sozialwissenschaftler (...) zu vermeiden.15DiegenanntenEinseitigkeitenbeiderErklrungdesVerhltnissesvonIndividuenund GesellschaftsowiegesellschaftlicherEntwicklungwerdenimmethodologischenIndividua-lismusberwunden.DanachkonstituierenIndividuen,HaushalteundFamilieninWechsel-wirkungmitabgeleitetenInstitutionen,alsoinsbesonderemitUnternehmenundVerbnden, durch ihr Verhalten auf der Mikroebene im Wesentlichen wenn auch hufig unbeabsichtigt, unkoordiniert und indirekt die Meso- und Makrostrukturen der Bevlkerung, Wirtschaft und Gesellschaft16.TatschlichgrndenundfhrenIndividuenalsHaushaltsmitgliedernichtnur ihren eigenen Privathaushalt, sondern siegrnden oft auchFamilien, Unternehmen und Ver-eineodersiebeteiligensichanderGrndungvon UnternehmenundVereinenoderkoope-rieren nach der Grndung mit solchen Institutionen. DieIndividuenwerdenzwarstetsineinesoziokonomischeundkologischeUmwelt hineingeboren, in der sie materielle und normative Strukturen vorfinden, aber diese werden in einem Prozess der aktiven Anpassung mehr oder weniger erhalten und durch Verbreitung von 13Weber (1995/1913), S. 93-97. Vgl. dazu Norkus (2002), S. 24: In der ersten Version der verstehenden Sozio-logie wird der methodologische Individualismus als die Beschreibung der idealen Form sozialwissenschaftlicher Erklrungverstanden.InderzweitenVersionwirddiesesPrinzipinwenigerproduktiverWeisealsForderung verstanden, alle kollektiven Begriffe in Begriffen des individuellen Handelns zu definieren.14Weber (1922b), S. 9. Vgl. hnlich Popper (1975/1958), S. 124: Der methodologische Individualismus ist () diewichtigeLehre,daallesozialenPhnomene,insbesonderedasFunktionierendersozialenInstitutionen, immer als das Resultat der Entscheidungen, Handlungen, Einstellungen usf. menschlicher Individuen verstanden werden sollten und da wir nie mit einer Erklrung auf Grund sogenannter Kollektive (Staaten, Nationen, Ras-sen usf.) zufrieden sein drfen.15Bschges (1985), S. 8.16Vgl. dazu Gutmann (1972), S. 7-8.10abweichenden Verhaltensweisen modifiziert17. Da die Akteure meist eigene Ziele in vielfach verschlungenen Handlungsketten verfolgen, aber auch Koalitionen in kleineren und greren Verbndeneingehen,setztsichnichtetwaeineinzelnerWilledurch.AuchdarfderEinfluss sehrgroerOrganisationen,dienational,aberauchtransnationalttigseinknnen,nicht bersehenwerden.ZusolchengroenOrganisationengehreninsbesondereweltweitagie-rendeUnternehmen undVerbndeeinschlielichStaatenverbnde.FrfreiheitlicheGesell-schaften mit Marktwirtschaft und parlamentarischer Demokratie ist jedoch die Annahme von basalenAkteurennaheliegendundwirdnicht zuletztdurchentsprechendeForderungenvon Politikern, etwa nach erwerbswirtschaftlicher Selbststndigkeit und staatsbrgerlichem Enga-gement,z.B.beipolitischenWahlenundZivilcourageaufderStrae,sowiedurchPostu-lierung von spezifischen Haushalts- und Familienfunktionen seitens der Wirtschafts- und So-zialwissenschaften, z.B. umweltverantwortliches Handeln, zum Ausdruck gebracht. DermethodologischeIndividualismusliefertsomiteinewissenschaftstheoretischeBe-grndungfrdieAnnahmeeinerstrukturgebendenFunktionderIndividuen,Haushalteund Familien,insbesondereinmodernenfreiheitlichenWirtschaftsgesellschaften.FrdieWahr-nehmung der Rolle als Akteure mssen dieIndividuen entsprechend vorbereitet sein. Daraus istderBildungsauftrag abzuleiten,deneinealltags- undlebensweltlichorientiertekonomi-sche oder soziokonomische Bildung zu erfllen htte. Der methodologische Individualismus wirdauchalsGrundlageneuererAnstzederkonomischenBildungherausgestellt18,aber hier wieinAbschnitt 2.1dargelegt insbesonderemitBezugaufdiestarretop-down konzeptualisiertegesamtwirtschaftlich-ordnungstheoretischeFundierungunddieextremver-krzteBetrachtungderkonomischenAktivittenderprivatenHaushaltealsnichtangemes-sen umgesetzt gewertet19.1.3 Empirische Skizze der Alltags- und LebenskonomieMitglieder privaterHaushalte werden zunchst in einen Haushalt und eine Familie hineinge-boren.BiszumbergangineineneigenenHaushaltsindzahlreichekonomischgeprgte EntscheidungenderElternumzusetzenundzunehmendgemeinsamundteilweisealleinzu treffenundzuverantworten,diezumindestteilweisedenCharaktervonInvestitionenindie BildungvonHuman-,Geld- undSachvermgenhaben.DazugehrendieEntscheidungen ber den Ausbildungsweg und das Engagement in der Schule, die Berufswahl und auerschu-lischeBildungsaktivitten,dieMitwirkungander HaushaltsarbeitunddieVerwendungder FreizeitunddesTaschengeldes.DasTaschengeldwirderfahrungsgemnichtnurfrVer-brauchsgtereinschlielichDienstleistungenausgegeben,sondernzumindestinTeilenauch gespart und fr Anschaffungen verwendet sowie verliehen, verschenkt und gespendet. Weite-reEntscheidungenbetreffendieMitwirkunginOrganisationen,wieKultur- undSportverei-nen, und brgerschaftliches Engagement, also die Nutzung und Beteiligung an der Bereitstel-lung kollektiver Gter. Bereits Kinder und Jugendliche sind folglich nicht nur Konsumenten, sondernauchInvestorenundProduzenten,zumindest Koproduzenten,undetlichesammeln erste Erfahrungen mit entgoltenen Nebenttigkeiten oder in der Lehre. AneinemdurchschnittlichenWochentagdesJahresimErhebungszeitraum2001/2002warenKinderundJugendlichezwischen10und 14Jahrendurchschnittlich5 Stundenmit demSchulbesuchunddenHausaufgabenbeschftigt,knapp6Stundenverwendetensiefr Mediennutzung, Pflege sozialer Beziehungen, Hobbys und Sport, und gut 1 Stunde halfen sie bei den unbezahlten Arbeiten im Haus. Von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwi-17Enste (2002), S. 66-67.18Vgl. z.B. Homann/Meyer (2005), S. 30-31; Kaminski (1997), S. 138; Karpe/Krol (1997), S. 80; Eggert et al. (2005), S. 412-413.19Vgl. dazu auch die Kritik von Hedtke (2008).11schen15und20JahrenwarenimJahr2001/2002 bereitsvieleineinerberuflichenAusbil-dung.Individuell verschieben sich dadurch die Mglichkeiten der freienZeitverwendung er-heblich. Im statistischen Durchschnitt entfielen an den Wochentagen rund 1 bis 2 Stunden auf ErwerbsarbeitundebensovielaufdieBeteiligunganderHaushaltsarbeit.InbeidenAlters-klassen zeigt sich bereits, was sich auch spter fortsetzt, nmlich dass die Mdchen und jun-gen Frauen weniger Erwerbsarbeit und mehr Haushaltsarbeit leisten und weniger Freizeit ha-ben als die Jungen und jungen Mnner.20Der monatlich verfgbare Geldbetrag in der Altersgruppe zwischen 10 und 17 Jahren be-trug 2005 im Durchschnitt gut 74 Euro. Die verfgbaren Betrge sind in den Einzelfllen vor allemstarkaltersabhngigundstammenausverschiedenenQuellen,insbesondereausTa-schengeld und Geldgeschenken von den Eltern. Einknfte aus regelmigem Gehalt bezogen rund 4 % in der genannten Altersgruppe, und zwar im Durchschnitt rund 324 Euro monatlich. Entgoltene Nebenttigkeiten bten rund 17 % der Kinder und Jugendlichen zwischen 10 und 17 Jahren aus und verdienten damit durchschnittlich gut 62 Euro im Monat.21Fr die Betrach-tung des Kaufverhaltens ist nicht nur von Interesse, welche Ausgabenanteile auf die gekauften Gter entfallen, sondern auch, wie die mengenmige Nachfrage verteilt ist, d.h. welches die vergleichsweise hufig bzw. selten gekauften Gter sind. Gemessen am Anteil der Kufer und Kuferinnen, stehen insgesamt Sigkeiten, Nahrungsmittel und Getrnke sowie Mobiltelefo-nieren mit knapp 50 bis 60 % der tatschlich Kaufenden an der Spitze und Haustiere, Bastel-sachensowieDVDundVideomit9 %amEndederVerteilung.Gemessenandendurch-schnittlichenAusgabenberalleAltersgruppenliegendieAusgabenfrSchuhebzw.Turn-schuhe (24 %), Weggehen (19 %) und Mobiltelefonieren (18 %) an der Spitze und Sigkei-ten (4 %) sowie Zeitschriften (4 %) am Ende der Ausgabenverteilung.22DerAuszugausdemElternhausunddiedamitverbundeneGrndungeineseigenen Haushalts als Single, mit Partner oder Partnerin oder in einer Wohngemeinschaft zhlt aktuell fr junge Erwachsene im Alter von 23 Jahren zu den drei wichtigsten Entwicklungsaufgaben beim bergang in die Lebensselbststndigkeit, neben dem Aufbau einer stabilen Partnerschaft unddemEinstiegindieBerufsttigkeit.DasdurchschnittlicheAlterbeimAuszugausdem Elternhaus betrug um das Jahr 2000 bei Frauen 21 Jahre und bei Mnnern 23 Jahre. In Bezug aufdieZukunftsplneimBereichPartnerschaftwerdenzunchstdasZusammenleben,dann dieHeiratundschlielichdieFamiliengrndungmitKinderngenannt.Tendenziellnehmenmit steigendem Alter der Anteil der Singles ab und der Anteil der Partnerschaften ohne Kin-der und mit Kindern zu.23Indengegenwrtiggut39Mio.privatenHaushalteninDeutschlandgestaltetderganz berwiegendeTeilderBevlkerungseinensozialenundwirtschaftlichenAlltag.Private Haushalte sind als soziokonomische Einheiten von Alleinlebenden und Kleingruppen, insbe-sondere von Paaren und Familien, zu verstehen, die humane, materielle und soziale Ressour-cengenerieren,pflegenundeinsetzen,umihrenVersorgungsprozessinKooperationmitbe-nachbartenInstitutionenundimAustauschmitihrersoziokonomischen undkologischen Umwelt zu organisieren. Mit ihren Entscheidungen und Versorgungsprozessen auf der Mikro-ebene konstituieren sie zugleich die Meso- und Makrostrukturen der Bevlkerung, Wirtschaft undGesellschaftundwirkenaufdieNatur-Umweltein.24Zudenindividuellundsozial grundlegendensowiekonomischbedeutsamenAktivittengehrenEigenverrichtungenwie 20BMFSFJ/STABU (2003), S. 41.21Lange/Fries (2006), S. 35-48. Nach Schtzungen des Deutschen Kinderschutzbundes arbeitet von den Schle-rinnen und Schlern der achten bis zehnten Klasse fast die Hlfte, davon jede/r zweite unter nicht jugendarbeits-schutzgesetzlichen Bedingungen. Vgl. dazu Seifert-Granzin (1999), S. 2.22Lange/Fries (2006), S. 46-48.23Seiffge-Krenke/Gelhaar (2006).24Vgl. dazu Biervert (1969), S. 40; Strmpel (1980); Galler/Ott (1993), S. 20; Piorkowsky (1994a), S. 10-11.12Schlafen,persnlicheHygieneundHaushaltsproduktion,ErwerbsttigkeitenundFreizeitbe-schftigungen sowie nachbarschaftliche und ehrenamtliche Ttigkeiten. DasZeitbudget von Erwachsenen verteilt sichgrob auf dreigroeAktivittsbereiche zu je8StundenfrArbeit,FreizeitundRegeneration.DasindividuelleZeitbudgetistjenach Alter, Lebensform und partnerschaftlicher Arbeitsteilung sehr unterschiedlich aufgeteilt25. Im statistischen Durchschnitt von Personen ab 10 Jahren sah das durchschnittliche wchentliche Zeitbudget 2001/2002 wie folgt aus: 35 % fr Schlafen, 26 % fr Freizeitaktivitten, 15 % fr unbezahlte Arbeit, 13 %fr Erwerbsttigkeiten sowie Aus- und Weiterbildung und 12 %fr EssenundKrperpflege.Vondeninsgesamtrund152Mrd.Stundenfrbezahlteundunbe-zahlte Arbeit einschlielich Wegezeiten im gesamten Jahr 2001 entfielen knapp 37 % auf be-zahlteundgut63 %aufunbezahlteArbeit,undzwarfastvollstndigaufHaushaltsarbeit (94 %),diezugut60 %vonweiblichenHaushaltsmitgliederngeleistetwurde.Bewertetmit einem Nettostundenlohn fr kommerzielle hauswirtschaftliche Dienste von 7,15 Euro errech-netsicheineNettowertschpfungdurchHaushaltsarbeitvonrund684Mrd.Euro.Werden entsprechenddemKonzeptderEntstehungsrechnungdesSozialproduktsdieentgeltlichbe-schafftenVorleistungenfrVerbrauchsgterunddieAbschreibungenauflanglebigeHaus-haltsgter sowie sonstige Wertschpfungskomponenten, wie EntgeltefrHausangestellt, un-terstellteEinkommenausderEigennutzungvonWohneigentumsowieProduktionssteuern, z.B.Kraftfahrzeugsteuer, hinzugezhlt,ergibtsicheinBruttoproduktionswertderHaushalts-produktionvon1.121Mrd.Euround nachAbzugderVerbrauchsgter eineBruttowert-schpfung von 820 Mrd. Euro. Dieser Betrag entspricht in der Grenordnung etwa der Brut-towertschpfungderdeutschenIndustrie(ProduzierendesGewerbeohneBaugewerbe)und der Bereiche Handel, Gastgewerbe und Verkehr zusammen.26Die Ausgabenbudgets der privaten Haushalte werden nicht nur auf Verbrauchsgter und ErsparnissesowieSteuern,SozialabgabenundsonstigeVerpflichtungenaufgeteilt.Fastdie Hlfte der Haushalte spendet mehr oder weniger regelmig Geld. Im Zeitraum von Oktober 2005 bis Oktober 2006 wurden in Deutschland von rund 29 Mio. Personen Privatspenden im Wertvon3,4Mrd.EuroangemeinntzigeOrganisationengegeben.Diedurchschnittliche Spendenhhe lag bei 119 Euro. Ein Jahr zuvor waren es im Durchschnitt 108 Euro.27Die Ausgaben fr Finanzanlagen, langlebige Gebrauchsgter und Wohneigentum fhren zu einem Aufbau von Finanz-, Sach- und Immobilienvermgen und der Haushaltsprozess als GanzeszumAufbauvonHumanvermgen.DasGebrauchsvermgenproHaushaltistfr 2002 auf 25.000 Euro geschtzt worden. Fr das sehr viel ungleicher verteilte Geldvermgen ist fr 2003 ein Medianwert von knapp 18.000 Euro errechnet worden. Knapp die Hlfte der privaten Haushalte verfgt berImmobilienvermgen mit einem fr 2003 ermittelten Durch-schnittswert(Nettoimmobilienvermgen)vonknapp191.000Euro.28Humanvermgenoder Humankapital kann als diskontierter Kapitalwert des Lebensarbeitseinkommens bzw. des mo-netren Werts der Haushaltsproduktion fr die Versorgung von Kindern lediglich modellhaft ermittelt werden. In einer solchen Modellrechnung der Familienberichtskommission der Bun-desregierung ist fr 1990 ein Wert des volkswirtschaftlichen Arbeitsvermgens des Geburts-jahrgangs 1984 errechnet worden, der mehr als doppelt so hoch war wie der Wert des repro-duzierbaren Sachvermgens der Gesamtwirtschaft.29Erwerbsttig waren 2005 knapp 39 Mio. Personen, selbststndig waren gut 4 Mio. Aktu-ellbeginnenjhrlichrundeinhalbeMio.MenschenmiteinerselbststndigenErwerbs-ttigkeit, davon ein erheblicher Teil, mglicherweise bis zu 50 %, in Teilzeit. Die Grndung 25Insbesondere Eltern empfinden Zeit fr ihre Kinder und fr sich selber als auerordentlich knapp. Vgl. dazu Borchard/Henry-Huthmacher/Merkle/Wippermann (2008).26BMFSFJ/STABU (2003), S. 6, S. 9-13.27TNS-Infratest (2007).28ZEW (2005), S. 34, S. 64, S. 100.29Deutscher Bundestag (1994), S. 144-145.13undFrhentwicklungvonUnternehmen,wieauchderberwiegendeBestand,istklein-betrieblichstrukturiert.GrndungenstartenganzberwiegendohneweitereBeschftigte. Auch im Bestand der Selbststndigen sind ber 50 % ohne weitere Beschftigte, aber hufig mit mithelfenden Familienangehrigen ttig. ber 91 % der rund 3,2 Mio. im deutschen Un-ternehmensregisternachgewiesenenUnternehmenhabenwenigerals10Beschftigte.Die Grndung und Entwicklung von Unternehmen vollzieht sich folglich hufig in enger Verzah-nung mit dem Haushalts- und Familienkontext.30Ehrenamtlichengagierensichgegenwrtigmehrals23Mio.MenscheninDeutschland. DasBundesfamilienministerium hat dazufestgestellt: Ohne dieLeistungen derFreiwilligen in vielen Bereichen wie Soziales, Kultur, Gesundheit, Bildung, Umwelt-, Katastrophen- oder VerbraucherschutzwregesellschaftlichesLebennichtdenkbar.311996/97wurdenknapp 420.000 grere Nonprofit Organisationen mit fast 17.000 Ehrenamtlichen ermittelt, die jah-resdurchschnittlichber2,3Mrd.StundenehrenamtlicheArbeitgeleistethaben32.Nichter-fasstwerdendievermutlichzahlenmignochdeutlichberwiegendenkleinenNetzwerke, SelbsthilfegruppenundTauschringeundderenLeistungen33.DerkonomischeWertliee sich prinzipiell analog zur Wertschpfung durch Haushaltsproduktion errechnen. ZurAlltags- undLebenskonomiegehrenauchunerwnschteundunbeabsichtigteBe-gleiterscheinungen und Folgen des Wirtschaftslebens, wie Armut und Umweltbelastungen. Von Armutsrisiken und damit einhergehender sozialer Ausgrenzung waren 1998 12,1 % und 2003 13,5 % der Bevlkerung in Deutschland betroffen, d.h. sie hatten weniger als 60 % des wohlfahrtsquivalenten Medianeinkommens zur Verfgung. Die Zahl der berschuldeten Haushalte, deren Einkommen und Vermgen nicht zur Deckung der Verbindlichkeiten reicht, istauf2,6Mio.1997und3,1Mio.2002geschtztworden.berschuldungistein Indikator frfinanzielleArmut.ZudenRisikofaktorenfrArmutgehrennichtnurBildungsdefizite, geringe Erwerbsqualifikation und niedrige Erwerbseinkommen sowie Erwerbsarbeitslosigkeit, sondernauchfehlendeNetzwerkstrukturenund MangelanAlltagskompetenzensowieTren-nung und Scheidung mit der Folge der Auflsung von Familien.34Der Anteil der Haushalte an der Umweltbelastung in Deutschland durch Aktivitten nach der Marktentnahme der Produkte, also durch husliche Produktions- und Konsumprozesse, ist auf bis zu 50 % geschtzt worden. Mit ihrer Konsumgternachfrage lsen die Haushalte aber Produktionsprozesse in vorgelagerten Bereichen aus, angefangen von der Rohstoff- und Ener-giegewinnungbiszumTransportderKonsumgterindieHandelsbetriebe,undinduzieren Ver- und Entsorgungsprozesse in den BereichenEnergie, Wasser und Abfall.Letztlich flie-ennahezualleGterdurchdenHaushaltssektor,frdessenMitgliederdiekonomischen Aktivittenindenvor- undnachgelagertenWirtschaftsbereichenorganisiertwerden.Die konomischeBewertungundindividuelleZurechnungderUmweltbelastungenistauer-ordentlichschwierig.GleichwohlspielenForderungenundBemhungenfrmehrumwelt-verantwortliches Handeln eine zunehmende Rolle fr die Gestaltung der Alltags- und Lebens-konomie.35AngesichtsdernachgewiesenenBedeutungdergrundlegendenRollederprivatenHaus-halte und der nicht marktvermittelten Aktivitten im Wirtschaftsleben sowie mit Blick auf die Leitbilderderkonomischen BildungstelltsichdieFrage,warumdieherkmmlichekono-mische Bildung ausgehend vom Modell des Geld- und Gterkreislaufs fast ausschlielich die geldvermittelten Aktivitten der Haushalte betrachtet und damit die private Haushaltspro-duktion und die privaten Nonprofit Organisationen weitgehend unbercksichtigt lsst. Damit 30Vgl. STABU (2005); Piorkowsky (2002b); derselbe (2005).31BMFSFJ (2006a).32Priller/Zimmer (2000), S. 6.33Vgl. dazu Piorkowsky (1984); derselbe (2000c), S. 11-13; Enste (2002), S. 59.34BMGS (2005), S. 19-85; vgl. dazu Fthenakis/Kalicki (2002); BMFSFJ (2001); dasselbe (2004); Lange (2007).35Vgl. dazu Brunner et al. (1994); Piorkowsky (1997); BMBF/Deutsche UNESCO-Kommission (2005).14werden auch die Entstehung und der Wandel sowie die Formenvielfalt konomischer Institu-tionen,wieinsbesondereMischsysteme,z.B.kleineFamilienunternehmen,ausderBetrach-tungausgeblendet.EineAntwortaufdieseFrageundAnsatzpunktezurSchlieungderge-nanntenLckensollenindenfolgendenKapitelngebotenwerden,umeinetheoretische Grundlage fr die Behandlung der Alltags- und Lebenskonomie in konomischen Bildungs-konzepten, insbesondere in der Schule, zu legen. 152 Haushalte und Unternehmen in der traditionellen MikrokonomikAls traditionelle Mikrokonomik wird hier der Zweig der konomischen Theorie bezeichnet, in der ausschlielich Haushalte und Unternehmen im Marktgeschehen auf der Grundlage mo-delltheoretischer Annahmen ber das wirtschaftliche Verhalten der Menschen mit den Mitteln dermathematischenMarginalanalysebzw.inGleichungssystemendargestelltwerden.Im FolgendenwerdenzunchstderGegenstand,dieZielsetzungunddieMethodikderMikro-konomikinAbgrenzungvonderMakrokonomikundderklassischenkonomikerlutert unddieVerhaltens- undUmweltannahmenindenModellenderMikrokonomikaufgefhrt. Anschlieend werden den gngigen Lehrbuchdarstellungen folgend die Theorie des Haus-haltsundderUnternehmungskizziert.DieelementareTheoriemodelliertdieHaushalteals NachfragerundKonsumentenunddieUnternehmenalsProduzentenundAnbieter.Ineiner erweiterten Haushaltstheorie werden nicht nur Einkaufsaktivitten, sondern auch Verkaufsak-tivitten der Haushalte bercksichtigt. Im Gegensatz zu den modernen Lehrbchern wird hier aufeineumfangreichemathematischeDarstellungverzichtetundstattdesseneinehistorisch orientierte Betrachtung geboten.2.1 Zum Forschungsprogramm der Mikrokonomik2.1.1 Mikrokonomik und MakrokonomikDie Mikrokonomik kann entsprechend dem Konzept des methodologischen Individualismus alsderfundamentaleZweigdermodernenWirtschaftstheoriegewertetwerden.IhreGe-schichte beginnt oder beschleunigt sich erheblich mit dem fast gleichzeitigen Erscheinen drei-er Klassiker der modernen konomik, der Theory of Political Economy von William Stan-ley Jevons und der Grundstze der Volkswirtschaftslehre von Carl Menger 1871 sowie der lments dconomie politique pur, ou thorie de la richesse sociale von Marie Esprit Lon Walras 1877. Jevons, Menger und Walras machten bereinstimmend aber ohne voneinander zuwissen dieBefriedigungderBedrfnissederKonsumenten zumAusgangspunktihrer Markt- undPreistheorie,diezumKernderneuenkonomikwurde.36Ehenherdaraufein-gegangen wird, sei kurz der Unterschied zwischen konomik und konomie angesprochen. FachwissenschaftlichkorrektwirdmitkonomiederRealbereichdeswirtschaftlichen HandelnsundmitkonomikdieLehrevonderWirtschaft,alsodieWirtschaftstheorie,be-zeichnet.DieBezeichnungensindausdenaltgriechischenWorten (Oikos)und (Oikonomia)abgeleitet,dieinhistorischenQuellenstudienbereitsim4.Jahr-hundertv.Chr.nachgewiesenwerden.EssindBezeichnungenfrdieagrargesellschaftliche Hauswirtschaft und die Haushaltung im Sinne der richtigen Verwaltung des spter so genann-ten ganzen Hauses (Otto Brunner) der alteuropischen Grohaushaltsfamilie und der aris-totelischen Systematik der praktischen Wissenschaften: Ethik, konomik und Politik folgend ParallelbegriffezuPolisundPolitik37.DerOikoswarzugleichdasfrhenaturgegebene Paradigma der Oikonomik, d.h. die ganze Wirtschaft wurde in der antiken Wirtschaftslehre ausderunmittelbarenAnschauungalsHauswirtschaftbegriffen.Erstsehrvielsptersetzte sichdasParadigmadesGeldkreislaufsdurch.DieUnterscheidungzwischenkonomieund konomikistimenglischenSprachraumselbstverstndlich(EconomyversusEconomics), aber in Deutschland nicht durchgngige Praxis38.36Vgl. Blaug (1975), S. 11-12; Neumann (1983), S. 617-618; vgl. dazu Luckenbach (1975), S. 5.37Vgl. Brunner (1952); Singer (1958); Spahn (1984); Richarz (1991).38Vgl. z.B. Schneider (1987), S. 41-43, sowie die bersetzungen der Buchtitel von Lancaster (1981/1974) und Varian (1990/1984). 16InderFachliteraturwirdderGegenstandderMikrokonomikaufzweifacheWeisebe-schrieben39.ZumeinenwirddamitdieWirtschaftstheoriebezeichnet,diesichmitdenauto-nomen Basiseinheiten des Wirtschaftssystems befasst. In idealisierten Marktwirtschaften sind diesHaushalteundUnternehmen.Dabeiwerdenallerdingsnicht,wiedieBezeichnungMik-rokonomikanklingenlsst,einzelneAkteure,sondernAkteursgruppenoderAggregatebe-trachtet,ausgenommenimMonopolfall.ZumanderenistdieMikrokonomiktausch-wirtschaftlichePreistheorie,alsoMarktlehre.IhreAufgabeistdieErklrungvonPreis-bildungs- und Austauschprozessen. Weil Mrkte bevorzugte Koordinationsmechanismen von Gter nachfragenden und anbietenden Wirtschaftseinheiten sind, wird das elementare mikro-konomischeModellderMarktwirtschaftalsAustauschbeziehungzwischenHaushaltenund Unternehmen dargestellt. Fr die Erklrung der marktgerichteten Aktivitten und der Tausch-beziehungenwerdenAnnahmenberdasVerhaltenderAkteuresowieberGtereigen-schaften und institutionelle Rahmenbedingungenformuliert, die insbesondere in Modelle der Marktformen sowie in Haushalts- und Unternehmensmodelle einflieen. Die mikrokonomi-sche Analyse zielt dabei nicht auf die Erklrung des Verhaltens der Akteure, sondern auf die logischeBegrndungderBedingungenfrgleichgewichtigeMarktlsungen,d.h.frsolche Ergebnisse, bei denen die Plne der Akteure realisiert werden. Die Mikrokonomik wird des-halb auch als Marktgleichgewichtstheorie bezeichnet.40In einem der fhrenden mikrokonomischen Standardlehrbcher wird der Kern der Mik-rokonomik wie folgt beschrieben: Microeconomics is concerned with the behavior of indi-vidual economic units and their interactions. The two types ofeconomic units typically con-sidered are firms and consumers. The major type of interaction that is usually analyzed is that of market interaction. These concepts will be the primary focus of this book. In pursuing this studyofeconomicunitsandtheirinteractionswewillutilizetwomajoranalytictechniques. The first technique involves the analysis of optimization. We will model the behavior of eco-nomic units as optimizing behavior. In doing this we need to specify the objectives of the unit andtheconstraints whichitfaces.Forexample,whenwemodelthebehavioroffirms, we will want to describe the objective as profit maximization and the constraints as technologicalconstraintsandmarketconstraints.Whenwemodelthebehaviorofconsumerswewillde-scribe the objective as utility maximization and the constraints as budget constraints. The sec-ond analytic technique that we will use in our study of microeconomic behavior involves the study of equilibrium. At its broadest level, equilibrium analysis can be viewed as the analysis of what happens to an economic system when all of the units behavior is compatible.41Der Name Mikrokonomik und die Kennzeichnung als Gleichgewichtstheorie ist erst im ZusammenhangmitderEntwicklungderMakrokonomikabetwa1940entstandenundzu verstehen42.GrundlagederMakrokonomikistdieAllgemeineTheoriederBeschftigung, desZinsesunddesGeldesvonJohnMaynardKeynes(1936). Siebefasstsichmitdenge-samtwirtschaftlichenAggregaten deraus den einzelwirtschaftlichen Entscheidungen resultie-renden Prozesse und Strukturen, wie Produktion und Beschftigung, Einkommen und Ausga-ben,InvestitionundKonsumsowieIm- undExport,und derenBeziehungenimgesamtwirt-schaftlichenZusammenhang(Kreislaufanalyse)undimwirtschaftspolitischenZielsystem; undsiesuchtnachdenBedingungenzurErreichungdergesamtwirtschaftlichenZiele,wie stetigesWirtschaftswachstum,Preisniveaustabilitt,VollbeschftigungundZahlungsbilanz-ausgleich (staatlicheWirtschaftspolitik).DieMakrokonomikgiltimGegensatzzurMikro-39Vgl.dazuSamuelson(1947),S.5-8,S.21-23;vgl.fernerz.B.Stehling(1978);Lancaster(1981);Varian (1984).40Vgl. dazu Neumann (1983), S. 617: konomische Theorie der Neoklassik war also zunchst gleichbedeutend mit einer konomischen Theorie des Marktes.; vgl. dagegen Mikrokonomik bei Eggert et al. (2005), S. 62.41Varian (1984), S. 1. Die Originalliteratur wird hier und auch im Folgenden gelegentlich vorgezogen, um ber-setzungsfehler ausschlieen zu knnen. Vgl. dazu z.B. den Hinweis bei Krsselberg (1997), S. 91-92, sowie hier Funote 157.42Vgl. dazu Lancaster (1981), S. 10-13; Schneider (1987), S. 471.17konomik als Ungleichgewichtstheorie, weil nach Wegen zur Beseitigung gesamtwirtschaftli-cherUngleichgewichte,insbesondereinderwirtschaftlichenEntwicklung,imPreissystem, am Arbeitsmarkt und im Auenhandel,gesuchtwird. Die makrokonomische Theorie liefert auch die Grundlage der weltweit nach einheitlichen Konventionen durchgefhrten Volkswirt-schaftlichen Gesamtrechnungen.432.1.2 Klassische und neoklassische konomikDie mikrokonomische Theorie wird hufig auch als neoklassische Mikrokonomik bezeich-net. Diese Bezeichnung ist wie Dieter Schneider (1987) kritisiert irrefhrend, weil es vor der Neoklassik keine Mikrokonomik gab und sich das Gleichgewichtsdenken der Neoklassik grundlegend von der Methodik der Klassik unterscheidet.44DiesenUnterscheidzwischenkonomischerKlassikundNeoklassikbeschreibtMark Blaug(1975)wiefolgt:VergegenwrtigenwirunsdiewesentlichenZgeklassischerko-nomie:ObwirnunSmith,RicardooderJohnStuartMillbetrachten,alleAutorensehendas konomische Problem im wesentlichen im Gegensatz zwischen dem nicht vermehrbaren Bo-denunddervermehrbarenArbeit,wobeimandasKapitalalsgespeichertenReichtumunter dieArbeitsubsumierte.DieAufgabedieserWirtschaftstheorieltsichmitderFrageum-schreiben,welcheWirkungenvonqualitativenundquantitativennderungenderArbeitauf dieWachstumsratederProduktionausgehen.DamandieWachstumsratedesOutput als FunktionderProfitratebetrachtete,stelltesichnatrlichheraus,daderskulareTrendvon Faktorpreisenund-quotenderSchlsselzuallenFragendesWirtschaftsprozesseswar.Das Schwergewicht lag also auf Kapitalakkumulation und Wachstum in einer auf privatem Unter-nehmertumbasierendenWirtschaft.Inderklassischenkonomiehieltmandievollstndige Konkurrenzdeswegenfrwnschenswert,weilmansichvonihrgrereMrkteundeine verbesserte Arbeitsteilung versprach: wirtschaftliche Wohlfahrt betrachtete man als physische Gre,diemandemVolumenderProduktionfrannherndproportionalhielt.Nach1870 ging man dagegen in der Regel von einem gegebenen Vorrat an Produktionsfaktoren aus, der, unabhngigdurchElementeauerhalbdesBlickwinkelsderTheorie,determiniertwar.Der KerndeskonomischenProblemslaginderSuchenachjenenBedingungen,unterdenen produktiveDienstemitoptimalenErgebnissenaufkonkurrierendeVerwendungszweckever-teiltwurden,optimalindemSinne,dasiedieBedrfnissederKonsumentenmaximalbe-friedigten.DamitwardieFragenachdenWirkungeneinerverndertenFaktormengeund -qualittebensoausgeschiedenwiedieBetrachtungeinerdynamischenVermehrungderBe-drfnisse, vonWirkungenalso,welchediekonomenderKlassikalsdieconditiosinequa non frVerbesserungenderwirtschaftlichenWohlfahrtbetrachteten.ZumerstenMalwurde die konomie tatschlich zu einer Wissenschaft, die sich mit der Beziehung zwischen gege-benen Zielenundeinemgegebenen VorratanknappenMittelnmitalternativenVerwen-dungsmglichkeitenbefat.AndieStellederklassischenEntwicklungstheorietratdieVor-stellungvoneinemallgemeinenGleichgewichtinnerhalbeinesimwesentlichenstatischen Rahmens.45WeitereUnterschiedekommenhinzu,diefrdieDurchsetzungderNeoklassikgegen-ber der Klassik wichtig waren. Dazu gehren insbesondere erstens die Ablsung der objekti-ven,amArbeitswertorientiertenWertlehrederklassischenkonomikfrdieBestimmung derTauschverhltnissederWarendurchdiesubjektiveWertlehre,diemitdemNutzenkon-zept und der Betrachtung des Grenznutzens zum Ausgangspunkt der neuen Markt- und Preis-43Vgl. dazu Stobbe (1975); Mller (1982), S. 877.44Schneider (1987), S. 42.45Blaug (1975), S. 13-14.18theorie wurde46. Zweitenswares die theoretischeAuflsung der konomischen Klassen von Arbeits- undKapitalbesitzerninfunktionalunterschiedsloseAkteurealsKonsumentenund Produzenten47. Hervorzuheben ist drittens die Verknpfung von Nutzentheorie und mathema-tischer Marginalanalyse und damit die Begrndung der Ebenbrtigkeit der Wirtschaftstheorie mitdenNaturwissenschaften,insbesondereinOrientierunganphysikalischenAblaufprozes-sen48 zurAnalysederDynamikunterRestriktionendenLagrange-Hamilton-Formalismus der zeitgenssischen Physik nachbildend und zur Analyse der Statik die Metapher der Waage nutzend49. Damit verbunden war viertens der Anspruch auf Formulierung einer reinen, auf objektivmessbarenTatsachenbegrndetenTheorieundallgemeinerexakterkonomischer Gesetze,diesmtlichenVolkswirtschaftenzu allenZeitenzugrundeliegen50.Insbesondere dieserPunktfhrtezueinerweitgehendenAusblendungdesinstitutionellenRahmensder Wirtschaft in der Wirtschaftstheorie51und eskalierte in der Fachdiskussion 1883/1884 im sog. erstenMethodenstreitzwischenVertreternderinduktivorientiertenHistorischenSchuleder Nationalkonomieundderneuen,deduktivarbeitendenmathematischenRichtungderWirt-schaftstheorie, allen voran zwischen Gustav Schmoller und Carl Menger.52DiefrdieNamensfortfhrungmitdem ZusatzNeo-mageblicheGemeinsamkeit zwischenderkonomischenKlassikundderNeoklassiksiehtManfredNeumann(1983)in dergemeinsamengrundlegendenAnnahme,dassIndividuenvorallemeigenntzighandeln unddaskonomischeGeschehenletztlichaufdasVerhaltenderIndividuenzurckgefhrt werden muss53. Allerdings wird erst in der Neoklassik das eigenntzige, rationale Verhalten, das in der Klassik den Produktionsentscheidungen der Individuen zugeschrieben wurde, auch auf die Konsumentennachfrage ausgedehnt54. DiefrKonsumentenundProduzentengleichermaengeltendenVerhaltens- undUm-weltannahmen zur Konstruktion der mikrokonomischen Modelle werden im folgenden Kapi-telzusammengestellt.AnschlieendwerdendieelementareTheoriedesHaushaltsundder Unternehmung skizziert.46Vgl. z.B. Marshall (1997/1920), S. xvi; vgl. dazu Kromphardt (1982), S. 924-930.47Vgl. Kromphardt (1982), S. 929; Stadermann (1987), S. 216. Alle Menschenhaben eine Anfangsausstattung mit produktiven Ressourcen und alle gelten als Verbraucher. 48Vgl. Marshall (1997/1920), S. xv-xvi; vgl. dazu Blaug (1975), S. 12: Zwar rhrte der grte Teil der Entde-ckerfreude in den siebziger und achtziger Jahren von der Nutzentheorie her, doch bezeichnet die Einfhrung der Marginalanalyse als solcher die wahre Trennungslinie zwischen der klassischen und der modernen konomie.; vgl. dazu Kade (1962), S. 80-82; Schneider (1987), S. 54-55.49Vgl. z.B. Samuelson (1947), S. 21, Funote 2, sowie im Einzelnen Wellhner (2002).50Walras (1881), S. 3, beschreibt den Gegenstand seiner mathematischen Theorie des Tausches mit folgenden Worten:GegebensinddieQuanta derproduktivenDienste;gesuchtwirddasSystemderGleichungen, deren Wurzeln1)dieQuantaderProdukte,2)diePreisedieserProdukteund 3)diePreisederproduktivenDienste sind.Soangesehenerscheintdie TheoriederPreisbestimmungderwirthschaftlichenGteroderdie reine VolkswirthschaftslehredeutlichmitdemCharaktereinereigentlichenundzwarphysisch-mathematischenWis-senschaft.;sospterauchSchumpeter(1998/1908),S.52,derdasWesenunddenHauptinhaltdertheore-tischen Nationalkonomie in folgendemSatz zusammenfasst:Zu erklrenwas der Preis ist, und gewissefor-male Bewegungsgesetze abzuleiten, ist unser einziges Bestreben.51Vgl. dazu Samuelson (1947), S. 8-9: () in the general equilibrium analysis of, let us say, Walras, the con-tent of the historical discipline of theoretical economics is practically exhausted. The things which are taken as data for that system happen to be matters which economists have traditionally chosen not to consider as within theirprovince.Amongthesedatamaybementionedtastes,technology,thegovernmentalandinstitutional framework,andmanyothers.Itisclear,however,thatlogicallythereisnothingfundamentalaboutthetradi-tional boundaries of economic science.52Vgl. dazu Schneider (1987), S. 169-170.53Neumann (1983), S. 617.54Kromphardt (1982), S. 928.192.2 Verhaltens- und Umweltannahmen fr die Modellbildung2.2.1 Zum wissenschaftstheoretischen Charakter der AnnahmenMitdenVerhaltens- undUmweltannahmendertraditionellenMikrokonomiksindhierdie Annahmengemeint,diedentheoretischenberlegungenzugrundegelegtwerdenundindie Modellbildungeinflieen.InderLiteraturwerdendieseAnnahmenauchalsPrmissenbe-zeichnet; sie werden teils als Axiome, also als nicht mehr zu beweisende Basisannahmen, teils als Hypothesen, also als noch zu prfende Vermutungen, eingefhrt; sie werden nicht immer vollstndig genannt, aber hin und wieder in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung einer kritischen Analyse unterzogen. Strittig ist insbesondere, ob es sich bei einzelnen Aussagen um dieBeschreibungderRealitthandeltoderumModellannahmen,diedurchihreRigorositt fr Eindeutigkeit in der Theorie sorgen und die Formulierung prfbarer Voraussagen ermgli-chensollen.Esistdeshalbnichtganzunproblematisch,wennvomMenschenbild,etwamit BezugaufdenHomooeconomicus,gesprochenwird,soweitessichbeidenAnnahmenum heuristische Fiktionen (Manfred Neumann) handelt.55Neben Annahmen ber das Verhalten (Menschenbild) und die Umwelt (Systembild) werden in derLiteraturauch Annahmen ber die Modellierung, d.h. dieAnwendbarkeit ma-thematischerMethoden,unterschieden.DiedreiGruppenvonAnnahmengehrenengzu-sammen, denn die Verhaltens- und Umweltannahmen sind nach und nach so formuliert wor-den,dasssiedenAnforderungenderjeweilszeitgenssischzurModellbildungverfgbaren mathematischenMethodengengten;dassz.B.Nutzen,ophlimitundpleasurekonti-nuierlichmessbarwren,wirdnichtunbedingtdurchihreNatursuggeriert,sondernisteine Annahme,diegetroffenwerdenmuss,wennderDifferenzialkalklproblemlos Anwendung finden soll56. Hier stehen im Folgenden die Verhaltens- und Umweltannahmen der Allgemei-nenGleichgewichtstheoriedesModellsdervollkommenenKonkurrenzimMittelpunktder Betrachtung.Unter den Annahmen ber das Verhalten der Wirtschaftssubjekte, Haushalte und Unter-nehmen, und deren Umwelt zhlt Wilfried Holleis (1985) die Folgenden auf:57 NichtsttigungderBedrfnisse,d.h.generellesMangelempfinden,alsostetsKnapp-heit, Rationalverhalten,d.h.Zielorientierung,PrferenzordnungundKosten-Nutzen-Kalkl, Egoismus,d.h.unabhngige,nichtinterdependenteNutzenempfindungenderIndivi-duen, also kein Altruismus, Maximierendes Verhalten, also Nutzen- bzw. Gewinnmaximierung,55Vgl. dazu Samuelson (1947), S. 4-7, S. 21; Kade (1962); Grossekettler (1980), S. 14; Neumann (1983), S. 617; Stadermann (1987), S. 209-210.56Vgl. dazu Samuelson (1947), S. 70-74; Kade (1962), S. 84; Schneider (1987), S. 54-55. Die Mathematik wird allerdingsnichtnurfrdieBegrndung,sondernauchfrdieEntdeckungkonomischerRegelmigkeiten verwendet.57Holleis (1985), S. 28-29, hier teilweise leicht abweichend charakterisiert und geringfgig ergnzt. Die aufge-zhlten Annahmen sind allerdings nicht alle unabhngig. Manche lassen sich aus anderen ableiten, manche sind unterschiedliche Umschreibungen oder Verdeutlichungen von sich zum Teil berschneidenden Inhalten. Essei bereits hier darauf hingewiesen, dass es selbstverstndlich konomen nicht entgangen ist, dass diese Annahmen nicht immer der Realitt entsprechen. Vielmehr haben die berlegungen, wie die Theorie zu differenzieren sei, wennman sie dem realen Wirtschaftsgeschehen annhert,zur EntstehungimmerneuerSubdisziplinen,wie der Institutionen- undTransaktionskostenkonomik,derInformationskonomikundderUmweltkonomik,aber auch zu parallelen Theorien, z.B. Keynesianismus, und sogar zu heterodoxen Anstzen, z.B. Evolutorische ko-nomikundVerhaltenskonomik,gefhrt.OftsinddieSubdisziplinenaberwiederumdurchdasBestrebenge-kennzeichnet, aufzuzeigen, dass der methodische Kern sich unter geringen nderungen auch im vorlufig noch nichtErfasstenbewhrenkann.Esistdeshalbberechtigt,dieo.g.AufzhlungalsparadigmatischenKernund Ausgangspunkt der Analyse und Didaktik zunchst und vorrangig zu besprechen.20 Unendlich viele Marktteilnehmer, d.h. keine Dominanz einzelner Akteure, Preisfestsetzung vor dem Markttausch durch einen Auktionator, Atemporalitt,d.h.unendlichschnelleReaktionsgeschwindigkeitderAkteureund statische, also einperiodische Betrachtung des Wirtschaftsgeschehens, Mengenanpassung der Nachfrager bzw. der Anbieter an die gegebenen Preise, Gegebene Erstausstattung der Wirtschaftssubjekte mit Produktionsfaktoren, Abwesenheit externer Effekte, d.h. keine Begnstigungen oder Beeintrchtigungen der ProduktionoderdesKonsumsDritter,dienichtberdenMarktabgerechnetwerden, z.B. unkompensierte Umweltverschmutzungen, Keine Zugangsbeschrnkungen zum Markt, Gegebene Technik, d.h. kein technischer Fortschritt, KeineTransaktionskostenaufgrundvollstndigerMarkttransparenzundunendlich schneller Reaktionsgeschwindigkeit, NeutralittdesGeldes,d.h.Geldmengennderungenwirkensichnichtaufdierealen Gren der Wirtschaft aus, Marktgngigkeit der Gter, d.h. individuelle Eigentumsrechte und bertragbarkeit der Gter sowie Ausschlussmglichkeit Dritter vom Konsum, HomogenittderGter,d.h.keineUnterschiedeinpersoneller,sachlicher,zeitlicher und rtlicher Hinsicht, Vollstndige Teilbarkeit der Produktionsfaktoren und Produkte, wie beim Einsatz von Geld und Arbeitsmengen sowie bei Verbrauchsgtern, wie Mehl und Zucker.Die Hauptaufgabe einer reinen, idealisierten Marktwirtschaft ist es, fr ein effizientes Gleich-gewichtaufallenGter- undFaktormrktenzusorgen.DamitwerdenzumeinendieAnge-bots- und Nachfragemengen aller Gter und Faktoren sowie die Preise aller Gter und Fakto-renbestimmt.MitdenPreisenderFaktorenwerdenzumanderenauchdieEinkommender EigentmerderFaktorenbestimmt.MitdengenanntenAnnahmensolldiessichergestellt werden.58EinigeAnnahmensinddurchausplausibel,z.B.dieAnnahmederVerfolgungvon individuellenInteressen59. Dass andere Annahmennicht mit der Realitt bereinstimmen, ist offensichtlich,z.B.dieAnnahmeeinerunendlichschnellenReaktionsgeschwindigkeit.Dies hat auch wie bereits erwhnt immer wieder zu Diskussionen, Anpassungen und Erweite-rungen gefhrt, auf die im folgenden Kapitel noch eingegangen wird. Dennoch kann die Aus-einandersetzungmitdenelementaren,bervereinfachtenModellenhiernichteinfachabge-brochen werden, denn diese bilden nach wie vor die Grundlage in den Lehrbchern an Schu-len und Hochschulen60und prgen nachhaltig das Verstndnis von Wirtschaft. ZudenAusgangspunktendermikrokonomischenTheoriegehrendasNutzenkonzept und die Differenzierung zwischen Haushalten und Unternehmen. Beide Konzeptualisierungen sind mit weitreichenden Folgen fr die Entwicklung der Theorie verbunden. 2.2.2 Nutzen und GrenznutzenAusgangspunkt der mikrokonomischen Erklrung des Wirtschaftsprozesses sind Annahmen ber das Streben nach Bedrfnisbefriedigung und die Verarbeitung von Mangelempfindungen alsRegulationsprinzipfrwirtschaftlicheAktivittenderIndividuen.Grundlegendistdie 1854 verffentlichte Nutzenlehre von Hermann Heinrich Gossen, die noch heute zu den Fun-damenten der Theorie gehrt. Das Konzept wird hufig nur in seiner Bedeutung fr die Haus-halts- oderKonsumtheoriegewrdigt,weilesinLehrbcherndenInhaltvonzweials 58Vgl. z.B. Stobbe (1983), S. 357-363.59Vgl. z.B. Kirsch (1980).60Vgl. z.B. Varian (1991), S. 1-11; Eggert et al. (2005), S. 22, S. 167-173; Krol et al. (2005), S. 35-39, S. 63-74.21GossenscheGesetzebezeichnetenHypothesenzumEntscheidungsverhaltenbeimKonsum liefert: das Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen und das Gesetz vom Ausgleich der Grenz-nutzen61.TatschlichhatdasGrenznutzenkonzeptdiemikrokonomischeTheoriesehrviel weitergehendgeprgt,denn eswurdespteraufdieProduktionstheoriebertragen,nachdem die strukturelle Gemeinsamkeit von Produktion und Konsum erkannt worden war62.DieeinleitendenKernaussageninGossensSchrift,diedenStoffderzweinachihmbe-nanntenGesetzeliefern,lassensichwiefolgtzusammenfassen:DerMenschwnschtsein LebenzugenieenundsetztseinenLebenszweckdarin,seinenLebensgenuaufdiemg-lichsteHhezusteigern.(...)EsmudasGenieensoeingerichtetwerden,da dieSumme desGenussesdesganzen LebenseinGrteswerde(...)FrdieHandlungsweisedesMen-schen folgt aus diesem Lebenszweck die eine und darum Hauptregel: Der Mensch richte seine Handlungen so ein, da die Summe seines Lebensgenusses ein Grtes werde (...). Bei nhe-rer Betrachtung, wie das Genieen vor sich geht, findet man denn bei allem Genieen folgen-degemeinschaftlichenMerkmale:1.DieGreeinesunddesselbenGenussesnimmt,wenn wir mit Bereitung des Genusses ununterbrochen fortfahren, fortwhrend ab, bis zuletzt Stti-gung eintritt (). 2. Der Mensch, dem die Wahl zwischen mehreren Genssen frei steht, des-sen Zeit aber nicht ausreicht, alle vollaus sich zu bereiten, mu, wie verschieden auch die ab-solute Gre der einzelnen Gensse sein mag, um die Summe seines Genusses zum Grten zubringen,bevorerauchnurdengrtensichvollausbereitet,siealletheilweisebereiten, und zwar in einem solchen Verhltni, da die Gre eines jeden Genusses in dem Augen-blick, in welchem seine Bereitung abgebrochen wird, bei allen noch die gleiche bleibt.63In der unter 1. formulierten Aussage wird mit Bezug auf ein einzelnes Bedrfnis und ein nutzenstiftendesGutfestgestellt,dassmitzunehmendemKonsumSttigungeintritt.Abb.2zeigt den Verlauf von Gesamtnutzen und Grenznutzen in Abhngigkeit vom Verbrauch eines Gutes(x)beigegebenerundkonstanterVerbrauchsmengeeinesanderenGutes(y)frzwei Funktionstypen.In der 2. oben zitierten Aussage werden mehrere Bedrfnisse betrachtet und eineEmpfehlungfrdieVerteilungderZeit,d.h.desAktivittspotenzials,zurBefriedigung derBedrfnissederartgegeben,dasseinMaximumanBedrfnisbefriedigungdannerreicht ist,wenneskeinebefriedigendereAufteilungderZeitverwendungfrdieeinzelnenAktivi-tten gibt64. Max Weber(1922a;1922b)hatsichbereits1908zurGrenznutzenlehregeuert;erhat dasKonzeptfrselbstverstndlichgehaltenundspterdieEntscheidungsfindungnachdem Prinzipdes Grenznutzens alsMerkmalformalrationaler,d.h.zweckrationalerBeschaf-fungswirtschaft und Bedarfsdeckung bezeichnet: Es g e n g tfr die konomische Theorie vollkommen, da wir uns auf Grund jener erwhnten, sehr trivialen, aber unbestreitbaren, Tat-sachenderAlltagserfahrungeineMehrheitvonMenschent h e o r e t i s c hv o r s t e l l e nknnen, deren jeder streng rational ber die ihm, rein faktisch oder durch den Schutz einer Rechtsordnung, verfgbarenGtervorrteundArbeitskrftezudemalleinigenundaus-schlielichenZweckdisponiert,auffriedlichemWegeeinOptimumvonSttigungseinerv e r s c h i e d e n e nmiteinander konkurrierenden Bedrfnisse zu erreichen.6561Vgl. z.B. Samuelson (1947), S. 93; Stobbe (1983), S. 72-75.62Boulding (1942), S. 799-800; vgl. dazu Blaug (1975), S. 12: Die Bedeutung der Grenznutzentheorie lag da-rin,dasiedenArchetypusdesallgemeinenProblemseinermglichsteffizientenAllokationgegebenerMittel darstellte.;vgl.ergnzendBlaug(1975),S.46-48,woaufdieBegrndungderMarginalanalyseundGrenz-produktivittstheorie durch Johann Heinrich von Thnen hingewiesen wird.63Gossen (1967/1854), S. 1-12.64Vgl.dazudieausschlielichmitBezugaufdieVerwendungvonGeldformulierteVariantedesZweiten Gossenschen Gesetzes und die teilweise fehlerhaften Ausfhrungen zu den Gossenschen Gesetzen in Bchern fr die schulische Wirtschaftssozialisation (!) bei Eggert et al. (2005), S. 22, und Krol et al. (2005), S. 39, so-wie die falsche Erklrung des Grenznutzenkonzepts bei Eggert et al. (2005), S. 22.65Weber (1922a), S. 366-367; vgl. dazu Weber (1922b), S. 45.22Abb. 2: Gesamtnutzen und Grenznutzen beim Verbrauch eines GutesQuelle: Stobbe (1983), S. 77; modifiziertOhne zu weit vorzugreifen, aber bereits anzudeuten, welches Potenzial in dem Nutzenkonzept fr die hier verfolgte Fragestellung steckt, das gleichwohl von der Theorie zunchst nicht ge-nutztwurde,seieineBemerkungHeinrichvonStackelbergs(1951)zitiert,diewiedieVor-wegnahmeeinersptervonanderenAutorenbegrndetenneo-neoklassischenErweiterung der Konsumtheorie zu einer Produktionstheorie des Konsums klingt: Um die Grundgedanken der Grenznutzenlehre in einfacher Weise darzustellen, bilden wir eine Fiktion. Wir deuten denKonsumtionsvorgang als Produktion eines Universalgutes Nutzen, das wir als ein Gut null-ter Ordnung auffassen knnen. Die Gter erster Ordnung, die vom Haushalt gekauft werden, erscheinenhieralsProduktionsmitteldiesesUniversalgutes,dieVersorgungslagenalspro-duktiveKombinationen.66DieserGedankengangwurdezunchstnichtweiterverfolgt.Er passte nicht in das Konzept der Differenzierungzwischen Haushalten und Unternehmen, die als Konsumenten und Produzenten ber Mrkte verbunden sind.2.2.3 Haushalte und UnternehmenZudenAnnahmendertraditionellenmikrokonomischenModellbildunggehrt,dassalle WirtschaftssubjektesowohlAnbietervonProduktionsfaktorenfrdieEinkommenserzielung als auch Nachfrager nach Konsumgtern fr die Bedrfnisbefriedigung sind. Fr die elemen-tareDarstellungderGrundstrukturundFunktionderMarktwirtschaftwirdallerdingsunter-stellt, dass die Wirtschaftssubjekte wie in einer Momentaufnahme ausschlielich in einer derbeidenInstitutionenhandeln,alsoentwederalsHaushalteoderalsUnternehmenam Marktgeschehen teilnehmen, und dass die Haushalte nichts produzieren, sondern fertige Kon-sumgter nachfragen, die von den Unternehmen produziert und angeboten werden. Fr haus-haltsverbundeneUnternehmen,wiekleinelandwirtschaftlicheFamilienunternehmenund kleineGewerbebetriebe,werdenseparateEntscheidungs- undHandlungsbereicheunterstellt, d.h. die Eigentmer verkaufen ihre Produktionsfaktoren, insbesondere ihre Arbeit, an das ei-66Stackelberg (1951), S. 114; von Stackelberg unterscheidet im Anschluss an Menger die Gter nach der Nhe zum Konsum in solche erster Ordnung (Konsumgter) und zweiter Ordnung (Produktionsmittel fr Gter erster Ordnung). Haushaltsproduktion wird aus der Betrachtung ausgeschlossen.23geneUnternehmen.67AngenommenwirdauchmonolithischeZielbildungundEntschei-dungsfindungdurchdieHaushaltsvorstndebzw.Unternehmensfhrer,sodassbeirigoroser ModellbildungderEindruckentstehenkann,HaushalteundUnternehmenseienEinperso-nenbetriebe68. Die funktionale Differenzierung und institutionelle Separierung von Haushalts- und Un-ternehmensaktivitteninderLiteraturmitderFokussierungaufKonsuminHaushaltenund ProduktioninUnternehmengehteinhermiteinertendenziellzunehmenden wechselseitig aufeinanderbezogenen Negierungbzw.BanalisierungderHaushaltsaktivitteneinerseits und einer berhhung von Unternehmertum andererseits sowie einer Ausrichtung von kono-mischen Grundbegriffen an tauschwirtschaftlichen Zusammenhngen. Dies wird nachfolgend mit Bezug auf ausgewhlte magebliche Quellen beispielhaft belegt.In den Principles of Economics bestimmt Alfred Marshall (1997/1920), der als Haupt der Neoklassik (Dieter Schneider) gilt, den Gegenstandsbereich der konomik insbesondere durch die Bezugnahmen auf beobachtbare, quantitativ messbare und berprfbare Fakten, die imZusammenhangmitMarkttransaktionenstehenundinGeldeinheitenausgedrcktwer-den69.DasKapitelberEinkommenundKapitalleitetMarshall mitfolgendenHinweisen ein:Inaprimitivecommunityeachfamilyisnearlyself-sufficing,andprovidesmostofits own food and clothing and even household furniture. Only a very small part of the income, or comings in, of the family is in the form of money; when one thinks of their income at all, one reckonsinthebenefitswhichtheygetfromtheircookingutensils,justasmuchasthose which they get from their plough: one draws no distinction between their capital and the rest oftheiraccumulatedstock,towhichthecookingutensilsandtheploughalikebelong.But with the growth of a money economy there has been a strong tendency to confine the notion of income to those incomings which are in the form of money; including payments in kind (suchasthefreeuseofahouse,freecoals,gas,water),whicharegivenaspartofanem-ployees remuneration, and in lieu of money payments.In harmonywith this meaning ofIn-come, the language of the market-place commonly regards a mans capital as that part of his wealth which he devotes to acquiring an income in the form of money; or, more generally, to acquisition (Erwerbung) by means of trade.70AuchdienachdemselbenkonomischenPrinzipvorgenommeneoptimaleVerteilung vonMittelnaufkonkurrierendeZielewertetMarshallinHaushaltenalswenigerbedeutsam als in Unternehmen: Let us revert to the primitive housewife, who having a limited number ofhanksofyarnfromtheyearsshearing,considersallthedomesticwantsforclothingand tries to distribute the yarn between them in such a way as to contribute as much as possible to the family wellbeing. She will think she has failed if, when it is done, she has reason to regret that she did not apply more to making, say, socks, and less to vests. But if, on the other hand, she hit on the right points to stop at, then she made just so many socks and vests that she got an equal amount of good out of the last bundle of yarn that she applied to socks, and the last she applied to vests. If it happened that two ways of making a vest were open to her, which wereequallysatisfactoryasregardsresults,butofwhichone,whileusingupalittlemore yarn, involved a little less trouble than the other; then her problems would be typical of those of the larger business world. They would include the first decisions as to the relative urgency of various ends; secondly, decisions as to the relative advantages of various means of attain-ingeach end; thirdly, decisions, based on these two sets of decisions,asto the margin up to which she could most profitably carry the application of each means towards each end. These 67Vgl. dazu Lancaster (1981), S. 13-14; Kromphardt (1982), S. 929; Stadermann (1987), S. 208-218; Jaquemoth (2003), S. 23.68Vgl. Luckenbach (1975), S. 11. Hier knpfen scheinbar auch die berlegungen von Coase (1937) ber The Nature of the Firm an, auf die hier in Abschnitt 4.2.1 eingegangen wird. 69Marshall (1997/1920), S. 25, S. 49, S. 57.70Ebenda, S. 71; vgl. dazu Elster (1911).24threeclassesofdecisionshavetobetakenonalargerscalebythebusinessman,whohas more complex balancings and adjustments to make before reaching each decision.71NochweitergehendwirdindenGrundlagendertheoretischenVolkswirtschaftslehre vonHeinrichvonStackelberg(1951)einBildvonHaushaltenundUnternehmenvermittelt, das alle strukturellen Gemeinsamkeiten ausblendet: Die Haushaltung, mit der wir es bei der Betrachtung der Marktwirtschaft zu tun haben, ist in gewissem Sinneein Idealtyp: sie pro-duziert nichts im Haus frs Haus und ist auch mit keinem Betrieb zu einer Einheit verbun-den. Vielmehrgibt sie ihre produktivenLeistungen ganz aneinen oder mehrere Betriebe ab, bezieht dafr Geldeinkommen und erwirbt mit diesem Geldeinkommen die Gter, die sie zur Deckung ihres Bedarfes bentigt. Wir wissen, da wir mit dieser Beschrnkung einen Teil der Wirklichkeit unbercksichtigt lassen; so stellt z.B. die buerliche Wirtschaft einen guten Teil ihrerBedarfsgterselberher.AberdaesunsumdenAufbauderMarktwirtschaftgeht,ist dieseVereinfachungerlaubt.(...)DensovereinfachtenverkehrswirtschaftlichenIdealtypder Haushaltung bezeichnen wir im Anschlu an Eucken als einen Haushalt.72In der analogen Beschreibung des Unternehmens finden sich vergleichbare idealtypische Stilisierungen des Unternehmertums: Der Unternehmer organisiert und lenkt das Zusammen-wirkenderProduktionsfaktoren,umdieProdukteaufdemMarkteabzusetzen.Jederselb-stndige Produzent ist insoweit Unternehmer, als er fr den Absatz produziert. Der Bauer ist nurzumTeilUnternehmer,daereineerheblicheQuoteseinesErzeugnissesdemVerbrauch im eigenen Haushalt zufhrt. Der selbstndige Handwerker ist Unternehmer im kleinen. Als TypendesmodernenUnternehmertumssehenwirdieselbstndigenFabrikantenundKauf-leute, die Industriekapitne und soweit sie tatschlich selbstndig sind die Direktoren der groen Gesellschaftsunternehmungen oder die Vorsitzenden ihrer Aufsichtsrte.73ImSinnedieserTheoriedesMarktesstelltJohnRichardHicks(1952)klar:Hence-forward we shall mean by production any activity directed to the satisfaction of other peoples wants through exchange; we shall use theword producer to meana person engaging in pro-ductioninthissense.A personwhosewantsaresatisfiedbysuchproductionweshallcalla consumer.74Hicks weist zwar darauf hin, dass damit die fundamentale konomische Bedeu-tung der unbezahltenHaushalts- und Familienarbeit aus der Definition von Produktion aus-geschlossenist;abererhltdiesaufgrundderProblemebeiderAbgrenzung,Erfassungund Bewertung der Haushaltsarbeit fr zwingend und verweist auf die herrschenden Begriffe und Theorien sowie die etablierte Volkseinkommensrechnung75.Hicks nimmt, wie vor ihm Marshall, in der Argumentation Bezug auf die Unterscheidung zwischenproduktiverundunproduktiverArbeitbeiAdamSmith76.FrBlaugistdies(...) wahrscheinlich die unglcklichste Kategorisierung in der gesamten Geschichte konomischer Doktrinen.77Smith hat sie auf alle bezahlten Dienstleistungen bezogen, die fr einzelne Per-sonen oder fr Gruppen erbracht werden, wie solche von Dienstboten und Schauspielern, weil keine marktgngige Ware bei den empfangenden Personen zurckbleibt, die verkauft werden knnte. Dass er auch die Selbstversorgung und Familienarbeit im Rahmen der ganz normalen HauswirtschaftenindieseBetrachtungeingeschlossenhat,bestreitetHans-Gnter Krsselberg (1997)78. Die klassische konomik hielt jedenfalls an dieser Unterscheidung fest. Fr die Neoklassik schlug Marshall in dieser Frage einen neuen Anfang vor und holte die be-71Marshall (1997/1920), S. 173; vgl. dazu ebenda, S. 117-118.72Stackelberg (1951), S. 107-108.73Ebenda, S. 320.74Hicks (1952), S. 21.75Ebenda, S. 269-270; vgl. dazu Studenski (1958), S. 11.76Marshall (1997/1920), S. 65-66; Hicks (1952), S. 23-24.77Blaug (1971), S. 116. Im Original bei Blaug (2006), S. 53 liest es sich noch drastischer: Smiths distinc-tionbetweenproductiveandunproductivelabourisprobablythemostmalignedconceptinthehistoryofeco-nomic doctrines. wenn maligned mit schdlich, bsartig oder verleumderisch bersetzt wird.78Krsselberg (1997), S. 91-92.25zahltenDienstleistungeneinschlielichderbezahltenhuslichenDiensteindieMarkttheorie unddenmarktwirtschaftlichenEinkommenskreislaufhinein,whrenddieunbezahlteHaus-haltsarbeit zunchst weiterhin als nicht existent oder nicht wertschaffend oder nicht bewertbar betrachtetwurde79.DieseSichtweisefindetsichbisheuteindertraditionellenTheoriedes Haushalts.2.3 Elementare Modelle des Haushalts und der Unternehmung2.3.1 Theorie der NachfrageIn der Theorie der Nachfrage werden private Haushalte betrachtet, die fr den Konsum Gter bzw. Gterbndel, z.B. Pauschalreisen, kaufen, die bei gegebenen Vorlieben und klaren Nut-zenvorstellungensowiegegebenenEinkommenbzw.BudgetsfrKonsumzweckeeinerseits und gegebenen Preisen der Gterandererseits den grtmglichen Nutzenstiften sollen. Die NutzenvorstellungwirdalsNutzenfunktionbezeichnet;siestelltdenZusammenhangzwi-schendenGternundderNutzenstiftungdar.Eswirdunterstellt,dassderHaushaltunter-schiedlichenGternbzw.GterbndelnunterschiedlichereelleZahlenzuordnet(kardinale Nutzenfunktion)odereinePrferenzordnunghat,nachdereraufkonsistenteWeisejezwei unterschiedliche Gter bzw. Gterbndel nach der Vorzugswrdigkeit ordnen kann (ordinale Nutzenfunktion).In dermodernen Nachfragetheorie werden Axiome derPrferenz zugrunde gelegt, diemathematischzumPostulateinerordinalenNutzenfunktionquivalentsindund den Bedingungen zur Formulierung und Analyse von Nutzenfunktionen in algebraischer und graphischer Form gengen. EinSystemvonAxiomenderPrferenzkannmitfolgendensechsAxiomenformuliert werden: (a) Vollstndigkeit, (b) Reflexivitt, (c)Transitivitt, (d) Kontinuitt, (e) Monotonie und(f)Konvexitt.UmdieAxiomeformulierenzuknnen,werdenGterbndel X=(x1,,xn)definiert,dieausnGternindenMengenxibesteheni {1,..,n}.DieAxiome haben folgende Bedeutung:80 (a)Vollstndigkeitbedeutet,dassallebeliebigenGterbndelmiteinanderverglichen werden knnen. D.h. fr zwei beliebige Gterbndel X und Y kann derKonsument stets angeben, ob er das eine dem anderen vorzieht X>Y oder ob er das andere dem einen vor-zieht Y>X oder ob er sie beide gleich schtzt X=Y. (b) Reflexivitt bedeutet, das jedes Gut bzw. Bndel mindestens so gut ist, wie es selbst: X=X; das Axiom ist trivial, aber sichert die Konsistenz der Wahlhandlung. (c) Transitivitt bedeutet Folgendes: Wenn das Gterbndel X dem Bndel Y vorgezogen wird und Bndel Y einem Bndel Z, dann wird Bndel X auch Bndel Z vorgezogen, also wenn X > Y und Y > Z. dann auch X > Z. (d)Kontinuittbedeutet,dassfrjedesGterbndelXdieMengeallerGterbndelX mitX>Xoffenist.Diesimpliziert,dassesin einemGterbndelXkeinGutgibt,auf daszugunsteneinesanderennichtmarginalverzichtetwerdenknnte.Damitwirddie ExistenzeinerstetigenIndifferenzhyperebenesichergestellt.Indifferenzhyperebenensind geometrischeOrtegleichenNutzensdurchalternativeGterkombinationen.Wenndas Gterbndel nur zwei Gter enthlt, dann spricht man von einer Indifferenzkurve. (e)Monotoniebedeutet,dassein GterbndelXeinemGterbndelYvorgezogenoder gleichgeschtztwird,wennhinsichtlicheinesGutesGterbndelXmehrenthltalsG-terbndelY,whrenddieMengenanallenanderenGterngleichsind.Fordertmanzu-stzlich, dass es zu jedem Gterbndel X ein Gterbndel Y mit Y>X gibt, so spricht man 79Marshall (1997/1920), S. 65; vgl. dazu Fisher (1950/1932), S. 622-623.80Vgl.mitteilweiseunterschiedlichenBezeichnungen:Stobbe(1983),S. 92-95;Seel(1991),S.91-92;Varian (1991), S. 42-75.26vom Axiom der Nichtsttigung. Der Homo oeconomicus ist immer in der Lage, ein Gut zu benennen, das, wenn er mehr davon htte, seinen Nutzen erhhen wrde. (f)Konvexittbedeutet,dassIndifferenzhyperebenen geometrischineinemKoordi-natensystem betrachtet konvex zum Ursprung verlaufen. Im Zwei-Gter-Fall handelt es sichumeinenachinnenzumUrsprunggekrmmteKurve.konomischinterpretiertbe-deutetdieKonvexitteineabnehmendeGrenzratederSubstitutionzwischendenGtern bzw.GterbndelnentlangderIndifferenzkurve.IneinermittlerenPositionaufder Indifferenzkurve, wenn beide Gterbndel in ausreichendem Umfang verfgbar sind, wird vergleichsweiseleichtaufeineEinheitvonGut1imAustauschgegenGut2verzichtet. Die vorletzte Einheit von Gut 1 wird dagegen nur gegen eine sehr groe Menge von Gut 2 aufgegeben81. Diese sechs Axiome der Prferenz Stobbe (1983) spricht von Hypothesen82 sichern insbe-sonderedieDarstellungdesNormalfallsdesKonsumwahlverhaltensinFormeinerNutzen-funktionmiteinemMaximumbeigegebenerBudgetrestriktion.DieArgumentationwirdal-lerdings auf sehr abstraktem Niveau gefhrt, auch zur Betrachtung sehr einfacher Sachverhal-te.DieswirdimFolgendenfr diegrundlegendeModellierungdesNachfrageverhaltenszu-nchst algebraisch und anschlieend graphisch veranschaulicht83. DerHaushaltmaximiertseinenNutzen(u,utility)unterderBeschrnkungdurchsein Budget(m,moneyincome),d.h.dieAusgabensummedarfdasfrdenKonsumgewidmete Budgetnichtbersteigen.NutzenmaximierungimpliziertdievolleAusschpfungdesKon-sumbudgets.AuerdemgiltdiemathematischnotwendigeNebenbedingung,dassdieGter-mengen(X,VektorderGtermengen)unddieGterpreise(P,VektorderGterpreise)nicht negativ sein drfen. In algebraischer Schreibweise lsst sich dies fr den Zwei-Gter-Fall in der Notation von Hal R. Varian (1991) wie folgt darstellen84: (1) u = u (x1, x2 ) max! (Zielfunktion: Nutzenmaximierung)(2) p1x1+ p2x2 < m (Budgetbeschrnkung)(3) p1x1+ p2x2 = m (Budgetgerade, d.h. maximale Konsumausgabe)(4) p1, p2 > 0; x1, x2 > 0 (Nichtnegativittsbedingung)Ein bevorzugter Funktionstyp fr die Darstellung der Nutzenfunktion ist eine Cobb-Douglas-Nutzenfunktion,bei derdieArgumentederFunktion(x1u,x2)multiplikativverknpftsind (x1ux2) und die Exponenten der Argumente sich zu eins addieren (u 1). Andere Funkti-onstypen sind durchausanzunehmen, z.B. solche mit additiver Verknpfung der Argumente, aberdiesistmiterheblichenKomplikationen verbunden.Cobb-Douglas-Nutzenfunktionen 81Perfekte Substitute, so Varian (1991), S. 36, sind rote und blaue Bleistifte, normale Substitute sind pfel und Birnen, keine Substitute, sondern komplementre Gter sind Tabak und Pfeife.82Stobbe (1983), S. 92.83HierundimFolgendenwirdweitgehenddieNotationvonVarian(1991)verwendet.DieDarstellungfindet sich unverndert in den neueren Auflagen dieses international gebruchlichen Standardlehrbuchs.84Varian (1991), Kapitel 2-7, hier S. 75-77. Der Zwei-Gter-Fall wird in Lehrbchern wegen der leichter hand-habbarengraphischenDarstellunggewhlt;mehralsdreiDimensionenlassensichgraphischnichtanschaulich abbilden.Varian(1991),S.20,interpretiertdenZwei-Gter-Fallauchso,dassGut1einbestimmteseinzelnes Gut ist, z.B. Milch, und Gut 2 einen Warenkorb reprsentiert, der alle anderen vom Konsumenten gewnschten Gter enthlt. Gut 2 wird auch als zusammengesetztes Gut bezeichnet. Da der Haushalt als konsumierende Wirt-schaftseinheitbetrachtetwird,verwendetVarian(1984,1991)berwiegenddieBezeichnungKonsumentbzw. Konsumentin. 27stelleninsbesonderesicher,dassfrjedeseinzelneGutdasErsteGossenscheGesetz(vom abnehmenden Grenznutzen) gilt (vgl. Abb. 5)85:(5) u = u (x1, x2 ) = x1x2(Cobb-Douglas-Nutzenfunktion)FrdieLsungdesOptimierungsproblemswerdendieBedingungenfrdasVorliegenvon ExtremwertenderNutzenfunktion,insbesonderefreinMaximum,geprft.Dazuwirdeine Hilfsfunktion,dieLagrange-Funktion(L),formuliert.NachdiesemVerfahrendesfranz-sischenMathematikersJosep-LouisLagrange(1736-1813)werdendieNebenbedingungen miteinemFaktor,demLagrange-Multiplikator().derdenGrenznutzenderletztenIrden KonsumverwendetenEinkommenseinheitangibt(GrenznutzendesGeldes),multipliziert und mit der Zielfunktion zusammengefasst.86(6) L = u (x1x2) (p1x1+ p2x2 m) max! (Lagrange-Funktion)Da in (6) die Nebenbedingung (2) bzw. (3) so formuliert ist, dass sie den Wert null annimmt, istsichergestellt,dassdasMaximumderLagrange-FunktionnichtvomMaximumderZiel-Iunktion (1) abweicht. Der links von stehendeTerm zeigt denUmIangder NutzenstiItung. die prinzipiell mglich ist, und der Term rechts von zeigt die Beschrnkung durch die G-terpreise und das Budget. Die Lagrange-Funktion wird partiell nach jedem einzelnen Gut (x1, x2) und nach diIIe-renziert und auf kritische Punkte (Extremwerte, Sattelpunkt) untersucht. Die Bedingungen fr ein Maximum sind bei Nutzenfunktionen wie dem Cobb-Douglas-Typ erfllt.87Im Optimum mussdieNutzennderungjeEinheitderMehrausgabebeiallenGterngleichgrosein (ZweitesGossenschesGesetz).DerHaushaltmaximiertfolglichseinenGesamtnutzen(u), wennderGrenznutzen(u)derletztenfrdenKonsumgewidmetenAusgabeneinheitbei allen Gtern gleich gro ist (7) bzw. algebraisch durch Umformung gewonnen wenn sich dieGrenznutzenjezweierGtersozueinanderverhaltenwieihrePreise(8);zugleichwird die Bedeutung von als Grenznutzen des Geldes deutlich: ist ein Ma fr den Grenznutzen, denderHaushaltausderVerwendungeinerEinkommenseinheitzumKaufundVerbrauch eines Gutes erzielt.(7) u (x1)/p1= u (x2)/p2 (Zweites Gossensches Gesetz)(8) u (x1)/u (x2) = p1/p2 (Zweites Gossensches Gesetz)AusdenobigenDarlegungenlsstsichdasGesetzderNachfrageunddamitdienormale Form der Nachfragekurve in einem x/p-Koordinatensystem von links oben nach rechts un-ten fallend ableiten: Ein Haushalt kauft von einem Gut bei gegebenen Preisen aller anderen 85ZueinerausfhrlichenDiskussionumeinetheoretischundempirischfundierteBemessungderGestaltvon Nutzenfunktionen und zur hervorgehobenen Rolle des Cobb-Douglas-Typs vgl. Hufnagel (2001). Fr eine ersteAnalysederneoklassischenHaushaltstheoriescheintdieobenausgefhrteDarstellunginSpezialisierungaufden Cobb-Douglas-Typ ausreichend, weil ohne beranstrengung des mathematischen Formalismus viel Wesent-liches dargestellt werden kann. Wichtige Ausnahmen werden im fortfolgenden Text z.T. in weiteren Anmerkun-gen angesprochen. Vgl. dazu Hufnagel (2001), S. 59-60; Seel (1991), S. 110-111. Varian erinnert daran, dass die Cobb-Douglas-FunktionursprnglichinderTheoriederUnternehmungzurAbbildungvonProduktions-funktionenverwendetwurde.IhrenNamenhatsievondemamerikanischenkonomenPaulDouglasundsei-nem Landsmann, dem Mathematiker Charles Cobb; vgl. dazu Cobb/Douglas (1928).86Vgl. dazu Samuelson (1947), S. 98; Stobbe (1983), S. 95-98; Seel (1991), S. 54-56; Varian (1991), S. 86-87. 87Vgl. Seel (1991), S. 109-110; Varian (1991), S. 87-89. 28Gter um so mehr (weniger), je niedriger (hher) sein Preis ist88. Dies folgt zum einen daraus, dassderHaushalteinMengenanpasserist,d.h.aufPreisnderungenbeigegebenemBudget nurdurchVariationdernachgefragtenMengenreagierenkann,umeinneuesGleichgewicht zu erreichen. Zum anderen ist vorausgesetzt, dass sich der Haushalt im Bereich abnehmenden, aber noch positiven Grenznutzens befindet. Erhht sich z.B. der Preis von Gut 1 bei Konstanz aller anderen Gren, ist die Maximierungsbedingung (8) nicht mehr erfllt. Gem den oben genannten Voraussetzungengelingt dies nur dadurch, dass der durch diePreiserhhung klei-nergewordeneQuotientu(x1)/p1soweiterhhtwird,dasserdemQuotientenu(x2)/p2gleich wird. Da der Preis ein Datum ist, knnte dies nur durch eine Erhhung des Zhlers in u(x1)/p1geschehen.Gem(8)erhhtsichderGrenznutzeneinesGutes,wennsichder Haushalt im abnehmenden Bereich des Grenznutzens befindet nur dadurch, dass weniger von diesem Gut verbraucht wird. Folglich wird die Nachfrage nach Gut 1 eingeschrnkt. Das Um-gekehrte gilt fr den Fall einer Preissenkung. PreisnderungenbeieinemGutundKonstanzalleranderenGrenfhrenfolglichzu zweianalytischzutrennendenEffekten,einemEinkommenseffektundeinemSubstitutions-effekt.Steigt(fllt)derPreiseinesGutes,sowirktdies,wennsichsonstnichtsndert,wie eineVerringerung(Erhhung)desEinkommens.DerHaushaltwirdseinBudgetdaherneu aufteilenundeinemehroderwenigerweitgehendeSubstitutiondesteurer(billiger)gewor-denen Gutes durch das preislich unvernderte vornehmen.89DiegraphischeDarstellungdesWahlhandlungsproblemserfolgtfrdenZwei-Gter-Fall durchIndifferenzkurven,dieineinemAchsenkreuzeingezeichnetwerden.Siezeigenalle Gtermengenkombinationen mit gleichem Nutzen (vgl. Abb. 3).Abb. 3: Haushaltsoptimum fr den Zwei-Gter-FallQuelle: Varian (1991), S. 69; modifiziert88Diese Aussage ist richtig, wenn die Nutzenfunktion vom Cobb-Douglas-Typ ist; vgl. Stobbe (1983), S. 75. Es lassen sich jedoch Nutzenfunktionen angeben (Giffen-Fall, d.h. inferiore Gter des Existenz-Bedarfs), fr die dasGesetz der Nachfrage nicht erfllt ist. Es handelt sich hierbei jedoch um empirisch marginale Sonderflle. Vgl. zur Bedeutung des Nachfragegesetzes z.B. McKenzie/Tullock (1984), S. 34-39.89Vgl. dazu Varian (1991), S. 129-148; Stobbe (1983), S. 99-105.29ImOptimumliegtdieBudgetgeradeimNormalfallalsTangenteandervomUrsprungdes KoordinatensystemsamweitestenentferntenIndifferenzkurve.DieBudgetgeradeistdie MengederGterbzw.Gterbndel,diedasBudgetvollausschpfen,alsogenaumkosten, unddamitunterdengegebenenBedingungeneinemaximaleNutzenstiftunggewhrleisten. EntlangderBudgetgeradenknnendieGtersubstituiert,alsoinbestimmtenProportionen gegeneinanderausgetauschtwerden.DasAustauschverhltnis x2/ x1ergibtsichausder Steigung der Budgetgeraden von -p1/p2. Sie misst das Verhltnis, in dem am Markt das Gut 1 fr das Gut 2 substituiert werden kann (und umgekehrt). Es wird auch als Grenzrate der Sub-stitution bezeichnet und zeigt, in welchem Verhltnis der Konsument bereit ist, das eine Gut fr das andere aufzugeben. Durch Umformung der Budgetgeraden und Auflsung nach x1kann ermittelt werden, ber wievieleEinheitenx2desGutes2derKonsumentverfgenkann,umdieBudgetbeschrn-kung zu erfllen, wenn er x1Einheiten des Gutes 1 konsumiert. Bei gegebenem Budget fhrt der Mehrkonsum von Gut 1 zu einem Minderkonsum von Gut 2. Diese Einschrnkungen des Konsums bei Gut 2 sind die echten konomischen Kosten des Mehrkonsums von Gut 1, also dieOpportunittskosten.DieSteigungderBudgetgeradenmisstfolglichdieOpportunitts-kosten des Konsums von Gut 1. Der Gesamtwert der Vernderung des Konsums entlang der Budgetgeraden ist aber null. Welche Gter bzw. Gterbndel der Konsument nachfragt, hngt bei gegebenem Budget und gegebenen Preisen der Gter von seinen Prferenzen ab. Graphisch wird die optimale Gterkombination durch die gemeinsame Reprsentation der Indifferenzkurven und der Budgetgeraden ermittelt. Die Budgetgerade reprsentiert die Sum-mederKonsumausgabenunddieIndifferenzkurvedasAustauschverhltniszwischenden Gterbndeln.JedeIndifferenzkurvenheramUrsprungstehtfreingeringeresKonsum-niveauundschpftdasBudgetnichtaus;undjedeweiterentferntliegendeIndifferenzkurve kannderKonsumentmitseinemBudgetnichterreichen.DerTangentialpunktistdiemaxi-male Gterkombinationzweier Gterbndel, dieder Konsumentwnschtund auch bezahlen kann. In diesem Punkt ist die Grenzrate der Substitution zweier Gter gleich ihrem reziproken Preisverhltnis. Dieser Punkt wird auch als Haushaltsoptimum bezeichnet90(vgl. Abb. 6). WieeinfhrendmitBlickaufdieZielfunktionunter(1)dargestelltwordenist,strebtder Haushalt im neoklassischen Modell danach, seinen Nutzen zu maximieren. Dies wird erreicht, wenndasBudgetaufallegewnschtenGternachdemPrinzipdesAusgleichsderGrenz-nutzenverteiltist(ZweitesGossenschesGesetz).AusdieserAufteilungresultiertdieGter-nachfrage des Haushalts am Markt. Dies zu zeigen, ist auch der Zweck der traditionellen neo-klassischen Haushaltstheorie.91InderneuerenLiteraturwirdzuderbishererrtertenprimalenAufgabederNutzen-maximierung bei gegebenem Budget eine formal gleichwertige duale Aufgabe formuliert, bei deresaufeinemanalogenLsungswegumdieMinimierungderAusgabenbeigegebenem Mindestniveau der Nutzenstiftung geht92. Aus (1) und (2) wird dann:(9) m = m (x1, x2) min! (Zielfunktion: Kostenminimierung)(10) u (x1, x2 ) >u (Mindestnutzenanspruchu als Beschrnkung)DeralgebraischeLsungswegentsprichtdemderprimalenAufgabe;erwirddeshalbhier nicht weiter verfolgt.MitdenobenstehendenAusfhrungensollanhandderformalenDarstellunggrund-legenderModellierungenzumNachfrageverhaltendesHaushaltsinsbesonderegezeigtwer-90Vgl. Varian (1991), S. 69; Stobbe (1983), S. 80, S. 88.91Vgl. Streissler (1974), S. 2; Stobbe (1983), S. 81; Seel (1991), S. 104.92Vgl. dazu Varian (1984), S. 139-141; Seel (1991), S. 117-131. 30den, dass in der Theorie zwar von Konsum gesprochen wird, aber tatschlich nicht der Kon-sumderGegenstandderAnalyseist,sonderndieEntscheidung zumKonsum,genauer:die Entscheidung ber die Aufteilung des Budgets auf die zu kaufenden Gter. Optimale Budget-entscheidungennachdemWirtschaftlichkeitsprinzip mitgegebenenMittelneinMaximum an Zielerfllung zu erreichen bzw. ein gegebenes Ziel mit einem Minimum an Mitteln zu rea-lisieren werden,wenndiesinUnternehmengeschieht,alsManagementaufgabeverstanden und in Theorie und Praxis auch den Unternehmen zugeordnet. Monika Streissler (1974) stellt deshalb fest: Dementsprechend sind die Nachfrager der Neoklassik auchviel eher als nach-fragende Unternehmer (z.B. Hndler, insbesondere Grohndler, wie Kaldor betont) denn als Haushalte zu verstehen.93Folglich werden in der Nachfragetheorie keine konsumtiven, son-dern produktive Aktivitten betrachtet, und zwar Entscheidungsprozesse. Neben dieser impli-ziten Betrachtung des Haushaltsmanagements im Zuge von Beschaffungsentscheidungen fin-den sich ab 1930 Ergnzungen in den neoklassischen Modellen des Haushalts zum Angebots-verhalten, insbesondere zum Arbeitsangebot94.2.3.2 Haushalte als AnbieterDieBetrachtungderHaushaltealsAnbietervonGternknpftanzweimikrokonomische Grundannahmen an, die bereits bei den Verhaltens- und Umweltannahmen in Abschnitt 3.2.1 aufgefhrtwordensind.ZumeinenwirddieErstausstattung mitProduktionsmittelnden Haushalten zugeordnet, und zum anderen werden die Haushalte als Anbieter der Produktions-faktorengesehen,mitdenen sieeinEinkommenerzielen.MitderAnalysederHaushalteals Anbieter wird zugleich die Annahme eines gegebenen Einkommens aufgegeben.Varian(1991)fundiertseinerweitertesModelldesHaushaltsfrdenZwei-Gter-Fall zunchst dadurch, dass der Konsument nunmehr ber zwei Gter als Anfangsausstattung ver-fgt: Darunter verstehen wir, was der Konsument hat, bevor er auf denMarkt kommt. Man kann sich einen Bauern vorstellen. der mit e1 Mengeneinheiten an Karotten und e2Mengen-einheiten Kartoffeln zum Marktgeht. DerBauersieht sich die am Marktgngigen Preisean und entscheidet, wieviel er von den beiden Gtern kaufen und verkaufen will.95Das fhrt zur Unterscheidung zwischen der Bruttonachfrage und der Nettonachfrage. Die Bruttonachfrage nacheinemGutistjeneMenge,diederKonsumenttatschlichkonsumiert:Wieviel eroder sie vom Markt mitnimmt. Die Nettonachfrage nach einem Gut ist die Differenz zwischen dem Endverbrauch des Gutes durch ihn (der Bruttonachfrage) und der ursprnglichen Ausstattung. DieNettonachfragenacheinemGutisteinfachdiegekaufteoderverkaufteMengedesGu-tes.96VerkaufsaktivittenknnenfolglichdadurchindieTheoriedesHaushaltseingefhrtwerden,dassangenommenwird,derKonsumentplane,wenigervoneinemGutzukonsu-mieren, als er besitzt. Seine Nettonachfrage (Verkauf) ist dann negativ, denn sie bezieht sich auf die Mengen x1, x2, die um die Anfangsbestnde vermindert sind. Die Bruttonachfrage ist dagegen stets positiv. Wenn die Bruttonachfrage (x1, x2) ist, dann ist die Nettonachfrage (x1e1, x2 e2).9793Streissler(1974),S.1-2.Tatschlichhatsichdiekonomik,KlassikwieNeoklassik,niewirklichmitdem Konsum beschftigt. Vgl. dazu Streissler/Streissler (1966); Hedtke (1999); Piorkowsky (2000b).94InderLehrbuchliteraturistdieserstsptaufgegriffenworden.NochMitteder1970erJahrehabensichdie ohnehin seltenen mikrokonomischen Lehrbcher mit dem Titel Theorie des Haushalts ausschlielich mit der Nachfragetheorie befasst. Vgl. z.B. Streissler (1974); Luckenbach (1975); vgl. dazu Jaquemoth (2003).95Varian (1991), S. 149.96Ebenda. 97Vgl. dazu Samuelson (1947). S. 96: The selling of personal goods and services may be at times regarded as negative purchases.31Daraus ergibt sich die um die Anfangsausstattung modifizierte Budgetbeschrnkung (11) bzw. die Budgetgerade (12):(11) p1x1+ p2x2= p1e1+ p2e2 < m (Budgetbeschrnkung bzw. Ausstattung)(12) p1x1+ p2x2= p1e1+ p2e2= m (Budgetgerade bzw. Ausstattung)Sobald die Preise feststehen, ist der Wert der Ausstattung und damit das Geldeinkommen des Konsumentengegeben.DasoptimaleKonsumbndelkann,wieobeninAbschnitt 3.3.1dar-gestellt,gewhltwerden.ImAllgemeinen,soVarian(1991),kannderKonsumentbeigege-benenPrferenzeninAbhngigkeitvondenrelativenPreisenderzweiGterentscheiden, entweder ein Kufer oder ein Verkufer zu sein.98IneinemzweitenSchrittderModellerweiterungwendetVarian(1991)dasKonzeptder Ausstattung auf die Analyse der Entscheidung ber das Arbeitsangebot an: Die Konsumentin kannsichentscheiden,vielzuarbeitenundeinenrelativhohenKonsumzuhaben,odersie ar