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PROFESSUR FÜR SPIRITUAL CARE
Schnelsener FrühjahrsgesprächTraugott RoserProfessur für Spiritual CareLudwig Maximilians Universität, München
Spiritual Care – eine neue Mode oder die
Wiederentdeckung alter Werte in der Diakonie?
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James Turrell, Spread (2003), Henry Art Gallery, Seattle, WA, photo Richard Nicol
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institutionellsozial
implizit
individuell
explizit
modifiziert nach Leutwyler S (2005)Spiritualität und Wissenschaft
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Definition Palliative Care
„Palliative Care dient der Verbesserung derLebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung konfrontiertsind.Dies geschieht durch Vorbeugung und Linderung von Leiden mittels frühzeitiger Erkennung, hochqualifizierter Beurteilung und Behandlung von Schmerzen und anderen Problemen physischer, psychosozialer und spiritueller Natur.“
WHO 2002
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physisch psycho-sozial
spirituell
Total painMenschDame CicelySaunders
"You matter because you are you and you matter to the last moment of your life."
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„Dying is a spiritual event withmedical implications.“
Gwen London in: Swinton J, Payne R (2009)
Christian Practices and the Art of Dying Faithfully
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Patchwork-Spiritualität
In postmodernen Gesellschaften besteht individuelle Spiritualität häufig aus einem Patchworkverschiedener kultureller, ethnischer und religiöser Einflüsse, die im Lauf einer Biographie an Bedeutung gewinnen und wieder verlieren. So entwickelt sich eine einzigartige Ausprägung von Spiritualität, die in Lebenskrisen herausgefordert wird.
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Definitionen von Spiritualität in ausgewählten empirischen Studien (nach Vachon et al.: J Pall Med 2009)
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SinnsucheSelbst-Transzendenz
"Höheres Wesen"
Gemeinschaft
GlaubeHoffnungÜbergang/Jenseits/Tod
Wertschätzung des Lebens
Persönliche Werte
Entwicklung/Dynamik
Bewusstheit
* Zeitraum 1996-2007, N=946, ausgewählt n=71
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Arbeitsdefinition: Spiritualität (EAPC)
Spiritualität ist die dynamische Dimension menschlichen Lebens, die sich darauf bezieht, wie Personen (individuell und in Gemeinschaft) Sinn, Bedeutung und Transzendenz erfahren, ausdrücken und / oder suchen, und wie sie in Verbindung stehen mit dem Moment, dem eigenen Selbst, mit Anderen/m, mit der Natur, mit dem Signifikanten und / oder dem Heiligen.
EAPC Task Force, Utrecht Oct 2010Übersetzung: Roser
MultidimensionalSituation: Existenzielle HerausforderungEthik: WerteReligion und Religiosität
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Spiritualität ist was immer der Patient dafür h ält
Oder einfacher
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Spiritualität ist wichtig
Unter Patienten mit chronischen Erkrankungen sagen 61%, dass Spiritualität und Religiosität ihnen helfen, bewusster mit dem Leben umzugehen, 58% finden dadurch eine tiefere Beziehung mit Umwelt und Mitmenschen, 63% Zufriedenheit und inneren Frieden, 54% innere Kraft; 42% erlangen mithilfe von Spiritualität und Religiosität wieder geistige und/oder körperliche Gesundheit (Büssing 2011).
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Zusammenhänge zwischen psychosozialen und spirituell en Bedürfnissen und Bewertung von Krankheit bei Patient en mit chronischen ErkrankungenBüssing A, Janko A, Kopf A, Lux EA, Frick E (2012) Spiritual Care 1
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3
ReligiöseBedürfnisse
ExistentielleBedürfnisse
Suche InnererFrieden
Weitergeben /Generativität
SpN
Q-S
core
[0-3
]
chron. Schmerz Krebs andere
** ** ** **
N=285
** p < 0,01
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Macht die Konfession des Trägers einen Unterschied?
Schowalter et al. (2003) konnten bei einem Vergleich zwischen einer religiös/freikirchlichen und einer nicht-religiösen psychosomatischen Fachklinik zeigen, dass auch die Patienten der nicht-religiösen Klinik ihrem Glauben eine zumindest „ziemlich wichtige“Bedeutung zumaßen.
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Schowalter et. al. Z f Klin Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie 51 (2003):361-374. (n=303)
Merkmale Klinik mit eIR Klinik ohne eIR Sign. in % (n) in % (n)
Glaube an eine höhere Wirklichkeit
ja 91.8 (257) 64.3 (119) p<.001
nein - 8.7 (16)
unsicher 1.80 (5) 24.3 (45)
Subjektive Wichtigkeit des eigenen Glaubens
außerordentlich wichtig
50.0 (140) 9.2 (17) p<.001
ganz wichtig 34.3 (96) 11.9 (22)
ziemlich wichtig 12.9 (36) 29.2 (54)
etwas wichtig 2.1 (6) 28.7 (53)
kaum wichtig 0.4 (1) 10.8 (20)
nicht wichtig 0.4 (1) 10.3 (19)
50.3%
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Paraklet als Orientierung für Seelsorge
Temporal: Abwesendsein Jesu als Bruch und Krise
Fünf Parakletsprüche:
Joh 14,15-17; 14,25f; 15,26f; 16,8-11; 16,12-15
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Der Paraklet
Strenge Wort- und ChristusgebundenheitTranszendenz-, Person- und Gegenwartscharakter„Er ist diejenige hermeneutische Instanz, die es ermöglicht,
die kontingente Geschichte Jesu von Nazareth in ihrer theologischen Tiefendimension zu erschließen.“
„So umfaßt und deutet der Paraklet Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Christusoffenbarung und sichert damit die religiöse Identität der Adressatengemeinde.“
Andreas Dettwiler, RGG4
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Kirchen- und Diakoniegeschichtliche Impulse
Basilius von Cäsarea „der Große“ (370-379): Utopie „Basileia“
Gregor von Nazianz (325-390) „ίατρεια των ψυχων“ – Christus-medicus-Motiv
Wüstenväter und Wüstenmütter: Spirituelle Meister, Weisheitslehrer,
Seelenärzte
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J. D. Benoit: direction spirituelle (1940)Das Bedürfnis nach spiritueller Leitung ist ein menschliches
Bedürfnis und von dorther erst kirchliche Aufgabe. Denn die Kirche trägt Verantwortung für die Gesellschaft und den Einzelnen.
Sie stellt sich dieser Verantwortung in moralischen, intellektuellen, apologetischen und spirituellen Fragestellungen.
Eine Verneinung des Amtes der direction spirituelle hätte folgende Konsequenz: „Le délaisser (le ministère de la directionspirituelle) serait, pour une Église, plus encore qu’unaffaiblissement: un reniement“(dieses Amt der spirituellen Leitung aufzugeben, wäre für eine Kirche mehr als eine Schwäche, es wäre eine Verleugnung) (Benoît, 1940, S.309).
Vor rund 70 Jahren formulierte Jean Daniel Benoît im Konjunktiv einen Ausblick für eine Kirche, die sich der Herausforderung, spirituell zu leiten, entzieht.
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Weiter oder enger Spiritualitätsbegriff
� Eng: katholische Ordenstraditionen (benediktinisch, ignatianisch, franziskanisch usw.), „französische“Wurzel
� Weit: „englische“ Wurzel, Freiheitsbewegung, Gesundheitswissenschaften, Esoterik
� Und wo steht die Diakonie?
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These
Spirituelle und existenzielle Bedürfnisse Sterbender sind Thema von diakonischen Organisationen im Zusammenhang mit einer vom Träger geforderten und geförderten Kultur.
Nur langsam wächst das Bewusstsein, dass sowohl im Blick auf die Mitarbeitenden als auch die Entwicklung einer erkennbaren Unternehmenskultur dem sensiblen Umgang mit Sterbenden und Verstorbenen eine wichtige Bedeutung zukommt.
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Spiritualität auf allen Ebenen
Mikro-Ebene: der/die Einzelne
Makro-Ebene: Träger
Meso-Ebene I: (Patienten-)System Meso-Ebene II: Einrichtung / Station
Struktur
KonzepteHaltung
QM
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Präsenz von Spiritualität
Haltung (personal)
„Palliative Haltung“Präsenz des Themas durch Seelsorge-Person
Strukturen
multiprofessionelle Team-SitzungenDokumentieren aller Berufsgruppen Initiative zu rituellen Handlungen auch durch ‚andere ‘ (z.B. Pflege)Ausbildungskonzepte schließen Spiritualität ein
Konzepte
Relativierung des Hoheitsanspruchs der MedizinSpiritualität als Teil des ganzheitlichen Ansatzes
(Scheider 2007)
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Spiritual Care ist …
…die gemeinsame Sorge aller für die Teilnahme und Teilhabe an einem als sinnvoll erfahrenen Leben im umfassenden Sinn
Gemeinsam heißt: durch (individuelle) Haltung, (gemeinsam erarbeitete) Strukturen und Konzepten
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Spiritual Care ist eine Aufgabe, die von allen Professionen anerkannt und mitgetragen wird,
in einem systemischen Sinn, der den Organisationskontext „Diakonie“ berücksichtigt.
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40%
29%
17%
7% 7%family/friendshealth care profspastoral careGod/higher beingothers
Wer leistet Spiritual Care bei schwerer Krankheit?
Hanson LC, Dobbs D, Usher BM, Williams S, Rawlings J, Daaleman TP (2008) Providers and types of spiritual care during serious illness. In: Journal of Palliative Medicine 11
(2008) 907-914
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Wie kann Spiritual Care in den Behandlungsplan insgesamt integriert werden?
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Spirituelle Begleitung als Aufgabe des Teams
Wahrnehmen (Situation des Kranken)
Beraten (Hilfe bei Entscheidungen)
Deuten (Sinnzusammenhänge erkunden)
Feiern (Rituale ermöglichen)
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Wahrnehmen der spirituellen Situation(spirituelle Anamnese)
Übergabe / Vereinbarung
Indikation
Seelsorge(spirituelle Intervention)
Koordination nötig
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Spirituelle Anamnese(Arzt, Pflegeteam o.a.)
Ggf. spezialisiertes
Seelsorge-Gespräch
Interdisziplinäres Team(Pflege, Medizin, Seelsorge,
Soziale Arbeit, Psychotherapie usw.)
Therapieplan
Outcomes
(Re-)Evaluation
Dokumentation
FamilieFreunde
WohnortnaheUnterstützung
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SPIR (Frick et. al. 2002)
Kurzinterviewspirituelle Bedürfnissespirituelle Ressourcen
Ärzte / Pflegekräfte Ehrenamtliche
Ziel: patientenzentrierte Indikation für spirituelle Begleitung
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Patienten evaluierenSPIR als hilfreichund nicht belastend .
Patienten bevorzugen es, von ÄrztInnen nach ihrerSpiritualität gefragt zuwerden.
...burdensome
“Not at all” “As high as possible”
...helpful
"Do you consider SPIR being...?"
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Physician Patient
...burdensome
... helpful
Frick et al. : Physicians’ and Patients’ RatingsFollowing the SPIR Interview (p = .25).