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Richwien, Lesny: Kann man Kolke an Offshore-Windenergieanlagen berechnen? BAW-Workshop: Boden- und Sohl-Stabilität – Betrachtungen an der Schnittstelle zwischen Geotechnik und Wasserbau 6-1 6 Kann man Kolke an Offshore-Windenergieanlagen berechnen? Are we able to predict Scour Depths at Offshore Wind Mills? W. Richwien & K. Lesny Institut für Grundbau und Bodenmechanik, Universität Duisburg-Essen, Essen Institute of Soil Mechanics and Foundation Engineering, University of Duisburg-Essen, Essen, Germany KURZFASSUNG: Bei der Planung von Gründungen für Offshore-Windenergieanlagen spielt die Frage der Kolkbildung eine entscheidende Rolle. Bisher wird entweder die maximal zu erwartende Kolktiefe bei der Dimensionierung der Gründung berücksichtigt oder es werden von vornherein Kolkschutzmaßnahmen ange- ordnet. Jedoch erfordert die erste Lösung eine sichere Prognose der Kolktiefe, die zweite Lösung ist mit einem entsprechenden Unterhaltungsaufwand verbunden. Darüber hinaus ist bei beiden Varianten eine laufende Überwachung der Gründungen zwingend erforderlich. Die damit verbundenen Kosten können erheblich sein und die Wirtschaftlichkeit der Windparks zumindest beeinträchtigen. Nach einer kurzen Einführung in die Problemstellung werden exemplarisch für eine Monopile-Gründung ver- schiedene Ansätze zur Ermittlung der Kolktiefe vorgestellt und ihre Anwendbarkeit diskutiert. Der Beitrag schließt mit der Beantwortung der eingangs gestellten Frage „Kann man Kolke an Offshore-Windenergie- anlagen berechnen?“ ABSTRACT: The problem of scour around the foundation structure plays a major role in the design of founda- tions for offshore wind mills. In today’s design practice either the expected maximum scour depth is taken into account when determining the foundation dimensions or protection measurements are installed during con- struction to prevent the development of scour holes. However, the first solution requires a safe prediction of the expected scour depth, the second solution involves permanent maintenance of the scour protection. Besides, both solutions require periodical monitoring. The costs associated with these measurements can be consider- able and may affect the economic efficiency of an offshore wind park. After a short introduction different formulations to calculate the scour depth are presented. For an example of a monopile foundation their applicability is discussed and finally an answer is given to the question raised above “Are we able to predict scour depth at offshore wind mills?”.

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Page 1: 6 Kann man Kolke an Offshore-Windenergieanlagen berechnen?...der Offshore-Windparks mit jeweils bis zu 200 Anla-gen, die im Rahmen der derzeitigen energiewirt-schaftlichen Planungen

Richwien, Lesny: Kann man Kolke an Offshore-Windenergieanlagen berechnen?

BAW-Workshop: Boden- und Sohl-Stabilität – Betrachtungen an der Schnittstelle zwischen Geotechnik und Wasserbau6-1

6 Kann man Kolke an Offshore-Windenergieanlagenberechnen?Are we able to predict Scour Depths at Offshore Wind Mills?

W. Richwien & K. LesnyInstitut für Grundbau und Bodenmechanik, Universität Duisburg-Essen, EssenInstitute of Soil Mechanics and Foundation Engineering, University of Duisburg-Essen, Essen, Germany

KURZFASSUNG: Bei der Planung von Gründungen für Offshore-Windenergieanlagen spielt die Frage derKolkbildung eine entscheidende Rolle. Bisher wird entweder die maximal zu erwartende Kolktiefe bei derDimensionierung der Gründung berücksichtigt oder es werden von vornherein Kolkschutzmaßnahmen ange-ordnet. Jedoch erfordert die erste Lösung eine sichere Prognose der Kolktiefe, die zweite Lösung ist mit einementsprechenden Unterhaltungsaufwand verbunden. Darüber hinaus ist bei beiden Varianten eine laufendeÜberwachung der Gründungen zwingend erforderlich. Die damit verbundenen Kosten können erheblich seinund die Wirtschaftlichkeit der Windparks zumindest beeinträchtigen.

Nach einer kurzen Einführung in die Problemstellung werden exemplarisch für eine Monopile-Gründung ver-schiedene Ansätze zur Ermittlung der Kolktiefe vorgestellt und ihre Anwendbarkeit diskutiert. Der Beitragschließt mit der Beantwortung der eingangs gestellten Frage „Kann man Kolke an Offshore-Windenergie-anlagen berechnen?“

ABSTRACT: The problem of scour around the foundation structure plays a major role in the design of founda-tions for offshore wind mills. In today’s design practice either the expected maximum scour depth is taken intoaccount when determining the foundation dimensions or protection measurements are installed during con-struction to prevent the development of scour holes. However, the first solution requires a safe prediction of theexpected scour depth, the second solution involves permanent maintenance of the scour protection. Besides,both solutions require periodical monitoring. The costs associated with these measurements can be consider-able and may affect the economic efficiency of an offshore wind park.

After a short introduction different formulations to calculate the scour depth are presented. For an example of amonopile foundation their applicability is discussed and finally an answer is given to the question raised above“Are we able to predict scour depth at offshore wind mills?”.

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Richwien, Lesny: Kann man Kolke an Offshore-Windenergieanlagen berechnen?

BAW-Workshop: Boden- und Sohl-Stabilität – Betrachtungen an der Schnittstelle zwischen Geotechnik und Wasserbau6-2

6.1 EinleitungKolke entstehen, wenn durch die erodierende Wir-kung des strömenden Wassers der Boden um einBauwerk herum gelöst und abtransportiert wird (Bild6.1). Dadurch legen Kolke die Gründungen vonBauwerken bereichsweise frei. Die einzelnenMechanismen sollen in diesem Beitrag nicht disku-tiert werden, nur soviel sei angemerkt: Ursache desKolks ist immer eine hydrodynamische Beanspru-chung, die groß genug ist, größere Bodenbereichezu destabilisieren und den so aus seinem Verbundherausgelösten Boden an anderer Stelle abzulagern.Kolke dieser Art werden als lokale Kolke bezeichnet.

Bild 6.1 Strömungsbild und Kolk an einem zylindri-schen Pfahl nach /Hamil 1999/

Oftmals wird vereinfachend angenommen, dass sichKolke nur in nichtbindigen Böden ausbilden können.Dies ist nicht zutreffend, auch in bindigen Bödenkönnen Kolke entstehen, dieser Prozess dauertjedoch wesentlich länger. So können sich Kolke insandigen Böden in wenigen Tagen voll ausbilden, inbindigen Böden kann es Monate dauern, voraus-gesetzt, die Beanspruchung hält so lange an. Dahersind Probleme mit Kolkbildung vor allem bei lockerennichtbindigen Sedimenten zu befürchten, in diesenBöden treten sie auch regelmäßig auf.

Bei der Planung von Gründungen für Offshore-Bau-werke gibt es hinsichtlich der Berücksichtigung einermöglichen Kolkbildung zwei klassische Problem-lösungen. Entweder wird die Gründung für die größtezu erwartende Kolktiefe bemessen, dieser Wertmuss dann jedoch abgesichert sein. Oder derGewässerboden wird durch Kolksicherungen sogeschützt, dass Kolke unter den herrschendenhydrodynamischen Bedingungen über die Bau-werkslebensdauer gar nicht erst auftreten.

Mit beiden Lösungen geht jedoch eine Über-wachungsverpflichtung einher, mit einem Kolkschutznach allen Erfahrungen zusätzlich eine Unterhal-tungsverpflichtung. Dass diese Verpflichtungeneinen enormen Kostenfaktor darstellen, ist in

Deutschland spätestens seit der Forschungsplatt-form Nordsee bekannt, bei der sich die ursprüngli-chen Kolkschutzmaßnahmen bereits nach wenigenMonaten als nicht hinreichend erwiesen und grund-legende zusätzliche Maßnahmen zur Sicherung derGründung bereits nach rd. drei Jahren erforderlichwurden (Bild 6.2). Übertragen auf die Gegebenheitender Offshore-Windparks mit jeweils bis zu 200 Anla-gen, die im Rahmen der derzeitigen energiewirt-schaftlichen Planungen in der Nordsee entstehensollen, hätte dies zur Folge, dass die Wirtschaftlich-keit dieser Bauvorhaben u. U. in Frage gestelltwürde.

Dieser Beitrag behandelt die Frage, ob es auf derGrundlage heutigen Wissens möglich ist, die Kolk-tiefe an Gründungsstrukturen von Offshore-Wind-energieanlagen – wie sie in Bild 6.3 dargestellt sind -vorherzusagen. Die Ausführungen beschränken sichzunächst auf die einfachste Gründungsvariante nachBild 6.3, den Monopile. Eine Monopile-Gründung isteinem Brückenpfeiler sehr ähnlich, und gerade fürBrückenpfeiler gibt es in der Literatur eine großeZahl von Untersuchungen, Fallstudien undAbschätzformeln für die Kolktiefe.

Bild 6.2 Forschungsplattform Nordsee, SituationJanuar 1980 /Stein 1981/

Bei den anderen in Bild 6.3 gezeigten Strukturensind die hydrodynamischen Einwirkungen sehr vielkomplexer und damit auch die Möglichkeiten derKolkbildung. Eine Prognose der zu erwartendenKolktiefe ist in diesen Fällen ungleich schwieriger.

Bugwelle

Abwärtsströmung

Strömung

Meeresbodenoberfläche Hufeisenwirbel

Kolk

Nachlaufwirbel

Pfahl

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Richwien, Lesny: Kann man Kolke an Offshore-Windenergieanlagen berechnen?

BAW-Workshop: Boden- und Sohl-Stabilität – Betrachtungen an der Schnittstelle zwischen Geotechnik und Wasserbau6-3

Bild 6.3 Gründungskonzepte für Offshore-Windener-gieanlagen: a) Tripod, Monopile, Schwer-gewichtsfundament (von links), b) Halbtau-cher, c) Abgespannte Struktur /Richwienund Lesny 2004/

6.2 Ermittlung der Kolktiefe anBrückenpfeilernDer einschlägigen Literatur können allein für denZeitraum von 1949 bis 1987 insgesamt 35Abschätzformeln für die Kolktiefe an Brückenpfeilernentnommen werden, jedoch liefern nicht alle für

gleiche Verhältnisse auch die gleichen Ergebnisse.Die Gründe dafür sind offensichtlich: Alle Abschätz-formeln wurden aus Modelluntersuchungen fürjeweils spezifische Verhältnisse abgeleitet und sinddaher nicht oder nur bedingt auf andere Randbedin-gungen übertragbar, nur einige wenige sind punktu-ell durch Vergleich mit Feldmessungen belegt.

Für die bei Offshore-Bauwerken vorliegenden Ver-hältnisse – große Wassertiefe im Verhältnis zu denBauteilabmessungen, Tideströmung und Wellenein-wirkung – ist letztendlich keine der in der Literaturdokumentierten Abschätzformeln entwickelt worden.

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Richwien, Lesny: Kann man Kolke an Offshore-Windenergieanlagen berechnen?

BAW-Workshop: Boden- und Sohl-Stabilität – Betrachtungen an der Schnittstelle zwischen Geotechnik und Wasserbau6-4

Dennoch soll im Folgenden anhand eines einfachenBeispiels aufgezeigt werden, welche Einflüsse diebekannten Ansätze zur Ermittlung der Kolktiefeberücksichtigen und zu welchen Ergebnissen sie beiAnwendung auf die Randbedingungen derOffshore-Windenergieanlagen führen.

Die einfachen der publizierten Ansätze haben dieForm

n

DhK

DS

⋅= (6-1)

wobei S die Kolktiefe ist, D der Durchmesser derStruktur und h die Wassertiefe. K und n sind dimen-sionslose Faktoren, die die Geometrie (K) bzw. dieEigenschaften des Bodens (n) berücksichtigen.

Bei den komplexeren Ansätzen wird zusätzlich eineArt Froude-Zahl eingeführt, und zwar entweder in derForm

DgUc

⋅(6-2a)

oderhg

Ucr

⋅(6-2b)

Hier ist Uc die mittlere Strömungsgeschwindigkeitund Ucr die kritische Strömungsgeschwindigkeit, dienach Shields den Bewegungsbeginn des Sedimentsdefiniert. Bereits an dieser Stelle ergibt sich ein ers-tes Problem: Welche Werte von Uc und Ucr sind imkonkreten Anwendungsfall maßgebend?

Tabelle 6.1 Ansätze zur Abschätzung der Kolktiefean Pfählen, gleichmäßige Strömung, fürh = 30 m, D = 6 m, Uc = 0,5 m/s, Ucr =1,0 m/s /Ungruh und Zielke 2004/

/Ungruh und Zielke 2004/ haben für die in Tabelle6.1 ausgewählten Formeln dieser einfacheren Art dieKolktiefe an der Monopile-Gründung einer Offshore-Windenergieanlage ermittelt, und zwar für h = 30 m,D = 6 m, Uc = 0,5 m/s und Ucr = 1,0 m/s.

Die errechneten Ergebnisse streuen über eine großeBandbreite zwischen 3,4 m und 18,0 m. Auf dieserGrundlage ist eine Gründungsbemessung nichtzuverlässig möglich. Allerdings sei nochmals daraufhingewiesen, dass die Ansätze der Tabelle 6.1 fürandere Randbedingungen als die einer Offshore-Windenergieanlage entwickelt wurden und nicht(ohne weiteres) übertragen werden können.

6.3 Lokale Kolkbildung bei Tide-strömungenEs braucht eine gewisse Zeit, bis lokale Kolke vollausgebildet sind, bis sie also diejenige Tiefe erreichthaben, in der ein weiterer Bodenabtrag nicht mehrstattfindet (Gleichgewichtskolktiefe). Auch hierfürliegen Ansätze vor, z. B. /Zanke 1982/ und /Roulund2000/. Tideströmungen ändern jedoch alle sechsStunden ihre Richtung, und die Strömungsge-schwindigkeit ist über die Tide nicht konstant. So istes möglich, dass die angreifende Tide nicht die not-wendige Dauer hat, einen Kolk bis zur Gleichge-wichtstiefe auszuräumen. Im Ergebnis stellen sichdann stabile Kolke geringerer Tiefe ein.

Autor Jahr Formel Ermittelte Kolktiefe [m]

Laursen & Toch Laursen

1956

1963

3,0

Dh5,1

DS

⋅=

5,0

Dh34,1

DS

⋅=

14,6

18,0

Qadar Ansari & Qadar

1981

1994

36,0D33,1DS −⋅=

6,0D60,3DS −⋅= (für D > 2,2 m)

4,2

7,4

Jain Jain

1981

1981

25,0cr

3,0

hg

UDh41,1

DS

⋅⋅

⋅=

25,0cr

3,0

hgU

Dh84,1

DS

⋅⋅

⋅=

6,7

8,8

Shen II 1969 66,0

c

Dg

U4,3

DS

⋅⋅= 3,4

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Richwien, Lesny: Kann man Kolke an Offshore-Windenergieanlagen berechnen?

BAW-Workshop: Boden- und Sohl-Stabilität – Betrachtungen an der Schnittstelle zwischen Geotechnik und Wasserbau6-5

Die zeitliche Entwicklung des Kolks wird z. B. in fol-gendem Ansatz von /Melville und Coleman 2000/berücksichtigt:

tSdID,h KKKKKKS ⋅⋅⋅⋅⋅= Θ (6-3)

In den Faktoren Ki sind die verschiedenen Einfluss-größen auf die Kolktiefe S empirisch erfasst. FürEinzelbauwerke mit kreisförmigem Querschnitt kön-nen die Faktoren KS und KΘ jeweils zu 1,0 gesetztwerden.

Der Faktor Kh,D berücksichtigt das Verhältnis derBauwerksbreite D zur Wassertiefe h und ist

D4,2K D,h ⋅= für 7,0HD < (6-4a)

Dh2K D,h ⋅⋅= für 5HD7,0 << (6-4b)

h5,4K D,h ⋅= für HD5 > (6-4c)

In den Gebieten der in der Nordsee geplanten Wind-parks beträgt die Wassertiefe h rd. 25 m bis 35 m.Der Durchmesser D der geplanten Monopiles wirdeine Größenordnung von rd. 5 bis 7 m haben. Damitliegt das Verhältnis D/h zwischen 0,14 und 0,25 undsomit gilt: D4,2K D,h ⋅= .

Mit dem Faktor KI wird die Strömungsintensitäterfasst, und es gilt:

cr

cI U

UK = für 1

UU

cr

c < (6-5a)

1KI = für 1UU

cr

c ≥ (6-5b)

Für 1UU crc < liegen die Bedingungen derbeweglichen Sohle vor, bei 1UU crc ≥ Klarwasser-bedingungen. Dieser Fall liefert die größte Kolktiefeund er dürfte bei reiner Tideströmung und stabilerMorphologie maßgebend sein. Somit ist 1KI = .

Der Einfluss des anstehenden Bodens wird mit demFaktor Kd erfasst, und zwar über den kennzeichnen-den Korndurchmesser 50d des Bodens:

⋅⋅=

50d d

D24,2log57,0K für 25dD 50 ≤

(6-6a)

0,1K d = für 25dD 50 >

(6-6b)

Im vorliegenden Fall ( m7bis5D = ) ist auch 1Kd = ,sofern der Korndurchmesser m20,0d50 < ist,wovon jedoch ausgegangen werden kann.

Die zeitliche Entwicklung des Kolks wird nun mit demFaktor

⋅−=

6,1

GGc

crt T

tlnUU

03,0expK (6-7)

beschrieben. Hier ist TGG die erforderliche Zeit biszur Entwicklung der Grenztiefe. /Ungruh und Zielke2004/ haben aufgrund einer Ähnlichkeitsbetrachtungauf der Grundlage der Modellversuche von /Zanke1982/ für die Tideströmung ein Verhältnis von

25,0Tt GG ≈ errechnet.

Für sm5,0Uc = und sm0,1Ucr = (Rechenwertenach Tabelle 6.1) wird

( ) 86,025,0ln203,0expK 6,1t =

⋅−=

und die Kolktiefe ergibt sich für einen Monopile-Durchmesser von m0,6D = zu:

m40,12

D06,295,01111D4,2S

=

⋅=⋅⋅⋅⋅⋅⋅=(6-8)

Die nach dieser Formel errechnete Kolktiefe liegt imoberen Bereich der in Tabelle 6.1 ermittelten Band-breite.

6.4 Strömung und WellenDer Einfluss der Strömung wird durch die zeitlich undörtlich variierende Belastung aus Wellen überlagert.Nach Erfahrungen von /Raudkivi 1982/ entspricht dieKolktiefe bei einer kombinierten hydraulischen Bean-spruchung aus Strömung und Wellen der Kolktiefebei Beanspruchungen nur durch Strömungen. Wel-len haben demnach nur einen geringen Einfluss aufdie Kolktiefe.

/Sumer und Fredsoe 1999/ haben zur Erfassung derWelleneinwirkungen die Keulegan-Carpenter ZahlKC eingeführt:

DTU

KC max −= (6-9)

Hier ist Umax die maximale Anströmgeschwindigkeitaus Strömung und Wellen und T die Wellenperiode.Bei großen Bauteilabmessungen D wird KC kleinund die Kolktiefe nimmt ab (Bild 6.4).

Für die Kolktiefe geben /Melville und Coleman 2000/,auf der Basis der Arbeit von /Sumer und Fredsoe1999/, die folgende Beziehung an:

( )( )[ ]6KC03,0e10,2DS −−−⋅= (6-10)

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Richwien, Lesny: Kann man Kolke an Offshore-Windenergieanlagen berechnen?

BAW-Workshop: Boden- und Sohl-Stabilität – Betrachtungen an der Schnittstelle zwischen Geotechnik und Wasserbau6-6

Bild 6.4 Korrelation zwischen Gleichgewichtskolk-tiefe an einem zylindrischen Pfahl und derKeulegan-Carpenter Zahl KC /Whitehouse1998/

Positive Kolktiefen ergeben sich nur für KC > 6, mitzunehmender KC-Zahl nimmt die relative Kolktiefezu und oberhalb 100KC ≈ ist ein Einfluss der Wel-len auf die Kolktiefe nicht mehr vorhanden.

Für die großen Bauteilabmessungen bei Monopiles( m5D > ) und den wahrscheinlichen maximalenAnströmgeschwindigkeiten ( sm4Umax < ) sowieWellenperioden s16T < ist 16KC < und

3,0DS < . Daraus errechnet sich mit m6D = eineKolktiefe von m8,1S = . Dies ist deutlich kleiner alsbei allen bisher diskutierten Ansätzen.

6.5 Woran kann man sich halten?Die hier vorgestellten Ansätze liefern für die geo-metrischen und hydrodynamischen Verhältnisse beiOffshore-Windenergieanlagen Ergebnisse, die nichtauf den ersten Blick als unrealistisch erkennbar sind.Allerdings streuen sie in einer solchen Bandbreite,dass ihre Brauchbarkeit schon rein praktisch inFrage gestellt werden muss. Die Ursache dafür liegtauf der Hand: Diese Ansätze wurden für sehr spezi-fische Anwendungsbereiche entwickelt und lassensich eben für die hier vorliegenden Randbedingun-gen nicht übertragen. Auch der einzige vomAnspruch her physikalisch „legitimierte“ Ansatz von/Melville und Coleman 2000/ ist problematisch, da erso geringe Kolktiefen liefert, dass der Verdachtbegründet ist, auch dieser Ansatz sei nicht realis-tisch. Zumindest ist er nicht hinreichend durch kon-krete Erfahrungen belegt.

Nun ist diese Erkenntnis nicht neu, in der jüngerenLiteratur werden daher probabilistische Ansätze insGespräch gebracht /Whitehouse 1998/, bei denen

die Hydrodynamik (Turbulenz und Druckverteilungim Wasser) mit den Regeln für den Sedimenttrans-port gekoppelt werden.

Die Möglichkeiten solcher Modelle sollen nicht inFrage gestellt werden, jedoch ist darauf hinzuwei-sen, dass ihnen ein wesentliches physikalischesElement fehlt, solange die Mechanismen im Bodennicht vollständig mit einbezogen werden.

Man betrachte das Strömungsfeld in Bild 6.1. Nach/Hamil 1999/ ist die maximale abwärts gerichteteStrömungsgeschwindigkeit ohne einen Kolk rd. 40%der mittleren Anströmgeschwindigkeit. Wenn dieKolkbildung einsetzt, erreicht die abwärts gerichteteStrömung gar 80% der Anströmgeschwindigkeit. Ausder Druckverteilung am Seeboden um den Pfahlherum wirken Druckgradienten in den Boden hineinund lokal auch aus diesem heraus.

Zusätzlich müssen aber die oszillierenden Scherbe-anspruchungen aus der Bettung des Pfahls imBoden infolge seiner äußeren Belastung betrachtetwerden. In Bild 6.5 ist beispielhaft die Verformungdes Korngerüsts als Veränderung der Porenzahlaufgrund einer äußeren Horizontalbelastung desPfahls dargestellt. Deutlich erkennbar sind aufgelo-ckerte Zonen auf der von der Belastungsrichtungabgewandten Seite (im Bild rechts) und verdichteteZonen in Richtung der Belastung (im Bild links). Dielokalen Auflockerungen des Bodens können bis hinzu einer lokalen und temporären Verflüssigung (beioszillierenden Bauwerksbeanspruchungen) führen.

Die horizontalen Verschiebungen des Pfahls amSeeboden unter Betriebslasten haben nach unserenBerechnungen eine Größenordnung von mehrerenZentimetern und sie sind rein elastisch, d. h. siestellen sich mit dem Durchgang des Wellentalszurück. Die erzwungenen Formänderungen desBodens sind hingegen überwiegend plastisch. Jenach Bodenart bildet sich daher zwischen Pfahl undBoden zumindest temporär ein standsichererwassergefüllter Spalt, aus dem das Wasser beierneuter Durchbiegung des Pfahls mit großerGeschwindigkeit herausgepresst wird.

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Richwien, Lesny: Kann man Kolke an Offshore-Windenergieanlagen berechnen?

BAW-Workshop: Boden- und Sohl-Stabilität – Betrachtungen an der Schnittstelle zwischen Geotechnik und Wasserbau6-7

Bild 6.5 Verteilung der Porenzahl infolge Horizontal-belastung des Pfahls nach links (Richwien etal., 2004)

Außerdem erzeugt die zyklische äußere Belastungdes Pfahl komplexe Strömungsverhältnisse imBereich des lastabtragenden Bodens. In den ver-dichteten Bodenzonen erfolgt einerseits eine Ent-wässerung in Richtung Meeresbodenoberfläche,andererseits findet eine Umströmung des Pfahls inRichtung der aufgelockerten Bodenzonen statt. Derdort vorherrschende Porenwasserunterdruck bewirktzudem einen Zustrom über die Meeresbodenoberflä-che. Diese durch die Pfahlbelastung induzierteStrömung überlagert sich mit den direkt einwirken-den hydrodynamischen Beanspruchungen nach Bild6.1.

Die infolge der zuvor beschriebenen Prozesse insta-bil gewordenen Bodenzonen werden durch diehydrodynamischen Einwirkungen erodiert. Unterdiesen Bedingungen dürften ganz andere Kolk-abmessungen zu erwarten sein als an Brückenpfei-lern. Erst wenn diese Einflüsse mit erfasst werden,können Berechnungsansätze und numerischeModellierungen den Anspruch auf Vollständigkeiterheben und die Ergebnisse als vertrauenswürdigangesehen werden.

Daher muss die im Titel dieses Beitrags gestellteFrage wie folgt beantwortet werden:

1. Auf der Grundlage des heutigen Wissens-stands kann die Kolkbildung im Gründungs-bereich von Offshore-Windenergieanlagennicht zuverlässig vorhergesagt werden.

2. Es ist aber zu erwarten, dass in Zukunft aufBasis numerischer Modellierungen einezuverlässige Kolkprognose möglich ist, wenndie Wechselwirkungen zwischen Wasser,Boden und Struktur im Nahfeld der Strukturbodenmechanisch zutreffend erfasst wer-den. Dies setzt jedoch voraus, dass derBoden im Bereich der Struktur diskretmodelliert wird, um Erosionsvorgänge erfas-sen zu können. Dies ist heute noch nichtoder nur unter unverhältnismäßig hohemAufwand möglich. Darüber hinaus müssennumerische Modelle stets durch Feldmes-sungen verifiziert werden.

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BAW-Workshop: Boden- und Sohl-Stabilität – Betrachtungen an der Schnittstelle zwischen Geotechnik und Wasserbau6-8

6.6 LiteraturHamil, L. 1999

Bridge Hydraulics, E & FN Spon London, New York

Melville, B. Coleman, S. 2000

Bridge Scour, Water Resources Publications, LLC

Raudkivi, A. 1982

Grundlagen des Sedimenttransports, Springer-Verlag

Richwien, W., Lesny, K., Wiemann, J. 2004

Bau- und umwelttechnische Aspekte von Offshore-Windenergieanlagen, www.gigawind.de, download

Richwien, W., Lesny, K. 2004

Windfarmen in der Nordsee, Fundamente für Wind-mühlen auf hoher See; in: Essener Unikate -Berichte aus Forschung und Lehre, Ingenieur-wissenschaften, Heft 23, Universität Duisburg-Essen

Roulund, A. 2000

Three-Dimensional Numerical Modelling of FlowAround a Bottom-Mounted Pile and Its Application toScour; Department of Hydrodynamics and WaterResources, Technical University of Denmark

Stein, D. 1981

Kolkbildung und ihre Verhinderung an Offshore-Plattformen; Verlag Glückauf GmbH

Sumer, B., Fredsoe, J. 1999

Wave Scour around Structures; World Scientific,Singapore.

Ungruh, G., Zielke, W. 2004

Kolkberechnungen an Offshore-Bauwerken: A Stateof the Art Review; www.gigawind.de, download

Weilbeer, H. 2001

Strömung und Kolkung an Wasserbauwerken; Insti-tut für Strömungsmechanik und ElektronischesRechnen im Bauwesen der Universität Hannover

Whitehouse, R. 1998

Scour at Marine Structures – A Manual for PracticalApplications; Thomas Telford

Zanke, U. 1982

Grundlagen der Sedimentbewegung; Springer-Verlag, (Hochschultext)