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Knabenspiele

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  • Knabenspiele auf Neu-Mecklenburg (Sdsee)Author(s): P. AbelSource: Anthropos, Bd. 1, H. 4. (1906), pp. 818-823Published by: Anthropos InstituteStable URL: http://www.jstor.org/stable/40442161 .Accessed: 21/01/2015 06:56

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  • Knabenspiele auf Neu-Mecklenburg (Sdsee)-

    - 818 -

    Von P. Abel M. S. C. - Salzburg, vordem Missionar auf Neumecklenburg.

    Nrdlich um die Gazellehalbinsel Neu-Pommerns liegt ein langer, hoher Wall, die Insel Neu-Mecklenburg. Sie ist eine der interessantesten Inseln der Welt: bei einer Lnge von etwa 350 km. ist sie an zwei Stellen in der Mitte (bei Bo und Kuddukdu) nicht breiter als 12-15 km., so da man sie an einem Tage bequem zweimal durchqueren kann. Das uerste Nordwestende der Insel steht unter der Aufsicht eines kaiserlich deutschen Richters in Kaewteng. Die uerste Sdspitze hin- wiederum ist bekannt durch die verunglckte Expedition des Charles du Breil, Marquis de Rays, der von dort aus im Jahre 1880 seine Colonie libre de Port- Breton oder das Nouvelle-France grnden wollte. Der weitaus grte Teil der Insel ist terra incognita. Erst im letzten Jahrzehnt wandte man sich auch jenem mittleren Teil der Insel zu, der zwischen den beiden engsten Stellen liegt nmlich zwischen Bo und Kuddukdu am stlichen Ufer und Kurumut und Kalil am westlichen Ufer (zwischen 3 und 4 sudi. Br. und 152 und 153 stl. L.)

    Diesen Strich Landes nennen die Eingeborenen selbst Laur im Gegensatz zu Siar, dem sdlichen und zu Nusa> dem nrdlichen Teil der Insel. In diesem Laur spricht man ein und dieselbe Sprache, herrschen dieselben Sitten und Gebruche, hegt man dieselben religisen Anschauungen, trotz der erbittertsten Tod- feindschaft zwischen den Oststmmen in N amar oda, den Kamagos, Saremagas, Nabuo, Banban u. s. w. und den davon westlich gelegenen Stmmen in Bissapu, Rahera, Nap anta, Ratubu, den Bailage, Rosalia, Tuubuah, Kabunglingis u. s. w., einer so grimmigen Todfeindschaft, da jeder gegenseitige Verkehr absolut

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    ausgeschlossen ist, und noch vor wenigen Jahren die blutigen Bruderkriege an der Tagesordnung waren. Die Leute sind zwar klein, aber krftig und schn gebaut; sie sind jhzornig und rechte Lgenbolde, doch auch gutmtig, arbeitsam, tanz- und sanges- lustig, mutig, zu Hader, Kampf und Krieg schnell bereit, gewandte, leidenschaftliche Jger im Busch und auf hoher See. Von diesen Laurleuten und zwar den allerlosesten unter ihnen, mchte ich dem Leser erzhlen, wie sie spielen, scherzen und sich unter- halten. Denn beim Spiele zeigen sich die Wilden noch von ihrer zahmsten, menschlichen Seite.

    Die ersten Abendstunden sind beraus angenehm und wie geschaffen zu Spiel und Freude. Die glhende Hitze des Tages wird verscheucht von dem khlen Landwind (a talaur), der von den Bergen herunterweht. Das milde Mondlicht tritt an die Stelle der grellen, heien Sonnenstrahlen. Das Meer wird ruhig, und nur das eintnige Rauschen der Brandung dringt wie tiefes Atemholen der Natur durch die Stille der Nacht.

    So versammeln sich denn etwa zwei Stunden nach Sonnen- untergang, gewhnlich zur Zeit des Neu- und Vollmondes, die Knaben und Jnglinge aus nahe beieinander gelegenen Drfern, um nach Herzenslust zu schreien und zu spielen.

    Am Meeresstrande erscheinen bei Ebbe groe Sandflchen: die besten Turn- und Tummelpltze fr die wilde Jugend. Hier lt sich's weit besser spielen als droben in den Bergdrfern, wo man mit dem engen Platz vor der Mnnerhtte vorlieb nehmen mu. Im warmen, weichen Ufersande darf man Purzelbume schlagen und fallen, rennen, strzen, rollen, kugeln; da kommt hchstens Sand in die wirren Haare. Auch ein Feuergrbchen kann man sich machen, wo die Glut unterhalten wird fr die unzertrennliche, treu gehegte Tabakspfeife. Hier am traulichen Herde hlt man nach beendetem Spiele noch ein gemeinsames Plauderstndchen. Da hocken und lagern sie auf dem Sande um's Feuer herum und jeder, selbst der kleinste Knirps gibt mit Kenner- miene sein Urteil ab ber die Chancen des Spieles.

    Wie bei allen Dingen unter den Schwarzen, so kostet es auch hier viele gute Worte, bis das Oesetz der Trgheit aufgehoben ist. Erst ruft man sich wohl 5-10 mal die gegenseitige Auf- forderung zu: mQom, dahdt na hanahn, daht na mamqu bag! Voran, gehen wir - jetzt wollen wir mal spielen!" Aber nur

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    wenige rhren sich, stehen auf und strecken behaglich ihre Glieder. Endlich ruft ein Spavogel den Saumseligen zu: Bore na kis ma kanaka/ Schweine und Hennen sollen sitzen bleiben!*1 Auf gut deutsch etwa: Schlafhauben und Murmeltiere mgen sitzen bleiben!" Solch eine Krnkung ihrer mnnlichen Tatkraft wirkt. Die Gegenrede bleibt keiner schuldig, und so kommt denn endlich Leben in die Bude".

    Da strmen sie unter Johlen, Schreien, Lachen und Jauchzen aus dem Mnnerhaus hervor und aus den umliegenden Htten zum Strande hin. Die kleinsten sind gewhnlich die ersten zur Stelle, und sie haben auch meistens schon das Spiel verabredet, bevor noch die greren nachgekommen sind, um auch ein Wrtchen dreinzureden. Die geben durch beiflliges Kopfnicken ihre Zustimmung zum Vorschlag und wahren so in etwa das Privilegium ihrer Wrde.

    Unter den Knabenspielen werden drei ganz besonders be- vorzugt, nmlich: a kapkap-bn, das Mattehalten, a sdrsarat- kalae, oder auch a srsarat-hinu genannt, das Strickziehen und a hunulga, wofr ich kein deutsches Wort wei; man knnte es am besten das Fangspiel nennen.

    A kapkap-bn - Das Mattehalten.

    Zu diesem Spiele gehrt eine Matte (a bri), die man aus der Lngshlfte eines groen Kokosnublattes flicht. Sie mu fest und dicht geflochten sein, da sie gegen forschende Augen eine undurchdringliche Schutzwand bildet, und wenigstens so gro, da sie bequem einen dahinterstehenden erwachsenen Mann verdeckt.

    Erst bilden sich unter den Jungen zwei Parteien, womglich gleich an Anzahl. Diese beiden Gruppen trennen sich auf einen Abstand von 20 - 30 m. und gehen mit Vorliebe an Stellen, die etwas dunkel sind und nicht vom vollen Mondlicht beschienen werden; so z. B. in den Schatten der mchtigen, berhngenden Uferbume, oder an die nicht beleuchtete Seite einer Htte, oder unter die Veranda eines Hauses u. s. w. Eine der beiden Parteien nimmt nun die Matte zu sich, whrend die andere Partei folgendes Lied anstimmt:

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    I Sehr schnell.

    Pi - ka- io, pi- ha- io, pi - a- io, pi- ha -io!

    I^zze j I j j j j i^jj Ma-ra ka bui M-a-ro ma-ra ka-bul tal -fui,

    Iambi - - so -la so - fai iambi - - la - si,

    tumbi - a - h - si te - be- la - si pi ' - Aal,

    pi -hol mara si ma -ra, pi - A< pi - hol!

    Nun frage mich aber keiner, was das heifit. Sonst mu ich eben dieselbe Antwort geben, mit der man auch meine Neugierde befriedigte : / ra toara diet qa inge mah kuo! Die Alten haben auch so gesungen!" das heifit: ich wei es nicht, du weit es nicht und keiner wei es. Aber mein Vater und alle Grovter haben genau auch so gesungen, und damit basta!

    Whrend des Gesanges, der gar nicht so unmelodisch klingt, stellen die Knaben der ersten Partei sich dicht zusammen. Irgend einer tritt in die Mitte und nimmt die Matte. Er hlt sie nun so vor sich, da er zwar bequem dahinter gehen kann,

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    aber da keiner vom feindlichen Lager ihn erkennen wird. Immer die Matte vor sich haltend, geht er voran, etwa bis in die Mitte zwischen den zwei Gruppen. Dort bleibt er ruhig stehen.

    Sobald der Knabe mit der Matte voranschreitet, verstummt der Gesang drben bei der anderen Gruppe. Viele rufen laut und schnell die Frage! mSig nga, si nga, si nga? N . . . Wer bist du, v/er, wer, wer bist du? Das ist der. . ." dabei haben alle den Ankmmling scharf beobachtet und raten still unter ein- ander, wer das wohl sein knnte. Dann ruft einer laut den Namen dessen, den sie hinter dem Schild vermuten: nN Barbanaul Das ist der Barbanau!* Haben sie den Jungen er- raten, so lt dieser die Matte fallen und kehrt stillschweigend und etwas beschmt zu seiner Partei zurck. Die von der anderen Gruppe jauchzen und schreien laut vor Freude, da sie den richtigen getroffen haben, holen sich die Matte und beginnen nun ihrerseits das Spiel des Versteckens. Die Geschlagenen wollen sich nichts vergeben und stimmen gleich mit riesigem Galgen- humor ihr Liedchen an: Pikalo, pikaio! mitten in die Freuden- rufe von denen da drben.

    Haben die ersteren den Jungen aber nicht erraten, dann ruft man ihnen laut zu: Digparon!* oder: Dig paron na hudu! Maat kilam pe! - Daneben! Falsch geraten!" Und es beginnen von neuem das Lied drben und das Verstecken herben.

    Hat eine Partei das Migeschick, fters falsch zu raten, dann bekommt sie das Kompliment zu hren: Dig paran! Kuhile atam! Oder: Pal a kuhile atam!mi) Auf deutsch etwa: Daneben! Dickschdel, kauft euch Nrnberger Trichter!"

    So wie es nun hier auf dem Papier steht, scheint das Spiel sehr einfach und eher langweilig als anziehend zu sein. Wenn man aber sieht, wie viel Witz, Schlauheit und krftigen Humor die schwarzen Rangen dabei zum Vorschein kommen lassen, dann kann man oft kaum der Versuchung widerstehen, selbst mitzuspielen. Nicht selten dauert das Spiel 2 - 3 geschlagene Stunden.

    Da nimmt z. B. so ein Knirps die Matte vor sich und schreitet mit langsamen Riesenschritten einher. Und richtig glauben die anderen dem Schwindel, raten irgend einen hochbeinigen

    i) Wrtlich: Du kriegst einen Eisenholzbaum! Eine Eisenholzbaumrinde ist gtit fr dich!"

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    Gesellen und fallen kstlich hinein. Ein anderer zieht heimlich eine Hose an und irgend welche zerlumpte weie Schuhe und geht hinter der Matte einher. Nun zerbrechen sich die rmsten die Kpfe, ob das nicht der Missions-Bruder sein knnte oder vielleicht gar der Pater, die beide auf der andern Seite dem Spiele zugeschaut haben. Ein anderer wirft sich hinter der Matte seiner ganzen Lnge nach in den Sand nieder, ventre terre, die Matte fllt ober ihn nach und deckt ihn zu. In seiner Keckheit strampelt er gar noch mit den Fen und ahmt mit eingezogenem Kopf und seinen Vieren die Schildkrte nach. Kommt er unge- rupft mit seiner Matte wieder ins Lager, zurck, dann hat er das Lob und die Lacher auf seiner Seite und kann mit berech- tigtem, glckseligem Stolze sein Pfeifchen weiterschmauchen.

    Am allerschlimmsten wird es aber, wenn irgend ein Junge aus einem entlegeneren Dorf durch den Gesang herbeigelockt, sich zu einer Gruppe schleicht und dort dutzendemale hinter der Matte einhergeht, ohne erraten zu werden. Wir wrden es als eine Unehrlichkeit betrachten, aber diesen kleinen schwarzen Schlingeln gilt das als besonders feiner Coup. Damit geht aber das Spiel gewhnlich zu Ende. Denn die ratende Partei wird wegen des ewigen Mierfolges der Sache bald berdrssig, geht einfach auseinander oder stimmt das Pikaio-Lied nicht mehr an. Dann setzen sich alle wieder ums Feuer zusammen und unter Rauchen und Betelnukauen macht jeder seine Kritik ber das Ganze.

    (t ortseUung folgt.)

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    Article Contentsp. 818p. 819p. 820p. 821p. 822p. 823

    Issue Table of ContentsAnthropos, Bd. 1, H. 4. (1906), pp. 681-1032Les Bambara et leur langue [pp. 681-694]The Great Dn Race. (Continued) [pp. 695-730]Mythen und alte Volkssagen aus Brasilien. (Fortsetzung und Schlu) [pp. 731-744]Les "Eki" des Fang [pp. 745-761]Wahrsagerei bei den Kaffern [pp. 762-778]Los indgenas de la Prefectura de Chiang-chiu (Amoy), China. I. Geografa y Estatstica [pp. 779-786]Ein Beitrag zur Kenntnis der Akasele (Tamb)-Sprache [pp. 787-803]Rach Kol. Analyse et critique du pome khmr [pp. 804-817]Knabenspiele auf Neu-Mecklenburg (Sdsee) [pp. 818-823]Fbulas y refranes anamitas. (Continuacin) [pp. 824-837]Der Bauer in Schantung. (Schlu) [pp. 838-863]Hindu Mythology and Literature as Recorded by Portuguese Missionaries of the Early 17th Century [pp. 864-876]Die Mak [pp. 877-906]A Few Words on the Alaska Dn: In Answer to Father Morice, Accompanied by a Short Vocabulary of the A'tana or Copper River Indian Language [pp. 907-913]L'Ethnographie actuelle de l'Afrique mridionale [pp. 914-949]Die moderne Ethnologie. (Fortsetzung und Schlu) / L'Ethnologie moderne. (Suite et fin) [pp. 950-997]BibliographieReview: untitled [pp. 998-1003]Review: untitled [pp. 1003-1006]Review: untitled [pp. 1007-1010]Review: untitled [pp. 1010-1011]Review: untitled [pp. 1011-1014]

    Miscellanea [pp. 1015-1027]Zeitschriftenschau / Revue des Revues [pp. 1028-1031]Quaestionarium ethnologico-linguisticum [pp. 1032-1032]