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CHF 12.– Jahrgang 14 | 2018 ISSN 1991-2838 1 / 2018 www.universimed.com © iStockPhoto.com/ThomasVogel ASH 2017, ATL ANTA | Schwerpunkt ab Seite 6 Erfolge gegen hämato- logische Erkrankungen mit innovativen Strategien

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CHF 12.– Jahrgang 14 | 2018 ISSN 1991-2838

1 / 2018www.universimed.com

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ASH 2017, ATLANTA | Schwerpunkt ab Seite 6

Erfolge gegen hämato-logische Erkrankungen mit innovativen Strategien

Kongress

ASH ANNUAL MEETING 2017

Myelodysplastische Syndrome (MDS)

Implementierung einer Präzisionsmedizin bei Patienten mit MDS und unklaren Zytopenien Der Einsatz der Next-Generation-Sequenzierung hat in den letzten Jahren zur Entdeckung einer Vielzahl von rekurrenten Mutationen (RM) in Driver-Genen bei myeloischen Neoplasien geführt. Dadurch wurden nicht nur das pathophysiologische Verständnis, sondern auch die diagnostischen Möglichkeiten bei Patienten mit myelo dys-plastischen Syndromen (MDS) und unklaren Zytopenien wegweisend erweitert. Allerdings schreitet die Umsetzung dieser Erkenntnisse für die Anwendung von neuen Therapieoptionen noch eher zögerlich voran.

Personifizierte Diagnostik und klonale Evolution

In der Abklärung von unklaren Zyto-penien («idiopathic cytopenia of un-known significance», ICUS) wächst die Bedeutung der molekularen Diagnostik, was von Prof. Luca Malcovati in einer Vortragsreihe der MDS Foundation näher erörtert wurde. Bei unklaren Zytopenien, bei denen zusätzlich eine RM mit einer «variant allele frequency» (VAF) von >2% nachgewiesen ist, spricht man von einer «clonal cytopenia of unclear signi-ficance» (CCUS). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Nachweis von RM im peripheren Blut mit einer VAF von >10% sowie ≥2 Mutationen mit einem hohen Risiko für das Auftreten bzw. die Entwicklung einer hämatologischen Neo-plasie innerhalb der folgenden 5 Jahre assoziiert ist.1

Ferner wurden zahlreiche neue, NGS-basierte Erkenntnisse zur klonalen Hete-rogenität, zur Evolution von Subklonen sowie zum sequenziellen Auftreten von Komutationen und deren zeitlicher Abfol-ge vorgestellt (Abstr. SCI 37, 38, 39). Zellintrinsische und -extrinsische Ursa-chen scheinen für diese klonale Selektion und Evolution eine Rolle zu spielen. Die-se dynamische Interaktion findet in der Knochenmarksnische unter Einfluss von verschiedenen Effektoren des Immunsys-tems statt.

Wichtig sind diese neuen Erkenntnis-se insbesondere, um die Entstehung von therapieassoziierten myeloischen Neo-plasien zu verstehen, da zytotoxische Therapien bei hämatologischen und nicht hämatologischen Erkrankungen diesen Selektionsprozess beeinflussen können (Abstr. 0632). Beispielhaft liess sich eine Zunahme der VAF von mTET2-Klonen in einem Primatenmodell nach autologer Stammzelltransplantation beobachten (Abstr. 0636). Bekanntlich unterliegen auch mTP53-Klone einer po-sitiven Selektion nach zytotoxischer Chemotherapie bei MDS-Formen, in wel-chen die Expansion der Stamm- und Pro-genitorzellen durch eine TP53-vermittel-te Apoptose unter Kontrolle gehalten wird (z.B. MDS mit 5q-Deletion, Shwachman-Diamond-Syndrom u.a.) (Abstr. 0780). Zuletzt fand sich auch bei Patienten mit einer kongenitalen Neutro-penie eine Selektion von Klonen mit mRUNX1 nach Akquisition von mCSF3R (Abstr. 39).

Der Nachweis von RM bei Patienten mit CHIP, CCUS und kongenitalen Prä-dispositionserkrankungen wird zuneh-mend auch bei der Risiko-Nutzen-Abwä-gung im Zusammenhang mit der Verab-reichung von zytotoxischen Chemothe-rapien und der Durchführung von auto-logen Stammzelltransplantationen sowie bei der Auswahl der allogenen Spender eine Rolle spielen.

Personifizierte Risikostratifizierung

RM werden zurzeit auch als prognosti-sche und prädiktive Biomarker bei MDS, chronischen myelomonozytären Leukä-mien (CMML) und akuten myeloischen Leukämien (AML) näher untersucht. Ver-schiedene Berechnungsmodelle wurden am diesjährigen ASH-Meeting vorgestellt, die auf öffentlich zugänglichen Websites verfügbar gemacht werden sollen. Als Bei-spiele können Modelle für das Ansprechen

N. Bonadies, BernV. U. Bacher, Bern

KEYPOINTS●l Die molekulare Diagnostik

gewinnt in der Abklärung von unklaren Zytopenien und MDS immer mehr an Bedeutung.

●l Rekurrente Mutationen werden als prognostische und prädik-tive Biomarker in klinisch-geno-mische Berechnungsmodelle integriert.

●l Die Umsetzung personifizierter Therapieoptionen schreitet trotz zahlreicher molekulargeneti-scher Erkenntnisse eher zöger-lich voran.

●l Luspatercept steht bei «Lower risk»-Patienten mit RS/mSFRB1-MDS kurz vor der Zulassung und führt bei ca. zwei Drittel der Patienten zu einer EPO-unab-hängigen Verbesserung der Anämie und bei der Hälfte zu einer Transfusionsfreiheit.

●l Die Behandlung von «Higher risk»-MDS-Patienten, die nicht mehr auf HMS ansprechen und nicht für intensive Therapien qualifizieren, stellt weiterhin eine grosse therapeutische Her-ausforderung dar.

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Kongress

ASH ANNUAL MEETING 2017

auf hypomethylierende Substanzen (HMS) bei MDS- und CMML-Patienten (Abstr. 0157, 0159) sowie ein (personifi-ziertes) Prädiktionsmodell mit einem «ma-chine learning algorithm» unter Anwen-dung von klinisch-genomischen Daten (Abstr. 0160) genannt werden. Für das hypoplastische MDS wurde anhand von zyto- und molekulargenetischen Daten zudem ein Score entwickelt (Abstr. 0588). Mit diesem lässt sich alleine mit zytomor-phologischen Kriterien ein MDS von einer aplastischen Anämie mit einer Spezifität von 98% abgrenzen (Tab. 1).

Im Gegensatz zu diesen molekularba-sierten Modellen können auch rein klini-sche und laboranalytische Daten weiter-hin sehr nützlich sein. Im EUMDS-Regis-ter wurden solche zur verfeinerten Prog-noseabschätzung bei IPSS/IPSS-R MDS-Patienten mit «lower risk» eingesetzt (EUMDS-Score). Das Auftreten einer EK-Transfusionsabhängigkeit und/oder der Abfall der Thrombozyten um >25% inner-halb von 6 Monaten nach Diagnose waren Risikofaktoren (RF), die mit einem ver-minderten Gesamtüberleben assoziiert waren (kein RF: 71 Monate, 1 RF: 42 Mo-nate, 2 RF: 19 Monate, p<10–4) (Abstr. 0158).

Klonale Hämatopoese und Inflammation

Translationale Studien beschäftigen sich zunehmend mit den Ursachen und Folgen einer erhöhten systemischen Ent-zündung, welche bei Patienten mit klona-ler Hämatopoese und MDS beobachtet wurde. Im Rahmen der Erstbeschreibung im Jahre 2014 fiel eine erhöhte kardiovas-kuläre Morbidität bei Patienten mit klona-ler Hämatopoese auf, die nicht auf Zyto-penien oder andere Komorbiditäten zu-rückgeführt werden konnte.2–5 Eine wich-tige Veröffentlichung aus dem letzten Jahr hat mögliche pathogenetische Mechanis-men ans Licht gebracht. Das erhöhte Arte-rioskleroserisiko bei Patienten mit klona-ler Hämatopoese wurde in dieser Studie auf eine vermehrte inflammatorische Ak-tivierbarkeit der Makrophagen zurückge-führt.6 Die erhöhte kardiovaskuläre Mor-bidität und Mortalität bei MDS-Patienten sind bereits seit Längerem bekannt und wurden bisher als Folge der Anämie und Eisenüberladung interpretiert. In einer

Untersuchung bei Patienten mit normalem Blutbild und mTET2 oder mDMT3A (T- oder D-CHIP) konnte neben einer Mono-zytose auch eine erhöhte Entzündungsak-tivität beschrieben werden (Abstr. 0426). Diese pathogenetischen Zusammenhänge werfen die Frage auf, ob durch eine frühe Intervention bei einer klonalen Hämato-poese nicht nur die klonale Evolution, son-dern auch die erhöhte systemische Ent-zündungsaktivität und damit die kardio-vaskuläre Morbidität/Mortalität vermin-dert werden können (Abstr. 0421).

Aufkommende Therapieoptionen bei «Lower risk»-MDS-Patienten (Tab. 2)

Bei transfusionsabhängigen (TD) «Low-er risk»-MDS-Patienten mit Ringsidero-blasten (RS) und/oder mSF3B1 hofft man auf den baldigen Abschluss der randomi-sierten Phase-III-Studie (MEDALIST) mit Luspatercept, einem TGF-β-Superfamily-Inhibitor. In einer Phase-II-Studie (PACE-MDS) konnte man eine Verbesserung der Anämie bei 67% und eine Transfusions-freiheit bei 48% der MDS-Patienten mit RS/mSFRB1-MDS nachweisen. Auch ein Drittel der Nicht-RS/mSF3B1-MDS-Patien-ten scheint auf Luspatercept anzuspre-chen, sogar im Erythropoetin-refraktären (EPOr) Zustand (Abstr. 2982). Weitere Studien mit Luspatercept sind derzeit für eine breitere «Lower risk»-MDS-Patienten-population in Vorbereitung (die Aktivie-

rung ist auch am Inselspital Bern geplant). Die Modulation von Effektormechanismen des angeborenen Immunsystems scheint bei der Wirksamkeit von Luspatercept möglicherweise auch eine Rolle zu spielen.

Andere interessante Substanzen mit immunmodulierender Wirkung, welche in Phase-I/II-Studien getestet werden, um-fassen OPN-305, einen Inhibitor des Toll-like-Rezeptors 2 (TLR2),7 ARRY-614, ei-nen dualen Inhibitor von 38 MAPK/Tie28, und AMV564, einen tetravalenten CD33x-CD3 bispezifischen Antikörper, welcher zu einer Immunodepletion von «myeloid de-rived supressor cells» (MDSC) führt und bei AML-Patienten bereits in einer Phase-I-Studie untersucht wird (Abstr. 0051). Die vorläufigen Ergebnisse sind insgesamt vielversprechend.

Bei TD- und EPOr-MDS-Patienten mit «lower risk» konnte mit Rigosertib, einem Multikinaseinhibitor und RAS-Mimetic, in einer Phase-II-Studie eine hämatologische Verbesserung der Anämie (HI-E) und der Transfusionsabhängigkeit erreicht werden (Abstr. 1689).

In einer weiteren Phase-I/II-Studie wurden erste Daten mit Imetelstat bei TD- und EPOr-MDS-Patienten mit «low/inter-mediate-1 risk» präsentiert (Abstr 4256; IMerge). Imetelstat ist ein Telomerasein-hibitor, welcher präferenziell Tumorzellen mit kurzen Telomeren und hoher Telome-raseaktivität angreift und von dem bereits in anderen Studien eine Wirksamkeit bei myeloproliferativen Neoplasien nachge-wiesen werden konnte. Transfusionsfrei-heit konnte bei 34% und eine hämatologi-sche Verbesserung bei 63% der Patienten erzielt werden. Als Nebenwirkung traten vor allem reversible Zytopenien auf, wel-che mit einer Dosisreduktion oder Thera-piepause gut kontrolliert werden konnten. Das beste Ansprechen erreichten therapie-naive MDS-Patienten ohne del(5q). Bei CMML-Patienten vom myeloproliferativen Typ zeigte eine Phase-I/II-Studie mit Ru-xolitinib, einem bei MPN bereits einge-setzten JAK1/2-Inhibitor, eine Reduktion der Splenomegalie und der inflammatori-schen Symptome (Abstr. 1629). Weiter zeigte eine Phase-II-Studie mit Tipifarnib, einem Inhibitor der Farnesyltransferase und von HRAS, erste Ansprechraten mit Reduktion der Monozytose und Normali-sierung der pathologischen CD14+/CD16-Verteilung der Monozyten (Abstr. 2963).

Punkte Kriterien

1

DysmegakaryopoeseDysgranulopoeseKnochenmarkfibroseRingsideroblasten 2–14%Cluster von CD34+-ZellenKnochenmarkblasten 2–4%

2 Ringsideroblasten ≥15%Knochenmarkblasten ≥5%

Score Kriterien

0–1 Aplastische Anämie (Spezifität 77%)

>2 MDS (Spezifität 98%)

Tab. 1: Zytomorphologischer Score zur Unterscheidung des hypoplastischen MDS von aplastischer Anämie (Abstr. 0588)

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ASH ANNUAL MEETING 2017

Aufkommende Therapieoptionen für «Higher risk»-MDS-Patienten (Tab. 3)

Bei «Higher-risk»-MDS-Patienten, die sich für intensive Therapien eignen, zeich-net sich eine ähnliche Entwicklung wie bei AML-Patienten ab. Patienten werden zu-nehmend nach molekularen Biomarkern stratifiziert und zielgerichteten Therapien zugeführt.

Enasidenib ist der erste IDH2-Inhibitor, welcher von der FDA (April 2017) und der Swissmedic (August 2017) für die Be-handlung von rezidivierter/refraktärer AML (r/r AML) zugelassen wurde. Aktuell laufen zahlreiche Phase-I/II-Studien mit Enasidenib (mIDH2) und Ivosidenib (mIDH1) bei unbehandelten AML- und «Higher risk»-MDS-Patienten, alleine oder auch in Kombination mit hypomethylie-renden Substanzen (HMS) oder Standard-Chemotherapie (Abstr. 0638, 0639, 0724, 0726). Die vorläufigen Resultate sind mit Ansprechraten («stable disease» [SD] und

besser) um 80% und Remissionsraten von 40–60% sehr vielversprechend. Die Diffe-renzierungssyndrome lassen sich gut mit Steroiden behandeln. Ähnlich wie bei HMS scheinen Patienten mit SD von einer Weiterführung einer Behandlung über mehr als 6 Zyklen zu profitieren (Abstr. 1299). Das Ansprechen ist aber bei r/r-AML-Patienten nur vorübergehend, was auf vielfältige Resistenzmechanismen zu-rückzuführen ist. Diese umfassen z.B. Mu-tationen in IDH1/2, FLT3, CSF3R, RUNX1, GATA2 sowie in noch weniger bekannten Genen wie DHX15, DEAF1, NFKB1 und MTUS1 (Abstr. 0724). Dies öffnet den NGS-Methoden für die Zukunft die Tore auch zur Abklärung von möglichen Resis-tenzmechanismen.

Neue FLT3-Kinase-Inhibitoren werden derzeit bei AML- und «Higher risk»-MDS-Patienten untersucht. Midostaurin ist ein wenig selektiver FLT3-Inhibitor, der auf-grund der publizierten Ergebnisse aus der Phase-III-Studie RATIFY nun als Therapie-standard bei mFLT3-AML-Patienten ange-

sehen werden kann.9, 10 Midostaurin wur-de in der Kombination mit einer Standard-chemotherapie von der FDA (Nov. 2016) und der Swissmedic (Mai 2017) zugelas-sen, hat aber eine eingeschränkte gastro-intestinale Verträglichkeit (Nausea). An-dere Typ-I- (Quizartinib: Abstr. 0723) und Typ-II-FLT3-Kinase-Inhibitoren (Gilteriti-nib: Abstr 0722) haben bereits ihre Wirk-samkeit bei r/r AML gezeigt11 und werden aktuell in Phase-I/II-Studien mit HMA, «Low-dose»-AraC und Standardchemothe-rapie bei Neudiagnose untersucht. Sie zei-gen vielversprechende Ansprechraten und scheinen ein günstigeres Nebenwirkungs-spektrum als Midostaurin aufzuweisen. Zusätzlich wurden die Daten eines Follow-ups nach 6,5 Jahren der randomisierten Phase-III-Studie mit dem Multikinaseinhi-bitor Sorafenib bei Patienten mit und ohne mFLT3 vorgestellt (SORAML Trial). Der Zusatz von Sorafenib zu einer Standard-chemotherapie führte zu einer Verlänge-rung des «event-free survival» ohne Ein-fluss auf das «overall survival». Dieser

Phase Substanz Mechanismus Studienpopulation ASH-AbstractNCT-Referenz

«Lower risk»-MDS

2 Luspatercept(ACE-536) TGF-β-Superfamily-Inhibitor 1st/2nd-Line

MDS mit RS/mSF3B1

2982NCT01749514

NCT02268383

3 Luspatercept(ACE-536) TGF-β-Superfamily-Inhibitor 1st/2nd-Line

MDS mit RS/mSF3B1 NCT02631070

2 Rigosertib Multikinaseinhibitor RAS-Mimetic TD MDS 1689NCT01904682

1/2 OPN-305 TLR2-Inhibitor 2nd-Line MDS (HMSr und EPOr) NCT02363491

1 ARRY-614 38-MAPK/Tie2-Inhibitor 1st-Line TD MDS NCT01496495

PK/1 AMV564 CD33/CD3-bispezifischer Antikörper

MDS PKr/r AML

0051NCT03144245

1/2 Imetelstat Telomeraseinhibitor 1st/2nd-Line TD MDS

4256NCT02598661

CMML

1/2 Ruxolitinib JAK1/2-Inhibitor CMML vom MPN-Typ 1629NCT01776723

2 Tipifarnib Farnesyltransferase- und HRAS-Inhibitor CMML 2963

NCT02807272

Tab. 2: Aufkommende Therapieoptionen für eine Präzisionsmedizin für Patienten mit «Lower risk»-MDS/CMML

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ASH ANNUAL MEETING 2017

vermeintliche Widerspruch wurde durch ein vermindertes Ansprechen auf eine Salvage-Therapie im Falle eines Rezidivs im Sorafenib-Arm zurückgeführt. Ob es sich hierbei um ein Phänomen der Patien-tenselektion oder einen tatsächlichen bio-logischen Effekt handelt, wird aktuell weiter untersucht (Abstr. 0721).

Erfolg versprechend waren auch Daten aus einer Phase-Ib-Studie bei Patienten mit r/r-AML, in welcher ein Ansprechen von 20% unter Therapie mit Venetoclax (BCL2-Inhibitor) in Kombination mit Ida-sanutlin (MDM2-Inhibitor) oder Cobime-tinib (MEK-Inhibitor) präsentiert wurde (Abstr. 0813). Das Rationale dieser Kom-binationstherapie basiert auf der beobach-

teten Überexpression des Apopotosehem-mers MCL-1, welche bei resistenten AML-Zellen unter BCL-2-Inhibition auftreten kann. Weiter wurden präklinische Daten mit einem neuen Casein-Kinase-I-alpha- und P-TEFb-Inhibitor vorgestellt, welcher mit CDK9-CyclinT1, einem AML-spezifi-schen Zellzykluskomplex, interferiert. In einem MLL-ENL-Mausmodell fand sich in 40% eine komplette Elimination der AML. Diese Substanz soll nun in einer Phase-I-Studie weiter untersucht werden (Abstr. 0812).

Bei MDS-Patienten mit «higher risk» laufen zahlreiche Studien mit PD-1/PD-1L-Checkpoint-Inhibitoren in Kombi-nation mit HMS oder Standardinduktions-

chemotherapie (SICT), wie zum Beispiel mit Nivolumab (Abstr. 0815). Phase-I/II-Studien zeigten bisher kaum eine Wirkung als Monotherapie, daher werden zurzeit vor allem Kombinationstherapien unter-sucht.

Insbesondere MDS-Patienten, welche nicht mehr auf HMS ansprechen, stellen eine grosse therapeutische Herausforde-rung dar. In einer früheren Studie mit Ri-gosertib wurde bei Patienten mit primä-rem Versagen nach HMS (d.h. innerhalb von 9 Zyklen) über eine Verlängerung des medianen Überlebens von 4,3 auf 7,9 Mo-nate berichtet (ONTIME).12 Basierend auf diesen Ergebnissen läuft aktuell eine ad-äquat gepowerte Phase-III-Studie, die Ri-

Phase Substanz Mechanismus Studienpopulation ASH-AbstractNCT-Referenz

«Higher risk»-MDS

1/2Enasidenib(AG-221) ±SICT/HMS

IDH2-InhibitormIDH2

1st-Line AML/MDS,r/r AML/MDS

0638 (mono)NCT19154980639 (HMS)

NCT026779220724

0726 (SICT)NCT02632708

1299

1/2Ivosidenib(AG-120) +SICT/HMS

IDH2-Inhibitor mIDH1 AML/MDS

0639 (HMS)NCT02677922

0726 (SICT)NCT02632708

1/2Quizartinib(AC220) +HMS/LDAC

FLT3-Inhibitor Typ I mFLT3/wtFLT3 r/r AML/CMML/MDS

0723NCT0189371

1 Gilteritinib +SCTX FLT3/AXL-Inhibitor Typ II mFLT3/wtFLT3

1st-Line AML/MDS0722

NCT02236013

1b Venetoclax +Idasanutlin/Cobimetinib

BCL-2-Inhibitor +MDM2-Inhibitor/

MEK-Inhibitorr/r AML/MDS 0813

NCT02670044

2 Nivolumab PD1/PD1L-Checkpoint-Inhibitor 1st-Line AML/MDS 0815NCT02464657

3 Rigosertib Multikinaseinhibitor RAS-Mimetic Primary failure HMS INSPIRENCT02562443

1Flotetuzumab

FLX925CD123xCD3-bispezifischer DART r/r AML/MDS 0637, 1365

NCT02152956

1 – CD123 CAR-T AML/BPDCN 0811NCT02159495

Tab. 3: Aufkommende Therapieoptionen für eine Präzisionsmedizin für Patienten mit «Higher risk»-MDS

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ASH ANNUAL MEETING 2017

gosertib bei primärem HMS-Versagen mit konventioneller Behandlung vergleichen soll (INSPIRE). Diese Studie wird auch in der Schweiz am Inselspital Bern und am Universitätsspital Zürich angeboten.

Möglicherweise werden in Zukunft auch bispezifische Antikörper, welche T-Zellen gegen spezifische Targets rekrutie-ren, für die Behandlung von «Higher risk»-MDS-Patienten von Bedeutung sein. In einer Phase-I-Studie wurden bei Patienten mit r/r AML/MDS mit Flotetuzumab, ei-nem CD123/CD3-bispezifischen DART®, Ansprechraten um 40% erreicht (Abstr. 0637, 1365). Erste Daten mit CD123-spe-zifischen CAR-T-Zellen zeigen eine anti-

leukämische Aktivität bei AML und könn-ten künftig auch bei MDS-Patienten ein-gesetzt werden, falls die normale Häma-topoese vom Angriff der CAR-T-Zellen tatsächlich ausgespart wird (Abstr. 0811).

Ausblick

Die phänotypische und genetische He-terogenität, die chronischen Verläufe bei einer vorwiegend älteren Patientenpopu-lation sowie die raschen Entwicklungen in der personifizierten Diagnostik und The-rapie stellen grosse Herausforderungen für das Management von MDS-Patienten dar. Für die Umsetzung einer personifi-

zierten Medizin wird die systematische und standardisierte Erfassung von kli-nischen und biologischen Daten eine im-mer grössere Bedeutung haben. Der Ein-schluss von MDS-Patienten in prospekti-ven Kohorten ist daher sinnvoll, um die Umsetzbarkeit, Wirksamkeit und Sicher-heit neuer Behandlungsoptionen in unse-rer täglichen Patientenbetreuung überprü-fen zu können. Diese wichtigen Aspekte der Präzisionsmedizin sollten mithilfe der Swiss MDS Registry Plattform in Zusam-menarbeit mit nationalen und internatio-nalen Kooperationspartnern künftig wei-ter untersucht werden. n

Autoren:PD Dr. med. Nicolas Bonadies

Prof. Dr. med. Vera Ulrike BacherUniv.-Klinik für Hämatologie und

Hämatologisches ZentrallaborInselspital, Universitätsspital Bern

Universität BernE-Mail: [email protected]

n1508

Literatur:

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