unscharfemengen - kit · unscharfe maße — motivation iv (1) charakteristische funktion µa einer...
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Unscharfe Mengen
Prof. Dr. Gerhard Goos
Fakultat fur Informatik
Universitat Karlsruhe
Sommersemester 2002
c©Gerhard Goos 2002
http://i44www.info.uni-karlsruhe.de/∼i44www/lehre/unscharf.html
Einfuhrung und Ubersicht
Grundbegriffe
Unscharfe Regelung I: Grundbegriffe
Unscharfe Mengenoperationen
Unscharfe Relationen
Komposition, Erweiterungsprinzip
Unscharfe Arithmetik
Relationengleichungen
Unscharfe Maße
Unscharfe Maße — Motivation I
Konzepte der Unscharfe:
1. unprazise Pradikate; qualitative Aussagen; qualitatives, aber vollstandiges
Wissen:⇒ unscharfe Mengen⇒ graduelle Zugehorigkeit
µA : U → [0, 1] mit µA(x): Grad, zu dem x ∈ A
2. prazise Pradikate; unvollstandiges, unsicheres Wissen:⇒ unscharfe Maße⇒ mit Unsicherheit behaftete, prazise Aussagen
Qx : 2U → [0, 1] mit Qx(B): Unsicherheit, daß gesuchter Wert x ∈ B.
Plausibilitat, Glaubwurdigkeit, Moglichkeit, Notwendigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit eines
Ereignisses B:
Belegung von B mit einer Maßzahl Qx(B) ∈ [0, 1], die das Maß der Unsicherheit angibt, daß
x ∈ B gilt.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Maße 157
Unscharfe Maße — Motivation II
Begriffsdeutung:
1. Ereignis A ist plausibel:⇒ Mit der Annahme von x ∈ A sind keine Widerspruche erkennbar
⇒ “Es spricht nichts dagegen, x ∈ A anzunehmen.”
2. Ereignis A ist glaubwurdig:⇒ Die Annahme von x ∈ A ergibt zusatzliche Konsistenz
⇒ “ Es spricht etwas dafur, x ∈ A anzunehmen.”
3. Ereignis A ist wahrscheinlich:⇒ Die statistische Untersuchung einer Fulle von Beobachtungen spricht fur
die Annahme x ∈ A.⇒ Die statistische Untersuchung einer Fulle von Beobachtungen wider-
spricht der Annahme x ∈ A nicht.
Wir werden feststellen, daß ein Wahrscheinlichkeitsmaß zugleich Glaubwurdigkeits- und
Plausibilitatsmaß ist.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Maße 158
Unscharfe Maße — Motivation III
Zusammenhang:
A ist glaubwurdig gdw. das komplementare Ereignis {A von A nicht plausibel
ist.
“Es spricht etwas fur die Annahme x ∈ A gdw. etwas gegen die Annahme x ∈ {A spricht.”
A ist plausibel gdw. das komplementare Ereignis {A von A nicht glaubwurdig
ist.
“Es spricht nichts gegen die Annahme x ∈ A gdw. nichts fur die Annahme x ∈ {A spricht.”
Bemerkung: Wenn wir unvollstandiges Wissen uber ein Element x ∈ U ge-
eignet formalisieren, laßt sich immer ein zugehoriges Glaubwurdigkeits- bzw.
Plausibilitatsmaß konstruieren.
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Unscharfe Maße — Motivation IV
(1) charakteristische Funktion µA einer scharfen Menge A ⊂ U:
µA : U → {0, 1}
(2) sei ein x ∈ U gegeben. Qx gebe fur jedes B ∈ 2U an, ob x in B enthalten
ist:
Qx : 2U → {0, 1}
(Qx ist also die charakteristische Funktion der Menge aller Teilmengen von U, die x
enthalten)
(3) sei nun x ∈ U nur ungefahr bekannt.⇒ nur unscharfe Bewertung aller A ∈ 2U moglich:
Qx : 2U → [0, 1]
Durch das unscharfe Maß aus (3) laßt sich unser Wissen uber x beschreiben.
Außerdem verdeutlicht (3), daß die folgende Definition des unscharfen Maßes
sinnvoll ist:
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Definitionen I
zur Erinnerung:
Definition: (σ-Algebra)
Ein System M von Teilmengen einer nicht-leeren Menge U heißt σ-Algebra
in U, falls gilt:
• ∅ ∈ M• A ∈M ⇒ {A ∈M• sei (An) eine Folge von Mengen aus M⇒ ⋃
nAn ∈M
Ist M eine σ-Algebra in U, so heißt (U,M) ein Meßraum. Die Elemente von
M heißen σ-meßbare Mengen oder auch Ereignisse.
Bemerkung 1:Mit A, B ∈M gilt somit {A ∈M, A ∪ B ∈M, A ∩ B ∈M
Bemerkung 2:
Die Potenzmenge 2U einer Grundmenge U ist eine σ-Algebra.
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Definitionen II
Definition: (Unscharfes Maß)
Sei M eine σ-Algebra in U. Eine Abbildung u : M → [0, 1] heißt (regulares)
unscharfes Maß auf M, falls gilt:
(U1) u(∅) = 0
(U2) u(U) = 1 (Grenzbedingungen)
(U3) ∀A, B ∈M : A ⊆ B ⇒ u(A) ≤ u(B) (Monotonie)
(U4) {An} ⊂M, A1 ⊂ A2 ⊂ · · · ,∞⋃
n=1An ∈M
⇒ limn
u(An) = u(∞⋃
n=1
An).
(Stetigkeit von unten)
(U5) {An} ⊂M, A1 ⊃ A2 ⊃ · · · ,∞⋂
n=1An ∈M
⇒ limn
u(An) = u(∞⋂
n=1
An).
(Stetigkeit von oben)
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Definitionen III
Weiterhin:
• gilt (U2) nicht, so ist U nicht regular .
• gilt (U5), aber nicht (U4), so nennt man u halbstetig bzw. nur stetig von
oben.
• gilt (U4), aber nicht (U5), so nennt man u halbstetig bzw. nur stetig von
oben.
Wir betrachten ausschließlich regulare unscharfe Maße, d. h. Maße u mit
u(U) = 1.
Aus der Monotonie von u folgt:
u(A ∩ B) ≤ min[u(A), u(B)] sowie
u(A ∪ B) ≥ max[u(A), u(B)]
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Konstruktion unscharfer Maße I
Wie laßt sich unvollstandiges Wissen bzgl. eines gesuchten Elementes x ∈ U
formalisieren?⇒ Festlegung einer Maßbasis m:
Definition: (Maßbasis m)
Eine Maßbasis (body of evidence) m zu einer σ-Algebra M ist eine Abbildung
m : M → [0, 1],
mit m(∅) = 0 und∑
A∈Mm(A) = 1.
Interpretation: m(A) bezeichnet den Grad des Zutrauens, den wir der Aus-
sage beimessen, das gesuchte x gehore zur Menge A, aber zu keiner der
Untermengen A ′ ∈M, A ′ ⊂ A.
Man “verteilt” die “Gesamtheit” des Zutrauens auf Teilmengen A ∈M.
Beispiel: Setzen von Jetons am Roulette-Tisch.
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Konstruktion unscharfer Maße II
⇒ Maßbasis m beschreibt all unser Wissen uber x.⇒ Maßbasis m laßt die Formulierung jedes beliebigen Wissensstandes zu.
Beispiele:
volliges Unwissen:
m(U) = 1 und ∀A 6= U : m(A) = 0
vollstandiges Wissen:
m({x}) = 1 und ∀A 6= {x} : m(A) = 0
Definition: (fokales Element)
Eine Menge A ∈M heißt fokales Element von m, wenn m(A) > 0.
Die fokalen Elemente eines Maßbasis m sind demnach die Teilmengen von U, auf die unser
Zutrauen, sie konnten x enthalten, “fokussiert” ist.
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Konstruktion unscharfer Maße III
Beachte: m ist kein unscharfes Maß!
Mit
G(A) :=∑B⊆A
m(B) Pl(A) :=∑
B∩A6=∅m(B)
wird jedoch unserem intuitiven Verstandnis von Glaubwurdigkeit und Plau-
sibilitat Genuge getan, und es ergeben sich zwei unscharfe Maße.
[Beweis:] Ubung!
Jedes Glaubwurdigkeitsmaß G bzw. Plausibilitatsmaß Pl uber einer endlichen
Grundmenge U definiert umgekehrt genau eine Maßbasis m durch
m(A) =∑B⊆A
(−1)|A\B|G(B)
m(A) =∑B⊆A
(−1)|A\B|(1 − Pl({B)).
[Beweis:] Ubung!
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Possibilitat und Evidenz
Glaubwurdigkeit und Plausibilitat I
Bezeichnung:
• G : M → [0, 1] heißt Glaubwurdigkeitsmaß
(belief measure) zur Maßbasis m.
• Pl : M → [0, 1] heißt Plausibilitatsmaß
(plausibility measure) zur Maßbasis m.
Aufgrund ihrer Konstruktion genugen G und Pl einer verscharften Monotonie-Bedingung:
G(A1 ∪A2) ≥ G(A1) + G(A2) − G(A1 ∩A2)⇔G(A1 ∩A2) ≥ G(A1) + G(A2) − G(A1 ∪A2)
Pl(A1 ∩A2) ≤ Pl(A1) + Pl(A2) − Pl(A1 ∪A2)⇔Pl(A1 ∪A2) ≤ Pl(A1) + Pl(A2) − Pl(A1 ∩A2)
[Beweis:] Ubung!
Dualitat:
falls G und Pl dieselbe Maßbasis m besitzen, gilt:
∀A ∈M : Pl(A) := 1 − G({A).
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Glaubwurdigkeit und Plausibilitat II
Definition: (minimale Elemente einer σ-Algebra M)Die minimalen Elemente Xi einer σ-Algebra M uber einem Universum U werden definiertdurch:
Xi, Xj 6= ∅ ⇒ Xi ∩ Xj = ∅
∀X ∈ M ∃i1, . . . , iX :⋃
j=i1,...,iX
Xj = X .
Lemma:Zu jeder endlichen σ-Algebra M auf einem Universum U1 existiert ein isomorphes UniversumU2:• |U2| ≤ |U1|• M ∼= 2U2
etwa: U2 := Menge der minimalen Elemente von M.
⇒ Satze uber Potenzmengen endlicher Universen lassen sich somit stets auch auf endlicheσ-Algebren anwenden.
Sind alle fokalen Elemente einer Maßbasis m minimale Elemente von M, so
fallen Glaubwurdigkeits- und Plausibilitatsmaß zu m zusammen:
∀A ∈ M : G(A) =∑B⊆A
m(B) =∑
B∩A6=∅
m(B) = Pl(A),
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 168
Glaubwurdigkeit und Plausibilitat III
∀A ∈ M : G(A) =∑B⊆A
m(B) =∑
B∩A6=∅
m(B) = Pl(A)
ist ein unscharfes Maß P, das zugleich Glaubwurdigkeits- und Plausibilitatsmaß
ist, d. h.:
Glaubwurdigkeit:
P(A1 ∪A2) ≤ P(A1) + P(A2) − P(A1 ∩A2)
Plausibilitat:
P(A1 ∪A2) ≥ P(A1) + P(A2) − P(A1 ∩A2)
damit
P(A1 ∪A2) = P(A1) + P(A2) − P(A1 ∩A2).
⇒ Maß P ist Wahrscheinlichkeitsmaß.
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Wahrscheinlichkeit I
Definition: (Wahrscheinlichkeitsmaß auf M)
Sei M eine σ-Algebra in U.
Eine Abbildung P : M → [0, 1] heißt Wahrscheinlichkeitsmaß auf M, falls
gilt:
• P(∅) = 0 und
P(U) = 1 (Grenzbedingungen)
• ∀A, B ∈M : A ∩ B = ∅⇒ P(A ∪ B) = P(A) + P(B) (Additivitat)
• fur jede abzahlbar unendliche Familie (Ai) paarweise fremder Mengen aus
M:
P(⋃
Ai) =∑
P(Ai) (Stetigkeit)
Man sieht leicht, daß ein Wahrscheinlichkeitsmaß stets ein unscharfes Maß ist:
Additivitat und Stetigkeit des Wahrscheinlichkeitsmaßes sind Verscharfungen der Monotonie
und Stetigkeit unscharfer Maße.
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Wahrscheinlichkeit II
Somit gilt das folgende
Theorem:
Ein Maß P auf der Potenzmenge 2U eines endlichen Universums U ist ein
Wahrscheinlichkeitsmaß genau dann, wenn alle fokalen Elemente der zu-
gehorigen Maßbasis m Elemente von U sind: ∀u ∈ U : m({u}) = P({u})
sowie: ∀A ∈ 2U : |A| > 1 ⇒ m(A) = 0,
(d.h.: die fokalen Elemente von m sind einelementig.
Beweis s. Klir & Folger 1988, S.119)
Sind aber die fokalen Elemente einelementig, so gilt:
G(A)=∑
B⊆A
m(B) =∑
u∈A
m({u})
Pl(A)=∑
B∩A6=∅m(B)=
∑u∈A
m({u})
Damit ist jedes Wahrscheinlichkeitsmaß Glaubwurdigkeits- und Plausibilitatsmaß
zugleich.
P(A) =∑u∈A
p(u) mit p(u) := m({u})
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Moglichkeit und Notwendigkeit I
Eine Maßbasis m kann sich auch dadurch auszeichnen, daß ihre fokalen Ele-
mente eine monotone Mengenfamilie bilden:
A1 ⊂ A2 ⊂ · · · ⊂ An
∀A 6= Ai, i = 1, . . . , n : m(A) = 0.
m(A )m(A ) m(A )
m(A )
m(A )1
23 4
n
x x x x x1 2 3 4 n
Definition: (konsonante Maße)
Wenn die fokalen Elemente einer Maßbasis m monoton sind
(d.h. A1 ⊂ A2 ⊂ · · · ⊂ An), heißen die entsprechenden Maße konsonant.
(⇒ Wissen ohne Widerspruche)
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 172
Moglichkeit und Notwendigkeit II
Theorem:
Ein Glaubwurdigkeitsmaß G ist konsonant genau dann, wenn gilt:
∀A, B ∈M : G(A ∩ B) = min[G(A), G(B)]
Ein Plausibilitatsmaß Pl ist konsonant genau dann, wenn gilt:
∀A, B ∈M : Pl(A ∪ B) = max[Pl(A), Pl(B)]
[Beweis: (Klir & Folger 1988, S.121f.)
Man nennt derartige Glaubwurdigkeits- bzw. Plausibilitatsmaße
Notwendigkeits- bzw. Moglichkeitsmaße
(necessity and possibility measures)
und bezeichnet sie mit N(A) bzw. Π(A).
Es handelt sich ebenfalls um zueinander duale Maße.
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Moglichkeit und Notwendigkeit III
Beispiel: (Moglichkeitsmaß Π)
Sei B ⊆ U ein fur sicher gehaltenes Ereignis. Damit folgt fur die Maßbasis m auf 2U
m(B) = 1 und ∀B ′ ∈ 2U, B ′ 6= B : m(B ′) = 0
Die fokalen Elemente von m sind somit trivialerweise monoton, B ist i.a. jedoch kein mini-
males Element.
Somit ist das zugehorige Plausibilitatsmaß ein Moglichkeitsmaß Π:
Π(A) =
{1 wenn A ∩ B 6= ∅0 sonst
Es gilt also beispielsweise:
Π(A ∪ {A) = max[Π(A), Π({A)] = 1,
was bedeutet, daß von zwei kontraren Ereignissen immer mindestens eines
vollstandig moglich ist. Diese Moglichkeit hat jedoch keinen Einfluß auf das
andere der beiden Ereignisse.
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Unscharfe Maße — Ubersicht
Klassifikation unscharfer Maße:
Glaubwürdigkeitsmaße
PlausibilitätsmaßeNotwendig-keitsmaße
Möglichkeits-maße
Wahrschein-lichkeits-maße
unscharfe Maße
Bemerkung: Es gibt Maße, die Notwen-digkeit und Moglichkeit zugleich, unddamit auch Wahrscheinlichkeit sind:
∃1x ∈ U : m({x}) = 1 ∧ ∀A ∈ 2U\{x} : m(A) = 0.
⇒ vollstandiges Wissen, keinerlei Unsi-
cherheit!
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 175
Moglichkeit vs. Wahrscheinlichkeit
Diskussion bzgl. der Maßbasis:
1. Wahrscheinlichkeit:
fokale Elemente der Maßbasis sind einelementig, Dissonanz⇒ es liegt genaue, aber differenzierte Information vor⇒ Eignung fur objektive, sorgfaltige Beobachtung physikalischer Erschei-
nungen (Experimente)
2. Moglichkeit:
fokale Elemente sind monoton, Konsonanz⇒ es liegt ungenaue, aber koharente Information vor⇒ Eignung fur subjektive Einschatzungen (Befragung)
I.a. sind Informationen naturlich weder genau noch vollig koharent, d.h., es
liegen i.a. Glaubwurdigkeiten bzw. Plausibilitaten vor.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 176
Moglichkeit I
Theorem: [Beweis: (Klir & Folger 1988, S.122f.)
Jedes Moglichkeitsmaß Π auf 2U ist durch eine Moglichkeits-Verteilung πx
πx : U → [0, 1] mit ∃u0 ∈ U : πx(u0) = 1
eindeutig bestimmt:
∀A ∈ 2U : Π(A) := maxu∈A
πx(u)
Es gilt damit: πx(u) = Π({u}).
Interpretation:
πx(u) beschreibt den Grad der Moglichkeit, daß x = u gilt.
Oder: Der Wertebereich der Variablen x wird auf U flexibel eingeschrankt
(elastic constraint).
Formal: x ∈ B ⊆ U mit µB ≡ πx.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 177
Moglichkeit II
m(A )m(A ) m(A )
m(A )
m(A )1
23 4
n
1
2
3 4n
x x x x x1 2 3 4 n
pi(x )pi(x )pi(x )
pi(x )
pi(x )
Vollstandige Folge monotoner Teil-
mengen Ai eines Universums U =
{x1, x2, . . . , xn}
23
1
2
3 4
x x x x1 2 3 x x4 x5 6 7
6 7
=1
=1
5
6
7
=0.7 =0.3
pi(x )=0.2
m(A )=0.3m(A )=0.4
m(A )=0.1 m(A )=0.2
pi(x )
pi(x )
pi(x ) pi(x )
pi(x )=0.3
pi(x )=0.2
Moglichkeitsmaß Π auf U:
Π(A) =∑
B∩A6=∅
m(B).
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 178
Moglichkeit III
Beispiel:
Betrachte Maßbasis m von Folie 178:
m = (0, 0.3, 0.4, 0, 0, 0.1, 0.2)
Mit
π(xi) = Π({xi}) =∑
B∩{xi} 6=0
m(B) =
n∑k=i
m(Ak)
folgt fur die Moglichkeitsverteilung π
π = (1, 1, 0.7, 0.3, 0.3, 0.3, 0.2).
Nun laßt sich fur beliebiges A ⊂ U = {x1, . . . , x7} Π(A) bestimmen, etwa:
Π({x1, . . . , xk}) = max[π(x1), . . . , π(xk)] = 1
Π({x3, x5}) = max[π(x3), π(x5)] = 0.7
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 179
Fehlerdiagnose I
Beispiel: Expertensystem zur unscharfen Fehlerdiagnose an Satelliten (Cayrac,
Dubois, Prade 1996). Aus Erfahrungen beim Bau des Satelliten werden Zu-
sammenhange zwischen Fehlern und ihren Symptomen hergestellt. Aus die-
sen Zusammenhangen und tatsachlich am Satelliten im Orbit beobachteten
Symptomen soll auf mogliche Fehler geschlossen werden.
Probleme:
• Meßmoglichkeiten an Bord des Satelliten sind eingeschrankt
• oft nur indirekte Schlusse auf Symptome moglich
• Ubermittlung der Meßdaten fehlerbehaftet und evtl. unvollstandig
• Wissen uber Zusammenhange zwischen Fehlern ihren Symptomen un-
vollstandig und unsicher→ Verarbeitung unvollstandiger, unsicherer Daten notig
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 180
Fehlerdiagnose II
Aufgabe: Aus der Beobachtung von Symptomen soll auf mogliche Fehler als
deren Ursache geschlossen werden.
• Menge moglicher Fehler (Ursachen)
F = {f1, f2, . . . fn}
• Menge moglicher Symptome S = {s1, s2, . . . sm}
Idee: Verbindung von positivem und negativem Wissen zur expliziten Model-
lierung von Unwissen
Wissensbasis:
• unscharfe Menge R+f auf S beschreibt die Sicherheit, mit der Symptom
s auftritt, falls ausschließlich Fehler f vorliegt
• unscharfe Menge R−f auf S beschreibt die Sicherheit, mit der Symptom
s nicht auftritt, falls ausschließlich Fehler f vorliegt
Beobachtung:
• unscharfe Menge S+ auf S beschreibt die Sicherheit, daß Symptom s
beobachtet wurde
• unscharfe Menge S− auf S beschreibt die Sicherheit, daß Symptom s
nicht beobachtet wurde
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 181
Fehlerdiagnose III
Theoretischer Hintergrund der Modellierung
• positive Aussagen R+f und S+ als Notwendigkeitsmaße auffassen:
µR+
f(s) = NRf
(s) und µS+(s) = NS(s)
• negative Aussagen R−f und S− als Moglichkeitsmaße auffassen:
µR−
f(s) = 1 − ΠRf
(s) und µS−(s) = 1 − ΠS(s)
Damit gelten insbesondere
• NRf(s) > 0 ⇒ ΠRf
(s) = 1 und
ΠRf(s) < 1 ⇒ NRf
(s) = 0
(analog fur NS,ΠS)⇒ R+f ∩ R−
f = ∅ und S+ ∩ S− = ∅
Bemerkung: Verschiedene Informationsquellen konnten inkonsistentes Wis-
sen liefern (gleichzeitiges Ausschließen und Unterstutzen von Aussagen) →diese Modellierung ist dann ungeeignet (vgl. Possibilitats- und Evidenzver-
teilungen)
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 182
Fehlerdiagnose IV
Vorgehen: Eingrenzen der moglichen Ursachen in vier Schritten
Schritt 1: Bestimmung der Fehler, die den beobachteten Symptomen nicht
widersprechen (konsistente Fehler)
Definition: (scharfer Fall)
Ein Fehler f ∈ F ist konsistent mit den Beobachtungen S+ und S− gdw.
S− ∩ R+f = ∅ und S+ ∩ R−
f = ∅ ,
d.h. wenn
• keines der durch f verursachten Symptome s ∈ R+f mangels Beobachtung
durch S− ausgeschlossen wird und
• keines der durch f ausgeschlossenen Symptome s ∈ R−f beobachtet wurde,
also in S+ liegt.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 183
Fehlerdiagnose V
R-
S-S+
R+
sym
Fehler konsistent mit Beobach-
tung
R-S+R+
S-
sym
Fehler inkonsistent mit Beobach-
tung
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 184
Fehlerdiagnose VI
Die unscharfe Konsistenz zweier unscharfer Mengen A, B auf einem Univer-
sum U wird gemessen mit
kons(A, B) := maxu∈U
min{µA(u), µB(u)} .
kons(A, B) mißt, mit welchem Grad der Schnitt A ∩ B nichtleer ist. A ∩ B ist
also mit Grad 1 − kons(A, B) leer.
A B
cons(A^B)
Definition: (unscharfer Fall)
Der Grad der Konsistenz eines Fehlers f ∈ F mit den unscharfen Beobach-
tungen S+ und S− wird uber die unscharfe Menge F definiert:
µF(f) := min{1 − kons(S−, R+f ), 1 − kons(S+, R−
f )}
= 1 − max{kons(S−, R+f ),kons(S+, R−
f )} .
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 185
Fehlerdiagnose VII
Schritt 2: Bestimmung der konsistenten Fehler, die mit den Symptomen in
Zusammenhang stehen (relevante Fehler)
Definition: (scharfer Fall)
Ein Fehler f ∈ F ist relevant hinsichtlich der Beobachtungen S+ und S− gdw.
er konsistent ist und
S+ ∩ R+f 6= ∅ oder S− ∩ R−
f 6= ∅
gilt, d.h.
• ein durch f verursachtes Symptom s ∈ R+f tatsachlich beobachtet wird,
also in S+ liegt, oder
• ein durch f ausgeschlossenes Symptom s ∈ R−f mangels Beobachtung
durch S− ausgeschlossen wird.
Bemerkung: In der Praxis wird die zweite Bedingung (S− ∩ R−f 6= ∅) u.U.
weggelassen.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 186
Fehlerdiagnose VIII
R-
S-S+
R+
sym
relevanter Fehler:einige der durch R+
f vorhergesagten Sympto-me wurden tatsachlich beobachtet
S+
symS-
R-R+
konsistenter nicht relevanter Fehler:keiner der durch R+
f oder R−f vorhergesagten
Effekte wurde beobachtet
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 187
Fehlerdiagnose IX
Definition: (unscharfer Fall)
Der Grad der Relevanz eines Fehlers f ∈ F bzgl. der unscharfen Beobach-
tungen S+ und S− wird uber die unscharfe Menge F∗ definiert:
µF∗(f) := min{µF(f),max{kons(R+f , S+),kons(R−
f , S−)}}
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 188
Fehlerdiagnose X
Schritt 3: Bestimmung der konsistenten Fehler, die die beobachteten Sym-
ptome uberdecken
Definition: (scharfer Fall)
Ein Fehler f ∈ F uberdeckt die Beobachtungen S+ und S− gdw. er konsistent
ist und
S+ ⊆ R+f und S− ⊆ R−
f
gilt, d.h.
• jedes beobachtete Symptom s ∈ S+ durch f verursacht wird, also s ∈ R+f ,
und
• jedes nicht beobachtete Symptom s ∈ S− durch f ausgeschlossen wird,
also s ∈ R−f .
Bemerkung: In der Praxis wird die zweite Bedingung (S− ⊆ R−f ) u.U. wegge-
lassen.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 189
Fehlerdiagnose XI
sym
S-R-R+S+
uberdeckende Fehler: die Vorhersagen R+f und R−
f uberdecken die zugehorigen Beobachtun-
gen S+ und S−.
Definition: (unscharfer Fall)Der Grad der Uberdeckung eines Fehlers f ∈ F der unscharfen Beobachtun-gen S+ und S− wird uber die unscharfe Menge F∗∗ definiert:
µF∗∗(f) := min{µF(f), inkl(S+, R+f ), inkl(S−, R−
f )} .
mit einem Maß inkl fur den Wahrheitsgehalt der unscharfen Inklusion zweierMengen.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 190
Fehlerdiagnose XII
Maß fur den Grad der unscharfen Inklusion A⊆B auf Universum U wird aus
dem Wahrheitsgehalt I(A ⊆ B) des scharfen Falls abgeleitet:
I(A ⊆ B) = I(∀u ∈ U [u ∈ A ⇒ u ∈ B])
= I(∧
u∈U[u ∈ A ⇒ u ∈ B]) .
unscharfe Modellierung:
• unscharfe Zugehorigkeiten I(u ∈ A) = µA(u), analog fur B
• Godelrelation als unscharfe Implikation:
I(a⇒b) = a α b
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 191
Fehlerdiagnose XIII
Definition: Der Grad der Inklusion, mit dem eine unscharfe Menge A in der
Menge B enthalten ist, wird gemessen durch die Funktion
inkl(A, B) := minu∈U
{µA(u) α µB(u)} .
inkl(A,B)
BA
AaB
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Fehlerdiagnose XIV
Schritt 4: Bestimmung der uberdeckenden Fehler, deren vorhergesagte Sym-
ptome alle beobachtet werden (hinreichende Fehler)
Definition: (scharfer Fall)
Ein Fehler f ∈ F heißt hinreichend bzgl. der Beobachtungen S+ und S− gdw.
er konsistent ist und
S+ = R+f und S− = R−
f
gilt, d.h.
• die beobachteten Symptome s ∈ S+ mit den durch f verursachten Sym-
ptomen s ∈ R+f identisch sind und
• die nicht beobachteten Symptome s ∈ S− mit den durch f ausgeschlos-
senen Symptomen s ∈ R−f ubereinstimmen.
Bemerkung:
• In der Praxis wird die zweite Bedingung (S− ⊆ R−f ) u.U. weggelassen.
• Dieser 4. Schritt wird in der Praxis ausgelassen, falls die Forderung nach
Gleichheit der Mengen wegen der Unsicherheit und Unvollstandigkeit des
Wissen zu stark ist.
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Fehlerdiagnose XV
Ergebnis:
• naturliche Modellierung unscharfen Wissens
• machtiger als binare Logik→ bessere Ergebnisse als mit vorhandenem klassischen Expertensystem
Bemerkungen zum praktischen Vorgehen:
• Als Zugehorigkeitswerte werden statt [0, 1] meist nur Ordinalskalen wie
{sicher, ziemlich sicher, moglicherweise, denkbar, keine Anzeichen dafur}
benutzt
• Wegen der Unsicherheit und Unvollstandigkeit des Wissens konnte der
tatsachliche Fehler in den Schritten 2-4 verloren gehen. Eine sichere
Aussage liefert nur Schritt 1.
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Possibilitats-Theorie I
Possibilitatsmaß = Moglichkeitsmaß
Possibilitatsverteilung = Moglichkeitsverteilung
Possibilitatstheorie: Formalismus zur Verarbeitung unsicheren Wissens.
Definition: (Possibilitatsverteilung)
Sei U das Universum der Variablen x. Eine Possibilitatsverteilung der un-
scharfen Variablen x ist eine Funktion
πx : U → [0, 1].
πx(u) gibt den Grad der Moglichkeit an, daß x = u.
πx(u) = 0 ⇔ x = u ist unmoglich.
πx(u) = 1 ⇔ x = u ist uneingeschrankt moglich.
Mit der Normalisierungsbedingung ist immer zumindest ein u ′ ∈ U uneinge-
schrankt moglich:
∃u ′ ∈ U : πx(u′) = 1.
Dies ist eine Folge der closed world assumption: Wenn x ∈ U, dann muß ein solches u ′
existieren.
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Possibilitats-Theorie II
Beispiele:
“Peters Korpergroße x betragt et-
wa 175cm”
x175
“Peters Korpergroße x ist vollig
unbekannt”
x175
“Peter ist 175cm groß.”
x175
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Possibilitats-Theorie III
Eine Possibilitatsverteilung πx stellt eine elastische Beschrankung
(elastic constraint, (Zadeh)) des Wertebereiches der Variablen x dar:
πx beschrankt x.
Deuten wir die unscharfen Pradikate des unscharfen Schließens
x is A
als elastische Beschrankungen πx
x is A :⇔ πx :≡ µA,
ergibt sich eine intuitive und einfache Semantik: A ist die Menge der fur x
moglichen Werte, d.h. der Werte, die nicht ausgeschlossen werden konnen.
Die Regel
IF x is A THEN y is B
bedeutet dann:
“Falls A die Menge der fur x moglichen Werte ist,
so sind fur y die Werte aus B moglich.”⇒ possibilistisches Schließen
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Possibilitats-Theorie IV
Definition: (Spezifitat)
Seien πx, π ′x Possibilitatsverteilungen von x. πx heißt mindestens so spezi-
fisch wie π ′x gdw.
∀u ∈ U : πx(u) ≤ π ′x(u).
Kombination von Possibilitatsverteilungen:
• Semantik: ausgehend von Unwissen schrankt neue Information die fur x
moglichen Werte weiter ein ⇒ negative Information: Ausschluß von
Fakten
• verschiedene Informationsquellen erganzen sich
• suche die am meisten spezifische Information, die aus der Wissensbasis
ableitbar ist
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 198
Possibilitats-Theorie V
Beispiel: mobiler Roboter erstellt unsichere Karte der Umgebung
• Position unsicher
• unsichere Sensordaten der Umgebung
• aktuelle Karte unsicher→ Kombination der Informationen zu einer neuen Information (Zugewinn
an Wissen)
Frage: Wie wird Wissen aus verschiedenen Quellen vereinigt?
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 199
Erkundung einer unbekannten Umgebung
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 200
Possibilitats-Theorie VI
Possibilistisches Schließen = Sammeln und Zusammenfassen von possibili-
stischem Wissen, Extraktion von gesuchtem Teilwissen
Hier: Kombination von Possibilitatsverteilungen kann eindeutig als max-min-
Komposition identifiziert werden.
Aber: keine Kombination von Maßen bekannt, so daß das Diagramm kom-
mutiert!
Maße Π1, Π2?
−−−−−−−−−−→ Πy xVerteil. π1, π2 −−−−−−−−−−→
Kombinationπ
⇒ Zusammenfassen von Wissen auf der Basis von Verteilungen anstatt Ma-
ßen
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Possibilitats-Theorie VII
Beispiel: Heidi und Ehemann Peter suchen in ihrem Garten nach einer Quelle
unglaublichen Gestanks. Heidi riecht im linken Teil, Peter rechts.
Ort0
1HeidiPeter
PeterHeidi
Moglichkeit, daß sich Quelle an der Stelle u befindet: πHeidix (u) und πPeter
x (u).
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 202
Possibilitats-Theorie VIII
Kombination:
geg.: π1x, π2
x
ges.: aus π1x und π2
x ableitbare Verteilung πx
Axiom p1:
∀u ∈ U : πx(u) ≤ π1x(u) ∧ πx(u) ≤ π2
x(u)⇒ Mit πx werden π1x und π2
x redundant.⇒ Gilt ∀u ∈ U : πx(u) < 1, so deutet dies auf Inkonsistenzen in π1x und/oder
π2x hin (⇒ unzuverlassige Quellen oder Verletzung der closed world as-
sumption, s. Beispiel)
Implizite Annahme: x ist zeitinvariant
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 203
Possibilitats-Theorie IX
Prinzip minimaler Spezifitat (PmS): πx darf keine zusatzliche Information
unterstellen, d.h. unzulassig spezifisch sein:
“More generally, when the available information stems from several sources
that can be considered as reliable, the possibility distribution that accounts
for it is the least specific possibility distribution that satisfies the set of cons-
traints induced by the pieces of information given by the different sources.”
(Dubois&Prade)
Anwendung auf Axiom p1:
∀u ∈ U : πx(u) := min{π1x(u), π2
x(u)}
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 204
Possibilitats-Theorie X
Gemeinsame Possibilitatsverteilungen:
Definition: (gemeinsame Possibilitatsverteilung)Seien U und V die Universen der Variablen x und y. Eine gemeinsame Possibilitatsverteilungder zusammengesetzten unscharfen Variablen (x, y) ist eine Funktion
πx,y : U× V → [0, 1].
πx,y(u, v) gibt den Grad der Moglichkeit an, daß
(x, y) = (u, v), d.h., daß x = u und y = v.
Kombination:geg.: unscharfe Variablen x ∈ U und y ∈ V
mit Verteilungen πx und πy
ges.: gemeins. Verteilg. πx,y : U× V → [0, 1],die πx und πy gerecht wird.
Axiom p2:
∀(u, v) ∈ U× V : πx,y(u, v) ≤ πx(u)
∀(u, v) ∈ U× V : πx,y(u, v) ≤ πy(v)
Anwendung des PmS:
∀(u, v) ∈ U× V : πx,y(u, v) := min {πx(u), πy(v)}.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 205
Possibilitats-Theorie XI
Beispiel:
• πK beschranke Peters Korpergroße:
πK(k) gibt den Grad der Moglichkeit an, daß Peter k cm groß ist.
• analog beschranke πG Peters Gewicht:
πG(g) gibt den Grad der Moglichkeit an, daß Peter g kg wiegt.
• gesucht ist eine Aussage der Form:
“Peter ist k cm groß und wiegt g kg.”
• der Moglichkeitsgrad der Gesamtaussage kann den der Einzelaussagen
nicht ubersteigen:
πK,G(k, g) ≤ min {πK(k), πG(g)}.
• ohne Zusatzinformation gilt mit PmS:
πK,G(k, g) = min {πK(k), πG(g)}.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 206
Possibilitats-Theorie XII
zylindrische Erweiterung:
geg.: Verteilung πx auf Uges.: ableitbare Verteilung πx,y fur die zusam-
mengesetzte Variable (x, y) aus U× VDer Wert von y ist vollig unbekannt: πy ≡ 1⇒ ∀(u, v) ∈ U× V : πx,y(u, v) = min {πx(u), 1}
= πx(u)
Definition: (zylindrische Erweiterung)
Sei πx eine Possibilitatsverteilung auf U. Dann heißt die Possibilitatsverteilung
[πx ↑ U× V] mit
∀(u, v) ∈ U× V : [πx ↑ U× V](u, v) := πx(u)
zylindrische Erweiterung von πx auf U× V.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 207
Possibilitats-Theorie XIII
Beispiel:
• πK beschranke wiederum Peters Korpergroße K.
• Peters Gewicht G sei uns unbekannt.
• unsere Gesamtaussage der Form
“Peter ist k cm groß und wiegt g kg.”
darf somit Peters Gewicht nicht einschranken:
πK,G(k, g) = min {πK(k), 1} = πK(k).
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 208
Possibilitats-Theorie XIV
Projektion:
geg.: gemeinsame Verteilung πx,y auf U× Vges.: ableitbare Verteilung πx fur Variable x
• πx,y(u, v) gibt den Grad der Moglichkeit an, daß x = u und y = v.
• da πx die Variable y nicht einschrankt, darf y (im Rahmen von πx,y)
beliebig sein.
Mit dem PmS folgt
∀u ∈ U : πx(u) := maxv∈V
{πx,y(u, v)}.
Definition: (Projektion)
Sei πx,y eine Possibilitatsverteilung auf U×V. Dann heißt die Possibilitatsverteilung
[πx,y ↓ U] mit
∀u ∈ U : [πx,y ↓ U](u) := maxv∈V
{πx,y(u, v)}
Projektion von πx,y auf U.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 209
Possibilitats-Theorie XV
Beispiel:
• πK,G(k, g) beschreibe den Grad der Moglichkeit, daß ein Mensch k cm
groß ist und g kg wiegt.
• Wie schwer konnen demnach Menschen sein?
⇒ Projektion von πK,G auf das Universum G der Gewichte:
[πK,G ↓ G](g) = maxk∈K
{πK,G(k, g)}.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 210
Possibilitats-Theorie XVI
Beispiel:
• πK,G(k, g) beschreibe den Grad der Moglichkeit, daß Peter k cm groß ist
und g kg wiegt.
• πG,B(g, l) beschreibe den Grad der Moglichkeit, daß Peter g kg wiegt und
l Liter Bier am Abend trinkt.
Frage: Was kann daraus fur πK,G,B, πG, πK,B usw. geschlossen werden?
Die Axiome p1 und p2 liefern keine Antwort!
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 211
Possibilitats-Theorie XVII
Theorem: Sei U := U1 × U2 × · · ·Un n-dimensionales Produktuniversum, π1,
. . . πm Verteilungen auf Unterraumen Vi = ×j∈Ji⊆{1,2,...n}
Ui von U. Dann ist die
auf einem Unterraum V von U definierte Verteilung π mit
π(v) = maxu∈U\V
mini∈{1,2,...m}
{[πi ↑ U](u, v)}
die am meisten spezifische Verteilung auf V, die aus den gegebenen Vertei-
lungen ableitbar ist.
Beweisskizze: Verallgemeinerung des Begriffes Spezifitat. Notwendige Bed.: π mindestens
so spezifisch wie jedes πi.
Idee: Leite aus π1, . . . πm spezifischere Verteilungen ab. Benutze diese zur Berechnung von
π.
Anschaulich: Erfullung der notwendigen Bedingung bedeutet nur, daß der gezogene Schluß
jeder einzelnen Information nicht widerspricht. Vorherige Kombination der Informationen
aber laßt prazisere Schlusse zu.
Das Verfahren heißt
Prinzip von Kombination/Projektion
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 212
Possibilitats-Theorie XVIII
Wir erhalten wieder die max-min-Komposition!
Unscharfe Mengen: Kompatibilitat zu Komposition von scharfen Relationen
als Motivation fur max-min. War die Wahl wirklich eindeutig? (betrachte
max-Produkt-Komposition als Alternative)
Moglichkeitsverteilungen: Einfache, intuitive Semantik als Modellierung un-
sicherer Informationen fuhrt zu eindeutiger Wahl der max-min-Komposition!
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 213
Possibilitats-Theorie XIX
Beispiel:
• πK,G(k, g) beschreibe wiederum den Grad der Moglichkeit, daß ein Mensch
k cm groß ist und g kg wiegt.
• Peters Korpergroße sei durch πK spezifiziert.
• Was laßt sich nun uber Peters Gewicht sagen?
Vorgehen:
(1) Kombination aller Information auf kleinstem gemeinsamen Universum(Vereinigung):
∀(k, g) ∈ UK ×UG : π ′K,G(k, g) := min {πK(k), πK,G(k, g)}.
(2) Projektion auf interessierendes Universum:
∀g ∈ UG : πG(g) := [π ′K,G ↓ UG](g)
= maxk∈UK
{π ′K,G(k, g)}
= maxk∈UK
{min {πK(k), πK,G(k, g)}}.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 214
Possibilitats-Theorie XX
Anwendungen des Prinzips:
1 Gewinnung von Wissen als Lernvorgang
• Sammeln und Zusammenfassen von Informationen
Beispiele:
• Diagnosestellung:
Sammle Informationen uber ein Krankheitsbild bei verschiedenen Arzten.
Zugewinn von Wissen verfeinert die Gesamtinformation.
• adaptive Regler (spatere Vorlesung)
2 regelbasiertes possibilistisches Schließen:
- Aufstellen einer festen Regelbasis
- variable Pramissen als Eingabe
- Bearbeiten mit der Regelbasis
- Ausgabe von Konklusionen
Beispiel: klassische unscharfe Regler
In der Anwendung Mischformen von 1 und 2 (z.B. lernende Regler)
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 215
Possibilistische Regelwerke I
Erinnerung: naturlichsprachliche Regeln
IF x is Ai THEN y is Bi,
deren Pradikate mit Hilfe unscharfer Mengen beschrieben sind, d.h.
[Ai → Bi] (i = 1, . . . , n).
Possibilistische Interpretation von Pradikaten:
Deute “x is Ai” als πx ≡ µAi. Auf diese Weise schrankt Ai die Variable x
flexibel ein.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 216
Possibilistische Regelwerke II
Wahl der Inferenzrelation πR(x,y)
Mindestanforderung:
πx ≡ µAi⇒ πy ≡ µBi
,
wobei πy = πx ◦ πR(x,y).
Losung ist bekannt! (vgl. unscharfe Relationengleichungen)
Falls eine Losung existiert, so schreibt das PmS die Wahl der großten Losung
— der Godelrelation — vor:
R(x, y) :=n⋂
i=1
(Ai α Bi)
∀(u, v) ∈ Ux ×Uy : πR(x,y)(u, v) =
= mini=1,...,n
{1, falls µAi
(u) ≤ µBi(v)
µBi(v), falls µAi
(u) > µBi(v)
.
⇒ Die possibilistische Inferenzrelation ist eindeutig festgelegt.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 217
Evidenztheorie I
Beispiel: Quelle ublen Geruchs
Ort0
1
Peter Heidi
Possibilitatsverteilung: Keine Moglichkeit, zu erkennen, ob Ort mit hohem
Moglichkeitsgrad die Quelle enthalt (positive Argumente) oder einfach nicht
besucht wurde (Unwissen).
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 218
Evidenztheorie II
Idee: Ein Typ von Information, der Aussagen bei Vorhandensein von Wissen
unterstutzt.
Definition: (Evidenzverteilung)
Sei x unscharfe Variable auf einem Universum U. Eine Evidenzverteilung von
x ist eine Funktion
σx : U → [0, 1].
σx(u) gibt den Grad der Unterstutzung der Aussage x = u an.
σx(u) = 0 ⇔ x = u wird nicht gestutzt.
σx(u) = 1 ⇔ x = u wird uneingeschrankt unterstutzt.
Volliges Unwissen uber x: σx ≡ 0.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 219
Evidenztheorie III
In der Possibilitatstheorie werden Verteilungen durch Hinzunahme von Wis-
sen spezifischer (kleiner). Im Gegensatz dazu werden in der Evidenztheorie
positive Argumente gesammelt, die Verteilungen werden vollstandiger (wach-
sen).
Definition: (vollstandig)
Eine Evidenzverteilung σx einer unscharfen Variablen x auf dem Universum
U heißt genau dann mindestens so vollstandig wie σx‘, wenn fur alle u ∈ U
σx(u) ≥ σx‘(u) .
Analog zum PmS wird in der Evidenztheorie die Gultigkeit des Prinzips der
minimalen Komplettierung (PmK) angenommen:
Evidenzverteilungen sollten zwar immer so vollstandig wie moglich angege-
ben werden, aber nie vollstandiger, als es das vorhandene Wissen erlaubt.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 220
Evidenztheorie IV
Kombination von Evidenzverteilungen:
geg.: σ1x, σ2
x
ges.: aus σ1x und σ2
x ableitbare Verteilung σx
Axiom e1:
∀u ∈ U : σx(u) ≥ σ1x(u) ∧ σx(u) ≥ σ2
x(u)
mit PmK: σx(u) = max{σ1x(u), σ2
x(u)}
geg.: σx, σy
ges.: aus σx und σy ableitbare gemeinsame Verteilung σx,y
Axiom e2: ∀(u, v) ∈ U × V
σx,y(u, v) ≥ σx(u) ∨ σx,y(u, v) ≥ σy(v)
mit PmK: σx,y(u, v) = min{σx(u), σy(v)}⇒ Kein duales Konzept zu Possibilitatsverteilungen (sonst max in Axiom
e2)!
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 221
Evidenztheorie V
Allgemeine Kombination von Evidenzverteilungen:
geg.: σx, σx,y
ges.: ableitbare Verteilung σy
Mit ahnlicher Argumentation wie in der Possibilitatstheorie erhalt man den
wegen des PmK eindeutigen Kombinationsmechanismus
∀v ∈ Uy : σy(v) = maxu∈Ux
min{σx(u), σx,y(u, v)}
kurz: σy = σx ◦ σx,y
Trotz unterschiedlicher Semantik liefern Possibilitats- und Evidenztheorie
denselben Mechanismus zur Kombination von Verteilungen!
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 222
Evidenztheorie VI
Possibilitatsverteilung EvidenzverteilungBedeutung πx(u) ist Grad der σx(u) ist Grad der
Moglichkeit, daß x = u Unterstutzung, daß x = u
Bedeutung πx(u) = 0 σx(u) = 0Grenzfall x = u unmoglich x = u nicht unterstutztBedeutung πx(u) = 1 σx(u) = 1Grenzfall x = u uneingeschrankt moglich x = u uneingeschr. unterstutztUnwissen πx ≡ 1 σx ≡ 0
Aggregation I π1x, π
2x gegeben σ1
x, σ2x gegeben⇒ πx ≤ min{π1
x, π2x} ⇒ σx ≥ max{σ1
x, σ2x}
Aggregation II πx, πy gegeben σx, σy gegeben⇒ πx,y ≤ min{πx, πy} ⇒ σx,y ≥ min{σx, σy}
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 223
Possibilitat und Evidenz I
Entstehen durch Kombination nicht normalisierte Moglichkeitsverteilungen,
so weist dies auf inkonsistentes Wissen hin.⇒ An Moglichkeitsverteilungen kann der Grad der Konsistenz des Wissens
abgelesen werden:
πx ist ε-konsistent :⇔ H(πx) = ε
Entstehen durch Kombination nicht normalisierte Evidenzverteilungen, so
weist dies auf unvollstandiges Wissen hin.⇒ An Evidenzverteilungen kann der Grad der Vollstandigkeit des Wissens
abgelesen werden:
σx ist ε-vollstandig :⇔ H(σx) = ε
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 224
Evidenzgestutzte Regelwerke I
Modellierung naturlichsprachlicher Regeln in der Evidenztheorie:
IF x is Ai THEN y is Bi,
deren Pradikate mit Hilfe unscharfer Mengen beschrieben sind, d.h.
[Ai → Bi] (i = 1, . . . , n).
Evidenzgestutzte Interpretation von x is Ai
als σx ≡ µAi
Folge: Modellierung der Regeln durch
σx ≡ µAi⇒ σy ≡ µBi
,
wobei σy = σx ◦ σR(x,y).
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 225
Evidenzgestutzte Regelwerke II
Beschrankung auf eine Regel:
Frage: Wie muß bei vorgegebenen A und B die Regel σR(x,y) gewahlt werden?
Gesucht ist wieder eine Losung der Relationengleichung A ◦ R = B.
Das PmK schreibt als Wahl die kleinste Losung der Gleichung vor.
Wiederholung: Es existieren im allgemeinen nur verschiedene minimale Losungen,
die bzgl. ihrer Komplettheit nicht vergleichbar sind.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 226
Evidenzgestutzte Regelwerke III
Beobachtung: Wenn σy die Unterstutzung von Werten fur y darstellt, dann
ist diese Aussage auch fur alle σ ′y richtig, die hochstens so vollstandig sind
wie σy:
σy ⇒ σ ′y, falls ∀v ∈ V σ ′y(v) ≤ σy(v) .
Folge: Die Regel σx ⇒ σy enthalt implizit die Regel σx ⇒ σ ′y fur alle σ ′y, die
hochstens so vollstandig sind wie σy.
Die gesuchte Relation σR(x,y) muß damit auch alle Gleichungen A◦ R = B ′ fur
alle B ′ ⊆ B losen.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 227
Herleitung Minimum-Relation I
Ableitung der Minimum-Relation aus Relationengleichung:
Satz: Die Vereinigung aller minimalen Losungen fur R aller Gleichungen A ◦R = B ′ mit B ′ ⊆ B ist die Minimum-Relation Rc aus A und B. Sie lost alle
Gleichungen, wenn A ◦ R = B losbar ist und ist dann auch minimal.
Bedeutung: Wegen der Maximalitats- und Minimalitatseigenschaft von Godel-
Relation und Minimum-Relation werden diese in Possibilitats- und Evidenz-
theorie eindeutig als Inferenzrelationen fur negative und positive Regeln iden-
tifiziert.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 228
Herleitung Minimum-Relation II
Gegeben: Unscharfe Mengen A, B
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
0 2 4 6 8 10
A
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
0 2 4 6 8 10
B
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 229
Herleitung Minimum-Relation III
Beispiele fur minimale Losungen von A ◦ R = B fur R
0
2
4
6
8
10
x
0
2
4
6
8
10
y
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
0
2
4
6
8
10
x
0
2
4
6
8
10
y
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 230
Herleitung Minimum-Relation IV
Vereinigung der minimalen Losungen fur R
von A ◦ R = B
0
2
4
6
8
10
x
0
2
4
6
8
10
y
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 231
Herleitung Minimum-Relation V
Vereinigung der minimalen Losungen fur R
von A ◦ R = B ′, wobei B ′ ⊆ B
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
0 2 4 6 8 10
B’
0
2
4
6
8
10
x
0
2
4
6
8
10
y
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 232
Herleitung Minimum-Relation VI
Vereinigung der minimalen Losungen fur R von A ◦ R = B ′, wobei B ′ ⊆ B
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
0 2 4 6 8 10
B’
0
2
4
6
8
10
x
0
2
4
6
8
10
y
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 233
Herleitung Minimum-Relation VII
Die minimale Relation R, die alle Gleichungen A ◦ R = B ′ mit B ′ ⊆ B lost, ist
die Vereinigung der Vereinigungen der minimalen Losungen jeder einzelnen
obiger Gleichungen. Es gilt
µR(u, v) = min{µA(u), µB(v)} .
0
2
4
6
8
10
x
0
2
4
6
8
10
y
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 234
Evidenzgestutzte Regelwerke IV
Ergebnis:
∀(u, v) ∈ Ux ×Uy : σR(x,y)(u, v) := min{µA(u), µB(v)}
ist die vollstandigste Losung des Gleichungssystems
A ◦ R = B ′ fur alle B ′ ⊆ B ,
die ohne Zusatzinformation abgeleitet werden darf.
Mehrere Regeln:
Sei σRi(u, v) := min{µAi
(u), µBi(v)} die Relation fur die i-te Regel. Jede Kon-
sequenz σyi= σx ◦ σRi
stellt eine gultige Information fur y dar. Nach Axiom
e1 und PmK werden sie also kombiniert:
∀v ∈ Uy : σy(v) = maxi∈{1,2,...n}
{σyi(v)}
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 235
Evidenzgestutzte Regelwerke V
Dies ist identisch mit [Ubung]
∀(u, v) ∈ Ux ×Uy : σR(u, v) := maxi∈{1,2,...n}
{σRi(u, v)}
σy = σx ◦ σR
Anschaulich: Es macht keinen Unterschied, ob jede Regel einzeln angewandt
und das Ergebnis kombiniert wird, oder, ob die Regeln zu einer Metaregel
kombiniert und diese angewandt wird.
Auf diese Weise wird der populare Mamdani-Regler (s. spatere Vorlesung)
auf das theoretische Fundament der Evidenztheorie gestellt.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Possibilitatstheorie 236
Unscharfes Schließen
Unscharfes Schließen I
Unscharfes Schließen: Konstruktion von Schlußfolgerungen aus unscharfenWissensbasen, z.B. unscharfen Regelsystemen. Scharfes Schließen als Spe-zialfall berucksichtigen!
Regel IF x is A THEN y is B
spezifiziert Relation R[A→B] im Produktraum U × V.Dabei sind x, y linguistische Variable, dielinguistische Werte A, B annehmen konnen.
3 Betrachtungsebenen:1. syntaktische Ebene:
Anwendung der Max-Min-Komposition auf R[A→B] liefert zu Eingabe ausU eine Ausgabe aus V (und umgekehrt).
2. semantische Ebene:Auf der syntaktischen Ebene berechnete Ergebnisse entsprechen der Er-wartung des Entwerfers.
3. Meta-Ebene:Anwendung des Modus Ponens bzw.Modus TollensProf. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 237
Unscharfes Schließen II
Semantik von Regeln der Form ”Wenn .. dann ..”
Beispiele fur mogliche Schlußfolgerungen:
Falls eine Tomate rot ist, so ist sie reif.Diese Tomate ist sehr rot.
Diese Tomate ist sehr reif.
Falls eine Tomate rot ist, so ist sie reif.Diese Tomate ist nicht rot.
Diese Tomate ist nicht reif.
Falls ich eine Erkaltung habe, bin ich krank.Ich bin nicht erkaltet.
Ich bin krank oder ich bin gesund.⇒ Erwartungen an Inferenz nicht eindeutig.⇒ Erwartungen an Inferenz kontextabhangig.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 238
Unscharfes Schließen III
Verallgemeinerter Modus Ponens (GMP):
IF u is A THEN v is B
u is A ′
v is B ′
Verallgemeinerter Modus Tollens (GMT):
IF u is A THEN v is B
v is B ′
u is A ′
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 239
Unscharfes Schließen IV
Realisiert man GMP bzw. GMT durch die allgemeinere
compositional rule of inference (CRI)
mit geeigneter Inferenz-Relation R[A→B], so bestimmt R[A→B] die Eigenschaf-
ten der Regelauswertung.
Wiederholung der CRI:
u und v stehen in der Beziehung R[A→B] und u hat den Wert A ′. Was kann dann uber v
ausgesagt werden?
(u, v) is R[A→B]
u is A ′
v is B ′ = A ′ ◦ R[A→B]
mit der max-min oder max-t-Komposition ◦.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 240
Ubersicht Inferenz-Relationen I
gegeben:
A mit µA : U → [0, 1] und B mit µB : V → [0, 1]
Inferenz-Relationen:Rc: Minimum-Relation: (Mamdani)
Rc := [A ↑ U× V] ∩ [B ↑ U× V]
µRc(u, v) := min [µA(u), µB(v)]
(t-Norm: Minimum.)
Rp: Produkt-Relation: (Larsen)
Rp := [A ↑ U× V] ∩ [B ↑ U× V]
µRp(u, v) := µA(u) · µB(v)
(t-Norm: Produkt.)
Ra: arithmetische Relation: (Zadeh)
Ra := [{A ↑ U× V] ∪ [B ↑ U× V]
µRa(u, v) := min [1, 1 − µA(u) + µB(v)]
(co-t-Norm: begrenzte Summe min [1, x + y].)
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 241
Ubersicht Inferenz-Relationen II
Rb: boolesche Relation:
Rb := [{A ↑ U× V] ∪ [B ↑ U× V]
µRb(u, v) := max [1 − µA(u), µB(v)]
(co-t-Norm: Maximum.)
Rs: Standard-Relation:
Rs := [A ↑ U× V] → [B ↑ U× V]
µRs(u, v) :=
{1 falls µA(u) ≤ µB(v)0 falls µA(u) > µB(v)
RG: Godel-Relation:
RG := [A ↑ U× V] → [B ↑ U× V]
µRG(u, v) :=
{1 falls µA(u) ≤ µB(v)µB(v) falls µA(u) > µB(v)
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 242
Unscharfes Schließen V
Ausgezeichnete Inferenz-Relationen:
Godelrelation RG = A α B
• ist die großte Losung von A ◦ R[A→B]
= B, falls eine Losung existiert.
• stellt als Implikation negatives Wissen uber R[A→B]
dar.
Betrachte modus ponens mit klassischer Implikation a → b:
I a → b (“wenn a wahr, dann nur b moglich”)
I ¬a → b ∨ ¬b (“wenn a falsch, dann ist fur b alles moglich”)⇒ negative Interpretation als Ausschluß von ¬b unter der Vorbedingung
a
Minimum-Relation Rc und Produkt-Relation Rp
• stellen als Konjunktionen (t-Normen) positives Wissen uber R[A→B]
dar.
Betrachte modus ponens mit klassischer Konjunktion a ∧ b:
I a → b (“wenn a wahr, dann nur b moglich”)
I ¬a erlaubt fur b keinen gultigen Schluß⇒ positive Interpretation als Unterstutzung von b unter der Vorbedin-
gung a
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 243
Unscharfes Schließen VI
Beispiel:
Wenn der Himmel wenig bewolkt ist, regnetes nicht.Es regnet nicht.
Der Grad der Bewolkung ist beliebig.
0
10
20
wenig bewoelkt 210
20regnet nicht
00.20.40.60.8
1
Implikation, Godel-Relation
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 244
Unscharfes Schließen VII
Beispiel:
Wenn die Tomate rot ist, dann ist sie reif.Die Tomate ist rot.
Die Tomate ist reif.
2
10
20
rot
0
10
20
reif
00.20.40.60.8
1
Aquivalenz, Godel-Relation in beide Richtungen
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 245
Unscharfes Schließen VIII
Beispiel:
Wenn x ungefahr 8, dann y ungefahr 14.x ist ungefahr 8.
y ist ungefahr 14.
2
8
20
ungefaehr 8
05
1015
20
ungefaehr 14
00.20.40.60.8
1
Unscharfe Abbildung oder Konjunktion, Minimum-Relation
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 246
Einfache Regelanwendung I
Wir betrachten im folgenden drei Falle anhand eines Beispiels:
1. allgemeines Vorgehen am Beispiel der Minimum-Relation (Rc).
2. vereinfachtes Vorgehen nach Umformung (nur moglich bei Minimum-
Relation und Produkt-Relation Rp).
3. Fall 2. mit der zusatzlichen Einschrankung, daß die Eingabe A ′ ein schar-
fer Wert ist.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 247
Einfache Regelanwendung II
1. allgemeiner Ansatz: Darstellung der beiden unscharfen Mengen A und B
aus Regel [A → B] in U× V × [0, 1].
0
1
0.8
0.6
0.4
0.2
0
u
0
10
8
6
4
2
0
v
0
10
8
6
4
2
0
Praemisse A und Konsequenz B
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 248
Einfache Regelanwendung III
Darstellung der unscharfen Eingabe A ′
0
0.8
0.6
0.4
0.2
0
u
0
10
8
6
4
2
0
v
0
10
8
6
4
2
0
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 249
Einfache Regelanwendung IV
Minimum-Relation Rc zur Regel [A → B]:
µR(u, v) = min [µA(u), µB(v)]:
0
1
0.8
0.6
0.4
0.2
0
u
0
10
8
6
4
2
0
v
0
10
8
6
4
2
0
Minimum-Relation
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 250
Einfache Regelanwendung V
Bestimmung von
µB ′(v) = maxu
min [µA ′(u), µR(u, v)]
:= maxu
µR ′(u, v).
geometrisch gedeutet:
• Bestimmung von
µR ′(u, v) := min [µA ′(u), µR(u, v)]
entspricht Schnitt von R mit der zylindrischen Erweiterung von A ′ aufU× V:
R ′ = R ∩ [A ′ ↑ (U× V)].
• Maximierung dieses Ergebnisses uber alle u ∈ U entspricht Projektiondes entstandenen Volumens auf V × [0, 1]:
B ′ = [R ′ ↓ V],
d.h.:
µB ′(v) = maxu
µR ′(u, v).
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 251
Einfache Regelanwendung VI
Zylindrische Erweiterung der Eingabe A ′:Zyl(A ′) = [A ′ ↑ (U× V)]:
0
1
0.8
0.6
0.4
0.2
0
u
0
10
8
6
4
2
0
v
0
10
8
6
4
2
0
Zyl(A’)
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 252
Einfache Regelanwendung VII
Schnitt von Zyl(A ′) mit R:
µR ′(u, v) = min [µA ′(u), µR(u, v)].
0
1
0.8
0.6
0.4
0.2
0
u
0
10
8
6
4
2
0
v
0
10
8
6
4
2
0
Schnitt von Zyl(A’) und R(A,B)
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 253
Einfache Regelanwendung VIII
Projektion von R ′ auf V × [0, 1]:
µB ′(v) = maxu
µR ′(u, v).
0
1
0.8
0.6
0.4
0.2
0
v010 8 6 4 2 0
B’ = A’ o R(A,B)
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 254
Einfache Regelanwendung IX
Dieser allgemeine Ansatz ist auf beliebige
Inferenz-Relationen anwendbar, jedoch immens rechenaufwendig.
Wahlt man jedoch die Minimum-Relation Rc (bzw. die Produkt-Relation Rp
mit Produkt als T-Norm), so laßt sich die Bestimmung von B ′ vereinfachen:
(am Beispiel von Rc)
µB ′(v) = maxu
[min [µA ′(u), µRc(u, v)]]
= maxu
[min [µA ′(u),min [µA(u), µB(v)]]]
= maxu
[min [min [µA ′(u), µA(u)], µB(v)]]
= min [maxu
[min [µA ′(u), µA(u)]], µB(v)]
:= min [maxu
µA ′∩A(u), µB(v)]
:= min [H(A ′ ∩ A), µB(v)]
D.h.:
• Bestimmung des Schnittes von A ′ und A:
A ′′ := A ′ ∩ A.
• Bestimmung der Hohe von A ′′: H := h(A ′′).• “Abschneiden” von B an Hohe H.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 255
Einfache Regelanwendung X
2. vereinfachte Regelanwendung:
(⇒ Minimum- oder Produkt-Relation!)
µB ′(v) = min
[max
u[min [µA ′(u), µA(u)]], µB(v)
]
vu
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 256
Einfache Regelanwendung XI
3. vereinfachte Regelanwendung bei scharfer Eingabe:
gegeben: scharfe Eingabe a ∈ U, d.h. A ′ = 1/a:
µB ′(v) = min
[max
u[min [µA ′(u), µA(u)]], µB(v)
]= min [ µA(a), µB(v)]
u v
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 257
Anwendung allg. Regeln I
Anwendung einer allgemeinen Regel:
• negierte Pramisse ¬A wird durch Komplementbildung realisiert:
[¬A → B] ≡ [{A → B].
• ODER-verknupfte Pramisse A ∨ B wird durch Aufspaltung in zwei Regeln
realisiert:
[(A ∨ B) → C] ≡ [A → C] ∧ [B → C].
• UND-verknupfte Pramisse A ∧ B wird durch Verbund A ∗ B realisiert:
[(A ∧ B) → C] ≡ [(A ∗ B) → C],
wobei
A ∗ B = [A ↑ (U× V)] ∩ [B ↑ (U× V)],
d.h.:
µA∗B(u, v) = min [µA(u), µB(v)].
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 258
Anwendung allg. Regeln II
UND-verknupfte Pramisse:
Die Anwendung der Regel [(A ∧ B) → C] auf Eingaben A ′ und B ′ erfolgt
wiederum mit Max-Min Komposition:
C ′ = (A ′ ∗ B ′) ◦ S,
wobei S nun eine drei-stellige Relation
µS : U× V ×W → [0, 1]
darstellt.
S ist jedoch durch die Wahl der zwei-stelligen Relationen R fur die einfache
Regel bereits eindeutig bestimmt:
µS(u, v, w) := µR(µA∗B(u, v), µC(w))
= µR(min [µA(u), µB(v)], µC(w)).
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 259
Anwendung allg. Regeln III
Wiederum erweist sich die Wahl von Rc oder Rp als vorteilhaft.
µC ′(w)
= maxu,v
[min [µA ′∗B ′(u, v), µS(u, v, w)]]
= maxu,v
[min [min [µA ′(u), µB ′(v)], µRc(min [µA(u), µB(y)], w)]]
= maxu,v
[min [min [µA ′(u), µB ′(v)],min [µA(u), µB(v), µC(w)]]]
= . . .
= min[maxu
[min [µA ′(u), µA(u)]],maxv
[min [µB ′(v), µB(v)]],
µC(w)]⇒Regelauswertung analog zur einfachen Regel:
• Bestimmung von A ′′ und B ′′
• “Abschneiden” von C bei min [h(A ′′), h(B ′′)]
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 260
Anwendung allg. Regeln IV
am Beispiel zweier scharfer Eingaben a und b:
u v w
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 261
Anwendung mehrerer Regeln I
Anwendung mehrerer Regeln:
(1) lokale Regelanwendung:
Die Anwendung mehrerer Regeln [Ai → Bi] auf die Eingabe A ′ erfolgt zumeist
durch Bestimmung der Teilergebnisse
B ′i = A ′ ◦ Ri
und geeignete Verknupfung dieser Teilergebnisse B ′i.
Im Falle von Minimum- und Produkt-Relation wird die Vereinigung gebildet:
(expansion inferences)
B ′lokal =⋃i
B ′i =⋃i
(A ′ ◦ Ri).
Fur alle anderen vorgestellten Inferenz-Relationen wird der Durchschnitt be-
stimmt:
(reduction inferences)
B ′lokal =⋂i
B ′i =⋂i
(A ′ ◦ Ri).
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 262
Anwendung mehrerer Regeln II
(2) globale Regelanwendung:Alle Inferenz-Relationen Ri ≡ [Ai → Bi] uber gemeinsamem Produktraum
werden zu einer einzigen Relation R aggregiert
R =⋃i
Ri (expansion inferences)
bzw.
R =⋂i
Ri (reduction inferences)
Anwendung der Max-Min Komposition auf R liefert Ergebnis:
B ′global = A ′ ◦ R
Zusammenhang zwischen (1) und (2):
1. Expansions-Inferenzen: B ′global = B ′lokal
Distributivitat von ◦ uber ∪: R ◦ (S ∪ T) = (R ◦ S) ∪ (R ◦ T)
2. Reduktions-Inferenzen: B ′global ⊆ B ′lokal
schwache Distributivitat von ◦ uber ∩: R ◦ (S ∩ T) ⊆ (R ◦ S) ∩ (R ◦ T)
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 263
Anwendung mehrerer Regeln III
Motivation fur Differenzierung von Expansions- und Reduktions-Inferenzen:
Seien Eingabe A ′ und Pramisse A einer Regel komplett unkorreliert: A ′∩ A =
∅.
Das Ergebnis B ′ dieser Regel sollte demnach keinen Einfluß auf das Gesam-
tergebnis haben, i.e. neutrales Element der Uberlagerung sein.
• Anwendung von Rc und Rp liefert B ′ = ∅. ∅ ist neutrales Element von ∪.
• Anwendung der ubrigen Relationen liefert B ′ = UB. UB ist neutrales Ele-
ment von ∩.
Beachte: In Possibilitats- und Evidenztheorie spiegelt sich die Differenzierung
in Expansions- und Reduktionsinferenzen in den Semantiken wider (Axiome
p1 und e1).
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 264
Anwendung mehrerer Regeln IV
Somit ergibt sich fur die (lokale) Auswertung zweier UND-verknupfter Regeln (Minimum-
Relation Rc)
[(A1 ∧ B1) → C1] und [(A2 ∧ B2) → C2]
mit unscharfen Eingaben A ′ und B ′:
u v w u v w
u v w
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 265
Anwendung mehrerer Regeln V
Somit ergibt sich fur die (lokale) Auswertung zweier UND-verknupfter Regeln (Minimum-
Relation Rc)
[(A1 ∧ B1) → C1] und [(A2 ∧ B2) → C2]
mit scharfen Eingaben a und b:
u v w u v w
u v w
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfes Schließen 266
Unscharfe Regelung II
Unscharfe Regelung I
Regelung:
Herstellung oder Erhaltung einer angestrebten Situation an einem vorge-
gebenen, zeitabhangigen System. Die angestrebte Situation wird durch die
Fuhrungsgroße definiert.
Regler Regelstrecke-
Störungen
StellgrößeFührungs- Regel-
Regelgröße
größe abweichung
Regelungsziele:
• konstante Fuhrungsgroße
• Fuhrungsgroße als Funktion der Zeit
• ein Gebiet als Fuhrungsgroße, in dem die Regelgroße zu halten ist
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 267
Unscharfe Regelung II
Klassische Regelungstechnik
• Modellierung der Regelstrecke (meist System von Differentialgleichun-
gen)
• Berechnung des Reglers (Verfahren abhangig von Modell der Regel-
strecke)
Probleme bei scharfer Regelung:
1 Verfugbarkeit des mathematischen Modells
2 Entwicklungsaufwand fur Modellierung
3 Berechnungsaufwand
4 Ungenauigkeiten bei Messung, Stellgliedern und Berechnung
5 Stabilitat bei nicht-linearer Regelung
(Beschreibungsfunktionen, Popow-Kriterium, Methode von Ljapunow:
Einschrankungen bzgl. Anwendbarkeit, Aussagekraft)
6 Reglerentwurf und Stabilitatsprufung auf Grundlage des Modells→ Qualitat der Ergebnisse abhangig von Qualitat des Modells
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 268
Unscharfe Regelung III
Unscharfe Regelung:
• Sammeln qualitativen Wissens uber Prozeß und seine Regelung: intuitive
Zusammenhange, Expertenwissen
• Formulierung eines regelbasierten Reglers (umgangssprachlich)
• regelbasiertes Modell wird durch unscharfes Schließen “berechenbar”
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 269
Beispiel: Miniatur-Roboter KHEPERA
• Motorola 68331 Mikro-Controller• 256 KByte RAM, 256 KByte ROM• 2 Schrittmotoren, 600 Schrit-
te/Umdrehung, d.h. ein Schrittentspricht 1/12 mm
• 8 Entfernungs- und Umgebungslicht-Sensoren Siemens SFH900: primitiv,aber kompakt
• 2 Akkus fur autonomen Betrieb
0 2 3 4 5 6 70
100
200
300
400
500
600
700
800
900
1000
1100
1
Abstand zum Objekt [cm]
grauer
Holz
weisser
schwarzerKunststoff
Kunststoff
Kunststoff
typische Kennlinieneines Entfernungssensors
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 270
KHEPERA – lokale Kollisionsvermeidung
Eingabe: Entfernungs-Sensorik
Ausgabe: Motor-Geschwindigkeiten
Ziel: Kollisionsvermeidung, d. h.
moglichst”
sanftes“ Umfahren von
Hindernissen
prox_lbk
prox_l10 prox_r10prox_r45prox_l45
prox_l90 prox_r90
prox_rbk
speed_l speed_r
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 271
Grundidee unscharfer Regelung
• Beschreibung des gewunschten Reglerverhaltens mit Hilfe umgangssprach-
licher, qualitativer Regeln.
• Quantifizierung linguistischer Werte durch unscharfe Mengen.
• Regel-Auswertung durch Verfahren der unscharfen Logik.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 272
Anwendung
10 Regeln fur das KHEPERA-System:
1. Wenn prox l45, prox l10, prox r10 und prox r45 alle nicht nah, dann setze speed l undspeed r auf einen hohen Wert.
2. Wenn prox l45, prox l10, prox r10 und prox r45 alle nah, dann setze speed l und speed rauf einen negativen Wert.
3. Wenn prox l45 nah, jedoch prox l10, prox r10 und prox r45 alle nicht nah, dann setzespeed l auf einen hohen und speed r auf einen niedrigen Wert.
4. Wenn prox r45 nah, jedoch prox l45, prox l10 und prox r410 alle nicht nah, dann setzespeed r auf einen hohen und speed l auf einen niedrigen Wert.
5. Wenn prox l45 und prox l10 nah, jedoch prox r45 nicht nah, dann setze speed l aufeinen niedrigen und speed r auf einen negativen Wert.
6. Wenn prox r45 und prox r10 nah, jedoch prox l45 nicht nah, dann setze speed r aufeinen niedrigen und speed l auf einen negativen Wert.
7. Wenn prox l10 nah, jedoch prox l45, prox r10 und prox r45 alle nicht nah, dann setzespeed l auf einen hohen und speed r auf einen niedrigen Wert.
8. Wenn prox r10 nah, jedoch prox l45, prox l10 und prox r45 alle nicht nah, dann setzespeed r auf einen hohen und speed l auf einen niedrigen Wert.
9. Wenn prox l90 nicht nah und prox r90 nah, dann setze speed l auf einen niedrigen undspeed r auf einen negativen Wert.
10. Wenn prox r90 nicht nah und prox l90 nah, dann setze speed r auf einen niedrigen undspeed l auf einen negativen Wert.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 273
Verwandte unscharfe Mengen:
1
00
250 500 750 1023
1
0 1023250 500 7500
0
1
0 1023250 500 750
prox_l10
0
1
-15 3010 15 20-10 -5 0 5 25
prox_l90
prox_l45
speed_l
HOCHNIEDRIGNEGATIV
NAH10
NAH45
NAH90
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 274
vereinfachte(!) Regelauswertung
aktuelle Eingabe sei l90, l45, l10, r10, r45, r90:
1. Regel: Wenn prox l45, prox l10, prox r10, prox r45 nicht nah, dann speed l hoch
µ1speed l(s) = min [1 − µNAH45(l45), 1 − µNAH10(l10), 1 − µNAH10(r10), 1 − µ NAH45(r45), µHOCH(s)]
...
...
10. Regel: Wenn prox r90 nicht nah und prox l90 nah, dann speed l negativ
µ10speed l(s) = min [1 − µNAH90(r90), µNAH90(l90), µNIEDRIG(s)]
Gesamtergebnis: µspeed l =10⋃i=1
µispeed l.
(Beachte: µspeed l ist eine unscharfe Menge, die noch in einen scharfen Stellwert umgewan-delt werden muß, etwa mit Schwerpunktmethode.)
Der allgemeine Ansatz ist weitaus komplexer!
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 275
Alternative: Interpolationsverfahren
• Reduktion von Regeln auf Punkte: aus
”Wenn Temperatur hoch, dann Kaltwasserhahn weit auf“
wird
”Wenn Temperatur 50◦C, dann Kaltwasserhahn auf Winkel 270◦“.
• Unscharfe durch Ahnlichkeit:
”Wenn Temperatur ungefahr 50◦C, dann Kaltwasserhahn ungefahr auf Winkel 270◦“.
• mehrere Regeln: Interpolation zwischen Punkten
Vorteile:
• analytisches Verhalten der interpolierenden Funktion kann vorgegeben
werden (linear, quadratisch, Glattheit ...)
• oftmals sind direkt scharfe Daten vorhanden⇒”
naher an den Anforderungen des Ingenieurs“
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 276
Einsatzgebiete unscharfer Regler
• direkte Regelung:
oft nur einfache einstufige Regelwerke
• ubergeordnete Regelung
supervisory control
I Ablaufsteuerungen
I Auswahl direkter Regler
I Adaption direkter Regler
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 277
Regelungsmechanismen
Strecke
Mechanismus
Schärfung- Abstumpfung
Inferenz-
unscharfer Regler
Wissens-Basis
BedingungAktion
Regelbasis
Strecke
MechanismusInferenz-
Referenz-Mengen
unscharfer Regler
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 278
Komponenten eines unscharfen Reglers
1. Abstumpfung (fuzzification):
I Messung und Skalierung der Eingabewerte
I Umsetzung in geeignete unscharfe Mengen
2. Regelbasis bzw. Regelbasis + Referenz-Mengen:
I Festlegung der in der Modellierung verwendeten Begriffe, sowie
I Relationen zwischen diesen Begriffen (in Form von Regeln)
3. Inferenz-Mechanismus:
I Kern des Reglers
I Verknupfung der unscharfen Eingaben mit Regeln zur Bestimmung
unscharfer Stellgroßen
4. Scharfung (defuzzification):
I Bestimmung scharfer Stellgroßen und deren Skalierung
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 279
Abstumpfung
Abbildung vom beobachteten Eingabe-Raum U in den Raum der unscharfen
Menge uber U.
• konzeptionelle Abstumpfung:
x ∈ U wird zur unscharfen Menge 1/x ∈ 2U
(reiner Reprasentationswechsel!)
• bewertende Abstumpfung:
Einbringen von Kenntnissen bzgl. der Qualitat der Messungen (z.B.
Wahrscheinlichkeit).
Zumeist liegt rein konzeptionelle Abstumpfung vor.
Grunde:
• Einfachheit der Berechnung
• Robustheit des unscharfen Mechanismus
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 280
Regelbasis und Referenzmengen
linguistische Variable F = (N, U, W):
N: Name von F, (etwa “Geschwindigkeit”)
U: Wertebereich von F, (etwa [0, 100])
W: Menge der linguistischen Werte, die fur F definiert sind.
linguistischer Wert AF = (N, A) zur ling. Variablen F:
N: Name von AF, (etwa “niedrig”)
A: unscharfe Menge auf dem Wertebereich U von F, quantitative Beschrei-
bung von AF.
Basis-Regel eines unscharfen Reglers:
IF F is A THEN S is B,
wobei
F, S: linguistische VariableA, B: unscharfe Mengen linguistischer Werte AF und BS
sind.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 281
Regelbasis
1 Formulierung von Expertenwissen: Notieren aller Situationen, die quali-
tativ unterschieden werden konnen. Legt die Granularitat der Regelbasis
fest (Anzahl der linguistischen Werte und Regeln).
2 Beobachtung eines erfahrenen Bedieners: Sammeln von Meßdaten
3 Lernvorgang
• Clusterbildung auf Meßdaten
• Satz von Meta-Regeln zur Regel-Generierung/-Modifikation
4 Ableitung aus unscharfem Prozeß-Modell
(3. und 4.: aktuelle Forschung)
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 282
Eine Regel
IF F is Ai THEN S is Bi
ist i.a. positiv formuliert:
,,Wenn die (modifizierte) Fuhrungsgroße F den (scharfen, unscharfen) Wert
Ai annimmt, dann setze die Stellgroße S auf den (scharfen, unscharfen) Wert
Bi.”
,,Wenn die Temperatur (≡ F) hoch (≡ Ai) ist, dann fuhre viel (≡ Bi)
Kuhlwasser (≡ S) zu.”
Negative Regeln kommen seltener vor, erweisen sich dann aber als sehr
nutzlich:
,,Wenn sich rechts (≡ Ai) ein Hindernis (≡ F) befindet, dann fahre (≡ S)
nicht nach rechts (≡ {Bi).”
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 283
Datenbasis
Quantifizierung der in der Regelbasis verwendeten unscharfen Werte: un-
scharfe Mengen uber den betroffenen Universen.
(a) evt. Diskretisierung / Normalisierung:
I Diskretisierung: Wahl der Abtastrate δ: Effizienz vs. Sensibilitat (aber
meist von der Technik vorgegeben)
I Normalisierung: a-priori-Wissen uber Wertebereiche notig
(b) unscharfe Partitionierung:
I Anzahl der ling. Werte einer ling. Variablen (Granularitat)⇒ bestimmt maximale Anzahl von Regeln.
(c) Wahl der linguistischen Werte:
I Form der Zugehorigkeitsfunktionen (Dreieck, Trapez, Gauss-Kurve,
. . .)
I Grad der Uberlappung
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 284
Vollstandigkeit der Datenbasis
Regler muß auf jeden Zustand mit geeigneter Aktion antworten!
• Datenbasis-Strategie:
ε-Vollstandigkeit:
I fur Vereinigung A :=⋃i
Ai aller ling. Werte Ai eines Universums gilt:
∀x ∈ U : µA(x) ≥ ε. oder:
I fur die Summe der Zugehorigkeitsfunktionen aller Ai gilt: ∀x ∈ U :∑i
µAi(x) ≥ ε,
meist∑i
µAi(x) = 1.
• Regelbasis-Strategie:
(siehe spatere Folie)
⇒ Die Wahl der Datenbasis besitzt entscheidende Bedeutung fur Gute der
Regelung.⇒ Sie wird zumeist wiederholt optimiert.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 285
Regelbasis
Vollstandigkeit der Regelbasis:
Regelbasis-Strategie:
inkrementelle Erweiterung einer initialen Regelbasis, falls
I eine beobachtete Situation nicht durch bestehende Regeln abgedeckt
I die Reglerantwort unbefriedigend/falsch ist
I die Reglerantwort zu unzuverlassig ist. (etwa Abszisse πv0des Schwer-
punktes v0 < ε)
Konsistenz der Regelbasis:
Uberprufung auf der Ebene der Regel-Formulierung – hier durfen keine qua-
litativen Widerspruche existieren.
Problem: Wechselwirkungen der Regeln
Beispiel: System mit n Regeln Ri
Ri : IF F is Ai THEN S is Bi,
liefert bei Eingabe von Aj nicht unbedingt Bj.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 286
Inferenz-Mechanismus
(siehe auch Abschnitt Unscharfes Schließen)
(a) Festlegung der Inferenz-Relation:
I pragmatisch festgelegt (Anforderungen an Verhalten, Effizienz)
I theoretisch fundiert (Possibilitats- und Evidenztheorie)⇒ in der Praxis meist Rc, Rp (positive Regeln) oder RG (negative Regeln)
(b) Verarbeitung mehrstelliger Pramissen:
Wahl der t-Norm fur die UND-Verknupfung, i.a. Minimum oder Produkt.
Wahl der Komplementfunktion fur die Negation, i.a. 1 − x.
(c) Anwendung mehrerer Regeln:
I Aggregation der Ergebnisse einzelner Regeln
Aggregation: Vereinigung, Durchschnitt, . . .
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 287
Scharfung des unscharfen Stellwertes B ′
Ziel: plausibelster Punkt v0, in dem B ′ konzentriert wird;wichtigste Methoden:
1 Schwerpunkt (COA)Bestimmung des Flachenschwerpunktes:
v0 :=
∫V
v · µB ′(v)dv∫V
µB ′(v)dvbzw. v0 :=
∑v∈V
µB ′(v) · v∑v∈V
µB ′(v)⇒ zusatzliche Information uber Verlaßlichkeit πv0von v0:
πv0:=
∑v∈V
µB ′(v) · v∑v∈V
v
2 Mittelwert der Maxima (MOM)Bestimmung des Mittels der Werte mit maximaler Zugehorigkeit:
V := {v | µB ′(v) = maxv ′∈V
[µB ′(v′)]}, v0 :=
∫V
µB ′(v)dv∫V
dvbzw. v0 :=
∑v∈V
v
|V |.
3 Maximum (MAX)Auswahl eines v ∈ V mit maximaler Zugehorigkeit.Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 288
Scharfungsmethoden
MOM COA
COAMOM
MAX
Meist Wahl des COA-Verfahrens, aber Vorsicht bei nichtkonvexen Mengen
(inkonsistente Schlusse)!
Problembeispiel: Ausweichen vor Hindernissen.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 289
Entwurf eines unscharfen Reglers
Ablauf des Reglerentwurfs
1 Wahl der Eingangsgroßen (Meßgroßen und daraus ableitbare Werte)
Wahl der Ausgangsgroßen (Stellgroßen)
2 Festlegen der Wertebereiche und evtl. der Diskretisierung
3 Festlegen der Abstumpfung, des Inferenzmechanismus und des Scharfungs-
verfahrens
4 Definition der linguistischen Terme (vollstandig?)
5 Aufstellen der Regelbasis (konsistent und vollstandig?)
6 Simulation, Test, Bewertung ⇒ zuruck zu Punkt 4 (evtl. auch Pkt. 3)
⇒ keine Modellbildung des Prozesses,
sehr viele Freiheitsgrade!
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 290
Zusammenfassung
(1) Abstumpfungs-Strategie:
konzeptionelle Abstumpfung (reiner Reprasentationswechsel):
x ∈ Ux → 1/x ∈ 2Ux
(2) Datenbasis (Referenz-Mengen, ling. Werte):
Polygone (Dreiecke, Trapeze)
(3) Regelbasis:
einschichtig, keine Hierarchie, keine unscharfen Zwischenergebnisse
(4) Inferenz-Mechanismus:
Minimum- bzw. Produkt-Relation (einfach und effizient), selten Godel-
Relation
(5) Scharfungs-Strategie:
zumeist Schwerpunktverfahren
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 291
Automatikschaltung I
Anwendungsbeispiel: Regulierung einer Automatikschaltung (VW, Gruppe
Kruse, 1995)
In Abhangigkeit von der Geschwindigkeit des Autos, der Stellung des Gas-
pedals und des aktuellen Gangs wird bestimmt, ob ein Gangwechsel durch-
gefuhrt wird.
Stellung des Gaspedals
Geschwindigkeit
3 − 4
4 − 3
3 − 2
2 − 3
1 − 2
2 − 1
Kennlinien der Schaltpunkte
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 292
Automatikschaltung II
Situation: Automatikschaltung hat zwei Modi, die manuell gewahlt werden:
Sport oder Eco. Der Modus beeinflußt die Schaltzeitpunkte:
• niedrige Drehzahlen fur okonomische Fahrweise
• hohere Drehzahlen fur sportliche Fahrweise
Stellung des Gaspedals
Geschwindigkeit
3 − 4 SPORT
4 − 3 SPORT
3 − 4 ECO
4 − 3 ECO
Kennlinien der Schaltpunkte zwischen drittem und vierten Gang in Sport- und Eco-Modus
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 293
Automatikschaltung III
Ziel: Stufenlose Regulierung der Schaltzeitpunkte, die
• automatisch erfolgt
• dem Fahrertyp angepaßt ist
Vorgehen:
1 Einteilung von Testpersonen in normale, sportliche, vorsichtige und nervose
Fahrer
2 einstundige Testfahrten mit Aufzeichnung verschiedener Meßgroßen
Ergebnis: maßgebliche Große zum Unterscheiden der Fahrertypen ist die
Geschwindigkeit der Gaspedalbewegung
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 294
Automatikschaltung IV
Histogramme als unscharfe Klasseneinteilung der Fahrer
Geschwindigkeit der Gaspedalbewegung
vorsichtig
normal
nervös
sportlich
Problem: bei nervosen Fahrern soll ahnlich wie bei vorsichtigen geschaltet
werden⇒ Unterscheidung zwischen nervosen und sportlichen Fahrern: Anzahl der
Vorzeichenwechsel bei der Pedalbewegung
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 295
Automatikschaltung V
Regler: Ableiten eines Sportfaktors aus
• Gaspedalstellung (Fahrsituation)
• Geschwindigkeit und Anzahl der Vorzeichenwechsel der Gaspedalbewe-
gung (Fahrertyp)
• “altem” Sportfaktor
Interpolation zwischen Schaltkurven:
• Sportfaktor = 0%: Eco-Stellung
• Sportfaktor = 100%: Sport-Stellung
• Sportfaktor ∈ (0, 100)%: linear interpolieren zwischen Eco- und Sport-
Stellung
Pedalstellung
Pedalgeschwindigkeit
Vorzeichenwechselder Pedalbewegung
Sportfaktor(t−1)
Sportfaktor(t)
VerschiebungderSchaltpunkte inAbhängigkeitdesSportfaktors
Berechnung der Schaltpunkte
Gangwahl
Klassifikation des Fahrers und der Fahrsituation
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 296
Automatikschaltung VI
Zusammenfassung des Vorgehens:
• unscharfe Klassifikation von Fahrertypen aufgrund statistischer Meßda-
ten⇒ Histogramme als Zugehorigkeitsfunktionen
• Vorzeichenwechsel der Gaspedalbewegung zur Unterscheidung nervoser
und sportlicher Fahrer
• Glattung der Regelung durch Berucksichtigung alter Sportfaktoren und
bestimmter Fahrsituationen (z.B. wenn ein sportlicher Fahrer den Fuß
vom Gas nimmt, soll der Sportfaktor groß bleiben)
Ergebnis:
• einfacher, intuitiver Entwurf
• gemeinsame Verarbeitung von Meßdaten und unscharfen Regeln von Ex-
perten
• keine neuen Sensoren notwendig⇒ einfache, effektive Anpassung des Schaltverhaltens an verschiedene Fahrer-
typen, wird seit 1995 serienmaßig bei VW eingebaut (z.B. auch im neuen
Kafer)
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 297
Regler von Takagi Sugeno
Feststellung: Regler ist eine Abbildung
f : U −→ V
Unscharfer Regler: Realisierung von f durch Abstumpfung, Inferenz, Scharfung
Deutung eines Mamdani-Reglers (mit Godel-Inferenz ahnlich):
• eine Regel ist ein unscharfer Punkt in U × V (wenn wie ublich konvexe
Zugehorigkeitsfunktionen fur A, B gewahlt werden)
• die Aggregation aller Regeln ist eine unscharfe Uberdeckung von f
• ein unscharfer Regler interpoliert zwischen unscharfen Punkten
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 298
Regeln des Takagi Sugeno-Reglers
ρi: if F1 is Ai and F2 is Bi and ...
then S = fi(F1, F2, . . .)
mit scharfen Abbildungen fi : U −→ V. fi sind meist Polynome; es reichen
oft konstante oder lineare Funktionen, also
fi(F) = ai + bi · F
bei einer Fuhrungsgroße.
Der Takagi Sugeno-Regler wird nur mit scharfen Fuhrungsgroßen Fi = xi
eingesetzt (konzeptionelle Abstumpfung).
Zusammenfassen der Regelergebnisse
S = fi(F1, F2, . . .) durch gewichtetes Mitteln gemaß der Erfullungsgrade
hi = min(µAi(F1), µBi
(F2), . . .):
S =
∑i
hi · fi(F1, F2 . . .)∑i
hi
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 299
Takagi Sugeno vs. Mamdami
Deutung des Takagi Sugeno-Reglers:
• eine Regel ρi ist lokale Kennlinie des Reglers im unscharfen Bereich Ai
• die Aggregation aller Regeln entspricht dem Zusammensetzen lokaler
Kennlinien fi zu der globalen Kennlinie f
• in den Uberlappungsbereichen gehen lokale Kennlinien weich ineinander
uber
Mamdani-Regler versus Takagi Sugeno-Regler:
• Mamdani-Regler beschreibt unscharfe Punkte oder lokale Bereiche
• Takagi Sugeno-Regler beschreibt lokale Verlaufe⇒ es wird unterschiedliches Wissen uber die Regelungsstrategie vorausge-
setzt
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 300
Mamdani Regler
A1 A2 A3 A4 A5
B1
B2
B3
B4
B5
U
V
Unscharfe Uberdeckung der Reglerkennlinie f mit unscharfen Regeln nach
Mamdani.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 301
Takagi Sugeno Regler
A1 A2 A3 A4
U
V
f1
f2
f3
f4
Unscharfes Zusammensetzen lokaler Kennlinien fi zu globaler Kennlinie f
nach Takagi Sugeno.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 302
Interpolation I
meist genutzter Spezialfall des Reglers nach
Takagi Sugeno:
konstante Funktionen fi := si:
ρi : if F is Ai then S = si
(hier nur eindimensionales F betrachtet)
Theorem: Gegeben sei ein Regler nach Takagi Sugeno mit n Regeln, ein-
dimensionaler Fuhrungsgroße und konstanten Konklusionen fi := si. Sei-
en a1, a2, . . . an Stutzpunkte mit ai < ai+1. Die Pramissen Ai seien Drei-
ecksfunktionen mit Punkten (ai−1, 0), (ai, 1), (ai+1, 0) bzw. Rampenfunktionen
(a1, 1), (a2, 0) und (an−1, 0), (an, 1) fur A1 und An. Dann ist der Regler identisch
mit einer stuckweise linearen Interpolation zwischen der Folge von Punkten
(ai, si).
Beweis: Ubung.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 303
Interpolation II
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Bemerkung: Das Ergebnis laßt sich leicht verallgemeinern• auf mehrdimensionale Fuhrungsgroßen. Man erhalt dann eine multilineare Interpolation.• auf andere Zugehorigkeitsfunktionen fur die Pramissen. So kann man z.B. quadratisch,
kubisch usw. interpolieren.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 304
Interpolation IIIDeutung von Interpolation als Inferenzverfahren auf Grundlage einer Regel-
basis
ρi: Wenn F ungefahr gleich ai, dann S ungefahr gleich si.
Inferenz:
• Interpretation von µAi(F) als Maß hi fur die Gleichheit von F und ai
• Gewichtung der zugehorigen Konklusionen si mit µAi(F)
• Ergebnis S als gewichtete Summe
S =
n∑i=1
hi · si =
n∑i=1
µAi(F) · si .
Da nach Konstruktion im Theoremn∑
i=1
µAi(F) = 1 gilt, ist dies identisch mit dem Vorgehen
von Takagi Sugeno.
• mehrdimensionale Fuhrungsgroßen: Ahnlichkeit von (F1, F2, F3 . . .) mit
Stutzpunkten (ai, bi, ci . . .) wird durch
hi = µAi(F1) · µBi
(F2) · µCi(F3) · · ·
berechnet.
Vergleich mit Takagi Sugeno: ersetze Multiplikation durch “min” als verknupfende t-
Norm.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 305
Interpolation IV
Einsatz von Interpolation bietet sich an, wenn
1 Wissen uber die Reglerfunktion in Form von Stutzpunkten (ai, si) gege-
ben ist;
2 die Unscharfe eines vagen Ausdrucks wie “warm” nicht quantifiziert wer-
den kann→ z.B. Reduktion von “warm” auf “ungefahr 30 Grad”→ scharfer Stutzpunkt ai = 30
3 Wissen uber Reglerabbildung f der Bauart “f ist annahernd linear, qua-
dratisch usw.” vorhanden ist;
4 analytisches Forderungen an f wie Monotonie vorhanden sind.
Wissen aus 3. und 4. kann nicht in einen Mamdani-Regler integriert werden.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 306
Unscharfe Regelung — Fazit
Vorteile:
• Reglerentwurf ohne besondere Modell-Kenntnisse moglich
• Reglerentwurf in vielen Fallen deutlich vereinfacht und schneller (“Zeit
ist Geld!”)
• hohere Regelgute moglich (bei bestimmten Prozessen)
Nachteile:
• Nachweis der Stabilitat
(wie bei allen nicht-linearen Systemen)
• Auswahl und Quantifizierung der ling. Werte erfordert i.a. Erfahrung
• keine einheitliche Theorie, viele Freiheitsgrade beim Entwurf
(Inferenz-Relation, Inferenz-Mechanismen, Abstumpfungs- und
Scharfungsstrategie,. . .)→ Feineinstellung unscharfer Regler durch Lern- bzw. Optimierungsverfahren
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 307
Beispiel: Inverses Pendel
Aufgabe: Balancieren eines Stabes durch Krafteinwirkung auf den Wagen
• intuitiv modellierbar
• “gesunder Menschenverstand” mit gewisser Feinabstimmung vollig aus-
reichend.
F
θ
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 308
Inverses Pendel
Beispiel-Regel:WENN der Winkel θ in seinem mittleren negativen Bereich ist
UND die Winkelgeschwindigkeit _θ ungefahr Null ist,
DANN sollte die Kraft F in ihrem mittleren positiven Bereich sein
Matrix aller benotigten Regeln:θ
ng nm nk uN pk pm pg
ng pg pk
nm pm
nk pk nk nm
_θ uN pg pm pk uN nk nm ng
pk pm pk nk
pm nm
pg nk ng
mit:
ng=“negativ groß”
nm=“negativ mittel”
uN=“um Null”
pk=“positiv klein”
...
⇒ robuste und leistungsfahige Regelung
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 309
Beispiel Inverses Pendel
s
θ
Zustandsraum X = Xs ×X _s ×Xθ ×X _θ:
• Winkel θ und Winkelgeschwindigkeit _θ
• Wagenposition s und -geschwindigkeit _s
Stellgroße u: Kraft F an Wagen
dynamisches System Pendel: xt+1 = f(xt, ut)
Ziel der Regelung
• Stab ausbalancieren, Wagen in Bahnmitte (s = _s = θ = _θ = 0)
• Vorgabe eines Optimalitatskriteriums
zeitoptimale, energieoptimale, ... Regelung
hier: zeitoptimal
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 310
Inverses Pendel: Zweischichtiger Entwurf
Sieben Regeln je Schicht
Struktur des Reglers:
Schichterste
zweiteSchicht
F
θ θ s s
d
..
F
_θ \ θN 0 P
P 0 P P0 N 0 PN N N 0
Regeln der ersten Schicht
Fd N 0 P
_s\s
N 0 P
P N N N0 N N NN N N N
_s\s
N 0 P
P N P P0 N 0 PN N N P
_s\s
N 0 P
P P P P0 P P PN P P P
Regeln der zweiten Schicht
linguistische Werte: N = “negativ”, 0 = “um Null”, P = “positiv”
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 311
Inverses Pendel: Takagi Sugeno Regler
Reglermodell:
• dreieckige Zugehorigkeitsfunktionen
• scharfe Konklusionen
• Multiplikation als t-Norm fur Konjunktion von Pramissen→ multilineare Interpolation
Wahl der Zugehorigkeitsfunktionen:
rl
negativNull
0
positiv
fur jede der vier Zustandsgroßen
• drei linguistische Werte
• eigene Parameter l und r
mogliche Werte fur F und Fd: {−10N, 0N, +10N}
Einstellen der acht Parameter: gezieltes Experimentieren
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 312
Inverses Pendel: Reglerverhalten
-0.5-0.4-0.3-0.2-0.1
00.10.20.30.40.5
s [m
]
Zeit
Wagenposition
-0.2
-0.15
-0.1
-0.05
0
0.05
0.1
0.15
0.2
thet
a [ra
d]
Zeit
Winkel
vier aufeinander folgende Trajektorien (vier Startpositionen)
Dauer jeder Trajektorie: 15s
Entwicklungszeit: 2 Stunden
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 313
Inverses Pendel: Ergebnis
Einfacher unscharfer Regler
+ Zielbereich wird grob erreicht
+ Stab fallt nicht mehr um
− starke Oszillationen
− lange Einschwingzeiten
Beobachtung: Hierarchie schließt einige Kombinationen von Pramissentermen
aus
Alle Kombinationen von θ, _θ, die auf identisches Fd abgebildet werden, konnen
in der zweiten Schicht nicht unterschieden werden.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 314
Inverses Pendel: Einschichtiger Entwurf
Neuentwurf: mit 59 Regeln
_s\s
N 0 P
P
_θ\θN 0 P
P 0,N 0 P0 N 0 0,PN N N 0
_θ\θN 0 P
P N,0 P P0 N P PN N N 0,P
_θ\θN 0 P
P 0 P P0 N P PN N 0 0,P
0
_θ\θN 0 P
P N,0 0 P0 N N P,0N N N 0,N
_θ\θN 0 P
P 0,N P P0 N 0 PN N N 0,P
_θ\θN 0 P
P 0,P P P0 N,0 P PN N 0 P,0
N
_θ\θN 0 P
P 0,N 0 P0 N N PN N N 0
_θ\θN 0 P
P 0,N P P0 N N PN N N P,0
_θ\θN 0 P
P 0 P P0 0,N 0 PN N 0 0,P
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 315
Inverses Pendel: Reglerverhalten
-0.5
-0.4
-0.3
-0.2
-0.1
0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
s [m
]
Zeit
Wagenposition
-0.2
-0.15
-0.1
-0.05
0
0.05
0.1
0.15
0.2
thet
a [ra
d]
Zeit
Winkel
vier aufeinander folgende Trajektorien (vier Startpositionen)
Dauer jeder Trajektorie: 7s
Entwicklungszeit: 20 Stunden
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 316
Inverses Pendel: Ergebnis
Aufwendiger unscharfer Regler
+ Zielbereich wird erreicht und gehalten
+ Stab fallt nicht mehr um
o schwache Oszillationen
o Einschwingzeiten akzeptabel
o Uberschwingen akzeptabel→ relativ gute Qualitat
Problem: abstrakte Optimierungsziele wie Zeitoptimalitat, Energieoptima-
litat, geringes Uberschwingen usw. konnen nur durch Experimentieren an-
genahert werden.→ per Hand keine vernunftige Optimierung moglich.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: unscharfe Regelung 317
Lernende unscharfe Regler
Lernende Regler I
Warum lernen?
1 Problem konventioneller Regelungstechnik
• Modell in angemessener Form notwendig (i.a. System von Differenti-
algleichungen)
• Genauigkeit des Modells?
2 Problem unscharfer Regler
• Optimierung notwendig
3 Adaption an Veranderungen des Prozesses (z.B. Verschleiß) oder der
Umgebung (z.B. Temperatur)
Karlsruher Projekt Fynesse: FuzzY-NEuro-SyStEm
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: lernende Regler 318
Merkmale von Fynesse
• selbstandiges Lernen von Regelstrategien
• kein Prozeßmodell notwendig
• Vorgabe abstrakter Optimierungsziele wie Zeitoptimalitat, Energieopti-
malitat usw.
• Integration von Vorwissen
I scharfe Regelgesetze (Kennfelder, PID-Regler, lineare Regler usw.)
I unscharfe Regler
• Interpretation der gelernten Strategie in Form unscharfer Regeln
I Verstandnis
I Plausibilitatsprufung (qualitativ Fehlverhalten erkennen)
I Ubertragen auf ahnliche Problemstellung
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Architektur von Fynesse
uRegler
xProzeß
xt ut
����
����
Inter-pretation
Neuron.
X PE
REE
Wissen
vorschlagen
wählen
Kritiker
UnscharfeRegeln
Regel-Aktionen
T
• Strategiekomponente schlagt Ak-
tionen vor
• Kritikerkomponente wahlt beste
Aktion
• Kritikerkomponente lernt aus Ak-
tionen
• Adaption der Strategiekomponen-
te
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Fynesse: Strategiekomponente
Aufgabe der Strategiekomponente: in jedem Zustand x Vorschlag einer Men-
ge U moglicher Stellwerte (Aktionen)
Definition von U• scharfe Aktionenmenge
U(x) = {u1(x), u2(x), . . . um(x)}
• scharfes Regelgesetz U(x) = {ua priori(x)}
• unscharfer Regler U(x) = u(x)
oder Kombinationen.
Beispiel inverses Pendel:
• globale Aktionenmenge U = {−10N, 0N, +10N} (unabhangig von x)
• “hybrider” Regler
U(x) = {−10N, ua priori(x), +10N}
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Fynesse: Kritikerkomponente
Aufgabe der Kritikerkomponente: Bewertung der vorgeschlagenen Aktionen
Regelstrategie von Fynesse: Kritiker wahlt die bestbewertete Aktion
Lernvorgang: Kritiker
• ist a priori unwissend
• lernt allein aus Erfolg/Mißerfolg vergangener Regelungsvorgange (lear-
ning by doing)→ Lernen am realen Prozeß moglich
Technik:
• dynamisches Programmieren
• Verstarkungslernen (reinforcement learning)
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Fynesse: Lernverfahren
Vorbemerkung: System ist zeitdiskret
Regelziele:
• Erreichen eines Zielgebiets X+ ⊆ X• Nichtbetreten einer verbotenen Zone X− ⊆ X
wobei X+ ∩ X− = ∅.
Beispiel Pendel:
• X+ = {(s, _s, θ, _θ)| s ∈ [−0.05m, 0.05m] ∧ θ ∈ [−2.3◦, 2.3◦]}• X− = {(s, _s, θ, _θ)| s ∈ {s| |s| > 1.0m} ∨ θ ∈ {θ| |θ| > 40◦}}
lokale Kosten r(x, u) fur Anwendung der Aktion u in Zustand x
• r(x, u) = 0 fur x ∈ X+
• r(x, u) = c fur x ∈ X−, wobei c”
sehr groß“ gewahlt wird (theoretisch
unendlich)
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Fynesse: Lernverfahren Fortsetzung
Optimierungsziel: Wahl von r(x, u) in X\(X+ ∪ X−)
• zeitoptimal: rz(x, u) = cz
• energieoptimal: beim Pendel re(x, u) = ce · u2
globale Kosten:
Qπ(xt, ut) =
∞∑s=t
r(xs, π(xs)) mit xt+1 := f(xt, ut)
Regelstrategie:
π(x) := arg minu∈U(x)
Q(x, u)
Lernen: Annaherung an optimale Kosten Q∗
• Q ist a priori unbekannt
• Minimieren von Q→ Minimieren der Strategiekosten→ Optimieren der Strategie bzgl. Optimierungskriterium
Beispiel: (rz(x, u) als lokale Kosten)
Minimierung von Q bedeutet, die Anzahl der Schritte außerhalb des Zielbe-
reichs X+ zu minimieren → zeitoptimale Regelung
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: lernende Regler 324
Fynesse: Lernverfahren Fortsetzung 2
Ziel
Start
1
3
12 13
11
10
9 8 7 4 2
56
Optimalitatsprinzip: (Bellman)
Die Kosten der optimalen Strategie setzen sich zusammen aus lokalen Kosten
fur die nachste Entscheidung und den Kosten der optimalen Strategie fur
die nachfolgenden Entscheidungen.
Adaption der Kostenfunktion: (Grundform Q-Lernen)
Qm+1(xt, ut) := minu
{Qm(xt+1, u)} + r(xt, ut)
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: lernende Regler 325
Optimale Kostenfunktion
Ziel
2
3
5
5
9
32
1 2
11
2 1
33
4 3 4
45678
8
9 8 10Barriere9
988 7
67 7 8
6 5
7 6 5 4
34 2
67
2
Varianten der Adaption: synchron, asynchron
Ergebnis: Im Fall einer endlichen Zustandsmenge kann unter gewissen Vor-
aussetzungen Konvergenz gegen optimale Kostenfunktion Q∗ bewiesen wer-
den.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: lernende Regler 326
Probleme bei der Adaption von Q
Probleme:
• Zustandsraum ist oft kontinuierlich (z.B. Pendel)
I Tabellenreprasentation von Q zu aufwendig
I Adaption von Q nicht auf allen Zustanden moglich→ Approximation der Kostenfunktion (in Fynesse neuronales Netz als
Funktionsapproximator)→ Generalisierung des Gelernten durch Interpolation
• kein Prozeßmodell vorhanden
I Adaption von Q entlang realer Trajektorien
I Exploration, um moglichst alle Bereiche im Zustandsraum zu besu-
chen (wichtig fur Konvergenz)
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: lernende Regler 327
Ergebnisse am Beispiel Pendel
Wagen-
position
-0.5-0.4-0.3-0.2-0.1
00.10.20.30.40.5
s [m
]
Zeit
Winkel
-0.2
-0.15
-0.1
-0.05
0
0.05
0.1
0.15
0.2
thet
a [ra
d]
Zeit
vier aufeinander folgende Trajektorien (vier Startpositionen), Dauer jeder Trajektorie: 7s
schwarz: aufwendiger unscharfer Regler, blau: optimierter hybrider Regler
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Ergebnisse 2
Anzahl der Zeitschritte außerhalb des Zielbereichs fur jeweils vier Trajektorien mit 175Schritten Lange
Vorwissen #Trainingsseq. #Schritte Ø#Schritte
— 41000 37 16 26 59 34.5fuzzy (einfach) initialer Regler 149 101 101 149 125fuzzy (einfach) 44000 45 16 17 42 30
fuzzy (aufwendig) initialer Regler 48 38 38 48 43fuzzy (aufwendig) 54000 37 17 17 38 27.25
linear initialer Regler 46 37 37 46 41.5linear 58000 46 12 12 38 27
-10-8-6-4-202468
10F
[N]
Zeit
gewahlte Kraft des hybriden Reglers bei vier Trajektorien
optimierte Wahl von• extremen Aktionen ±10N zur Beschleunigung• unscharfem Regler im Zielbereich
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: lernende Regler 329
Ergebnisse: Interpretation
00.050.1
0.150.2
0.250.3
0.350.4
0.450.5
0.55
0 20000 40000 60000 80000 100000
Kos
ten
# Trainingssequenzen
Lernverlauf: durchschnittliche Kosten (=”Schritte außerhalb Zielbereich mal 0.002”) uber
Anzahl der Trainingssequenzen
rot: mit Vorwissen, blau: ohne Vorwissen
Ergebnis:
• selbstandiges Lernen von Regelstrategien moglich
• Vorwissen
I beschleunigt Lernvorgang
I stabilisiert Lernvorgang
I fuhrt zu besseren Regelstrategien
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: lernende Regler 330
Folgerungen
Beobachtung: Q(x, u) ermoglicht Gutevergleich von Aktionen in einem Zu-
stand
Idee: Transformation von Q in unscharfe Relation q
• us = argmaxu
Q(x, u)→ us schlechteste Aktion in Zustand x→ µq(x, us) := 0
• ub = argmaxu
Q(x, u)→ ub beste Aktion in Zustand x→ µq(x, ub) := 1
• lineare Skalierung aller anderen Aktionen
Regelextraktion: finde Pramissen Ai und Konklusionen Bi, so daß
• Aggregation von R[Ai→Bi]gleich q ist, z.B.⋃
i
Rci= q oder
⋂i
RGi= q
• Ai und Bi als linguistische Werte interpretiert werden konnen (verstandlich
sind)
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: lernende Regler 331
Verfeinertes Vorgehen
Problem: I.a. existiert keine Losung
Vorgehen: Approximation von q→ nichtlineares, nichtstetiges (im Falle der Godelrelation) Optimierungspro-
blem
Alternative: Interpolationsverfahren zur Approximation
Ergebnis: (s = _s = 0)
_θ \ θN 0 P
P 0 P P0 N 0 PN N N 0
einf. Fuzzy-Regler
_θ \ θN 0 P
P 0P 0P 0P0 N0 N0P 0PN N0 N0 N0
optimierter Regler
Pramissen und Konklusionen wie bei initialem Fuzzyregler, Gewichtungen von Regeln ein-gefuhrt und optimiert.→ Optimierung der Flanke zwischen ±10N
• Flanke gedreht
• Flanke steiler
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: lernende Regler 332
Beispiel Ruhrkesselreaktor
Regelung eines Ruhrkesselreaktors (chemische Zerfallsreaktion)
• starke Kopplung zwischen Zerfallsreaktion (Stoffkonzentration) und Tem-
peratur im Kessel
• Ziel der Regelung: Einstellung der Stoffkonzentration uber Regelung der
Temperatur auf Sollwert Null.
Ergebnis:
-0.05
0
0.05
0.1
0.15
0 1 2 3 4 5 6 7 8
x2
Zeit (min)
linearFynesse
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: lernende Regler 333
Beispiel: Interpretation
• Vorgabe von Pramissen
• Optimierung von Konklusionen
• Mamdani-Regler
rot: Pramissen, blau: Konklusionen
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
-0.04 -0.03 -0.02 -0.01 0 0.01 0.02 0.03 0.04x, u
rule 1
’negativ_x’’leicht_positiv_u’
x negativ → u leicht positiv
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
-0.04 -0.03 -0.02 -0.01 0 0.01 0.02 0.03 0.04x, u
rule 2
’null_x’’um_null_u’
x Null → u um Null
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
-0.04 -0.03 -0.02 -0.01 0 0.01 0.02 0.03 0.04x, u
rule 3
’positiv_klein_x’’negativ_klein_u’
x positiv klein → u negativ klein
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
-0.04 -0.03 -0.02 -0.01 0 0.01 0.02 0.03 0.04x, u
Regel 4
’positiv_gross_x’’negativ_mittel_u’
x positiv groß → u negativ mittel
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: lernende Regler 334
Beispiel: Folgerungen
’qual’
-0.03-0.0100.01
0.03
-0.05
0
0.05
0
0.5
1
x
u
unscharfe Relation q
’approximation’
-0.03-0.0100.01
0.03
-0.05
0
0.05
0
0.5
1
x
u
Approximation von q durch extrahierte Regeln nach Mamdani
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: lernende Regler 335
Beispiel: Schatzung isoseismischer Gebiete
Aufgabe: Interpolation von Daten durch unscharfe Interpretation und neu-
ronales Lernen
Quelle: Chongfu Huang, Yee Leung: Estimating the Relationship between Isoseismal Areaand Earthquake Magnitude by a Hybrid Fuzzy Neural Network Method Fuzzy Sets andSystems 107(1999),131-146
Problem: gegeben Erdbebenstarke M auf der Richterskala, bestimme iso-
seismische Gebiete S(I) gleicher Intensitat. Sei g = log S.
In einfachen Fallen gilt g = a + bM, a,b empirische Konstanten.
Anwendungsaufgabe: Bestimme aus der Serie von n Meßwerten (mi, gi) eine
bessere Approximation als lineare Interpolation
Schwierigkeit: Die Meßwerte streuen und konnten auch inkonsistent sein. In
jedem Fall sind sie eine nicht unbedingt reprasentative Stichprobe.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: lernende Regler 336
Vorgehensweise
• Ersetze Meßwerte (mi, gi) durch unscharfe Mengen, benutze Normalver-
teilung (Glockenkurve), keine Dreiecke.
• Ersetze Zuordnung mi → gi durch unscharfe Regel if m is mi then g is gi
• Benutze Produkt statt Minimum als t-Norm fur die Implikation (empiri-
scher Befund), gewichtete Mittel zur Zusammenfassung der Regeln.
Problem: alle bekannten Methoden der Scharfung des Gesamtergebnisses
sind unzureichend.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: lernende Regler 337
Vorgehensweise und Ergebnis
Benutze ein neuronales Netz (back-
propagation), um aus den gegebenen
Werten (mi, gi) zu lernen, wie man das
unscharfe Endergebnis richtig scharft.
Ergebnis (am Beispiel): Die Summe
der Fehlerquadrate sinkt im Vergleich
zum linearen Verfahren von 0.27 auf
0.196.5 5.5 6 6.5 7 7.5 8
0.659
1.318
1.977
2.636
3.295
3.954
M
Log(
S(I>
VII)
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: lernende Regler 338
Ahnlichkeit, Ballungsanalyse
Ahnlichkeit: Aufgabe
Aufgabe:
• Gegeben: Paare (Falle) (xi, yi) ∈ X× Y, i ∈ {0, 1, . . . n}
• Gesucht: Interpolierende Funktion
g : X −→ Y mit g(xi) = yi
• Anschaulich: WENN x ahnlich zu xi DANN y ahnlich zu yi
Anwendung 1: Klassische Interpolation
Verbinde (xi, yi) durch vorgegebenen Satz von Basisfunktionen (Vorwissen
in der Wahl der Basis)
Anwendung 2: Fallbasiertes Schließen
• Fallbasis {(xi, yi)}i∈I mit Problemen xi und Losungen yi
• Suche zu gegebenem Problem x ahnlichstes Problem xi
• Schließe auf Losung yi
Interpolation auf Y?
• Vorwissen: Ahnlichkeitsmaß
Idee: Modelliere den Begriff ahnlich durch eine unscharfe Ahnlichkeitsrelation
A.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 339
Ahnlichkeitsrelation
Definition: (Ahnlichkeitsrelation)
Eine unscharfe Relation A(X ,X ) heißt Ahnlichkeitsrelation, wenn A reflexiv,
symmetrisch und transitiv ist.
⇒ unscharfe Version der Aquivalenzrelation
µA(x, y) gibt den Grad der Ahnlichkeit von x und y an.
Jeder α–Schnitt Aα von A stellt eine Aquivalenzrelation dar: gilt (x, y) ∈ Aα,
so ahneln sich x und y mindestens mit Grad α.
Aα definiert eine Partition Π(Rα) von X . Es gilt:
α ≥ β ⇔ Π(Aα) ist Verfeinerung von Π(Aβ)
Damit ist eine Ahnlichkeitsrelation A durch eine Folge geschachtelter
Aquivalenzrelationen 〈Aα〉 festgelegt (und umgekehrt).
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 340
Ahnlichkeitsrelation als Graph: Beispiel
A(X ,X ) , X = {a, b, c, d, e, f, g}
A =
1 0.8 0 0.4 0 0 00.8 1 0 0.4 0 0 00 0 1 0 1 0.9 0.5
0.4 0.4 0 1 0 0 00 0 1 0 1 0.9 0.50 0 0.9 0 0.9 1 0.50 0 0.5 0 0.5 0.5 1
aa
g
d
b
c
f
e
α=0.4
α=0.5
α=0.8
α=0.9
α=1.0
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 341
Ahnlichkeitsrelation: Partitionsbaum
A(X ,X ) , X = {a, b, c, d, e, f, g}
A =
1 0.8 0 0.4 0 0 00.8 1 0 0.4 0 0 00 0 1 0 1 0.9 0.5
0.4 0.4 0 1 0 0 00 0 1 0 1 0.9 0.50 0 0.9 0 0.9 1 0.50 0 0.5 0 0.5 0.5 1
Zugehoriger Partitionsbaum:a b c e f gd
a
a
a
b
b
b
d
d
d
c
c
c e
e
e
f
f
f
g
g
g
a b d c e f gR
R
R
R
R
1.0
0.9
0.8
0.5
0.4
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 342
Ahnlichkeitsklassen
Aquivalenzklassen sind scharfe Mengen.
Analog sind Ahnlichkeitsklassen zu A unscharfe Mengen.
Die Ahnlichkeitsklasse eines Elementes x ∈ X ist die unscharfe Menge Ax mit
µAx(y) = µA(x, y).
Ist µA(x, y) als Matrix gegeben, so ist µAx(y) die x–Zeile (x–Spalte) dieser
Matrix.
Im Beispiel der vorigen Folie gibt es fur die sieben Elemente a, b, c, d, e, f und g sechs
Ahnlichkeitsklassen, da Ac = Ae.
Verallgemeinerung:
Quasi–Aquivalenzrelation (symmetrisch und transitiv).
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 343
Ahnlichkeit: Beispiel
Unscharfe Relation R(X, X) “ist ungefahr gleich” induziert durch die Stan-
dardmetrik d(x, y) = |x − y| auf IR ist mit der t–Norm i(a, b) = max{a + b − 1, 0}
eine Ahnlichkeitsrelation:
∀x, y ∈ IR : µR(x, y) = max (0, 1 − |x − y|) .
x
0
10
8
6
4
2
0
y
0
10
8
6
4
2
0
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 344
Anwendung
Modellierung der unscharfen Menge
xi = ahnlich zu xi:
Vorgehen: Definiere µxi(x) = µA(xi, x) mit einer Ahnlichkeitsrelation A.
Forderungen:
(a1) µxi(xi) = 1
(a2) xi ist konvex
(a3) Wenn x und y ahnlich, dann µxi(x) und µxi
(y) ahnlich:
∀x, y ∈ X : t(µxi(x), µA(x, y)) ≤ µxi
(y)
Ergebnis: Die mit A definierten unscharfen Mengen xi, i ∈ {0, 1, . . . n} erfullen
(a1) und (a3).
Konvexitat ubertragt sich von A auf xi.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 345
Ahnlichkeit mit Interpolation
Idee fur unscharfe Interpolation: Seien x, x ′ ∈ X, g : X −→ Y.
Erhaltung der Ahnlichkeit von x und x ′ bei Anwendung der interpolierenden
Abbildung g:
WENN x ′ ahnlich zu x DANN g(x ′) ahnlich zu g(x)
Forderung: µAX(x, x ′) ≤ µAY
(g(x), g(x ′))
mit Ahnlichkeitsrelationen AX, AY auf X bzw. Y.(Extensionalitat)
Extensionalitat einer unscharfen Relation g(X, Y):∀x, x ′ ∈ X, y, y ′ ∈ Y : t(µg(x, y), µAX
(x, x ′)) ≤ µg(x ′, y) undt(µg(x, y), µAY
(y, y ′)) ≤ µg(x, y ′)
Lemma: Die extensionale Hulle
µg(x, y) = supx ′∈X
min{µAX(x, x ′), µAY
(y, g(x ′))}
ist die kleinste extensionale unscharfe Relation, die den Graphen G = {(x, g(x))| x ∈X} enthalt.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 346
Konstruktion einer Interpolation
Gegeben: Paare (xi, yi) ∈ X× Y, i ∈ {0, 1, . . . n} und Ahnlichkeitsrelationen AX,
AY auf X bzw. Y.
Gesucht: Unscharfe interpolierende Relation g mit µg(xi, yi) = 1
Verfahren:
Bilde die extensionale Hulle des Graphen G0 = {(xi, yi)| i ∈ {0, 1, . . . n}. Sie ent-
spricht der kleinsten Erweiterung der bekannten Wertepaare bzgl. der gege-
benen Ahnlichkeitsrelationen und stellt in diesem Sinne die beste Annaherung
an die interpolierende Relation g dar.
Ergebnis:
µg(x, y) ≥ µg0(x, y)
= maxi∈{0,1,...n}
min{µAX(x, xi), µAY
(y, yi)}
= maxi∈{0,1,...n}
min{µxi(x), µyi
(y)}
Der klassische unscharfe Regler [Mamdani] stellt eine untere Schranke fur
die interpolierende Relation g dar!
Literatur: Kruse, Gebhardt, Klawonn: Fuzzy-Systeme
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 347
Nachbarschaftsrelation
Definition: Eine unscharfe Relation R(X ,X ) heißt Nachbarschaftsrelation (pro-
ximity relation), wenn R reflexiv und symmetrisch ist.
⇒ unscharfe Version der Kompatibilitatsrelation.
Die Kompatibilitatsklasse A ⊆ X eines Elementes x ∈ X bezuglich einer
(scharfen) Kompatibilitatsrelation R enthalt alle Elemente y ∈ X mit (x, y) ∈R.
Eine Kompatibilitatsklasse ist maximal, wenn sie in keiner anderen Kompa-
tibilitatsklasse vollstandig enthalten ist.
Die Familie aller maximalen Kompatibilitatsklassen heißt vollstandige Uberdeckung
von X bezuglich R.
Die α–Kompatibilitatsklasse von x ∈ X bezuglich der Nachbarschaftsrelation
R ist die Menge Aα ⊆ X , so daß
∀y ∈ aα : µR(x, y) = µR(y, x) ≥ α.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 348
Nachbarschaftsrelationen als Graph
Beispiel:
R =
1 0.8 0 0 0 0 0 0 00.8 1 0 0 0 0 0 0 00 0 1 1 0.8 0 0 0 00 0 1 1 0.8 0.7 0.5 0 00 0 0.8 0.8 1 0.7 0.5 0.7 00 0 0 0.7 0.7 1 0.4 0 00 0 0 0.5 0.5 0.4 1 0 00 0 0 0 0.7 0 0 1 00 0 0 0 0 0 0 0 1
R als Graph:
aa
α=0.4
α=0.5α=1.0
α=0.7
α=0.8
b
c
f
d
e
g
h
i
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 349
Nachbarschaftsrelationen: vollstandige α-Uberdeckung
R =
1 0.8 0 0 0 0 0 0 00.8 1 0 0 0 0 0 0 00 0 1 1 0.8 0 0 0 00 0 1 1 0.8 0.7 0.5 0 00 0 0.8 0.8 1 0.7 0.5 0.7 00 0 0 0.7 0.7 1 0.4 0 00 0 0 0.5 0.5 0.4 1 0 00 0 0 0 0.7 0 0 1 00 0 0 0 0 0 0 0 1
zugehorige vollstandige α–Uberdeckungen Rα:
ca
b dc e f gR
d e
a
b
a b
a b
a b
c d e
c d e
f
d e f
d e f
c d e
g
g
d e
gd e f
g
e h
e h
e h
h
i
i
i
i
ih
R
R
R
R
0.8
0.7
0.5
0.4
1.0
Beachte: i.a. bilden die Rα keine Partition von X .
Falls die Rα fur alle α eine Partition bilden, liegt eine Ahnlichkeitsrelation vor.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 350
Unscharfe Ballungsanalyse
Aufgabe: Einteilen von Daten in Gruppen, z. B. bei
• Mustererkennung
• Bildverarbeitung, Finanzdatenanalyse
Idee:
• Teile den Raum in eine geeignete Anzahl von Kugeln (Ballen) ein
• Ordne jeden Datenpunkt Moglichkeitsgrade zu - die Zugehorigkeit zu
den Ballen
• Iteratives Optimieren der Anordnung der Kugelmittelpunkte
Probleme:
• Maßstab
• Nachbarschaft in nicht kontinuierlichen Universen
• Ballungen in hochdimensionalen Raumen
• Startwerte des iterativen Verfahrens
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 351
Abhangigkeit vom Maßstab
Zwei gleiche Datensatze, verschiedene Maßstabe
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 352
Unscharfe Ballungsanalyse: Alternativen
Verfahren:
• deterministisch
jeder Datenpunkt wird einer Ballung zugeordnet, fuhrt zur Partitionierung
• probabilistisch
jedem Datenpunkt wird fur jeden Ballen i eine Wahrscheinlichkeit zugeordnet,∑
pi = 1,
pi als Moglichkeit interpretierbar
• possibilistisch
jedem Datenpunkt wird fur jeden Ballen i ein Moglichkeitsgrad zugewiesen
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 353
Unscharfe Ballungsanalyse: Alternativen 2
• hierarchisch
Einteilung wird stufenweise durchgefuhrt
• mit Bewertungsfunktion
Optimierungsproblem, finde Ballungseinteilung, so daß Bewertungsfunktion maximal/minimal
wird
Alle vorangehenden Falle lassen sich als Spezialfalle hiervon auffassen.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 354
Analyseraum, Bewertungsfunktion, Distanzfunktion
Definition: Sei D der Datenraum, E der Ergebnisraum (E ⊆ P(D)), dann
heißt:
• A(D, E) := {FK(D)|K ∈ E} unscharfer Analyseraum
• φ : A(D, E) → R Bewertungsfunktion
• δ : D × K → R+ Distanzfunktion
Als Distanzfunktion wahlt man i.d.R. den euklidischen Abstand. Auch andere
Normen sind moglich. L1, d. h.∑i
|xi − yi|, spart Rechenzeit.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 355
Possibilistische Ballungseinteilung
Definition: Sei A(D, E) ein unscharfer Analyseraum, X ⊆ D,
f : X× K → FK(D) heißt possibilistische Ballungseinteilung, wenn
∀k ∈ K :∑x∈X
f(x, k) > 0
Das Ergebnis f(x, k) ∈ FK(D) wird als Zugehorigkeitsgrad µk(x) aufgefaßt,
mit dem x ∈ X zu der unscharfen Ballung k ∈ FK(D) gehort.
Bemerkung:
falls∑x∈X
f(x, k) = 1, heißt die Einteilung probabilistisch
f(x, k) heißt Grad der Reprasentativitat des Datums x ∈ X fur die Ballung k
∈ K
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 356
Unscharfe Ballungsanalyse: Grundalgorithmus
Gegeben: {x1, . . . , xn} = X ⊆ D, {k(i)1 , . . . , k
(i)c } ⊆ D
1 Wahle m > 1, Fehlertoleranz ε, maximale Anzahl von Iterationen i0
Großes m erhoht die Unscharfe, siehe nachste Folie.
2 i = 0, initialisiere Kugelmittelpunkte k(i)
3 REPEAT
bestimme k(i) mit φ(f(x, k(i−1)), δ(x, k(i))) minimal;
i = i + 1;
UNTIL ‖f(x, k(i)) − f(x, k(i−1))‖ ≤ ε oder i > i0
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 357
Konkrete Auspragung: FCM
FCM (fuzzy c means), probabilistisch entwickelt von J.C. Dunn 1974, gene-
ralisiert von Jim Bezdek 1981
Ix := {j ∈ K|d(x, j) = 0} und δ(x, k) = ‖x − k‖
Analysefunktion: f(x, k) =
1∑j∈K
(δ2(x,k)
δ2(x,j))
1m−1
: fur Ix = ∅
∑i∈Ix
f(x, i) = 1 : fur Ix 6= ∅, k ∈ Ix
0 : sonst
Bewertungsfunktion: φ(f, δ) =∑x∈X
∑k∈K
fm(x, k)δ2(x, k)
Ballungsmittelpunkte: k(i+1)j =
∑f(x,k
(i)j
)m x∑f(x,k
(i)j
)m
Die Terme in der Analysefunktion und beim Ballungsmittelpunkt benutzen
Fehlerquadrate δ2(x, k).
Nachteile: Anzahl Ballungen mussen vorher bekannt sein,
Ballungen sind gleich große Kugeln
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Unscharfe Ballungsanalyse: Beispiel
Datensatz soll in drei Ballungen eingeteilt werdenProf. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 359
Unscharfe Ballungsanalyse: Beispiel Fortsetzung
Zwei Testlaufe fuhren zum gleichen Ergebnis
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 360
Unscharfe Ballungsanalyse: Beispiel Fortsetzung
00.2
0.40.6
0.81
0
0.2
0.4
0.6
0.8
10
0.2
0.4
0.6
0.8
1
XY
MF
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
00.10.20.30.40.50.60.70.80.91
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
X
Y
MF
Zugehorigkeitsfunktion zweier Ballungen
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 361
Unscharfe Ballungsanalyse: Beispiel Fortsetzung
00.2
0.40.6
0.81
0
0.2
0.4
0.6
0.8
10
0.2
0.4
0.6
0.8
1
XY
MF
Schlechtes Ballen bei Zufallsdaten, Ballungsmittelpunkte haben maximalen
Abstand
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 362
Minimale possibilistische Bewertung
Notwendige Bedingung fur minimale Bewertung(possibilistisch):
Satz: Sei A(D, E) ein Analyseraum X ⊆ D, K ⊆ E, φ eine Bewertungsfunktion
mit Distanzfunktion δ, m > 1. Ist φ(f) minimal so gilt
f(x, k) =1
1 + (δ2(x,k)
ηk)
1m−1
mit ηk ∈ R und k ∈ K
Mit ηk steuert man die Große einer Ballung.
m steuert den Grad der Unscharfe, je großer, desto unscharfer.
Beweis bei Kruse: Fuzzy Clusteranalyse
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 363
Konkrete Auspragung: PCM
PCM (possibilistic c means) von R. Krishnapuram und J. Keller 1993
Analysefunktion: f(x, k) = 1
1+(δ2(x,k)
ηk)
1m−1
Bewertungsfunktion: φ(f) =∑x∈X
∑kK
f(x, k)δ2(x, k) +∑k∈K
ηk
∑x∈X
(1 − f(x, k))m
Ballungsmittelpunkte: wie bei FCM
Abstandsfunktion: beliebige Norm (Euklid ublich)
Vorteil: Ballungsgroße ist mit ηk steuerbar.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 364
Wahl von ηk
Ansatze fur die Wahl von ηk:
ohne jegliches Zusatzwissen uber die Große der Ballung:
ηk =
∑x∈X
fm(x, k)δ2(x, k)∑x∈X
fm(x, k)
mit Vorwissen uber die zu erwartende Große der Ballungen:
√ηk als mittleren Durchmesser der Ballungen
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 365
Weitere Algorithmen
Gustafson-Kessel Algorithmus 1979
Jeder Ballung wird mit einer individuellen Norm bewertet. Die Ballungen sind somit
Ellipsoide statt Kugeln.
Gath-Geva Algorithmus 1989
variable Ballungsgroßen, die Dichte der Daten wird anhand einer Statistik ermittelt und
so die Anzahl der Daten pro Ballung geschatzt.
Beide Verfahren neigen zu lokalen Minima, weshalb man FCM zum Bestim-
men eines geeigneten Startvektors benutzen sollte.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 366
Initialisierung der Verfahren
Die Initialisierung hangt vom Vorwissen ab. Gibt es keines, bleiben nur
zufallige Startwerte. Haufig verwendet man einfache Verfahren, um geeig-
nete Startwerte zu erhalten, beispielsweise FCM fur PCM.
Die Anzahl der Ballungen zu bestimmen, ist schwierig. In hochdimensiona-
len Raumen hilft die visuelle Vorbereitung nicht. Entweder ergibt sich die
Anzahl der Ballungen aus der Aufgabe, oder man muß die Anzahl mit einem
Gutemaß iterativ bestimmen.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 367
Gutemaße fur Ballungsalgorithmen
Ziel: ’Optimale’ Partition, jeder Datenpunkt ist mindestens einer Ballung
zugeordnet
Idee: Bestimme ein Gutemaß abhangig von der Anzahl der Ballungen
Bewertungsfunktion φ ist zwar geeignet, aber es gilt limc→∞ φc(f) = 0.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 368
Partitionskoeffizienten und Partitionsentropie
In der Praxis haben sich die folgenden Maße durchgesetzt:
Partitionskoeffizient (Bezdek)
PC(f) =
∑x∈X
∑k∈K
f2(x,k)
|X|
Partitionsentropie (Bezdek)
PE(f) = −
∑x∈X
∑k∈K
f(x,k)ln(f(x,k))
|X|
Partitionskoeffizient ist i.d.R. wegen des geringeren Rechenaufwands vorzu-
ziehen
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 369
Anzahl der Ballungen
typischer Verlauf
Auswahl der Anzahl der Ballungen mit mehreren Verfahren
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Ahnlichkeit, Ballungsanalyse 370
unscharfe Entscheidungsfindung
Aufgabenstellungen (Auswahl)
• MADM: multiple attribute decision making: Auswahl unter vorgegebenen
Alternativen bei mehreren eventuell widerspruchlichen Attributen
• Gruppenentscheidung: gesucht ist eine Teilmenge C ⊆ A von Optionen
auf der Grundlage der Meinung von m Experten, von denen jeder seine
eigene Relation Rj benutzt.
• MODM: multiple objective decision making: Auswahl unter einer un-
beschrankten Anzahl von Alternativen, die implizit durch Bedingungen
beschrieben sind.
• Optimierungsprobleme mit Randbedingungen (mathematische Program-
mierung)
• Entscheidungsfindung mit Wechselwirkungen zwischen Zielen und Attri-
buten (interacting goals).
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 371
MADM: mehrere Attribute, eine Entscheidung
Beispiel: Arbeitsplatzsuche: mehrere Angebote (Alternativen) x, jedes cha-
rakterisiert durch eine unscharfe Menge Ai, die Attribute Gehalt, Lebens-
qualitat, Art der Arbeit und Nahe zur Familie bewertet. Jedes Attribut Ai
besitzt ein Gewicht wi mit Summe∑i
wi = 1.
Verfahren: gewichtete Zusammenfassung (Aggregation):
Sei ai = µAi(x).
Bestimme gewichtete Bedeutung ai = g(wi, ai).
Bestimme gewichtete Zusammenfassung µA(x) = f(a1, . . . , an).
Die Wahl von g hangt von der Wahl des Aggregationsoperators f ab.
Forderungen an g:
g(w, a) monoton in beiden Argumenten,
g(1, a) = a,
g(0, a) so gewahlt, daß a ohne Bedeutung: f(a1, g(0, a2)) = f(a1).
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 372
MADM: Aggregation durch Minimumbildung
Sei f ≡ min.
Attribute mit geringer Bedeutung mussen große Werte ai haben:
g(wi, ai) = S(1 − wi, ai), S Co-t-Norm (Yager, 1994)
z. B.
g(wi, ai) = max(1 − wi, ai),
g(wi, ai) = 1 − wi + aiwi, (S(x, y) = x + y − xy),
g(wi, ai) = min(1, 1 − wi + ai), (S(x, y) = min(1, x + y)).
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 373
Aggregation durch Minimumbildung: Anwendung
Gegeben:
w aiGehalt 0.4 0.1Lebensqualitat 0.1 0.2Art der Arbeit 0.3 0.2Nahe zur Familie 0.2 0.4
Mit g(wi, ai) = max(1 − wi, ai) gilt a = g(w, a) = (0.6, 0.9, 0.7, 0.8) und
min a = min(a1, . . . , a5) = 0.6.
Mit g(wi, ai) = 1 − wi + aiwi gilt a = g(w, a) = (0.64, 0.91, 0.76, 0.88)
und min a = min(a1, . . . , a5) = 0.64.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 374
MADM: Aggregation durch Maximumbildung
Sei f ≡ max.
Attribute mit geringer Bedeutung mussen kleine Werte ai haben:
g(wi, ai) = T(wi, ai), T t-Norm (Yager, 1994)
z. B.
g(wi, ai) = min(wi, ai),
g(wi, ai) = aiwi, (probabilistisch),
g(wi, ai) = max(0, wi + ai − 1), ( Lukasiewicz).
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 375
Aggregation durch Minimumbildung: Anwendung
Gegeben:w ai
Gehalt 0.4 0.1Lebensqualitat 0.1 0.2Art der Arbeit 0.3 0.2Nahe zur Familie 0.2 0.4
Mit g(wi, ai) = min(wi, ai) gilt a = g(w, a) = (0.1, 0.1, 0.1, 0.2, 0.2) und
max a = max(a1, . . . , a5) = 0.2.
Mit g(wi, ai) = wiai gilt a = g(w, a) = (0.04, 0.01, 0.06, 0.08) und
max a = max(a1, . . . , a5) = 0.08.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 376
Baas und Kwakernaak
Diese Methode basiert auf dem Optimieren der durchschnittlichen Bewer-
tung aller Alternativen und aller Ziele:
Wahle Alternative xi, so daß
Ri =
∑j
wjrij(xi)∑j
wj
rij ist eine Bewertung der Alternative i unter der Annahme des Ziels j.
Die unscharfe Version von Baas und Kwarkernaak benutzt eine unscharfe
Bewertung ~rij und eine unscharfe Gewichtung ~wj. So wird jede Alternative
mit einer unscharfen Menge bewertet. Diese werden nicht gescharft, sondern
mit einem Reihungsalgorithmus verglichen.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 377
Yager
Wie zuvor seien X = {x1, . . . , xn} die Alternativen und G = {g1, . . . , gm} die zu
erreichenden Zielkriterien. Die gj sind mit unscharfen Mengen charakterisiert:
gj = {xi, µgj(xi)}
Eine unscharfe Entscheidung leiten wir aus dem Schnitt aller gj ab:
µD(xi) = minj
µgj(xi) i = 1, . . . , n
und wahlen die Losung x ′, damit folgende Gleichheit gilt
µD(x ′) = maxi
minj
µgj(xi) i = 1, . . . , n, j = 1, . . . , m
Eine Gewichtung der Ziele gj ist nach Yager durch Gewicht wj moglich:
µ ′gi= (µgj
(xi))wj
Bemerkung: an dieser Stelle wird deutlich, wie Yager seine t-Norm motiviert.
Der Gewichtungsfaktor findet sich dort wieder.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 378
MADM: Attributhierarchie, eine Entscheidung
Ziel: Auswahl unter Alternativen mit einer Hierarchie von Kriterien, die paar-
weise verglichen werden.
Vorgehen: Auf jeder Ebene Attributpaaren relative Bedeutung aij zuordnen
(unscharf auf Ordinalskala), aji := 1aij
.
Skala z. B. (Saaty, 1980):
rel. Bedeutung Interpretation1 gleich wichtig3 schwach wichtiger5 wichtiger7 nachweisbar wichtiger9 sehr wichtig2,4,6,8 Zwischenwerte
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 379
Beispiel Arbeitsplatzwahl (Saaty)
Gegeben die Vergleichsmatrix:
Gehalt Lebensq. Art d. Arbeit Nahe z. FamilieGehalt 1 5 2 4
Lebensqualitat 15 1 1
212
Art der Arbeit 12 2 1 2
Nahe zur Familie 14 2 1
2 1
Paarweiser Vergleich ist inkonsistent: Wegen a13 = 2 (Gehalt ist doppelt so
wichtig wie Art der Arbeit) und a32 = 2 mußte a12 = 4 sein.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 380
Konsistente Bewertung
Gegeben n Attribute und zugeordnete Gewichte wi, Vergleichsmatrix:
W =
w1w1
w1w2
· · · w1wn
w2w1
w2w2
· · · w2wn
... ... · · · ...
wnw1
wnw2
· · · wnwn
Da die Matrix gegeben ist, muß der Vektor w bestimmt werden. Offensicht-
lich ist fur eine konsistente Matrix w ein nicht trivialer Eigenvektor (es kann
sogar gezeigt werden, daß es der einzige ist). Der zugehorige Eigenwert ist
n: W ·w = n ·w
Ist die Matrix inkonsistent, nahert man w durch den Eigenvektor zum großten
Eigenwert ∆ an. (∆ − n) kann man als Maß der Konsistenz betrachten.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 381
Naherungslosung
1. Normieren der Spalten
2. geometrisches oder arithmetisches Mittel als Naherung fur w, da jeder
Eintrag in der normierten Matrix als prozentuales Votum interpretiert
werden kann.
Beispiel Folie 380 Fortsetzung:
normierte Matrix:
W =
0.5128 0.5000 0.5000 0.53330.1026 0.1000 0.1250 0.06670.2564 0.2000 0.2500 0.26670.1282 0.2000 0.1250 0.1333
Gewichtsvektor
w1=0.5128+0.5000+0.5000+0.5333
4 =0.5115
w2=0.1026+0.1000+0.1250+0.0667
4 =0.0986
w3=0.2564+0.2000+0.2500+0.2667
4 =0.2433
w4=0.1282+0.2000+0.1250+0.1333
4 =0.1466
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 382
Konsistenztest
1. Berechne den durchschnittlichen Eigenwert ∆
2. Berechne den Abstand zum theoretischem Wert CI = ∆−nn−1
3. Vergleiche CI (consistency index) mit RI (random index
n 2 3 4 5 6 7 8 9 10RI 0 0.58 0.90 1.11 1.24 1.32 1.41 1.45 1.51
(RI ergibt sich aus einer Simulation bei gegebener Matrixgroße.)
4. Falls CIRI > 0.10 geht man von starker Inkonsistenz aus.
In unserem Beispiel gilt CI = 0.0159 und CIRI = 0.0176, d.h. die Matrix ist zwar
inkonsistent, aber nicht zu stark, um sie zu benutzen.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 383
Bewerten der Alternativen
Das Vorgehen ist ahnlich. Zuerst wird je Attribut eine Matrix zum paarweisen
Vergleich der Alternativen erstellt.
Angenommen wir hatten zwischen drei Arbeitsangeboten zu wahlen:
Gehalt Angebot1 Angebot2 Angebot3Angebot1 1 2 4
Angebot2 12 1 2
Angebot3 14
12 1
Der Gewichtsvektor ist (0.5714, 0.2857, 0.1429), d.h. das Angebot1 ist das Beste
in Bezug auf das Gehalt.
Gleiches fuhrt man fur die anderen Attribute durch. Zum Schluß mittelt man
die Angebotsbewertungen mit den Attributsbewertungen und erhalt so eine
Reihenfolge der Angebote.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 384
Alternativer Ansatz (Yager)
Gegeben Alternativen A1, . . . , An und Kriterien C1, . . . , Ck mit Zuordnungen
(Ai, cj) → aij. Berechne relative Gewichte pj mit Saatys Methode und dann
den Wert fur die i-te Alternative mit
min{ai1, . . . , aik}, aij = apj
ij
Aus dieser Anwendung stammt Yagers t-Norm!
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 385
Beispiel
Sei p = (0.16, 0.19, 0.19, 0.05, 0.12, 0.30) und
a1 = (1, 0.6, 1, 0.5, 1, 0.2) Alternative A
a2 = (0.2, 1, 0.7, 0.5, 0.8, 1) Alternative B
a3 = (0.8, 1, 0.4, 0.6, 0.2, 1) Alternative C
Dann gilt
A : min{1, 0.60.19, 1, 0.50.05, 1, 0.20.30} = min{0.90, 0.96, 0.61} = 0.61
B : min{0.20.16, 1, 0.70.19, 0.50.05, 0.80.12, 1} = min{0.77, 0.93, 0.96, 0.97} = 0.77
C : min{0.80.16, 1, 0.40.19, 0.60.05, 0.20.12, 1} = min{0.96, 0.84, 0.97, 0.82} = 0.82⇒ Wahl von Alternative C.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 386
MODM: mehrere Zielfunktionen
Aufgabe: maximiere maxx∈X
{f1(x), . . . , fk(x)}
• fi : IRn → IR, Zielfunktionen (objectives), IRk : Kriterienraum.
• x = (x1, . . . , xn)T ∈ IRn : Entscheidungsvariable, IRn : Entscheidungsraum.
• X ⊆ IRn : mogliche Alternativen (wird eventuell durch Bedingungen ein-
geschrankt).
• ZX = {z ∈ IRk | zi = fi(x), i = 1, . . . , k, x ∈ X} : mogliche Ergebnisse.
x∗ ∈ X heißt effizient oder Pareto optimal, wenn es kein y ∈ X mit fi(y) ≥fi(x
∗), i = 1, . . . , k gibt, bei dem fur mindestens ein i fi(y) > fi(x∗) gilt. X∗ :
Menge aller Pareto optimalen Losungen.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 387
Beispiel
k = 3, gesucht Pareto optimale Losung fur maxx∈X
{f1(x), f2(x), f3(x)}.
Sei X = {u, v, w}. ZX = {(1, 3, 3), (2, 2, 3), (1, 2, 2)} Menge moglicher Ergebnisse.
Dann sind u und v Pareto optimal.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 388
Unscharfes MODM
Seien zusatzlich Funktionen µi : IR → [0, 1] gegeben, die den Erfullungsgrad
der i-ten Zielfunktion fi messen. Hi(x) = µi(f(x)). Hi(x∗) = 1 fur Pareto opti-
male Losungen.
gleichzeitige Optimierung aller Ziele bedeutet dann Berechnung von
maxx
t(H1(x), . . . , Hk(x)),
wo t eine t-Norm ist, die die Konjunktion der Ziele reprasentiert.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 389
Beispiel
Berechne max{x, 1 − x}, x ∈ [0, 1] mit H1(x) = x, H2(x) = 1 − x.
Mit der Minimum-Norm als t-Norm erhalt man x∗ = 12, f1(x
∗) = f2(x∗) = 1
2.
Mit der Lukasiewicz-Norm statt min gilt jedoch X∗ = [0, 1].
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 390
Unscharfes Lineares Programmieren
cTx≤z
Ax≤b
x ≥ 0
≤ ist die unscharfe Variante von ≤
Faßt man die beiden ersten Gleichungen zusammen, lautet die Aufgabe:
Bx≤d
x ≥ 0
Eine unscharfe Entscheidung wird mit µD(x) = min{µ1 . . . µn} beschrieben,
wobei µi(x) den Grad beschreibt, mit dem x die Zeile i der Ungleichung
erfullt.
Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2003: Entscheidungsfindung 391
Ende der VorlesungIch wunsche Ihnen erholsame und erfolgreiche Semesterferien,
insbesondere viel Erfolg bei etwaigen Prufungen