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Das Sozialkapital Universität Trier SS2003 Fachbereich IV Seminarleitung: Prof. Spehl, Dipl. Geographin Gensheimer PbSF- Nachhaltige Regionalentwicklung Anita Augustin, Alkuinstr.30, 54292 Trier, [email protected] Christian Fastenrath, Maximinstr. 23, 54292 Trier, [email protected] Britta Ganswindt, Brückenstr. 16, 54290 Trier, [email protected] Ling Gui, Am Trimmelter Hof 91/206, 54290 Trier, [email protected] Daniela Sperling, Saarstr. 129. 54290 Trier, [email protected] Alexander Thron, Porta-Nigra-Pl. 4, 54292 Trier, [email protected]

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Page 1: Universität Trier SS2003 Fachbereich IV Seminarleitung ... · Democracy Work: Civic Traditions in Modern Italy, Princton. 4. Nachhaltige Regionalentwicklung – Das Sozialkapital

Das Sozialkapital

Universität Trier SS2003 Fachbereich IV

Seminarleitung: Prof. Spehl, Dipl. Geographin Gensheimer

PbSF- Nachhaltige Regionalentwicklung

Anita Augustin, Alkuinstr.30, 54292 Trier, [email protected]

Christian Fastenrath, Maximinstr. 23, 54292 Trier, [email protected]

Britta Ganswindt, Brückenstr. 16, 54290 Trier, [email protected]

Ling Gui, Am Trimmelter Hof 91/206, 54290 Trier, [email protected]

Daniela Sperling, Saarstr. 129. 54290 Trier, [email protected]

Alexander Thron, Porta-Nigra-Pl. 4, 54292 Trier, [email protected]

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Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG.............................................................................................................................. 1

1. BEGRIFFSBESTIMMUNG ................................................................................................... 2 1.1 DIE WIRKUNGSEBENEN DES SOZIALKAPITALS...................................................................... 2 1.2 DIE ABGRENZUNG DES SOZIALKAPITALS VON DEN ANDEREN KAPITALARTEN ..................... 3 1.3 DEFINITIONEN VON SOZIALKAPITAL ..................................................................................... 4

2. DIE INDIKATORENANALYSE ........................................................................................... 5 2.1. DER PRÜFKATALOG ............................................................................................................. 5

2.1.1 Die Datenverfügbarkeit ................................................................................................ 5 2.1.2 Vergleichbarkeit der Indikatoren.................................................................................. 5 2.1.3 Die Indikatorengewichtung........................................................................................... 5

2.2 DIE KATEGORISIERUNG DER INDIKATOREN .......................................................................... 6

2.2.1 Vertrauen, Stabilität und Sicherheit ............................................................................. 6 2.2.2 Die gesellschaftliche, politische und soziale Partizipation .......................................... 6

2.3 DIE INDIKATORENLISTE ........................................................................................................ 7

2.3.1 Vertrauen, Stabilität und Sicherheit ............................................................................. 7 2.3.2 Die gesellschaftliche, politische und soziale Partizipation .......................................... 8

2.4 DIE QUALITÄT DER INDIKATOREN ........................................................................................ 8

2.4.1 Die Datenverfügbarkeit ................................................................................................ 9 2.4.2 Die Vergleichbarkeit der Indikatoren........................................................................... 9 2.4.3 Die Indikatorengewichtung......................................................................................... 10

3. FAZIT ..................................................................................................................................... 11

4. LITERATUR.......................................................................................................................... 12

5. ANHANG................................................................................................................................ 13

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Nachhaltige Regionalentwicklung – Das Sozialkapital

Einleitung

Die Europäische Kommission – Generaldirektion Landwirtschaft zitiert in ihrem Aufsatz

über Indikatoren nachhaltiger Entwicklung den 1987 publizierten Brundtlandbericht: "[Nachhal-

tige Entwicklung ist die, A.d.V.] Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart einlöst, ohne

die Fähigkeit der künftigen Generationen, ihre Bedürfnisse zu erfüllen, zu beeinträchtigen."1

Laut Agenda 21, so die Europäische Kommission weiter, ist der Begriff multidimensional defi-

niert. " Er schließt ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele ein. Zwischen diesen unter-

schiedlichen Zielsetzungen besteht eine wechselseitige Abhängigkeit."2 Ökologische Nachhal-

tigkeit bedeutet, dass die gleichen ökologischen Potentiale für die nachfolgenden Generationen

zur Verfügung stehen sollten. Das heißt unter anderem, dass die erneuerbaren Ressourcen nur in

dem Maße verbraucht werden dürfen, wie Neues nachwachsen kann. Unter ökonomischer

Nachhaltigkeit wird die langfristige Sicherung der Grundbedürfnisse der gesamten Menschheit

verstanden und unter sozialer Nachhaltigkeit ist inter- und intragenerative Gerechtigkeit zu ver-

stehen. 3

Anschließend an diese drei Dimensionen von Nachhaltigkeit lässt sich nachhaltige Entwick-

lung auf Grundlage eines Vier-Kapitale-Modells untersuchen. In diesem Modell wird zwischen

Naturkapital, Sachkapital, Humankapital und Sozialkapital unterschieden, die in wechselseitiger

Interdependenz stehen. Darüber, ob sich alle vier Kapitale positiv entwickeln müssen, damit

auch Nachhaltigkeit zunimmt oder ob sich die Kapitale in irgendeiner Form substituieren kön-

nen, besteht jedoch keine Einigkeit.

Im Folgenden soll sich in dieser Arbeit mit dem Sozialkapital befasst werden. Es wird zuerst

eine Begriffsbestimmung durchgeführt, auf dessen Grundlage dann Indikatoren zur Messung

von Sozialkapital entwickelt werden. Anschließend sollen diese Indikatoren an einem erarbeite-

ten Prüfkatalog bezüglich der Datenverfügbarkeit und der Vergleichbarkeit kritisch betrachtet,

und anhand einer Indikatorengewichtung bearbeitet werden.

1 Europäische Kommission – Generaldirektion Landwirtschaft (Hrsg.) (2001): Ein Konzept für Indikatoren der wirtschaftlichen und sozialen Dimensionen einer nachhaltigen Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raums, in: http://www.europa_eu.int/comm/agriculture/publi/reports/sustain/index_de.pdf [21.06.03] 2 Ebenda. 3 Siehe hierzu auch Abbildung 1 im Anhang zu den drei Dimensionen von Nachhaltigkeit. 1

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Nachhaltige Regionalentwicklung – Das Sozialkapital

1. Begriffsbestimmung Um Indikatoren benennen zu können, die im Rahmen des Vier-Kapitale-Modells das Sozial-

kapital abbilden, ist es vor der Indikatorenanalyse notwendig, Sozialkapital zu definieren. Aus

diesem Grund soll sich der erste Teil der Arbeit mit einer Annäherung an den Begriff beschäfti-

gen. Die Komplexität des Begriffs soll kurz angerissen werden, um dann eine eigene Definition

abzuleiten, die die Grundlage der Indikatorenanalyse darstellen wird.

1.1 Die Wirkungsebenen des Sozialkapitals Verschiedene wissenschaftliche Arbeiten zum Sozialkapital, wie beispielsweise von der

OECD oder Putnam4 unterscheiden mehrere gesellschaftliche Ebenen, auf denen Sozialkapital

unterschiedliche Funktionen erfüllt.5 Auf der gesellschaftlichen Mikroebene, die Familie, den

erweiterten Freundeskreis, die Dorfgemeinschaft oder Basisgemeinde umfasst, hat Sozialkapital

eine defensive Versicherungsfunktion ("bonding social capital"). Das bedeutet, das Sozialkapital

wirkt dort gemeinschaftsbildend, es bindet die Individuen an die Primärgruppen. Auf der Me-

soebene der Gesellschaft wirkt das Sozialkapital überbrückend ("bridging social capital") und

stellt überkommunitäre Vernetzung her. Durch regelmäßige Kontakte zwischen verschiedenen

sozialen Schichten, Nationalitäten, Ethnien oder Religionsgemeinschaften kommt es zur Kom-

munikation und Vernetzung der Kleinstgruppen. Die gesellschaftliche Makroebene steckt letzt-

lich den Rahmen für gesellschaftliches Handeln ab und zwar im Rahmen einer Rechtsordnung,

in der Sicherheit und Schutz, sowie Freiheitsrechte gewährleistet sind ("linking social capital").

Es kommt über die staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen, durch zivilgesellschaftliche

oder politische Akteurinnen und Akteure zu vielfältigem Kontakt der Individuen.6

Unsere PBSF trägt den Titel "Nachhaltige Regionalentwicklung" und soll sich am Beispiel

der Region Saar-Lor-Lux orientieren. Das heißt die Kommunikation auf regionaler Ebene steht

im Vordergrund der Betrachtung. Dennoch sollte bei der Indikatorenwahl einbezogen werden,

dass sich in diesem Fall die Region über Gebiete dreier Länder erstreckt. Die Staaten unter-

scheiden sich auf Makroebene durch verschiedene Rechtssysteme. Es sollte demnach auch die

Frage nach der Gesetzeslage und Umsetzung nachhaltiger Entwicklung durch die einzelnen

Staaten einbezogen werden. Des weiteren sollte auch auf die Betrachtung der Mikroebene nicht

4 Vgl. u.a. OECD (Hrsg.) (2001): The Well-being of Nations. The Role of Human and Social Capital, Paris., und Putnam, Robert D. (Hrsg.) (2001): Gesellschaft und Gemeinsinn. Sozialkapital im internationalen Vergleich, Gü-tersloh, S.28f.. 5 Zu den verschiedenen Funktionen von Sozialkapital siehe Wallacher, Johannes (2001): Das soziale Kapital, in: Stimme der Zeit 5/2001, S.313. 6 Vgl. u.a. OECD (Hrsg.) (2001): The Well-being of Nations. The Role of Human and Social Capital, Paris, S.42, Wallacher, Johannes (2001): Das soziale Kapital, in: Stimme der Zeit 5/2001, S.312f.. 2

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verzichtet werden, da die Primärgruppen den entscheidenden Raum für die Orientierung der

Menschen darstellen. Steht in den Primärgruppen die Frage nach Nachhaltigkeit, das allgemeine

Unweltbewusstsein im Hintergrund, dann ist damit zu rechnen, dass die Umsetzung nachhaltiger

Entwicklung sehr viel schwieriger vonstatten gehen wird, als geplant. Das heißt, sind die

Kleinstgruppen beispielsweise aufgrund hoher Arbeitslosigkeit mit anderen Problemen belastet,

d.h. ist nachhaltiges Handeln mit zu hohen Opportunitätskosten verbunden, ist mit größeren

Schwierigkeiten bei der Umsetzung von nachhaltiger Entwicklung zu rechnen, als bei Kleinst-

gruppen, die diese Probleme nicht oder nur weniger stark aufweisen.

Demzufolge sollte das Sozialkapital auf allen drei gesellschaftlichen Ebenen durch verschie-

dene Indikatoren gemessen werden, um gesellschaftliche Missstände einbeziehen und die Rele-

vanz von Nachhaltigkeit bereits im Vorfeld bewertet zu können.

1.2 Die Abgrenzung des Sozialkapitals von den anderen Kapitalarten Natürlich steht Sozialkapital in Beziehung zu den anderen drei Kapitalarten. Es beeinflusst

und ergänzt sie.7 Für die inhaltliche Abgrenzung zu den anderen drei Kapitalen ergibt sich fol-

gender Befund.

Zum Natur- und Sachkapital bestehen keine Abgrenzungsschwierigkeiten. Allgemein lässt

sich anmerken, dass sich Sozialkapital nicht, wie Sachkapital, durch den Gebrauch abnutzt oder

aufbraucht. Ganz im Gegenteil bedarf es ständiger Aktivierung und Pflege, damit es sich nicht

in relativ kurzer Zeit auflöst.8

Schwierigkeiten bestehen jedoch bei der Abgrenzung zum Humankapital, da verschiedene

Bereiche, wie zum Beispiel Migration und Kultur, in der Literatur nicht klar zugeordnet werden.

Ganz grundlegend lässt sich Sozialkapital vom Humankapital dahingehend unterscheiden, dass

Sozialkapital im Gegensatz zum Humankapital relational ist. Es stellt hauptsächlich ein öffentli-

ches Gut dar und wird durch Investitionen von Zeit und Mühe in soziale Interaktionen hervor-

gebracht.9 Elvira Zingg und Matthias Benz kommen in ihrer Arbeit zu folgendem Ergebnis:

"[Es, A.d.V.] lässt sich feststellen, dass es sich bei Sozialkapital um Kapital handelt, dass erst

bei Interaktion mit Mitmenschen in Erscheinung tritt. Dies grenzt Sozialkapital von Humankapi-

tal ab. Während Humankapital (zum Beispiel das Wissen über essbare und giftige Pflanzen)

auch einem einsamen Robinson auf seiner Insel nützt, ist dies bei Sozialkapital nicht der Fall."10

7 Vgl. Wallacher, Johannes (2001): Das soziale Kapital, in: Stimme der Zeit 5/2001, S.311. Der Autor weist darauf hin, dass "Sozialkapital [...] vor allem als Ergänzung, d.h. komplementär zu anderen Kapitalarten zu verstehen und nicht in einem substitutiven bzw. alternativen Sinne [...]." 8 Vgl. ebenda. 9 Vgl. OECD (Hrsg.) (2001): The Well-being of Nations. The Role of Human and Social Capital, Paris, S.39. 10 Benz, Mattihias/Zingg, Elvira: Wann ist Sozialkapital lokal, wann ist es überregional? Eine empirische Analyse von Sozialkapital anhand von Stimm- und Wahlbeteiligung in Schweizer Gemeinden. http://www.iew.unizh.ch/home/benz [30.06.03] 3

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Sozialkapital stellt also das Kapital dar, das ergänzend zu den anderen zu sehen ist11. Es bildet

sozusagen den "sozialen Kitt"12, der für nachhaltige Entwicklung eine entscheidende Bedeutung

einnimmt. Nur durch den Wandel von Werten und Normen kann sich ein Bewusstsein für Nach-

haltigkeit generieren und internalisieren.

1.3 Definitionen von Sozialkapital Betrachtet man die Vielzahl von Definitionsansätzen des Sozialkapitals der verschiedenen

wissenschaftlichen Disziplinen13, so lässt sich deren Inhalt folgendermaßen kategorisieren. Ers-

tens entsteht Sozialkapital zielgerichtet oder als Beiprodukt von menschlichem Streben nach

Gemeinschaft. Zweitens kann Sozialkapital sowohl innerhalb einer Gruppe und/oder zwischen

verschiedenen Gruppen bestehen. Und drittens kann Sozialkapital Ziel oder Mittel der Entwick-

lung sein.14

Definitionen können auch hinsichtlich der ihnen zugrundeliegenden Forschungsfrage unter-

schieden werden. Befasst sich Pierre Bourdieu zum Beispiel mit der Frage nach dem Beitrag

von Sozialkapital zur sozialen Ungleichheit, interessiert sich Putnam unter anderem für den Zu-

sammenhang zwischen der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger und der Leistungsfähigkeit

von Provinzregierung und –verwaltung in Nord- und Süditalien. Notwendigerweise forschten

die Wissenschaftler auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen und kamen zu einer unter-

schiedlicher Schwerpunktsetzung bei der Bestimmung von Sozialkapital.15

Trotz vielfältiger Literatur und unterschiedlichsten Möglichkeiten der Herangehensweise,

lässt sich für diese Arbeit folgende Definition von Sozialkapital festhalten: "Sozialkapital be-

zeichnet die Gesamtheit sozialer Verhaltensmuster sowie formeller und informeller Institutionen

einer Gesellschaft, die dazu beitragen, soziale Interaktionsprobleme zu lösen und die Erträge ge-

11 Vgl. ebenda. 12 Kistler, Ernst/Schäfer-Walkmann, Susanne: Messkonzepte der Kräfte zivilgesellschaftlichen Zusammenhalts. Einige Überlegungen und Anfragen zum Forschungsstand, in: Kistler, Ernst/Noll, Heinz-Herbert/Priller, Eckhard (Hrsg.) (1999): Perspektiven gesellschaftlichen Zusammenhalts. Empirische Befunde, Praxiserfahrungen, Messkonzepte, Berlin, S.33. 13 Vgl. OECD (Hrsg.) (2001): The Well-being of Nations. The Role of Human and Social Capital, Paris, S.40f. In dieser Studie werden vier Annäherungen an das Thema "Sozialkapital" unterschieden. Die anthropologische Literatur geht von der Grundannahme aus, dass Menschen "Herdentiere" sind und einen natürlichen Instinkt der Verbundenheit haben. Hier wird somit die biologische Basis der Sozialordnung und die Wurzel von Sozialkapital betont. Die soziologische Literatur hingegen beschreibt die sozialen Normen, sowie die Quellen der menschlichen Motivation. Demgegenüber bezieht sich die ökonomische Literatur tendentiell auf die Annahme, dass die Menschen ihren persönlichen Nutzen maximieren wollen und deshalb in Interaktion mit anderen treten. Als vierte Herangehensweise wird ein Strang der politikwissenschaftlichen Literatur angeführt, die die Rolle von Institutionen, politische und soziale Normen hervorhebt, die menschliches Verhalten hervorbringt. Hieraus wird deutlich, dass Sozialkapital mit völlig unterschiedlichen Gesellschafts- und Menschbildern verbunden ist, was zwangsläufig zu unterschiedlichen Anschauungen über Sozialkapital führt. 14 Vgl. Wallacher, Johannes (2001): Das soziale Kapital, in: Stimme der Zeit 5/2001, S.313. 15 Vgl. hierzu unter anderem Bourdieu, Pierre (1983): Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, in: Kreckel, Reinhard (Hrsg.): Soziale Ungleichheiten, Göttingen, S.183-198; Putnam, Robert D. (1993): Making Democracy Work: Civic Traditions in Modern Italy, Princton. 4

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sellschaftlicher Kooperation dauerhaft zu stabilisieren."16 Es geht somit um die kollektiven Po-

tenziale, die dazu beitragen Probleme der Gesellschaft zu lösen und soziale Kohäsion herzustel-

len.

2. Die Indikatorenanalyse

Um Indikatoren zu finden, die Sozialkapital möglichst weitreichend abdecken und operatio-

nalisierbar machen, sollen in diesem zweiten Teil zuerst ein Prüfkatalog vorgestellt werden.

Darauf hin soll ein Indikatorenset erarbeitet werden, das im letzten Schritt kritisch hinterfragt

wird.

2.1. Der Prüfkatalog Der Prüfkatalog bewertet die Indikatoren anhand derer Sozialkapital gemessen werden soll.

Folgende Gesichtspunkte sind in diesem Zusammenhang von Relevanz:

2.1.1 Die Datenverfügbarkeit Es ist von immensem Vorteil mit Daten zu arbeiten, die leicht zugänglich sind. Dies erspart

Kosten und Zeit und stellt schnelles und reibungsloses Arbeiten sicher.

2.1.2 Vergleichbarkeit der Indikatoren Vor der Datenerhebung in einer Region, ist es unabdingbar, die Region zu definieren und zu

typisieren. Des weiteren muss sichergestellt sein, dass die Indikatoren innerhalb der Region ver-

gleichbar sind. Das heißt, dass die Begriffe gleich benannt werden und auch gleich gemessen

werden. Nur so ist sichergestellt, dass das Ergebnis der Messung tatsächlich das darstellt, was

auch gemessen werden soll.17

2.1.3 Die Indikatorengewichtung Da im Fall des Sozialkapitals damit zu rechnen ist, dass es nicht, wie die oben aufgeführte

Definition nahe legt, durch einen einzigen Indikator befriedigend abgebildet wird, ist die Indika-

torengewichtung von entscheidender Bedeutung. Es ist wichtig, dass die Indikatoren entspre-

chend ihrer Relevanz für die Region bemessen werden und in das Ergebnis einfließen. Um das

sicherzustellen, kann im Fall der Messung von Sozialkapital nicht auf eine repräsentative, empi-

risch fundierte Befragung in der Region verzichtet werden. Da Sozialkapital relational ist und in

Gemeinschaften entsteht, sollten die zu untersuchenden Gemeinschaften einbezogen werden.

Nicht die "puren" Fakten sollten die Forschung bedingen. Vielmehr sollte auch die Wirkung in

der Bevölkerung Bestandteil der Analyse bilden. Erst nachdem die Bewertung von Nachhaltig-

16 Ebenda 17 Siehe hierzu auch die Anmerkungen unter 1.1.1 bezüglich des Saar-Lor-Lux Raumes. 5

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keit durch die Bevölkerung klar geworden ist, kann eine sinnvolle Gewichtung der Indikatoren

vorgenommen werden.

2.2 Die Kategorisierung der Indikatoren Anknüpfend an die von uns unter 1.3. gefasste Definition lässt sich Sozialkapital über den

Grad sozialen Zusammenhalts, sowie implizit über die Fähigkeit kollektive Probleme zu lösen

messen.18 Dies lässt sich wiederum in die beiden folgenden Kategorien unterteilen.

2.2.1 Vertrauen, Stabilität und Sicherheit Der Auswahl dieses Indikators liegt die Annahme zugrunde, dass Menschen eher in eine so-

ziale Gemeinschaft investieren, wenn sie sich in ihr sicher fühlen, ihre Lebensbedingungen sta-

bil sind und Vertrauen in die anderen und die Übereinkünfte der Gemeinschaft existiert. Das

heißt, dass die Investitionen in Sozialkapital steigen, wenn es ein sicheres und angenehmes Um-

feld dafür gibt. Vertrauen stellt unter anderem deshalb einen entscheidenden Indikator für Sozi-

alkapital dar, da es positive Einflüsse auf die ökonomischen Prozesse einer Gesellschaft ausübt.

Die Beziehung zwischen Vertrauen, Transaktionskosten und Wirtschaftswachstum ist von Theo-

retikern und Theoretikerinnen der klassischen Ökonomie intensiv untersucht worden.19 Wenn

wir aus diesem Blickwinkel nach der Rolle von Vertrauen fragen, dann kommen wir zum Er-

gebnis, dass neben Unternehmenswert und Bruttoinlandsprodukt die Produktion von Sozial- und

Beziehungskapital entscheidende Faktoren für die Zukunftsfähigkeit von Institutionen darstellt.

Vertrauen erleichtert wirtschaftliche Interaktionen, senkt die Transaktionskosten und ist somit

eine wichtige Grundlage für wirtschaftliche Prozesse.20 Francis Fukuyama zufolge, stellt Ver-

trauen eine ebenso wichtige Komponente für wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand dar,

wie das Sachkapital selbst.21 Und mit Kreps gesprochen sorgt ein hohes Qualitätsniveau des So-

zialkapitals für geringere Transaktionskosten des wirtschaftlichen Handelns und wird deshalb

mit hohen Wirtschaftswachstumsraten in Beziehung gebracht.22

2.2.2 Die gesellschaftliche, politische und soziale Partizipation Anhand dieses Indikators lässt sich feststellen, inwieweit die Menschen einer Gemeinschaft,

Region oder eines Staates an den politischen und sozialen Institutionen teilhaben. Grundlage 18 Um einen Überblick über die von uns vorgeschlagene Indikatoren zu erhalten, findet sich im Anhang eine Grafik. 19 Vgl. Bahadir, S.A./Kurer, O. (2002): Kultur und Wirtschaftswachstum im interregionalen Vergleich. http://www.orient.uni-erlangen.de/kultur/papers/bahadir.htm [02.07.03] 20 Vgl. Maidment, Paul (2001): In Nothing We Trust, Forbes Magazine, 7. Januar 2001; Fukuyama, Francis: Trust: The Social Virtues and the Creation of Prosperity, Free Press, 1995 21 Vgl. Fukuyama, Francis (1999): Social Capital and Civil Society, 1. Oktober 1999, Vortrag bei der IMF-Konferenz über Second Generation Reforms; J. Sobel, Can We Trust Social Capital?, Journal of Economic Literature, Vol. XL, März 2002, S.139-154. 22 Vgl. Kreps, David M.(1995): Corporate Culture and Economic Theory", in: Oliver E. Williamson, Scott E. Mas-ten (Hrsg.), Transaction Costs Economics, Vol. 1: Theory and Concepts, Elgar Reference Collection, Aldershot: Elgar 1995, S. 497-552. 6

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hierfür bildet die Annahme, dass Menschen sich eher als Teil einer Gemeinschaft begreifen,

wenn sie sich an ihr, im Rahmen öffentlicher Diskussionen und durch Beteiligung von Interes-

sengruppen artikulieren. Denn so können sie sich eher mit dem Staat identifizieren und tragen

dazu bei, den sozialen Zusammenhalt aufrechtzuerhalten oder zu verbessern.

2.3 Die Indikatorenliste

2.3.1 Vertrauen, Stabilität und Sicherheit Wir schlagen vor diesen Indikator über folgende Messzahlen zu bestimmen:

- Anzahl der Kinder (messbar über die städtischen und kommunalen Behörden)

- Arbeitslosenquote (messbar über die Bundesanstalt für Arbeit)

- Die spezifische Erwerbsquote (messbar über das statistische Landesamt)

- Kriminalitätsrate (messbar über die städtischen und kommunalen Behörden)

- ausgewogene Bevölkerungsstruktur (Ab- und Zuwanderung, Verteilungsgerechtigkeit,

messbar über die statistischen Landesämter)

- Index der sozialen Sicherheit

Dieser von uns entwickelte Index zur sozialen Sicherheit setzt sich aus folgenden Institu-

tionen der öffentlich-rechtliche Sicherheit zusammen:

- Krankenversorgung

- Unfallssicherheit, Polizei und Feuerwehr

- Aus- und Weiterbildungsförderung

- Sozialleistungen, wie Sozialhilfe und Arbeitslosengeld

- kostenloser Rechtsbeistand, Rechtssicherheit, Gleichheit vor dem Gesetz, Freiheitsrechte

- Kindergeld, Erziehungsunterstützung

- Versicherungspflicht

Dieser Index wurde unter der Annahme entwickelt, dass sich die Menschen in einer Gesell-

schaft dann am sichersten fühlen, wenn gewährleistet ist, dass sie im Falle von Gefahr und Un-

recht auf ein soziales Netz zurückgreifen können. Das bedeutet, dass sie dann, wenn sie körper-

lich oder finanziell an ihrer Entfaltungsmöglichkeit oder "angemessenem Leben" gehindert wer-

den, von Institutionen gestützt werden. Dieser Index gibt somit Aussagen über die Stabilität von

gesellschaftlichen Sicherungssystemen. Sind die unter den Unterpunkten des Indexes

subsumierten Institutionen in ausreichendem Maße in einer Gesellschaft vorhanden, umso höher

ist der Wert des Indexes und umso höher ist die Bereitschaft der Menschen in diese Gesellschaft

zu investieren.23

23 Die genaue Ausgestaltung des Indexes wird Aufgabe der Arbeit in der nächsten Arbeitsphase der PbSF sein. 7

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In dem im Anhang unter Abbildung 2 dargestellten Überblick der Indikatoren zur Messung

des Sozialkapitals ist auch die Scheidungsrate aufgeführt. Die Relevanz dieser Messzahl ist in

der Befragung abzuprüfen und dann entweder aufzunehmen oder zu verwerfen. Aufgrund des

anhaltenden Wertewandels sowie der spezifischen Region, scheint uns ihre Relevanz nicht si-

cher.

2.3.2 Die gesellschaftliche, politische und soziale Partizipation Dieser Indikator lässt sich über folgende Messwerte bestimmen:

- Vereine (Vereinsdichte im Vergleich zu anderen Regionen und Mitglieder in den Verei-

nen, messbar über die städtischen und kommunalen Behörden, sowie die Vereine selbst)

- Freizeit- und kulturelle Angebote (Dichte der Angebote und Zahl der Besuchenden, mess-

bar über die städtischen und kommunalen Behörden, Attraktivität gemessen über die Be-

fragung)

- Kirchen (Messebesucher/innen, messbar über die Kirchen selbst)

- Parteien (Mitgliederzahlen, messbar über die Parteien)

- Gewerkschaften (Mitgliederzahlen, messbar über die Gewerkschaften selbst)

- Institutionen der Zivilgesellschaft/Nichtregierungsorganisationen (Mitglieder in politi-

schen Organisationen wie attac, BUND, NABU etc., messbar über die Institutionen selbst)

- Wahlbeteiligung (messbar über die städtischen und kommunalen Behörden)

Allgemein wird hier folgender Wirkzusammenhang von uns unterstellt: Je größer die Beteili-

gung der Bevölkerung an den oben genannten Institutionen, umso höher der Grad der sozialen

Partizipation und Kooperation.

2.4 Die Qualität der Indikatoren Nachdem wir die verschiedenen Indikatoren erarbeitet haben, die Sozialkapital abbilden, sind

wir, wie bereits in 2.1.3 angesprochen, zum Ergebnis gelangt, dass die Messung von Sozialkapi-

tal, wie wir sie vorgeschlagen haben, immer auch eine Rückkopplung an die Bevölkerung der

spezifischen Region bedarf. Denn nur, wenn eine repräsentative Erhebung in der Region vorge-

nommen wird, wird deutlich, welche Relevanz und Gewichtung die einzelnen Komponenten des

Sozialkapitals in der Region haben. Natürlich ist allgemein zu sagen, dass ein hohes Vertrauen,

hohe Stabilität und Sicherheit, sowie eine hohe Partizipation an gesellschaftlichen, sozialen und

politischen Prozessen auch ein hohes Sozialkapital bedeutet. Jedoch kann die kritische Grenze,

wann Sozialkapital seine integrative Wirkung verliert, nicht allgemein benannt werden, da kaum

Schwellenwerte bekannt sind. Der desintegrative Moment kann entweder auf fehlendem Ver-

trauen oder auf die geringe Bereitschaft zur Teilhabe an der Gesellschaft zurückgeführt werden.

Womöglich spielen auch beide Faktoren eine Rolle. Es kann natürlich auch sein, dass die Men-

8

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schen einer Region ein so hohes Vertrauen in ihre Regierung und deren Organe haben, dass für

sie Partizipation eher nebensächlich ist.

Warum Menschen also wie handeln und welche Konsequenzen es auf ihr Empfinden von so-

zialem Zusammenhalt hat, kann nur über eine direkte Befragung der Bevölkerung ermittelt wer-

den. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass verschiedenen Einflussfaktoren das Ergebnis er-

heblich verzerren können, denen bei der Verfragung Rechnung getragen werden muss.24 Trotz

dieser möglichen Probleme, soll die Befragung einen zweiten Bestandteil, neben der Erhebung

der direkt messbaren Indikatoren für die Messung von Sozialkapital darstellen.

Um diese Befragung durchzuführen könnte sich beispielsweise an den "World Values Sur-

vey" angelehnt werden. 25 Diese repräsentative Untersuchung zu Grundwerten und

Überzeugungen befasst sich mit dem weltweiten soziokulturellen und politischem Wandel. Der

Fragebogen ist in einer Datenbank verfügbar und könnte auf die Region angewendet werden.

2.4.1 Die Datenverfügbarkeit Die oben beschriebenen direkt messbaren Indikatoren sind im Allgemeinen leicht zugänglich,

verfügbar und kostengünstig zu ermitteln. Die Befragung als zweiter Bestandteil der Messung

von Sozialkapital ist mit einem wesentlich größeren Aufwand durchzuführen. Kooperation mit

den lokalen Behörden und/oder beispielsweise Hochschulen ist von Nutzen. Darüber hinaus ist

nicht absehbar, wie groß die Bereitschaft der Bevölkerung zur Teilnahme an der Befragung aus-

fällt. Je geringer sie ist, umso höher steigen die Befragungskosten. Es ist im Vorfeld sinnvoll,

eine zeitliche und finanzielle Grenze festzulegen und die Befragung im Ernstfall sogar zu

verwerfen.

2.4.2 Die Vergleichbarkeit der Indikatoren Da die direkt messbaren Daten sowohl bei den städtischen, beziehungsweise den kommuna-

len Behörden als auch bei den statistischen Ämtern einsehbar sind, sind sie zeitlich (t0 t1) und

räumlich vergleichbar. Die Befragung hingegen ist nicht oder nur bedingt vergleichbar, da sie

eigens zu diesem Zweck durchgeführt wird. Wird sich aber beispielsweise an den oben erwähn-

ten "World Values Survey" angelehnt, so ist das Ergebnis zumindest in diesem Zusammenhang

zu bewerten.

24 Genaueres zur Verzerrung von Faktoren siehe: Benz, Matthias/Zingg, Elvira: Wann ist Sozialkapital lokal, wann ist es überregional? Eine empirische Analyse von Sozialkapital anhand von Stimm- und Wahlbeteiligung in Schweizer Gemeinden. http://www.iew.unizh.ch /home/benz [30.06.03] 25 Genaueres zum World Values Survey ist zu finden unter: http://nds.umich.edu/cgi/s/sda/hsda?harcWEVS+wevs [05.07.03] 9

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2.4.3 Die Indikatorengewichtung Wie zuvor angesprochen, ist die Gewichtung unter anderem abhängig von den Werten, No-

men und Probleme der Bevölkerung der betreffenden Region. Erst nachdem eine Befragung ü-

ber die Relevanz bestimmter Indikatoren und deren Bedeutung für die Region durchgeführt

wurde, ist eine sinnvolle Gewichtung möglich.

Allgemein ist jedoch festzuhalten, dass die gewählten Indikatoren so gewichtet werden soll-

ten, dass ihr, in das Gesamtergebnis eingehender Anteil, proportional zu ihrem Stellenwert steht.

Desweiteren muss bei Indikatoren mit gleich starker Aussagekraft eine Prioritätensetzung hin-

sichtlich leichter Verfügbarkeit, beziehungsweise Kostenargumenten erfolgen. Übersteigen die

Kosten den potenziellen Nutzen eines Indikators, so ist davon Abstand zu nehmen.

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Nachhaltige Regionalentwicklung – Das Sozialkapital

3. Fazit

Die Erarbeitung von Indikatoren zur Messung des Sozialkapitals war mit einigen Schwierig-

keiten verbunden, da es vielfältig verwendet wird und schwer greifbar ist. Es umfasst alle ge-

sellschaftlichen Ebenen und wird mit wechselnden Werten und Normen in Beziehung gesetzt.

Dennoch haben sich verschiedene Indikatoren herauskristallisiert, die wir in unsere Analyse

aufgenommen haben.

Sozialkapital als die Fähigkeit gemeinsam Probleme zu lösen, lässt sich zum einen über die

Partizipation an gesellschaftlichen, sozialen und politischen Prozessen abbilden und bezieht

sich zum anderen auf die Frage nach Sicherheit, Vertrauen und Stabilität der Gesellschaft. Wir

sind der Meinung, dass diese Herangehensweise dem Sozialkapital weitest möglichst gerecht

wird und weiteres Arbeiten möglich macht.

Ein kritischer Punkt unserer Arbeit beschäftigte sich mit der Frage nach Rückkopplung der

direkt messbaren Werte der Gesellschaft. Ist es möglich Sozialkapital, ein äußerst dynamisches

und implizites Phänomen nur über "pure" Fakten abzubilden? Oder bedarf es noch einer direkte-

ren Herangehensweise, um zu prüfen, wie die Fakten beispielsweise über Arbeitslosigkeit in der

Gesellschaft bewertet werden? Wir haben uns dafür entschieden, dass diese Rückkopplung

notwendig ist, um keine Fehlinterpretationen durchzuführen. Erst wenn die Werte und Normen

in der zu untersuchenden Gesellschaft bekannt sind, ist es möglich die Indikatoren zu gewichten

und ein tragfähiges Ergebnis hervorzubringen. Insbesondere bei einem Drei-Länder-Vergleich

ist es wichtig herauszufinden, ob sich beispielsweise das Sicherheitsempfinden in den verschie-

denen Ländern unterscheidet, da verschiedene staatliche Sicherungssysteme zur Verfügung ste-

hen. Es ist anzunehmen, dass sich die einzelnen Teilregionen voneinander unterscheiden. Solche

Überlegungen müssen bei der Gewichtung der Indikatoren einbezogen werden. Sie stellen die

entscheidende Komponente des weiteren Vorgehens dar.

Abschließend soll noch einmal betont werden, dass das Vier-Kapitale-Modell zur Untersu-

chung nachhaltiger Entwicklung eine umfassende Herangehensweise darstellt. Zur Ergänzung

könnte zukünftig auch der Genuine Progress Index“ (GPI), auch "Index of sustainable welfare"

(ISEW) genannt, zur Messung von Wohlstand einbezogen werden. Er ist allgemeiner, jedoch

aufgrund dessen einfacher zu messen und in der Lage gesellschaftliche Trends im Vorfeld auf-

zuzeigen.26

26 Siehe zur Erläuterung dieses Indexes Punkt 3. im Anhang. 11

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Nachhaltige Regionalentwicklung – Das Sozialkapital

4. Literatur Bahadir, S.A./Kurer, O. (2002): Kultur und Wirtschaftswachstum im interregionalen Vergleich.

http://www.orient.uni-erlangen.de/kultur/papers/bahadir.htm [02.07.03] Benz, Matthias/Zingg, Elvira: Wann ist Sozialkapital lokal, wann ist es überregional? Eine empirische

Analyse von Sozialkapital anhand von Stimm- und Wahlbeteiligung in Schweizer Gemeinden. http://www.iew.unizh.ch /home/benz [30.06.03]

Bourdieu, Pierre (1983): Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, in: Kreckel, Rein-hard (Hrsg.): Soziale Ungleichheiten, Göttingen, S.183-198.

Braun, Sebastian (2003): Putnam und Bourdieu und das soziale Kapital in Deutschland. Der rhetorische Kurswert einer sozialwissenschaftlichen Kategorie. [Arbeitspapier Nr. 02/2003 der Nachwuchsgruppe im Emmy Noether-Programm der DFG], http://www.uni-potsdam.de/u/asug/emmynoether /arbeits-papiere/ arbeitspapier02-2003.pdf, S.9. [30.06.03]

Europäische Kommission – Generaldirektion Landwirtschaft (Hrsg.) (2001): Ein Konzept für Indi-katoren der wirtschaftlichen und sozialen Dimensionen einer nachhaltigen Landwirtschaft und Ent-wicklung des ländlichen Raums, http://www.europa_eu.int/ comm/agriculture/publi/reports/ sustain/index_de.pdf [21.06.03]

Glaeser, L./Laibson, Daniel/Sacerdote, Bruce (2002): An Economic Approach to Social Capital, in: The Economic Journal, November 2002, S. F437-F458.

Kistler, Ernst/Schäfer-Walkmann, Susanne: Messkonzepte der Kräfte zivilgesellschaftlichen Zusam-menhalts. Einige Überlegungen und Anfragen zum Forschungsstand, in: Kistler, Ernst/Noll, Heinz-Herbert/Priller, Eckhard (Hrsg.) (1999): Perspektiven gesellschaftlichen Zusammenhalts. Empirische Befunde, Praxiserfahrungen, Messkonzepte, Berlin.

Kreps, David M.(1995): „Corporate Culture and Economic Theory", in: Williamson, Oliver E./Masten, Scott E. (Hrsg.): Transaction Costs Economics, Vol. 1: Theory and Concepts, Elgar Reference Collection, Aldershot: Elgar 1995, S. 497-552.

Maidment, Paul (2001): In Nothing We Trust, in: Forbes Magazine, 7. Januar 2001. Mankiw, Gregory N. (2001): Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Auflage, Stuttgart. Poth, Robert (2002): Jenseits des BIP. Solange das Bruttoinlandsprodukt die maßgebliche Messgröße

des Fortschritts bleibt, sieht es schlecht aus mit einer nachhaltigen Entwicklung. http://www. oneworld.at/ sued-wind.magazin/magazin/Inhalt.asp?ID=1950# [02.07.03]

Putnam, Robert D. (1993): Making Democracy Work: Civic Traditions in Modern Italy, Princton. Putnam, Robert D. (Hrsg.) (2001): Gesellschaft und Gemeinsinn. Sozialkapital im internationalen

Vergleich, Gütersloh. OECD (Hrsg.) (2001): The Well-being of Nations. The Role of Human and Social Capital, Paris. Samuelson, Paul A./Nordhaus, William B. (1998): Volkswirtschaftslehre, 15. Auflage, Wien. Schäfer, Martina/Schön, Susanne (2000): Nachhaltigkeit als Projekt der Moderne: Skizzen und

Widersprüche eines zukunftsfähigen Gesellschaftsmodells, Berlin. Sobel, J, (2002): Can We Trust Social Capital?, in: Journal of Economic Literature, Vol. XL, März 2002,

S. 139-154. Täube, Volker G. (2002): Zur Messung des Sozialkapitals von Akteuren mit Einfluss in empirische

Netzwerken, Bern/Berlin/Brüssel. Wallacher, Johannes (2001): Das soziale Kapital, in: Stimme der Zeit 5/2001, S.306-318.

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Nachhaltige Regionalentwicklung – Das Sozialkapital

5. Anhang 1. Abbildung 1: Das Drei-Dimensionen-Modell der Nachhaltigkeit

2. Abbildung 2: Überblick über die von uns erarbeiteten Indikatoren zur Messung des Sozialka-pitals

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Nachhaltige Regionalentwicklung – Das Sozialkapital

3.Genuine Progress Index“ (GPI)/ "Index of sustainable welfare" (ISEW)

Durch die Steigerung der potentiellen Produktionsleistung/ des potentiellen BIP einer Volks-

wirtschaft ergibt sich das Wirtschaftswachstum. Wirtschaftswachstum führt Samuelson und

Nordhaus zufolge weiterhin zu einer Steigerung der Wohlfahrt. Der sich daraus erschließende

Lebensstandard hängt demnach von der Fähigkeit ab, materielle und immaterielle Güter herzu-

stellen.27 Diese Schlussfolgerung ist nicht nur unter ganz bestimmten Annahmen gültig, sondern

in der Realität schwer aufzufinden. Die Problematik des Bruttoinlandsprodukts als Indikator zur

Wohlstandsmessung ist seit langem bekannt.

Schon Simon Kuznets, der Erfinder dieses Indikators, distanzierte sich 1934 von dieser

Interpretation: „Solange das Bruttoinlandsprodukt die maßgebliche Messgröße des Fortschritts

bleibt, sieht es schlecht aus mit einer nachhaltigen Entwicklung.“28

Das Bruttoinlandsprodukt unterscheidet nicht zwischen Transaktionen, die die Lebensqualität

monetär erhöhen und solchen, die sie verringern.29 Freiwillige Sozialarbeit und Hausarbeit, so-

wie Umweltfaktoren werden nicht berücksichtigt, da sie keinen objektiven Wert, das heißt, kei-

nen Preis innehaben. Wenn diese Güter knapp und nicht frei verfügbar sind, werden sie mit ei-

nem Preis belegt und gehen in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ein. Man weist quasi

einen Verlust als Gewinn aus. Um dieses Messdefizit zu umgehen, wird seit 1995 der „Genuine

Progress Index“ (GPI), auch "Index of sustainable welfare" (ISEW) genannt, verwendet. Er be-

rücksichtigt genau diese Problematik. Auf der „Soll – Seite“ dieser Bilanz stehen neben den pri-

vaten Konsumdaten auch Faktoren des Umwelt-, Human- und Sozialkapitals. Die der gegenü-

berstehenden „Haben – Seite“ weist die Ausschöpfung nicht erneuerbarer Ressourcen, sowie so-

ziale Kosten wie beispielsweise Kriminalität, Verkehrsunfälle, Verlust an Freizeit und Zerfall

der Familie aus.30 Hiermit werden demnach Faktoren einbezogen, die die soziale Dimension ei-

ner Gesellschaft ausweisen.

27 Vgl. Samuelson, Paul A./Nordhaus, William B. (1998): Volkswirtschaftslehre, 15. Auflage, Wien S. 616. 28 Mankiw, Gregory N. (2001): Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Auflage, Stuttgart, S. 563. 29 Vgl. Poth, Robert (2002): Jenseits des BIP. Solange das Bruttoinlandsprodukt die maßgebliche Messgröße des Fortschritts bleibt, sieht es schlecht aus mit einer nachhaltigen Entwicklung. http://www. oneworld.at/ sued-wind.magazin/magazin/Inhalt.asp?ID=1950# [02.07.03] 30 Vgl. ebenda. 14