william standish knowles (1917–2012)

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William Standish Knowles (1917–2012) William S. Knowles ist am 13. Juni 2012 in seinem Haus in Chesterfield, Missouri, im Alter von 95 Jahren verstorben. Sein Nobelpreis setzte ein Zei- chen fɒr die Bedeutung der industriellen und an- gewandten Chemie. Bill wurde am 1. Juni 1917 in Taunton, Massa- chusetts, geboren und wuchs in der NȨhe von New Bedford auf. Sein Vater besaß eine Baumwoll- spinnerei. Bill hȨtte in den Familienbetrieb ein- steigen kçnnen, wollte dies aber nicht. Er besuchte Privatschulen und verbrachte ein Jahr an der Phil- lips Academy in Andover, Massachusetts, wo er den mit 50 $ dotierten Boylston-Preis in Chemie gewann. Anschließend ging er nach Harvard und spezialisierte sich auf die organische Chemie, obwohl ihm wegen seiner mathematischen Bega- bung die physikalische Chemie empfohlen worden war. Louis Fieser hatte auf diese Studienwahl großen Einfluss. Bill erhielt 1939 den A.B. und promovierte 1942 an der Columbia University fɒr seine Arbeiten in der Steroidchemie im Arbeits- kreis von Robert Elderfield. Er war bei Monsanto in Dayton, Ohio, be- schȨftigt, bevor er 1944 nach St. Louis wechselte. Von den vielen Stellenangeboten wȨhlte er das von Monsanto aus, weil die Arbeitsstelle am weitesten westlich lag – Chemiker waren in diesen Kriegs- jahren rar. Die Arbeiten bei Monsanto umfassten unter anderem die Synthesen von hochreinem Hexamethylentetramin fɒr die Herstellung des Sprengstoffs Cyclonite und von Benzylbenzoat als Schutzmittel gegen Milben fɒr die Kleidung der Soldaten. Außerdem entwickelte Bill eine Synthese von Vanillin aus Catechol. Obwohl diese Synthese zugunsten der Vanillinherstellung aus Lignin, das aus PapierabfȨllen gewonnen werden konnte, ver- worfen wurde, sollte sie Bills spȨtere Karriere be- einflussen. Ein weiteres Projekt war die Synthese von Chloramphenicol. Dieses Antibiotikum wurde in großen Mengen hergestellt, bevor es wegen der seltenen, lebensbedrohlichen Nebenwirkungen (aplastische AnȨmie) vom Markt genommen wurde. Dies hielt Bill aber nicht davon ab, Chlor- amphenicol einer Salbe beizumischen, die er bei seinem an einer Pilzinfektion leidenden Hund an- wendete. Der Hund, dem es bereits nach zwei Tagen besser ging, sollte noch 17 Jahre alt werden. Kurz nach dem Krieg plante Monsanto die Pro- duktion von Cortison, und aufgrund seiner Dok- torarbeit wurde auch Bill in das Vorhaben mitein- bezogen. Dies erlaubte es ihm, nach Harvard zu- rɒckzukehren und in der Gruppe von R. B. Woodward zu arbeiten. Mit einer Hydrierung be- schȨftigte sich Bill erstmals bei der Reduktion von p-Nitrophenetol. Die herkçmmliche nickelkataly- sierte Reaktion war problematisch; die Verwen- dung von Pd/C war zwar zunȨchst kostspieliger, aber auf die Dauer gɒnstiger, da diese Hydrierung weitaus zuverlȨssiger war. William S. Knowles bekam den Nobel-Preis in Chemie 2001 fɒr seine Pionierarbeiten auf dem Gebiet der asymmetrischen katalytischen Hydrie- rung. In den 1960er Jahren wurde die Wirksamkeit von l-DOPA bei Morbus Parkinson erkannt. Monsanto plante daraufhin, dieses Antiparkinson- mittel enantiomerenrein herzustellen, da das d- Isomer inaktiv war und den Organismus der Pati- enten nur belastete. Wie Bill in seinem Nobel- Vortrag bemerkte, kann NaivitȨt auch nɒtzlich sein und Erfindungen hervorbringen. Jerry Sabacky, ein frisch promovierter Hochschulabsolvent, wurde beauftragt, a-PhenylacrylsȨure in einer homoge- nen Katalyse unter Verwendung eines Rhodium- salzes und eines chiralen Phosphans zu hydrieren. Man erhielt einen Enantiomerenɒberschuss von 15%. Zu dieser Zeit verkaufte Monsanto Vanillin an Hoffman-LaRoche: Es diente als Ausgangsstoff fɒr die Synthese von racemischem DOPA. Die anschließende Enantiomerentrennung lieferte l- DOPA. Bill fand heraus, dass bei diesem Prozess das Erlenmeyer-Azlacton-Verfahren Anwendung fand. Bills Gruppe verwendete das Rh/CAMP- Katalysatorsystem und erhielt die geschɒtzte AminosȨure mit einem Enantiomerenɒberschuss von 88 %. Dieses Ergebnis veranlasste Monsanto, l-DOPA großtechnisch herzustellen, zumal das unerwɒnschte Enantiomer in nachfolgenden Rei- nigungsschritten eliminiert werden konnte. Aufbauend auf den Arbeiten von Kagan et al. ɒber den Liganden DIOP synthetisierten Knowles etal. den Bisphosphan-Chelatliganden DIPAMP. Dieser Ligand war einfacher herzustellen als CAMP, lieferte einen hçheren Enantiomerenɒber- schuss (95%) in der DOPA-Synthese und war ein kristalliner, luftstabiler Feststoff. Noch heute wird im Monsanto-l-DOPA-Prozess [Rh(DIPAMP)] als Katalysator verwendet. In zahlreichen Synthesen von a-AminosȨuren und ihren Estern, die bei NSC Technologies, einem Teil des Monsanto-Konzerns, hergestellt werden, ist die Reduktion von Enamiden ein wichtiger Reaktionsschritt. Bill bedauerte immer, nicht genug darauf gedrȨngt zu haben, dass Monsanto l- Phenylalanin, eine Schlɒsselverbindung fɒr die Herstellung des Sɒßstoffs Aspartam, durch eine asymmetrische Hydrierung herstellt. Die Nut- raSweet Company war die Muttergesellschaft von NSC Technologies, und einige von Bills Kollegen, insbesondere Billy Vineyard, waren die Protago- nisten bei der Ausarbeitung der großtechnischen Isolierung des gewɒnschten Isomers von Aspartam. Nach seiner Pensionierung 1986 blieb Bill fɒr viele von uns ein hilfreicher Berater. Bei Synthesen des nichtsteroidalen Entzɒndungshemmers Naproxen und von nichtnatɒrlichen AminosȨuren . Angewandte Nachruf &&&& # 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2012, 124,2–4

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William Standish Knowles (1917–2012)

William S. Knowles ist am 13. Juni 2012 in seinemHaus in Chesterfield, Missouri, im Alter von 95Jahren verstorben. Sein Nobelpreis setzte ein Zei-chen f�r die Bedeutung der industriellen und an-gewandten Chemie.

Bill wurde am 1. Juni 1917 in Taunton, Massa-chusetts, geboren und wuchs in der N�he von NewBedford auf. Sein Vater besaß eine Baumwoll-spinnerei. Bill h�tte in den Familienbetrieb ein-steigen kçnnen, wollte dies aber nicht. Er besuchtePrivatschulen und verbrachte ein Jahr an der Phil-lips Academy in Andover, Massachusetts, wo erden mit 50 $ dotierten Boylston-Preis in Chemiegewann. Anschließend ging er nach Harvard undspezialisierte sich auf die organische Chemie,obwohl ihm wegen seiner mathematischen Bega-bung die physikalische Chemie empfohlen wordenwar. Louis Fieser hatte auf diese Studienwahlgroßen Einfluss. Bill erhielt 1939 den A.B. undpromovierte 1942 an der Columbia University f�rseine Arbeiten in der Steroidchemie im Arbeits-kreis von Robert Elderfield.

Er war bei Monsanto in Dayton, Ohio, be-sch�ftigt, bevor er 1944 nach St. Louis wechselte.Von den vielen Stellenangeboten w�hlte er das vonMonsanto aus, weil die Arbeitsstelle am weitestenwestlich lag – Chemiker waren in diesen Kriegs-jahren rar. Die Arbeiten bei Monsanto umfasstenunter anderem die Synthesen von hochreinemHexamethylentetramin f�r die Herstellung desSprengstoffs Cyclonite und von Benzylbenzoat alsSchutzmittel gegen Milben f�r die Kleidung derSoldaten. Außerdem entwickelte Bill eine Synthesevon Vanillin aus Catechol. Obwohl diese Synthesezugunsten der Vanillinherstellung aus Lignin, dasaus Papierabf�llen gewonnen werden konnte, ver-worfen wurde, sollte sie Bills sp�tere Karriere be-einflussen. Ein weiteres Projekt war die Synthesevon Chloramphenicol. Dieses Antibiotikum wurdein großen Mengen hergestellt, bevor es wegen derseltenen, lebensbedrohlichen Nebenwirkungen(aplastische An�mie) vom Markt genommenwurde. Dies hielt Bill aber nicht davon ab, Chlor-amphenicol einer Salbe beizumischen, die er beiseinem an einer Pilzinfektion leidenden Hund an-wendete. Der Hund, dem es bereits nach zweiTagen besser ging, sollte noch 17 Jahre alt werden.Kurz nach dem Krieg plante Monsanto die Pro-duktion von Cortison, und aufgrund seiner Dok-torarbeit wurde auch Bill in das Vorhaben mitein-bezogen. Dies erlaubte es ihm, nach Harvard zu-r�ckzukehren und in der Gruppe von R. B.Woodward zu arbeiten. Mit einer Hydrierung be-sch�ftigte sich Bill erstmals bei der Reduktion vonp-Nitrophenetol. Die herkçmmliche nickelkataly-sierte Reaktion war problematisch; die Verwen-

dung von Pd/C war zwar zun�chst kostspieliger,aber auf die Dauer g�nstiger, da diese Hydrierungweitaus zuverl�ssiger war.

William S. Knowles bekam den Nobel-Preis inChemie 2001 f�r seine Pionierarbeiten auf demGebiet der asymmetrischen katalytischen Hydrie-rung. In den 1960er Jahren wurde die Wirksamkeitvon l-DOPA bei Morbus Parkinson erkannt.Monsanto plante daraufhin, dieses Antiparkinson-mittel enantiomerenrein herzustellen, da das d-Isomer inaktiv war und den Organismus der Pati-enten nur belastete. Wie Bill in seinem Nobel-Vortrag bemerkte, kann Naivit�t auch n�tzlich seinund Erfindungen hervorbringen. Jerry Sabacky, einfrisch promovierter Hochschulabsolvent, wurdebeauftragt, a-Phenylacryls�ure in einer homoge-nen Katalyse unter Verwendung eines Rhodium-salzes und eines chiralen Phosphans zu hydrieren.Man erhielt einen Enantiomeren�berschuss von15%. Zu dieser Zeit verkaufte Monsanto Vanillinan Hoffman-LaRoche: Es diente als Ausgangsstofff�r die Synthese von racemischem DOPA. Dieanschließende Enantiomerentrennung lieferte l-DOPA. Bill fand heraus, dass bei diesem Prozessdas Erlenmeyer-Azlacton-Verfahren Anwendungfand. Bills Gruppe verwendete das Rh/CAMP-Katalysatorsystem und erhielt die gesch�tzteAminos�ure mit einem Enantiomeren�berschussvon 88%. Dieses Ergebnis veranlasste Monsanto,l-DOPA großtechnisch herzustellen, zumal dasunerw�nschte Enantiomer in nachfolgenden Rei-nigungsschritten eliminiert werden konnte.

Aufbauend auf den Arbeiten von Kagan et al.�ber den Liganden DIOP synthetisierten Knowleset al. den Bisphosphan-Chelatliganden DIPAMP.Dieser Ligand war einfacher herzustellen alsCAMP, lieferte einen hçheren Enantiomeren�ber-schuss (95 %) in der DOPA-Synthese und war einkristalliner, luftstabiler Feststoff. Noch heute wirdim Monsanto-l-DOPA-Prozess [Rh(DIPAMP)] alsKatalysator verwendet.

In zahlreichen Synthesen von a-Aminos�urenund ihren Estern, die bei NSC Technologies, einemTeil des Monsanto-Konzerns, hergestellt werden,ist die Reduktion von Enamiden ein wichtigerReaktionsschritt. Bill bedauerte immer, nichtgenug darauf gedr�ngt zu haben, dass Monsanto l-Phenylalanin, eine Schl�sselverbindung f�r dieHerstellung des S�ßstoffs Aspartam, durch eineasymmetrische Hydrierung herstellt. Die Nut-raSweet Company war die Muttergesellschaft vonNSC Technologies, und einige von Bills Kollegen,insbesondere Billy Vineyard, waren die Protago-nisten bei der Ausarbeitung der großtechnischenIsolierung des gew�nschten Isomers von Aspartam.

Nach seiner Pensionierung 1986 blieb Bill f�rviele von uns ein hilfreicher Berater. Bei Synthesendes nichtsteroidalen Entz�ndungshemmersNaproxen und von nichtnat�rlichen Aminos�uren

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wurden Katalysatoren verwendet, die respektvoll„Knowles’ Katalysator“ genannt wurden. JohnTalley war sehr davon beeindruckt, dass Bill nochnach seiner Pensionierung in der Monsanto-Bi-bliothek Publikationen studierte und sich Notizenmachte.

In der Industrie ist die Forschung nicht so çf-fentlich wie an Hochschulen. Es gibt keine Fluk-tuation von Studierenden, und viele Forscherkçnnen lange Zeit mit einem einzigen Projekt be-sch�ftigt sein. Bill war ein freundlicher, aber an-spruchsvoller Mentor. Er forderte das Manage-ment gern heraus und konnte leidenschaftlich �berForschungsergebnisse und neue Mçglichkeitendiskutieren. Scott Laneman erinnert sich gern anein solches Gespr�ch: Er, damals als Postdoc beiMonsanto, und Bill diskutierten �ber potenzielleneue Phosphanliganden an einer Tafel. Beidewaren mit Kreidestaub bedeckt, w�hrend aus demLaborradio ein AC/DC-Song drçhnte. Dieses„Treffen der Generationen“ zeigte, dass sich Billf�r die Wissenschaft und das Lçsen von Problemeninteressierte und sich dabei durch keine �ußeren –auch lauten – Einfl�sse ablenken ließ.

Sogar nach der Pensionierung stellte er seineenorme Fachkenntnis bei der Planung von Projek-ten und der Lçsung von Problemen hinsichtlichasymmetrischer Hydrierungen zur Verf�gung. Erwar stolz zu wissen, dass er geholfen hatte, den Wegin ein wichtiges Gebiet der Chemie zu ebnen. Erbemerkte dazu: „industry does too little exploratoryresearch“. Die W�rdigung der Leistungen seinerGruppe durch den Nobel-Preis bezeichnete er als„an excellent example of how a modest and inex-pensive exploratory effort in industry can producesignificant results“. Tats�chlich wurden die meistenersten Arbeiten von Jerry Sabacky durchgef�hrt.Billy Vineyard kam etwas sp�ter in das Team. Vieleandere waren daran beteiligt, die großtechnischeProduktion zu realisieren. Dies wurde besondersdeutlich, als Bill zur Fabrikfeier anl�sslich derProduktion des millionsten Pfunds l-DOPA nichteingeladen war.

Bill war gern draußen im Freien. Vor demStudium in Harvard unternahm er auf einem Se-gelschiff eine Seereise nach Europa. Er war be-geisterter Angler, Wanderer und Radfahrer. DieFamilie Knowles verbrachte viel Zeit in ihremBlockhaus in Jackson Hole, Wyoming. Die Be-geisterung f�r Herausforderungen zeigte sich auchin seinen Freizeitbesch�ftigungen. Albert Chanerinnert sich an die Zeit, als Bill ihm in Coloradodas Skifahren beibrachte. Bill, damals �ber 70 Jahrealt, fuhr mit ihm die schwierigen „schwarzen“ Ab-fahrten. F�r Albert war das eine große Herausfor-derung, aber als er unten ankam, f�hlte er sichselbstsicherer und war von da an vom Skifahrenbegeistert.

Die asymmetrische Hydrierung ist heute einebedeutende Reaktion f�r die Lebenswissenschaf-ten. Einz�hnige Phosphorliganden werden, nacheiner Unterbrechung von mehr als 30 Jahren,wieder f�r asymmetrische Hydrierungen verwen-det. Knowles’ Vanillin-Synthese wurde durch einVerfahren ersetzt, das eine billige und erneuerbareQuelle nutzt. Es war ihm erlaubt, in einem Indu-strieunternehmen frei zu forschen, zum Nutzenaller Beteiligten. Als fr�here Mitarbeiter beiMonsanto werden wir Bill in lieber Erinnerunghalten. Bill wusste, dass f�r die Lçsung von Pro-blemen und die erfolgreiche Durchf�hrung vonProjekten ein Team nçtig ist. Bill Knowles war einwunderbarer Mensch, den wir sehr vermissen undniemals vergessen werden.

David AgerDSM Innovative Synthesis BVAlbert ChanHong Kong Baptist UniversityScott LanemanDigital Specialty ChemicalsJohn TalleySARmont LLC

DOI: 10.1002/ange.201205394

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Nachruf

D. Ager,* A. Chan, S. Laneman,J. Talley &&&&—&&&&

William Standish Knowles (1917–2012)

Im Juni 2012 verstarb William S. Knowles,der 2001 den Chemie-Nobelpreis f�rseine Arbeiten zur asymmetrischen Ka-talyse, speziell zu Hydrierungsreaktionen,bei Monsanto erhalten hatte.

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