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Paper read at Eating Disorders Alpbach 2016,

The 24nd International Conference,

October 20-22, 2016

Zur Qualitätssicherung der

Gewichtsrestitution bei Magersucht – Pathophysiologie, evidenzbasierte

Praxis und Vermeidung des Refeeding-Syndroms

Hartmut Imgart Kompetenzzentrum für Essstörungen und

Adipositas Parkland-Klinik, Bad Wildungen

Michael Mayr Andreas Karwautz Katrin Skala Eating Disorders Unit

Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Wien

Refeeding-Syndrom

• Erstbeschreibung in den 50 er Jahren nach dem 2. Weltkrieg (Schnitker / Burger et al.).

• Minnesota FastenExperiment: nach 6 monatiger Nahrungs-restriktion bei Wieder-ernährung erhebliche medizinische Komplikationen (Keys et al ).

• Retrospektiv sind ein Teil der Todesfälle von KZ Häftlingen nach der Befreiung dem Refeeding-Syndrom geschuldet.

Refeeding-Syndrom

• Beim Refeeding-Syndrom kommt es bei der Wiederernährung von mangelernährten Patienten zu einer rapiden Verschiebung von Elektrolyten und freier Flüssigkeit.

• Daraus erfolgen potenziell tödliche kardiovaskuläre, respiratorische oder neurologische Symptome.

Refeeding-Syndrom

• Es gibt keine einheitliche Definition des Refeeding-Syndroms.

• Der Begriff Refeeding-Syndroms wird für eine isolierte Hypophosphatämie bis zu einem Synonym für alle Komplikationen während der Refeeding-Phase verwendet.

• Viele Prozesse und Komplikationen der Wiederernährung sind noch ungeklärt.

Epidemiologie

• Keine gute Datenlage

• In Kohortenstudien fanden sich Prävalenzen von 11,5 % bei erwachsenen Anorexia nervosa-PatientInnen bis zu 34 % bei intensiv- pflichtigen PatientInnen.

Hungerstoffwechsel

• Glucose ist die primäre Energiequelle des menschlichen Körpers. • Bei längerem Fasten stellt peripheres Gewebe seine Versorgung weitestgehend auf die Verwendung freier Fettsäuren um, das Gehirn seine Versorgung bis zu 2/3 auf Ketonkörper. • Es kommt zu einem herabgesetzten Vitamin- und Mineralstoffstatus einschließlich der Elektrolyte Phosphat, Magnesium und Kalium .

Wiederernährung

• Die Wiederaufnahme der Ernährung hat weitreichende Konsequenzen für den Körper mangelernährter Personen.

• Glukose muss erneut verstoffwechselt werden.

Glukose

Hungerstoffwechsel Fett als alternativer Energieträger

Extrazellulär: Statt Glucose werden Fette als Energieträger gebraucht Herabsetzung des Stoffwechsels

Intrazellulär: Statt Glucose werden Fette als Energieträger gebraucht Herabsetzung des Stoffwechsel

Hungerstoffwechsel Maskierter Mangel von Elektrolyten

Extrazellulär: Grenzwertig kompensierter Mineralienstatus oder bereits bestehender Mangel

Intrazellulär: Grenzwertig kompensierter Mineralienstatus oder bereits bestehender Mangel

Glucosezufuhr führt zur Insulinausschüttung

Insulin Glukose

Zellmembran

Glukose und Insulin

Insulinwirkung

Insulin Glukose

Proteinsynthese

Aktivierung des Zellstoffwechsels

Insulinwirkung

Insulin Glukose

Glykogen Proteinsynthese

Aktivierung des Zellstoffwechsels

Insulinwirkung

Natrium

Kalium

Insulin Glukose

Glykogen Proteinsynthese

Aktivierung des Zellstoffwechsels

Insulinwirkung

Natrium

Kalium

Insulin Glukose

Glykogen Proteinsynthese

Aktivierung des Zellstoffwechsels

Phosphat Magnesium

Refeeding-Syndrom

Gesteigerter Zellstoffwechsel = Verbrauch von Phosphat, Kalium und Magnesium

Grenzwertig kompensierter Mineralienstatus oder bereits bestehender Mangel

Vollbild des Refeeding-Syndroms

Gesteigerter Zellstoffwechsel = Verbrauch von Phosphat, Kalium und Magnesium

Hypophosphatämie Hypokaliämie Hypomagnesiumämie

Hypophosphatämie Hypokaliämie Hypomagnesiumämie

Verbrauch von Vitamin B1 = Vitaminmangel, Wernicke-Enzephalopathie

Retention von Natrium und Wasser im Extra- zellulärraum = Ödeme

Phosphat

• Phosphat ist unersetzlich als Puffer im Säure-Basen-Haushalt des Bluts, und vor allem bei der universellen Energiebereitstellung (ATP).

• Eine Hypophosphatämie führt zum Sauerstoffmangel und Energiemangel in den Zellen

Wasserhaushalt

• Die Wiederaufnahme der kohlenhydratreichen Ernährung führt zu einem starken Absinken der Ausscheidung von Natrium und Wasser.

• In der frühen Refeeding-Phase besteht die Gefahr der Hypervolämie mit dem Risiko eines Lungenödems oder einer kardialen Dekompensation.

Evidenzbasierte Therapie

• S3-Guideli e „Diag ostik u d Therapie der Essstöru ge “ u ter anderem herausgegeben von der DGESS und DGKjPP und DGPM

• NICE (National Institute for Health and Care Excellence)-Guideline „Core interventions in the treatment and management of anorexia nervosa, bulimia nervosa and related eating disorders“

• NICE Guideline „Nutritio support in adults“ • Royal College of Psychiatrists Guideli e„Ma age e t of Really Sick

Patients with Anorexia Nervosa MARSIPAN “ • sowie die Guideline speziell für Kinder- und Jugendliche (Junior

MARSIPAN) • APA (American Psychiatric Association „Practice Guideline for the

Treatment of Patients With Eating Disorders“

Evidenzbasierte Therapie

• Die Empfehlungen der aufgeführten Guidelines haben meist einen niedrigen Evidenzlevel (Expertenmeinungen). Auch fehlen systematische Studien, zur Überprüfung der Evidenz für das empfohlene Vorgehen.

Risikoeinschätzung für das Auftreten eines Refeeding-Syndroms

• S3-Guideline/Junior MARSIPAN-Guideline: Hochgradige Anorexie

• MARSIPAN-Guideline/Nice –Guideline (Essstörungen): BMI kleiner 12 kg/m2

• NICE–Kriterien (Nutrition Support in adults): BMI < 16,5 kg/m2 oder ein BMI < 18,5 kg/m2 verbunden mit weiteren Kriterien

Parameter für ein hohes Risiko für ein Refeeding-Syndrom

BMI < 14 kg/m2

Verlust von 15 % Körpergewicht innerhalb 3 Monate

Sehr geringe oder keine Nahrungsaufnahme > 7 Tage vor Beginn der Wiederernährung

Niedrige Serumwerte von Kalium, Magnesium oder Phosphat vor Beginn der Wiederernährung

Ausgeprägtes Erbrechen oder ausgeprägter Gebrauch von Diuretika oder Laxantien bei einem BMI < 16 kg/m2

Kalorienzufuhr

• S3-Leitlinie: eine Empfehlung für die initiale Nahrungszufuhr (über enterale Ernährung) mit ca. 30–40 kcal/kg (Körpergewicht).

• In anderen europäisch Guidelines finden sich in der Regel zurückhaltendere Ernährungsprotokolle im Ausmaß von 5–20 kcal/kg.

• Im amerikanischen Raum sind 30–40 kcal/kg und höher etabliert.

Refeeding-Kost

Insulin ist der Bad Guy !

Ideen bei der Wiederernährung

• Dosierung der Kohlenhydratzufuhr:

– Dosierte Insulinausschüttung

• Ausgleich des Elektrolyt- und Vitaminmangels:

– Umgang mit möglichen Folgen der Insulinausschüttung

Ideen bei der Wiederernährung

• Dosierung der Kohlenhydratzufuhr:

– Beschränkung der täglichen Kalorienzufuhr

Dosierung der Kohlenhydratzufuhr

• Dosierung der Kohlenhydratzufuhr:

– Beschränkung der täglichen Kalorienzufuhr

z. B. bei 30kg Körpergewicht 150kcal-1200 kcal /die

Problem:

Underfeeding Syndrom versus Refeeding Syndrom

Energiebedarf

• Die Schätzung des Grundumsatzes sind die üblichen Berechnungsformeln wenig verlässlich und für die Patienten mit einer AN nicht geeignet (S3).

• Im Verlauf der Gewichtszunahme wird der Metabolismus erheblich gesteigert, der Grundumsatz steigt überproportional.

Ideen bei der Wiederernährung

• Dosierung der Kohlenhydratzufuhr:

– Beschränkung der täglichen Kalorienzufuhr

– Refeedingkost

Refeeding-Kost

• Die üblichen 60 % der Kohlenhydrate werden auf unter 45 % abgesenkt, meist zugunsten eines höheren Fettanteils der Nahrung.

• Diese Refeeding-Kost wird lediglich als Option in den S3 Leitlinien erwähnt, hat aber bereits Eingang in vielen Refeeding-Protokollen gefunden.

Ideen bei der Wiederernährung

• Dosierung der Kohlenhydratzufuhr:

– Beschränkung der täglichen Kalorienzufuhr

– Refeedingkost

– Kontinuierliche Gabe der Nahrung per Sonde

Sondierung

• Eine obligate Sondierung von Patientinnen mit einer Anorexie in einem spezialisierten Setting empfehlen die Guidelines nicht.

• Eine orale Nahrung sollte immer vorgezogen werden, Sondierung die Ausnahme sein und nicht längerfristig erfolgen.

• Einrichtungen, die selten Patienten mit einer Anorexia nervosa behandeln, sollten eine obligate Sondierung jedoch erwägen.

Sondierung

• Eine 24stündige kontinuierliche nasogastrale Nahrungsgabe soll Vorteile hinsichtlich der Entwicklung von Hypoglykämien bieten.

• Bei der intermittierenden nasogastralen Nahrungsgabe hat sich 14 Stunden täglich mit Pausierung in der Nacht bewährt.

Ideen bei der Wiederernährung

• Restriktion der Kohlenhydratzufuhr:

– Beschränkung der täglichen Kalorienzufuhr

– Refeedingkost

– Kontinuierliche Gabe der Nahrung per Sonde

• Ausgleich des Elektrolyt- und Vitaminmangels:

– Ausgleich bei Bedarf

Phosphatsubstitution bei bestehenden Phosphatmangel

• Sollte es in der Refeeding-Phase zu einem klinisch bedeutsamen Phosphatabfall kommen, findet dieser meist zwischen dem zweiten und vierten Tag der Nahrungsrestitution statt. Allerdings gibt es auch prolongierte oder verspätete Verläufe. Gegebenenfalls sollte eine orale oder parenterale Substitution erfolgen.

Ideen bei der Wiederernährung

• Restriktion der Kohlenhydratzufuhr:

– Beschränkung der täglichen Kalorienzufuhr

– Refeedingkost

– Kontinuierliche Gabe der Nahrung per Sonde

• Ausgleich des Elektrolyt- und Vitaminmangels:

– Ausgleich bei Bedarf

– Prophylaktische Gabe

Prophylaktische Gabe von Phosphat

• Die prophylaktische orale Gabe von Phosphat wird in neueren Refeeding-Protokollen verwendet.

• Die prophylaktische orale Gabe von Phosphat ist atoxisch, könnte jedoch möglicherweise den Calcium-Stoffwechsel beeinträchtigen sowie zu Diarrhoe führen.

Monitoring einer angemessenen Ernährung

• Die S3-Guideline empfiehlt die Orientierung am Körpergewicht.

• Eine mögliche Wassereinlagerung im Körper ist zu beachten.

• Auf die Möglichkeit der Körperimpedanzmessung (BIA) wird hingewiesen und erwies sich im Review (Saladino) als eine effektive Methode.

Gewichtzunahme

• NICE-Guideline und die S3-Leitlinie: 0,5–1 kg/wö im stationären Rahmen.

• APA- Guideline: 1-1,5 kg/ wö

Gewichtzunahme

• Die Gewichtszunahme von 1,5 kg Körpergewebe ist in der Refeeding-Phase physiologisch möglich und sicher.

• Wir empfehlen daher eine Gewichtszunahme von 500 g bis 1,5 kg wöchentlich.

Zusammenfassung

• Die Wiederernährung von Patientinnen und Patienten mit einer Anorexia nervosa ist insbesondere in einem spezialisierten Setting gut durchführbar und sollte nicht zu zögerlich geschehen. Höherkalorische und Niederkalorische Wiederernährungsprotokolle sind möglich • Viele Stoffwechselprozesse während der Wiederernährung sind noch ungeklärt • Um eine Vergleichbarkeit der verschiedenen Refeeding Protokolle zu erreichen, sollten alle Komplikationen während der Wiederernährungsphase dokumentiert werden • Das Vorgehen beim Refeeding, das in den Leitlinien vorgeschlagen wird, sollte auch evaluiert werden

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