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Business Process/Performance Management im Rahmen eines ganzheitlichen Controlling-Ansatzes August-Wilhelm Scheer und Helge Heß Prof. Dr. Dr. h.c. mult. August-Wilhelm Scheer ist Firmengründer, Auf- sichtsratsvorsitzender und Chief Technology Advisor der IDS Scheer AG. Bis April 2005 war er Direktor des von ihm gegründeten Instituts für Wirtschaftsinforma- tik (IWi) an der Universi- tät des Saarlandes, Saarbrücken. Dr. Helge Heß ist als Director bei IDS Scheer verantwortlich für ARIS R&D, Product- und Solution Management. Stichwörter Business Performance Management Business Process Management Operational Excellence Real-Time Enterprise Reifegradmodell Die Effektivität des operativen Geschäfts eines Unternehmens spiegelt sich im finanziellen Erfolg wider. Aus dieser Erkenntnis heraus wird Con- trolling zunehmend in sehr engem Zusammenhang mit der Analyse und Optimierung der Kernprozesse eines Unternehmens gesehen. Im folgen- den Beitrag wird die Entwicklung des Prozessmanagements über die letz- ten beiden Jahrzehnte geschildert und anhand eines Reifegradmodells aufgezeigt, wie ein integriertes BPM (Business Process/Performance Ma- nagement) einen finanzorientierten Controlling-Ansatz deutlich erweitern kann. ........................................................ 1. Unternehmensperformance – Transparenz und Steuerung ........................................................ Der originäre Anspruch des Controllings ist umfassend, wenn man darunter ein Steuerungskonzept von der unternehme- rischen Zieldefinition bis hin zur Unter- stützung operativer Entscheidungspro- zesse versteht. In der Praxis werden zur Bewertung der Performance eines Unter- nehmens primär Kennzahlen verwendet, die den finanziellen Erfolg eines Unter- nehmens bemessen: Umsatz, Gewinn, Cashflow etc. Diese Finanzkennzahlen sind Ergebnis des operativen Geschäfts und in der Regel nicht direkt beeinfluss- bar (vgl. Abb. 1). Um die Leistungsfähig- keit einer Organisation zu verbessern, ist die Analyse der Effizienz („Doing the things right“) und der Effektivität („Do- ing the right things“) der Geschäftspro- zesse notwendig: Zielsetzung ist es dabei zum einen, durch die Betrachtung der eingesetzten Ressourcen die Kosten zu re- duzieren und zum anderen durch eine verbesserte Ausrichtung am Kunden die Kundenzufriedenheit und damit die Er- löse zu steigern. Es ist bezeichnend, dass die Begriffe „Business Performance Management“ und „Business Process Management“ mit BPM die gleiche Abkürzung besitzen. Beide Konzepte haben zum Ziel, die Ge- schäftsprozesse aller Bereiche und alle Mitarbeiter eines Unternehmens auf die Steigerung seiner Leistungsfähigkeit aus- zurichten. Während aber Business Pro- cess Management mit der Optimierung der konkreten Geschäftsprozesse eines Unternehmens einen mehr operativen Fokus besitzt, ist Business Performance Management globaler, durch Betonung der Finanzdaten aber auch unbestimm- ter. Im folgenden wird, wenn die Abkür- zung BPM verwendet wird, die Vereini- gung beider Ansätze verstanden. Ein integriertes BPM (Business Process/ Performance Management) ermöglicht durch die Analyse operativer Kennzahlen und die Verbindung zu den tatsächlich ablaufenden Geschäftsprozessen eine neue Qualität der Unternehmenssteue- rung: Die Leistungsfähigkeit der Prozesse und damit des operativen Geschäfts ist jederzeit transparent. Werden vereinbarte Kennzahlen nicht erreicht, wird sofort die Fehlerquelle ermittelt und das Prob- lem behoben. Permanent wird überprüft, wie sich das Unternehmen in Bezug zu den gesetzten Zielen verhält – weg vom Krisenmanagement hin zu einer Organi- sation, die Fehlentwicklungen voraus- schauend korrigiert, bevor Probleme gra- vierend werden (vgl. Scheer , 2005). Ge- treu dem Motto „You can’t manage what you don’t measure” wird so die Perfor- mance des Unternehmens messbar ge- macht. Wie in Abb. 1 dargestellt, ist es für eine effiziente Analyse der Schwachstellen (Root Cause Analysis) notwendig, über die reine Betrachtung der Kennzahlen hinaus, die zugehörigen Abläufe und Strukturen des Unternehmens im Blick zu haben. Dies bedeutet, dass die Ursa- chen für schlechte Performance direkt in 145 21. Jahrgang 2009, Heft 3

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Page 1: Business Process/Performance Management im Rahmen … · Business Process/Performance Management im Rahmen eines ganzheitlichen Controlling-Ansatzes August-Wilhelm Scheer und Helge

Business Process/PerformanceManagement im Rahmen einesganzheitlichen Controlling-AnsatzesAugust-Wilhelm Scheer und Helge Heß

Prof. Dr. Dr. h.c. mult.August-Wilhelm Scheerist Firmengründer, Auf-sichtsratsvorsitzenderund Chief TechnologyAdvisor der IDS ScheerAG. Bis April 2005 warer Direktor des von ihmgegründeten Institutsfür Wirtschaftsinforma-tik (IWi) an der Universi-tät des Saarlandes,Saarbrücken.

Dr. Helge Heß ist alsDirector bei IDS Scheerverantwortlich für ARISR&D, Product- undSolution Management.

Stichwörter� Business Performance Management� Business Process Management� Operational Excellence� Real-Time Enterprise� Reifegradmodell

Die Effektivität des operativen Geschäfts eines Unternehmens spiegeltsich im finanziellen Erfolg wider. Aus dieser Erkenntnis heraus wird Con-trolling zunehmend in sehr engem Zusammenhang mit der Analyse undOptimierung der Kernprozesse eines Unternehmens gesehen. Im folgen-den Beitrag wird die Entwicklung des Prozessmanagements über die letz-ten beiden Jahrzehnte geschildert und anhand eines Reifegradmodellsaufgezeigt, wie ein integriertes BPM (Business Process/Performance Ma-nagement) einen finanzorientierten Controlling-Ansatz deutlich erweiternkann.

........................................................

1. Unternehmensperformance –Transparenz und Steuerung........................................................

Der originäre Anspruch des Controllingsist umfassend, wenn man darunter einSteuerungskonzept von der unternehme-rischen Zieldefinition bis hin zur Unter-stützung operativer Entscheidungspro-zesse versteht. In der Praxis werden zurBewertung der Performance eines Unter-nehmens primär Kennzahlen verwendet,die den finanziellen Erfolg eines Unter-nehmens bemessen: Umsatz, Gewinn,Cashflow etc. Diese Finanzkennzahlensind Ergebnis des operativen Geschäftsund in der Regel nicht direkt beeinfluss-bar (vgl. Abb. 1). Um die Leistungsfähig-keit einer Organisation zu verbessern, istdie Analyse der Effizienz („Doing thethings right“) und der Effektivität („Do-ing the right things“) der Geschäftspro-zesse notwendig: Zielsetzung ist es dabeizum einen, durch die Betrachtung dereingesetzten Ressourcen die Kosten zu re-duzieren und zum anderen durch eineverbesserte Ausrichtung am Kunden dieKundenzufriedenheit und damit die Er-löse zu steigern.

Es ist bezeichnend, dass die Begriffe„Business Performance Management“und „Business Process Management“ mitBPM die gleiche Abkürzung besitzen.Beide Konzepte haben zum Ziel, die Ge-schäftsprozesse aller Bereiche und alleMitarbeiter eines Unternehmens auf dieSteigerung seiner Leistungsfähigkeit aus-zurichten. Während aber Business Pro-

cess Management mit der Optimierungder konkreten Geschäftsprozesse einesUnternehmens einen mehr operativenFokus besitzt, ist Business PerformanceManagement globaler, durch Betonungder Finanzdaten aber auch unbestimm-ter. Im folgenden wird, wenn die Abkür-zung BPM verwendet wird, die Vereini-gung beider Ansätze verstanden.

Ein integriertes BPM (Business Process/Performance Management) ermöglichtdurch die Analyse operativer Kennzahlenund die Verbindung zu den tatsächlichablaufenden Geschäftsprozessen eineneue Qualität der Unternehmenssteue-rung: Die Leistungsfähigkeit der Prozesseund damit des operativen Geschäfts istjederzeit transparent. Werden vereinbarteKennzahlen nicht erreicht, wird sofortdie Fehlerquelle ermittelt und das Prob-lem behoben. Permanent wird überprüft,wie sich das Unternehmen in Bezug zuden gesetzten Zielen verhält – weg vomKrisenmanagement hin zu einer Organi-sation, die Fehlentwicklungen voraus-schauend korrigiert, bevor Probleme gra-vierend werden (vgl. Scheer, 2005). Ge-treu dem Motto „You can’t manage whatyou don’t measure” wird so die Perfor-mance des Unternehmens messbar ge-macht. Wie in Abb. 1 dargestellt, ist es füreine effiziente Analyse der Schwachstellen(Root Cause Analysis) notwendig, überdie reine Betrachtung der Kennzahlenhinaus, die zugehörigen Abläufe undStrukturen des Unternehmens im Blickzu haben. Dies bedeutet, dass die Ursa-chen für schlechte Performance direkt in

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VolumeVolume

TimesTimes

CostsCosts

QualityQuality

RisksRisks

OrganizationalOrganizationalPerformancePerformance

ComplianceCompliance

CustomerCustomerSatisfactionSatisfaction

FINANCE

Revenues

EBIT

Cashflow

Processes and Organization

Process flow Communication Material flow

Indicators Trend analysis DistributionInfluencers

Metrics / Symptoms

Structures

Data flow

Leading IndicatorsLagging Indicators

Strategic

Tactical

Operational

ProcessExcellenceOperational ExcellenceBusiness Performance

Process ExcellenceOperational ExcellenceBusiness Performance

Abb. 1: Business Performance Aspekte

den Geschäftsprozessen, den Kommuni-kationsstrukturen, den Daten- und Mate-rialflüssen identifiziert werden (vgl. Heß,2004).

........................................................

2. Reifegradmodell einesintegrierten Process/PerformanceManagements........................................................

Neue Organisationskonzepte und neueIT-Technologien bedingen einander.Wird ein neues Organisationskonzeptentwickelt, das aber von den verfügbarenInformationssystemen nicht unterstütztwerden kann, so bleibt es ein theoreti-sches Konzept und wird nicht erfolgreichin der Praxis eingesetzt. Für die gesamteInformationsverarbeitung in Unterneh-men ist BPM die Killerapplikation. Nurwenn durch den Einsatz von Informa-tionstechnik die Performance des Unter-nehmens gesteigert wird, lohnen sich dieInvestitionen in technische Informa-tionssysteme und machen sie erfolgreich.

Im folgenden wird der BPM-Ansatz auszwei Perspektiven betrachtet, einmal ausder mehr organisatorisch-anwendungs-bezogenen Sicht („BPM ApplicationWheel“) und zum anderen aus den zu ih-rer Unterstützung eingesetzten Technolo-gien („BPM Technology Wheel“). Sie

werden jeweils in einem Rad dargestellt(vgl. Abb. 2) und können zur Evaluie-rung des eigenen BPM-Status im Sinneeines Reifegradmodells eingesetzt werden(„BPM Checkup“). Die „Speichen“ zei-gen die Entwicklung der Kriterien undführen im Sinne eines zunehmenden Rei-fegrades von außen nach innen zu derAchse „BPM“. Ihre Entwicklung wird je-weils durch drei zeitliche Phasen (Mitteder 80er Jahre, Ende der 90er Jahre, ge-genwärtiger Entwicklungsstand) ausge-drückt. Die Phasen bauen häufig aufein-ander auf, so dass Unternehmen, auchwenn sie den neuesten Stand der Ent-wicklung erreicht haben, auch früherePhasen weiterhin sinnvoll nutzen kön-nen.

........................................................

3. BPM Application Wheel........................................................

Das Application Wheel zeigt, welche in-haltlichen Ansätze im Rahmen von BPMverfolgt werden können. Die wichtigstenAspekte werden in den nachfolgendenAbschnitten exemplarisch beschrieben.

Mit dem ARIS-Haus (vgl. Abb. 3) wurdeein Rahmenkonzept zur Beschreibungvon Geschäftsprozessen entwickelt, daseine zunächst von informationstechni-schen Implementierungen unabhängige

betriebswirtschaftliche Architektur vonGeschäftsprozessen kennzeichnet (vgl.Scheer, 1991 bzw. 2002). Es beschreibt dieunterschiedlichen Sichten, die auf einenGeschäftsprozess gerichtet werden kön-nen (Organisations-, Daten-, Funktions-,Leistungssicht). In der Steuerungssichtwerden die einzelnen Sichten zu dem ge-samten Geschäftsprozess integriert.

Kernstück des ARIS-Hauses bildet dasARIS-Metamodell. In ihm werden die zuder Beschreibung der einzelnen Sichteneingesetzten Methoden durch ihre Be-schreibungsobjekte und deren Beziehun-gen dargestellt. Es umfasst rund 250 Ob-jekt- und Beziehungstypen. Mit demHouse of Business Engineering wurde einLifecycle-Konzept des Geschäftsprozess-managements entwickelt (vgl. Scheer,1998, S. 38 f.). Auf der ersten Ebene istdargestellt, wie aus strategischer Sicht dieKernprozesse eines Unternehmens iden-tifiziert werden. Auf der zweiten Ebenewerden die Kernprozesse detailliert be-schrieben (modelliert). Auf der drittenImplementierungsebene werden die Be-schreibungsinhalte mit den Informa-tionssystemen, die praktisch die Maschi-nerie zur Unterstützung der Geschäfts-prozesse sind, verbunden. Rückmeldun-gen aus der Implementierungsebene übertatsächlich ausgeführte Geschäftsprozesse

146 CONTROLLING UND PROZESSMANAGEMENT CONTROLLING-SCHWERPUNKT

CONTROLLING – ZEITSCHRIFT FÜR ERFOLGSORIENTIERTE UNTERNEHMENSSTEUERUNG

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Abb. 2: BPM Application und BPM Technology Wheel

Abb. 3: BPM-Konzepte

(Prozessinstanzen) ermöglichen – imSinne eines Prozess-Monitoring und-Controlling – eine laufende Verbesse-rung und werden zur strategischen Ge-staltung der Geschäftsprozesse herange-zogen.

Betrachtungsobjekte des BPM

Daten beschreiben Ergebnisse von Ge-schäftsaktivitäten, nicht aber die Aktivitä-ten selbst. Bei vielen Analysen, insbeson-dere bei Data Warehouse – Ansätzen, ste-hen trotzdem die Daten als Analyseob-jekte im Mittelpunkt. Sie beschreiben dieErgebnisse von Geschäftsaktivitäten einer

Periode, eines Verkaufsgebiets oder einerOrganisationseinheit. Aus einer reinenDatenanalyse können aber nur einge-schränkt organisatorische Erkenntnissegewonnen werden.

Deshalb wird bei den Geschäftsprozess-konzepten die Ablauforganisation selbstals Analyseobjekt gewählt, also die Bear-

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Data Events and RulesProcesses

Quotation Order

Orderno.

Orderitem

Trans-action no.

Quotationno.

CustomerID

Quotationitem

Articleno.

Quotationprice

Cluster

Cluster

Cluster

Cluster

Cluster

Applicationsystem

type

Event

Event

Event

Function

Function

Applicationsystem

typeCapability

Capability

Event

IF an event exceeds a limit

THEN start action

time

Abb. 4: BPM-Objekte

Abb. 5: Darstellung der Prozessarten

beitungsfunktionen, ihre Ablauflogik, diebeteiligten Organisationseinheiten sowiedie Deliverables, wie sie durch das ARIS-Konzept definiert sind. In Geschäftspro-zessmodellen werden alle für signifikanterachteten Alternativen der Geschäfts-prozessausführung abgebildet. InnovativeKonzepte wie Event-Steuerung und Re-gelwissen sind Voraussetzung für dieReal-Time-Steuerung von Geschäftspro-zessen (vgl. Abb. 4).

Process Hierarchy

Das Geschäftsprozessmanagement kannsich auf unterschiedliche Geschäftspro-zesstypen beziehen (vgl. Abb. 5).

Das Y-Modell im inneren Kreis be-schreibt die operativen Kernprozesse, diesehr eng mit der Leistungserstellung und-definition einer Organisation verbundensind. Der rechte Flügel des Y kennzeich-net den Prozess der Leistungs- oder Pro-duktentwicklung, wie er hier beispielhaftdurch die dabei eingesetzten Systeme in-nerhalb der Entwicklung materieller Pro-dukte in Industriebetrieben gekennzeich-net ist. Der linke Flügel des Y beschreibtdie Logistik, also wie die Leistungen mitden Beschaffungs- und Absatzmärktenverbunden werden und im unteren Teilwie die Fertigungsaufträge mit den Be-schreibungsdaten der Produkte ver-

148 CONTROLLING UND PROZESSMANAGEMENT CONTROLLING-SCHWERPUNKT

CONTROLLING – ZEITSCHRIFT FÜR ERFOLGSORIENTIERTE UNTERNEHMENSSTEUERUNG

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knüpft werden. In Industriebetrieben istfür die Fertigungsunterstützung sehrfrüh der Prozessgedanke entwickelt wor-den, da die erforderliche Auslastung teu-rer maschineller Anlagen Prozesssteue-rungsmethoden und -systeme erforder-lich gemacht hat. Auch eine Rückkopp-lung zur Kostenbetrachtung durch mit-laufende Kalkulationen sowie eine zeit-nahe Soll/Ist-Analyse von Zeiten, Men-gen und Qualitäten haben einen Prozess-regelkreis in Softwaresystemen zur Ferti-gungssteuerung abgebildet.

Zur Ausrichtung der operativen Ge-schäftsprozesse auf die Unternehmens-ziele, also insbesondere auf die Erlös-und Kostensituation, sind Unterstüt-zungs- und Controlling-Prozesse, kurzManagementprozesse, erforderlich. Sowerden in der finanziellen Sphäre die Ge-schäftsvorfälle mit externen Partnern inder Finanzbuchführung abgebildet unddie internen Prozesse aus der Kostenper-spektive im Controlling. Im äußerenKreis der Abb. 5 werden sogenannte Go-vernance-Prozesse abgebildet. Diese Pro-zesse richten sich an das Managementeiner Organisation und sind auf dieSteuerung der Organisation als Ganzesgerichtet. Governance-Prozesse haben ge-rade in neuerer Zeit, in der einzelnePraktiken des Top-Managements skan-dalgebeutelter Unternehmen kritisiertund hinterfragt werden, eine besondereBedeutung erlangt. Zur transparentenUnternehmensführung müssen deshalbeigene Prozesse bereitgestellt werden(z. B. Compliance Management, RiskManagement).

Time Focus

Die von Geschäftsprozessen erzeugtenDaten können in vielfältiger Form durchReporting-Tabellen dargestellt werden.Im Gegensatz zu diesen Vergangenheits-informationen werden beim Online-/Real-Time-Monitoring dagegen laufendeGeschäftsprozesse verfolgt und ihr Statustransparent gemacht. Hier ist es deshalbleichter möglich, solche Geschäftsprozes-se zu identifizieren, die drohen, gegen-über den geplanten Vorgaben zu negati-ven Abweichungen zu führen und bei-spielsweise Service Level Agreements zuverletzen. Der Blick in die Zukunft unddie wahrscheinlichkeitsbehaftete Vorher-sage von kommenden Situationen („Pre-diction“) aufbauend auf aktuellen Moni-toring-Informationen und What-If-

Funktionalitäten gewinnt zunehmend anBedeutung. Auch die kontinuierliche or-ganisatorische Verbesserung von Unter-nehmen besitzt einen engen Zukunftsbe-zug.

BPM Lifecycle

Das Business Process Management folgteinem Lifecycle-Konzept. Nicht nur derEntwurf optimierter Geschäftsprozesse,also die Design-Phase, wird methodischunterstützt, sondern auch die darauf auf-bauende Implementierung der Ausfüh-rungssysteme. Mit dem Prozess-Control-ling werden Soll/Ist-Abweichungen ana-lysiert und für das kontinuierliche Ge-schäftsprozessmanagement zur Verfü-gung gestellt. Bei gravierenden Abwei-chungen wird auch die Geschäftsprozess-strategie hinterfragt. Gerade der Kreislaufvon Strategie über Design, Implementie-rung und Controlling ermöglicht eineständige Anpassung des Unternehmensan Marktveränderungen, Technologie-entwicklungen und neue Organisations-konzepte und hält das Unternehmen alslebendigen Organismus in Bewegung(vgl. Jost, 2008).

Control Structure

Bezüglich der Strukturiertheit von Ge-schäftsprozessen kann zwischen gutstrukturierten (klare Beschreibung derauszuführenden Funktionen sowie ihrerReihenfolge möglich), halb strukturier-ten (einige Abschnitte können gut vorabdefiniert, andere aber entweder bezüglichder Art der auszuführenden Funktionenoder deren Ablauffolge nur unvollkom-men festgelegt werden) und schwachstrukturierten Geschäftsprozessen unter-schieden werden. Wissensprozesse, beidenen Kreativität zur Entwicklung neuerProduktkonzeptionen oder auch Unter-nehmensstrategien erforderlich sind, ent-halten häufig keine feste Vorgangsbe-schreibung und auch keine Ablaufstruk-tur. In diesem Fall konzentriert sich das„Prozessmodell“ auf die Beschreibungder einbezogenen Organisationseinheiten(Rollen, Personen) und deren hauptsäch-lichen Interaktionsbeziehungen.

Time Horizon

Bei BPM können unterschiedliche Zeit-räume als Aktionsbasis gewählt werden.Bei einer langfristigen Betrachtung ste-hen strategische Fragen im Vordergrund,also z. B. die Identifizierung der kriti-

schen Erfolgsfaktoren, Reaktionen aufMarktveränderungen und Möglichkeitenzur Innovation. Bei einer mehr mittelfris-tigen Betrachtung werden taktische As-pekte, wie die Analyse der Performance-indikatoren und der Vergleich zwischenunterschiedlichen Lokationen oder durchBranchenkennzahlen, beleuchtet. Bei deroperativen kurzfristigen Prozess- undPerformance-Steuerung wird die Be-trachtung auf die gerade auszuführendenProzesse in Form eines Monitorings undeiner kurzfristigen Abweichungsanalysegerichtet, die dann auch zu direkten Ein-griffen führen können. Gerade die opera-tive Prozess- und Performance-Steuerungstellt hohe Anforderungen an die Aktua-lität und Transparenz der Informations-systeme. In der Konsequenz führt dies zueiner Real-Time-Steuerung der Prozesseund damit zu der Konzeption eines RealTime Enterprise.

Level of Abstraction

Gegenstand des Geschäftsprozessma-nagements ist die Steuerung von Leis-tungsflüssen. Wurden die zu erstellendenLeistungen früher durch Papierdoku-mente repräsentiert, ist eine höhere Ak-tualität möglich, wenn die Daten direktaus dem Leistungserstellungsprozess indigitaler Form erfasst werden, um Me-dienbrüche zu vermeiden. Im nächstenSchritt werden die Leistungsobjekteselbst zu Informationssendern und Emp-fängern. Die Leistungsdaten resultierennicht mehr aus Informationssystemen,die den Leistungsfluss lediglich repräsen-tieren, sondern die Objekte senden selbstihre Statusmeldungen an ein Informa-tionssystem und können auch Meldun-gen an andere Objekte selbstständig wei-tergeben. Durch Techniken wie RFIDund das als nächste Generation der Inter-nettechnologie angesehene „Internet derDinge“ ist auch eine dezentrale Steue-rung der Geschäftsabläufe durch die Leis-tungsobjekte selbst möglich.

BPM Metrics

Bei einer rein auf Geldgrößen orientier-ten Steuerung der Geschäftsprozesse undihrer Performance werden die Ergebnisseder Unternehmensprozesse durch Erlöseund Kosten erfasst. Eine detaillierte Ursa-chenanalyse für Abweichungen wird nurmöglich, wenn erweiterte Performance-Indikatoren wie Mengen, Qualitäten, Zei-ten, Risiken usw. herangezogen werden

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Abb. 6: Modellierung

(vgl. Heß, 2008). Werden die Indikatorenunternehmensweit eingesetzt, könnenauch über Standorte hinweg Benchmarksdurchgeführt werden, die Aufschlüsseüber Best-Practice-Fälle geben und damiteine intensivere Optimierung ermög-lichen.

........................................................

4. BPM Technology Wheel........................................................

Der enge Zusammenhang zwischen neu-en Managementkonzepten und der Ent-wicklung der Informationstechnologiewurde bereits mehrfach deutlich. Ent-sprechend dem Application Wheel reprä-sentiert das BPM Technology Wheel (vgl.Abb. 2) den informationstechnischenFortschritt in drei groben Entwicklungs-phasen.

Modeling

Bei einem Standalone-Modeling-Toolwerden die Modellierungsergebnisse indem Repository des Tools gespeichert(vgl. Abb. 6). Sie werden zur Dokumen-tation eingesetzt und dienen als Grundla-ge zur Entwicklung von Soll-Konzepten.Bei der ERP-Integration wird vorausge-

setzt, dass die Anbieter von Unterneh-menssoftware die Prozessinhalte ihrerAnwendungen durch Modelle dokumen-tiert haben. Dies ist vor fünfzehn Jahrenbegonnen worden und stellt heute denDokumentationsstandard dieser Systemedar. Bei modellgetriebener Unterneh-menssoftware ist der Modellierungsan-satz noch enger mit der Software ver-knüpft. Alle Einstellungen der Softwarezur Konfiguration und zum Customizingkönnen nur über Modelleinstellungenund -änderungen vollzogen werden. Einesolche Integration ist in dem SAP-System„Business ByDesign“ realisiert wordenund ist mit dem ARIS-Modellierungstooleng verbunden. Der modellgetriebeneSoftware-Entwicklungsansatz wird auchvon Software-Entwicklungstools verfolgtund kann als genereller Architekturtrendder Software der Zukunft angesehen wer-den.

User Interface

Entsprechend dem Trend zum User-Cen-tric Computing kommt auch dem UserInterface eine zunehmende Bedeutung zu(vgl. Abb. 7). Statische Reports mit um-fangreichen Zahlenkolonnen werden ab-

gelöst durch benutzerfreundliche Dash-boards mit grafischen Oberflächen.Von groben Prozessinformationen ausge-hend, können durch Drill-Down- undSlice&Dice-Technologien die Korrelatio-nen zwischen Kennzahlen und Dimen-sionen (z. B. Region, Kundengruppe, Ver-kaufsorganisation) analysiert und Eng-pässe bzw. Optimierungspotenziale bis indie einzelnen Vorgänge (Prozessinstan-zen) hinein identifiziert werden.

Neue Entwicklungen wie Mashup-Tech-nologien ermöglichen es, unternehmens-interne Auswertungen über das Prozess-verhalten mit externen Informationen,z. B. geografischen Informationen zukombinieren. Ansätze des Virtual Realitykönnen bei der Erhebung von Prozessin-formationen sowie zur realitätsnahenDarstellung von Prozessergebnissen ein-gesetzt werden. Der Abstraktionsvorgangvon der Realität zum Modell wird danndurch Einsatz virtueller Realitätstechni-ken wieder rückgängig gemacht.

Control Flow

Bei klassischen Anwendungssystemen istdie Ablauffolge der einzelnen Statements

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CONTROLLING – ZEITSCHRIFT FÜR ERFOLGSORIENTIERTE UNTERNEHMENSSTEUERUNG

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Reports

Dashboards& Analytics Mashups

Abb. 7: Benutzeroberfläche

in dem Computerprogramm hart co-diert. Bei Einführung eines Workflow-Systems kann dann der Benutzer gemäßseiner individuellen Arbeitsorganisationdie zu bearbeitenden Vorgänge aus demPosteingangskorb selektieren und auf sei-nem virtuellen Schreibtisch bearbeiten.Aus softwaretechnischer Sicht ist die He-rauslösung der Prozesse und Regeln ausder Ablaufsteuerung in eine eigenständi-ge Prozess- oder Regel-Engine die konse-quente Verfolgung der Zerlegung derSoftware-Systeme.

........................................................

5. Fazit........................................................

Im vorliegenden Beitrag wurde aufge-zeigt, wie ein Controlling jenseits des rei-nen Managements von Finanzkennzah-len seiner ganzheitlichen Aufgabe gerechtwerden kann, über die Wirtschaftlichkeiteines Unternehmens zu wachen. Da eineeffiziente Planung und Steuerung sowiedas Monitoring von Unternehmenspro-zessen Schlüsselelemente zur Erreichungder betriebswirtschaftlichen Ziele sind,gilt es, den aufgezeigten Weg einer Inte-gration von Process Management undPerformance Management konsequentzu gehen. Alle methodischen und techni-schen Voraussetzungen dazu sind gege-ben; es ist Aufgabe des Managements,nun die notwendigen Monitoring- undControlling-Instrumente zu etablieren,um eine Durchgängigkeit von strategi-schen Zielvorgaben bis hin zu operativenEntscheidungen und Steuerung von Pro-zessen zu schaffen. Das vorgestellte Reife-gradmodell liefert die Basis, um die kon-kreten Meilensteine auf diesem Weg zuplanen.

Keywords� Business Performance Management� Business Process Management� Maturity Model� Operational Excellence� Real-Time Enterprise

SummaryThe financial success of a company isbased essentially on the effectivenessof the operational business. Processmanagement is seen as a major driverfor the optimization of the company’sperformance. This paper illustrates thehistory of process management withinthe last two decades and presents amaturity model for establishing an in-tegrated BPM (Business Process/Per-formance Management) as nucleus fora holistic controlling.

Literatur

Scheer, A.-W., ARIS – Architektur integrierterInformationssysteme, 1. Aufl., Berlin u. a.1991; 4. Aufl. unter dem Titel: ARIS – VomGeschäftsprozess zum Anwendungssystem,Berlin 2002.

Scheer, A.-W., ARIS – Vom Geschäftsprozesszum Anwendungssystem, 3. Aufl., Berlin1998.

Heß, H., Marktführerschaft durch Process Per-formance Management: Konzepte, Trends undAnwendungsszenarien, in: Scheer, A.-W. et al.(Hrsg.), Innovation durch Prozessmanage-ment, Berlin, Heidelberg 2004, S. 119–136.

Scheer, A.-W./Jost,W./Heß, H./Kronz, A., Cor-porate Performance Management, Berlin 2005.

Heß, H., Business Performance Management– Die Vermessung der Geschäftswelt, in: E3,Mai 2008, S. 64–65.

Jost, W., Prozess-KPIs diagnostizieren denUnternehmenszustand, in: NetzwocheNr. 17, 2008.

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