speculative artefacts and design fiction

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speculative artefacts and design fictions

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Catalogue of the summer term 2014 project at the Burg Giebichenstein Design and Art University in Halle / Germany. german only

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Page 1: Speculative Artefacts and Design Fiction

speculative artefacts and

design fictions

Page 2: Speculative Artefacts and Design Fiction

I’m not saying design fiction’s going to resolve our economic problems. On the other hand, if you’re an unem-

ployed designer, it’s one of the coolest things you can do now.

Bruce Sterling 3/2012

Page 3: Speculative Artefacts and Design Fiction

what if?

Das Projekt „Speculative Artefacts and Design Fictions“ hat das Ziel narrative Strategien in Entwurfsprozessen

praktisch und experimentell zu erproben. Aktuelle und kritische Tendenzen in Gesellschaft, Wirtschaft und

Ästhetik sind Gegenstand der den Entwürfen vorangestellten Analysen. Wie bewegen sich Menschen digital?

Gibt es eine freie Informationswahl? Was ist das Verhältnis von Futtermittel zu essbarer Fleischmenge? Wie

gehen wir in Zukunft mit Natur um, wenn es gar keine mehr gibt? Aus diesen und weiteren Kernfragen lei-

ten die Studierenden konkrete Szenarien ab und spekulieren deren mögliche Implikationen für die gesamte

Gesellschaft und das Individuum selbst. Die entstandenen Arbeiten verweigern sich einer klaren formalen

und konzeptionellen Einordnung. Es gibt keine gemeinsam genutzte Technologie, nach deren Vorgaben

entworfen wurde. Auch lässt sich kein grundlegend positivistisch-utopisches Zukunftsbild ausmachen; die

Projekte umkreisen dunkle Aussichten, gehen einem dystopischen „What-if“ auf den Grund, das wenig Raum

für Hoffnung lässt. Paul Kingsnorth, Autor, Künstler und Aktivist formuliert im Dark Mountain Manifesto eine

Abkehr vom Fokus auf Sustainability und eine Hinwendung zum spekulativen Design. Kurz: Das Ruder lässt

sich nicht mehr rumreißen, wir müssen uns aktiv und konstruktiv mit den Szenarien auseinandersetzen, die

unweigerlich auf uns zukommen. Designer sind gut ausgebildet dafür, zukünftige Situationen zu analysieren

und Lösungen vorzuschlagen. Sie kennen dieses unsichere Terrain in dem vieles nur vage ist und schwer zu

bestimmen. Es ist ihr Berufsfeld, Möglichkeitsräume zu finden und ästhetisch wie funktional zu realisieren.

Rapid Prototyping erlaubt an diesen Designprozessen schnelle überprüfbare Modelle zu erstellen, Ideen auf

Sinn und Funktion hin zu erproben, vom Vagen ins Konkrete zu gehen.

„What if“, diese Frage steht vor jedem der aufgeführten Projekte. Was wäre wenn? Was wäre wenn die Wälder

stürben, wenn es keine unmodifizierten Pflanzen mehr gibt? Welch Luxus wäre es, einen letzten Samen zu

haben, der ohne Eingriff internationaler Saatgutkonzerne, naturbelassen ist. Wie gängen wir mit ihm um? Was

ist Natur? Wann wäre es soweit? Wie stellen wir Luxus in dieser Zukunft dar und wie ist Reichtum gestaltet?

Oft klingen solche Design-Fiction Szenarien weit her geholt, fantastisch und bizarr. Bei genauem Hinsehen

wird aber deutlich, dass die futuristischen Idee schon heute in Grundzügen realisiert werden, Forschungs-

abteilungen fieberhaft an neuen Technologien und Medienkonzerne an immer neuen Abbildern und deren

Gastprof. Christian Zöllner

Page 4: Speculative Artefacts and Design Fiction

Verbreitung arbeiten. Viktor Papanek verweist in seinem Buch „Design for the real World“ auf den „Haha! Aha!

Ahh...“ Erkenntnisverlauf von Arthur Koestler. Dieses kleine Diagramm beschreibt den Prozess wie Menschen

hintergründige und versteckte Kritik, Ironie und Satire aufnehmen. Erst Belustigung, dann Staunen, gefolgt

von Erkenntnis. Auf ähnliche Weise reagieren Menschen auf Design-Fiction und spekulative Design Objekte:

amüsiert, verwundert, irritiert. Die Irritation, die Störung im Erwartungsbild und damit verbundene Selbstre-

flexion sind Ziel und Methode. Wenn in Peking bereits die Kinder amerikanischer Diplomaten in ihrer Schule

zum frische Luft schnappen in ein dem Gebäude vorgelagertes Zelt gehen, abgeschottet vom Smog und Staub

der Millionenstadt, so rückt die von Klara Dlouha in diesem Band aufgeführte Zukunftsvisionen in erschre-

ckend erfahrbare Nähe.

DETECTINGNOW

TENDENCIES

PREDICTINGFUTURE

IMPLICATIONS

RENDERINGPLAUSIBLESCENARIO

DEVELOPINGSIGNIFICANT

OBJECTS

MAKING IT APHYSICAL

EXPERIENCE

ANALYZE FANTASIZE CONCRETIZE REALIZE

Als Grundlage für alle Arbeiten im Projekt dient ein Ablaufschema, welches das Semester in vier Teilphasen

zu je 3 Wochen untergliedert. Analyze! Fantasize! Concretize! Realize! Dem Semesterprojekt sind Reader und

Viewer beigestellt die auf einem gemeinsam zugänglichen Cloud-Server liegen. Texte, Filme, Bilder, Präsenta-

tions-PDFs sind so für jeden zu jeder Zeit zugänglich und können über den Semesterzeitraum ergänzt werden.

Die Texte wurden im Kolloquium besprochen, ein Text je Student*in, jede*r sattelfest in der Argumentation,

offen für Fragen von Kommilitonen und somit Teil einer größeren Kollektivintelligenz.

Die Analysephase war geprägt von tieferen Betrachtungen aktueller Tendenzen in Wissenschaft, Technologie

und Gesellschaft. Auf Moodboards wurde die Recherche visualisiert und anhand der Materialauswahl disku-

tiert. Die aus dieser analytischen Betrachtung entstandenden Ideen und Konzepte wurden in der zweiten Pha-

se fantasiert, als hypothetische Szenarien, vertieft, angepasst und in der dritten Phase konkretisiert.

Page 5: Speculative Artefacts and Design Fiction

Ist die Idee stichhaltig? Ist das Verhältnis Science zu Fiction gut ausbalanciert? Ist die Argumentation stimmig,

kohärent? Welche ästhetische Dimension hat das Projekt? Diese Fragen wurden in zwei Zwischenpräsentati-

onen verhandelt, finalisiert und in der letzten Phase als physisch erfahrbare Prototypen realisiert. Der Fokus

liegt auf der sinnlich-reichhaltigen Erfahrbarkeit. Keine Renderings, wenig Text. Es geht um die Fähigkeit die

eigene Haltung, Idee, Utopie umweglos als Objekt oder Konstellation darstellbar und somit für ein Publikum

nachvollziehbar gestalten. Das ist das Ziel. Ob es erreicht wurde? Die vorliegende Sammlung der Ergebnisse

stellt sich dieser Frage.

Page 6: Speculative Artefacts and Design Fiction

Vegetarisches Jagen

Drohnen werden so allgegenwärtig sein, dass sie eine Erweiterung unseres Ökosystems darstellen. Eine zweite

Natur. Damit einhergehend, findet eine konstante konsumorientierte Überwachung statt. Ähnlich dem Surfen

durch das Internet mit einem schlecht gesicherten Internetbrowser, wird draußen in den Straßen und auf den

Plätzen beobachtet wo sich Menschen befinden und welche Vorlieben sie haben. Ergebnis dieser technologi-

sierten und automatisierten Überwachung ist ein differenziertes und vollständig auf die aktuellen vermeintli-

chen Bedürfnisse abgestimmtes Werbeangebot. Bereits heute ermöglicht der Service „Watson“ von IBM eine

solche User-Zentrierung für großformatige, öffentliche Werbescreens an. Doch nicht jeder wird mit diesen

Entwicklungen in Zukunft einverstanden sein. Aus vagem Unmut entwickeln sich weltweit neue Formen des

Protests gegen diese ständige Form der Überwachung. Keine Hashtags und virtuellen Petitionen. Subversiv,

aktionsbetont und hedonistisch sind die vielfältigen Ansätze sich gegen die zunehmende Drohnenpräsenz zu

wehren. Auch das Vegetarische Jagen entsteht. In den dunkleren Ecken des Internet entsteht ein Diskurs über

die Möglichkeiten sich vor der thermischen und optischen Überwachung zu tarnen. Wie kann die Bevölkerung

der von Konzernen und Behörden gesteuerten zweiten Natur Herr werden, wie sich wehren? Das Jagen und

Herunterholen von Drohnen entwickelt sich vom hinterwäldlerischen Sport zu einer urbanen Protestform.Am

07.03.2014 gewinnt Rapheal Pirker vor Gericht gegen die US-amerikanische Luftfahrtaufsichtsbehörde (FAA).

Dieses Gerichtsurteil schafft einen Präzedenzfall der das kommerzielle Drohnennfliegen bis zu einer Höhe

von 400ft (120m)erlaubt. Es dauert mehr als 1 Jahr, bis die FAA eine überarbeitete Version ihrer Regulationen

veröffentlicht um kommerziellen Drohnenflug erneut zu unterbinden. Gerade mal 2 Monate nach Inkrafttre-

ten der neuen Regulationen wird am 27.11.2015 durch Jamahl Rohs ein neuer Präzedenzfall geschaffen, der

die kommerzielle Nutzung von Drohnen ohne Sondergenehmigung, diesmal in einer Höhe von 130ft (40m)

zulässt.Wenige Wochen nach dem Urteil starten zahlreiche Unternehmen ihren eigenen auf Drohnen basie-

renden Services. Darunter Amazon, Dominos Pizza und Walmart.Unabhängig davon startet Google bereits

in der Mitte des Jahres 2016 das Projekt „Solara“ über dem afrikanischen Kontinent. 3 Drohnen fliegen nun

konstant über Afrika und versorgen die Menschen mit kabellosem 6G Internet. Die Drohnen des Typs “Solara

50“, entwickelt durch die von Google gekaufte Firma “Titan Aerospace“, zeichnen sich besonders dadurch aus,

dass sie so gut wie wartungsfrei und autark, Jahre lang am Himmel bleiben können. Im Jahr 2018 werden, im

Rahmen der Erweiterung des Projekt „Solara“, insgesamt 8 neue „Solara“ Drohen sowohl über den USA als

auch weiten Teilen Europas positioniert. Der neue kabellose 6G Standard verdrängt alle anderen Formen des

Internetzugangs vom Markt und wer Internetzugang braucht, muss sich nun mit Googles Geschäftsbedingun-

gen einverstanden erklären. Die erste Studie zu den Auswirkungen des stetig wachsenden Drohnenverkehrs,

nicht nur im kommerziellen, sondern auch privaten Bereich, auf heimische Vogel- und Kleintierarten wird am

Ende des Jahres 2018 an der „Freien Universität Berlin“ veröffentlicht. Es beinhaltet ausschließlich kritische

Konstantin Hinkel

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Ausblicke auf die zukünftigen Entwicklungen lokaler Flora und Fauna.Zeitgleich wird an der „Columbia Univer-

sity in the City of New York“ ein weiterer Artikel zum Thema veröffentlicht, der die Situation weitaus unbedenk-

licher einschätzt. Am 14.11.2018 wird Facebook von Google gekauft. Die ebenfalls von Google gekaufte Firma

„Skybox Imaging“ ist maßgeblich an der Entwicklung der neuesten Drohne vom Typ „Solara“ beteiligt. Die mit

hochauflösenden optischen und thermischen Kameras ausgestattete Drohne wird zum neuen Standard im

öffentlichen, kommerziellen wie auch privaten Sektor. Zeitgleich mit dem Einsatz der neuen Drohnengenera-

tion beginnt Google das Projekt „Best Buddy“. Das Projekt Best Buddy bietet den Kunden von Google Internet

Service nun die perfekte Unterstützung im Alltag. Komplexe Algorithmen können mit den durch die Drohnen

seit Jahren gewonnenen Daten, einen beinahe lückenlosen Service anbieten um den Nutzer über eine Vielzahl

von kontextsensitiven Angeboten und Vorteilen zu informieren, immer passend zum aktuellen Aufenthaltsort

und abgeglichen mit den Gewohnheiten und Tagesabläufen des Nutzers. 80% Aller Drohnenserviceanbieter

rüsten ihre Drohnen und AGBs so um, dass sie Daten für das Projekt „Best Buddy“ generieren können, um

diese gewinnbringend an Google weiterzuverkaufen. Die ersten vegetarischen Jäger sind naturverbundene

Menschen, echte Jäger, Förster, Farmer. Aber auch Rednecks und Drop Outs. Sie erleben die mit den Drohnen

einhergehende Veränderungen in der Natur hautnah mit und sind bestens ausgestattet um auf Drohnenjagd

zu gehen. Eine der ersten Entwicklungen im Bereich des vegetarischen Jagens sind Flintengeschosse die das

Wirkprinzip von Bolas aufgreifen. Sie verschießen zwei aus Wachs gegossene Geschosse ,verbunden mit einer

reißfesten Schnur. Sie sind nicht gemacht um viel Kraft durch den Schuss zu übertragen, sonder legen die

Rotoren der üblichen Kopterdrohnen lahm und zwingen sie so zu Boden. Eine ebenfalls frühe Entwicklung

ist ein Tarnparka der sowohl vor optischer als auch thermischer Überwachung schützt. Das Tarnmuster ist

mit seiner vorgetäuschten Tiefe so angelegt das es besonders für mechanische Augen schwer einzuordnen

ist. In Verbindung mit dem großzügigen Schnitt und der Möglichkeit das Gesicht bis auf die Augen in einer

Kapuze zu verbergen, löst das Tarncape die Silhouette des Trägers bestmöglich auf. Schutz vor Überwachung

durch Wärmebildkameras bietet das Innenfutter des Parkas. Durch den Einsatz von unterschiedlich dicken

Lagen aus Glaswolle und Schichten aus Wärmestrahlung reflektierender Folien wird die Form des Trägers

aufgelöst und sein Umriss unlesbar gemacht. Die Zahl der Drohnen steigt stetig weiter. Die nächste Generation

an Jägern kommt aus der Stadt. Dieser neue Urbane Kontext bedingt ebenso neue Ausrüstung. Deutlich klei-

ner und perfekt zu verbergen, jedoch keinesfalls weniger effektiv. Schleudern werden ,geladen mit ähnlicher

Bolamunition, schnell zur Standartausrüstung des städtischen Jägers. Neben dem offensiven Jagen wird der

städtische Jäger auch immer weiter in eine defensive Haltung gedrängt. Großereignisse ,Demonstrationen

und öffentliche Plätze stehen mehr und mehr unter Beobachtung durch die lauernden Drohnen der Obrigkeit.

Doch der vegetarische Jäger ist gewappnet.

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Fast ein Fünftel der globalen Treibhausgase werden durch Viehwirtschaft verursacht. Vierzig Prozent unserer

ernährungsbedingten Treibhausemissionen verursachen wir durch tierische Lebensmittel. Ein Drittel dieses

Ausstoßes entsteht durch die Abholzung von Regenwäldern in Südamerika. Allein für die Viehwirtschaft. Rie-

sige Mengen von Wasser werden verschwendet. Neben langen Transportwegen ist die ineffiziente Biomas-

seumsetzung von Säugetieren, Geflügel und Fischen ein ausschlaggebender Punkt für die immer lauter wer-

dende Kritik. Aus 10kg Futtermittel resultieren 5Kg Hähnchen, 3kg Schweinefleisch oder 1kg Rindfleisch. Im

Vergleich dazu könnte man aus der selben Futtermenge 9kg Insektenfleisch gewinnen. 1400 Insektenarten, so

eine Studie der Welternährungsorganisation, können die Welt ernähren. In Asien laufen derzeit Forschungs-

projekte zu verschiedenen und kostengünstigen Futtermethoden von Insekten. Der große Vorteil des Insek-

tenfarmings ist die „einfache“ Haltung von Insekten: Sie mögen es dunkel und brauchen wenig Platz und

nahzu kein Wasser. Zudem sind sie Allesfresser und kommen teilweise mit Pappresten und einer Handvoll

Küchenabfällen aus. Jeder kann in selbstgebauten Behältern seine Insekten ziehen. In Thailand und Laos ist

das heute schon Realität. Zwei LKW-Reifen aufeinanderstapeln, Eierkartons mit Grillen einsetzen, Drahtgitter

drüber und eine Handvoll Küchenabfälle hinein. Das funktioniert aber in Europa nicht. Noch können die Men-

schen ihr Schnitzel, stellvertretend für unterschiedlicche Zubereitungsformen tierischer Proteine, auf Kosten

der Umwelt konsumieren. Aber auch mit ruhigem Gewissen genießen? Es ist leicht auszurechnen wie die Um-

welt- und Ernährungssituation in 20 und in 40 Jahren aussehen wird. Zukunftsprognosen und gemeinsame

ethische Werte fordern uns auf, nicht nur unser aktuelles Konsumverhalten zu überdenken, sondern auch

umzusetzen. Menschen in Europa essen keine Insekten, weil die westliche kulturelle Prägung es nicht zulässt.

Insekten verbinden die meisten Menschen mit Unreinheit und daraus resultierend Ekel. Nur die wenigsten

würden freiwillig ihre Ernährung auf Insekten umstellen. Das Aussehen und die Erscheinung des Schalentieres

schreckt sie ab. Wie kann dieses Problem gelöst werden? Indem man dem Insektenfleisch eine neue Form

gibt und wir uns durch den „Look“ der Insektenspeise selbst überlisten. Der „falsche Hase“ transportiert his-

torisch betrachtet eine ähnliche Aussage. Als „Falschen Hasen“ bezeichnet man ein Gericht, bestehend aus

gekochten Eiern und Hackfleisch, dass in Zeiten knapper Nahrungsmittel stellvertretend für den kostbaren

Sonntagsbraten war. Der „falsche Hase“ aus Insektenfleisch ist ein auf diesen Zusammenhängen beruhender

Gegenentwurf, der moralisch und ökologisch vertretbar ist. Aktuelle und zukünftige 3D-Druck-Technologien

ermöglichen eine freie Formwahl für die verfeinerten Rezepturen aus Insektenproteinen. Es wird durch die

Verfügbarkeit in jedem Haushalt möglich sein eigenständig und nach Gusto Nahrung zu drucken. Der 3D-

Drucker Makerbot heißt ja heute schon Replicator, angelehnt an die automatisierte Essensausgabe auf dem

Raumschiff Enterprise.

falscher haseCarolin Schulze

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Mit dem Entwurf Falscher Hase liegt nun ein Konzept vor, dass beispielhaft-morphologisch eine Formstudie

präsentiert: vom bekannten Bild des Hasen hin zur Heuschrecke in sieben Schritten, 3D-gedruckt mit einer

speziell entwickelten Rezeptur basierend auf Mehlwürmern.

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bristlersFelix Krämer

Bristlers ist ein Startup Unternehmen mit einem besonderen Ziel: Menschen zu verbinden. Anders als üblich

bei sozialen Netzwerken ist das Ziel des jungen Unternehmens jedoch nicht, gleichgesinnte und Menschen

mit ähnlichen Interessen zusammen zu bringen. Vielmehr kann der Nutzer über Bristlers Mitmenschen treffen,

die ein konträres Weltbild oder eine andere Meinung vertreten. Bristlers findet den kontroversen Gesprächspartner.

Das erste von Bristlers auf den Markt gebrachte Produkt Bristle ist ein kleines behaartes Objekt, ein Gadget,

welches als reale Erweiterung zu dem sozialen Netzwerk dient. Es ist per Bluetooth mit dem Smartphone

verbunden und kann auf unterschiedliche Gesprächsthemen eingestellt werden. Sobald also ein potentiell

spannender Gesprächspartner in der Nähe ist, zeigt das Gerät Abneigung an, indem es die Härchen auf seiner

Oberfläche aufstellt. Ob dies der Fall ist und wie weit der andere Teilnehmer entfernt ist, wird über den GPS

Standort des Smartphones ermittelt.

Während Menschen ihren Tag scheinbar selbst gestalten, gibt es Algorithmen und Datensätze, die ihnen Ent-

scheidungen vorwegnehmen, erleichtern und das Leben vorbestimmen. Es ist eine Welt der Auflösung, der

Durchdringung. Computersysteme haben gelernt, Gemütsregungen zu lesen und selbstjustierende Algorith-

men berechnen aus der Geschichte der Menschheit, was als nächstes passieren kann und wird. Dinge wie

Ratlosigkeit, Unwissen, Spontaneität sind zu purem Luxus geworden. Wo auch immer wir unsere Schritte hin-

setzen – jeder Schritt unseres Lebens wird in Echtzeit analysiert.

Auch soziale Interaktion wurde über die Jahre derart an die Bedürfnisse der Menschen angepasst, dass dank

perfekt zusammenpassender Gruppen und Persönlichkeiten kontroverse Diskussionen kaum mehr stattfin-

den. Der Vorsatz “Finde Freunde in deiner Nähe...” ist derart gut umgesetzt, dass er zu geistiger Immobilität

geführt hat und sich Meinungen über die Jahre zementiert haben. Der 2012 von Eli Pariser geprägte Begriff der

“Filterblase” (gleichnamiges Buch “Filter Bubble”) beschreibt genau diesen Effekt und ist inzwischen zu einer

handfesten Realität geworden.

Wie begegnen wir also jenem allgegenwärtigen System, welches laufend unsere Handlungen auf Korrelation

mit Entscheidungen unserer Vergangenheit überprüft? Wie behalten wir uns vor, wenigstens ein bisschen “un-

berechenbar” zu sein?

An dieser Stelle kommt Bristle ins Spiel. In dem Smartphone App und dem Online-Profil kann der der Bristler

die Themenauswahl und ein polemisches Meinungsprofil seines Bristles einstellen. Die Interaktion mit dem

Gegenüber findet persönlich statt und zielt damit auf eine reale Begegnung ab, für die ein Anstoß gegeben

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wird.

Das junge Startup erhofft sich vor allem zwei Ergebnisse eines solchen Netzwerks: Erstens entgehen die Nut-

zer für kurze Zeit der Filterblase und erweitern ihren Horizont erheblich, lernen zu akzeptieren, dass es andere

Meinungen gibt und kommen auf Gedanken, die in ihrer üblichen Umgebung unauffindbar wären.

Der zweite Punkt ist – Es handelt sich hier um einen Albtraum für Überwachungs- und Analyse-Mechanis-

men. Die Basis für Überwachung, nämlich dass die politische Einstellung im direkten Zusammenhang mit

Bekanntenkreis, Herkunft, Aufenthalt und dergleichen steht, wird durch ein solches paradoxes Sozialverhal-

ten aufgeweicht. Das Bewegungsprofil eines Menschen, der sich dann und wann mit Menschen vollkommen

anderer Auffassungen trifft und unterhält, lässt in dem von Bristlers angestrebten Szenario kaum mehr einen

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Aufschluss über seine wahre politische Einstellung zu.

Zuguterletzt können durch eine entsprechende Vernetzung mit Plattformen anderer Netzwerke die dort

entstandenen Filterblasen verwässert werden und plötzlich entstehen die sonderbarsten Verbindungen zwi-

schen den denkbar unterschiedlichsten Menschen.

mehr auf bristlers.com

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habitat|rKlara Dlouha

Handlung

Dieses hypothetische Objekt entstammt dem Jahr 2089. Die Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten gewan-

delt. Die Menschen leiden an Krankheiten, die Luft ist nahezu ungenießbar, das Wasser ist verschmutzt, die

Vegetation wird von saurem Regen geplagt, ursprüngliche Pflanzen sind fast gänzlich ausgestorben. Es über-

leben nur einige genetisch modifizierte Pflanzenarten.

Die konsumorientierte Lebensweise senkte den Lebensstandard auf ein Minimum. Erst als es am schlimmsten

ist realisieren die Menschen ihre Fehler. Es bricht eine Zeit des Bewusstseins ein, in welcher für uns alltägliche

und gewöhnliche Dinge sehr kostbar werden.

Es kommt zu einer Abwendung von modernen Technologien und einer Hinwendung zu natürlichen Lebens-

weisen. Reichtum besteht aus einer Sammlung genetisch nichtmodifizierter Pflanzen, welche von Menschen

gezüchtet und behütet werden und von Generation zu Generation weitergegeben werden.

Das Objekt

Es handelt sich um einen schützenden Behälter für eine ursprüngliche Pflanze. Der Behälter bewahrt ein ein-

zigartiges und wertvolles Stück Natur. Das Objekt ermöglicht dem Menschen im Jahr 2089 ein kostbares und

rares Erlebnis in einer Zeit, in welcher die Luft massiv verschmutzt ist.

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Das Objekt setzt sich aus vier hauptsächlichen Bestandteilen zusammen; aus dem gläsernen Teil (Tubus),

aus dem Glas für die Pflanze, dem Sockel und dem Filter. Für die Zeit für welche dieses Projekt bestimmt ist,

ist menschliche durch maschinelle Arbeit ersetzt, auch der hölzerne Sockel ist deshalb durch einen 3D-Druck

erstellt. Das Objekt soll als Kontrast zur lebendigen Natur wirken.

Die Form des Behälters erinnert an ein Monument welches den Verlust symbolisiert genauso wie Wertschät-

zung nach dem Untergang, Tod aber auch Belehrung und Ewigkeit. Ich würde mit diesem spekulativen Objekt

gerne eine Einsicht bei den Betrachtern bewirken dafür was durch unser Tun verursacht werden könnte und

diesem vorzubeugen.

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Ein Filter säubert in den Behälter einströmende Luft und speichert den sauberen natürlichen Sauerstoff, wel-

cher von der Pflanze produziert wird; die gesäuberte Luft kann anschließend inhaliert werden. In der ersten

Schicht des Filters befindet sich ein spezieller Pilz, welcher die Luft von Schadstoffen säubert. Im zweiten Teil

befinden sich kleine Papierstücke, welche den einzigartigen Duft der Pflanze resorbieren. Dank idealer Um-

stände (Nährstoffzufuhr anhand eines speziellen Gels, Klima, Trennung vom verschmutzten Raum) überleben

die Pflanzen und können sich vermehren. Im Sockel befindet sich eine Leuchtdiode welche sich zur verbesser-

ten Sichtbarkeit zum Betrachten der Pflanze anschalten lässt.

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Unsere Welt ist durch stetig ansteigendes Wachstum gekennzeichnet. Prognosen sagen eine Weltbevölke-

rung von 11 Milliarden Menschen für das Jahr 2100 voraus. Immer mehr Wohnraum wird benötigt, riesige

Metropolen und Megacities entstehen. Die Industrie und Infrastruktur muss sich diesem Wachstum anpassen,

um diese Massen an Menschen zu versorgen. Gleichzeitig müssen Naturräume dieser Ausbreitung weichen.

Man entfernt sich immer weiter von der ursprünglichen Natur, die allen unseren Existenzen zu Grunde liegt.

Vielmehr setzt eine Verkünstlichung ein. Eine Art Hyperzivilisation entsteht, eine Welt berührungslos mit der

Natur, immer unfähiger mit dieser umzugehen. Die Natur verkommt zum Gegenpol der sich ausbreitenden

menschlichen Zivilisation, wobei vergessen wird, dass der Mensch selbst von natürlicher Beschaffenheit ist.

Bestimmte Instinkte und Gefühlsmuster können sich durch den fehlenden Umgang mit der Natur nicht richtig

ausprägen.

Unnatürliche Verhaltensweisen bewirken ein Ungleichgewicht in unserer Umgebung und man läuft Gefahr,

dass sich die Menschheit gegen ihre eigentliche Herkunft wendet.

Meine Produkte sind Raumelemente, welche ein Signal in dieser Entwicklung setzen. Sie sollen den Anreiz

geben, sich unseren Zuständen bewusst zu werden und rückzubesinnen. Es wird dabei die Frage gestellt, ob

wir in einer komplett verkünstlichten und technisierten Umgebung eine Art Naturersatz brauchen, der die un-

befriedigten Sinne der Naturwahrnehmung wieder ansprechen soll, die innere, angeborene Sehnsucht nach

der natürlichen Harmonie.

Es handelt sich dabei um 3D-gedruckte Elemente, die im Raum hängen und in ihrer Gestaltung abstrahierte

Formprinzipien und Wachstumsmuster der Flora und Fauna aufnehmen. Um den Bezug zur Natur aufzugrei-

fen bestehen sie aus LAYWOOD, einem holzbasierten Druckfilament. Die Strukturen dieser Elemente sind re-

lativ dünn und fein aufgebaut, sodass sie immer noch flexibel sind und sich verformen lassen. Mithilfe eines

Nickel-Titanium-Drahtes können sich die Elemente bewegen. Dieser Draht zieht sich bei Anlegen eines Stro-

mes zusammen und dehnt sich wieder in seine Ursprungsform aus, wenn der Strom nicht mehr fließt. Da dies

weniger ein technischer, sondern ein physikalischer Vorgang ist, werden damit sehr organische Bewegungen

erzeugt. In einem harmonischen Rhythmus angesteuert, kann man somit dynamische Bewegungsabläufe

darstellen.

Es entstehen also Objekte, welche nicht tot und künstlich wirken, sondern vielmehr eine dynamische Aus-

strahlung haben und Anzeichen von natürlicher Lebendigkeit in sich besitzen. Diese Ausstrahlung soll auf

den Nutzer übergehen, indem er Vorgänge sieht und wahrnimmt, die ihm abgeschottet von der Natur schon

längst nicht mehr bewusst geworden sind bzw. die er unbewusst schon lange vermisst hat. Sein Gespür für

das Natürliche und die ihm innewohnende Harmonie, die auch Grundlage des Menschen selbst ist, wird wie-

der sensibilisiert.

MORPHMENTMax Bastian

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„Warum spielt die Harmonie, die in der Natur so deutlich zu Tage tritt, nicht auch in unserem gesellschaft-

lichen Leben eine wesentliche Rolle? Vielleicht, weil wir so fasziniert von unserer Macht, der Macht des

Erfindens und Vollbringens sind, dass wir die Kraft der Grenzen aus den Augen verloren haben. Aber nun

sehen wir uns plötzlich gezwungen, die Ausbeutung unserer zu Ende gehenden Bodenschätze und den

Bevölkerungszuwachs in manchen Teilen der Erde zu limitieren und auch der immer maßloseren Macht von

Staat, Großkapital und Gewerkschaft angemessene Grenzen zu setzen. Wir müssen wieder lernen, Maß zu

halten und die richtigen Proportionen zu finden.“

-György Doczi-

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living lightFei Shan

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Entsprechen Sie in all Ihren Handlungen und äußeren Erscheinung dem Ihnen zugewiesenen Geschlecht!

Schönheitsideale sind naturgegeben und erstrebenswert!

Vom Äußeren Erscheinungsbild können Sie auf den Charakter eines Menschen schließen.

Teilen Sie Ihren erschöpfenden Lebensstil mit, ohne sich zu beschweren!

Seien Sie stolz darauf, auf sich selbst Druck auszuüben.

Darstellung ist alles!

so! und nicht andersKarl Russel

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Im 21st Century Robot Manifesto schreibt Brian David Johnson, dass es an der Zeit ist, sich »radikal andersar-

tige Roboter« vorzustellen. Demnach existiert ein Roboter zuerst in der Vorstellung, ist einfach zu bauen und

sein Quellcode und seine Bauteile sind komplett open source. Seine Entwicklung erfolgt iterativ in mehreren

Evolutionsstufen. Er ist zutiefst sozial und mit eigenem Bewusstsein und Wünschen erfüllt. Er kann selbststän-

dig Entscheidungen treffen und denkt für sich selbst.

Bloboter sind mitwachsende Roboter, die sich gemeinsam mit einem Kind entwickeln. Ausgestattet sind sie

mit einer künstlichen Intelligenz, die sie nicht streng linear und logisch handeln lässt, sondern sie vielmehr mit

einer gewissen Irrationalität und Unberechenbarkeit versieht.

Zugleich wird es dank Rapid-Prototyping immer einfacher werden, individuelle Objekte vor Ort schnell und

günstig herzustellen. Aus Kunststofffilament werden beispielsweise Bauteile 3D-gedruckt. Eine große Gemein-

schaft stellt Baupläne für Anbauteile online und bietet Kits zum Verkauf an. Die beinhalten alles, was nicht ge-

druckt werden kann, wie etwa Motoren, Sensoren und Prozessoren. Des Weiteren gibt es auch Tauschbörsen

für gebrauchte Teile. Alle Teile kommunizieren über Funkschnittstellen mit der Kernzelle, die die passenden

Treiber dafür umgehend aus der Cloud lädt. Die Kernzelle versorgt sie auch über Induktion mit Energie, sodass

ein einfacher Anschluss per Plug and Play möglich ist.

Das psychische und physische Wachstum der Roboter ist eng an die menschliche Persönlichkeitsentwicklung

gekoppelt und beginnt mit der Geburt eines Kindes. Die kugelförmige Kernzelle des Bloboters fungiert in der

ersten Zeit als Sendestation eines Babyphons und überwacht wie diese den Geräuschpegel und die Atem-

und Herzfrequenz des Kindes. So, wie das Kind neue Fähigkeiten erlernt, lernt auch der Bloboter dazu. Wenn

das Kind beispielsweise beginnt, auf Geräusche zu reagieren und gezielt zu greifen, fängt der Bloboter an,

sich interessant zu machen. Er summt und flötet, wackelt vor sich hin. Dank Motoren und Schwungmassen

im Inneren kann sich der Bloboter auch rollend fortbewegen, sobald das Kind mobil wird und krabbeln lernt.

Es wird so zu Aktivität ermuntert, da sich mindestens eines seiner „Spielzeuge“ von ihm fortbewegen kann.

Nach etwa einem Jahr, wenn das Kind gerade laufen lernt, bekommt der Bloboter zum ersten Mal neue An-

bauteile. Die Eltern des Kindes bestellen das erste Fortbewegungs-Kit, drucken die dazugehörenden Teile

direkt aus und montieren sie. Der Bot bekommt Beine, aber keine Anweisung, wie sie genau zu verwenden

sind – das muss er, wie das Kind auch, selbst lernen. Im nun folgenden zweiten Lebensjahr probieren Kind und

Bot sich aus, machen Fehler, lernen dazu.

Nach dem zweiten Geburtstag, wenn das Kind sich verständlicher ausdrücken kann, beginnt die dritte Phase

der Bloboter-Entwicklung: er wird größer und nimmt eine neue Form an. Gemeinsam mit den Eltern – und

vielleicht auch mit dem Bot selbst – wird entschieden, welche Form das sein soll.

bloboterRobert Dippel

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Großer Zeitsprung vorwärts: das Kind ist jetzt alt genug, seinen Gefährten selbst zu modifizieren. Der Blo-

boter kann sich mittlerweile artikulieren, hat ein Bewusstsein und einen eigenen Willen. Beide entscheiden

gemeinsam, wie es voran gehen soll. Neue Anbauteile können temporär sein, einer Laune oder einem Trend

entsprechen, aber auch dauerhafter Teil des Bloboters werden.

Assistent, Freund, Haustier, Kommunikator, Sidekick – all das kann ein Bloboter sein. In einer Welt, in der jeder

mit jedem und alles mit allem vernetzt ist, Informationen gefiltert und aufbereitet präsentiert werden, ist man

doch wieder froh, wenn Technologie nicht einfach nur stupide funktioniert, sondern, wie es über Jahrzehnte

in der Science-Fiction erträumt wurde, schlagfertig, unkonventionell und liebenswert – kurz: menschlich ist.

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GROUND MEAT von Hackbro® ist der ultimative Spiel-Spaß für die ganze Familie! Schlüpfe selbst in die Rolle

des Bauern und lerne alles über das spannende und lustige Farmleben! Kaufe Ackerland, züchte süße rosa

Schweinchen mit der Mega-Schweinemastpresse und kreire leckere Würstchen mit dem Wurst-Buzzer! Nie

war Schlachten so kinderleicht! Du wolltest schon immer wissen, wo all die leckeren Sachen wie Bockwurst,

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Mitspielern, wie gerissen du bist und erklimme als erster den großen, mächtigen Hash-Cash-Berg! Entdecke,

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kürzester Zeit zum mächtigsten Wurst-Mogul der Erde! Hau einfach so oft wie möglich auf den Wurst-Buzzer

und du wirst sehen, wie die Schweine-Scheine nur so vom Himmel regnen! Im GROUND MEAT von Hackbro®

entscheidest allein du, wie weit dich dein Weg zum Erfolg führen wird! Hänge alle anderen Mitspieler ab, in-

dem du das meiste Land kaufst und die meisten Schweine mästest und damit immer höher aufsteigst. Oben

ist nur Platz für Einen! Besitzt du das letzte Stück Land, dann bist du der GROUND MEAT-KING und das Spiel

ist vorbei!

PARENTAL ADVISORY: Machen Sie sich keine Sorgen darüber, ob dieses Spiel für ihre Kinder ungeeignet, mo-

ralisch bedenklich oder gar zu brutal sein könnte. Denken Sie immer daran: Schweine sind zum Schlachten

da! Sie haben unsere Garantie: Dieses Spiel ist mindestens so harmlos wie Bärchenwurst.

Thema des Gesellschaftsspiels GROUND MEAT ist die Zuspitzung einer endlosen Maschinerie, die sich ewig

dreht und für den Durchschnittsverbraucher nahezu unsichtbar ist: Die Fleischindustrie. Unsichtbar ist bisher

auch das verheerende Ausmaß der Auswirkungen und Folgen dieser Industrie für die gesamte Welt. Den we-

nigsten Menschen ist bewusst, dass sie das Klima beim Verzehr von nur einem Kilo Rindfleisch so stark belas-

ten wie bei einer 1.600 km langen Autofahrt und dass für das gute Stück neben einem Lebewesen auch etwa

10 Kilo Getreide und 15.500 Liter Wasser draufgegangen sind. Über die moralischen Aspekte des Tötens von

Lebewesen zum Zwecke des Verzehrs lässt sich endlos diskutieren, über Zahlen und Fakten, die unseren Pla-

neten und seine Ressourcen direkt betreffen jedoch nicht. Die Konsequenzen sind eindeutig ermittelbar und

nicht zu ignorieren. Großflächige Wald- und Regenwaldrodungen für Ackerflächen, Übersäuerung von Boden

und Grundwasser durch Gülleabfall, globale Erwärmung durch die ansteigenden Treibhausgas-Emissionen

und antibiotikaresistente Keime, die in den Tierfabriken gedeihen. Mit dem stetig wachsenden Phänomen der

Massenversorgung mit Fleischprodukten, welche durch die immer extremer werdende Industrialisierung des

Erzeugungsprozesses ermöglicht wird, wachsen die daraus resultierenden Probleme exponentiell. Laut der

Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen nimmt der Verzehr von Fleisch bisher

ground meatSuhair Al-Kazimi

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weltweit um 2,3 % jährlich zu. Die Nachfrage nach Fleisch wird bis zum Jahr 2050 voraussichtlich um 200 Mil-

lionen Tonnen - also um 2 Drittel der jetzigen jährlichen Produktionsmenge - steigen.

Fleisch ist in breiten Teilen der Welt eine Art Grundnahrungsmittel, auf das kaum jemand verzichten möchte

und nebenbei so billig, dass wir es uns leisten können knapp ein Drittel der weltweit jährlich produzierten 300

Millionen Tonnen wegzuwerfen. Diese Zahlen sind nicht grenzwertig oder beunruhigend, sondern bei genauer

Betrachtung blanker Wahnsinn. Mein Anliegen ist es, diesen im Hintergrund ablaufenden Wahnsinn sichtbar

zu machen, indem er auf satirische Weise in einem Spiel vermittelt wird, ohne den moralischen Zeigefinger

und Emotionalisierung, sondern durch eigene Erfahrung und Erkenntniss. Der Spieler befindet sich selbst in

der Rolle des Bauers, stellvertretend für alles Fleisch ist hier Schwein, welches in Europa und Asien auf der

Beliebheitsskala ganz oben steht. Die Spieler werden in die Welt der Fleischproduktion eingeführt und sehr

bald vor wichtige Entscheidungen gestellt. Sie können wählen zwischen vernünftiger und maßvoller Fleisch-

produktion - bei der allerdings keine hohen Aufstiegschancen bestehen - und einer kometenhaften Karriere

als Supermastbetreiber, der die Stufen der Maschine emporsteigt und nach und nach die restlichen Spieler

abhängt. Dabei werden Schweine aus Knetmasse in der Mastmaschine stranggepresst und später mit dem

Wurstbuzzer geschlachtet und verarbeitet, wodurch dem ganzen Produktionsszenario noch ein pysisches,

haptisches Erlebnis beigeführt wird. Gern wird der ekelhafte Teil der Fleisch-Prozedur vom Konsumenten

ausgeblendet, es findet irgendwo im Hintergrund statt und man wird lediglich mit den ansehnlichen Endre-

sultaten konfrontiert, und alles Unangenehme findet ausgelagert statt, wogegen es in diesem Spiel jedoch

bewusst mit einbezogen wird. Hier wird dem romantischen Bauernhof-Idyll die Maske abgerissen und alle

Konsequenzen der Fleischindustrie offenbart und erfahrbar gemacht. Der Spieler muss Landressourcen-Kar-

ten abpuzzeln, auf deren Unterseite er Informationen zu den direkten Folgen seines Wirtschaftens findet. Ist

die letzte Land-Karte aufgedeckt, sind alle Wald-Ressourcen aufgebraucht und das Spiel ist vorbei, der Planet

ist am Ende und kann nicht weiter geschröpft werden. Es gibt kein Gewinnen, alle verliern, selbst wenn nur

einer unvernünftig handelt und ganz nach oben will - er reißt am Ende alle mit in den Abgrund. Dieser radikale

Spielausgang zeigt das Ungleichgewicht zwischen Einzel- und Kollektiv-Verantwortung auf - so wie es auch in

der realen Welt stattfindet - und soll die Spieler zur Diskussion anregen.

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Speculative Artefacts and Design Fiction

Entwurfsprojekt im Sommersemester 2014 an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle .

Gastprof. Christian Zöllner

StudentInnen:

Suhair al-Kazimi

Maximilian Bastian

Robert Dippel

Klara Dlouha

Konstantin Hinkel

Felix Krämer

Karl Russell

Carolin Schulze

Fei Shan

Gestaltung und Redaktion:

Suhair al-Kazimi & Christian Zöllner

Auflage: 250 Stück

www.burg-halle.de/design

www.theconstitute.org

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