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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. Verbindungsbildung im System Ag2S-GeS2-AgI Compound Formation in the System Ag2S-GeS2-AgI Alois Nagel und Klaus-Jürgen Range Institut für Chemie der Universität Regensburg Z. Naturforsch. 83 b, 1461-1464 (1978); eingegangen am 14. August 1978 System Silver Sulfide-Germanium Disulfide-Silver Iodide, Disilver Germanium Trisulfide, Crystal Structure, Quaternary Compounds Besides the well-known argyrodite (AggGeSß), the new compound Ag2GeS3 could be synthesized from Ag2S-GeS2 mixtures. Ag2GeS3 crystallizes in an orthorhombic variant of the Wurtzite structure. Treatment of Ag2GeS3 in a Agl/AgCl-eutectic yields the quaternary compound Ag7GeSsI. Crystal data for AgyGeSsI and some analogous compounds are given. Nach differentialthermoanalytischen Untersu- chungen von Gorochov [1] existiert im pseudo- binären System Ag2S-GeS2 nur die silberreiche Ver- bindung AgsGeSö (Argyrodit). Dabei wurden die Proben im Bereich von 16 bis 100 Mol-% Ag2S durch Vorreaktion von Elementgemischen bei 800-1000 °C dargestellt. Wegen der Reaktionsträg- heit der eingesetzten Elemente, vor allem des Ger- maniums, besteht bei diesem Vorgehen die Gefahr, daß Verbindungen, die nur bei verhältnismäßig niedrigen Temperaturen stabil sind, übersehen werden. Einen Hinweis in dieser Richtung gaben die Arbeiten von Elli et al. [2, 3]. Später fanden Mandt und Krebs, daß in dem analogen System Ag2S-SiS2 neben AgsSiSß noch eine silberärmere Verbindung der Stöchiometrie AgioSisSu existiert [4]. Unsere Untersuchungen ergaben nun, daß auch im System Ag2S-GeS2 weitere ternäre Verbindungen auftreten. Dabei zeigte sich, daß die Wahl der Aus- gangssubstanzen von entscheidender Bedeutung für den Reaktionsablauf ist. In Vorversuchen wurde zunächst, ausgehend von den Beobachtungen von Mandt und Krebs [4], ein Gemisch von Silber (Wolle p. A., Merck), Germa- nium (LAB, Merck) und Schwefel im Atomverhält- nis 10:3:11 in evakuierten, abgeschmolzenen Quarzampullen zur Reaktion gebracht. Die Re- aktionstemperatur wurde dabei jeweils innerhalb von 24 h langsam um 150 °C erhöht. Nach vier- tägiger Reaktionsdauer, also nach dem Erreichen einer Temperatur von 600 °C, waren in der Quarz- ampulle sehr geringe Mengen einer roten Substanz zu erkennen, eingebettet in eine graue, feinkristal- Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. Klaus-Jürgen Range, Institut für Chemie der Universität Regens- burg, Universitätsstraße 31, D-8400 Regensburg. line Matrix. Nach weiterer Temperaturerhöhung auf 750 °C war die rote Substanz wieder verschwun- den. Ein zweiter Aufheizversuch wurde bei 600 °C abgebrochen. Nach dem Abschrecken auf Zimmer- temperatur konnten einige rote Anteile aus dem Reaktionsgemisch aufgelesen werden. Guinier-Auf- nahmen zeigten, daß es sich um eine bisher unbe- kannte Verbindung handelt, die später als Ag2GeS3 charakterisiert werden konnte. Die graue, fein- kristalline Matrix ist ein Gemisch aus Ag2S, AgsGeSß und GeS2. Ag2GeS3 Wie die beschriebenen Vorversuche zeigten, zer- setzt sich Ag2GeS3 bei den zur Synthese aus den reaktionsträgen Elementen erforderlichen hohen Temperaturen bereits wieder. Eine Erhöhung der Ausbeute gelingt, wenn man von den wesentlich reaktionsfreudigeren binären Sulfiden Ag2S und GeS2 ausgeht. Zunächst wurden diese gereinigt, GeS2 (aus mit Schwefelsäure angesäuerten Natrium- germanatlösungen mit H2S gefällt) durch chemi- schen Transport mit Iod (1 g GeS2, 10-15 mg I2, Ampullenvolumen - 5 0 ml, 600 ^ 5 9 0 °C), Ag2S (LAB, Merck) durch Nachtemperung bei 450 °C. Innig verriebene Mischungen der so vorbehandelten binären Sulfide in Molverhältnissen zwischen 4:1 und 1:4 wurden in evakuierten Quarzampullen zur Reaktion gebracht. Die Reaktion zwischen den binären Komponenten beginnt bei etwa 500 °C. Bei einem GeS2: Ag2S-Verhältnis von 1:1 war die Bil- dung von rotem Ag2GeS3 besonders deutlich zu beobachten. Es wird aber nur dann in nennens- werter Ausbeute erhalten, wenn die Festkörper- reaktion bei 600-650 °C durchgeführt und nach 3 Tagen unterbrochen wird. Längere Reaktions- zeiten führen ebenso wie höhere Reaktionstempera-

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

Verbindungsbildung im System Ag2S-GeS2-AgI

Compound Formation in the System Ag2S-GeS2-AgI

Alois Nagel und Klaus-Jürgen Range Institut für Chemie der Universität Regensburg Z. Naturforsch. 83 b, 1461-1464 (1978); eingegangen am 14. August 1978

System Silver Sulfide-Germanium Disulfide-Silver Iodide, Disilver Germanium Trisulfide, Crystal Structure, Quaternary Compounds

Besides the well-known argyrodite (AggGeSß), the new compound Ag2GeS3 could be synthesized from Ag2S-GeS2 mixtures. Ag2GeS3 crystallizes in an orthorhombic variant of the Wurtzite structure. Treatment of Ag2GeS3 in a Agl/AgCl-eutectic yields the quaternary compound Ag7GeSsI. Crystal data for AgyGeSsI and some analogous compounds are given.

Nach differentialthermoanalytischen Untersu-chungen von Gorochov [1] existiert im pseudo-binären System Ag2S-GeS2 nur die silberreiche Ver-bindung AgsGeSö (Argyrodit). Dabei wurden die Proben im Bereich von 16 bis 100 Mol-% Ag2S durch Vorreaktion von Elementgemischen bei 800-1000 °C dargestellt. Wegen der Reaktionsträg-heit der eingesetzten Elemente, vor allem des Ger-maniums, besteht bei diesem Vorgehen die Gefahr, daß Verbindungen, die nur bei verhältnismäßig niedrigen Temperaturen stabil sind, übersehen werden. Einen Hinweis in dieser Richtung gaben die Arbeiten von Elli et al. [2, 3]. Später fanden Mandt und Krebs, daß in dem analogen System Ag2S-SiS2 neben AgsSiSß noch eine silberärmere Verbindung der Stöchiometrie AgioSisSu existiert [4]. Unsere Untersuchungen ergaben nun, daß auch im System Ag2S-GeS2 weitere ternäre Verbindungen auftreten. Dabei zeigte sich, daß die Wahl der Aus-gangssubstanzen von entscheidender Bedeutung für den Reaktionsablauf ist.

In Vorversuchen wurde zunächst, ausgehend von den Beobachtungen von Mandt und Krebs [4], ein Gemisch von Silber (Wolle p. A., Merck), Germa-nium (LAB, Merck) und Schwefel im Atomverhält-nis 10:3:11 in evakuierten, abgeschmolzenen Quarzampullen zur Reaktion gebracht. Die Re-aktionstemperatur wurde dabei jeweils innerhalb von 24 h langsam um 150 °C erhöht. Nach vier-tägiger Reaktionsdauer, also nach dem Erreichen einer Temperatur von 600 °C, waren in der Quarz-ampulle sehr geringe Mengen einer roten Substanz zu erkennen, eingebettet in eine graue, feinkristal-

Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. Klaus-Jürgen Range, Institut für Chemie der Universität Regens-burg, Universitätsstraße 31, D-8400 Regensburg.

line Matrix. Nach weiterer Temperaturerhöhung auf 750 °C war die rote Substanz wieder verschwun-den. Ein zweiter Aufheizversuch wurde bei 600 °C abgebrochen. Nach dem Abschrecken auf Zimmer-temperatur konnten einige rote Anteile aus dem Reaktionsgemisch aufgelesen werden. Guinier-Auf-nahmen zeigten, daß es sich um eine bisher unbe-kannte Verbindung handelt, die später als Ag2GeS3 charakterisiert werden konnte. Die graue, fein-kristalline Matrix ist ein Gemisch aus Ag2S, AgsGeSß und GeS2.

Ag2GeS3 Wie die beschriebenen Vorversuche zeigten, zer-

setzt sich Ag2GeS3 bei den zur Synthese aus den reaktionsträgen Elementen erforderlichen hohen Temperaturen bereits wieder. Eine Erhöhung der Ausbeute gelingt, wenn man von den wesentlich reaktionsfreudigeren binären Sulfiden Ag2S und GeS2 ausgeht. Zunächst wurden diese gereinigt, GeS2 (aus mit Schwefelsäure angesäuerten Natrium-germanatlösungen mit H2S gefällt) durch chemi-schen Transport mit Iod (1 g GeS2, 10-15 mg I2, Ampullenvolumen - 5 0 ml, 600 ^ 5 9 0 °C), Ag2S (LAB, Merck) durch Nachtemperung bei 450 °C. Innig verriebene Mischungen der so vorbehandelten binären Sulfide in Molverhältnissen zwischen 4:1 und 1:4 wurden in evakuierten Quarzampullen zur Reaktion gebracht. Die Reaktion zwischen den binären Komponenten beginnt bei etwa 500 °C. Bei einem GeS2: Ag2S-Verhältnis von 1:1 war die Bil-dung von rotem Ag2GeS3 besonders deutlich zu beobachten. Es wird aber nur dann in nennens-werter Ausbeute erhalten, wenn die Festkörper-reaktion bei 600-650 °C durchgeführt und nach 3 Tagen unterbrochen wird. Längere Reaktions-zeiten führen ebenso wie höhere Reaktionstempera-

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1462 A. Nagel-K.-J. Range • Verbindungsbildung im System Ag2S-GeS2-AgI

turen zu einem Zerfall des zunächst gebildeten Ag2GeS3. Eine Reindarstellung von Ag2GeS3 gelang nicht, es mußte zur analytischen und röntgenogra-phischen Charakterisierung aus dem Reaktions-gemisch ausgelesen werden.

Das so isolierte Produkt fiel stets mikrokristallin an. Die analytisch bestimmte Zusammensetzung Ag2GeS3 (Ag ber. 56,11%, gefunden 54,96%; Ge ber. 18,88%, gefunden 19,26%) wurde auch röntgenographisch bestätigt.

Einmal gebildetes Ag2GeS3 läßt sich bei Zimmer-temperatur monatelang unzersetzt aufbewahren. Unter Lichteinwirkung überzieht sich das rote Pulver allmählich mit einer grauschwarzen amor-phen Schicht. Es wurde bereits erwähnt, daß Ag2GeS3 bei Temperaturen oberhalb 650 °C rasch zerfällt. Dieser Zerfall in Ag2S und AgsGeSö ist bereits nach sehr langer Temperung bei 300 °C nachweisbar, ein Hinweis darauf, daß Ag2GeS3 unter den Darstellungsbedingungen nur metastabil ist und lediglich eine Zwischenstufe bei der AgsGeSö-Bildung aus Ag2S und GeS2 darstellt.

Zur Strukturbestimmung von Ag2GeS3 konnten aus den erwähnten Gründen nur Pulverdaten heran-gezogen werden. Die vollständige Indizierung des Guinier-Diagramms (Huber-Guinier-System 600) gelang nach dem Verfahren von de Wolff [5] und führte zu einer orthorhombischen Elementarzelle mit a = 1179,1(5), b = 707,9(3) und c = 634,4(3) pm (Tab. I). Elementarzelldimensionen und Intensitäts-abfolge der starken Reflexe ließen vermuten, daß Ag2GeS3 in einer Überstruktur der Wurtzitstruktur kristallisiert. Aus den beobachteten Auslöschungs-regeln hkl nur vorhanden mit h + k = 2n sowie hOl nur vorhanden mit l = 2n ergaben sich als mögliche Raumgruppen Cmcm, Cmc2i und C2cm.

Von diesen ist Cmc2i eine maximale Unter-gruppe der Wurtzitraumgruppe P 631110. Für die Intensitätsrechnungen wurde daher folgendes Mo-dell [6] zugrundegelegt:

Raumgruppe Cmc 2i I 5 8Ag in 8(b) mit x — y — — , z

Tab. I. Kristallographische Daten von Ag2GeS3.

4Ge in 4(a) mit x — 0, y —5-, z

8S(1) in 8(b) mit x ~ —,y , z 8 ' I 3 4S(2) in 4(a) mit x = 0, y ~ -5-, z —5-.

0;

0;

Kristallsystem Raumgruppe Achsen

orthorhombisch Cmc 2j 0 = 1179,1(5) pm b = 707,9(3) pm c = 634,4(3) pm

Formeleinheiten/EZ 4 Dichte (röntg.) 4,82 g/cm3

Dichte (exp.) 4,89 g/cm3

Besetzte Punktlagen: Atom x y z Uisotrop

8 Ag in 8(b) 0,152 0,846 — 0,027 0,041 4 Ge in 4(a) 0 0,405 — 0,048 0,006 8 S(l)in 8(b) 0,142 0,806 0,404 0,055 4 S(2) in 4(a) 0 0,319 0,311 0,036 Atomabstände [pm]: Ag - S(2) 237,7 Ge - S(2) 215,0

-S ( l ) 250,2 - 8(1) 226,3 -S ( l ) 269,5 -S ( l ) 226,3 -S ( l ) 274,6 -S(2) 235,6

Ein Vergleich von berechneten und beobachteten Intensitäten (planimetrierte Guinier-Zählrohr-In-

terferenzen) bestätigte die Richtigkeit dieser Struk-tur typzuordnung. Die beste Übereinstimmung er-gab sich mit den Werten der Tab. I.

Ag2GeS3 kristallisiert in einer Überstruktur der Wurtzitstruktur mit geordneter Verteilung der Kationen über die Hälfte der Tetraederlücken einer schwach verzerrten hexagonal dichtesten Kugel-packung. Die vorliegende Strukturvariante wurde erstmals bei Cu2SiS3 durch Parthe und Garin [7] gefunden. Im Vergleich zu Cu2SiS3 sind die MS4-Tetiaeder im Ag2GeS3 stärker verzerrt, eine Folge der Notwendigkeit, das Anionengitter an zwei Kationen von sehr unterschiedlicher Größe anzu-passen. Die mittleren Kation-Anion-Abstände stim-men jedoch gut mit der Summe der tetraedrischen Kovalenzradien überein.

Ag7GeS5I Wie erwähnt, zersetzt sich Ag2GeS3 bei Tempera-

turen oberhalb von 300 °C. Wir versuchten deshalb, Einkristalle dieser Verbindung bei tieferen Tem-peraturen durch Umsetzung in Salzschmelzen zu erhalten. Hierzu wurde ein eutektisches Gemisch aus AgCl und AgI gewählt*. Ag2GeS3 wurde mit der zehnfachen Gewichtsmenge eines Gemisches aus

* Die Literaturangaben über die Lage des eutektischen Punkts im System AgCl/Agl sind widersprüchlich (Mönkemeyer [8]: 42 Mol-% AgCl, 211 °C; Corwell und Dyson [9]: 47 Mol-% AgCl, 259 °C). Eigene Untersuchungen ergaben in Übereinstimmung mit [9] 47 Mol-% AgCl, 261 °C.

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1463 A. Nagel-K.-J. Range • Verbindungsbildung im System Ag2S-GeS2-AgI

47 Mol- % AgCl und 53 Mol- % AgI in eine evakuierte Quarzampulle eingeschmolzen und 12 h bei 280 °C gehalten. Anschließend wurde langsam auf Zimmer-temperatur abgekühlt. Die Entfernung der über-schüssigen Silberhalogenide erfolgte durch Kochen mit einer KCN-Lösung. Nach dieser Behandlung hatte sich das eingesetzte Ag2GeS3 vollständig in eine schwarzgraue Substanz umgewandelt, deren Guinierdiagramm sich kubisch (F-zentriert) mit a — 1072,2(7) pm indizieren ließ. Eine chemische Analyse ergab, daß diese Substanz Iod enthält und die Zusammensetzung AgvGeSsI besitzt. Ihre Bil-dung erfolgt wahrscheinlich nach der Reaktions-gleichung

3Ag2GeS3 + AgI AgCl/AgI-Eutektikum

280 °C Ag7GeS5I + 2GeS2.

Das dabei gebildete Germaniumsulfid hydrolysiert beim Kochen mit KCN-Lösung und geht in die wäßrige Phase über.

Durch Temperung von Ag7GeS5l bei 350 °C kön-nen leicht Einkristalle erhalten werden. An einem 0,02 x 0,03 X 0,06 mm3 großen Kristall wurde ein Satz von 267 Reflexintensitäten gemessen (Huber-Zweikreisdiffraktometer, 0kl-4kl, MoKa , 0max = 45°). Nach der Datenreduktion verblieben 45 sym-metrieunabhängige Reflexe mit I > 2 ( t ( I ) . Eine E-Wert-Statistik machte das Vorliegen der nicht-zentrosymmetrisehen Raumgiuppe F 4 3 m wahr-scheinlich. Patterson-, Fourier- und Differenz-fouriersynthesen führten zu folgendem vorläufigen Strukturmodell:

Raumgruppe F 43 m 4 S(l) in 4(c) ; 16 S(2) in 16(e) mit z = 0,625; 4 1 in 4(a); 2,4 Ge in 4(b) ; 24 Ag(l) in 24(g) mit a: = 0; 1,3 Ag(2) in 24(f ) mit z = 0,283; 2,7 Ag(3) in 48(h) mit z = 0,600 und

2 = 0,250.

Eine weitere Verfeinerung war im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht beabsichtigt. Die erhal-tenen Daten reichen jedoch aus, um das grund-legende Bauprinzip der Struktur von Ag7GeS5l zu erkennen: die Anionen spannen ein dreidimensiona-les Gerüst aus Frank-Kasper-Polyedern [10, 11] auf, die so miteinander verknüpft sind, daß jedes Atom eines Polyeders ein anderes Frank-Kasper-Polyeder zentriert. Eine derartige Anordnung zeichnet sich gegenüber den dichtesten Kugelpackungen durch zwei Besonderheiten aus: sie enthält ausschließlich Tetraederlücken und weist nur sehr geringe lokale Dichteschwankungen auf. Germanium ist tetra-edrisch von vier Schwefelatomen umgeben, die Silberionen sind statistisch über Tetraeder lücken verteilt, die aus Schwefel- und Iodatomen gebildet werden. Damit schließt sich die Kristallstruktur von Ag7GeSsI eng an die der Verbindungen AggMXe (M = Si, Ge, Sn; X = S, Se, Te) [12-15] und Cu6PS5X (X = Cl, Br, I) (Nitsche et al. [16, 17]) an.

AgvGeSöI kann auch durch direkte Umsetzung der binären Komponenten erhalten werden. Ein besonders gut kristallisiertes Produkt wurde bei folgenden Reaktionsbedingungen gewonnen: Auf-heizen eines Gemenges von 3 Ag2S, GeS2 und AgI auf 700 °C innerhalb von drei Tagen, eintägige Reaktion bei dieser Temperatur und anschließendes einwöchi-ges Tempern bei 580 °C. Nach dem gleichen Ver-fahren gelang schließlich die Darstellung der folgenden, analog zusammengesetzten Verbindun-gen (alle kubisch flächenzentriert): Ag7SiSsI [a = 1072,0(9) pm), Ag7SnS5I (a = 1082,3(4) pm), Ag7SiS5Br (a = 1058,8(7) pm), Ag7GeS5Br (a = 1065,6(4) pm), Ag7SnS5Br [a = 1077,8(3) pm). Chlorhaltige Verbindungen konnten auf diesem Wege nicht dargestellt werden.

Der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Fonds der Chemischen Industrie danken wir für wertvolle Personal- und Sachmittel, dem Rechen-zentrum der Universität Regensburg für die Bereit-stellung von Rechenzeit.

[1] O. Gorochov, Bull. Soc. Chim. Fr. 1968, 2263. [2] L. Cambi und M. Elli, Atti. Acad Lincei 30, II

(1961). [3] M. Fiorentina Potenza und M. Elli, Atti. Acad.

Lincei 30, 902 (1961). [4] J. Mandt und B. Krebs, Z. Anorg. Allg. Chem.

420, 31 (1976).

[5] P. M. de Wolff, Acta Crystallogr. 10, 590 (1957). [6] E. Parthe, Cristallochimie des Structures Tetra-

edriques, Gordon and Breach, Paris 1972. [7] E. Parthe und J. Garin, Monatsh. Chem. 102,1197

(1971). [8] K. Mönkemeyer, Neues Jb. Mineralogie Beilage-

band 22, 1 (1906).

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1464 A. Nagel-K.-J. Range • Verbindungsbildung im System Ag2S-GeS2-AgI

[9] K. Corwell und R. W. Dyson, Brit. J. Appl. Phys. 2, 305 (1969).

[10] F. C. Frank und J. S. Kasper, Acta Crystallogr. 12, 483 (1959).

[11] A. K. Sinha, Topologically Close-packed Struc-tures of Transition Metal Alloys, Progr. Mater. Sei., Vol. 15, Part 2, 1972.

[12] B. Krebs und J. Mandt, Z. Naturforsch. 32b, 373 (1977).

[13] G. Eulenberger, Third Meeting of the European Crystallographic Assoziation, Zürich 1976.

[14] N. Rysanek, P. Laruelle und A. Katty, Acta Crystallogr. B 32, 692 (1976).

[15] J. v. Unterrichter und K.-J. Range, Z. Natur-forsch. 33b, 866 (1978).

[16] W. F. Kulis, R. Nitsche und K. Scheunemann, Mater. Res. Bull. 11, 1115 (1976).

[17] W. F. Kuhs, R. Nitsche und K. Scheunemann, Acta Crystallogr. B 34, 64 (1978) (dort auch weitere Literatur).