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In der Diskussion um die neuen Fachbereiche in ver.di findet sich die Bundesfachgruppe im vor- liegenden Entwurf „nicht aus- reichend abgebildet“. Die vorlie- gende Vereinbarung zur Zusam- menlegung der Fachbereiche Finanzdienstleistungen, Ver- und Entsorgung, Medien, Kunst und Industrie sowie Telekommuni- kation, IT und Datenverarbeitung solle entsprechend korrigiert wer- den. In dem Gründungsvorstand des neuen Fachbereichs, dem sechs Mitglieder des Fachbereichs Medien, Kunst und Industrie an- gehören sollen, müsse ein Fach- gruppenmitglied vertreten sein. Diese beiden Beschlüsse gab die Fachgruppe dem Fusionsprozess mit auf den Weg, bevor der Fach- bereichsvorstand Ende März das Thema diskutiert. Ebenso einstimmig wie diese bei- den Beschlüsse war die Nominie- rung von Andreas Fröhlich, seit Jahren als Tarifsekretär auch für die Bundesfachgruppe zuständig, als neuem Fachgruppenleiter. Für die Bundesfachgruppenkonfe- renz am 2./3. Februar 2019 wurde der Delegiertenschlüssel für 25 Mandate beschlossen: Baden-Württemberg schickt sechs Delegierte, davon min- destens zwei Frauen, Bayern hat drei Delegierte, mindestens eine Frau, Berlin-Brandenburg entsendet eine/n Delegierte/n, Hessen hat zwei Delegierte, mindestens eine Frau, Niedersachsen-Bremen hat drei Mandate, mindestens eine Frau, Nord und Hamburg bekommt zwei Mandate, mindestens eine Frau, Nordrhein-Westfalen entsen- det sechs Delegierte, mindes- tens zwei Frauen, Rheinland-Pfalz/Saarland schickt eine/n Delegierte/n, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben einen Dele- giertenplatz für eine Frau. REPORT Informationen für Mitglieder der Fachgruppe Industrie/industrielle Dienstleistungen im ver.di-Fachbereich 8 März 2018 Bundesfachgruppe INDUSTRIE Foto: Chr. v. Polentz Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dieser Ausgabe verabschie- det sich unsere Bundesfach- gruppe Industrie/Industrielle Dienstleistungen von unserem langjährigen Bundesfachgrup- penleiter Rudolf Zink, der nun in den Vor(Un)ruhestand geht. Wir werden jedoch zumindest bis zur Bundeskonferenz Anfang 2019 in regem Kontakt bleiben und weiterhin den Indus- trie-Report gemeinsam erstellen. Unser Fachgruppenleiter wird ab der Bundeskonferenz dann An- dreas Fröhlich sein, den wir in der jüngsten Vorstandssitzung ein- stimmig nominiert haben. An- dreas Fröhlich ist seit Jahren der Tarifspezialist für die Fachgruppe und kennt uns somit seit langer Zeit. An dieser Stelle möchten wir uns nochmals bei Rudi ganz herzlich für die ausgezeichnete Zusam- menarbeit bedanken, und wir freuen uns, dass er uns in ande- rer Konstellation im Redaktions- team erhalten bleibt. Unser Arbeitsprogramm ist durch die Vorbereitung auf die bevor- stehenden Konferenzen und Wahlen geprägt – mit dem Höhepunkt der Bundesfachgrup- penkonferenz am ersten Februar- wochenende. W Matthias Träger Aktiv beim Fusionsprozess Zwei Beschlüsse und eine Nominierung gab es bei der Klausurtagung des Bundesfachgruppen- vorstands Industrie/Industrielle Dienstleistun- gen in Saalfeld. Die Fachgruppe hat sich dabei zur Neuordnung der Fachbereiche positioniert und Gewerkschaftssekretär Andreas Fröhlich als neuen Fachgruppenleiter nominiert. Besprochen wurden außerdem die Nachwuchsprobleme im Be- reich der Augenoptiker, die an der relativ schlechten Bezahlung für hoch qualifizierte Fachkräfte lägen. Mit dem gleichen Problem kämpft seit Jahren die Branche der öffentlich bestellten Vermes- sungsingenieure. Hier ist der Tarifvertrag seit Jahren in der Nachwirkung. W Susanne Stracke-Neumann Foto: Susanne Stracke-Neumann Der Bundesvorstand mit dem nominierten neuen Fachgruppenleiter Andreas Fröhlich: (von links vorne) Andreas Fröhlich, Ulrich Bareiß, Wolf- gang Kienzle, (hinten stehend von links) Wolfgang Stevens, Matthias Träger, Andrea Eisfelder, Gregor Heidebring, Andreas Merkel, Ralf Olbrich, Gewerkschaftratsmitglied Werner Filipowski, Peter Weirich. 1

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In der Diskussion um die neuenFachbereiche in ver.di findet sichdie Bundesfachgruppe im vor -liegenden Entwurf „nicht aus -reichend abgebildet“. Die vorlie-gende Vereinbarung zur Zusam-menlegung der Fachbereiche Finanzdienstleistungen, Ver- undEntsorgung, Medien, Kunst undIndustrie sowie Telekommuni -kation, IT und Datenverarbeitungsolle entsprechend korrigiert wer-den. In dem Gründungsvorstanddes neuen Fachbereichs, demsechs Mitglieder des FachbereichsMedien, Kunst und Industrie an-gehören sollen, müsse ein Fach-gruppenmitglied vertreten sein.

Diese beiden Beschlüsse gab dieFachgruppe dem Fusionsprozessmit auf den Weg, bevor der Fach-

bereichsvorstand Ende März dasThema diskutiert.Ebenso einstimmig wie diese bei-den Beschlüsse war die Nominie-rung von Andreas Fröhlich, seitJahren als Tarifsekretär auch fürdie Bundesfachgruppe zuständig,als neuem Fachgruppenleiter.

Für die Bundesfachgruppenkonfe-renz am 2./3. Februar 2019 wurdeder Delegiertenschlüssel für 25Mandate beschlossen:• Baden-Württemberg schickt

sechs Delegierte, davon min-destens zwei Frauen,

• Bayern hat drei Delegierte,mindestens eine Frau,

• Berlin-Brandenburg entsendeteine/n Delegierte/n,

• Hessen hat zwei Delegierte,mindestens eine Frau,

• Niedersachsen-Bremen hatdrei Mandate, mindestens eineFrau,

• Nord und Hamburg bekommtzwei Mandate, mindestenseine Frau,

• Nordrhein-Westfalen entsen-det sechs Delegierte, mindes-tens zwei Frauen,

• Rheinland-Pfalz/Saarlandschickt eine/n Delegierte/n,

• Sachsen, Sachsen-Anhalt undThüringen haben einen Dele-giertenplatz für eine Frau.

R E P O R TInformationen für Mitglieder der Fachgruppe Industrie/industrielle Dienstleistungen im ver.di-Fachbereich 8 März 2018

Bundesfachgruppe

I N D U S T R I E

Foto

: Chr

. v. P

olen

tzLiebe Kolleginnenund Kollegen,

mit dieser Ausgabe verabschie-det sich unsere Bundesfach-gruppe Industrie/IndustrielleDienstleistungen von unseremlangjährigen Bundesfachgrup-penleiter Rudolf Zink, der nunin den Vor(Un)ruhestand geht. Wir werden jedoch zumindestbis zur Bundes konferenz

Anfang 2019 in regem Kontaktbleiben und weiterhin den Indus-trie-Report gemeinsam erstellen.

Unser Fachgruppenleiter wird abder Bundeskonferenz dann An-dreas Fröhlich sein, den wir in derjüngsten Vorstandssitzung ein-stimmig nominiert haben. An-dreas Fröhlich ist seit Jahren derTarifspezialist für die Fachgruppeund kennt uns somit seit langerZeit.

An dieser Stelle möchten wir unsnochmals bei Rudi ganz herzlichfür die ausgezeichnete Zusam-menarbeit bedanken, und wir

freuen uns, dass er uns in ande-rer Konstellation im Redaktions-team erhalten bleibt.

Unser Arbeitsprogramm ist durchdie Vorbereitung auf die bevor-stehenden Konferenzen undWahlen geprägt – mit dem Höhepunkt der Bundesfach grup-penkonferenz am ersten Februar-wochenende. W

Matthias Träger

Aktiv beim FusionsprozessZwei Beschlüsse und eine Nominierung gab esbei der Klausurtagung des Bundesfach gruppen -vorstands Industrie/Industrielle Dienstleistun-gen in Saalfeld. Die Fachgruppe hat sich dabeizur Neuordnung der Fachbereiche positioniertund Gewerkschaftssekretär Andreas Fröhlich alsneuen Fachgruppenleiter nominiert.

Besprochen wurden außerdemdie Nachwuchsprobleme im Be-reich der Augenoptiker, die an der relativ schlechten Bezahlung für hoch qualifizierte Fachkräftelägen. Mit dem gleichen Problemkämpft seit Jahren die Brancheder öffentlich bestellten Vermes-sungsingenieure. Hier ist der Tarifvertrag seit Jahren in derNachwirkung. W

Susanne Stracke-Neumann

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Der Bundesvorstand mit dem nominierten neuen Fachgruppenleiter Andreas Fröhlich: (von links vorne) Andreas Fröhlich, Ulrich Bareiß, Wolf-gang Kienzle, (hinten stehend von links) Wolfgang Stevens, Matthias Träger, Andrea Eisfelder, Gregor Heidebring, Andreas Merkel, Ralf Olbrich,Gewerkschaftratsmitglied Werner Filipowski, Peter Weirich.

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Informationen für Mitglieder der Fachgruppe Industrie/industrielle Dienstleistungen im ver.di-Fachbereich 8 März 2018

Rudolf Zink, Leiter der Bun-des fachgruppe Industrie/Industrielle Dienstleistungen,ist in den Ruhestand gegan-gen. Über seinen Bildungswegund seine Arbeit in der Ge-werkschaft sprach SusanneStracke-Neumann mit ihm.

Wie bist du in die Gewerk-schaft gekommen?

Zink: Als ich meinen Lehrvertragunterschrieben habe für eineFeinmechanikerausbildung, binich in die IG Metall gegangen,das war im Oktober 1969.

Du hast einige Zeit später einStudium der Kunstgeschichtebegonnen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Nach der Ausbildung als Feinme-chaniker, wo ich Zielfernrohrtele-skope, Mikroskope und Ferngläserhergestellt habe, wollte ich nichtvon der Wiege bis zur Bahre Okulare, Okulare bauen und habemich entschlossen, über denzweiten Bildungsweg meine Mitt-lere Reife und mein Abitur nach-zumachen.

Und das Interesse für dieKunst? War das immer schon

da und nur für einen „Brot -beruf“ zur Seite gestellt wor-den?

Nein, die Kunstgeschichte hat esermöglicht, die Zweitfächer Politikund Geschichte aktiv in mein Stu-dium einzubringen, und das hatmich schon immer interessiert.

Wie bist du dann hauptamt -licher Gewerkschaftssekretärgeworden?

Ich habe mein Studium mit ge-werkschaftlicher Bildungsarbeit

finanziert. Ich habe in der Bun-desjugendschule des DGB inOberursel Seminare gegeben undin der Bundesjugendschule derDAG in Naumburg. Und dann hatmir die DAG einen hauptamtli-chen Vollzeitjob in der Bundes -jugendleitung angeboten.

Du hast im Fachbereich Me-dien, Kunst und Industrie inden vergangenen Jahren völligunterschiedliche Fachgruppenbetreut, aus dem Bereich Bil-dende Kunst, Musik und ebendie Industrie/Industrielle

Dienstleistungen. Wie bewäl-tigt man diese große Band-breite?

Durch das Studium der Kunst -geschichte hatte ich einen guten Zugang zu den Musikern und denbildenden Künstlern. Und da ichvon der DAG gekommen bin unddie Fachgruppe Industrie dasÜberbleibsel der Kollegen von derDAG im Fachbereich 8 war, passtedas gut nebeneinander.

Nach der Verabschiedung EndeFebruar wirst du auf jeden Fallmit der Fachgruppe in Kontaktbleiben. Wo siehst du dann die Schwerpunkte deiner künf-tigen Tätigkeit?

Ich möchte weiterhin den Erfolgdes Industrie-Reports unterstüt-zen und dafür sorgen, dass der Industrie-Report regelmäßig er-scheint. W

Fragen: Susanne Stracke-Neumann

Interview

Mehr als Okulare, Okulare

Rudolf Zink mit seiner sehr geschätzten, kürzlich verstorbenen KolleginHeike Werner bei einer Maikundgebung in Berlin.

ImpressumHerausgeber: Frank Werneke (stellv. Vorsitzender); Rudolf Zink, Ressort 3Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft –ver.diPaula-Thiede-Ufer 10 · 10179 BerlinPostanschrift: 10112 Berlinhttp://medien-kunst-industrie.verdi.de/E-Mail: [email protected]

Redaktion: Susanne Stracke-NeumannLayout: einsatz, Wolfgang WohlersDruck: alpha print medien AG, DarmstadtAuflage: 2000 · März 2018

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Die Verabschiedung in Saalfeld war noch eine einfacheZeremonie. Wie Rudolf Zink es sich aber für seinen letzten Arbeitstag gewünscht hatte, sollte es im ver.di-Büro „rote Rosen regnen“. Die Kolleginnen und Kolle-gen, haupt- wie ehrenamtlich, haben reichlich dafürgesorgt. Und dazu gab es natürlich das Lied von Hilde-gard Knef. Fotos: Sebastian Drost, Gregor Heidering (1)

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Informationen für Mitglieder der Fachgruppe Industrie/industrielle Dienstleistungen im ver.di-Fachbereich 8 März 2018

In der Nacht vom 5./6. Februar2018 wurde in der sechstenVerhandlungsrunde in Baden-Württemberg ein Tarifab-schluss erzielt. Der Tarifab-schluss ist inzwischen bundes-weit in allen Tarifgebietenübernommen worden.

Wie unser bayerisches ver.di-Mit-glied der Tarifkommission der IG Metall, Ulrich Bareiß, berichtet,waren dem Ergebnis zwei Warn-streikrunden sowie ein 24 Stun-den-Streik vorausgegangen.Daran haben allein in Bayern über118.000 Beschäftigte teilgenom-men, darunter auch viele ver.di-Mitglieder.

Der Tarifvertrag hat nun eineLaufzeit von 27 Monaten, alsovom 1. Januar 2018 bis zum 31.März 2020. Besonders positiv, soBareiß, sei die tabellenwirksameEntgelterhöhung von 4,3 Prozentzu sehen, die ab 1. April 2018 inKraft tritt. Für die Monate Januarbis März gibt es eine Einmal -zahlung von 100 Euro.

Weiter ist ab 1. September 2019der Einstieg in eine flexible Ar-beitszeit gelungen. Hier gibt esviele Rahmenbedingen zu be-trachten, die näher zu erläuternsind. „Im Kern ist es so zu sehen,dass ein neuer Entgeltbestandteilin Höhe von 27,5 Prozent einesMonatsentgeltes eingeführtwurde, sowie ein tarifdynamischer

Festbetrag von 400 Euro, beideskommt im Juli eines Jahres zurAuszahlung. Wahlweise könnendie 27,5 Prozent in zusätzlichesechs freie Tage gewandelt wer-den. Acht freie Tage für die 27,5Prozent gibt es für besonders be-lastete Personengruppen, also fürSchichtler, zur Kindererziehungund zur Pflege. Und weiter habenalle Beschäftigten die Möglich-keit, für zwei Jahre ihre Arbeits-zeit auf 28 Stunden zu reduzieren.Im Gegenzug können dann mehrBeschäftigte 40 Stunden arbei-ten“, erklärt Bareiß den Tarifab-schluss. „Hier wurden die Quotenneu geregelt (Quotenbetrach-

tung) oder es wird der Durch-schnitt der Arbeitszeit betrachtet(Volumenbetrachtung).“

Dazu gibt es allerdings laut Ba-reiß eine Einschränkung, nämlicheine umfassende Beschreibungder Zugangsberechtigung. Diessei dabei zu beachten und be-trieblich umzusetzen.

„Der Tarifabschluss enthält nochein Paket weitere Regelungen. Sowurde der gekündigte Mantelta-rifvertrag mit kleinen Änderungenwieder eingesetzt. Es gibt Rege-lungen zum mobilen Arbeiten, dieAzubi erhalten zweimal einen

Vorbereitungstag vor der Prüfungfrei, es gibt einen Tarifvertrag zuLangzeitkonten und flexibler Ar-beitszeit, und der Tarifvertrag zurAltersteilzeit wurde verlängert.“

„Wenn all dies betrachtet wird“,resümiert Bareiß, „gibt es für denTarifabschluss nur Gewinner. DieGewerkschaft und Arbeitnehmer,weil sie einen Reallohnzuwachsund den Einstieg in eine lebens-phasenorientierte Arbeitszeit er-reichen konnten. Die Arbeitgeber,weil die lange Laufzeit Planungs-sicherheit bedeutet und das Paketder weiteren Regelungen mehrFlexibilität erlaubt.“ W

IR

Metall/Elektro

Tarifabschluss mit vielen Gewinnern

Die Arbeitswelt wird sich in denkommenden Jahrzehnten fun-damental verändern. WelcheKräfte wirken auf dem Arbeits-markt? Mit welchen Verände-rungen ist zu rechnen? Undwas bedeutet dies für die ar-beitsmarktpolitischen Akteure?Damit hat sich der Abschluss -

bericht der Kommission „Arbeitder Zukunft“ – mit Mitgliedernaus Wissenschaft und Praxis, Wirt-schaft und Gewerkschaften, da-runter auch aus der FachgruppeIndustrie und der Personengruppemti – beschäftigt. Der Bericht „Ar-beit transformieren!“ liefert eineDiagnose der aktuellen Lage und

gibt einen Ausblick auf die Zu-kunft der Arbeit. Vor allem aberliefert die Kommission Denk -anstöße dafür, wie die Gesell-schaft den rasanten Wandel so

meistern kann, dass Arbeit inder digitalen Ökonomie sozialeTeilhabe und mehr als die bloßeExistenzsicherung garantiert. W

https://www.boeckler.de/109164.htm

Arbeit der Zukunft

Abschlussberichtder Kommission

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Streik bei Audi in Ingolstadt.

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Informationen für Mitglieder der Fachgruppe Industrie/industrielle Dienstleistungen im ver.di-Fachbereich 8 März 2018

Der Fachkongress der Digi -talen Gesellschaft im Bundes-ministerium für Wirtschaft undEnergie in Berlin versuchtesich an Vorhersagen.

„Durch repräsentative Befragungder Bevölkerung (20.424 Inter-views) erhalten wir Antworten,die die Grundlage zur Gestaltungder Digitalisierung mit der Politikergeben“, so Hannes Schwaderer,Vorsitzender der Digitalen Gesell-schaft, bei der Eröffnung des Kongresses. Obwohl intelligenteGeräte noch eine kleine Rollespielen, wurden sie neu in dieStudie mit aufgenommen.

Matthias Machnig, Staatssekretärim BMWE, betonte in seinemGrußwort, dass die Digitalisierungein zentrales Thema der nächstenLegislaturperiode sein muss. Über Zielkonflikte müsse disku-tiert werden. Man brauche einebreite öffentliche Akzeptanz, derD21-Index biete hierzu eine guteGrundlage. Deutschland sei beiIndustrie 4.0 führend, das geheleider aus der Studie nicht hervor,so seine Kritik. Er führte weiteraus, wie das BMWE mit 23 Be -ratungszentren Start-Ups unter-stützt. Einerseits sei ein massiverAnstieg von E-Kommerz zu ver-zeichnen und die Bürger gingenzunehmend kompetent mit denMedien um, andererseits reagieredie Hälfte der Bevölkerung auf dieRoboterisierung skeptisch.

Bei der Vorstellung der neuenD21-Studie zeigte sich, dass ins-gesamt 81 Prozent der Bevölke-rung ab 14 Jahre das Internetnutzt. Dies ist ein leichter Anstiegvon zwei Prozent zum Vorjahr, gerade bei den 50–65-Jährigenist der höchste Zuwachs. Aber essind immer noch zwölf MillionenMenschen, die es nicht nutzen,insbesondere die Generation 65+und Menschen mit niedrigem Bildungsgrad sind abgehängt.Smartphone und Laptop habenHandy und Desktop-PC abgelöst.Besonders die Nutzung der Online-Dienste hat zugenommen.

Digitalisierung schreitet voran

Wie ist der Blick in die Zukunft?

Bereits 40 Prozent informierensich zu Reisen im Internet.

Der Index unterscheidet zwischensieben Nutzergruppen in drei Kategorien zusammengefasst: • Digital Abseitsstehende: Das

sind Offliner: 19 Prozentsagen, „Ohne Internet lässt essich gut leben“, das Durch-schnittsalter ist 70 Jahre, so -wie Minimal-Onliner (sechsProzent).

• Digital Mithaltende: Das sindkonservative Gelegenheitsnut-zer, etwa 36 Prozent (Internetja – aber wie geht’s) und vor-sichtige Pragmatiker, fünf Pro-zent (meine Daten gehörenmir)

• Digitale Vorreiter: Das sind reflektierende Profis, rund 20Prozent (Digital kann ich), pro -gressive Anwender, neun Pro-zent, und Technik-Enthusias ten,fünf Prozent (Die Zukunft istdigital),Durchschnittsalter 30Jahre.

Von der Dynamik und Komplexi-tät der Digitalisierung fühlen sich32 Prozent der Befragten überfor-dert. Die Nutzung intelligenterGeräte wurde erstmals in Bezugauf persönliches Wohlbefindenund gewünschtem Verhalten un-tersucht. Die Mehrzahl fühlt sichdabei unwohl und überfordert,zum Beispiel 66 Prozent bei derVorstellung vom Reisen in selbst-fahrenden Autos.

Die Komplexität der Digitalisie-rung erfordert den Ausbau der Di-gitalkompetenzen, hierzu wurdenfünf Bereiche definiert: Informati-onsverarbeitung, Kommunikation,Erstellen von Inhalten, Schutz undSicherheit und Problemlösung.

Nur ein kleiner Teil der arbeiten-den Bevölkerung (16 Prozent)nutzt aktuell Home Office bezie-hungsweise arbeitet von unter-wegs, interessanterweise mehrMänner als Frauen. Und 37 Pro-zent sehen in der DigitalisierungChancen für neue Jobentwicklun-gen. Das ist eine Steigerung vonneun Prozent zum Vorjahr.

Die komplette Studie ist nach les-bar unter www.InitiativeD21.de

Nach der Vorstellung der Studieerfolgte diesmal eine eher kriti-sche Auseinandersetzung mit der Digitalisierung. In seinemDenkimpuls „Nächste Ausfahrt Zukunft“ prophezeite der Wissen-schaftsjournalist, Physiker undAutor Ranga Yogeshwar durch die Digitalisierung eine massive Veränderung der Gesellschaft.Hier sind wir erst am Anfang, Yogeshwar hat viele Fragen dazuaufgeworfen.

Wir seien heute nicht mehr in derLage zu unterscheiden, was istvon Menschen gemacht und wasvon Maschinen. Dies hat er sehrhumorvoll am Klavierkonzert sei-

ner Töchter vorgeführt. Ein weite-res Beispiel: Ohne Selfie bist Dunicht und ohne Bild hat etwasnicht stattgefunden. In Berlinwurde schon mit QR-Code ge -bettelt. Kinder wachsen mit derSprachfunktion des Smartphoneauf und bauen zu diesen spre-chenden Apparaten eine Be -ziehung auf. Kinder (und auchErwachsene) vertrauen diesenMarketingrobotern mit all ihrenAlgorithmen. Daraus entsteht dieFrage, sind Algorithmen akzepta-bel, die wir nicht verstehen? Darfein Rechtssystem Algorithmenverwenden?

Soziale Netzwerke haben längstihre angebliche Unschuld verlo-ren, Fake News sind das Ergebnis.Aus Massenmedien sind die Me-dien der Massen geworden. Je-doch soll guter Journalismus sichnicht am Leser orientieren, son-dern dem Leser Orientierung bie-ten. Es sei kein Zufall, dass ChinaFacebook blockiert, denn sozialeMedien können destabilisierendwirken. Und was bringt es, wenndie Nutzer bei Facebook dieGlaubwürdigkeit einer Nachrichtbewerten? Was hilft Netzneutrali-tät, wenn die Ebene darüber nichtneutral ist? Digitalisierung isteben nicht die Abbildung 1:1 desMenschen.

Zum Schluss ging er noch auf dieBlockchain-Währungen ein, diessei eine Revolution der Weltwirt-schaft mit noch völlig unklarenFolgen.

Den zweiten Denkimpuls gabGunter Dueck, Mathematiker undAutor, unter dem Titel „Ethikunter Digitalisierungsstress“.

Dueck sieht momentan eine Welt,in der Vertrauen verloren geht. AnBeispielen hat er dies in seinemVortrag festgemacht und sichdabei auf die „Akerlof-Spirale“bezogen. George Akerlof hat fürsein Thema „The Market for Lemons: Quality Uncertainty andthe Market Mechanism” 2001den Nobelpreis für Wirtschaft P

Vielen Menschen ist unwohl bei dem Gedankenan zu viele Roboter in ihrer Umgebung.

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Informationen für Mitglieder der Fachgruppe Industrie/industrielle Dienstleistungen im ver.di-Fachbereich 8 März 2018

erhalten. Wir befinden uns dem-nach in einem „Down-turn ofQuality, Prices, People, Products,Values, Innovation, Research, Re-lation and Trust”. Die Wirtschaftverteidigt dabei ihre Geschäfts-modelle gegen Disruption.Schlagworte wie „Der Kundesteht im Mittelpunkt“ (aberwovon?) oder Wirtschaftsskan-dale (VW) prägten heute das Bild– und niemand rege sich mehrauf („Das machen ja alle“).

Die Digitalisierung führe zu Zah-lenmanagement, es sei eine Diktatur der „Messbarkeit“ undder „Omnimetrie“. Die Motiva-tion der „Humanressourcen“ erfolge durch „Möhren“ und Ar-beitsplatzverlustangst. Ethik redetvon Menschen und nicht von Humanressourcen, und Menschenmögen Zukunftsperspektive undSicherheit. Heute müssen Ge-richte entscheiden, was Ethik ist.Dueck fordert ein Raus aus der

Akerlof-Spirale und eine neueethische Perspektive.

Zum Weiterlesen: „Abschied vomHomo Oeconomicus. Warum wireine ethische Vernunft brauchen“,www.omnisophie.com

Nach jedem Vortrag folgteeine Podiumsdiskussion:

In der ersten Runde ging es umdie Auswirkungen auf die Arbeits-welt. Stefan Schnorr, Abteilungs-leiter Digital- und Innovations-politik, betonte, dass es unstrittigsei, dass Jobs wegfallen, aberauch neue Jobs entstehen wer-den. Dazu müssen die Menschenmit der Digitalisierung vertrautgemacht werden, die Politikkönne da nur Hilfe zur Selbsthilfebieten. Maxim Nitsche, Gründerdes Start-Up Math 24, sieht eineansteigende Arbeitslosigkeitdurch Nutzung von künstlicher In-telligenz. Er glaubt, dass dies viel

schneller geht, als wir uns dasvorstellen können.

Yogeshwar prophezeite ein neuesZeitalter, in dem menschliche Ar-beit nicht mehr im Vordergrundstehe. Roboter werden die moder-nen Sklaven sein und Menschenkönnen sich den schönen Dingenzuwenden. Jedoch haben dieMenschen Angst, dass diese Zu-kunft ohne sie stattfindet. Wennes nicht gelinge, diese Ängste zunehmen, so werde sich die Gesell-schaft weiter spalten.

Wie Beschäftigte den Prozess mitgestalten können, war leiderkein Thema.

In der zweiten Runde beschäftig-ten sich die Diskussionsteilneh-mer mit Ethik. Nicolai Andersen,Initiative D21, sieht in den Ma-schinen und Algorithmen guteHilfsmittel. Man müsse aber ver-stehen, wie sie funktionieren.

Selbst er als Mathematiker könnedie Algorithmen nicht verstehen,entgegnete Dueck. Politik will gewählt werden, und wenn einermit unethischem Verhalten be-ginnt, so folgen alle anderen, gabBundestagsabgeordneter ThomasJarzombek, Sprecher der digitalenAgenda CDU/ CSU, zu. Menschen,die sich ethisch verhalten, stol-pern dann auch oft über unüber-legtes Handeln. „Wir brauchenSicherheitssysteme, dass der Pfle-geroboter nicht Menschen durchAlgorithmen tot pflegt“, forderteIna Schieferdecker vom Fraunho-fer FOKUS. Dabei müsse bei allerDigitalisierung Ethik eingefordertwerden.

Deutlich wurde in der Diskussion,dass der Begriff Ethik sehr dehn-bar ist und von jedem anders in-terpretiert wurde. W

Ulrich Bareiß

In der Reihe Wissenschaft imDialog referieren Forscherbei Audi. Der Erlanger Pro-fessor Björn Eskofier hattedas Thema Medizintechnikausgewählt.

In der Region Erlangen gibt esmittlerweile 180 Start-Ups, diesich mit Medizintechnik be-schäftigen, deshalb wird dieRegion auch „Medical Valley ofGermany“ genannt. Allerdingsist die Medizintechnik stark vonIngenieuren geprägt. Hier wärees besser, die Praxis von Ärztenmehr zu berücksichtigen.

1983 hat Adidas mit Schrittzäh-lern in Sportschuhen begonnen,heute werden über Sensoren inSportschuhen auch die Belas-tung und weitere Daten erfasst.Auch „Commercial Wearables“,also Fitnessarmbänder undUhren, Helme, Brillen, Hand-schuhe und Kleidung erfassenDaten. Dies sei ein stark wach-sender Markt, so Eskofier. Er

rechnet damit, dass in zehn Jah-ren dies Standard sein wird.

Eine Studie hat jedoch ergeben,dass allein das Tragen eines Fit-ness-Trackers nicht zur Gewichts-reduktion führt, mit finanziellerBelohnung ist immer noch dergrößte Effekt zu erzielen. Darge-stellt wurde beim Fitness-Trackerauch, dass die unterschiedlichen,firmenbezogenen Algorithmen zu unterschiedlichen Ergebnissenführen.

Geforscht wird auf allen Gebieten,nicht nur beim Sport. Schwangerekönnen die Bewegung des Un -geborenen erfassen und Beschäf-tigte ihre körperliche Belastung.Bei Patienten im Krankenhauswerden Biotattoos aufgebracht.

Näher ging Eskofier auf die For-schung zur Parkinsonerkrankungein. So soll künftig die Krankheitüber spezielle Schuhe messbargemacht werden. Dabei werdendie Patienten zielgenau mit Medi-

kamenten versorgt und stunden-genau eingestellt. Derzeit wer-den vor allem Krankheiten, diehohe Kosten verursachen, in derForschung untersucht. Allerdingswirft ein Medizinprodukt erstnach zehn Jahren Gewinn ab.Daher ist derzeit der größteMarkt Fitness und Sport, wo Un-mengen an Daten – meist ohneWissen der Betroffenen – ge -sammelt werden.

Weitere Möglichkeiten sind dieFrüherkennung von Erkrankun-gen und die Behandlung vonchronischen Erkrankungen.Selbst im Auto lässt sich in derKopfstütze ein EEG machen, im

Sitz wird der Schweiß gemessen,mit dem Wimpernschlag und der Atmung die Aufmerksamkeithinterm Steuer.

Ist die Zukunft ein patientenzen-triertes Gesundheits-Ökosystem,wo Versicherungen, Pharma -industrie, Notfallmedizin, SmartHome, Krankenhäuser, Ärzte,Biotechnik, Medizintechnik undder Staat verknüpft sind? All dasüber die Erfassung unserer Bio-daten?

Wie immer, wenn große Mengenan Daten gesammelt werden,hat dies positive, aber auch ne-gative Seiten. Ein Arzt kann mitobjektiv gemessenen Daten bes-ser ein Krankheitsbild beurteilenals in einer Momentaufnahme in der Praxis. Ob der Arzt dannauch mehr Zeit für den Patientenhat, sei dahingestellt. Eskofierfor derte daher eine Transparenzder Daten, und dass jeder Menschdie Kontrolle über seine eigenenDaten haben muss. Hier seienethische, rechtliche und morali-sche Grenzen festzulegen. W

Ulrich Bareiß

Fitness als Forschungsthema

Big Data und Gesundheit

Auch unser Autor ist ein Fitness-Fan. Welche Daten er dabei sam-melt, hat er uns nicht verraten.

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Das Wissenschaftsjahr 2018des Bundesministeriums fürBildung und Forschung wid-met sich den „Arbeitsweltender Zukunft“. Chancen undHerausforderungen sollen diskutiert werden.

Im Wissenschaftszentrum Berlinfand eine der Eröffnungsveran-staltungen statt. Umstritten zwi-schen den Diskutanten war dabeihauptsächlich die Frage, ab wel-chem Alter Kinder Smartphonesund Tablets haben sollten. Kindersollten nicht nur „wischen“ ler-nen, sondern ihre Umwelt wirk-lich „begreifen“, war die eineThese. Die andere besagte, siesollten möglichst bald auch dieWelt des Internets erlernen, da siedies für die Arbeitswelten der Zu-kunft brauchten. Über die Ent-wicklung der Arbeitswelt in denBetrieben, gerade auch den klei-nen und mittleren, wurde an die-

sem Abend fast gar nicht gespro-chen.

Das Leitbild des Wissenschafts-jahrs lautet: „Im Wissenschafts-jahr 2018 – Arbeitswelten derZukunft werden wir erkunden,welche Chancen sich eröffnenund vor welchen Herausforderun-gen wir stehen.“ Themen sind

Wissenschaftsjahr 2018

Arbeitswelten der Zukunft

Informationen für Mitglieder der Fachgruppe Industrie/industrielle Dienstleistungen im ver.di-Fachbereich 8 März 2018

dabei die Berufswahl, der Einsatzvon Robotern im Mittelstand, einSchreibwettbewerb „Future Jobs“und vieles mehr.https://www.wissenschafts-jahr.de/2018/

Eine Audio-Podcast-Reihe desDeutschen Gewerkschaftsbundes(DGB) ist Teil des Wissenschafts-jahres und präsentiert ab Sommer2018 aktuelle Forschung aus demBMBF-Förderprogramm „Zukunftder Arbeit“. Im Gespräch mit Ex-perten aus der Praxis vermittelnForscherinnen und Forscher, wel-chen Einfluss soziale und techni-sche Innovationen auf dieArbeitswelten von morgen habenund wie diese menschengerechtgestaltet werden können.

„Wie man es besser nicht machensollte, zeigt der Blick in die USA:Dort hat man es allein dem Sili-con Valley überlassen, den Weg in

die Digitalisierung vorzugeben.Das Ergebnis ist eine beeindru-ckende Dynamik, die aber auchkrasse Schattenseiten hat: Es do-miniert eine Kombination vonTechnikfixierung und Geschäfts-ideen, die auf maximale Markt-macht abzielen. Wir haben einanderes Ziel: Die Frage zu klären,wie technische Innovationen insozialen Fortschritt münden, dermöglichst vielen Menschen zugu-tekommt“, sagt der DGB-Vorsit-zende Reiner Hoffmann.

Auch die MS Wissenschaft istwieder ab 15. Mai unterwegs. Siestartet in Berlin und fährt dannüber Potsdam nach Magdeburg,Wolfsburg, Braunschweig, Hanno-ver und beendet ihre lange Reiseschließlich in Nürnberg. W sus

Der genaue Tourplan ist hier zufinden:https://tinyurl.com/ycfjljlc

Durch neue Kommunikations- techniken fallen in Firmenimmer mehr Daten über Be-schäftigte an: Eine Aufgabefür Arbeitnehmer vertreter.

„Durch neue Kommunikations-techniken fallen in Firmenimmer mehr Daten über Be-schäftigte an. Arbeitnehmerver-treter müssen einem möglichenMissbrauch entgegentreten“,heißt es in der neuen Ausgabevon Böckler Impuls: „Bei wemlaufen die Fäden zusammen?Wer ist ein gefragter Ansprech-partner und Ratgeber? Wersteht eher am Rande und be-kommt selten Antworten aufseine Mails oder Beiträge im fir-meninternen Social Network?“

Erste Softwareprodukte kom-men auf d en Markt, um persön-

liche Stellungen und soziale Be-ziehungen in diesem Graphen zuanalysieren. Darauf weisen der In-formatiker Heinz-Peter Höller undder Jurist Peter Wedde hin. DieProfessoren von der HochschuleSchmalkalden beziehungsweiseder Frankfurt University of AppliedSciences warnen: Solche Metho-den könnten vom Managementkünftig verstärkt genutzt werden,„um in die Belegschaft hineinzu-horchen“.

In einem fiktiven, aber unter reintechnischen Gesichtspunkten realistischen Szenario stellen Wis-senschaftler die Möglichkeit inden Raum, dass Arbeitgeber, dieEntlassungen planen, sich an denErgebnissen der Analysen „sozia-ler Graphen“ orientieren: Wernicht hinreichend vernetzt ist, riskiert berufliche Nachteile oder

sogar eine Kündigung. Damit esnicht so weit kommt, seien dieBetriebsräte gefordert, Arbeit -gebern genau auf die Finger zusehen, wenn es um das Sammelnund Auswerten von Daten mit„sozialen Graphen“ geht.

Rechtlich seien derartigen For-men der Vorratsdatenspeiche-rung zwar relativ enge Grenzengezogen. Das geltende Rechtmüsse aber auch durchgesetzt

werden, so Höller und Wedde.Notwendig sei darüber hinausdie Schaffung eines neuen Mit-bestimmungsrechts zum Daten-schutz, da die vorhandenenBestimmungen dieses Themabisher nicht direkt behandeln. W

Die Studie „Die Vermessung derBelegschaft“ kann hier herunter-geladen werden:https://www.boeckler.de/pdf/p_mbf_praxis_2018_010.pdf

Vernetzung

Soziale Beziehungenim Betrieb

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In der Europäischen Unionwurde unlängst das Problemdes kaum noch zu beherr-schenden Plastikmülls behan-delt. Ergebnis: Bis 2030 sollenerhebliche Änderungen in derEU gegenüber dem jetzigenZustand erreicht werden.

Der „Plastikmüll“, besonders imMeer, ist ein immer weiter in dasöffentliche Bewusstsein drängen-des Problem, dem unbedingt ab-geholfen werden muss. In Presse,Funk, Fernsehen, öffentlichen Ver-anstaltungen, Seminaren, bei Um-weltverbänden und in der Politikist das Thema endlich angekom-men.

Wissenschaftler schätzen zirka100 Millionen Tonnen Plastikmüllim Meer, wovon nur etwa 15 Pro-zent auf der Meeresoberflächeund an den Küsten sind, dennalles andere ist zu Mikroplastikzerfallen oder in die Tiefen derMeere abgesunken.Obwohl jähr-lich weiter unglaubliche Massenan Plastik weltweit produziertund in Umlauf gebracht werden,gibt es außer den wichtigen unddennoch „rührend anmutenden“Müll-Sammel- und Abfischaktivi-täten keinen Hinweis auf Verzichtdes Einsatzes von Plastik. Das be-trifft sowohl die produzierendeWirtschaft als auch uns Verbrau-cher.

Muss es denn sein, dass Nah-rungsmittel wie Gurken, Brokkoli,Tomaten, Brot oder Kuchen inPlastik verpackt werden, dass Ver-brauchsartikel aus Werbegründen„schick in Plastik ausgestellt“werden und in vielen anderenProdukten Plastik statt kompos-tierbarer, organischer Werkstoffeverwendet wird? Denken dennmanche Verbraucher darübernach, was es heißt, Plastik ein-fach in die Umwelt zu werfen?Und das fängt schon beim Ziga-rettenfilter, bei „to-go“ Artikelnund Fast-Food-Behältnissen an,und geht weiter über „Einweg“-

Einkaufsbeutel und -Taschen, Kaffee-Pads, Frühstücksnahrungin Kleinstpackungen, Zeitschriftenin Plastikhüllen und vieles ande-res mehr. Man muss nur einmalgenauer hinschauen, wie vieleunnütze Verpackungen inzwi-schen auf dem Markt sind.

Aber auch die Wirtschaft hat ihreGewohnheiten auf Plastik ab -gestellt: In der Fischerei werdenzum Schutz der Grundleinen undNetze sogenannte Dolly-Ropesverwendet. Das sind „fusselige“rollenähnliche Gebilde, die beiGrundberührung abgerieben wer-den (sollen). Aber die Fasern ver-bleiben im Meer; es sind Tonnenallein davon jedes Jahr.

Lungenatmende Wassertiere er-trinken in Stellnetzen und Netz-fetzen, verstricken sich in Seilenund verschlucken ganze Plastik-teile, die an der Wasseroberflächeschwimmen, was den Tod zurFolge hat, weil sie keine Nahrungmehr aufnehmen können. Selbstbei einigen der 30 Pottwale, die2017 an den Nordseeküsten an-gespült wurden, fand man inMägen sogar Planen, Netzfetzenund größere Plastikteile.

Wissenschaftler haben nach demgroßen Tsunami in Asien nachge-wiesen, dass von dort weggespül-tes Plastik, das in Alaska und denwestlichen USA-Stränden ange-schwemmt wurde, mit Plankton

Umwelt

Plastikmüll im Meer – das Problem geht uns alle an

Informationen für Mitglieder der Fachgruppe Industrie/industrielle Dienstleistungen im ver.di-Fachbereich 8 März 2018

besiedelt war und die Gefahr insich birgt, weltweit Organismensamt Krankheitskeimen in Mee-resbereichen zu verteilen, wo sienicht hingehören. So etwas ge-schieht nicht mit Holz als „Trans-portmittel“, weil das Holz auf derjahrelangen Drift im Wasser zer-setzt wird.

Kein Wissenschaftler kann heutesagen, was der Zerfall von Plas-tik müll im Meer zur Folge hat,doch alles deutet darauf hin, dassWeichmacher und Farbstoffe sichim hormonellen Haushalt derMeerestiere negativ auswirken,wie auch die zerfallenen Mikro-plastik-Teile selbst, die schon alsMikroplastik in die Nahrungskettegelangt sind, und die wir mit demFisch verzehren. Selbst im Fleurde Sel ist Mikroplastik nachge-wiesen worden.

Inzwischen schätzen Fachleute,dass Plastik im Meer über 500Jahre bis zum vollständigen Zerfall benötigt, wenn die Wasser-temperatur der an den Meeres-oberflächen entspricht. Wenn dasPlastik aber am Meeresgrund ist,dauert es noch länger bei dendortigen niedrigen Temperaturen.

Wenn wir als Verantwortliche derfrüheren und jetzigen Generationunseren Nachfahren eine lebens-werte Umwelt hinterlassen wol-len, muss mehr geschehen als inStraßburg vorgestellt wurde. Wir haben seit ca. 60 Jahren das„Plastik-Zeitalter“, und wenn dieEU bis 2030 etwas „radikal durchPlastik-Ersatz und Wiederverwer-tung“ ändern will, müssen alleverpflichtet werden, mitzumachen– und das weltweit.

Es erhebt sich auch für Meis- ter_in nen, Techniker_innen, Ingenieur_innen und Naturwis-senschaftler_innen angesichtsdieser Dramatik aus ethischenund moralischen Gründen dieFrage nach der Verantwortung,nämlich auch einmal „Nein“ zusagen, wenn sie wieder unsinni-ges Plastikzeug in die Welt bringen sollen, weil es die Ver-braucher angeblich so wollenoder es sich besser verkaufenlässt. W

Uwe Bohm

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Bohm

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wir reden mit

Informationen für Meister/innen, Techniker/innen und Ingenieur/innen in ver.di März 2018

den Mut, auch mal etwas zu ver-weigern. Sie bräuchten aber denMut, mit technischem Fortschritteinfach anzufangen. So könntendie erforderlichen Sendemastenfür die 5-G-Technologie, die zumautonomen Fahren benötig wer-den, bereits jetzt aufgestellt wer-den.

Volkswirtschaftlich sei ein Automit vier Prozent Nutzungsgradpure Verschwendung, daher solleman mit Car-Sharing von selbst-fahrenden Autos beginnen. AberIT mache Google, Batterie macheChina, was bleibe dann für uns?In der digitalen Welt werden an-dere Kompetenzen gebraucht, soseine kritische Anmerkung.

Die Digitalisierung würde beiGroßprojekten helfen, aber nichtmenschliche Fehlentscheidungenverhindern. Er forderte daher dasZulassen einer neuen Risikokultur.Infrastruktur sei der Unterbau derGesellschaft und ohne technischeInfrastruktur gebe es keine sozialeInfrastruktur. Hier seien die Inge-nieure die Gestalter der Gesell-schaft.

Ulrike Scharf, MdL, Bayerns Um-weltministerin, bezeichnete alsgemeinsames Ziel ein gutes Lebenaller Menschen unter Berücksich-tigung des Umweltschutzes. Men-schen sei die ursprüngliche Naturam wichtigsten, so das Ergebnisdes Werte-Index. Es sei daher diegemeinsame gesellschaftlicheAufgabe, das nachhaltige Bayernvoranzutreiben, und dies mit Hilfeder Ingenieure als Technikschaf-fenden, so die Ministerin.

Ingenieur im „Sandwich“

Mit einem Fragezeichen versahGunter Dueck, Mathematiker undPhilosoph, das Motto der Veran-staltung, ob Ingenieure Gestalterder Zukunft sind. Er sieht den In-genieur im „Sandwich“ zwischenVorstand (es muss billig sein) unddem Vertrieb (es muss schnellgehen). In der menschlichen Hierarchie ist der Ingenieur einBeta-Tier, so Dueck in seiner sehrhumorvollen Einschätzung der In-genieure. Ingenieure hätten nicht

Bayerischer Ingenieuretag

Ingenieure – Gestalterder GesellschaftUnter diesem Motto fand heuer der 26. Bayeri-sche Ingenieuretag in München statt. In seinerBegrüßung ging Norbert Gebbeken, Präsident

der bayerischen Ingenieurekammer Bau, der Frage nach, warum 75 Prozent der Groß -projekte Probleme bereiten.

Ingenieure werden als Berufs-gruppe immer wichtiger, daher seies für sie wichtig zu wissen, wieMedien funktionieren. Mediensuchten das Spektakuläre, ambesten verbunden mit der Kata-strophe, da komme das objektiveBild zu kurz. Sein Rat an die Inge-nieure: „Zerschlagt das Glashausder Sprachlosigkeit“.

Neue Risikokultur

In der abschließenden Gesprächs-runde schlug Dueck vor, dass die jungen Menschen vor Beginneines Studiums erst mal drei Jah -re, als Basisbaustein zum lebens-langen Lernen, einen Beruf aus-üben sollten. Gottlieb gab zu, dassdas Sparmodell der Medien gutenJournalismus behindere, und dasses fast keine Journalisten miteinem Ingenieurstudium gäbe.

Gebbeken forderte ein Planenohne erste Zahl und eine neue Risikokultur im Bauwesen. DieDefizite in der Kommunikationseien erkannt, mit Fortbildungund veränderten Studiengängenwerde dabei das Wissen vermit-telt. So wachse eine Generationvon jungen Ingenieur_in nenheran, die offener sein sollten.Und zum Schluss stellte er dieFrage, ob wir den denkendenKühlschrank wirklich brauchen. W

Ulrich Bareiß Vorsitzender des AIN Bund

Der Journalist und ehemaligeChefredakteur des bayerischenFernsehens, Sigmund Gottlieb,hielt den Ingenieuren den Spiegelder Medien vor. Im Gegensatz zuMedienmenschen halten sich In-genieure gerne im Hintergrundauf, da sieht er kommunikativesPotenzial. In der Öffentlichkeitherrsche ein geteiltes Bild überdie Ingenieurleistungen. Einer-seits Bewunderung, wie derschnelle Wohlstand nach demKrieg zustande kam, andererseitsaber auch die Frage nach der Zukunft. Ingenieure schafften Maschinen und Künstliche Intelli-genz, braucht man dann unsMenschen noch?

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: Ulri

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Gunter Dueck erklärt Alpha-Tiere und andere Charaktere beimBayerischen Ingenieuretag.

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