serious games als integrationstool. - leipzig school of media · serious games als...

102
Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang Crossmedia Management an der Leipzig School of Media Im Externat an der HTWK/Universität Leipzig Betreuer und Erstgutachter: Prorektor Univ. Doz. Dr. Mag. Sergius Kodera Zweitgutachter: Dr. Jörg Niesenhaus eingereicht am 09.11.2015 von: Katharina Wünschek, BA Schloss Walch 1 2325, Himberg Österreich geb. am 05.07.1988 in Wien E-Mail: [email protected]

Upload: others

Post on 18-Oct-2020

2 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Serious Games als Integrationstool.

Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades:

Master of Scienceim Studiengang Crossmedia Management

an der Leipzig School of Media

Im Externat an der HTWK/Universität Leipzig

Betreuer und Erstgutachter: Prorektor Univ. Doz. Dr. Mag. Sergius Kodera

Zweitgutachter: Dr. Jörg Niesenhaus

eingereicht am 09.11.2015 von:

Katharina Wünschek, BASchloss Walch 1

2325, Himberg

Österreich

geb. am 05.07.1988 in Wien

E-Mail: [email protected]

Page 2: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Gedruckt und gebunden von BC N KG, Papier: Colortechpapier 100g, A-1070 Wien, Neustiftgasse 12.

Gesetzt und gestaltet von Katharina Wünschek, Schrift: Edita von TypeTogether.

Page 3: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne Benut-

zung anderer als, der angegebenen, Hilfsmittel angefertigt habe; die aus fremden Quellen direkt

oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht. Die Arbeit wurde

bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen Prüfungskommission vorgelegt und auch

nicht veröffentlicht.

Katharina Wünschek, Himberg, 01.11.2015

Page 4: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

„Alle Völker spielen, und sie spielen merkwürdig ähnlich”

(Huizinga 2013, S38)

Dieses Zitat von Johan Huizinga war einer der Gedankenanstöße, die maßgeblich zu dieser

Masterarbeit beigetragen haben. Viele andere Anregungen erfuhr ich durch die Gespräche mit

Menschen aus meinem Umfeld. Ein Danke möchte ich Dr. Jörg Niesenhaus widmen der, durch

seine inspirierende Vorlesung, mein Augenmerk auf Serious Games und Games for Change ge-

lenkt hat. Auch Prorektor Univ. Doz. Dr. Mag. Sergius Kodera, der mich als Mentor bereits zum

zweiten Mal voran treibt, gilt mein herzlichster Dank.

Meine Eltern, die mir nicht nur das Studium ermöglicht haben, sondern sich auch per-

sönlich involvierten, will ich mit folgenden Zeilen schriftlich umarmen: Zum einen mein Vater,

der mir - mit stets kritischen Blick - ein fachlicher Ansprechpartner war. Zum anderen meine

Mutter, die seit dem ich mich im Schreiben übe, mit mir gegen meine Legasthenie kämpft.

Ein Danke gebührt auch meinem Freund und meinen Freunden. Unter welchen ich

Korrekturleser und -leserinnen, so wie viel Verständnis fand. Eine Erwähnung soll auch mei-

nem Hund gelten, der als Einziger in der Lage war, mich aus dem Lesewahn und dem Schreib-

fluss zu holen und mit an die frische Luft zu nehmen.

Page 5: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 1

Masterarbeit von Katharina WünschekSerious Games als Integrationstool.

INHALTSVERZEICHNIS

1. Die Begriffe der Integration und Migration 9

1.1 Alltagsbegriffe 9

1.1.1 Begriff der Migration 9

1.1.2 Alltagsbegriff Integration 9

1.2 Wissenschaftliche Begriffe 10

1.2.1 Assimilative- und segregative Integration 10

1.2.2 Interkulturelle Integration 11

1.3 Mediale Integration 12

1.3.1 Mediale Segregation 12

1.3.2 Assimilative mediale Integration 12

1.3.3 Interkulturelle mediale Integration 13

1.4 Historische Grundlage 15

2. Die Begriffe des Spiels 17

2.1 Formale Kennzeichen und Bestandteile des Spiels 19

2.1.1 Die Spielwelt 21

2.1.2 Die Spielregeln 22

2.1.3 Glaube, Festlichkeit, Religion und Mystik als Spiel 23

2.1.4 Das Massenmedium Spiel 24

2.1.5 Spielarten 28

2.1.6 Non-Game-Context 31

2.2 Gamification 32

Page 6: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 2

Serious Games als Integrationstool.

2.3 Serious Games 32

2.3.1 Games for Change 35

2.3.2 Didaktische Elemente und Motivatoren in Spielen 40

3. Serious Games als Integrationstool 46

3.1 Spiel, Kultur, Realität und Ernst 46

3.1.1 Trash-Talk: Rassismus und Frauenfeindlichkeit 47

3.2 Reality is Broken 49

3.2.1 Massen-Exodus in virtuelle Welten 49

3.2.2 Search for Happiness 51

3.2.3 Spielen ist Arbeit 55

3.3 Spielen verbessert die Welt 56

3.3.1 Im Spiel existiert keine Angst vorm Scheitern 56

3.3.2 Im Spiel existiert keine Angst vor Gefahren 57

3.3.3 Eustress 58

3.3.4 Eine sinnvolle Tätigkeit 59

3.3.5 Erfolge teilen 59

3.3.6 Wissen von Einander 60

3.3.7 Bedeutsamkeit finden 61

3.3.8 Miteinander Zeit verbringen 62

3.4 Trend und Perspektive 62

3.4.1 Massively Multiplayer Foresighting Games 64

4. Praxisbezug und Beispiele 65

Page 7: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 3

Masterarbeit von Katharina Wünschek

4.1 Crowdsourced Change 65

4.1.1 Wikipedia als Spiel 65

4.1.2 Investigate Your MP‘s Expenses 67

4.1.3 Folding@home 69

4.2 Geeignete Spielformen 71

4.2.1 Casual Games 71

4.2.2 Adventurespiele 71

4.2.3 Rollenspiele 72

4.2.4 Strategiespiele 72

4.2.5 Simulationsspiele 73

4.3 Beispielhafte Serious Games 73

4.3.1 Free Rice 74

4.3.2 The Extraordinaries 75

4.3.3 Groundcrew 75

5. Konzeptentwicklungen und Adaptionen 78

5.1 Groundcrew-Adaption 78

5.2 The Extraordinaries-Adaption 80

5.3 Free Rice- und Quizduell-Adaption 82

6. Conclusio 87

7. Verzeichnisse 90

7.1 Literaturverzeichnis 90

7.2 Bildverzeichnis 94

Page 8: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang
Page 9: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 5

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Einleitung

Die bisher herrschende Meinung, Spiele seien Zeitvertreib und unbedeutende Lückenfüller

zwischen den Ereignissen des eigentlichen und alltäglichen Lebens, steht seit einigen Jahren zur

Diskussion. Selbst Spieler sind dem Begriff „Spiel” gegenüber voreingenommen. Viele Experten,

wie Bernard Suits oder Jane McGonigal sehen in der zukünftigen Spieleentwicklung unglaubli-

ches Potenzial (vgl. Suits 2005, S159 und McGonigal 2012, S14). Spiele können bereits weit mehr

als bloßer Zeitvertreib sein, wenn sie nicht bereits immer mehr als das waren. Laut einigen Ex-

perten sollen Spiele in Zukunft jedoch sogar Überragendes für die Menschheit leisten. Sie sollen

unsere Bildungssysteme revolutionieren, uns bei der Heilung von Depressionen, Ängsten oder

Aufmerksamkeitsdefizitstörungen helfen, sie sollen die Wahlbeteiligung steigern und weltweite

Probleme wie den Klimawandel oder Armut lösen können (vgl. McGonigal 2012, S14). Damit

diese wundersam klingenden Spiele entstehen und in Folge gespielt werden können, muss die

Skepsis, die das Spiel bisher einschränkt, überwunden werden. In welcher Art und Weise Spiele

in der Lage sind solches zu leisten, ist ein zentraler Punkt dieser Arbeit. Der Fokus der Fragestel-

lung liegt darauf, herauszuarbeiten ob sich dieser Ansatz der Problemlösung auch für Konflikte

im Bereich der Integration von Migranten und Migrantinnen eignet.

Im Zeitraum der Bearbeitungsfrist dieser Masterarbeit und natürlich darüber hinaus,

gab es eine extreme Migrationswelle nach Europa. Schlagzeilen wie: „Flüchtlinge: Österreich

laut Kurz »bereits massiv überfordert« ” (DiePresse.com 2015), „Kanzlerin rechnet mit einer

Million Flüchtlingen” (Gutschker 2015) oder „Mit Baseballschlägern und Brandsätzen gegen

Flüchtlinge” (Zeit Online 2015) bewegen die Massen. Intensiv betroffen ist Mitteleuropa, im

Besonderen Deutschland (vgl. Sadigh 2015). Wirtschaftsflüchtlinge und Kriegsflüchtlinge aus

Syrien, der Arabischen Republik, Albanien, Afghanistan, Irak, Serbien, Eritrea und Pakistan

„stürmten” nach Europa (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2015, S7). Es entstand

sogar ein kleines nachrichtenbasiertes Serious Game mit dem Titel: „Wie würden Sie aus Syrien

flüchten?”(vgl. Maatz 2015). Die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen war ein allge-

genwärtiges Thema. Doch was passiert danach? Ein Teil der Flüchtlinge wird zurückgeschickt,

ein Teil geht freiwillig, doch ein Teil wird bleiben.

Page 10: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 6

Serious Games als Integrationstool.

Forschungsfragen

• Frage 1: In welchem Zusammenhang befinden sich Spiele und Kultur?

• Frage 2: Worin unterscheiden sich Spiele von anderen Massenmedien, wenn sie Integra-

tion bewirken sollen?

• Frage 3: Gibt es Rassismus im Spiel?

• Frage 4: Durch welche Mechanismen bewirken Games for Change Wandel?

• Frage 5: Wie können diese Mechanismen eingesetzt werden um interkulturelle Integra-

tion zu fördern?

• Frage 6: In welchen Spielkonzepten könnten diese Mechanismen Anwendung finden?

Methodik

In den ersten beiden Kapitel dieser Arbeit stellt die Autorin das theoretische Fundament die-

ser literaturvergleichenden Masterarbeit her. Im ersten Kapitel handelt es sich hierbei um die

Thematik der Integration von Migrantinnen und Migranten. Im zweiten Kapitel geht es um die

Begrifflichkeiten des Spiels. Die Autorin legt Wert darauf, Spiel im allgemeinen und im digitalen

Bereich zu beleuchten und wählt dazu unterschiedliche Quellen, aus unterschiedlichen Jahr-

zehnten.

Die Themen Spiel und Integration werden im dritten Kapitel miteinander verschmolzen. Es wer-

den Spielmechanismen auf ihre Wirkungen überprüft und in Folge in den Kontext interkulturel-

ler Integration gebracht. In Kapitel vier stellt die Autorin ausgewählte Beispiele für kollaborative

Plattformen und Spiele vor. Diese werden in Folge in Kapitel fünf als Konzeptgrundlage genutzt

um mögliche interkulturelle Integrations-Spiele zu beschreiben. Danach folgt die Conclusio.

Es handelt sich um eine literaturvergleichende Arbeit, da diese Methodik für die Fra-

gestellung am geeignetsten erscheint. Eine Empirik würde das Programmieren eines interkul-

turellen integrativen Serious Games voraussetzen und damit den Rahmen dieser Masterarbeit

überschreiten. Des Weitern möchte die Autorin darauf hinweisen, dass sämtliche personenbezo-

genen Bezeichnungen geschlechtsneutral zu verstehen sind.

Page 11: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 7

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Aufbau der Arbeit

Zu Beginn der Arbeit werden die Begriffe der Integration beleuchtet. Alltagsbegriff und wis-

senschaftliche Begrifflichkeiten werden voneinander abgegrenzt. In Folge werden historische

Wurzeln der Begriffe kurz erörtert um ein Stück des kollektiven Gedächtnisses in Mitteleuropa

zu verbildlichen und in die Begrifflichkeiten einfließen zu lassen.

Im zweiten Kapitel widmet sich die Autorin den Begriffen des Spiels. Beginnend mit der

Perspektive von Johan Huizinga zu Beginn des 20. Jahrhunderts, werden verschiedene Aspekte

und Blickwinkel auf das Spiel und das Spielen präsentiert. Mit dem Unterkapitel Massenmedium

Spiel, gerät das digitale Spiel in den Mittelpunkt dieser Arbeit. Die Begriffe Gamification, Serious

Games, Games for Change so wie die Lernprozesse in Spielen werden im Anschluss behandelt.

Kapitel drei befasst sich mit der Kernfrage dieser Arbeit: Welche Spielmechanismen

können interkulturelle Integration fördern? Hierzu wird zu Beginn der Zusammenhang zwi-

schen Kultur, Realität, Ernst und dem Spiel betrachtet. Das darauf folgende Unterkapitel

widmet sich dem Rassismus und der Frauenfeindlichkeit in so genannten „Trash-Talks“. Im

Unterkapitel Reality is Broken wird starker Bezug auf Jane McGonigals gleichnamiges Buch

genommen. Die vermeintliche Flucht der Spieler in eine Parallelwelt, so wie die menschliche

Suche nach dem Glück sind maßgebliche Themen für den Erfolg von Spielen. Es stellt sich in

diesen Unterkapiteln heraus, dass der Mensch gerne sinnvolle und herausfordernde Tätigkeiten

verrichtet. Spieler suchen sich derartige Arbeit in Spielen. Ein weiteres Unterkapitel beleuchtet

daher Spiel als Arbeit. Im darauf folgenden Unterkapitel Spielen verbessert die Welt werden die

zentralen Mechanismen, durch welche Serious Games interkulturelle Integration unterstützen

können beleuchtet. Das Kapitel drei findet seinen Abschluss in der Thematisierung der Zukunft

und Perspektiven von Serious Games. In diesem Zusammenhang werden Massively Multiplayer

Foresighting Games erörtert.

Die folgenden Kapitel vier und fünf sind praxisbezogen. Zum einen werden Crowdsour-

cing-Konzepte beleuchtet und eine kleine Auswahl an interessanten Serious Games vorgestellt

und zum anderen werden diese zu integrativen Serious Games umgewandelt. Im Detail handelt

es sich um die Spiele: Free Rice, The Extraordinaries und Groundcrew. Im Anschluss an diese Ka-

pitel wird eine Conclusio gezogen, in welcher es zu einer kurzen Beantwortung der Forschungs-

fragen eins bis fünf kommt. Die Frage sechs wird in den praxisnahen Kapiteln beantwortet und

erfährt in der Conclusio keine weitere Wiederholung.

Page 12: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang
Page 13: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 9

Masterarbeit von Katharina WünschekSerious Games als Integrationstool.

1. Die Begriffe der Integration und Migration

1.1 Alltagsbegriffe

1.1.1 Begriff der Migration

Der deutsche Online Duden unterscheidet bei dem Begriff der Migration zwischen einer Biolo-

gischen, einer Soziologischen und einer Migration von Daten, wenn der Begriff in der EDV zur

Verwendung kommt. Bei ersteren beiden Begriffen, der biologischen und soziologischen Migra-

tion handelt es sich um die Abwanderung von Tieren oder Menschen, von einer Region oder ei-

nem Land in eine andere Region, ein anderes Land (vgl. Bibliographisches Institut GmbH. 2015).

Eine weitere Internetquelle zählt Migration zu weiteren Themenkreisen wie etwa: Astronomie,

Chemie, Genetik, Geologie, Logistik oder Seismik (vgl. Wikimedia Foundation Inc. 2015).

Im Rahmen dieser Masterarbeit beschränken sich die Begriffe Migration, Emigration

und Immigration, so wie Migranten und Migrantinnen auf den dauerhaften Wechsel des Sied-

lungsraumes von Menschen in ein anderes Land.

1.1.2 Alltagsbegriff Integration

Die Integration von Migranten und Migrantinnen ist nicht nur sprichwörtlich in aller Munde.

Wie bereits einleitend durch einige Zeitungstitelzeilen demonstriert, handelt es sich nicht nur

um ein aktuelles Thema, sondern auch um einen alltagssprachlichen Begriff. Dieser alltägliche

Begriff ist in einem engen Kontext mit politischen - aber des Weiteren auch wirtschaftlichen und

sozialen Themen anzusiedeln (Rettenegger 2008, S45).

Auch wenn der Fokus dieser Arbeit auf dem wissenschaftlichen Begriff der Integration

liegt, so soll der Alltagsbegriff kurz beleuchtet werden, um die Abgrenzung der wissenschaft-

lichen Begriffe zu verdeutlichen und um ein Verständnis für die Problematiken des Themas zu

erzeugen. „Im Alltagsverständnis wird Integration vielfach als Forderung an Einwanderer miss-

verstanden, sich kulturell möglichst total an die - insoweit als homogen vorgestellte - Aufnah-

megesellschaft bzw. deren ethnische Mehrheit anzugleichen, sich zu assimilieren.” (Müller 2009,

Page 14: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 10

Serious Games als Integrationstool.

S146) So kann es auch zu einer negativen Behaftung der Begriffe Integration und integriert sein bei

Einwanderern kommen. Das Gleichsetzen von sich integrieren mit totalem assimilieren, Iden-

titätsverlust und Selbstaufgabe erweitert die ohnehin große Bandbreite an Missverständnissen

im Integrationsprozess um ein Vielfaches (vgl. Müller 2009, S146). Wie im Laufe dieser Arbeit

noch genauer geschildert wird, ist Integration „keineswegs Anpassung als Selbstzweck oder als

hegemoniale Machtdemonstration der ethnischen Mehrheit” (Müller 2009, S146). Funda Akin

lehnt sich bezüglich der Definition von Integration an Berger an: „Integration bezieht sich auf

Einzelpersonen oder (ethnische) Gruppen, die Teilhabe auf allen Ebenen (Kultur, Schule, Aus-

bildung, Zugang zu allen Berufen, Ämtern, Mandaten) ermöglicht. Diese Form der Integration

wird in der Regel erst erreicht, wenn mehrere Generationen im Aufnahmeland verwurzelt sind.“

(Berger 2000, S11 nach Akin 2008, S48).

Im alltagssprachlichen Gebrauch fällt der Begriff der Integration häufig in einen frem-

denfeindlichen Kontext. Hierbei wird der Begriff oftmals als zu milde abgelehnt. Integration im

alltäglichen Sinne fordert für fremdenhass-geprägte Formulierungen zu wenig von Migranten

und Migrantinnen. „In solchen Debatten ist Integration konnotativ mit dem heute bis in der

Mitte der Gesellschaft hinein massiv diskreditierten Begriff Multikulti verbunden.” (Müller 2009,

S147)

1.2 Wissenschaftliche Begriffe

1.2.1 Assimilative- und segregative Integration

Die assimilative Integration ist das im deutschsprachigen Raum lange dominierende Modell

der Integrationsforschung. So schrieb Hartmud Esser im Jahr 2001 in seinem Gutachten für die

deutsche Regierung: „Die Sozialintegration in der Aufnahmegesellschaft ist [...] eigentlich nur

in der Form der Assimilation möglich” (Hartmut Essers Bericht der Süßmuth Kommission 2001

nach Geißler und Pöttker 2006, S18). Bei der assimilativen Integration passt sich die Minder-

heitsgesellschaft so lange und weit an die Mehrheitsgesellschaft an, bis sie schließlich ganz in

ihr verschwindet (vgl. Geißler und Pöttker 2006, S18). Eine solche zielgerichtete Assimilierung

in eine Mehrheitsgesellschaft erscheint bei der zunehmenden transnationalen Auflösung, als

schwierig (vgl. Müller 2009, S146).

Page 15: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 11

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Ein weiterer Begriff für dieses Modell ist die Akkulturation. Hierzu gehört auch der

Begriff der Akkumodation, welcher für das Erlangen des notwendigsten Wissens über die Mehr-

heitsgesellschaft steht (vgl. Akin 2008, S48).

Bei der segregativen Integration handelt es sich um eine Art Gegenpol zur assimilativen

Integration. Hierbei leben Minderheits- und Mehrheitsgesellschaft abgeschottet voneinander. Es

entsteht die Gefahr von ethnischen Schichtungen und Ghettobildungen (vgl. Geißler und Pött-

ker 2006, S18ff). Ausgegrenzte Gruppen, wie sie beim segregativen Modell entstehen, können

nicht am Leben der Kerngesellschaft teilhaben.

1.2.2 Interkulturelle Integration

Die interkulturelle Integration hat ihren Ursprung im kanadischen Multikulturalismus. Flears

und Elliot bezeichneten mit „Unity within Diversity” ein Konzept „angemessene[n] Balance [...] zwischen den Bedürfnissen der Minderheiten auf Anerkennung ihrer kulturellen und sozia-

len Besonderheiten und den Bedürfnissen der Mehrheit nach Kenntnis und Anerkennung des

gemeinsamen rechtlichen, kulturellen und sozialen Rahmens [...]“ (Geißler und Pöttker 2006,

S19). Oftmals wird das Konzept der interkulturellen Integration als Kompromiss zwischen den

Begriffen der asssimilativen- und der segregativen Integration angesiedelt (vgl. Geißler und

Pöttker 2006, S21). Da das offizielle Motto der Europäischen Union eine Abwandlung dessen ist

und „United in Diversity” lautet, möchte die Autorin dieser Arbeit diese Unterordnung in Frage

stellen (vgl. europa.eu 2015). Vielmehr etabliert sich das Konzept der interkulturellen Integ-

ration zunehmend zu einem eigenständigen Weg. Das idealtypisch erscheinende Modell, hat

offensichtliche Schwächen. Der Balanceakt zwischen dem Recht auf Differenz, der Verpflich-

tung zur Anpassung oder aber zur Toleranz, erscheint wie eine unlösbare philosophische Frage

(vgl. Geißler und Pöttker 2006, S19). Die Erläuterung der Europäischen Kommission hierzu

lautet: „It signifies how Europeans have come together, in the form of the EU, to work for peace

and prosperity, while at the same time being enriched by the continent‘s many different cultures,

traditions and languages.” (europa.eu 2015)

Genauer kann im Rahmen dieser Arbeit auf diese philosophische Frage nach der „mul-

ticultural line” - wie sie Flears und Elliot bezeichneten (vgl. Geißler und Pöttker 2006, S19) - nicht

eingegangen werden. Gesagt sei jedoch, dass sich in dieser Arbeit Integration, stets auf den Begriff der

interkulturellen Integration bezieht, es sein denn es ist ausdrücklich ein anderes Modell thematisiert.

Page 16: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 12

Serious Games als Integrationstool.

1.3 Mediale Integration

Eine oft genutzte Methode zur Messung des Integrationsniveaus ist die Prüfung der sprachlichen

Kenntnisse. Eine weitere Methode bezieht sich jedoch auf die Mediennutzung von Migrantinnen

und Migranten (vgl. Akin 2008, S75). Die Mediennutzung, aber auch die Inhalte der Medien

selbst, spiegelt eine gesellschaftliche Konstellation wieder. Gleichzeitig produzieren Medien

einen Teil unserer Realität und Wahrnehmung. Auf diese Weise wirken sie auf die Gesellschaft

ein. Sie reflektieren und verändern Gesellschaften. Medien als Integrationsfaktor zu beleuch-

ten, bietet sich daher an. Dieses Kapitel schildert auf welche Arten Medien integrierend wirken

können.

Die wissenschaftlichen Begriffe der Integration, lassen sich im medialen Bereich

fortführen. Der von Rainer Geißler und Horst Pöttker geprägte Begriff der medialen Integration

bezeichnet „die Integration der ethnischen Minderheiten in die medial hergestellte Öffentlich-

keit und in das Mediensystem.” (Geißler und Pöttker 2006, S21).

1.3.1 Mediale Segregation

Mediale Segregation bezeichnet eine Situation, in der ethnische Minderheiten eigene Ethno-

medien konsumieren. Zusätzlich existiert im Fall der Segregation eine Barriere zwischen der

Minderheits- und der Mehrheitsgesellschaft, die dazu führt, dass die aus den Ethnomedien

resultierende Teilöffentlichkeit ebenso, von den Medien der Aufnahmegesellschaft abgeschottet

bleibt (vgl. Geißler und Pöttker 2006, S21). In diesen Fällen werden die Ethnomedien meist in

den Herkunftsländern produziert. Sie informieren im Regelfall nicht über die Ereignisse im

Aufnahmestaat und tragen - wenn überhaupt - nur wenig zur Bewältigung von Integrationspro-

blematiken bei (vgl. Geißler und Pöttker 2006, S21).

1.3.2 Assimilative mediale Integration

Im Gegensatz zur medialen Segregation steht die assimilative mediale Integration. Hierbei sind

die ethnischen Minderheiten in den Mehrheitsmedien institutionell integriert. Zum Beispiel

als Journalistinnen und Journalisten, Redakteurinnen und Redakteure oder Managerinnen und

Manager. Bei der assimilativen Integration gleicht sich die Minderheitsgesellschaft gänzlich der

Page 17: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 13

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Mehrheitsgesellschaft an und hat in Folge keine „besonderen” Interessen oder Themenstellun-

gen, die mediale Berücksichtigung finden müssten. So existiert bei diesem Modell keine ethni-

sche Teilöffentlichkeit. (vgl. Rettenegger 2008, S46 und Akin 2008, S49 und Geißler und Pöttker

2006, S22)

Beide Modelle sind rein theoretische Modelle und in der Praxis weder in einer Reinform

vertreten noch umsetzbar. Bei der medialen Segregation findet keine Integration statt. Bei der

medialen assimilativen Integration bleiben die Bedürfnisse vieler Migrantinnen und Migranten

unberücksichtigt (vgl. Geißler und Pöttker 2006, S22). So erscheint die interkulturelle mediale

Integration am attraktivsten.

1.3.3 Interkulturelle mediale Integration

Bei dem Modell der interkulturellen medialen Integration „sind Mehrheit und Minderheit

miteinander verzahnt, es existiert interkulturelle Kommunikation.” (Geißler und Pöttker 2006,

S22). Das bezieht sich sowohl auf die Produktion und die Inhalte, als auch auf die Nutzung und

Konsumation dieser.

Im Bereich der Medienproduktion erscheint das interkulturelle Modell dem assimi-

lativen Modell teils ähnlich. Erneut sind Vertreter der Minderheiten institutionell - im besten

Fall proportional ihrem Anteil in der Bevölkerung - in den Medienproduktionen vertreten. Der

Unterschied zur assimilativen medialen Integration liegt darin, dass bei der interkulturellen

medialen Integration die Vertreter der Minderheitengruppen soziokulturell nicht assimiliert

sind und somit spezifische Themen und Interessen ihrer ethnischen Gruppe vertreten können

(vgl. Geißler und Pöttker 2006, S22f). Zusätzlich zu diesen ethnopluralen Medien der Mehrheits-

gesellschaft existieren im interkulturellen Modell auch explizite Ethnomedien. Deren Inhalte

werden - zumindest teils - von Vertretern der Minderheitsgesellschaft produziert. Diese Migran-

tinnen und Migranten sollten sich durch fundiertes Wissen über die Mehrheitsgesellschaft aus-

zeichnen um auch Inhalte über das Aufnahmeland, die Aufnahmegesellschaft, deren Ereignisse

und Kultur erstellen zu können (vgl. Geißler und Pöttker 2006, S22f, S27). In diesem Zusam-

menhang stellt sich die allgemeine Frage, inwieweit Ethnomedien auf einen Integrationsprozess

bremsend, wenn nicht sogar verhindernd wirken können. Zu betonen ist jedoch, dass durch die

Existenz von Ethnomedien das Bedürfnis von Einwanderern nach Kontakt zu ihrer Herkunfts-

kultur und -sprache gestillt werden kann. Die Mehrheitsmedien können dieses spezielle Bedürf-

Page 18: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 14

Serious Games als Integrationstool.

nis im Regelfall, aufgrund der Anzahl der kulturell und-oder sprachlich differenten Einwan-

derungsgruppen, nicht befriedigen. Ethnomedien sind in diesem Zusammenhang mit anderen

zielgruppenspezifischen Medien, wie etwa Frauenmagazine oder Hobbyblogs zu vergleichen (vgl.

Geißler und Pöttker 2006, S24). Sie können gegen die Angst vor Identitätsverlust der Minder-

heitsgesellschaft helfen und dem Diaspora-Effekt entgegenwirken, so lange nicht ausschließlich

Ethnomedien genutzt werden.

Auch die Struktur der Inhalte von interkulturellen integrativen Medien haben Rainer

Geißler und Horst Pöttker beschrieben. „Um das Bewusstsein vom Aufeinanderangewiesen sein

von Mehrheit und Minderheit zu schärfen, verdeutlichen sie [die interkulturellen Medien] die

Notwendigkeit der Einwanderung, den demographischen und ökonomischen Sinn und Nutzen

der Migranten, aber auch die internationale Verpflichtung [...] Flüchtlinge aus humanitären

Gründen aufzunehmen.” (Geißler und Pöttker 2006, S23) Des Weiteren sollen in interkulturel-

len integrativen Medien auch Elemente der Akkulturation und Toleranz zum Ausdruck kom-

men. Es soll relevantes Wissen übereinander und Verständnis füreinander transportiert werden.

Ausgeschlossen sind Inhalte, die eine segregative Botschaft unterstützen, die etwa die Herkunfs-

kultur als überlegen erscheinen lassen, oder verallgemeinernde diskriminierende Äußerungen

zu „den Ausländern” tätigen (vgl. Geißler und Pöttker 2006, S23ff). Zusammenfassend, lässt sich

sagen, dass interkulturelle Medien die bereits erläuterte „multicultural line” kommunizieren

und mittragen.

Ein wichtiger Punkt des interkulturellen integrativen Medienmodells wird klar, wenn

die Nutzung dieser Medien beleuchtet wird. Da die Mehrheitsgesellschaft nicht Nutzer der Eth-

nomedien ist, wird bei diesem Modell die Präsentation der Minderheiten in den Mehrheitsme-

dien besonders wichtig. Nur auf diesem Weg kann die Wahrnehmung der Mehrheitsgesellschaft

von der Minderheitsgesellschaft medial beeinflusst werden (vgl. Geißler und Pöttker 2006, S25).

Als Verfasserin dieser Arbeit füge ich Geißler und Pöttker hinzu, dass dies auch für die Nutzung

durch die Minderheitsgesellschaft von Bedeutung ist. Mitglieder der Minderheitsgesellschaft

finden sich - durch ihre angemessene Repräsentation - in den Mehrheitsmedien wieder und

nutzen diese in Folge zunehmend.

Page 19: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 15

Masterarbeit von Katharina Wünschek

1.4 Historische Grundlage

Im deutschsprachigen Raum ist die Migration von Menschen seit dem Anfang der 1960er Jahre,

mit Beginn der Arbeitermigration, ein durchgängig aktuelles Thema. Da das Lohnniveau in

Deutschland ein Besseres war als jenes in Österreich, migrierten viele besser ausgebildete Ar-

beitskräfte nach Deutschland (vgl. Weiß 2009, S9f). Der Großteil der nach Österreich immigrie-

renden Migranten und Migrantinnen kamen aus den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens und

der Türkei (vgl. Rettenegger 2008, S21 und Weiß 2009, S9).

Viele Familien der Arbeitsmigranten und -migrantinnen folgten und der ursprüngliche

Plan, die Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen nach getaner Arbeit zurück in ihre Heimat zu

entlassen, scheiterte (vgl. Rettenegger 2008, S20ff). 1973 erreichte Österreich seinen bisherigen

Höhepunkt mit 225.000 Gastarbeitern und Gastarbeiterinnen. Im selben Jahr wurde in Deutsch-

land durch den damaligen Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Walter Arendt ein

Anwerbestopp verhängt (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2015 und Akin 2008, S42).

Durch das später folgende Familienzusammenführungsgesetz wurde dieser jedoch entschärft.

In den folgenden Jahren sank die Anzahl der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter aufgrund der

wirtschaftlichen Stagnation bis 1985 um 40% (vgl. Weiß 2009, S9f). Ein langwieriger Verlauf

mit ablaufenden Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen, Fremden- und Aufenthaltsgesetzen

so wie Rückkehrförderungen für heimkehrende Arbeitsmigranten skizzierten die 80er und 90er

Jahre (vgl. Rettenegger 2008, S21ff und Akin 2008, S42f).

Diese kurze historische Herleitung hat Bedeutung für diese Arbeit, weil aus den daraus

resultierenden Analysen und Beobachtungen der Einwanderungswelle der 1960er Jahre die

Kategorisierung in drei Generationen des Migrationshintergrundes entstand. Zur Veranschau-

lichung hierfür, dient Tabelle 1, welche in erster Linie das Verhalten von türkischen Migranten

und Migrantinnen wiedergibt:

1. Generation 2. Generation 3. Generation

Alter über 40 Jahre 20 - 40 Jahre unter 20 JahreBildung niedrig hoch hochEinstellung niedrig mittel hochBildung konservativ,

traditionell

liberal, zielgerichtet

oder konservativ

individualistisch (50%),

konservativ (50%)Familienbindung hoch hoch mittel

Page 20: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 16

Serious Games als Integrationstool.

1. Generation 2. Generation 3. GenerationTürkenbindung hoch mittel geringKonsumverhalten sparsam,

familienbezogen

stark kritisch,

familienbezogen

hoch

Kommunikationsver-

halten

konservativ Tendenz zur Mo-

bilität

offen für Trends

Einstellung zur Wer-

bung

positiv, kritisch positiv, kritisch positiv, kritisch

Tabelle 1: Vergleich der drei Generationen von Lab One 2001 (vgl. Kraus- Weysser, Uğurdemir-Brincks 2002, S46).

Ein weiterer Weg Migranten und Migrantinnen zu unterteilen ist, die Art des Migrati-

onshintergrundes zu unterscheiden. Hierbei wird zwischen primärem, sekundärem und tertiä-

rem Migrationshintergrund unterscheiden:

• „Primärer Migrationshintergrund: Im Ausland Geborene ohne österreichische Staats-

bürgerschaft.

• Sekundärer Migrationshintergrund: In Österreich Geborene ohne österreichische

Staatsbürgerschaft.

• Tertiärer Migrationshintergrund: Im Ausland Geborene mit österreichischer Staatsbür-

gerschaft.” (Statistik Austria nach Weiß 2009, S11)

Diese Definition der Statistik Austria, lässt sich unmittelbar auf die Migranten und Mi-

grantinnen anderer Staaten mit den jeweilig andern Staatsbürgerschaften anwenden. Österreich

und Deutschland lassen sich als Einwanderungsländer aus ökonomischen und demografischen

Gründen bezeichnen. Unabhängig vom Grund der Einwanderungswellen besteht die Heraus-

forderung der Zukunft, in der gelungenen Integration der Migrantinnen und Migranten (vgl.

Rettenegger 2008, S22).

Page 21: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 17

Masterarbeit von Katharina Wünschek

2. Die Begriffe des Spiels

Eine, besonders in wissenschaftlichen Bereichen geläufige Definition für das Spiel stammt von

Johan Huizinga, der in seinem Werk Homo Ludens bereits einleitend deklariert: „Jedes Spiel

bedeutet etwas. Nennen wir das aktive Prinzip, das dem Spiel sein Wesen verleiht, Geist, dann

sagen wir zu viel, nennen wir es Instinkt, dann sagen wir nichts.” (Huizinga 2013, S9). Weiters

kritisiert Huizinga die unterschiedlichen Versuche einer Definition für Spiel. Sie mögen zwar

alle stimmen, jedoch könnte man sich auch zu allen bekennen, ohne eine davon auszuschließen.

Die Versuche, Spiel als Ausdruck von überschüssiger Energie, als Verlangen nach Entspannung

oder auch als Trainingssituation für junge Individuen, welche durch das Spiel Fähigkeiten für

das spätere „ernste” Leben erlangen sollen, zu definieren waren ihm zu unkonkret (vgl. Huizin-

ga 2013, S9ff.). Das „Spiel” ist laut Johan Huizinga eine unbedingt primäre Lebenskategorie, die

nach Möglichkeit in ihrer Ganzheit beleuchtet werden soll (vgl. Huizinga 2013, S11). Das Spiel

reicht weit über die „rein biologischen Prozesse des Sichnäherns, Sichpaarens und Sichschüt-

zens” (Huizinga 2013, S17) hinaus. Es ist „ein Kampf um etwas oder eine Darstellung von etwas”

(Huizinga 2013, S22).

Huizingas Definition, die für diese Arbeit fundamental ist, lautet: „Spiel ist eine frei-

willige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und

Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr

Ziel in sich selber hat, und von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewußtsein

des «Andersseins» als das «gewöhnliche Leben» begleitet wird.” (Huizinga 2013, S37). In dieser

Arbeit soll allerdings ein Grenzfall beleuchtet werden, bei welchem „Spiel” sich von Huizingas

Definition zum Teil abhebt. Im Bereich der reinen Unterhaltungsspiele mag das Spiel bloß des

Spiels wegen gespielt werden, und somit keinen weiteren Nutzen haben. Bei Serious Games,

zu deren Abgrenzung es später kommt, ist dieser Teil der Definition in Frage zu stellen. Eine

weitere, knappe Definition von Spiel stammt von Bernard Suits: „Playing a game is the voluntary

attempt to overcome unnecessary obstacles.” (Suits 2005, S159) Der „freiwillige Versuch unnö-

tige Hindernisse zu überwinden”, erscheint im Vergleich zu Huizingas präzisen Definition des

Wesens des Spieles möglicherweise als etwas zu schlicht. Dennoch stellt auch diese Perspektive

das Spiel als eine nicht notwendige Mehrleistung dar, als eine Aktivität, die außerhalb des „nor-

malen Alltags” geleistet wird. Womit einer der grundlegenden Aspekte des Begriffs beleuchtet

wird. Jane McGonigal stimmt hierin mit Suits aber auch mit Brian Sutton-Smith überein und

beleuchtet weiters: „After all, we play [Hervorhebung im Original] games, and we‘ve been taught

Page 22: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 18

Serious Games als Integrationstool.

to think of play as the very opposite of work. But nothing could be further from the truth. In fact,

as Brian Sutton-Smith, a leading psychologist of play, once said, »The opposite of play isn‘t work.

It‘s depression.«” (McGonigal 2012, S28 ). Davon ausgehend lässt sich Depression als Zustand, in

dem eine pessimistische Grundstimmung und ein Fehlen von Aktivität vorherrscht, definieren

(vgl. McGonigal 2012, S28 ).

Das Phänomen Spiel ist älter als die menschliche Sprache und Kultur. Die Wurzeln

des Spielens liegen in der Personifikation und der Vorstellungskraft. Des Weiteren betrachtet

Huizinga Spielen als kulturellen Faktor im Leben (vgl. Huizinga 2013, S10ff.). Huizinga führt

auch an, dass Spielen sich über die menschliche Spezies hinweg beobachten lässt und somit den

Ursprung in keinerlei Rationalität haben kann (vgl. Huizinga 2013, S10ff.). In jedem Fall spricht

er dem Spielen große Bedeutung zu: „Das Spiel läßt sich nicht verneinen. Nahezu alles Abstrakte

kann man leugnen: Recht, Schönheit, Wahrheit, Güte, Geist, Gott! Den Ernst kann man leug-

nen, das Spiel nicht.” (Huizinga 2013, S11).

Zu den grundlegenden Elementen des Spielens und Zusammenspielens zählt Huizin-

ga „[...] das Kämpfen, Aufführen und Zurschaustellen, das Herausfordern, das Prunken, das

Tun «als ob» und die beschränkende Regel [...]” (Huizinga 2013, S57f). Abt geht in diesem

Punkt noch weiter und stellt sich die Frage was nicht zum Spiel gezählt werden kann. Er erklärt

sämtliche Wahlen, internationale Beziehungen und persönliche Diskussionen, so wie fast alle

geschäftlichen Aktivitäten zu einer Art Spiel (vgl. Abt 1987, S9). Diese Herangehensweise bringt

ihn zu dem Schluss: „While all games simulate something from the real world, not all simula-

tions are games.” (Abt 1987, S9) Ein weiteres oftmals wichtiges Element im Spiel ist die Existenz

eines Antagonismus, womit nicht unbedingt eine streitende oder kämpfende Situation gemeint

ist. Ein Tanz zweier Individuen, der Klang eines Chors, wären harmonische Beispiele für ein

„Miteinander Spielen” (vgl. Huizinga 2013, S58). Eben diese Spannung zwischen dem Reiz des

Unterschiedes und jenem der Einigkeit, sind im besonderen für die Fragestellung dieser Arbeit,

wichtige Eigenschaften des gemeinsamen Spielens. Im gleichen Moment kann es durch diese

im Spiel gegebene Situation des Wettkampfes zu einer Verschlechterung einer Konfliktsituation

kommen. Gerade beim Thema Integration, sollten die Mechanismen des gemeinsamen Spielens

nicht falsch oder unbedacht eingesetzt werden (vgl. Huizinga 2013, S58).

In einem späteren Kapitel von Homo Ludens bringt Johan Huizinga seine kürzeste Be-

schreibung für den Begriff des Spieles: „Es «geht um etwas»” (Huizinga 2013, S60). Der Gewinn

eines Spiels erreicht größere Bedeutung, wenn es sich um ein Spiel mit einem menschlichen

Page 23: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 19

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Spielgegner handelt. „Gewinnen” bedeutet im Allgemeinen nicht nur ein Spielziel zu erreichen,

sondern sich als Überlegener zu erweisen – dazu benötigt es einen Spielgegner. Es geht im Spiel

also primär um Ehre und Anerkennung (vgl. Huizinga 2013, S61). Jane McGonigal erläutert

diesbezüglich den unter Gamedesignern verwendeten italienischen Begriff „fiero”. Er bezeich-

net Stolz, Ehre und zu gleich das damit verbundene Hochgefühl. Das Wort wird innerhalb der

Game-Branche herangezogen, weil die englische Sprache kein ausreichend passendes zur Ver-

fügung hat. In der Neurowissenschaft gilt es als eines der größten Hochgefühle, die wir erleben

können (vgl. McGonigal 2012, S33). Jane McGonigal beschreibt es kurz: ”You know it when you

feel it - and when you see it. That‘s because we almost all express fiero in exactly the same way:

we throw our arms over our head an yell.” (McGonigal 2012, S33). Diese Beschreibung ist auch

richtungweisend für die Bedeutsamkeit dieser Emotion. Forschungsergebnisse des Center for

Interdisciplinary Brain Sciences Research at Stanford lassen darauf schließen, dass fiero die Mo-

tivation des Höhlenmenschen war, durch welche er die Höhle verließ und die Welt zu erobern

begann. Da sie weltweit mehr oder minder von dem gleichen Ausdruck begleitet wird, lässt sich

sagen, dass es sich um eine unserer ältesten Emotionen handelt - um alte Wurzeln, die wir alle

miteinander teilen (vgl. McGonigal 2012, S33).

Über die zu gewinnende Ehre hinaus ist meist bereits zu Beginn des Spiels noch ein wei-

terer Wert - eine Art Einsatz, Gewinn oder Preis - mit dem Spiel verbunden (vgl. Huizinga 2013,

S62). Es ist zwar kaum möglich diese Begriffe von einander zu unterscheiden, sie verdeutlichen

jedoch, dass „um” etwas gespielt und gewettstreitet wird. Des Weiteren kann auch „in”, „an” und

„mit” gespielt und gekämpft werden (vgl. Huizinga 2013, S63f).

2.1 Formale Kennzeichen und Bestandteile des Spiels

Das erste formale Kennzeichen des Spiels ist laut Johan Huizinga die Freiheit. Ein „Befohlenes

Spiel ist kein Spiel mehr.” (Huizinga 2013, S16). Ein Spiel kann zu jeder Zeit unterbrochen oder

beendet werden, es besteht weder eine physische, psychische noch eine gesellschaftliche Not-

wendigkeit zu spielen.

Als zweites Kennzeichen formuliert Johan Huizinga, dass es sich beim Spiel nicht um

das „eigentliche” oder „gewöhnliche” Leben handelt. Dennoch kann ein Spieler gänzlich in den

Bann eines Spiels gezogen werden. Das Spannungsfeld befindet sich also permanent zwischen

Ernst und Spiel (vgl. Huizinga 2013, S16f.). Aufgrund des Ausnahmezustandes, den ein Spiel zu

Page 24: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 20

Serious Games als Integrationstool.

kreieren versteht, unterbricht es die Prozesse des „gewöhnlichen” Lebens. Die alltägliche „Be-

friedigung von Notwendigkeiten und Begierden” (Huizinga 2013, S17) erfährt ein Intermezzo. Ob

nun als Abwechslung, Begleitung oder Ergänzung - das Spiel schmückt das Leben und ist somit

ebenso Teil dessen.

Ein Weiteres und somit drittes Kennzeichen ergibt sich aus der Abgeschlossenheit und

Begrenztheit des Spiels in Raum und Zeit. Damit sind nicht nur klar erkennbare Anfangs- und

Endpunkte, sondern auch ein bestimmter Verlauf gemeint. Das vierte Hauptkennzeichen bezieht

sich auf die Wiederholbarkeit dieses Spielverlaufs (vgl. Huizinga 2013, S18). Innerhalb dieser Struktur

von Raum, Zeit und Ablauf herrscht eine unbedingte Ordnung, auf die ich im Zusammenhang mit

Spielregeln nochmals eingehen werde. Sowohl Räumlichkeit als auch Zeitpunkt und Dauer eines

Spiels haben sich jedoch stark verändert. Virtuelle Spiele haben keine feste Lokalität, die ein Brettspiel

mit sich bringt. Viele digitale Spiele dauern über Stunden, Wochen, Monate und Jahre an. Auch die

Grenzen zwischen realer Welt und Spielwelt verschwimmen, wie in den folgenden Kapiteln erarbei-

tet wird, zunehmend. Zwei weitere Hauptkennzeichen sind die Fähigkeit des Spiels zu bezaubern, zu

fesseln, in den Bann zu ziehen und dabei ein Spannungselement der Ungewissheit, der Chancen zu

beinhalten und zu nutzen (vgl. Huizinga 2013, S19). Innerhalb dieser Spannung werden, laut Huizin-

ga die Fähigkeiten des Spielers überprüft. Die Herausforderung kann sich in verschiedenen Bereichen

abspielen: „[...] seine Körperkraft, seine Ausdauer, seine Findigkeit, sein Mut, sein Durchhaltever-

mögen und zugleich auch seine geistigen Kräfte, [...]” (Huizinga 2013, S19f) sind nur so lange gefor-

dert wie der Spieler bemüht ist, sich innerhalb „der Schranken des Erlaubten” zu bewegen.

Eine andere Art die Merkmale von Spielen zu definieren stellt Jane McGonigal in ihrem

Buch Reality is Broken vor: „When you strip away the genre differences and the technological

complexities, all games share four defining traits: a goal, rules, a feedback system, and volunta-

ry participation.” (McGonigal 2012, S21) Genauer definiert sie die Spielziele als ausschlaggeben-

den Grund für das Anhalten der Konzentration und der Spielbeteiligung als das, worum sich der

Spieler bemüht (vgl. McGonigal 2012, S21). Die Regeln stellen jene Einschränkungen dar, auf

welche Art und Weise das Ziel erreicht werden soll beziehungsweise erreicht werden darf. Das

„Feedbacksystem” kommuniziert dem Spieler durch Levels, Punktsysteme oder Fortschrittsigna-

le, wie weit er noch von seinem Spielziel entfernt ist. Zum einen wird auf diese Art verdeutlicht,

dass das Spielziel erreichbar ist und motiviert den Spieler sich weiter zu bemühen (vgl. McGo-

nigal 2012, S21) und zum anderen kann das Feedbacksystem auch die Funktion übernehmen,

das Regelwerk zu kommunizieren (vgl. Bormann und Kerres und Vervenne 2009,, S4). Diese

Page 25: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 21

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Funktion wird im Kapitel Didaktische Elemente in Serious Games genauer beleuchtet. Als viertes

Element des Spieles nennt Jane McGonigal die freiwillige Teilnahme am Spiel. Hierzu zählt sie,

dass alle Spieler eines Spieles das Ziel, die Regeln und das Feedbacksystem kennen und freiwillig

akzeptieren (vgl. McGonigal 2012, S21).

Damit legt sie das Augenmerk zum Großteil auf die Bestandteile eines jeden Spiels:

das Ziel, die Regeln und das Rückmeldungssystem. Die „freiwillige Teilnahme” am Spiel ist

das einzige Kriterium, das sich hierbei auf die Situation des Spielers bezieht. Johan Huizingas

Hauptkennzeichen des Spieles beziehen sich wiederum ausschließlich auf die Umstände, unter

denen gespielt wird. Für den Aufbau dieser Arbeit erscheinen daher beide Betrachtungsweisen

als richtungsweisend.

2.1.1 Die Spielwelt

Aus den formalen Kennzeichen des Spiels ergibt sich bereits eine Skizze des Begriffs Spielwelt. Es

handelt sich um einen Ausnahmezustand in den die Spielergesellschaft sich gemeinsam begibt.

Die Abgegrenztheit von Raum und Zeit verstärken den Eindruck, als existiere die Spielwelt

parallel zur „herkömmlichen, realen” Welt. Das Spiel setzt die alltäglichen Bedürfnisse und die

damit verbundenen Prozesse, wie bereits im Kapitel zuvor erläutert, für den Zeitraum des Spie-

les außer Kraft.

Für die Spieler haben die Belange und Ereignisse des alltäglichen Lebens während der

Spielzeit keine Geltung. Johan Huizinga erklärt, dass bereits kleine Kinder das Spiel mit einem

heimlichen Charakter versehen, um den Reiz des Spieles zu erhöhen, (vgl. Huizinga 2013, S22f.).

Dies ist um zwei weitere Motive zu erweitern. Die Spieler verheimlichen das Spiel auch, um es

vor den Einflüssen der „gewöhnlichen Welt” zu schützen. Die Spieler haben sich zum Teil in die

Spielwelt begeben, um der Alltagswelt für eine Zeit zu entkommen. Verpflichtungen oder Kon-

flikte können den Spieler in seinen Gedanken bis in die Spielwelt begleiten. Je tiefer der Spieler

in die Spielwelt abtaucht umso eher gelingt es ihm die Probleme der Alltagswelt auszublenden.

Weiht er jedoch Personen außerhalb der Spielergesellschaft in das Spielgeheimnis ein, so bezieht

er sie in die Spielwelt mit ein. Sie können mit ihm über das Spiel sprechen. Im besten Fall für

den Spieler, heißen sie es gut, zeigen Interesse und steigen möglicher Weise in die Spielwelt mit

ein. Im schlechteren Fall, heißen sie sein Spielen jedoch nicht gut, sie könnten es direkt anspre-

chen und kritisieren oder aber durch kleine abfällige Bemerkungen verdammen. Auf diese Art

Page 26: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 22

Serious Games als Integrationstool.

könnten sie sein schlechtes Gewissen - nichts Produktives zu tun - derartig steigern, dass es den

Spieler nachhaltig in die Spielwelt verfolgt. Sie würde für ihn keine erholsame Zuflucht mehr

sein. Ist das Spiel sinnvoll und genießt gesellschaftliche Anerkennung, muss es weder beschützt

noch verheimlicht werden.

Des Weiteren stärken die Spieler das gemeinsame Spielgefühl, indem sie das Spiel vor

allen außerhalb der Spielgesellschaft verheimlichen. So wie auch bei Kulturkreisen und ande-

ren Fragen der Identität, entsteht eine Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls durch die

Abgrenzung zu anderen Gruppen. Im Fall der Spielwelt stärkt sich die Spielergesellschaft durch

Abgrenzung gegenüber den Nichtspielern. Auch hierzu verheimlichen sie das Spiel.

Beide Motive dienen der Spielwelt, reichen jedoch in ihren Auswirkungen in die All-

tagswelt hinein. Ähnliches lässt sich auch bei den Beziehungen zwischen Spielern beobachten,

besonders im Zusammenhang mit Spielregelüberschreitungen oder gar Spielzerstörung.

2.1.2 Die Spielregeln

Es erscheint klar zu sein, dass die Spielregeln den Rahmen des Spiels bilden. Sie gelten nicht nur

innerhalb der Spielwelt, die durch den Austritt des Spielers aus der alltäglichen Welt für ihn

entsteht, sondern sie sind konstitutiver Bestandteil der Spielwelt. „Die Regeln eines Spiels sind

unbedingt bindend und dulden keinen Zweifel. [...] Sobald die Regeln übertreten werden, stürzt

die Spielwelt zusammen. Dann ist es aus mit dem Spiel. Der Pfiff des Schiedsrichters hebt den

Bann auf und setzt die «gewöhnliche Welt» für einen Augenblick wieder in Gang.” (Huizinga

2013, S20). Diese Notwendigkeit, die Spielregeln zu akzeptieren wird im unterschiedlichen Um-

gang einer Spielgesellschaft mit Falschspielern und Spielverderbern deutlich. Der Spielverderber

zerstört durch sein Missachten der Spielregeln das Spiel, er ist verantwortlich für das abrupte

Ende des Spiels und das Wieder eintreten der „gewöhnlichen Welt”, aus welcher sich die Spieler

bewusst oder unbewusst gelöst haben. Der Falschspieler hingegen umgeht oder bricht die Spiel-

regeln auf eine Art, die das Spiel nicht gänzlich gefährdet. Letzterer hat von Seiten der Spieler-

gesellschaft weit weniger zu befürchten, er wird im Rahmen des Spiels abgemahnt oder bestraft,

es kommt jedoch nicht zum Austritt aus der Spielwelt. Die durch den Spielverderber herbeigeru-

fene Spielunterbrechung wird von der Spielergesellschaft weit aggressiver geahndet. Er wird als

Feigling geächtet, als Heuchler oder Betrüger gemieden und aus der Spielergesellschaft versto-

ßen. (vgl. Huizinga 2013, S20f.)

Page 27: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 23

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Auch wenn das Vergehen des Spielverderbers in der Spielwelt, oder besser in der Zerstö-

rung dieser liegt, so reichen die Konsequenzen bis in die „gewöhnliche Welt” hinein.

2.1.3 Glaube, Festlichkeit, Religion und Mystik als Spiel

Bereits in Sprichwörtern wie „aus Spiel wurde Ernst” zeigt sich die nahe Verbindung zwischen

Spiel und Ernst, auf welche später im Rahmen dieser Arbeit noch näher eingegangen wird. Für

dieses Kapitel ist es wichtig in Erinnerung zu rufen, dass das Bewusstsein „bloß zu spielen” im

Rahmen eines Spieles gänzlich ausgeblendet werden kann (vgl. Huizinga 2013, S30). Wie bereits

anhand der Hauptkennzeichen des Spiels herausgearbeitet, entsteht im Spiel und durch das Spiel

eine Festlichkeit, eine Ausnahme zum Alltag. Sowohl die räumliche als auch die zeitliche Ab-

grenzung tragen dazu bei, dass diese Abgegrenztheit zur „regulären Welt” deutlich wird (vgl. Hu-

izinga 2013, S 16ff. 31). Besonders die Festlichkeit lässt sich bei Religion und Mystik wiederfinden.

Bei genauerer Betrachtung treffen jedoch alle von Johan Huizinga definierten Hauptkennzeichen

des Spieles auf Religion, Mystik und Glaube zu. Die Abgrenzung des Raumes ist für jede geweih-

te Handlung ebenso notwendig, wie für ein Spiel (vgl. Huizinga 2013, S28ff. 36f.). Johan Huizin-

ga stellt in Homo Ludens fest, dass die „Rennbahn, der Tennisplatz, das aufs Pflaster gezeichnete

Feld für das Kinderspiel von Himmel und Hölle und das Schachbrett [...] sich formell nicht vom

Tempel oder vom Zauberzirkel” (Huizinga 2013, S29) unterscheiden. Damit verdeutlicht er, dass

Bräuche aus den Bereichen der Religion, des Glaubens und des Kults ganz gleich wie jene aus

dem Bereich des Spiels, sich erstaunlich ähneln. Dies ist auf einen „fundamentalen Zug des

menschlichen Geistes” zurückzuführen. Der Mensch hat das Bedürfnis nach derartig abgegrenz-

ten Räumen und ist gewillt diese heiligen Bereiche gegen schädliche oder störende Einflüsse von

Außen, aus der „gewöhnlichen Welt” zu verteidigen. (vgl. Huizinga 2013, S29)

„In der platonischen Identifizierung von Spiel und Heiligkeit wird nicht das Heilige da-

durch herabgezogen, daß es Spiel genannt wird, sondern das Spiel wird dadurch emporgehoben,

daß man diesen Begriff bis in die höchsten Regionen des Geistes hinein gelten läßt.” (Huizinga

2013, S28) Es sei betont, dass bei- all diesen Betrachtungen die Heiligkeit von Religion, Glaube

und Mystik in keinster Weise diskreditiert wird, sie bleibt bei der Einordnung in das Prinzip

des Spieles in vollem Ausmaß erhalten. „In unserem Begriff Spiel löst sich die Unterscheidung

von Glauben und Vorstellung auf.” (Huizinga 2013, S35) Man könnte zur Verdeutlichung auch

herausstreichen, dass die Bedeutung von Glauben und Nichtglauben, der Zusammenhang von „hei-

ligem Ernst” und „Spaß” am besten im Spiel selbst erfahren werden kann (vgl. Huizinga 2013, S34f).

Page 28: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 24

Serious Games als Integrationstool.

2.1.4 Das Massenmedium Spiel

Spiele haben sicherlich seit jeher Massen begeistert und erreicht. Dennoch haben die digitalen

Spiele die Bedeutung von „Massen” in diesem Zusammenhang geändert. In Summe spielen Men-

schen weltweit mehr als 3 Billionen Stunden in der Woche (vgl. McGonigal 2012, S6). Die hoch

respektierte Marktforschung einer US-amerikanischen Entertainmentfirma ergab, dass 97% der

jugendlichen US-Amerikaner und US-Amerikanerinnen Computer- und Videospiele spielen.

Der Spielerinnenanteil liegt in den USA bei 40%. Einer aus vier Spielern ist bereits über 50 Jahre

alt, das Durchschnittsalter der Spieler liegt bei 35 Jahren und durchschnittlich sind sie bereits

seit 12 Jahren Spieler eines digitalen Spieles (vgl. Theesa-Studie nach McGonigal 2012, S11). Um

sozialen Wandel zu bewirken, muss dieser auf der Ebene einer ganzen Gesellschaft passieren

(vgl. Klimmt 2009, S248). Einer der großen Unterschiede zwischen Spielen und herkömmlichen

Massenmedien wird deutlich, wenn sie für Kommunikationsstrategien für den sozialen Wandel

eingesetzt werden. „Most persuasive effects of media based communication for social change are

assumed to be undermined by a preexisting antipersuasion stance.” (Klimmt 2009, S263) Den

klassischen Massenmedien wird mit einer höheren Wahrscheinlichkeit misstraut, wenn sie so-

zialen Wandel transportieren. Diese skeptische Einstellung verhindert, dass die Zielgruppe sich

für die Argumente, die den Wandel bewirken sollen, öffnet. Dadurch, dass Serious Games und

damit auch Games for Change den Anschein erwecken „lediglich” Unterhaltung zu sein, verhin-

dern sie diese Voreingenommenheit der Zielgruppe und können effektiver kommunizieren (vgl.

Klimmt 2009, S263). Digitale Spiele sind Massenmedien, die nicht nur eine große Reichweite

besitzen, sie zeichnen sich auch durch weitere Merkmale aus.

Die verhältnismäßig noch junge Branche der digitalen Spiele hat bereits einige große

Entwicklungsschritte hinter sich. Die heutigen modernen lebensnahen Ego-Shooter-Spiele

basieren zwar noch auf dem gleichen grundlegenden Prinzip wie Pac Man, jedoch ist an die-

sem Beispiel der Wandel von stark abstrakten, symbolischen Spielwelten hin zu zunehmend

detailreichen lebensnahen Darstellungen in den heutigen digitalen Spielen verdeutlicht (vgl.

Klimmt 2009, S250). Als ein weiteres Beispiel der Entwicklung der digitalen Spielwelt lassen

sich moderne bewegungs-orientierte Eingabemodule, wie Nintendo’s Wii - Controller nennen.

Spracherkennung ermöglicht die zunehmend „natürliche” Kommunikation zwischen einem

Spieler und digitalen Charakteren einer Spielwelt (vgl. Klimmt 2009, S250). Die Situationen in

denen gespielt wird, haben sich durch mobile Endgeräte - Tablets und Smartphones - und die

technischen Entwicklungen in Bereich der Internetverbindungen multipliziert. Immer mehr

Page 29: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 25

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Spiele sind als Multiplayer- oder sogar Massively-Multiplayer-Game nutzbar (vgl. Klimmt 2009,

S252). Die Bandbreite reicht von hoch komplexen Simulations- und Rollenspielen, die hohe

Rechenkapazitäten benötigen oder ausschließlich durch das Internet gebrowst werden, bis hin

zu schnellen Casual Games, die auf mobilen Geräten am Weg zur Arbeit, in der Cafépause und

auf der Toilette gespielt werden. Digitale Spiele erreichen auf der Grundlage der technischen

Entwicklungen mehr Menschen, zu fast jeder Zeit und an fast jedem Ort der Welt. Huizingas

drittes Hauptkennzeichen des Spieles - die Abgeschlossenheit in Zeit und Raum (vgl. Huizinga

2013, S18) - wird durch die digitalen Spiele aufgebrochen. Spieler müssen nicht mehr an ein und

dem selben physikalischen Ort zur selben Zeit sein. Ein Spiel kann an unterschiedlichsten Orten

gespielt werden. Mental tritt der Spieler jedoch weiterhin in einen gesonderten „Raum” ein.

Auch die Spielzeit erfährt zunehmend mehr Grenzverlust. Digitale Spiele und besonders Serious

Games reichen in die Realität hinein und versuchen diese zu beeinflussen. Nicht nur ihre Wir-

kung erstreckt sich über die Spielzeit hinaus. Im später folgenden Kapitel Beispielhafte Serious

Games, werden einige Spiele vorgestellt, die das Handeln in der realen Welt in der virtuellen

Welt belohnen. Die Realität wird hierbei Teil des Spieles.

Mittels Spiel können Inhalte unterschiedlichster Art vermittelt werden. Welche Zu-

sammenhänge hierzu eine Rolle spielen und welche Strategien zum Transport von Inhalten

beitragen wird im Kapitel Didaktische Elemente und Motivatoren in Spielen erörtert. Die Autorin

dieser Arbeit möchte herausstreichen, dass es,um das Medium Spiel zu verstehen, bedeutsam

ist zu erkennen, dass es die Fähigkeit hat Spiegel einer Gesellschaft zu sein und sie zugleich zu

verändern. „It is basically an existential view of man‘s acting.” (Abt 1987, S6) Hinzu kommt, dass

Spiele zur Wiederholung motivieren. Ähnlich wie eine Fernsehserie, motiviert eine Spielepisode

den Spieler bei nächster Gelegenheit die nächste Episode zu erleben. Auch ungelöste Aufgaben,

Puzzles oder weiterführende Missionen, beschäftigen den Spieler außerhalb der Spielwelt, in der

„Realität”. Bewusst und unbewusst, sucht er außerhalb des Spieles nach einer Lösung für die Auf-

gaben, die ihn im Spiel erwarten (vgl. Klimmt 2009, S258). Diese Motivation zur wiederholten

Beschäftigung mit einer Thematik spielt eine große Rolle für den Lernprozess und den daraus

resultierenden Wissensgewinn (vgl. Klimmt 2009, S258).

Nicht nur die erreichbare Masse, und die nahezu Grenzenlosigkeit der vermittelbaren

Themen lassen das Augenmerk dieser Arbeit auf digitale Spiele fallen. Spiele zeichnen sich im

Gegensatz zu anderen Massenmedien durch ihre Multimodalität aus. Sie können Informationen

auf verschiedenen Sinneskanälen zugleich transportieren (vgl. Klimmt 2009, S251). Auf diese

Page 30: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 26

Serious Games als Integrationstool.

Weise wird Information breiter illustrierbar und damit leichter verständlich und eingängiger

präsentiert. Weiters hat diese Aktivierung mehrerer Sinneseindrücke einen stark motivieren-

den Faktor (vgl. Klimmt 2009, S251). Digitale Spieler beschleunigen den Aktions-Feedback-

Kreislauf enorm. Dadurch werden die Emotionen des Spielers verstärkt, fiero und flow werden

so stark empfunden wie nie zuvor (vgl. McGonigal 2012, S41). „This variety and intensity of

feedback is the most important differnce between digital and nondigital games. [...] There seems

to be no gap between your action and the game‘s responses.” (McGonigal 2012, S24).

Durch Cookies können Online-Spiele den ungefähren Standort eines Spielers auswerten.

Im Fall eines Serious Games zur Integration von Migrantinnen und Migranten, kann diese tech-

nische Option maßgeblich sein. Die informativen Inhalte eines Spiels könnten durch integrieren

von spezifischen Datenbanken ortsabhängig wiedergegeben werden. Zum Beispiel könnte ein

Spiel, aufgrund der Information, dass der Spieler sich in Wien aufhält, die dementsprechenden

Informationen zu den vertretenen Ethnien in Wien wiedergeben. Die größte Einwanderungs-

gruppe in Wien kommt aus Serbien und Montenegro, die zweitgrößte bilden Türkinnen und

Türken und die drittgrößte kommt aus Deutschland (vgl. MA23 Abteilung Wirtschaft, Arbeit,

Statistik nach Novakovic 2015). Folglich könnte das Spiel kohärent zur prozentualen Verteilung

der Ethnien, ausgewählte Informationen zusammenstellen.

Ein weiterer Vorteil digitaler Spiele gegenüber analoger Spiele ist, dass sie veränderbar

bleiben. Eine App, kann ein Update erfahren und Online-Games können ohne notwendiges

Zutun des Spielers verändert und adaptiert werden. Nicht nur Programmierfehler lassen sich

auf diese Art beseitigen, es können neue Handlungsstränge, mehr Levels oder schlicht weg ein

anderes Design implementiert werden. Im speziellen Fall von Integrationsprozessen ist es ein

großer Vorteil, auf Entwicklungen und Fortschritte schnell reagieren zu können. Eine zaghaft

beginnende positive Grundstimmung, die ein Spiel der Spielgesellschaft gibt, kann durch Fehler

oder externe Einflüsse schnell gebremst oder gar zerstört werden. Ist ein analoges Spiel heraus-

gegeben, so kann der Entwickler keinen Einfluss auf den Spielverlauf nehmen. Digitale Spiele

ermöglichen es dem Entwickler, die Prozesse zu begleiten und das Spiel immer wieder zu verbes-

sern und zu adaptieren.

Jane McGonigal beschreibt Spiele als Medium, welches auf spezielle Weise Erfahrungen

strukturiert und positive Erlebnisse kreiert. Sie streicht hervor, dass es ein extrem machtvolles

Instrument ist, wenn es in Kombination mit Netzwerken genutzt wird (vgl. McGonigal 2012,

S33f). „[...] it can inspire and motivate tens, hundreds, thousands, or millions of people at a

Page 31: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 27

Masterarbeit von Katharina Wünschek

time.” (McGonigal 2012, S34). Als Massenmedium werden alle technischen Mittel zur Verviel-

fältigung und Verbreitung von Informationen und Kommunikation bezeichnet. Zeitungen,

Fernsehen, Radio aber auch das World Wide Web und digitale Spiele können als Massenmedium

verstanden werden (vgl. Niedermaier 2008, S57). Während die traditionell etablierten Medien

aufgrund ihrer administrativen Strukturen und territorialen Grenzen eine dementsprechend

territorial geschiedene Öffentlichkeit erzeugen, können sich Medien wie das World Wide Web

und das Spiel darüber hinwegsetzen. Durch die Reflexion der tagesaktuellen Themen einer Re-

gion, erlangen manche dieser Themen allgemeine Bekanntheit. Auf diese Art erzeugen Massen-

medien Öffentlichkeit. Nicht alle gebotenen Informationen eines Mediums erlangen allgemeine

Bekanntheit. Manche erreichen bloß eine kleinere Gruppe von Menschen und werden so zu

einer Teilöffentlichkeit (vgl. Niedermaier 2008, S54ff). „Erst die Reichweite der Öffentlichkeit

ermöglicht die Zusammenfassung der Massen zu einer einzigen Demokratie.” (Niedermaier

2008, S56) Digitale Spiele erreichen weltweit Menschen verschiedener Kulturen, Alters- oder

Bildungsschichten. Folglich handelt es sich bei digitalen Spielen um ein Massenmedium mit

enormer Reichweite.

In Multiplayer- und Massively-Multiplayer-Games erleben Spieler, dass sie nicht alleine

in ihrer Spielwelt agieren. Unter Multiplayer-Spiele versteht man Spiele, in denen eine kleine

bis mittlere Gruppe von Spielern durch lokale Netzwerke (LAN), oder durch Internet-Server

sich miteinander verbinden um zu spielen. Massively-Multiplay hingegen umfasst noch mehr

Spieler, die sich in einer virtuellen Spielwelt begegnen, die permanent online existiert (vgl.

Klimmt 2009, S252). Das Erlebnis, die gleiche Welt mit anderen Menschen gemeinsam zu

erkunden, erzeugt das Gefühl einer Gemeinschaft. Ganz ähnlich dem Zeitungsleser, der in der

U-Bahn fährt und entdeckt, dass andere Menschen die gleiche Zeitung lesen. Diese Erkenntnis

verstärkt bei dem Leser den Eindruck, dass die Informationen der Zeitung die Realität wieder-

geben. Schließlich kann er davon ausgehen, dass alle anderen Leser der Zeitung den gleichen

Wissensstand haben, wie er (vgl. Niedermaier 2008, S56). Es entsteht der Eindruck, die anderen

Leser seien mit ihm in seiner Perspektive vereint. Niedermaier beruft sich auf Anderson und

bezeichnet diese als „vorgestellte Gemeinschaft” (vgl. Niedermaier 2008, S56). Im Fall eines welt-

weit erfolgreichen Multiplayer-Games, wie zum Beispiel World of Warcraft, entsteht demzufolge

über die Staats- und Kontinentalgrenzen hinweg eine virtuelle Gemeinschaft. Anders als bei der

„vorgestellten Gemeinschaft”, welche durch keinerlei Interaktion real wird, basiert die Spielge-

meinschaft stark auf der Interaktion und Kommunikation zwischen den Spielern. Es handelt

sich um eine reale Gemeinschaft. Informationen und Emotionen, die durch ein Spiel transpor-

Page 32: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 28

Serious Games als Integrationstool.

tiert werden, erreichen daher nicht nur weltweit Menschen, sondern vereinen diese durch die

gemeinsam geteilten Erfahrungen und die Möglichkeit sich darüber auszutauschen.

Sowohl die enorme Reichweite, die digitale Spiele erzielen, als auch die technischen

Möglichkeiten, lassen den Fokus dieser Arbeit vermehrt auf dem digitalen Spiel liegen. Cookies,

Datenbankintegration und die Möglichkeit das Spiel stets an die Integrationsprozesse der spie-

lenden Gesellschaft anzupassen, sind Argumente, durch welche die Beleuchtung des analogen

Spieles innerhalb dieser Arbeit in den Hintergrund rückt.

2.1.5 Spielarten

In der folgenden Arbeit liegt das Hauptaugenmerk auf „Spiel in sozialer Art”, oder wie Johan

Huizinga sie weiters bezeichnet, den „höheren Formen des Spiels” (vgl. Huizinga 2013, S15). Sie

befindet sich immer in einer Sphäre des Festes und Kults, das Spiel bedeutet und feiert etwas (vgl.

Huizinga 2013, S18). Damit sind die Spielarten von Säuglingen oder jungen Tieren insofern aus-

geschlossen als, dass sie lediglich zur Verdeutlichung von Aussagen herangezogen werden. Der

Grund dafür liegt darin, dass sich die Qualität, Gestalt, Struktur und Intention des primitiven

Spiels und des höheren Spiels in einem Ausmaß unterscheiden, dass sich viele Aussagen nicht

für beide Spiele treffen lassen (vgl. Huizinga 2013, S15f.).

Die ersten Kapitel dieser Arbeit befassen sich mit dem Begriff und der Definition von

Integration und Migration, so wie mit Spiel im allgemeinen Sinn. Im Zusammenhang mit Seri-

ous Games, Lernspielen und Games for Change wird das Augenmerk nun zunehmend auf den

Bereich der digitalen Spiele gelegt. Viele Aussagen lassen sich zwar sowohl auf digitale-, als auch

auf nicht digitale Spiele beziehen, diese Arbeit bezieht sich jedoch vorrangig auf den digitalen

Bereich. Hierzu folgt der Versuch, Spiele in Kategorien zu untergliedern um den folgenden Ka-

piteln eine bessere Verständlichkeit zu gewähren. Heute werden Spiele auf so viele unterschied-

liche Arten erlebt wie nie zuvor (vgl. McGonigal 2012, S20). Sie lassen sich unterscheiden in der

Art der Plattform auf der sie gespielt werden, durch ihre Genres oder Spieleranzahl. Zur Unter-

scheidung der Spieleranzahl haben sich in der digitalen Spielwelt folgende Begriffe entwickelt:

single-player, Multiplayer und Massively Multiplayer.

Auch die Dauer eines Spieles eignet sich zur Unterscheidung. Angefangen von fünf Se-

kunden dauernden Mini-Spielen (meist Casual Games) bis hin zu stundenlangen Actionspielen

(finite games) oder auch nie endenden Rollen-Spielen (infinite Games), gibt es viele unterschied-

Page 33: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 29

Masterarbeit von Katharina Wünschek

liche Spielformen (vgl. McGonigal 2012, S20, S25). Clark Abt wählte als grundlegende Katego-

risierung eine andere Unterscheidungsmöglichkeit. Er unterscheidet Spiele in zero-sum- und

non-zero-sum-Spiele (vgl. Abt 1987, S20). In einem zero-sum-Spiel heben sich die Summe die

gewonnen und jene, die verloren wird auf. Der Gewinn des einen Spielers ist der direkte Verlust

des Anderen. Bei non-zero-sum-Spielen ist der Gewinn des einen Spielers nicht zwingend in

Verbindung mit dem Verlust des anderen Spielers (vgl. Abt 1987, S20). Letztere Sorte Spiel ist

dem Leben ähnlicher, die beste Strategie in solchen Spielen ist es den Gewinn aller Spieler zu

maximieren (vgl. Abt 1987, S20). Dieses sogenannte Pareto-Optimum ist eine gute Beschreibung

für den Effekt, den ein Serious Game zur besseren interkulturellen Integration erreichen soll.

Eine weitere einleuchtende Herangehensweise ist es „Spieldynamik, die Symbolstruktur

oder die Handlungsanforderung“ (Le und Weber 2011, S3) zu analysieren und aus diesen Parame-

tern Spiele in folgende Kategorien einzuteilen:

• Actionspiele: Spiele, bei denen die Reaktionsgeschwindigkeit entscheidend ist.

• Adventurespiele: Durch das Lösen von Rätseln und Mini-Aufgaben wird die Rahmen-

geschichte weitergeführt.

• Casual Games: Spiele, deren Spielregeln und -rahmen eher unkomplex und damit

schnell erlernbar sind, um somit eine gelegentliche, beiläufige Nutzung zu ermöglichen.

• Rollenspiele: Spiele, bei welchen das Identifikationsempfinden mit der Spielfigur

durch Zugewinnung von Attributen gesteigert wird.

• Simulationsspiele: Spiele, die eine realitätsnahe Situation erfahrbar machen ohne so

realitätsnah zu sein, wie etwa eine Trainingsapplikation.

• Sportspiele: Spiele, bei welchen eine erfundene oder reale Sportart nachempfunden

wird.

• Strategiespiele: Spiele, welche Ressourcenmanagement und kluges Wirtschaften ver-

langen um einen Spielerfolg zu erzielen.

(vgl. Feil und Scattergood 2005 und Pedersen 2003 nach Le und Weber 2011, S3)

Zu bedenken ist: durch die Wahl der zu analysierenden Merkmale entscheidet sich das

Ergebnis. Werden andere Merkmale herangezogen, um eine Kategorisierung von Spielen zu

erreichen, so ist ein anderes Ergebnis wahrscheinlich (vgl. Gauguin 2010 nach Le und Weber

2011, S3). Würden also die selben Spiele ein Mal nach Spieldynamik, Symbolstruktur und Hand-

lungsanforderung und ein anderes Mal nach Spieldauer kategorisiert, so würden sich die daraus

Page 34: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 30

Serious Games als Integrationstool.

entstehenden Gruppen beim ersten und beim zweiten Ansatz aus unterschiedlichen Spielen

zusammensetzen.

Jane McGonigal untergliedert Spiele ähnlich wie Feil und Scattergood, Pedersen und Le

und Weber, jedoch legt sie den Fokus auf die Art der zu erledigenden „Arbeit”:

• High-stake work: Das klassische Bild der Videospiele skizziert meist ein actionorien-

tiertes und schnelles Spiel. Die Spielspannung wird zusätzlich durch die Möglichkeit

von großem Erfolg und großer Niederlage verstärkt. Beispiele hierfür wären die Gran

Turismo Serie oder Left 4 Dead. Bei Spielen dieser Sorte wird durch das Risiko auf brutale

Art zu „sterben” im Spieler - solange er das spiel meistert - das Gefühl von großer Vitali-

tät geweckt.

• Busywork: Spiele die eine große Monotonie und Vorhersehbarkeit beinhalten genie-

ßen allgemein einen eher schlechten Ruf. Dennoch wecken sie im Spieler das Gefühl

von Wettkampf und Produktivität. Vertreter dieser Gruppe sind zum Beispiel Bejeweled,

CandyCrush oder FarmVille. Durch permanente Aktivität und die direkt daraus resultie-

renden und nachvollziehbaren Ergebnisse erzeugen diese Spiele ein Hochgefühl.

• Mental work: Spiele bei denen unsere mentalen Fähigkeiten besonders gebraucht

werden können sich in vielen anderen Kriterien stark unterscheiden. Von Kopfrechnen

mit Zeitlimit, wie in Nintendo‘s Brain Age bis hin zu einem tausende Jahre simulieren-

den Real-Time-Strategiespiel wie Age of Empires, lassen sich viele weitere Spiele in diese

Gruppe einordnen. Der Grund klingt einfach, ist jedoch hoch interessant. Menschen

erlangen Freude, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre mentalen Fähigkeiten gefordert

sind und zugleich gut eingesetzt werden.

• Physical work: Sämtliche Spiele, die uns physische Arbeit abverlangen fallen in diese

Gruppe. Durch die Anstrengung bei sportlicher Betätigung werden im Körper Endor-

phine freigesetzt. Ebendies passiert auch bei Spielen wie zum Beispiel Wii Boxing oder

Dance Dance Revolution.

• Discovery work: Hierbei handelt es sich um Spiele die dem Spieler unbekannte Räu-

me, Objekte oder Elemente erkunden lassen. Dieser Kategorie gehören einige Shooter-

Spiele an, wie etwa BioShock oder The World Ends with You. Orientierung zu gewinnen,

unbekannte Objekte zu erforschen und sie in Folge zur Erreichung des Ziels einzusetzen,

sind Möglichkeiten die den Spieler in eine Situation versetzen in welcher er über jeden

Gegenstand staunen und Freude empfinden kann.

• Teamwork: Einen Beitrag zu einem gemeinsamen Zweck, zu einem Ziel, das über den

Page 35: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 31

Masterarbeit von Katharina Wünschek

eigenen steht zu leisten, ist ein Erfahrung, die zunehmend in Spielen aufgegriffen wird.

Die Formen der Zusammenarbeit können unterschiedlich sein. Von 25-Spieler-Teams

wie in World of Warcraft bis hin zu 4-Spieler-Teams in Castle Crashers erleben die Spieler

das besondere erhebende Gefühl ein bedeutender Teil eines größeren Ganzen zu sein.

• Creative work: „Bedeutsame” Entscheidungen zu fällen, gestalterisch tätig zu sein und

in Folge Stolz auf das entstandene Werk sein zu können, sind die Möglichkeiten, die

bei kreativer Arbeit - im Spiel und in der Realität - erfahren werden können. Mit jeder

getroffenen Entscheidung und dem sofortigen Feedback des Spieles fühlt sich der Spieler

um ein Stück produktiver, tüchtiger, fähiger als zu Beginn des Spieles. Auch diese „Ar-

beit” lässt sich in verschiedenen Spielen finden. Ein populäres Beispiel wäre Sims, aber

auch SingStar oder Madden NFL zählen zur gleichen Gruppe.

(vgl. McGonigal 2012, S29ff)

Jede dieser allgemeinen Spielkonzepte kann genutzt werden um in Zusammenhang mit

einem Non-Game-Context zu einem Serious-Game zu werden. Themenspezifisch gibt es geeig-

netere und weniger geeignete Spielkonzepte (vgl. Le und Weber 2011, S5f).

2.1.6 Non-Game-Context

Wenn sich Spiel nun tatsächlich darüber definieren lässt, dass es keinem weiteren Zweck dient,

als dem Spiel selbst, wäre die Konsequenz daraus, dass sämtliche Lernspiele oder Trainingssi-

mulatoren nicht zu Spielen zählen. Doch ist im Spielen stets auch ein Lernprozess inbegriffen

(Bormann und Kerres und Vervenne 2009,, S1).

Als Non-Game-Context wird ein Thema, welches ursprünglich nicht in die Spielwelten

gehört, jedoch in Zusammenhang zu einem „Spiel mit Mehrzweck” oder einer Anwendung mit

spielerischen Elementen steht bezeichnet (vgl. Deterding und Dixon und Khaled und Nacke

2011,, S3). Jedes beliebige Thema außerhalb der Spielwelten kann daher zu einem Non-Game-

Context werden, sobald eine spielerische Anwendung oder ein Spiel existieren, die es sich zum

Thema machen (vgl. Sawyer und Smith 2008 nach Deterding und Dixon und Khaled und Nacke

2011, S3). Somit handelt es sich bei „Spielen mit Mehrzweck“ um Spiele, die in einem Non-Game-

Context stehen (vgl. Deterding und Dixon und Khaled und Nacke 2011,, S3).

Page 36: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 32

Serious Games als Integrationstool.

2.2 Gamification

Es gibt einen Unterscheid zwischen Spielen, welche nicht nur dem Selbstzweck des Spielens

dienen und Themen, die mit einzelnen spielerischen Elementen aufgearbeitet werden. Während

für ersteres der Begriff der „Serious Games” geprägt wurde, handelt es sich bei zweiterem um das

Thema der „Gamification” (vgl. Deterding und Dixon und Khaled und Nacke 2011, S2 und Yefeng

und Todorka und Tatsuo 2011, S7) . Weiters grenzen Deterding, Dixon, Khaled und Nacke ab:

„Gamification is the use of game design elements in non-game-contexts.“ (Deterding und Dixon

und Khaled und Nacke 2011, S2). Daraus lässt sich ableiten, dass es sich bei Serious Games um

ein komplettes Spiel handelt, dass sich einem Non-Game-Context widmet. Yefeng Liu, Todorka

Alexandrova und Tatsuo Nakajima definieren Serious Games als Gruppe der vorwiegend Ju-

gendbildung zugewiesen wird, während sie Spielen für Erwachsene den Begriff „games with a

purpose” zuschreiben, womit sie Von Ahn aufgreifen (vgl. Yefeng und Todorka und Tatsuo 2011,

S8 und Von Ahn 2006, S92ff). Als Gamification werden oftmals branchenspezifische Trainings-

applikationen verstanden.

2.3 Serious Games

Der Begriff des Serious Games - des „ernsten Spieles” - ist ein Oxymoron in sich. Der Versuch

dieser Absurdität zu entgehen hat zu weiteren Begriffen wie „games with purposes” oder „me-

aningful games” geführt. Auch „Games for Change”, „games for health” und „gamebased lear-

ning” , lassen sich dem Begriff Serious Game zu- und unterordnen (vgl. Cody und Ritterfeld und

Vorderer 2009, S5).

Serious Games haben den Transport von speziellen Inhalten zum Ziel. Es handelt sich

dabei jedoch nicht um Edutainment. Edutainment gilt als ein eher unerfolgreiches Konzept.

Hierbei steht das Lernen im Vordergrund und die Unterhaltung im Hintergrund. Serious Games

bauen auf dem Unterhaltungsfaktor der Spiele einen Mehrzweck auf, der Lerneffekt den sie

erzielen können geht jedoch über jenen des Edutainments hinaus (vgl. Cody und Ritterfeld

und Vorderer 2009, S4). Cody, Ritterfeld und Vorderer erläutern zu Beginn des Buches Serious

Games - Mechanisms and effects, dass Serious Games speziell designt sein können, oder einfache

„over-the-counter”-Spielesein können, die primär der Unterhaltung dienen und zusätzlich einen

Mehrzweck haben (vgl. Cody und Ritterfeld und Vorderer 2009, S6).

Page 37: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 33

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Aus kulturwissenschaftlicher Sicht transportieren Spiele seit jeher auch kulturelles

Wissen und Verhaltensregeln (vgl. Huizinga 2013, S9f). Auch wenn der Begriff in die moderne

Spieleentwicklung einzuordnen ist, gehören auch Spielklassiker wie zum Beispiel DKT in diese

Kategorie. Ob ein Bewusstsein durch Information oder durch Nahebringen einer Situation ge-

schaffen wird - im Fall von Serious Games wird mehr transportiert als der bloße Spaß am Spiel.

Spielen ist immer auch lernen. Spielregeln und Spielidee müssen erlernt werden. Geschicklich-

keit, Strategie, Ausdauer und andere besondere Fähigkeiten die notwendig sind um das Spielziel

zu erreichen, werden während des Spielens erlernt. Serious Games fügen in diese Komponenten

und darüber hinaus für den Spieler und seine „Realität” weitere „sinnvolle” Inhalte hinzu. „The

term «serious» is also used in the sense of study, relating to matters of great interest and impor-

tance, raising questions not easy solved, and having important possible consequences.” (Abt 1987,

S10) Bei „ernsten Spielen” erwarten wir ein gut durchdachtes Spielkonzept, das nicht primär

der Unterhaltung dient, sondern einen Bildungsauftrag verfolgt (vgl. Abt 1987, S10). Doch der

Unterhaltungsfaktor ist der Schlüssel zur Aufmerksamkeit und Aufnahmefähigkeit der Spieler.

Folglich können Serious Games nicht nur Spaß machen, sondern müssen es, um ihr Ziel zu er-

reichen (vgl. Klimmt 2009, S257). Oftmals kommt es bei der Unterscheidung zwischen „norma-

lem Spiel” und Serious Game unter anderem auch auf die Zielgruppe der Spieler an.

Serious Games gab es bereits vor den technischen Möglichkeiten der digitalen Spiele.

Von eher simplen Spielen wie zum Beispiel Color oder Shape, bis hin zu komplexen Spielen wie

zum Beispiel Empire oder Neighborhood gibt es einige Serious Games, die analog funktionieren.

Clark C. Abt beschreibt einige von diesen detailliert. In den Spielen Color und Shape geht es

darum, Kindern der Vorschule Formenlehre und Farblehre spielerisch näher zu bringen (vgl.

Abt 1987, S39). Das Spiel Empire ist ein thematischer Vorgänger vieler digitaler Spiele, wie zum

Beispiel der Anno-Serie. Es verdeutlicht die Bedeutung der Sternnavigation für die Seefahrt und

den Handel, erklärt Zusammenhänge und macht das Ausmaß dieser Errungenschaft klar. (vgl.

Abt 1987, S53). Um die Konzepte des urbanen Wachstums und die damit verbundenen Themen

wie Wohnräume, Transport, Arbeitsplätze und Einkaufsmöglichkeiten, so wie um die Tendenz

ethnischer Gruppen zur Segregation dreht sich das Spiel Neighborhood (vgl. Abt 1987, S77). Es

gibt auch Serious Games, die analoge und digitale Spielwelt kombinieren. Grand Strategy ist

hierfür als Beispiel geeignet. In diesem Spiel werden die Weltmächte auf einem etwa 1,20 Meter

mal 2,40 Meter großem Spielbrett - einer Karte der Welt - positioniert. Die politischen, wirt-

schaftlichen und militärischen Eckdaten der Parteien, die zur Entscheidungsfindung dienen,

werden computergestützt generiert (vgl. Abt 1987, S47ff).

Page 38: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 34

Serious Games als Integrationstool.

Idealerweise werden Serious Games rund um die zu behandelnde Thematik konstruiert.

Dennoch ist es möglich, Entertainment-Spielen die notwendige Bedeutsamkeit zu verleihen

um sie entweder als Serious Game zu definieren oder sie dahingehend zu adaptieren (vgl. Abt

1987, S43ff). Zum Beispiel wäre das uns allen bekannte Mensch ärgere dich nicht für emotional

unbeherrschte Menschen durchaus als ein Serious Game zu verstehen. Während für emotional

stabile Spieler Mensch ärgere dich nicht - um bei diesem Beispiel zu bleiben - um eine Kompo-

nente erweitert oder verändert werden müsste um einen Serious Game - Charakter zu erlangen.

Zum Beispiel könnten Wahrscheinlichkeitsrechnungen integriert werden. Gerade gegen Ende

des Spieles, kann genau kalkuliert werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Spieler die pas-

sende Würfelzahl würfelt um seine Figur auf einen der Plätze in den „sicheren Hafen” führen zu

können. Die meisten Serious Games sind jedoch keine Abwandlungen von Brettspielklassikern,

sondern drehen sich um einen Non-Game-Context. Im Rahmen dieser Arbeit werden Serious

Games also als Spiele verstanden, die sorgfältig gestaltet wurden um zusätzlich zum Unterhal-

tungsfaktor einen edukativen oder transformativen Effekt zu haben. Außerdem sind in dieser

Arbeit mit Serious Games, wie im Kapitel Spiele als Massenmedium begründet, vorrangig digitale

Spiele gemeint.

Nicht nur die technischen Möglichkeiten, die Spieldesignern zur Verfügung stehen,

haben sich durch die digitalen Entwicklungen geändert. Durch den digitalen Wandel der letzten

Jahre, besonders im Bereich Web 2.0 und Social Media, hat sich auch das Bild des „Users” geän-

dert „[...] from being a cog in an organizational machine to a partner in system interaction and

an ultimate consumer, and more recently to a content creator and a task performer.” (Yefeng

und Todorka und Tatsuo 2011, S7). Die Generation der „neuen User” verlangt geradezu nach

Einbindung in das jeweilige verwendete System. Diesen Trend zu erkennen und zu nutzen, ist

nicht nur ein Vorteil für viele Märkte, die zunehmend auf Gamification setzten, sondern auch

eine Gelegenheit für gesellschaftliche Konfliktthemen wie die Integration von Migranten und

Migrantinnen.

Viele Marken orientieren sich an der Zielgruppe 16-25 jähriger, um sie möglichst früh

auf eine Marke „einzuschwören” und folglich auch möglichst lange als Kunden zu erhalten (vgl.

Diehl und Esch und Gawlowski 2009, S40ff). Diese Strategie, stammt aus Marketingkonzepten

(vgl. Diehl und Esch und Gawlowski 2009, S40ff), ist jedoch adaptierbar für Projekte, die einen

gesellschaftlichen Wandel zum Ziel haben. Je jünger die Zielgruppe ist, um so eher kann ein

Wandel erreicht und in Folge beibehalten werden. Spiele sprechen zwar mehr Altersgruppen

Page 39: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 35

Masterarbeit von Katharina Wünschek

an, als allgemein vermutet, jedoch ist es einfacher mit neuen Spielentwicklungen junge Men-

schen anzusprechen. Ein weiterer Faktor lässt im Besonderen junge Menschen in Spielwelten

eintauchen: die neuen Gefühle, Probleme und Grenzen, die sich beim Heranwachsen ergeben,

wecken zunehmend das Verlangen nach Kontrolle und Eigenbestimmtheit. Beides lässt sich zum

Beispiel in besonderem Maße in Simulationsspielen finden (vgl. Le und Weber 2011, S3). Le und

Weber setzen diese Selbstwirksamkeit und Kontrolle eines Spiels in den Kontext der Lernfähig-

keit des Spielers oder der Spielerin (vgl. Le und Weber 2011, S3) worauf im Kapitel Lernspiele und

Didaktische Elemente in Serious Games noch genauer eingegangen wird.

Die Anwendungsbereiche für Serious Games sind breit gefächert und nahezu in alle

Richtungen erweiterbar. „Education, industrial and governmental training, planing research,

analysis, and evaluation are rich fields for the use of serious games.” (Abt 1987, S10). Mittels

Serious Games werden Soldaten trainiert, Piloten geschult und viele andere Berufe erlernt. Der

Nutzen des besonderen Mediums ist in vielen Branchen bereits erkannt worden. Serious Games

schaffen es bedeutsam zu sein ohne mit der Wucht des Ernstes auf ihren Spieler zu treffen. Sie

wecken Interesse ohne dabei besonders komisch sein zu müssen. Sie sind zielgerichtet und ha-

ben eine ernst gemeinte Botschaft ohne humorlos zu sein. So wie sie es schaffen schwierig, aber

dabei nicht frustrierend zu sein (vgl. Abt 1987, S10). „They may deal with important behaviour

problems, and they may concern substantive problems in almost all academic and intellectual

fields.” (Abt 1987, S10)

Im Serious Game wird die Ernsthaftigkeit der Gedanken mit den thematischen Prob-

lemstellungen und der experimentellen und emotionalen Freiheit im aktiven Spiel vereint (vgl.

Abt 1987, S11f). Auf diese Art bieten sie uns eine „risikofreie” Art des explorativen Erkundens

ernster intellektueller und sozialer Probleme (vgl. Abt 1987, S13f).

2.3.1 Games for Change

Games for Change, lässt sich als eine Untergruppe von Serious Games definieren. Im Vergleich

zu anderen Serious Games ist das Ziel hierbei sozialer Wandel (vgl. Klimmt 2009, S248). Um

Veränderung im direkten Umfeld - im Verhalten und Alltag - eines Spielers bewirken zu kön-

nen, müssen weit mehr Mechanismen in engem Zusammenspiel funktionieren, als bei Serious

Games, die lediglich ein Lernziehl verfolgen. Als Veranschaulichungsbeispiel eignen sich Spiele

aus dem Bereich des Gesundheitswesens, auch Games for Health genannt (vgl. Klimmt 2009,

Page 40: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 36

Serious Games als Integrationstool.

S248). Um ein Verhalten eines Spielers zum Zweck seiner Gesundheit zu verändern, reicht es

nicht aus, ihm Wissen über die drohende Erkrankung zu vermitteln. „Rather, several commu-

nication goals have to be achieved if social change is likely to occur, including changes in beliefs

and attitudes, learning how to perform selected behaviors, [...] and instilling motivation to

change among members in the target audience.” (Klimmt 2009, S248)

Christoph Klimmt nutzt in seinem Essay Serious Games and Social Change - Why They

(Should) Work, eine Tabelle zur Veranschaulichung der Mechanismen, die in einem Serious Game

sozialen Wandel bewirken können. Die Darstellung hat ihren Ursprung in einer Tabelle, die eben

diese Zusammenhänge in Bezug auf traditionelle Massenmedien darstellt:

Stage Effect Category Preexposure/ Selection of Medium

Exposure/ Processing of Content

Postexposure

Motivation to elaborate content of desired social change

(1) Entertainment capacy of serious games increases likelihood of selection of change-related message

(4) Enjoyment generated attention and interest for game world and content

(11) Enjoyment promo-tes involvement with game and thus facilitates motivation for repeated, prolonged game play (red-undancy)

(2) As-if quality of game play weakens refusal to expose to change-related content

(5) Social game play ren-ders elaboration of change-related content as socially acceptable (”I am not the only one doing it“)

(12) Enjoyment promotes involvement with games and thus facilitates moti-vation to think about game content (e.g. planning strategies for next session)

(13) Enjoyment promotes involvement with game and thus facilitates mo-tivation to talk about the game (content) with other individuals

Knowledge acquisition/comprehension

(6) Multimodality increa-ses likelihood of know-ledge acquisition about the content of desired behavioral/social change

(14) Multymodality and interactivity increase likelihood of knowledge application to real-world settings, which substantia-tes learning process (”This situation is just like in that game”)

(7) Interactivity increases likelihood of connection of content to player self

(8) Narrative creates sens-making framework that facilitates comprehension

(9) Multi-user play faci-litates in-game commu-nication that may resolve comprehension problems and support further elabo-ration of change-related content

Page 41: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 37

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Attitude change/ persuasion

(3) Activation of inocu-lation-based anti-persu-asion-stance less likely through entertainment-quality of serious game (no attempt to persuade expected)

(10) Narrative persuasion theory: Suppression of Counterarguing, increased salience of values connec-ted to desired change

(15) Narrative persuasion theory:misattribution of attitude to serious/real-live source and argumentation

Tabelle 2: Effekte und Phasen des Wandels in Games for Change (Klimmt 2009, S255)

Auf jeden einzelnen Aspekt dieser Tabelle einzugehen würde viele bereits in anderen

Kapiteln dieser Arbeit erörterte Argumente wiederholen. Daher möchte die Autorin an dieser

Stelle lediglich auf einige Punkte dieser Tabelle eingehen, die eine Besonderheit der Games for

Change darstellen.

Ad 2) Ein Mechanismus, der auf Games for Change stärker zutrifft als auf Serious

Games im Allgemeinen ist die Gefahr, dass die Thematisierung eines zu ändernden Verhaltens,

beim Zielpublikum das Gefühl eines Angriffs weckt. Durch ein Medium, das eine bessere Ver-

haltensart aufzeigt, wird die bisherige, oftmals bequemere Verhaltensweise als schlechter oder

sogar falsch deklariert (vgl. Klimmt 2009, S256). Empfindet die Zielgruppe einen derartigen

Angriff auf ihre Lebensweise, so kann es dazu kommen, dass sie sich gegenüber der Botschaft,

die eine Veränderung bewirken will, verschließt. Derartige Phänomene wurden bei einigen

Change-Kampagnen traditioneller Medien beobachtet. Games for Change können in diesem

Fall eine Sonderposition einnehmen. Werden ernste Botschaften durch ein Spiel vermittelt, so

erreichen sie ihre Zielgruppe wenn diese in die Sphäre des Spieles eingetaucht ist (vgl. Klimmt

2009, S255). Dadurch haftet jeder Botschaft eine Spielhaftigkeit, eine Fiktionalität an. Verbesse-

rungsvorschläge werden auf diese Art weniger wahrscheinlich als Angriff empfunden, als wenn

sie durch traditionelle Medien vermittelt werden (vgl. Klimmt 2009, S255).

Ad 6) Wie bereits zu Beginn dieses Kapitels erörtert ist, um einen Wandel des alltägli-

chen Verhaltens eines Spielers zu erreichen, eine besonders breite Kombination von medialen

Mechanismen notwendig. Spiele sind im Vergleich zu anderen Medien stark multimodal: sie

nutzen mehrere Sinnenskanäle zugleich (vgl. Klimmt 2009, S259). Daher eignen sie sich dies-

bezüglich besser, um einen Wandel zu bewirken als traditionelle Medien. Games for Change

können den Anstoß zum Wandel auf verschiedenen Sinneskanälen senden und ihren Spielern

den Sachverhalt illustrativ vermitteln (vgl. Klimmt 2009, S259).

Page 42: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 38

Serious Games als Integrationstool.

Ad 8) In Games for Change werden oftmals hoch komplexe Zusammenhänge themati-

siert. Die verschiedenen Prozesse und Subprozesse, die zu vermitteln sind, werden gerne durch

narrative Elemente mit einander verbunden. Das narrative Element erzeugt den Sinn (vgl.

Klimmt 2009, S261). Geschichten zu erzählen ist eine traditionelle Lehrmethode. Der Erfolg

dieser Technik liegt darin, dass Information die durch eine Geschichte dargeboten wird, für den

Zuhörer einen persönlichen Sinn ergeben. Auf diese Art steigert sich die Aufmerksamkeit, Ver-

ständnisfähigkeit und die Merkfähigkeit (vgl. Klimmt 2009, S261). In modernen „story-driven”

Spielen können Spieler eine weitreichende Welt erkunden, die hunderte Geschichten zu bieten

hat, die alle eine Verbindung zu einer Haupt-Geschichte haben (vgl. Klimmt 2009, S252). Diese

Struktur eignet sich zum Beispiel im Besonderen um die persönlichen Geschichten, die hinter

Migrationswellen stehen zu vermitteln.

Ad 14) Die Vermittlung von Information über mehrere Sinneskanäle, bewirkt nicht

nur eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass die Information verstanden wird. Auf diese Art wird

mittels Spielen auch eine länger anhaltenden „Wirkung” erzielt, als durch traditionelle Medien

(vgl. Klimmt 2009, S262). Das spielt eine wichtige Rolle, wenn die vermittelte Information eine

anhaltende Veränderung in der Zielgruppe bewirken soll. Die erwünschte Verhaltensänderung

kann Situationen eines gesellschaftlichen, sozialen Lebens betreffen, die nicht permanent statt-

findet. Zwischen dem Spielen des Game for Change und dem erneuten Erfahren der fraglichen

Situation kann einiges an Zeit vergangen sein (vgl. Klimmt 2009, S262). Es ist von Bedeutung,

dass der Spieler sich auch nach der vergangenen Zeitspanne noch an die Inhalte des Spieles erin-

nert und ebenfalls noch die Motivation zur Veränderung in sich trägt (vgl. Klimmt 2009, S262).

Games for Change sind kein Produkt der digitalen Spielwelt. Das Spiel Politica eint ein

analoges Simulationsspiel, das die Prozesse internationaler Konflikte und deren Begleiterschei-

nungen wie demokratische Veränderung oder Revolte thematisiert. Auch bei Simpolis handelt es

sich um ein analoges Spiel. Hierbei werden sieben urbane Problemstellungen von New York im

Jahr 1967 thematisiert: Transport, Bildung, Wohnungsbau, Zivilrecht, Armut, Verbrechen und

Verschmutzung (vgl. Abt 1987, S96f). Das Spiel Corridor ist ein comuterunterstütztes Simu-

lationsspiel, welches Versorgungs- und Transportprobleme näher bringt (vgl. Abt 1987, S91f).

Die Entscheidungen, die den Spielverlauf bestimmen werden von den Spielern getroffen. Die

ökonomischen Konsequenzen, die diese Spielzüge bedeuten errechnet ein Computer (vgl. Abt

1987, S91f).

Page 43: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 39

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Ein digitales Beispiel für Games for Change, hat für Schlagzeile gesorgt. Das Spiel

Re-Mission hilft Krebs erkrankten Kindern die Zusammenhänge ihrer Krankheit, der Medi-

kamente und Nebenwirkungen zu verstehen. Viele krebskranke Kinder setzen heimlich ihre

Medikamente ab, weil sie die Nebenwirkungen einer Chemotherapie nicht mehr ertragen oder

aber Aufgrund eines momentanen Besserungsgefühls, glauben geheilt zu sein (vgl. Uehlecke

2008). Re-Mission basiert auf einem Ego-Shooter-Spiel, die Kinder reisen durch den menschli-

chen Körper und haben die Aufgabe Tumorzellen mit Chemotherapie zu beschießen. Je nach

Level unterscheiden sich die Krebsarten, die Medikamente und Nebenwirkungen, die das Level

erschweren (vgl. Cole und Knutson 2015).

Abbildung1: Re-Mission 2 Empowers Patients.(Vocus PRW Holdings, LLC. 2015) Abbildung 2 und 3: Re-Mission Roxxy (Games4Health - 2014)

Das Spiel vermittelt den Kindern nicht nur Informationen über ihre Erkrankung,

sondern auch das Gefühl die Krankheit besiegen zu können (vgl. Uehlecke 2008). Der Spielent-

wickler HopeLab beauftragte Mediziner der Stanford Uniersity mit einer Wirkungsstudie. Die

Finanzierung wurde durch die Frau des E-Bay-Gründers, Pamela Omidyar gesichert (vgl. Uehle-

cke 2008). Die Studie umfasste 374 krebserkrankte Kinder und junge Erwachsene im Alter von

13 bis 29 Jahren, stationiert in 34 unterschiedlichen Therapiezentren in Amerika, Canada und

Australien (vgl. Uehlecke 2008 und Cole und Knutson 2015). Beide Gruppen, die Testgruppe

und die Kontrollgruppe spielten drei Monate lang täglich genau die gleiche Dauer Videospiele.

Die Testgruppe spielte Re-Mission während die Kontrollgruppe ein herkömmliches kommer-

zielles Videospiel spielte. Die Testgruppe erzielte um 70% schneller das zu erlernende Wissen

Page 44: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 40

Serious Games als Integrationstool.

über Krebs, weiters erreichte sie eine drei mal so hohe Fähigkeit mit ihrer Krankheit umzuge-

hen. Außerdem wurde bei der Testgruppe um 16% mehr Antibiotikum und um 41% mehr Stoffe

der Chemotherapie nach Ablauf der Testphase im Blut gefunden (vgl. Cole und Knutson 2015).

Durch das Spiel Re-Mission stieg bei den Kindern das Verständnis und Wissen zum Thema Krebs.

Dadurch verbesserte sich die Einnahme der Medikamente - und die Kinder hatten messbar besse-

re Überlebenschancen.

2.3.2 Didaktische Elemente und Motivatoren in Spielen

Spielen erfordert laut Bormann und Kerres und Vervenne stets das Aneignen einer Spielidee,

diverseste Informationen über Spielelemente und -abläufe zu generieren und das Erlernen eines

mehr oder weniger komplexen Regelwerkes (vgl. Bormann und Kerres und Vervenne 2009,, S1).

„Spielen kann damit als ein anspruchsvoller Lernprozess betrachtet werden.” (Bormann und Ker-

res und Vervenne 2009,, S1). Auch Clark C. Abt räumt jeden Zweifel über die Lehrfähigkeiten

von Spielen aus: „The abstract representation of real life in game form does not render the game

any less capable of teaching ”true” knowledge. One does not have to be Shakespeare to under-

stand his plays (which are, after all, monumental literary games), but acting in the play can

yield a more vivid and lasting view of Shakespeare than would a teacher‘s reading of the plays

to a class.” (Abt 1987, S12) Im Besonderen Schüler, die in der Schule unmotiviert sind, sind hoch

motiviert in ihren anderen Aktivitäten. Der Erfolg, der bei solchen Kindern durch Lernspiele

erzielt werden kann, liegt nicht zuletzt daran, dass das Spiel „Dramen” bietet, die im Klassen-

raum nur schwer zu finden sind. Norman betont zusätzlich, dass alle Arten des Lernens auch

im Spiel integriert sein können: „Think of what it takes to learn a game compared to what has to

be done in school. To play a game well requires the same kinds of learning study, understanding

and practice as are required of any educational activity.“ (Norman 1993, S32). Der Fortschritt

und zum Teil auch die Inhalte werden bei Spielen durch den Spieler gesteuert. In der klassischen

Schulsituation werden diese Entscheidungen durch den Lehrer getroffen. Spiele stellen daher im

Vergleich zur Schulsituation eine Lerner-zentrierte Umgebung dar, während Schulen als Lehrer-

zentriert beschrieben werden können (vgl. Stapelton 2004, S2). Die Unsicherheit des Spielver-

laufs, die Möglichkeit sich mit Spielcharakteren zu identifizieren und aktiv in den Verlauf des

Spieles eingreifen zu können, sind Faktoren, die mehr Motivation hervorrufen, als herkömmli-

che Lehrmethoden (vgl. Abt 1987, S16ff).

Page 45: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 41

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Kritch, Bostow und Dedrick zeigen, dass sogar ein einziges simples interaktives Element,

zum Beispiel eine einzufüllende Antwort nach jedem Kapitel eines Video-Kurses, den Wissens-

gewinn verbessert (Bostow und Dedrick und Kritch 1995, S85f). Die Interaktivität in Lernprozes-

sen bewirkt einen Selbstbezug der Informationen beim Lernenden. Die Konsequenzen des Han-

delns können durch die Interaktivität direkt auf sich selbst bezogen werden (vgl. Klimmt 2009,

S260). Anders als die klassisch gelehrt Information: Person A verhält sich V und erzielt Resultat

R. Kann in bei interaktiven Prozessen formuliert werden: Ich verhalte mich V und erziele mein

Resultat R (vgl. Klimmt 2009, S260). Besonders eignen sich Spiele um komplexe Zusammen-

hänge mit mehreren parallel verlaufenden Prozessen und Unterprozessen zu veranschaulichen.

Diese Art der Inhalte mit gesprochenem oder geschrieben Worten zu erklären fordert vom Zuhö-

rer alle Prozesse zugleich im Gedächtnis zu behalten und weiterhin zuzuhören um die nächsten

Schritte nachvollziehen zu können (vgl. Abt 1987, S18). Simulationsspiele können hierbei eine

große Unterstützung für den Lehrenden und den Lernenden sein. Um derartige Lernprozesse in

Spielen genauer verstehen zu können sei der Spielzyklus vorangestellt.

Verhalten Rückmeldung M

otiv

atio

n

Spielzyklus

Abbildung 4: Spielzyklus (vgl. Garris et al 2002 nach Bormann und Kerres und Vervenne 2009, S2)

Der Spielzyklus stellt nach Garris, einen Kreislauf dar, in welchem das Verhalten des

Spielers eine Rückmeldung durch das Spiel erfährt, welche wiederum, nach Analyse durch den

Spieler die Motivation zu erneuter Interaktion ist (vgl. Garris et al 2002 nach Bormann und Ker-

res und Vervenne 2009, S2). Durch die Rückmeldung des Spiels kann daher das Verhalten des

Spielers gesteuert werden (vgl. Bormann und Kerres und Vervenne 2009, S3). Positive Bestäti-

gung erfährt der Spieler, wird sein Handeln vom Spiel als richtig akzeptiert, bei einer negativen

Rückmeldung des Spiels, fühlt sich der Spieler herausgefordert (vgl. Le und Weber 2011, S3). Je

nach individueller Frustgrenze des Spielers wird bei zu häufigem Misserfolg das Spiel abgebro-

Page 46: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 42

Serious Games als Integrationstool.

chen. Es ist Aufgabe des Spieldesigns die Balance zwischen Herausforderungen und Erfolgserleb-

nissen zu finden (vgl. Le und Weber 2011, S3f). In gut designten Computerspielen erweitern sich

die Möglichkeiten, aber auch der Schwierigkeitsgrad mit jedem Level (vgl. McGonigal 2012, S22).

So befindet sich der Spieler im Spannungsrausch permanent am Limit seiner Fähigkei-

ten gefordert zu sein. Sowohl Gamedesigner als auch Psychologen bezeichnen diesen Zustand

als „flow” (vgl. McGonigal 2012, S24). „Flow is exhilarating in the moment. It makes us feel

energized. A major flow experience can improve our mood for hours, or even days, afterward.”

(McGonigal 2012, S42). Wie bereits im Kapitel über die Spielwelt erläutert, versucht der Spieler

das Spiel vor Zerstörung und Außeneinflüssen zu schützen. Durch die Spannung die im Spiel-

flow erfahren wird, erweitert sich dieses Phänomen um den Wunsch in diesem flow zu verhar-

ren. Jegliche Sorgen und Probleme der Außenwelt sind vergessen und dennoch fühlt sich der

Spieler stark gefordert und zu gleich hoch motiviert (vgl. McGonigal 2012, S24). Aus historisch-

biologischer Betrachtung ist Flow nicht einfach oder schnell erreichbar. Flow ist im Alltag kaum

zu finden, die Spielwelten hingegen, bieten flow im Übermaß an. (vgl. McGonigal 2012, S35f).

Videospiele haben diesen Mangel nahezu aufgehoben. Die Videospieldesigner nahmen sich der

Grundelemente des flows an: ein Ziel, Hindernisse am Weg zu diesem und Regeln auf welche

Art die Hindernisse gemeistert werden dürfen, die Möglichkeit der Steigerung des Schwierig-

keitsgrades und die freiwillige Teilnahme am Spiel. Sie kombinieren diese mit direkten physika-

lischen Steuerungs- und Feedbackelementen, wie zum Beispiel dem Joystick und Monitor (vgl.

McGonigal 2012, S41).

Es wurde die Erkenntnis gewonnen: Je schneller der Aktion-Feedback-Kreislauf durch-

geführt werden kann, umso stärkere Emotionen werden ausgelöst. Auf diese Art wurde ein weit

schnellerer Lern-Belohnungs-Kreislauf erschaffen, als er bisher möglich war (vgl. McGonigal 2012,

S41). Oftmals können diese Empfindungen so stark sein, dass der Spieler den Zustand des flows nicht

verlassen will: sowohl das Spiel zu beenden, als auch das Spiel zu gewinnen sind für ihn keine Optio-

nen (vgl. McGonigal 2012, S24). Eine Besonderheit, die es zu nutzen gilt, wenn Spielen dem Lernen

dient. Le und Weber definieren verschiedene Lernprozesse, die in Lernspielen vielschichtig genutzt

werden können:

• Aktives Lernen: implizites Lernen durch einen ununterbrochenen Spielzyklus

• Konstruktives Lernen: empirisches Lernen durch das „Try-and-Error-Prinzip”

• Selbstgesteuertes Lernen: wird durch das Ermöglichen individuellen Vorgehens und

frei wählbarer Spieldauer begünstigt

Page 47: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 43

Masterarbeit von Katharina Wünschek

• Soziales Lernen: findet bei Mehrspielervarianten, Kooperationen oder Wettbewerben

statt, aber auch durch die Kommunikation und den Erfahrungsaustausch zwischen

Spielern statt

• Emotionales Lernen: baut auf die persönliche Identifikation mit dem Spielcharakter

auf und ermöglicht Selbstwirksamkeitserfahrungen und parasoziale Interaktionen

• Situiertes Lernen: geschieht durch das Vernetzen verschiedener Rollen und Spielset-

ting

(vgl. Le und Weber 2011, S4f)

Als deklaratives Wissen kann das Wissen um die Spielidee und das Wissen, das vorab zu

den Regeln eines Spiels besteht, bezeichnet werden. Nicht das gesamte Regelwerk eines kom-

plexen Spiels muss von Beginn verstanden oder bekannt sein. Mittels „Try and Error”-Prinzip

werden oftmals tiefer gehende Regeln zu Beginn oder aber auch im Spielverlauf erkundet (vgl.

Bormann und Kerres und Vervenne 2009, S3). Laut Jane McGonigal handelt es sich sogar bereits

um den Regelfall, das Spiel und seine Regeln erst im Lauf des Spielens kennenzulernen (McGo-

nigal 2012, S26f). Sie geht noch weiter und erläutert, dass ein gut designtes Spiel im besten Fall

kein Regelheft braucht. Diese Art des Herangehens an ein Spiel ist sehr konträr zu den Vorgän-

gern der heute designten Spiele. Es war üblich die Regeln und Ziele eines Spiels vorab durch

expliziten Wissenserwerb kennen zu lernen. Moderne Spiele nutzen das Element des Wissens-

gewinns um die Motivation beim Spieler immer wieder neu zu nähren. Durch den gezielten und

wohl portionierten Wissenserwerb - meist handelt es sich um Wissen über die Regeln, Zusam-

menhänge und Möglichkeiten innerhalb der Spielwelt - wird der Spieler schrittweise an das Ziel

herangeführt (McGonigal 2012, S27).

Oftmals helfen Tutorials oder Einführungsmissionen beim Erlernen der Grundlagen

eines Spieles, manches Mal findet der Spieler jedoch in Foren Hilfestellung zur Bewältigung

einer Problemstellung. Während es sich bei Tutorials um klar definierte Lernmodule zu Beginn

eines Spieles handelt, wird der Spieler bei Einführungsmissionen mitten in die Geschichte - die

Spielidee geführt und erlernt schrittweise das benötigte - Wissen über die Spielwelt und ihre Zu-

sammenhänge. Bei Ersterem wird das gesamte oder zumindest der Großteil der zu erlernenden

Informationen auf einmal erlernt. Bei Zweiterem werden Informationen vom Spiel erst preisge-

geben, wenn sie - um im Spiel weiterhin fortschreiten zu können - notwendig werden. Der für

das Lernen des Useres wichtige Schritt, ist das Umwandeln von deklarativen Wissen in prozedu-

ales Wissen, das Anwenden der Regeln (vgl. Bormann und Kerres und Vervenne 2009, S4).

Page 48: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 44

Serious Games als Integrationstool.

An dieser Stelle erläutern Bormann und Kerres und Vervenne, dass implizit erworbenes

Wissen für den Spieler meist schlecht explizierbar ist. Um eine gesellschaftliche Veränderung

durch ein Serious Game zu bewirken, müsste diese Problemstellung besondere Berücksichti-

gung finden. Denn wenn Menschen Lösungsansätze haben, sie aber nicht verbalisieren können,

fällt ein großer Multiplikator der Information aus. Die Autorin dieser Arbeit will in diesem

Zusammenhang darauf hinweisen, dass Spieler ihr Wissen über ihr Spiel bereitwillig mit

anderen Teilen. „Together with playing games, avid gamers read magazines and strategy guides,

visit websites and share their knowledge and experiences.” (Stapelton 2004, S5) Gameblogs und

-Foren sind voll von Hinweisen und „Tricks” die anderen Spielern das Vorankommen in einer

speziellen Mission oder im Spiel generell erleichtern. Dieses Wissen haben die Autoren im Re-

gelfall implizit erworben, sie teilen ihre eigenen Spielerfahrungen. Um dieses implizite Wissen

mit anderen Spielern kommunizieren zu können müssen sie es explizieren. Die Essenz ihrer

Spielerfahrung muss hierbei von anderen - für diese spezielle Aufgabenstellung irrelevanten -

Informationen getrennt werden. Weiters stellen sie sich der Herausforderung eine erstmalige

Formulierung für das bisher nur implizit vorhandene Wissen zu finden. Durch das Abgrenzen,

aus der Situation lösen und reflektieren des gewonnenen Wissens, vertiefen die Spieler dieses.

Sie besitzen in Folge sowohl implizites als auch explizites Wissen zum selben Sachverhalt.

Le und Weber leiten durch ihre Erläuterung der verschiedenen Lernprozesse ab, dass

implizites Lernen nicht als Lernen wahrgenommen wird und daher eine ideale Lernweise

darstellt (vgl. Le und Weber 2011, S5f). Die Autorin dieser Arbeit will hinzufügen, dass implizit

erworbenes Wissen unter Anderem auch ideal ist, weil es den Lernenden vor die Aufgabe des

explizierens stellt. Es liegt an ihm sein Wissen abzugrenzen, von irrelevanten Informationen

zu lösen und zu reflektieren um es in Folge artikulieren und kommunizieren zu können. Durch

diese zusätzliche Auseinandersetzung mit der Information und den Zusammenhängen dieser,

entsteht eine Vertiefung des Wissens.

Wenn der Spieler mit einer neuen Situation konfrontiert wird, bei welcher die bisher

erlernte Regelsammlung, von Schank und Abelson auch „Skript” genannt, keinen Erfolg be-

wirkt, muss der Spieler neues Wissen generieren (vgl. Bormann und Kerres und Vervenne 2009,

S4). Hierbei lässt sich der Weg der Wissensgewinnung entweder problemlösend oder explora-

tiv beschreiten (vgl. Klimmt nach Bormann und Kerres und Vervenne 2009, S4). Bei zweitem,

steigt der Spieler aus der Spielwelt aus und versucht die Problemlösung mittels explizitem

Wissen zu finden. Dieser Sprung, vom implizitem Wissen, das im Spiel erfahren und erlernt

Page 49: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 45

Masterarbeit von Katharina Wünschek

werden kann, aus der Spielwelt in einen expliziten Wissenserwerb, bedeutet für den Spieler eine

Situation expliziten Lernens (vgl. Le und Weber 2011, S4 und Bormann und Kerres und Verven-

ne 2009, S4). Um diesen Verlust des Spielmodus zu verhindern, werden im „didaktisch immersi-

ven Spieldesign”, nach Bopp bereits einige didaktische Hilfestellungs-Strategien verfolgt. Hierbei

kann Objekten ein Aufforderungscharakter zugeschrieben werden. Nach Ablauf einer gewissen

Phase, in welcher der Spieler die Aufgabenstellung nicht alleine lösen konnte, macht sich ein

Objekt im Spiel bemerkbar, welches nach Reaktion des Spielers zusätzliche Informationen zum

Lösungsweg anbietet (vgl. Bormann und Kerres und Vervenne 2009, S5). Auch die Methode der

„Passung” nach Heckhausen, zählt zu einem häufigen didaktischen Mittel in Lernspielen. Hierbei

wird das Steigen des Schwierigkeitsgrades an das Leistungsniveau des Spielers beziehungsweise

Lernenden angepasst. Das implementieren eines „non-player-characters”, auch „NPC”, kann

dem Spieler durch Beobachtung jenes oder anderer Spieler ebenso Aufschluss über einen mög-

lichen Lösungsweg geben (vgl. Bormann und Kerres und Vervenne 2009, S5). Das Einbetten

des Spiels in eine Lernsituation ist gleichbedeutend mit dem bewusst gesteuerten Wechsel des

Spielers von implizitem Lernen zu explizitem Lernen. Ein „De-Briefing” nach Dewey wäre ein

solches Beispiel. Zu Grunde liegt diesem Spieldesign die Theorie, dass Erfahrung in Kombina-

tion mit Reflexion den Lerneffekt ergibt (vgl. Bormann und Kerres und Vervenne 2009, S9f).

Abgesehen vom zusätzlichen Zeitaufwand, den dieses Design bedeutet, wird der Wechsel in das

explizite Lernen vom Spieler meist als störend empfunden.

Ein weiteres Konzept versucht einen Balanceakt aus Einbindung von didaktischen

Wissensüberprüfungen in die Spielwelt. Hierbei wird eine Aufgabenstellung als Hürde imple-

mentiert. Erst wenn das thematische Wissen erworben wurde und die Aufgabe gelöst wurde,

kann das Spiel fortgesetzt werden (vgl. Bormann und Kerres und Vervenne 2009, S11f). Der Un-

terschied zur Einbettung des Spiels in eine Lernsituation besteht darin, dass zwischen Wissens-

überprüfung und Erzählbogen des Spiels ein Zusammenhang besteht. Somit wird der Spieler

besser in der Spielwelt gehalten (vgl. Bormann und Kerres und Vervenne 2009, S11f). Auch bei

diesem didaktischen Konzept wird das explizite Lernen meist als störend empfunden, der Spieler

kann jedoch schneller wieder fortfahren und ein implizites Lernen fortsetzen. Das didaktisch-

immersive Lernkonzept von Bopp versucht eben diese Unterbrechung des impliziten Lernens zu

verhindern (vgl. Bormann und Kerres und Vervenne 2009, S9f). Daraus ergibt sich, „[...] dass

der Wechsel in einen Modus expliziten Lernens in einem Spiel eher vermieden wird, und nur als

kurze Unterbrechung akzeptiert wird [...]” (Bormann und Kerres und Vervenne 2009, S11 und

vgl. Le und Weber 2011, S4).

Page 50: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 46

Serious Games als Integrationstool.

3. Serious Games als Integrationstool

3.1 Spiel, Kultur, Realität und Ernst

Nicht nur die Beziehungen der Spieler und Nichtspieler sind durch das Spiel beeinflusst, wie im

Kapitel Spielwelt und Spielregel erläutert, Johan Huizingas große These in Homo Ludens besagt,

dass die Kultur selbst ihren Ursprung im Spiel hat (vgl. Huizinga 2013, S12ff). Und dies nicht im

Sinn eines Entwicklungsprozesses, indem sich Kultur aus Spiel entwickelt, sondern viel mehr,

dass was später Kultur ist, zu Beginn gespielt wurde (vgl. Huizinga 2013, S56ff). Laut ihm sind

die „großen ursprünglichen Betätigungen des menschlichen Zusammenlebens [...] alle bereits

von Spiel durchwoben” (Huizinga 2013, S12) „In Mythos und Kult aber haben die großen Trieb-

kräfte des Kulturlebens ihren Ursprung: Recht und Ordnung, Verkehr, Erwerb, Handwerk und

Kunst, Dichtung, Gelehrsamkeit und Wissenschaft. Auch diese wurzeln somit sämtlich im Bo-

den des spielerischen Handelns.” (Huizinga 2013, S13). Ausgehend von dieser Spielhaftigkeit der

Kultur stellt sich der Konflikt, der sich zwischen verschiedenen Kulturen der Mehrheits- und

Minderheitsgesellschaft ergibt neu dar. Es sind verschiedene Spielformen, die von ihren Spielge-

sellschaften geschützt und verteidigt werden. Zur Lösung dieser Konflikte gilt es ein gemeinsa-

mes Spiel zu finden, eine Kultur des Miteinanders zu etablieren und zu pflegen.

Weiters lässt sich auch die Sprache, eine unserer fundamentalsten Kulturerrungen-

schaften und zugleich eines unserer größten Hindernisse, wenn es um Integration von Migran-

ten und Migrantinnen geht, als spielerisch verstehen (Huizinga 2013, S12f). Sprache nutzen wir

nicht lediglich zur Kommunikation, sie dient der Unterscheidung, der Feststellung, Betitelung

und vielem mehr. Wir bewegen uns spielerisch zwischen Stofflichem und Gedanklichem hin

und her und beherrschen verschiedene Abstraktionsgrade der Sprachen, denn in „[...] jeder Me-

tapher steckt ein Wortspiel.” (Huizinga 2013, S13). Zum Beispiel wird im Fall von Scrabble Buch-

stabieren durch das Erreichen von Punkten und den Wettbewerb um die höchste Punktezahl, zu

einem Spiel. Als besonders wichtig für die Fragestellung dieser Arbeit stellt sich folgendes Zitat

von Johan Huizinga aus seinem Werk Homo Ludens heraus:„Die Spielgemeinschaft hat allgemein

die Neigung, eine dauernde zu werden, auch nachdem das Spiel abgelaufen ist. Nicht jedes Mur-

melspiel oder jede Bridgepartie führt zur Bildung eines Klubs. Das Gefühl aber, sich gemeinsam

in einer Ausnahmestellung zu befinden, sich zusammen von den anderen abzusondern und sich

Page 51: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 47

Masterarbeit von Katharina Wünschek

den allgemeinen Normen zu entziehen, behält seinen Zauber über die Dauer des

einzelnen Spiels hinaus.” (Huizinga 2013, S21) Eben diesen Effekt gilt es bei einem

Serious Game zur Integration von Migranten und Migrantinnen zu nutzen. Ab-

gesehen von einem kollektiven Gedächtnis werden die Beziehungen der Akteure

zueinander durch die gemeinsam gesammelten Erfahrungen bestimmt. Wie sich

in dieser Arbeit bereits gezeigt hat, können Erlebnisse, Wissen und Erfahrungen,

die in der Spielwelt erarbeitet, beziehungsweise erlebt werden, in die „gewöhnliche

Welt” übergreifen. Zusätzlich dazu ergibt sich also ein Zusammengehörigkeitsge-

fühl zwischen den Spielern, durch das Spielen selbst. Jede Form des sozialen Spiels

kann „im vollsten Ernst verrichtet werden” (Huizinga 2013, S27). So können im

Spiel erlernte Regeln bereits in der Spielwelt absolut ernst genommen werden.

3.1.1 Trash-Talk: Rassismus und Frauenfeindlichkeit

Die Frage nach dem Ernst im Spiel ist für diese Arbeit im Zusammenhang mit

Rassismus, Frauenfeindlichkeit und generellen Angriffen gegenüber Minderhei-

ten in Massively Multiplayer Online Role-Playing Games (MMORPGs) besonders

relevant. Einige Forschungsschriften untersuchen, unter welchen Umständen

oder durch welche Entwicklungen Hasstiraden in Konsolenspielen, MMORPGs

oder aber auch in Casual-Games entstehen können. Dass einen in Chats oder via

integrierter Voiceverbindung obszöne, diskriminierende und beleidigende Kom-

mentare erwarten können, ist allseits bekannt. Zum Beispiel kam es zwischen

Taiwanesischen und Chinesischen Spielern, die sich einen Server teilten um World

of Warcraft zu spielen, zu offenen nationalistischen Konfrontationen. Hierbei

wurden die Chinesischen Spieler als „Immigranten im Server” beschimpft und nach

Möglichkeit im Spielverlauf behindert (vgl. Nakamura 2014, S86). Aber nicht nur

die Kommunikation zwischen Spielern und Spielerinnen transportiert Rassismus,

Frauenfeindlichkeit und Aggression gegenüber Minderheiten, sondern auch das

Spieldesign selbst. Zum Beispiel im Spiel Grand Theft Auto werden schwarz- und

braun-häutige menschliche Figuren deutlich als Ziele angeboten, als gewalttätig

dargestellt und stereotypisiert (vgl. Nakamura 2014, S85).

Page 52: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 48

Serious Games als Integrationstool.

Die bereits erwähnten Hasstiraden werden allgemein und im Besonderen unter Spielern

und Spielerinnen als „Trash-Talk” bezeichnet: „[...] an intristic part of the competitive culture of

video game tournaments, but that it was »not the same« as racism.” (Nakamura 2014, S86). Lisa

Nakamura betont in ihrem Aufsatz Gender and Race Online jedoch, dass Spiele nicht nur die Vor-

stellung von alternativen Lebensformen kultivieren, sondern zugleich auch das Werkzeug für

deren Realisierung sein könnten. Viele Spieler und einige Spielehersteller argumentieren, dass

Trash-Talk keiner weiteren Interpretation und Analyse bedarf, da es ihm an Bedeutung fehle.

Doch Paul Watzlawicks Kommunikationsgesetz: „Man kann nicht nicht kommunizieren” und

„Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt [...]” (Watzlawick 2007,

S53ff) gilt auch für die digitale Kommunikation. Die Bezeichnung „Trash-Talks”, erweckt den

Eindruck, es sei allen bewusst, dass die Inhalte verwerflich sind und dem entsprechend in den

sinnbildlichen Papierkorb gehören. Dennoch verteidigen manche Spieler sogar öffentlich und

nicht anonymisiert in Interviews die Schimpfgespräche (vgl. Nakamura 2014, S88ff).

Fat, Ugly or Slutty? ist ein Projekt, bei dem derartige verbale Angriffe gesammelt und

veröffentlicht werden. Die Plattform will Spieler und Spielerinnen auf diese Art vor diskrimi-

nierenden, verletzenden Spielern schützen. In erster Linie erlangt die Plattform jedoch Auf-

merksamkeit für die Thematik und ermutigt Opfer ihre Geschichte zu teilen (vgl. Fat, Ugly or

Slutty 2015). Mitunter auch durch Fat, Ugly or Slutty? entstand eine Diskussion zum Thema auf

Kotaku, einem der beliebtesten Gameblogs (vgl.Yannick LeJacq 2015 und Hernandez 2015). Nicht

nur aufgrund von einschlägiger Fachliteratur, sondern auch aufgrund der in dem Blog entstan-

denen Kommentare und Diskussionen scheint die Zeit gekommen zu sein, Hassreden in Spielen

nicht nur zu diskutieren sondern einen Schritt weiter zu gehen und ein Spiel zu kreieren, das in

diesem Thema einen Gegenpol zu den bisherigen Spielen bildet.

Ein Serious Game, das Integration von Migrantinnen und Migranten als Kernthema hat,

und hierbei interkulturelle Integration fördern will, muss sich - sollte es die Möglichkeiten eines

Spielchats oder einer Voiceverbindung haben - auch mit Trash-Talks auseinandersetzen. Nicht

nur aufgrund der eigenen Thematik muss sich ein solches Spiel gegen Trash-Talks aussprechen.

Die Intention von Serious Games ist es im Spiel eine Verhaltensänderung der Spieler, ein Um-

denken zu erreichen und so seine Wirkung aus der Spielwelt in die Realität zu transferieren. Wie

bereits im vorangegangenen Kapitel erläutert, wurzeln Recht und Ordnung mitunter im Spiel

(vgl. Huizinga 2013, S13). Angesichts dieser Erkenntnis muss Rassismus, Frauenfeindlichkeit

und alle weiteren, unserer Gesellschaft schädlichen, Entwicklungen in Spielgesellschaften ab

Page 53: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 49

Masterarbeit von Katharina Wünschek

einem gewissen Moment diskutiert, analysiert und in Angriff genommen werden. Ein Serious

Game zur interkulturellen Integration könnte folglich auch das erste Spiel sein, das aufgrund

der Themenverwandschaft für Antitrash-Talks in Spielen steht. Die wachsende Gruppe der

Opfer und damit auch Gegner von Trash-Talks, bilden eine Spielergruppe denen der respektvol-

le Umgang miteinander im Sinne von Unity within Diversity wichtig ist. Das bereits skizzierte

Portal Fat, Ugly or Slotty? dient als Dokument dieser Entwicklung.

3.2 Reality is Broken

Das von Jane McGonigal verfasste Buch Reality is Broken umfasst ein breites Spektrum an The-

sen, Beobachtungen und Schlussfolgerungen. Die Grundaussage ist jedoch: Die Realität ist im

Vergleich zur Spielwelt beschädigt. Diese Erkenntnis, ist nicht ganz neu, bereits im Jahre 1975

zeigte Csíkszentmihályi auf, dass die Realität mehr wie ein Spiel sein sollte (vgl. McGonigal 2012,

S37). Im Problem sieht McGonigal zugleich die Lösung. Sie erläutert, auf welche Art die Reali-

tät unser alltägliches Leben und die vielen kleinen und großen Problemstellungen darin durch

Spiele gelöst und verbessert werden können.

In den folgenden Absätzen wird umrissen um welche Probleme und Zusammenhänge

es sich hierbei handelt. Die Realität kann aus verschiedenen Gründen beschädigt sein. Migrati-

onswellen und die damit einhergehende Unsicherheit, Verzweiflung und Angst - sowohl in der

Mehrheits- als auch in der Minderheitsgesellschaft - können eine jener Problemstellungen sein,

deren Lösung im Spiel spannend und herausfordernd sind.

3.2.1 Massen-Exodus in virtuelle Welten

Zunehmend mehr Menschen spielen zunehmend länger. Sie suchen im Spiel eine Bestätigung,

eine Herausforderung, ein Erfolgserlebnis, einen Rausch der Emotionen. Sie suchen im Spiel,

was sie im Alltag nicht finden. Dieser Zuwachs an Spielern und die rasant steigende Zeit, die

Spieler in der Parallelwelt des Spieles verbringen ist bedenklich. Schließlich nehmen sie in

dieser Zeit an ihrem direkten Umfeld, an der „realen” Welt nicht teil. Sie engagieren sich nicht

in Nachbarschaftsvereinen, sie gehen keinem anderen Hobby nach, sie schotten sich von einer

Welt ab und tauchen in eine andere ein (vgl. Castronova 2007, S XIV-XVII). Edward Castronova,

einer der führenden Wissenschaftler für Wirtschaftswissenschaften im Zusammenhang mit

Page 54: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 50

Serious Games als Integrationstool.

virtuellen Welten, formuliert ganz klar: „You can‘t pull millions of person-hours out of a society

without creating an athmospheric-level event. If it happens in a generation, I think the twenty-

first century will see a social cataclysm larger than that caused by cars, radio, and TV, combined.”

(Castronova 2007, S XIV-XVII). Castronova betitelt dieses Phänomen als Exodus aus der realen

in eine virtuelle Welt.

Tatsächlich wird weltweit in Summe mehr als 3 Billionen Stunden in der Woche digital

gespielt (vgl. McGonigal 2012, S6). Es werden 183 Millionen aktive Spieler gezählt, die angeben

durchschnittlich 13 Stunden in der Woche zu spielen. Die Online-Gamer-Community zählt

mehr als 4 Millionen Spieler im mittleren Osten, je 10 Millionen in Russland, Vietnam und

Mexiko, 13 Millionen in Zentral- und Südamerika, 15 Millionen in Australien, 17 Millionen in

Süd Korea, 100 Millionen in Europa, 105 Millionen in Indien und ganze 200 Millionen in China,

die via Konsole, PC oder Mobilgeräten spielen (vgl. McGonigal 2012, S3). Ab einer wöchentli-

chen Spieldauer von etwa 20 Stunden lässt sich ein Phänomen namens gamer regret beobachten.

Hierbei ereilt den Spieler erstmals das Gefühl, er verpasse „Etwas” in der realen Welt (vgl. McGo-

nigal 2012, S43). Ein durchschnittlicher World of Warcraft-Spieler wendet 25 Stunden die Woche

auf - gleich zu setzen mit einem Teilzeitjob - um Fortschritte in der WoW-Welt zu erzielen (vgl.

McGonigal 2012, S54). Der Spielentwickler von WoW - Activision Blizzard - erzielt geschätzte 5

Millionen US$ täglich, alleine durch die monatlich notwendige Gebühr, die Spieler zahlen müs-

sen um Zugang zur Spielwelt zu erlangen (vgl. McGonigal 2012, S53). Die World of Warcraft - Ge-

meinde ist in vielerlei Hinsicht beeindruckend. Addiert man die verbrachte Spielzeit aller Spieler

weltweit zusammen, haben WoW-Spieler, seit Beginn des Spiels im Jahr 2004, bereits über 5.93

Millionen Jahre gespielt. Jane McGonigal setzt diese schwer begreifbare Zahl in einen Vergleich:

„5.93 million years ago is almost exactly the moment in history that our earliest human ancestors

first stood upright.” (McGonigal 2012, S52)

Dies ist weder das erste noch das letzte Mal, dass sich große Massen aus der Realität in

eine Parallelwelt, in ein Spiel bewegen, betont Mihaly Csikszentmihalyi in seinem Buch Finding

Flow (vgl. Csikszentmihalyi 1997, S70). Damit nimmt er Bezug auf Herodots Geschichte der Ly-

dier. Herodot beschreibt die große Hungersnot und Armut, die während des Persischen Krieges

in Asia Minor herrschten. Atys, der König der Lyder beschloss, dass sein Volk abwechselnd spie-

len und essen soll. An einem Tag widmete man sich ausschließlich dem Spiel und verzichtete

auf Nahrung. Am Anderen wurde nach Möglichkeiten dem Tagewerk nachgegangen und geges-

sen, aber nicht gespielt. Die Ablenkung und Spannung, so wie Fiero und Flow, machten die Not

Page 55: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 51

Masterarbeit von Katharina Wünschek

der Lyder erträglich (vgl. Csikszentmihalyi 1997, S70 und McGonigal 2012, S5f). Laut Herodots

Geschichte überstanden die Lydier 18 Jahre auf diese Weise. Unabhängig davon ob, die Geschich-

te einen wahren Kern hat oder frei erfunden ist, veranschaulicht sie die Kraft und den Einfluss,

den Spiele auf unser gesellschaftliches Leben haben können. Ein weiteres historisches Beispiel

kommt aus dem Byzantinischen Reich. Um die Bevölkerung bei guter Laune zu halten wurden

große Rennen veranstaltet. Den Gewinnern dieser gefährlichen Rennen war Reichtum, Ruhm

und Ehre versprochen (vgl. Csikszentmihalyi 1997, S70). Es lassen sich einige weitere Beispiele

finden. Derartige Massen-Exodi waren, anders als Castronova, dies in seinem Buch Exodus to the

Virtual World darstellt, nur bedingt eine Flucht aus der Realität. Das bewusst eingesetzte Instru-

ment Spiel ließ Völker Krisen überstehen.

3.2.2 Search for Happiness

Weltweit verspüren Menschen Hunger nach zufriedenstellenderer Arbeit, nach besserem Zu-

sammenhalt und bedeutungsvollerem Leben (vgl. McGonigal 2012, S6f). Oder sie suchen, wie

die Lyder in Herodots Erzählung nach einer Möglichkeit, von ihren Problemen zu fliehen. In

den Erste-Welt-Staaten wird der Trend der Beschleunigung deutlich sichtbar. Müßiggang wird

oftmals als Trägheit oder Faulheit abgetan und ist in einer Leistungsgesellschaft nicht mehr

erlaubt (vgl. Sorglos 2011-2012). Einst trat dieser Zustand ein, wenn das Tagewerk vollbracht war.

Damals hatte die To-Do-Liste noch ein Ende. Nicht zuletzt durch Arbeitsteilung und in Globali-

sierung verliert der arbeitende Mensch den Moment, in welchem die Arbeit vollbracht ist. Nur

wenige Menschen kommen noch in den Genuss ein Werk von Beginn bis Ende begleiten zu

dürfen. Meist werden halbfertige Produkte von einer Hand in die Nächste gereicht - ein Doku-

ment von mehreren Mitarbeitern gleichzeitig bearbeitet. Das Erfolgsgefühl etwas fertiggemacht,

etwas geschafft zu haben bleibt gänzlich aus (vgl. McGonigal 2012, S59).

Ähnlich begründet Clark Abt in seinem Buch Serious Games die erholsame Wirkung in

Spielen. Im Spiel werden Gedanke und Handlung wieder vereint. Das direkte Feedback, dass ein

Spiel dem Spieler auf seine Handlung gibt, setzt er in den Kontrast der zunehmend abstrakten

Welt (vgl. Abt 1987, S3). „As civilisation evolves toward highly technological societies, the ability

to use abstractations becomes more and more necessary for people to function effectively.” (Abt

1987, S3) Die griechische Philosophie verstand unter der Einheit von Denken und Handeln sogar

einen Idealzustand des Menschen. Durch das Spiel können Menschen, diese enge Verbindung

Page 56: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 52

Serious Games als Integrationstool.

wieder erleben (vgl. Abt 1987, S4). Es gibt in der realen Welt kein Ende des Levels, keine zu er-

reichenden Zwischenziele und damit auch keine Bestätigung sich am richtigen Weg zu befinden.

Die Menschheit hungert nach eben dieser Bestätigung, nach dem erlösenden Gefühl, Etwas

vollbracht zu haben und nach dem Gefühl des Flows, der durch die Einheit von Gedanke und

Aktion entwickelt wird. Die Spielwelt stillt dieses Verlangen (vgl. McGonigal 2012, S6).

Zusammenfassend lässt sich die zunehmende Bewegung in virtuelle Welten wie folgt

erklären: „The real world just doesn‘t offer up as easily the carefully designed pleasures, the

thrilling challenges, and the powerful social bonding afforded by virtual environments. Reality

doesn‘t motivate us as effectively. Reality isn‘t engineered to maximize our potential. Reality

wasn‘t designed from the bottom up to make us happy.” (McGonigal 2012, S3). Die reale Welt ist,

im Vergleich zu Spielwelten beschädigt.

Auch die Art der Erholung - wenn wir sie uns gönnen - ist oftmals nicht optimal. Alle

„Aktivitäten”, die als erholsam und entspannenden gelten wie zum Beispiel Fernsehen, in der

Sonne liegen, Schokolade essen oder Window-Shopping, verbessern unseren Gemütszustand

nicht. Oftmals ist sogar das Gegenteil der Fall, nach derartiger „Erholung” fühlen sich viele

Menschen motivationslos und unsicherer als zuvor (vgl. McGonigal 2012, S31). „One of the most

common findings of ESM research is that what we think is «fun» is actually mildly dipressing.”

(McGonigal 2012, S31) oder um Noël Coward zu zitieren: „Work is more fun than fun.”

Die Beziehung zwischen harter Arbeit, der daraus resultierenden intrinsischen Beloh-

nung und dem damit erzielten längerfristigen Glück sind wissenschaftlich durch viele Studien

und Experimente bewiesen (vgl. Lyubomirsky 2008, S64). Unter den Quellen des Glücks wird

zwischen Extrinsischen und Intrinsischen unterscheiden. Zu den extrinsischen Quellen gehö-

ren zum Beispiel materielle Güter, Geld, Status und Anerkennung. Werden diese erlangt, so

stellt sich ein Glücksgefühl ein, welches jedoch nicht von langer Dauer ist. Das Streben nach

extrinsischen Quellen selbst, verhindert bereits das Erlangen längerfristigen Glücks (vgl. McGo-

nigal 2012, S45). Dieses ist das Ergebnis der intrinsischen Quellen, wie zum Beispiel persönliche

Stärke, soziale Kontakte und die positiven Emotionen, die durch ein starkes Engagement an der

Umwelt entstehen können. Der Fokus liegt hierbei auf der eigenen inneren Balance, auf Selbst-

motivation und Selbstbestätigung (vgl. McGonigal 2012, S45). Bei autotelischen Aufgaben wird

die größte Zufriedenheit und Freude empfunden. Das starke Engagement, das dem Selbstzweck

dient, macht glücklich (vgl. McGonigal 2012, S45f). Jane McGonigal untergliedert die intrinsi-

schen Quellen in vier Gruppen:

Page 57: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 53

Masterarbeit von Katharina Wünschek

• Befriedigende Arbeit: Mit befriedigender Arbeit ist ein im besten Fall in sich ge-

schlossener Arbeitsprozess gemeint, eine Tätigkeit, die es dem Menschen ermöglicht

das direkte Resultat seiner Bemühung zu begreifen. Welche Tätigkeit diesen Effekt hat,

ist individuell unterschiedlich (vgl. McGonigal 2012, S49f). In diesem Zusammenhang

wird jedoch oftmals handwerkliche Arbeit assoziiert (vgl. Csikszentmihalyi 1997, S58ff).

Wie bereits im vorangegangenen Kapitel ausführlicher geschildert, geht diese Sorte

Arbeit zunehmend verloren.

• Die Erfahrung, oder zumindest die Hoffnung, erfolgreich zu sein: Das Gefühl

eines Triumphes, aber auch die bloße Hoffnung diesen zu erreichen, sind starke intrin-

sische Motivatoren. Der Mensch will im Allgemeinen optimistisch sein, im Besonderen

wenn es um die Einschätzung seiner Chancen geht (vgl. McGonigal 2012, S49). Hierzu

gehört auch das Gefühl, sich in einen Bereich zu verbessern, Lohn und Bestätigung zu

bekommen und damit auch die Hoffnung, sich am richtigen Weg zum Ziel zu befinden.

• Soziale Kontakte: Menschen sind stark soziale Wesen. Sogar die introvertiertesten

unter ihnen, verspüren eine Befriedigung, verbringen Sie Zeit mit anderen Menschen,

die sie mögen. Das liegt daran, dass der Mensch seine Erfahrungen teilen will und die

Bindungen zu Anderen stärken will. In Folge werden Aktivitäten, die eine Bedeutung

für das gemeinsame Wohl haben, auch gerne gemeinsam verrichtet (vgl. McGonigal

2012, S49).

• Bedeutsamkeit: Menschen wollen Bedeutsamkeit erlangen und ein Mitglied von epi-

schen Geschichten und Entwicklungen sein. Das Gefühl ein Teil von etwas Größerem,

Bedeutungsvollen zu sein, dessen Wert und Haltbarkeit über das eigene individuelle

Leben hinaus geht (vgl. McGonigal 2012, S49f).

Dies sind, abgesehen von den überlebensnotwendigen Bedürfnissen wie Nahrung, Si-

cherheit und Fortpflanzung, die stärksten Motivatoren, die uns antreiben können. Intrinsische

Glücks-Quellen sind außerdem erstaunlich resilient und erneuerbar. Dennoch gibt es bereits

zahlreiche „Abkürzungen” zum „schnellen Glück”. Drogen- oder Alkoholmissbrauch, extrem

fettes oder süßes Essen und Kaufsucht sind „shortcut happiness behavior”, wie es Jane McGonig-

al schildert. Diese Verhaltensweisen steigern sich spiralartig und können schnell außer Kontrol-

le geraten.

Der Hunger nach Flow und Fiero kann nur kurzfristig extern befriedigt werden (vgl.

McGonigal 2012, S48). Die Realität bietet viele extrinsische Quellen an, das Spiel legt den

Page 58: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 54

Serious Games als Integrationstool.

Schwerpunkt auf intrinsische Glücklichmacher. Die Missionen und Arbeitsaufträge, die uns

Spiele geben ermöglichen es uns in Etwas erfolgreich zu sein. Durch klare Strukturen im Spiel

und die Möglichkeit diese Erlebnisse mit anderen Menschen zu teilen, kann ein besonderes

Gefühl entstehen: „[...] if we play a game long enough, with a big enough network of players, we

feel a part of something bigger then ourselves - part of an epic story, an important project, or a

global community.”

Der Wunsch ein Mitglied einer großen Gemeinschaft zu sein, die ein gemeinsames Ziel

verfolgt existiert auch in der realen Welt. Dennoch sind Integrationsprozesse oftmals konflikt-

behaftet. Das Schaffen einer harmonischen großen Gesellschaft, eines Miteinanders anstelle des

Gegeneinanders, funktioniert im Spiel. „Good games are productive. They‘re producing a higher

quality of life.” (McGonigal 2012, S51) Spiele zeigen einen Weg auf, den es in die Realität zu trans-

ferieren gilt (vgl. McGonigal 2012, S36).

Page 59: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 55

Masterarbeit von Katharina Wünschek

3.2.3 Spielen ist Arbeit

Jane McGonigal widerspricht Edward Castronova und seiner Exodus-Theorie. Ihr zu folge

entfliehen Spieler nicht der realen Welt, sondern stürzen sich in virtuelle Welten um aktiv und

selbstbestimmt ihrem realen Leben mehr Zufriedenheit, mehr intrinsisches Glück zu geben

(vgl. McGonigal 2012, S51). Um dieses, über die Spieldauer hinaus anhaltende Glücksgefühl

zu erlangen stellen sich Spieler im Spiel „unnotwendigen” Hindernissen. Sie leisten eine Art

Mehrarbeit. Sie lösen Probleme, mit denen sie sich eigentlich nicht befassen müssten. Unter Be-

rücksichtigung dieser Perspektive auf Spieler, ist nichts Verwerfliches, nichts Faules, der Realität

entfliehendes oder gar Betrügerisches, Zwielichtiges mehr am Spielen zu finden. Spieler sind

Freiwillige für harte Arbeit, die sich ehrlich für ein Ergebnis engagieren (vgl. McGonigal 2012,

S27). Jane McGonigal schlägt vor zunehmend dieses Engagement zur Lösung von weltbewegen-

den Problemen einzusetzen.

Mental schwere Arbeit und komplizierte Problemstellungen werden schnell als Stress

und Belastung empfunden. Der easy fun, der als Ausgleich dienen soll, führt jedoch meist zu

Depression und Langeweile. McGonigal empfiehlt hard fun, die Erfahrung von positiven Stress

auch Eustress genannt. Es handelt sich hierbei biologisch und neurologisch betrachtet um die

gleichen Prozesse wie bei negativem Stress: Es wird Adrenalin produziert, der Blutfluss zum Ge-

hirn wird vermehrt, das Belohnungssystem wird alarmiert (vgl. McGonigal 2012, S31f). Der Un-

terscheid zwischen positivem- und negativem Stress liegt in unserem Gemütszustand. Durch die

freiwillig gewählte Herausforderung im Spiel hat der Spieler während des Spieles eine positive,

erwartungsvolle Haltung. Im Gegensatz zu negativem Stress, der in Verbindung mit Angst vor

dem Scheitern oder vor Gefahren steht. Während negativer Stress Zorn, Ärger und den Wunsch

aus der Situation zu fliehen wecken kann, erzeugt Eustress einen optimistischen Energieschub,

hohe Motivation und hohes Interesse (vgl. McGonigal 2012, S31f).

Zusammenfassend ist fest zu halten, dass Menschen, gegenteilig zu herkömmlichen Annah-

men, lieber hart an einer Problemlösung arbeiten, als unterhalten zu werden. Während zum Beispiel

Menschen die fernsehen, anderen Menschen bei Aktivitäten zusehen und lediglich erfahren, was die

Konsequenz dieser Aktivitäten für jene Menschen ist, führen Spieler die Aktivität selber aus und erle-

ben die Resultate mit einem Selbstbezug (vgl. Klimmt 2009, S260). Diese These unterstreicht der Fakt,

dass Spieler weltweit am wenigsten Fernsehen (vgl. McGonigal 2012, S33). Ben-Shahar erläutert den

Grund dafür: „We‘re much happier enlivening time rather than killing time.” (Ben-Shahar 2007, S77)

Page 60: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 56

Serious Games als Integrationstool.

3.3 Spielen verbessert die Welt

Bereits heute stillen Spiele menschliche Grundbedürfnisse, die in der „realen” Welt nicht mehr

ausreichend oder nicht leicht genug gestillt werden können. Spiele geben Menschen Ziele, He-

rausforderungen, Motivation und Erfolgserlebnisse. Spiele lehren und inspirieren die Mensch-

heit auf eine intensive Art, die in der „realen” Welt ihres Gleichen sucht. Des Weiteren bringen

sie Menschen auf spezielle Art zusammen (vgl. McGonigal 2012, S4).

Keine andere Branche versteht sich so gut darauf zu großen Leistungen zu motivieren,

mehr noch zu inspirieren und harte Arbeit zu belohnen, wie die Gameindustrie. Permanent

werden neue Wege gefunden um Spieler weiter am Spielen zu halten, die Motivation nicht abrei-

ßen zu lassen. Spieldesigner trauen ihren Spielern zunehmend härteren Herausforderungen zu

und motivieren zu längeren Spielsessions mit zunehmend mehr Spielern. Genau dieser Trend in

der Gameindustrie, schafft ideale technische Bedingungen für ein Integration thematisierendes

Spiel. Um kulturelle Unterschiede abbilden zu können und ein Gemeinschaftsgefühl in einem

Spiel entstehen zu lassen, ist die Technologie von Multipayer- und Massively-Multiplay-Games

grundlegend. Auf diese Art kann, die Welt verändert werden (vgl. McGonigal 2012, S13). Die Be-

gegnung zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft kann in einem Spiel aus mehreren

Gründen besser verlaufen, als in der Realität:

3.3.1 Im Spiel existiert keine Angst vorm Scheitern

Wenn wir spielen befinden wir uns in einer emotional intensiven und grund-positiven Stim-

mung. Jane McGonigal schreibt: „When we are in a concentrated state of optimistic engagement,

it suddenly becomes biologically more possible for us to think positive thoughts, to make social

connections, and to build personal strengths. We are actively conditioning our minds and bodies

to be happier.” (McGonigal 2012, S28). Ängste jeder Art können so abgefangen oder zumindest

gelindert werden. Innerhalb eines Spieles existiert keine Versagensängste.

Erst durch den Kontakt der Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft in ein und dem selben Spiel,

kann dieser positive Effekt der Spielwelt in Kraft treten. Eine Begegnung, bei der keine Angst

vor Ablehnung, keine Angst vor einem Fehler, einer politischen Unkorrektheit existiert. In der

Spielwelt kann ungezwungen auf einander zugegangen werden. Durch die im Spiel entstehen-

de Selbstsicherheit, könnte vielen Missverständnissen vorgebeugt werden. Auch Tabuthemen

Page 61: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 57

Masterarbeit von Katharina Wünschek

anzuschneiden oder vermeintlich unangenehme Fragen zu stellen, ist durch die Möglichkeit

der Anonymität aber auch durch die bereits erläuterte optimistische Grundeinstellung in der

Spielwelt möglich.

3.3.2 Im Spiel existiert keine Angst vor Gefahren

Wie bereits im Kapitel Spiel als Massenmedium erläutert, kann die mediale Botschaft von Verän-

derung als Angriff auf die bestehenden Verhaltensmuster empfunden werden. „Messages that

suggest a change [...] can thus appear as a threat to recievers’ self-image, as uncomfortable, and

even embarrassing.” (Klimmt 2009, S256) Die Zielgruppe kann sich in diesem Fall der Botschaft

verschließen. Die Stärke des Spieles liegt in diesem Fall darin, nicht als bedrohlich wahrgenom-

men zu werden. Auf diese Art kann verhindert werden, dass sich die Zielgruppe, noch bevor sie

die Botschaft erreicht hat, gegen den Wandel stellt (vgl. Klimmt 2009, S256). Die „Bedrohung”

durch die fremde Kultur, existiert in der Spielwelt somit nicht, es sei denn, das Spiel ist dahinge-

hend designt. Es gibt tatsächlich einige Simulationsspiele, die Kriege und Wirtschaftgeschehnis-

se dahingehend simulieren, dass es das Ziel ist sein eigenes Volk, vor der Vernichtung durch den

Gegner - einem anderen Volk - in diesem Fall der Computer oder ein anderer Spieler, zu schüt-

zen. Zum Beispiel in einem der erfolgreichsten Computerspiele der 1990er Jahre, Die Siedler ging

es um Folgendes: Wer schneller expandiert, Land einnimmt, Handel treibt und Kriege führt,

gewinnt. Aber auch die Spielserie Anno 1701, die sich um etliche „Jahreszahlen” erweitert, hatte

ähnlichen Charakter. Serious Games wie Global Conflicts - Palestine der dänischen Firma Serious

Games Interactive zeigen hingegen einen anderen Umgang mit dem Medium Spiel.

Abbildung 5: Global Conflits Palestine (Visual Software Systems Ltd. 2015)

Abbildung 6: Global Conflicts: Palestine (Haenni 2015)

Page 62: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 58

Serious Games als Integrationstool.

Die Beispiele sollen aufzeigen, dass ein Umdenken in der Spieleentwicklung stattfin-

det. Spiele werden zunehmend ernst genommen (vgl. McGonigal 2012, S27). Der einzigartige

Zustand von hoher geistiger Aktivität, gepaart mit Optimismus und der Motivation, Probleme

zu lösen, macht zum einen das Spiel aus, ist aber zum anderen die ideale Grundvorraussetzung

um weltweite Konflikte zu bewältigen. Konflikte wie Fremdenhass, Ausländerfeindlichkeit

und Angst vor Identitäsverlust. Die positive angstlose Stimmung in der sich Menschen im Spiel

begegnen, eröffnet neue Möglichkeiten in der Kommunikation zwischen Vertretern der Mehr-

heits- und Minderheitsgesellschaft.

3.3.3 Eustress

Durch das Spielen wird Eustress empfunden. In diesem angespannten Zustand, der das Herz

schneller schlagen und das Gehirn auf Hochtouren arbeiten lässt, können Menschen besondere

Leistungen erzielen. Das zeigt das Beispiel Foldit: Eine chemische Problemstellung, die Wissen-

schaftler seit 15 Jahren nicht lösen konnten, konnte durch ein simples Spiel in 3 Wochen gelöst

werden. Genauer gesagt handelte es sich hierbei um die Struktur des Enzyms M-PMV retroviral

protease, welches in der Aids-Forschung neue Hoffnungen weckt (vgl. Psiram 2011). Die genaue

geometrische Struktur war bisher unbekannt. Gamer befassten sich im Spiel mit der Prob-

lemstellung, ohne die Angst Fehler zu manchen. Durch die hohe Motivation im Spiel und die

Fähigkeiten, die der Eustress freisetzt, so wie durch das Fehlen der Versagensangst, entstehen

andersartige Denkansätze. Auf diese Art wurde die Lösung des Problems im Spiel möglich.

Abbildung 7 und 8: Foldit Monkey Virus Protein; Foldit Intro Preview

(Center for Game Science at University of Washington & UW Department of Biochemistry 2015)

Page 63: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 59

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Es wäre wünschenswert die Problematiken, die sich bei der Integration von Migrantin-

nen und Migranten ergeben, auf diese ungezwungene, leistungsstarke Art zu bearbeiten. Der im

Spiel empfundene Eustress bewirkt hohe mentale Aktivität und Konzentration, welche Missver-

ständnisse vorbeugen. Durch Unachtsamkeit oder Ängst, können falsche Signale gesendet wer-

den. Ein unbedachter Kommentar, kann in interkulturellen Konflikten durchaus problematisch

sein. Eustress mindert jene Missverständnisse, die aus Unachtsamkeit passieren. Die aus einem

Integrations-Spiel entstehenden Lösungsansätze der Spieler wären hoch interessant und mögli-

cherweise richtungweisend. Sicher ist, dass ihr Wille, sich mit der Problemstellung zu befassen

einerseits und ihr Mitteilungsbedürfnis darüber andererseits - über ihre Erfolge, Erkenntnisse

und Emotionen im Spiel, sie zu Botschaftern der interkulturellen Integration machen würde.

3.3.4 Eine sinnvolle Tätigkeit

Das Beispiel Foldit eignet sich auch um zu veranschaulichen, dass Spiele nicht nur eine „sinnvol-

le” Tätigkeit innerhalb der Spielwelt parat haben können. Das Gefühl, im Spiel einen Mehrwert

für die Welt außerhalb des Spieles generieren zu können, ist für den Spieler hoch motivierend.

Mit Energie und Leistungsfähigkeit der Weltverbesserung zu dienen, weckt Euphorie und Be-

geisterung. Aufgrund dieser starken Motivation können noch mehr Spieler gewonnen werden.

Im Fall eines Spieles mit Integrationsthematik, würde dies einen doppelten Erfolg bedeuten.

Zum einen könnten durch mehr spielende Menschen auch mehr Lösungen generiert werden.

Zum anderen würden mehr Spieler - wie bereits im vorangegangenen Kapitel zum Thema Eus-

tress geschildert - zu Botschaftern des Spieles und damit zu Botschaftern interkultureller Integ-

ration werden.

3.3.5 Erfolge teilen

Spiele schaffen durch Problemstellungen mit klar definierten Zielen, Regeln und Feedbacksyste-

men Erfolgserlebnisse. Erarbeiten und erleben Menschen diese Erfolge miteinander, so hält die

Spielgesellschaft teilweise weit über die Spieldauer hinaus an. Ein Spiel kann Menschen auf die-

se Art miteinander verbinden. „Specially, online interaction among players and possibilities to

create or cocreate parts of a game world together hold implications for the appeal and the impact

power of serious game applications.” (Klimmt 2009, S252)

Page 64: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 60

Serious Games als Integrationstool.

Im Fall von Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft könnte ein Spiel die Grenzen

dieser Gesellschaften auflösen. In einem Spiel, in dem das Pareto Optimum zur Geltung kommt,

können aus Minderheits- und Mehrheitsgesellschaft eine Einheit werden. Denn durch gemein-

same Ziele und die Notwendigkeit der Zusammenarbeit entsteht die Erkenntnis: Es werden alle

Mitglieder benötigt um das Ziel zu erreichen. In dieser gelungenen Zusammenarbeit werden die

unterschiedlichen Wissensbereiche und Fähigkeiten genutzt um das Spielziel zu erreichen. Das

Erfolgserlebnis bleibt über die Spieldauer erhalten. Durch das Verlangen das Erlebte und Geleis-

tete mit dem sozialen Umfeld zu teilen, erhält das Spiel und seine Botschaft einen viralen Effekt

(vgl. Klimmt 2009, S250f).

Ein Beweis für die starke Vernetzung der Spielergesellschaft findet sich in Gameforen

und Gameblogs (vgl. McGonigal 2012, S233). Bei der Neuerscheinung eines Spieles, setzen sich

hoch motivierte Spieler sofort daran, das Spiel zu erkunden und zu dokumentieren. Sie stellen

ihr gewonnenes Wissen so schnell wie möglich Anderen zur Verfügung (vgl. McGonigal 2012,

S233). Es ist ein Irrglaube, dass die Dokumentationsphase nach Spielabschluss erfolgt. Bereits

während des Spielens wandeln Spieler ihr implizit erworbenes Wissen in explizites um und

teilen es mit anderen Interessenten.

3.3.6 Wissen von Einander

Im Spiel erlernte Inhalte sind nicht nur leichter gelernt, sondern auch schneller anwendbar.

Explorativer Wissenserwerb ist einer der am häufigsten genutzten Möglichkeiten den Spieler

interessiert zu halten. Im Fall eines interkulturell integrierenden Serious Games könnten Infor-

mationen über Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft als Hinweise, die den Weg zum Spielziel

beleuchten, vermittelt werden. Informationen über fremde Kulturen führen zu Verständnis für

fremde Kulturen.

Das implizite explorative Lernen über die jeweilig fremde Kultur und Geschichte, kann

im Alltag leichter umgesetzt werden, als die aus Büchern gewonnene Information. Wie bereits

im Kapitel Didaktische Elemente und Motivatoren im Spiel erläutert, lassen sich besonders kom-

plexe parallel verlaufende Prozesse, die meist noch mehrere Unterprozesse haben, nur schwer

durch gesprochenes oder geschriebenes Wort verdeutlichen. Bei der Integration von einer

Minderheitsgesellschaft in eine Mehrheitsgesellschaft, gibt es bei genauerer Betrachtung in jeder

dieser Gruppen weitere Untergruppen und somit viele verschiedene Abläufe, die sich ähnlich,

Page 65: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 61

Masterarbeit von Katharina Wünschek

different, zeitlich oder inhaltlich unterschiedlich gestalten können. Simulationsspiele beherr-

schen es, derartig komplexe Abläufe und Zusammenhänge zu veranschaulichen. Des Weiteren

können Jugendliche bei Simulationsspielen Rollen ausprobieren und einüben, die später zu Rol-

len in ihrem realen Leben werden können (vgl. Abt 1987, S14). Ein interkulturelles Integrations-

spiel könnte nicht nur die Sensibilität für die Thematik schärfen, sondern Rollenbilder anbieten

und kreieren, die in Zukunft die Welt verändern.

3.3.7 Bedeutsamkeit finden

Die Suche nach dem Sinn des Lebens ist seit jeher eine grundlegende Frage der Menschheit. Spie-

le können diese philosophische Frage zwar auch nicht beantworten, jedoch vermögen sie, dem

Einen oder Anderen bei seiner persönlichen Suche zu helfen.

Viele Menschen streben danach etwas Bedeutsames zu leisten. Sie wollen etwas voll-

bringen, dass sie unsterblich macht. Sich für die Verbesserung der Welt zu engagieren, ist für

viele Suchende eine Antwort. Geld zu spenden oder Unterschriften zu sammeln ist jedoch weit

nicht so spannend wie zu spielen. Das liegt daran, dass das Spiel ein direktes Feedback gibt und

somit dem Spieler seinen Fortschritt vermittelt. Durch das Sammeln von Unterschriften, sieht

der Helfer leider nur selten den Wandel, den er damit zu erreichen versucht. Im Spiel können

Erfolge gemessen, und Leistungen belohnt werden.

Probleme der Welt eigenständig zu lösen, erscheint unmöglich. Durch gutes Spieldesign

und die Kraft, die eine hoch motivierte Spielgemeinschaft aufbringen kann, wird es möglich,

dass jeder einzelne Spieler seinen Anteil am gemeinschaftlichen Erfolg spürt (vgl. McGonigal

2012, S29). Im Gefühl, Teil eines größeren Ganzen zu sein, liegt viel Hoffnung. Spiele lassen uns

hoffen, sie sind die Zuflucht der Weltverbesserer. Gamer arbeiten gerne an schwierigen Proble-

men. Sie ziehen es vor, aktiv und gestalterisch tätig zu sein, statt sich unterhalten zu lassen oder

Gegebenheiten hinzunehmen (vgl. McGonigal 2012, S50). Die eigenen Fähigkeiten in den Dienst

der Gesellschaft zu stellen, sich dem Auftrag zu verschreiben zum Beispiel interkulturelle Integ-

ration zu entschlüsseln, kann bedeutsam sein.

Page 66: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 62

Serious Games als Integrationstool.

3.3.8 Miteinander Zeit verbringen

All diese Effekte brauchen ihre Zeit um zu wirken. Auch diesbezüglich birgt das Medium Spiel

einen großen Vorteil. Menschen verhalten sich, wenn es sich um zeitgebundene Aufgaben-

stellungen handelt, im Spiel deutlich anders als im realen Leben. Gibt es in der realen Welt für

einen Arbeitsauftrag - mag er noch so kurz sein - eine noch kürzerer Version ihn zu Ende zu

bringen, werden wir diese Abkürzung in Anspruch nehmen. In der Spielwelt hingegen liegt der

Fokus des Spielers darauf tätig zu sein, aktiv einen Fortschritt zu bewirken und zu steuern (vgl.

McGonigal 2012, S55). Eine Abkürzung erscheint ihm daher nicht nur wie Betrug, sie entwertet

die zu leistende Arbeit. In Spielen gehen wir gerne den ausführlichen Weg um an das Ziel zu

gelangen. Somit würden Spieler eines integrativen Spieles so viel Zeit in die Aufgabenstellungen

investieren, wie notwendig. Je mehr Zeit die Spieler miteinander verbringen, um so besser kön-

nen die verschiedenen Effekte des Spieles wirken und um so eher gelangen sie auch in die „reale

Welt”.

Hinzu kommt die Beobachtung, dass Menschen dazu tendieren ihre Meinungen und

ihr Verhalten an die jeweilige Referenzgruppe anzupassen. „That means that perception of being

the only member of one’s social referende group (e.g., tribe, clan, community, or neighbor-

hood) who thinks about or simply receives a change-related message will undermine people’s

willingness to process that message.” (Klimmt 2009, S257) Durch Multiplayer- und Massively-

Multiplayer-Games können Spieler erfahren, dass es außerhalb ihrer sozialen Referenzgruppe

noch andere Menschen gibt, die ihre Meinung teilen. Durch In-Game Kommunikation kann

die Motivation, sich mit der Thematik auseinander zu setzten, verstärkt werden und der Spieler

könnte in Folge ein Botschafter des sozialen Wandels innerhalb seiner Referenzgruppe werden

(vgl. Klimmt 2009, S257, S261).

3.4 Trend und Perspektive

Laut Rob Fahey - ein bekannter Gamejournalist - werden bald alle Menschen Spieler sein (vgl.

Fahey 2008). Cory, Ritterfeld und Vorderer stellen fest, dass zunehmend beide Geschlechter-

gruppen und alle Altersgruppen digitale Spiele spielen (vgl. Cody und Ritterfeld und Vorderer

2009, S3). Abt zweifelte 1987 daran, dass große gesellschaftliche Probleme durch Spiele gelöst

werden können (vgl. Abt 1987, S119). McGonigal beschreibt einige Jahre später, dass Serious

Page 67: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 63

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Games die Möglichkeiten bieten, unsere weltweiten Probleme zu lösen: „a whole-planetary

mission, to use games to raise global quality of life, to prepare ourselves for the future, and to

sustain our earth for the next millennium and beyond.” (McGonigal 2012, S344). Das Wissen

um die Effekte und Auswirkungen von Serious Games so wie um die Reichweite dieser, haben

sich in den letzten Jahrzehnten enorm vergrößert. Clak C. Abt schrieb 1987 von vielen zukünf-

tigen Entwicklungen im Bereich der Serious Games, die heute bereits „state of the art” sind. Er

prophezeite, dass Bürger durch Spiele ihre soziale Umwelt und Politik aktiv mitgestalten werden,

dass die Menschheit durch Spiele erneut die Fusion von Gedanken und Handlung verspüren

kann und, dass sie die Begeisterung verspüren wird, die entsteht wenn große Chancen aus groß-

artigen Ideen resultieren (vgl. Abt 1987, S131).

Bereits 1987 beschrieb Abt die zunehmende Technologisierung der Gesellschaft und die

Beobachtung, dass Bildung zunehmend an Bedeutung für den Lebensweg der Menschen gewinnt

(vgl. Abt 1987, S119). Abt legte bereits viel Vertrauen in die Fähigkeiten von Serious Games, er

schlug vor sie zur Förderung des gegenseitigen Verständnisses zwischen der Bevölkerung und der

Polizei einzusetzen, oder um das Lernen für Schüler interessanter und für Lehrer einfacher zu

gestalten (vgl. Abt 1987, S120, S127). Stapelton sieht im Jahr 2004 den Einsatzbereich für Seri-

ous Games in den Bereichen höherer Bildung, Gesundheitswesen, Militär, Firmenspezifische

Trainingsmodule und Non-Gouvernment-Organisationen (vgl. Stapelton 2004, S2f). McGo-

nigal geht noch viel weiter und beschreibt, dass die zukünftige Gesellschaft noch stärker von

Emotionen angetrieben sein wird, und Spiele daher das Medium der Wahl sein können (vgl.

McGonigal 2012, S243). Es wird eine Herausforderung an die Gameindustrie sein in Zukunft

mehr ”social participation tasks” (SPTs) in die Spiele zu integrieren, die einen Ausgleich zu den

aktuell steigenden Anzahl der „human intelligence tasks” (HITs) schaffen sollen (vgl. McGonigal

2012, S253). Die sozialen Fähigkeiten wie, auf einander zuzugehen, zu erkennen wie geholfen

werden kann und das Leben eines anderen Menschen zu verbessern, rücken mehr in den Fokus

des Serious Games (vgl. McGonigal 2012, S253). Kinder, die mit gut designten Spielen aufwach-

sen, erfahren das Gefühl sich für etwas intensiv zu engagieren. Sie werden dieses Gefühl auch in

der „Realität” suchen und sich für große Ziele interessieren (vgl. McGonigal 2012, S245f). „These

new games will challenge crowds to mobilize for real-world social mission - and they may make

it possible for gamers to change, or even save, real people’s lives as easily as they save virtual lives

today.” (McGonigal 2012, S246). McGonigal spricht Crowdsourcing Games dadurch eine wichti-

ge Rolle bezüglich der Art, wie wir in Zukunft unsere demokratischen, wissenschaftlichen und

humanitären Ziele erreichen, zu (vgl. McGonigal 2012, S246).

Page 68: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 64

Serious Games als Integrationstool.

Clark Abt bedauerte, dass durch Spiele keine Vorhersagen getroffen werden können

(vgl. Abt 1987, S128). Fünfundzwanzig Jahre später begeistert sich Jane McGonigal für Massively

Multiplayer Foresighting Games. Diese junge Entwicklung im Serious Game-Bereich soll im

folgenden Kapitel kurz beleuchtet werden.

3.4.1 Massively Multiplayer Foresighting Games

Als Massively Multiplayer Foresighting games, bezeichnet McGonigal Spiele, die es ermöglichen

Zukunftsszenarien durchzuspielen. „Forecasting games combine collective intelligence with

planetary-scale simulation” (McGonigal 2012, S302). Derartige Spiele stellen dem Spieler die Fra-

ge: „Was wäre wenn?” und können in Folge aus seinen Lösungsversuchen und Entscheidungen

für die Forschung relevante Informationen erlangen (vgl. McGonigal 2012, S298ff). Der Ansatz

dieser Vorhersagen ist, dass die Zukunft in den Gedanken der Menschen existiert (vgl. Dunagan

2012, S141). Dunagan beschreibt, dass es darum geht, jene Ideen, die in den Menschen „gefangen”

sind, zu befreien (vgl. Dunagan 2012, S141).

Durch solche Spiele können alternative Arten der Nahrungsbeschaffung, der Ressour-

censchonung, des Zusammenlebens erprobt werden. Die Grundlage für diese Entwicklungen

haben “God-Games” wie Die Sims oder Spore gelegt. Es wird eine ganze Welt, ein ganzer Kosmos

simuliert. Dadurch werden die Spieler zu nachhaltigerem Handeln ermutigt (vgl. McGonigal

2012, S297f). Spieler entwickeln in derartigen Spielen nicht nur eine Strategie, sondern oftmals

ist die Motivation so hoch, dass sie für eine Aufgabenstellung mehrere Lösungsansätze gene-

rieren und durchspielen (vgl. McGonigal 2012, S298). Jake Dunagan hat sich ausführlich mit

Forsight Engines auseinandergesetzt und bezeichnet sie als „a model system for scalable partici-

patory futures work” (Dunagan 2012, S149). Diese Spielart ist als eine der effektivsten zu bemer-

ken, wenn es darum geht das Zusammenleben zwischen Menschen, wie zum Beispiel zwischen

Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft umzugestalten. Doch auch „einfachere” Spielkonzepte

können viel bewirken.

Page 69: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 65

Masterarbeit von Katharina Wünschek

4. Praxisbezug und Beispiele

Jane McGonigal betont, dass Gamedesign nicht nur ein technisches Handwerk sei, sondern die

Art des Denkens und Führens, die Art der Zusammenarbeit und die Art des Wandels im einund-

zwanzigsten Jahrhundert ist (vgl. McGonigal 2012, S13).

4.1 Crowdsourced Change

Durch Crowdsourcing kann vieles, das für einzelne Menschen oder Organisationen unmöglich

erscheint, ermöglicht werden. Jedoch ist zu bedenken, dass mehr als die Hälfte der kollaborati-

ven Projekte bereits an der Teilnehmer-Anzahl, die minimal notwendig wäre um die Arbeit an

der Problemstellung zu beginnen, scheitern (vgl. McGonigal 2012, S226). Der Großteil der kolla-

borativen Plattformen, seien es Wikis, soziale Netzwerke, Open-Source-Projekte oder Facebook-

Gruppen, haben entweder zu wenig Mitglieder oder aber genügend Mitglieder, die sich dafür

durch Untätigkeit auszeichnen. Zusammenfassend stellt Jane McGonigal fest, dass die meisten

Crowd-Sourced-Projekte heute scheitern: „[...] they fail to attract a crowd, or they fail to give the

crowd the right kind of work, or they fail to reward the crowd well enough to keep it participa-

ting over the long haul.” (McGonigal 2012, S228)

Für den Erfolg eines crowdsourced Projektes müssen folgende Fragen geklärt sein: Wer

wird daran teilnehmen ?(vgl. McGonigal 2012, S228) Gibt es genügend Interessenten, die teil-

nehmen werden? Wie kann man diese motivieren, an schwierig zu erreichenden Zielen zu ar-

beiten? Und wie kann die Crowd dauerhaft motiviert werden, bis die erwünschten Ziele erreicht

werden (vgl. McGonigal 2012, S228)?

4.1.1 Wikipedia als Spiel

Wikipedia gilt als das erfolgreichste Crowd-sourced-Projekt der Welt. Der Erfolg der

Plattform ist darauf zurück zu führen, dass sie ihren Teilnehmern intrinsische Glücksquellen

erfahren lässt. Nicht nur darin, sondern auch in einigen weiteren Charakteristiken ähnelt

Wikipedia einem erfolgreichem MMORPG (vgl. McGonigal 2012, S228f und Domnanovich 2014,

S80). Die Wikipedia-Welt lässt sich umlegen auf eine Spielwelt: Wikipedia hat über 10.7 Millio-

nen Teilnehmer, also Spieler. Die über 3.06 Millionen Wikipediaartikel sind zu vergleichen mit

Page 70: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 66

Serious Games als Integrationstool.

jeweils einzigartigen digitalen Spielwiesen, den Orten der verschiedenen Missionen (vgl. Mc-

Gonigal 2012, S229). Darunter befinden sich auch die so genannten „lonley pages”, Artikel, die

durch normales browsen nicht gefunden werden können. Sie sind zu keinem anderen Artikel

verlinkt und lassen sich als equivalent zu „secret aerias” in Spielen verstehen (vgl. Domnano-

vich 2014, S80f). Wikipedia weist eine ähnliche Struktur wie „epic built environments”, die ihre

Spieler dazu motivieren die Spielwelt zu erkunden, in ihr aktiv zu werden und viel Zeit darauf

zu verwenden Fortschritte in ihr zu erzielen auf (vgl. McGonigal 2012, S229). Weiters eröffnet

Wikipedia seinen Teilnehmern unendlich viele „sinnvolle” Arbeitsaufgaben. Jede Aktion führt

zu einem sofortigen Feed-back des Systems. Auch Auszeichnungen können erreicht werden (vgl.

Domnanovich 2014, S80 f). Die Reihung der Top-Wikipedians basiert auf einer Art Level- und

Erfahrungspunkte-System, den EditCounts (vgl. Domnanovich 2014, S80f). Wie viele Spiele hat

auch Wikipedia einen zu besiegenden Feind: „[...] vandals who make unhelpful edits to the site.”

(McGonigal 2012, S230). Wikipedia bedient sich somit der Motivationskünste des Gamedesigns.

In einem weiteren Punkt lässt sich eine Ähnlichkeit zwischen Wikipedia und MMORPGs fest

stellen. Wikipedians ist die Bezeichnung für die aktive Gemeinschaft, die an Wikipedia teil-

nimmt. Es handelt sich um eine Art Spielgemeinschaft, die sich in erster Linie dadurch aus-

zeichnet, dass sie ein gemeinsames Ziel verfolgen und weiters positive soziale Kontakte mitein-

ander teilen (vgl. McGonigal 2012, S230).

Dennoch ist der Erfolg von Wikipedia relativ, im Vergleich zu Massively-Multiplayer-

Online-Role-Playing-Games. Als das erfolgreichste MMORPG gilt World of Warcraft (WoW).

Clay Shirky ermittelte in einem wissenschaftlichen Team mit unzähligen Rechenoperationen,

dass in acht Jahren Wikipedia, etwa 100 Millionen Arbeitsstunden der Crowd stecken (vgl.

McGonigal 2012, S231). WoW zählt mehr als 11,5 Millionen Spieler, die sich im Durchschnitt

zwischen 16 und 22 Stunden in der Woche dem Spiel widmen. Wikipedia umfasst zwar ähnlich

viele registrierte Mitglieder, jedoch nicht die gleiche Aktivität. Ausgehend von diesen Zahlen

könnte die WoW-Gemeinschaft innerhalb von dreieinhalb Tagen ein neues Wikipedia kreieren

(vgl. McGonigal 2012, S231f). Als Gegenargument lässt sich sagen, dass vermutlich nicht alle

WoW-Spieler daran interessiert wären ein Wiki zu erstellen. 65.000 WoW Spieler sind jedoch

registrierte Ersteller des WoW-Wikis. Diese Gruppe der WoW-Gemeinschaft würde dennoch

nur zwei Monate benötigen, wenn sie ihre Spielzeit darauf verwendten eine Quelle, entspre-

chend Wikipedia zu erstellen (vgl. McGonigal 2012, S232).

Sollen Crowd-sourced-Projekte erfolgreich sein, müssen sie sich am Spieldesign orien-

Page 71: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 67

Masterarbeit von Katharina Wünschek

tieren und mehr intrinsische Bestätigung erzeugen. Gamer sind eine Zielgruppe, die mit einer

höheren Wahrscheinlichkeit an solchen Projekten teilnehmen. Sie lernen schnell mit neuen

interaktiven Interfaces umzugehen und haben ein breites Spektrum an Fähigkeiten im digitalen

Bereich (vgl. McGonigal 2012, S232f). Gamer können weiters auch als Multiplikatoren dienen,

da sie in Gameforen, durch Ingame-Communication und ihr familiäres Umfeld über die Arten

sozialer Strukturen verfügen, die für die Verbreitung der Information notwendig sind (vgl. Mc-

Gonigal 2012, S233).

4.1.2 Investigate Your MP‘s Expenses

Investigate Your MP‘s Expenses ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass eine durch ein Spiel

motivierte Menschenmasse nicht nur Erstaunliches leisten kann, sondern mit diesen Leistun-

gen sogar die Realität verändern kann. Im Sommer 2009 erlebte die englische Bevölkerung einen

der größten Skandale in der Geschichte des britischen Parlaments (vgl. McGonigal 2012, S219).

Sowohl Politiker der nationalen, als auch der regionalen Ebene waren in diverse Veruntreuungs-

affären verwickelt (vgl. Rogers 2009). Ausschlaggebend für die Crowd-Bewegung war Sir Peter

Viggers. Ein Parlamentsmitglied das sich mit öffentlichen Geldern eine schwimmende Enten-

plattform leistete (vgl. McGonigal 2012, S219).

Als diese und ähnliche Veruntreuungsfälle an die Öffentlichkeit gelangten, lösten sie

eine Welle der Empörung aus. Das Parlament gab dem Druck der Öffentlichkeit nach und veröf-

fentlichte alle eingereichten Ansprüche der Parlamentsmitglieder, der letzten vier Jahre. Hierzu

scannten sie 700.00 Rechnungen und Ausgabebescheinigungen elektronisch ein und speicherten

sie in einem Bildformat ab (vgl. Rogers 2009 und McGonigal 2012, S220). Es wird vermutet, dass

diese unstrukturierte Datenform nicht zuletzt deshalb gewählt wurde, um weitere Untersuchun-

gen zu verhindern. Zusätzlich wurden einige Daten geschwärzt (vgl. McGonigal 2012, S220).

Die Redaktion des Guardians wollte das Problem der unstrukturierten Daten lösen und

weitere Veruntreuungsfälle aufdecken. Sie engagierten ein Team von Gameentwicklern und

es entstand das Spiel: Investigate Your MP‘s Expenses. Alle Daten wurden den Spielern auf eine

Webseite zur Verfügung gestellt, jedes Dokument enthielt einer der vom Parlament gescannten

Dateien (vgl. Rogers 2009 und McGonigal 2012, S221ff). Vergleichbar mit einer Mission in einem

Spiel, entschlüsselten die Spieler worum es sich bei diesem Dokument handelte und entschie-

den in Folge ob das Dokument uninteressant, interessant oder suspekt war. Zusätzlich bot sich

Page 72: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 68

Serious Games als Integrationstool.

den Spielern die Möglichkeit, eine durch einen Button „something we haven‘t thought of” nicht

angegebene Kategorien selbst zu definieren (vgl. McGonigal 2012, S221ff).

Abbildung 9: MPs reimbursement form (Jellyhaus 2015:)

Abbildung 10: Investigate your MP‘s expences Interface (Bradshaw 2015)

Nach nur drei Tagen hatten bereits mehr als 20.000 Spieler einen guten Teil der Dokumente,

um genau zu sein 170.000 entschlüsselt. Das Projekt hatte in den ersten 80 Stunden eine Aktivität von

56% ihrer Besucher. Im Vergleich dazu: nur 4.6% der Besucher von Wikipedia nehmen aktiv teil und

gestalten Artikel (vgl. McGonigal 2012, S222). Durch den Aufbau der Seite und einige weitere Funkti-

onen, wie einem „real-time aktiviety feed” oder Unterseiten auf denen die „best individual discoveries”

oder aber mathematische Fehler und Inkonsistenzen aufgelistet wurden, erweckte die Plattform das

Gefühl einer sozialen Aktivität. Jeder Nutzer konnte nachvollziehen, dass nicht nur er, sondern auch

noch viele andere Nutzer, zur gleichen Zeit an der selben Aufgabe arbeiteten (vgl. McGonigal 2012,

S223). Das Ergebnis des investigativen Spieles war erschreckend:

• „On average, each MP expenced twice [Betonung im Original] his or her annual salary, or

more thatn £140.000 in expenses on top of a £60.675 salary.

• The total cost to taxpayers of personal items expensed by MPs is £88 million annualy.”

(McGonigal 2012, S223)

Page 73: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 69

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Die Konsequenzen dieses Informationsgewinns der Masse durch ein Spiel, waren real.

Einige Parlamentsmitglieder mussten zurücktreten, viele wurden zu Rückzahlungen verurteilt

(vgl. McGonigal 2012, S224). Spiele, im Besonderen wenn sie eine Masse begeistern, können die

Realität verändern.

4.1.3 Folding@home

Folding@home sei an dieser Stelle erläutert, da es sich um den Vorgänger von Foldit handelt. Bei

Folding@home stellen die Teilnehmer, so wie bei dem vermutlich berühmtesten Beispiel dieser

Sorte Crowdsourcing SETI@home, die Rechnerkapazität ihrer privaten Rechner einem For-

schungszweck zur Verfügung. SETI@home ist ein Programm, das die Suche nach Intelligenz im

All - „Search for Extraterrestrial Intelligence ” - durch die Nutzung privater PCs zur Analyse von

Radiosignalen aus dem All, vorantreibt (vgl. McGonigal 2012, S236).

Der Foldit-Vorgänger war noch kein Spiel, sondern ein kollaboratives Projekt. Es han-

delte jedoch von der gleichen Thematik: die Zusammensetzung von Proteinen. Die Wichtigkeit

dieser Information für die Medizin liegt darin, dass es unzählige Proteinarten im menschlichen

Körper gibt (vgl. Beberg et al 2009, S1). Jedes Protein besteht aus einer Kombination von zwan-

zig verschiedenen Aminosäuren und hat seine spezifische Aufgabe (vgl. McGonigal 2012, S236).

Krankheiten, darunter viele Krebsarten können entstehen, wenn Proteine eine falsche oder

fehlerhafte Form annehmen.

Um mit einem einzelnen Computer die Form eines Proteins zu errechnen würde es drei-

ßig Jahre brauchen (vgl. McGonigal 2012, S237). Seit 2001 ist es jedoch möglich die Rechnerkapa-

zität des eigenen privaten Computers in der Zeit in der man diese nicht benötigt für diese Berech-

nungen zur Verfügung zu stellen. Nach etwa zehn Jahren entdeckte, das Folding@home-Team,

dass Spielkonsolen oftmals weit stärkere Rechenkapazitäten besitzen als herkömmliche PCs. In

Zusammenarbeit mit Sony wurde Foldit@home für die PlayStation 3 entwickelt (vgl. McGonigal

2012, S237ff).

Page 74: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 70

Serious Games als Integrationstool.

Client Type TFLOPS ClientsWindows x86/x64 275 280.000Mac OS X ppc 5 6.000Mac OS X x86 25 9.000Linux x86 50 28.000ATI GPU 1.125 10.000NVIDIA GPU 1.900 17.000PLAYSTATION 3 1.400 50.000Total (approximate) 4.800 400.000

Tabelle 3 : Ungefähre Folding@home Host Statistik Februar 2009 (vgl. Beberg et al 2009, S6)

„Help save real lives when you‘re not saving virtual lives.[Auszeichnung im Original]”

(McGonigal 2012, S238) war eine klare Botschaft, die durch zahlreiche Game-Plattformen und

-Blogs verbreitet wurde. Einige wenige User verstießen gegen die Richtlinien des Projektes und

installierten Folding@home auf Rechner, die nicht in ihrem Besitz waren. Wie zum Beispiel den

Rechnern in EDV-Räumen von Schulen. Das Administrationssystem entlarvte solche „Betrugs-

fälle” und setzte die Statistik der Mitglieder zurück auf null (vgl. Beberg et al 2009, S5f). Der

Großteil der Teilnehmer war jedoch ehrlich. So konnten innerhalb von sechs Monaten, auf diese

Art Meilensteine des Forschungsprogramms erreicht werden, die zuvor unerreichbar schienen.

Darunter auch eine Petaflop-Kalkulation, womit die Folding@home-Rechner in Summe die

effektivste Rechenmaschiene der Welt ist (vgl. Beberg et al 2009, S6).

„[...] A petaflop equals one quadrillion floating point operations per second (FLOPS). If

you‘d like to imagine this enormous computation capacity, think about calculating a tip on a res-

taurant bill, now do that for 75.000 different bills, now do that every second, and lastly, imagine

everybody on the planet is doing those calculations at the same second - this is a petaflop calcula-

tion. [...]” (Rimon 2007 nach McGonigal 2012, S239)

Foldit wurde entwickelt um den Spieler selbst und nicht nur seine Konsole mit dem

Thema zu befassen. Das Ergebnis wurde bereits im Kapitel Eustress erläutert. Zusammenfassend

lässt sich der starke Wille von Spielern die Welt zu verbessern mit diesem Beispiel gut unterma-

len. Weiters beweist Foldit im Vergleich zu Folding@home, dass die Intuition der Spieler und ihr

Mut zu kreativen Risiken ebenso gut Probleme löst, wie Supercomputer dies tun (vgl. McGonig-

al 2012, S241f).

Page 75: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 71

Masterarbeit von Katharina Wünschek

4.2 Geeignete Spielformen

Wie die bereits aufgezeigten Beispiele verdeutlichen, lassen sich Serious Games in fast allen

Spielgenren konzipieren und entwickeln. Je nach Spielkontext können manche Spielarten als

geeigneter bezeichnet werden. In dieser Arbeit wird beleuchtet durch welche Mechanismen

Serious Games interkulturelle Integration fördern können. In diesem Kapitel werden für ein sol-

ches integrationsförderndes Spiel geeignete Spielarten geschildert. Zur Verdeutlichung werden

mögliche Spielideen kurz skizziert. Der Fokus liegt hierbei nicht auf den Spielkonzepten - wie

im später folgenden Kapitel Konzeptentwicklungen und Adaptionen - sondern darauf aufzuzeigen,

dass sich verschiedene Spielarten für ein interkulturelles Integrations-Spiel eignen.

4.2.1 Casual Games

Casual Games zeichnen sich dadurch aus, dass die Spielidee, das Spielziel und vor allem die

Spielregeln leicht und schnell verstanden werden können. Das ermöglicht die beiläufige Nut-

zung (vgl. Feil und Scattergood 2005 und Pedersen 2003 nach Le und Weber 2011, S3). Es kann

sich bei diesen Spielen um Wissensfragen, Puzzle oder ähnliches handeln. Im Fall von Wissen-

spielen, wie zum Beispiel Quizduell, geht es darum möglichst viele Fragen richtig zu beantwor-

ten.

Innerhalb eines solchen Spieles können Informationen interaktiv in Erfahrung gebracht

werden. Je mehr Zeit ein Spieler ein solches Spiel spielt, um so eher hat er die Fragen und die

richtigen Antworten verinnerlicht. Er weiß im Anschluss an das Spiel mehr als zuvor. Handelt

es sich bei den Fragen um spezielle Fragen über die Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft - zu

kulturellen Feierlichkeiten, historischen Wurzeln, Gesetzen und Institutionen oder geografi-

schen Gegebenheiten - so kann das Wissen von einander beider Gesellschaften vermehrt wer-

den. Durch dieses spezifische Wissen, wäre es möglich Missverständnissen in der alltäglichen

Begegnung vorzubeugen.

4.2.2 Adventurespiele

Bei Adventurespielen, ist es die Aufgabe des Spielers die Rahmenhandlung voranzutreiben,

indem er verschiedene Rätsel oder Mini-Aufgaben löst (vgl. Feil und Scattergood 2005 und Pe-

Page 76: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 72

Serious Games als Integrationstool.

dersen 2003 nach Le und Weber 2011, S3). Spiele dieser Art können sich eignen um unterschied-

lichste Fähigkeiten des Spielers zu fördern. Die Rahmenhandlung kann Verständnis für eine

spezielle Situation erzeugen.

Zum Beispiel für die Situation eines Flüchtlingskindes: Ein Rätsel auf dem Weg des

Kindes könnte sein, welche Gegenstände es in den Rucksack packt. Es passen nicht alle vor-

handenen Gegenstände hinein und der Spieler muss sich zwischen einer warmen Decke, einer

Wasserflasche, dem vom Arzt verschriebenen Asthmainhalator, einem Stofftier und einem Foto

aus der Heimat entscheiden. Der zu wandernde Weg in die ungewisse Zukunft kann für den

Spieler als ein zu lösendes Labyrinth erscheinen. Für die Suche nach der in der Menschenmasse

verlorengegangenen Mutter wäre ein Wimmelbild geeignet.

4.2.3 Rollenspiele

Bei Rollenspielen kann der Spieler in eine ihm fremde Rolle schlüpfen (vgl. Feil und Scattergood

2005 und Pedersen 2003 nach Le und Weber 2011, S3). Er kann auf diese Art erfahren wie die Ar-

beit eines Internisten abläuft oder wie ein Helikopterpilot der Bergrettung Leben rettet. Das Spiel

eignet sich daher auch dafür die Standpunkte, Probleme und Perspektiven unterschiedlicher

Ethnien zu vermitteln.

Im Verlauf von Rollenspielen, können Spieler oftmals neue Attribute für ihre Avatare

erarbeiten. Durch die zunehmende Individualisierung der Spielfigur wird das Identifikations-

empfinden gesteigert. Folglich könnte ein Spieler, innerhalb eines solchen Rollenspieles, zu-

nehmend tiefer in eine oder mehrere fremde Kulturen eintauchen. Die zusätzlich gewonnenen

Attribute könnten Symbole oder Fähigkeiten sein, die der eigenen oder einer fremden Kultur

entspringen. Das Verständnis für einander und für die kulturellen Wurzeln der Mehrheits- und

Minderheitsgesellschaften könnte auf diese Art gestärkt werden.

4.2.4 Strategiespiele

In Strategiespielen wird dem Spieler oftmals Weitblick und ein kluger Umgang mit Ressourcen

abverlangt (vgl. Feil und Scattergood 2005 und Pedersen 2003 nach Le und Weber 2011, S3). Auf

diese Art könnte die Verteilung von finanziellen und personellen Ressourcen auf verschiedenen

Institutionen und Organisationen einer Stadt erprobt werden. Das Spielziel, die interkulturelle

Page 77: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 73

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Integration und ein friedliches Leben der Bürger miteinander, kann nur erreicht werden, wenn

die Bedürfnisse aller gestillt sind.

Die Schwierigkeit liegt darin alle Gruppen zufrieden zu stellen, sowohl mehr Sprach-

kurse für Migranten als auch mehr Kindergartenplätze in der Spielstadt zu ermöglichen. Der

Spieler erlangt auf diese Art mehr Wissen über die unterschiedlichen Bedürfnisse von Mehr-

heits- und Minderheitsgesellschaft, als auch ein besseres Verständnis für die politische Heraus-

forderung.

4.2.5 Simulationsspiele

Als Simulationsspiele, werden Spiele bezeichnet, die eine realitätsnahe Erfahrung kreieren. Sie

grenzen sich von Trainingsapplikationen dadurch ab, dass sie weniger realitätsnah sind (vgl.

Feil und Scattergood 2005 und Pedersen 2003 nach Le und Weber 2011, S3) und intensivere Beloh-

nungssysteme verfolgen. Clark Abt zufolge, schulen Simulationsspiele die Intuition des Spielers.

Nicht nur die Richtigkeit des Lösungsansatzes kann in solchen Spielen belohnt werden, aber

auch besonders schnelle, kreative oder strategisch sinnvolle Handlungen werden dementspre-

chend belohnt (vgl. Abt 1987, S22).

Simulationsspiele können die unterschiedlichsten Realitäten simulieren und treten meist

in Kombination mit anderen Spielformen auf. Dadurch eignen sie sich, in Kombination mit dem

Strategie- und dem Rollenspiel dazu die wirtschaftliche Situationen eines Einwanderungslandes,

die hygienische Situation in Flüchtlingsauffanglagern oder aber die Situation eines Migranten am

Arbeitsmarkt des Ziellandes widerzuspiegeln.

4.3 Beispielhafte Serious Games

In diesem Kapitel sollen einige herausragende Serious Games skizziert werden, die einen beson-

deren Mehrwert für die Allgemeinheit auszeichnet. Die philosophische Frage: Wie viel soziales

Engagement können wir von einander verlangen, schwebt hinter vielen dieser innovativen

Spiele. Jane McGonigal schreibt, dass dieses Engagement dramatisch ansteigt, wenn spielerische

Konzepte und intelligente Technologien involviert sind (vgl. McGonigal 2012, S261).

Page 78: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 74

Serious Games als Integrationstool.

Einige, der in diesem Kapitel beschriebenen Spiele, gehören durchaus auch in die Kate-

gorie des Crowdsourcing. Dennoch hat die Autorin diese Beispiel nicht in das Kapitel Crowdsour-

ced Change eingeordnet, da oftmals die Spielziele der Spieler unterschiedlich sind, oder aber sie

sich aus anderen Gründen nicht direkt mit den im vorangegangenen Kapitel genannten Beispie-

len vergleichen lassen.

4.3.1 Free Rice

Free Rice ist ein klassisches Online-Casual-Game. Die Aufgabe ist schnell verstanden und es

eignet sich zur Überbrückung kurzer Wartezeiten, da ein Spielzyklus nur wenige Minuten

dauert. Die Besonderheit an Free Rice ist, dass der Spieler durch richtige Beantwortung von

Mulitplechoice-Fragen ein paar Körner Reis gewinnt. Der Fortschritt wird durch eine Reisschale,

die sich bei Gelingen zunehmend mit Reis füllt, visualisiert (vgl. World Food Programme 2015

und McGonigal 2012, S234f).

Abbildung 11: Free Rice English Vocabulary (World Food Programme 2015)

Die Welt kann der Spieler dadurch verbessern, dass der gesammelte Reis am Ende des Spieles

in echten Reis umgewandelt und dem United Nations World Food Program gespendet wird. Finanziert

wird das Programm durch Sponsoren, die im Gegenzug auf der Webseite des Online-Spieles ihre

Werbung platzieren können (vgl. BBC NEWS 2007). Free Rice kann so gesehen auch als Fundraising

bezeichnet werden (vgl. McGonigal 2012, S235).

Dazu zu sagen ist, dass das Verhältnis zwischen digitalen Reiskörnern zu realen Reiskör-

nern etwa einhundert zu einem Teelöffel entspricht (vgl. McGonigal 2012, S234). Dennoch wer-

den - aufgrund der regen Teilnahme - durch das Spiel im Durchschnitt 7.000 Menschen täglich

ernährt. Bisher konnten bereits mehr als 10 Millionen Portionen weltweit finanzieren werden

(vgl. McGonigal 2012, S234f). Die aktuelle Zahl der gespendeten Reiskörner kann unter http://

freerice.com/frmisc/totals in Erfahrung gebracht werden. Zwei Wochen vor Abgabe dieser Arbeit

waren es 8 359 510 Körner an einem Tag und gesamt eine Summe von 99 214 642 620 Körnern

(vgl. World Food Programme 2015).

Page 79: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 75

Masterarbeit von Katharina Wünschek

4.3.2 The Extraordinaries

Mit dem Game-Motto: „Got two minutes? Be extraordinary!” forderd das Web- und Handy-

Application-Spiel dazu auf kleine Aufgaben zu erledigen. Diese werden durch Non-Profit-Orga-

nisationen generiert (vgl. npr 2015). Das Spieldesign erinnert mit Absicht an WoW und erklärt

in einer Schritt-für-Schritt-Anweisung was zu tun ist. Um den Sinn des Spieles näher zu bringen

bedient sich Jane McGonigal eines Beispiels, das auch in dieser Arbeit dazu dienen soll.

First Aid Corps, eine Non-Profit-Organisation nahm als solche an dem Spiel teil. Sie

kreierte eine Mission, in der die Spieler „geheime” Gegenstände finden mussten. Dabei handelte

es sich um Defibrillatoren, die in der realen Welt gesucht werden mussten. Hat ein Spieler einen

Defibrillator gefunden, so wurde er dazu angehalten einen Schnappschuss davon zu machen und

diesen, inklusive der dazugehörigen GPS-Position, in die Datenbank des Spieles hoch zu laden

(vgl. McGonigal 2012, S250f). Die gewonnene Information wurde dazu genutzt eine geografische

Karte der Defibrillatoren zu erstellen. Diese Karte kann nun durch den Notruf-Service ver-

wendet werden, um den anrufenden Ersthelfern - im Fall eines Herzinfarktes - genaue Wegbe-

schreibungen zum nächsten Defibrillator geben zu können. Auf diese Art können Leben gerettet

werden (vgl. McGonigal 2012, S250ff). Das Spiel belohnte einen gefundenen Defibrillator nicht

nur mit einer Nachricht im Gamefeed: „Tom H mapped a defibrillator and helped to save lives.”

(McGonigal 2012, S251), sondern benachrichtigte die Gemeinschaft auch wenn der Defibrillator

tatsächlich zum Einsatz kam. In diesem Fall erschien ein „Live Saved”, neben dem jeweiligen

Fundstück, in der Spielkarte(vgl. McGonigal 2012, S251f).

Das Spiel ermöglichte den Spielern zu erkennen, welche Macht ihre Aktionen haben

können und erleichtert Non-Profit-Organisationen ihre Projekte zu realisieren (vgl. npr 2015).

Auch kleinere Aufgaben, wie Übersetzungen oder Bilder identifizieren, können durch The Extra-

ordinaries geleistet werden (vgl.npr 2015 ). Diese spezielle Kombination und die Verzahnung von

virtuellen und reellen Aufgaben und Erfolgen, zeigt deutlich wie nahe das Spiel der Realität ist.

4.3.3 Groundcrew

Bei Groundcrew geht es - ähnlich wie bei The Extraordinaries darum, kleine Aufgaben zu

erfüllen, die einem größeren Ganzen zu Gute kommen. Der Unterschied liegt darin, dass die

Aufgaben, beziehungsweise Missionen nicht von einer Organisation kreiert werden, sondern

Page 80: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 76

Serious Games als Integrationstool.

durch die Spieler selbst (vgl. McGonigal 2012, S255ff). Alle Spieler können Wünsche formu-

lieren und erfüllen. Die Informationen werden in eine Karte eingetragen. So wird ermöglicht,

dass alle Spieler die Wünsche ihrer Umgebung sehen. Jeder gestellte Wunsch wird mit einem

„Credit” versehen, einem Wert, der nach Erfüllung des Wunsches vom Wunschsteller an den

Wunscherfüller übergeht (vgl. McGonigal 2012, S255ff). Dieser kann die gewonnen Punkte

wiederum für einen seiner Wünsche einsetzen, oder sie schlichtweg sammeln. Nach Erfüllung

eines Wunsches kann der Wunschsteller den Wunscherfüller bewerten. Daraus errechnet das

Spiel eine Reputationsquote, welche anzeigt wie „vertrauenswürdig” ein Spieler Wünsche erfüllt.

Der Schwierigkeitsgrad der sichtbaren Wünsche, steigert sich mit dieser Quote (vgl. McGonigal

2012, S255ff).

Es ist zu erwarten, dass die Wünsche zu einem guten Teil trivialer Natur sein können.

Dennoch liegt dem System des Spieles ein großer Gedanke zu Grunde (vgl. Empson 2011). Es

handelt sich um ein besonderes ökonomisches Geben und Nehmen (vgl. Empson 2011), „[...] the

happiness that comes from doing good, the thrill that comes from accomplishing a challenging

mission, [...] - your ability to make other people’s wishes come true, and your further chances at

having your own wishes fulfilled.” (McGonigal 2012, S259).

Interessant erweist sich die Zusammenarbeit von Groundcrew mit einer Non-Profit-

Organisation AARP (vgl. McGonigal 2012, S260). Hierbei geht es um spezielle Aufgaben, die

das Leben von älteren Menschen betreffen. Die Missionen befassen sich daher mit einfachen

Haushaltstätigkeiten, Hilfestellung bei Einkäufen oder Transporthilfe (vgl. Empson 2011). Um

derartige Wünsche erfüllen zu dürfen, müssen die Spieler aus Sicherheitsgründen, eine dement-

sprechend hohe Reputationsquote erlangt haben (vgl. McGonigal 2012, S260).

Groundcrew eignet sich erwiesenermaßen hervorragend zur Organisation kollaborativer

Projekte, wie das Beispiel der Garden Angels zeigt. Hierbei wurden Pflanzen in öffentlichen Gär-

ten durch die im Umkreis wohnende Bevölkerung gesetzt, gezogen und gepflegt (vgl. McGonigal

2012, S261). Die zu erledigenden Arbeitsschritte wurden durch die Software von Groundcrew

organisiert. Jeder, der die Lust und Zeit dazu hatte, konnte nachsehen, welche Arbeitsschritte

ausständig waren. Die Pflanzen und ihre Früchte kamen in Folge Obdachlosen und Hunger lei-

denden Menschen zu Gute. (vgl. McGonigal 2012, S261)

Eine weitere Option des Spieles macht die Idee noch größer: In Groundcrew kann nicht

nur der Wunsch mit einem Credit versehen werden, auch der Wunscherfüller kann an den

Page 81: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 77

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Wünschenden einen Credit retournieren, das in diesem Fall nicht von seinem Konto abgezogen

wird. Diese Option steht den Spielern zur Verfügung um Arbeitsaufträge zu belohnen, die ihnen

Spaß gemacht oder das Gefühl vermittelt haben, etwas Sinnvolles zu tun. Laut Jane McGonigal

kann aus diesem Spiel ein ganzer Markt der „satisfying social participation tasks” (McGonigal

2012, S260) entstehen. Durch ein solches Spiel können Menschen einander, und ihrer gemein-

samen Zeit, mehr Bedeutung schenken und damit auch die Hoffnung auf echte Erfolge und auf

bessere soziale Interaktionen gewinnen.

Page 82: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 78

Serious Games als Integrationstool.

5. Konzeptentwicklungen und Adaptionen

Um ein ganzes Serious Game für interkulturelle Integration zu kreieren eignet sich der Rahmen

der Masterarbeit nicht. Jedoch können einige Vorschläge für ein solches Spiel erörtert werden,

wenn die bereits im vorangegangen Kapitel beleuchteten Spiele, als Grundlage dienen oder zum

Teil konzeptionell adaptiert werden. Dieses Kapitel eignet sich dazu, die von Jane McGonigal

formulierten Reparaturen, die ein Spiel an der Realität vornehmen kann, genauer zu betrach-

ten. Keines der folgenden Konzepte erhebt den Anspruch, vollständig durchdacht zu sein, die

Beispiele sollen als Gedankenanstoß dienen und Wege aufzeigen durch welche die Thematiken

der Integration zum Kontext der Spiele werden.

5.1 Groundcrew-Adaption

Wie bereits im vorangegangenen Kapitel geschildert eignet sich das Serious Game Groundcrew um

große kollaborative Projekte zu organisieren. Eine derartige Softwareunterstützung kann besonders

in Ausnahmezuständen hilfreich sein. Die massiven Flüchlingsströme nach Europa im Sommer 2015

waren und sind, bis zum Zeitpunkt der Abgabe dieser Arbeit, eine logistische und organisatorische

Herausforderung für die Hilfsorganisationen (vgl. Bayer 2015).Unzählige freiwillige Helfer müssen

koordiniert werden, viele unterschiedliche Sachspenden erfasst und zugeteilt werden. Gerade die

Strukturiertheit von Spielen, kann in diesem Fall Abhilfe schaffen. McGonigal erklärt, dass Spiele im

Vergleich zur Realität stärker organisiert sind und damit umgehen können, dass Menschen tausend

Stunden damit verbringen in - und mit diesen Systemen zu interagieren (vgl. McGonigal 2012, S277).

Ein geordneter und sicherer Verlauf der Einwanderung, schien zu Beginn ein unerreichbares Ziel zu

sein. Durch mediale Impulsgeber und die daraus resultierende Partizipation der breiten Masse konnte

bereits unvorstellbare Ziele erreicht werden. Über 100.000 Menschen nahmen am Refugees Welcome

am Heldenplatz in Wien teil (vgl. Brugner und Luger und von Usslar 2015).

In der Realität sind solche Phänomene eher die Ausnahme. Spiele hingegen, eignen sich

besonders um „epic win”-Situationen zu erzeugen. „Compared with games, reality is unambitious.

Games help us define awe-inspiring goals and tackle seemingly impossible social missions together.”

(McGonigal 2012, S252) Krisenmanagement-Software hat gegenüber interaktiven endverbraucher-

orientierten Produkten wie Groundcrew den Nachteil, dass sie meist nicht für die breite Masse

zugänglich ist und vor allem auch nicht die notwendige Usability mit sich bringt.

Page 83: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 79

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Um Groundcrew für einen solchen Einsatz zu adaptieren, müssten die Hilfsorganisa-

tionen das Zepter in die Hand nehmen und Wünsche formulieren. Auch die Zusammenarbeit

der Hilfsorganisationen untereinander lässt sich durch Groundcrew verbessern. Jede Organi-

sation erstellt einen Account, vergleichbar mit einem Menschen im Original-Spiel. Die drin-

gend benötigten Materialien, egal ob Nahrung, Kleidung oder Schlafmöglichkeiten können als

„Wunsch” in das Spiel eingespeist werden. Alle anderen Teilnehmer - Privatpersonen, aber auch

andere Hilfsorganisationen können in Folge diesen Wunsch sehen und möglicherweise erfül-

len. Die letzten Monate haben gezeigt, dass Hilfsorganisationen in Krisensituationen oftmals

große Mengen an Sachgütern einer Sorte gespendet bekommen und dass die Hilfsbereitschaft

ihre Lagerkapazitäten sprengt (vgl. Gotthold und Pirkl 2015). So kann es zum Beispiel passieren,

dass ein Flüchtlingsauffanglager mehr Decken hat als es benötigt, ein Anderes dafür zu wenige.

Nachdem die beiden Organisationen durch das System von ihrer Situation erfahren haben, kön-

nen sie einen neuen Wunsch formulieren, durch welchen eine Privatperson die überschüssigen

Decken an den Ort bringt, an dem diese gebraucht werden.

Das Belohnungssystem funktioniert ganz gleich dem Original-Spiel. Eine Unterschei-

dung der Art der Wünsche in passende Kategorien, wie zum Beispiel: organisatorische Arbeit,

soziale Interaktion, Übersetzertätigkeit, medizinische Hilfeleistung oder schlicht großzügige

Spende; können nicht nur die Kategorisierung der Wünsche, sondern auch die Zuteilung der Ar-

beitsaufträge erleichtern. Auf diese Art können Teilnehmer unterschiedliche Punkte sammeln

und eine Form der Expertise, in einem Bereich erlangen. Je nach erreichten Punkten werden

für den Spieler andere, herausforderndere Wünsche und Aufgaben sichtbar. Wie auch in der

Original-Version können auf diese Art sowohl die Vertrauenswürdigkeit, als auch die kategorie-

spezifische Belastbarkeit der Teilnehmer ermittelt und berücksichtigt werden. Die Möglichkeit

sich mit den Fähigkeiten einbringen zu können, in denen der Spieler besonders gut ist, verstärkt

die emotionale Aktivierung, die Spiele auf ihre Spieler haben (vgl. McGonigal 2012, S38). Des

Weiteren kann die Nachricht: „Gratulation, du hast soeben durch deinen persönlichen Einsatz

für Verständnis gesorgt. Du erhältst 22 Translaterpunkte. Willkommen im nächsten Transla-

terlevel: Diplomat!”, einem „Spieler” genau die Sorte bedeutungsvollen und spezifischen Erfolg

geben, den er gesucht hat. Im Vergleich zur Realität, schildert Jane McGonigal, können Spiele

Leistungen besser honorieren (vgl. McGonigal 2012, S148). Im Fall von Groundcrew und der hier

beschriebenen Adaption honoriert das Spiel Leistungen, die in der Realität erbracht wurden.

Page 84: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 80

Serious Games als Integrationstool.

McGonigals dritter Reparaturhinweis - Spiele bieten ihren Spielern zufriedenstellendere

Arbeit an (vgl. McGonigal 2012, S55) - trifft im Fall von Groundcrew möglicherweise sogar weni-

ger zu, als in dessen Adaption. Der Wunsch eines Mitspielers in der Umgebung : „Jemand bringe

ihm einen Café Latte”, ist zwar ein Arbeitsauftrag, gibt dem Wunscherfüller jedoch vermutlich

nicht zwingend das Gefühl etwas sinnvolles getan zu haben. In der hier beschriebenen Adaption

erarbeiten sich die Teilnehmer das Gefühl etwas Sinnvolles getan zu haben und empfinden wei-

ters, Teil einer größeren Bewegung. „Compared with games, reality is trivial. Games make us a

part of something bigger and give meaning to our actions.” (McGonigal 2012, S98). Die Interakti-

onsmöglichkeiten des Systems in Kombination mit den daraus resultierenden realen Begegnun-

gen zwischen Wünschenden und Wunscherfüllern, zwischen Vertretern der Minderheits- und

Vertretern der Mehrheitsgesellschaft, können eine starke soziale Verbindung dieser herstellen

(vgl. McGonigal 2012, S82). Das Verfolgen eines gemeinsamen „Spielziels” und die direkten

echten Begegnungen erzeugen ein „Wir-Gefühl”. Das gemeinsame Erlebnis von Flow und Fiero

überbrückt „Berührungsängste”zwischen den Vertretern der Mehrheits- und Minderheitsgesell-

schaft. Mehr Spaß mit Fremden, ist ein weiterer von McGonigals Hinweisen zur spielerischen

Verbesserung der Welt (vgl. McGonigal 2012, S172).

Die Adaption von Groundcrew zielt auf die besonderen Anforderungen ab, die durch gro-

ße Migrationswellen an ganze Staaten gestellt werden. Das Konzept ermöglicht nicht nur „epic

wins” und die Organisation solcher Unterfangen, sondern bereitet interkulturelle Integration

vor. Besonders die Mehrheitsgesellschaft, wird im Rahmen dieser Adaption an die Minderheits-

gesellschaft herangeführt. Der erste Kontakt zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft

wäre in diesem Fall spielerisch geführt und würde somit den in dieser Arbeit geschilderten

Mechanismen unterliegen.

5.2 The Extraordinaries-Adaption

Während die zuvor vorgestellte Adaption von Groundcrew den Schwerpunkt darauf legt

interkulturelle Integration vorzubereiten, ist das Konzept, das in diesem Unterkapitel vorgestellt

wird darauf fokussiert, das spätere Zusammenleben, zwischen Mehrheits- und Minderheits-

gesellschaft zu verbessern. The Extraordinaries würde in diesem Fall, lediglich als Grundlage

dienen. Die Idee lässt sich besser als „digitale interkulturelle Schnitzeljagd” beschreiben.

Ähnlich dem Original-Spiel, basiert die Weiterentwicklung auf einer Karte der jewei-

Page 85: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 81

Masterarbeit von Katharina Wünschek

ligen geografischen Umgebung der Spieler. In diese Karte können Teilnehmer „Entdeckungen”,

Events oder „Sonstiges” - wie zum Beispiel Gedanken oder Bilder zu dem jeweiligen Ort eintra-

gen. Um Informationen in das System einspeisen zu können, müssen die Spieler einen Account

erstellen. Hierbei ist es möglich, jedoch nicht verpflichtend, eine oder mehrere ethnische

Zugehörigkeiten anzugeben. Erstellt ein Spieler einen neuen Eintrag, so ordnet er diesem eine

ethnische Zugehörigkeit zu. Dies erfolgt mittels prozentualer Verteilung. Diese wird mit dem

Eintrag für alle Nutzer in deren näheren Umgebung sichtbar. Erst wenn die Zugehörigkeitsver-

teilung durch einen weiteren Spieler entweder bestätigt wird, oder aber eine neue Beurteilung

abgegeben wird, ist der Eintrag für alle Nutzer sichtbar. Der Wurstelprater in Wien könnte zum

Beispiel folgende Wertungen erzielen: 15% Roma & Sinti Kultur und Symbolik, 15% Ur-Wiener-

tum, 30% Russisches Kapital, 20% jüdisches Geschäftswissen, 20% Tourismus. Die zusätzlichen

Begriffe zu den ethnischen Gruppen sind zusätzlich wählbar. Das Beispiel soll verdeutlichen,

dass es weder um die ethnische Zugehörigkeit des Publikums noch um die Herkunft des Kapitals

im Speziellen geht. Es soll ein Gesamteindruck beurteilt werden: Wie wird der Prater empfun-

den? Und von wem? Derartige Informationen sind noch nicht vorhanden.

Für jeden Eintrag erhält der Spieler Punkte. Für einen neuen Eintrag, bekommt er

einen Bonus. Wenn ein weiterer Spieler einen Eintrag gleich bewertet hat wie er, erhält er eine

Benachrichtigung und weitere Zusatzpunkte. Je mehr Punkte ein Spieler hat, desto größer ist

der Radius, der ihm angezeigt wird. Weiters werden die Angaben des Spielers ausgewertet, in

seinem Profil wird ersichtlich mit welchen Ethnien sich ein Spieler gut auskennt. Die Erfolge

und Bewertungen sind innerhalb des Spieles und in sozialen Medien teilbar. Auf diese Weise

wird die Kommunikation der Spieler untereinander, aber auch der Spieler gegenüber Nichtspie-

lern gefördert.

Auch in diesem Spielkonzept kann, durch das Zusammenspiel vieler Spieler, eine Leis-

tung erbracht werden, die ein einzelner Spieler nicht erreichen könnte. Sowohl „epic win” als

auch „epic scale” - das Gefühl Teil von etwas Größerem zu sein - lassen sich auf diese Art erfah-

ren (vgl. McGonigal 2012, S98). Der „epic win” ist die zunehmend ausgefüllte Landkarte. Durch

dieses Spiel entsteht weniger Interaktion mit „Fremden”, dafür birgt der Input der anderen

Spieler einen Unterhaltungsfaktor. McGonigals Forderung nach mehr Spaß mit Fremden wird

also auch in diesem Konzept berücksichtigt (vgl. McGonigal 2012, S172). Ein weiterer Reparatur-

vorschlag von McGonigal ist es das Wissen, das wir über unser Verhalten haben, zu nutzen um

dieses zu verbessern. „Compared with games, reality is hard to swallow. Games make it easier

Page 86: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 82

Serious Games als Integrationstool.

to take good advice and try out happier habits.” (McGonigal 2012, S189). Das genannte Beispiel

illustriert diese Möglichkeit des Spieles nicht ausreichend. Hingegen, angenommen bei dem

Eintrag handelt sich um einen Event oder eine spezielle Ausstellung so könnten das Spiel und die

darin befindlichen Bewertungen zu neuen Verhaltensmustern anregen. Die sich stetig ändernde

Information zu der eigenen Umgebung kann zu einem nachhaltigen Interesse der Spieler führen.

Das Spiel bewirkt, durch mehrere Mechanismen ein Bewusstwerden der eigenen kul-

turellen Identität und der Multikulturalität der näheren Umgebungen. Viele Spieler der Mehr-

heitsgesellschaft wären vermutlich erstaunt, wie viele unterschiedliche ethnische Philosophien

und Werte sie in sich tragen und in ihrem Lebensraum finden können. Durch dieses Spiel wer-

den die kulturellen Unterschiede, die eine Stadt oder Umgebung architektonisch, kulinarisch

ausmachen, und ihren Lifestyle prägen - wie zum Beispiel durch Einkaufsmöglichkeiten oder

Ausstellungen, bewusst gemacht. Das Spielkonzept ist eine direkte Umsetzung des Leitspruchs:

„United in Diversity”.

5.3 Free Rice- und Quizduell-Adaption

Quizduell von FEO Media AB ist ein bisher in dieser Arbeit unbeschriebenes Casual-Game. Es

handelt sich hierbei um eine Smartphone-Application. Spieler können andere Spieler, im Regel-

fall ihre Freunde, zu einem Quizduell herausfordern. Die folgende Beschreibung basiert darauf,

dass die Verfasserin dieser Arbeit das Spiel selbst spielt.

Einer der beiden Spieler wählt die erste Wissenskategorie aus drei möglichen aus und

beginnt damit die erste Frage zu beantworten. Für jede Frage stehen vier Antwortmöglichkeiten,

aber nur 20 Sekunden Zeit zur Verfügung. Nach jeder Antwort bekommt der Spieler ein soforti-

ges Feedback darüber ob seine Antwort richtig oder falsch war. Hat der erste Spieler die Spielrun-

de, bestehend aus drei Fragen beendet, sendet das Spiel die selben Fragen und Antwortmöglich-

keiten an den zweiten Spieler. Dieser hat genausoviel Zeit um sie zu beantworten. Haben beide

Spieler die erste Runde gespielt, steht ein Rundensieger fest. Der zweite Spieler wählt die nächste

Kategorie und beginnt die zweite Runde. Es gibt insgesamt mehr als drei Wissenskategorien. Die

Spieler können jedoch jeweils nur aus drei, vom Spielalgorithmus per Zufall ausgewählten, wäh-

len. Nach sechs Runden ist das Spiel beendet.

Page 87: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 83

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Abbildung 12: Quizduell (appgefahren GmbH 2015)

Das Spiel birgt noch einige weitere Optionen: Spieler können selber Fragen gestalten,

sich innerhalb eines laufenden Spieles mit dem Duellpartner Nachrichten schreiben und den

eigenen Avatar gestalten. Das Spiel Free Rice wurde bereits detailliert im vorangegangen Kapitel

erläutert. Die Kombination und Adaption der beiden Spiele zu einem Spiel mit Integrationsef-

fekt könnte wie folgt funktionieren.

Das Spiel ist als Smartphone-Application konzipiert. Jeder Spieler erstellt zu Beginn des

Spiels einen Account und gibt der Software die Erlaubnis auf seinen ungefähren Standpunkt

zuzugreifen. Will der Spieler diesen Zugriff nicht erlauben, so kann er manuell einen ungefäh-

ren Standort, wie zum Beispiel „Leipzig und Einzugsgebiet” angeben. Die Fragen, die das Spiel

zur Auswahl stellt sind ortsspezifisch. Anhand der statistischen Zusammensetzung der Einwoh-

ner des gewählten Gebietes nach Ethnien, wird ein kohärenter Mix aus Fragen zur Verfügung

gestellt. Mit anderen Worten, der Fragenpool einer Gegend spiegelt prozentual die Verteilung der

Mehrheiten und Minderheiten der Region wider.

Der weitere Verlauf, ähnelt dem Quizduell. Hinzu kommt jedoch, dass durch die Beant-

wortung der Fragen, weitere relevante Informationen zu den spielenden Personen gewonnen

werden können. Ein Spieler, der in Deutschland geboren ist, beantwortet Deutschland-spezifi-

sche Fragen mit größerer Wahrscheinlichkeit richtig, als ein Migrant oder eine Migrantin erster

Page 88: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 84

Serious Games als Integrationstool.

Generation. Darauf basierend, lassen sich die jeweiligen ethnischen Zugehörigkeiten der Spieler

innerhalb einiger Spieldurchläufe und Levels konstruieren. Diese können ebenso prozentual

ausgedrückt werden. Durch diese Auswertung entsteht ein Selbstbild des Spielers. Er kann sich,

vielleicht zur eigenen Überraschung noch weiteren Gruppen zuordnen. Je länger ein Spieler das

Spiel spielt, um so mehr Inhalte über fremde Kulturen erlernt er. Sein Profil erfährt dadurch

ständige Fortschritte. Diese können als bedeutungsvolle Belohnungen bezeichnet werden. Laut

Jane McGonigal ist das wichtiger Faktor um dem Spieler glücklich zu machen (vgl. McGonigal

2012, S148f).

Durch die Levelfortschritte, ermöglicht das Spiel dem Spieler schrittweise seine eigenen

Informationen mit der Spielgesellschaft zu teilen und weiters deren Information einzusehen.

Die Statistiken der Spieler, die miteinander befreundet sind werden für diese sichtbar. Das Spiel

erfährt eine weitere Steigerung indem Spieler sich nach erreichen eines gewissen Levels zu Grup-

pen zusammenschließen können. Gruppen können gegeneinander spielen, entweder in einem

Multiplayermodus oder als einzelne Experten. Bei ersterem verlässt das Spiel den Bereich des

Casual-Games. Dieser kann jedoch beibehalten werden, wenn jedes Team seine Spieler zu Exper-

ten für gewisse Wissensbereiche ernennt. Auf diese Art spielen weiterhin jeweils ein einzelner

Spieler gegen einen anderen einzelnen Spieler, doch sie tun es für das Team. Ein Anreiz einem

Team beizutreten liegt darin, dass die Teampunkte jedem Teammitglied zu Gute kommen. Die

Rankingliste ist nun nicht nur nach Region unterteilt sondern kann die Einzelspielerwertungen

oder die Gruppenwertungen anzeigen.

Nach einigen Levels erweitert sich die Spielwelt um eine weitere Dimension. Der Begriff

der „authentischen” Gruppe wird eingeführt. Hierfür sind die ermittelten Spielerprofile von

Relevanz. Eine „authentische” Gruppe spiegelt die ethnische Verteilung ihrer Region durch ihre

Mitglieder wieder. Solche Gruppen können nun auf einem neuen Level gegeneinander antreten

und pro gewonnenem Spiel doppelt so viele Punkte erzielen, wie „normale” Teams. Auch die

Rankingliste erweitert sich um die Liste der „authentischen” Teams. Durch diese unterschiedli-

che Punktevergabe entsteht einerseits eine Motivation ein authentisches Team zusammenzustel-

len, andererseits vermittelt das Spiel dadurch eine klare Formel: Multikulturelle Teams erzielen

schneller Fortschritte.

Das karitative Element aus dem Spiel Free Rice, soll auch in diesem Spiel möglich sein.

Firmen können ihre Werbung auf der Spielplattform schalten, wenn sie im Gegenzug dazu

pro Punkteanzahl X einen Betrag Y an ausgewählte Organisationen spenden. Dabei soll es sich

Page 89: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 85

Masterarbeit von Katharina Wünschek

in erster Linie um integrationsfördernde Vereine und Organisationen handeln. Auf diese Art

könnten zum Beispiel mehr Sprachkurse für Migrantinnen und Migranten finanziert oder ein

interkulturelles Festival unterstützt werden. Diese Eigenschaft kann auch als einer der von Jane

McGonigal formulierten Reparaturmechanismen verstanden werden. Sie fordert ein nachhalti-

ges Engagement der Wirtschaft (vgl. McGonigal 2012, S244). Je besser und schneller die inter-

kulturelle Integration verläuft, um so eher können Migrantinnen und Migranten in ihrer neuen

Umgebung Fuß fassen und in Folge die Gesellschaft auch wirtschaftlich stärken.

Das Spiel stellt den Spieler vor „unnotwendige Hindernisse” in Form von Fragen, die

er ohne das Spiel nicht beantworten müsste. „Compared with games, reality is too easy. Games

challenge us with voluntary obstacles and help us put our personal strengths to better use.”

(McGonigal 2012, S22) Die speziell ausgewählten Fragen vermitteln Vertretern der Minderheits-

gesellschaft Wissen über die Kultur, Geschichte und Bräuche der Mehrheitsgesellschaft und

umgekehrt. Weiters können auch spezifische Fragen zur Infrastruktur, geografischen Lage der

Region, oder dem strukturellen Aufbau einer Stadt eingepflegt werden und einen Mehrwert für

alle Gesellschaftsgruppen erzielen. Im Spiel trauen wir uns Fragen zu beantworten, denen wir

in der Realität aus dem Weg gehen. Wie in den Kapiteln über die nicht vorhandenen Ängste im

Spiel bereits geschildert, haben wir im Spiel keine Angst vor dem Scheitern. Wir wagen es auch

eine Antwort zu geben, die wir erraten mussten. Das Risiko, das wir hierbei spielerisch und

bereitwillig eingehen, steigert die Hoffnung auf Erfolg - ein weiterer Mechanismus (vgl. McGo-

nigal 2012, S68).

Durch die Thematisierung der gesellschaftlichen Zusammensetzung und das bessere

Kennenlernen der fremden Gesellschaft, aber auch durch das gemeinsame spielen mit vielen

anderen Spielern wird auch in diesem Spiel die „epic scale”-Erfahrung erzeugt (vgl. McGonigal

2012, S98). Mehr Spaß mit Fremden, könnte der Untertitel des Spieles sein. Besonders in den

höheren Levels in denen die Spieler dazu motiviert werden, neue Mitglieder zu entdecken, zu

kontaktieren und in ihr Team aufzunehmen, wird eine soziale Öffnung gegenüber Fremden

spielerisch geübt. Dies fordert McGonigal unter anderen Eigenschaften einem modernen Seri-

ous Game ab (vgl. McGonigal 2012, S172). Durch dieses Element wird auch eine ihrer weiteren

Forderungen erfüllt: stärkere soziale Interaktion und Verbindung in Spielen und in der Realität

(vgl. McGonigal 2012, S82). Sie erläutert hierzu: „Games build stronger social bolds and lead to

more active social networks.” (McGonigal 2012, S82)

Page 90: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 86

Serious Games als Integrationstool.

Ein Mechanismus, der in den vorangegangenen Konzepten bisher weniger Berücksichti-

gung fand, ist die „wholehearts participation”: „Compared with games, reality is hard to get into.

Games motivate us to participate more fully in whatever we‘re doing.” (McGonigal 2012, S124)

Durch das gesetzte Zeitlimit von 20 Sekunden für eine Antwort, wird der Spieler in einem Maß

gefordert, das keine Nebenaktivitäten zulässt. Der Fokus gilt ganz dem Spiel und damit auch den

darin liegenden Informationen, es entsteht eine hoch konzentrierte Lernsituation.

Page 91: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 87

Masterarbeit von Katharina Wünschek

6. Conclusio

Unabhängig vom Grund der Einwanderungswellen besteht die Herausforderung der Zukunft, in

der gelungenen Integration der Migrantinnen und Migranten (vgl. Rettenegger 2008, S22). Im

Zuge dieser Arbeit stellt sich die interkulturelle Integragtion als Idealkonzept dar. Ein Konzept,

bei welchem eine Balance gefunden werden muss. Es soll sowohl eine Anerkennung der kultu-

rellen und sozialen Befürfnisse der Minderheitsgesellschaft durch die Mehrheitsgesellschaft, als

auch die Annerkennung der Gesetzte und des kulturellen und sozialen Lebens der Mehrheitsge-

sellschaft durch die Minderheitsgesellschaft möglich sein (vgl. Geißler und Pöttker 2006, S19).

Interkulturelle Integration findet ihren Ausdruck unter anderem im EU-Slogan: „United in

Diversity”.

Kultur wurzelt in den spielerischen Handlungen. Was später Kultur ist, wird im Spiel

erprobt, ausgetestet und übertrieben (vgl. Huizinga 2013, S13). Ausgehend von dieser Spielhaf-

tigkeit der Kultur, stellt sich der Konflikt, der sich zwischen verschiedenen Kulturen der Mehr-

heits- und Minderheitsgesellschaft ergibt neu dar. Es sind verschiedene Spielformen, die von

ihren Spielgesellschaften geschützt und verteidigt werden. Zur Lösung dieser Konflikte gilt es ein

gemeinsames Spiel zu finden, eine Kultur des Miteinanders zu etablieren und zu pflegen.

Spiele waren stets ein fundamentaler Bestandteil der menschlichen Zivilisation (vgl.

McGonigal 2012, S5). Das Spiel ist als eine unbedingt primäre Lebenskategorie zu bezeichnen

(vgl. Huizinga 2013, S11). Digitale Spiele erreichen weltweit Menschen verschiedener Kultu-

ren, Alters- oder Bildungsschichten. Folglich handelt es sich bei digitalen Spielen auch um

ein Massenmedium mit enormer Reichweite. Als solches hat das digitale Spiel nicht nur die

Besonderheit der Interaktivität, sondern auch weitere spezielle Mechanismen. Fiero und Flow

werden erlebt, Ängste werden vergessen, neue Welten und Lösungsansätze werden entdeckt, es

wird effektiver gelernt und die Motivation Arbeit zu verrichten, ist im Spiel so hoch wie selten

sonst. Im Gegensatz zu traditionellen Massenmedien werden Verbesserungsvorschläge im Spiel

weniger wahrscheinlich als Angriff empfunden (vgl. Klimmt 2009, S255). Die wandelinizieren-

de Botschaft kann daher im Spiel effizienter kommuniziert werden, als durch andere Medien.

Während die traditionell etablierten Medien aufgrund ihrer administrativen Strukturen und

territorialen Grenzen, eine dementsprechend territorial geschiedene Öffentlichkeit erzeugen,

können sich Medien wie das World Wide Web und das Spiel darüber hinweg setzen. Informa-

tionen und Emotionen, die durch ein Spiel transportiert werden, erreichen daher nicht nur

Page 92: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 88

Serious Games als Integrationstool.

weltweit Menschen, sondern vereinen diese durch die gemeinsam geteilten Erfahrungen und die

Möglichkeit sich darüber auszutauschen.

Als Massenmedium spiegeln digitale Spiele ihre Spieler wieder. Sie werden dahingehend

designt, einer speziellen Zielgruppe zu gefallen, sie zu interessieren und zu interaktiven Hand-

lungen mit dem Spiel zu motivieren. Durch die aktive Gestaltungsmöglichkeiten, die der Spieler

hat, entspricht das im Spiel erzeugte Spiegelbild der Gesellschaft qualitativ noch mehr dieser als

es bei anderen Massenmedien der Fall ist. Auch Rassismus existiert dementsprechend in digita-

len Spielen. Die Hasstiraden in Ingame-Kommunikationen werden unter Spielern und Spiele-

rinnen als „Trash-Talks” bezeichnet und oftmals als „nicht ernst gemeint” abgetan. Weil Kultur

im Spiel wurzelt muss Rassismus, Frauenfeindlichkeit und anderem gesellschaftsschädlichen

Verhalten im Spiel mit besonderer Aufmerksamkeit begegnet werden. Ein Serious Game zur in-

terkulturellen Integration könnte auch das erste Spiel sein, dass aufgrund der Themenverwandt-

schaft zwischen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit für Antitrash-Talks in Spielen steht.

Um sozialen Wandel zu bewirken, muss dieser auf der Ebene einer ganzen Gesellschaft

passieren (vgl. Klimmt 2009, S248). Digitale Spiele erreichen auf der Grundlage der technischer

Entwicklungen Millionen Menschen, zu fast jeder Zeit und an fast jedem Ort der Welt. Im Spiel

existiert keine Angst vorm Scheitern, keine Angst vor Gefahren, wir empfinden Eustress, Fiero

und Flow. Spiele geben dem Menschen das Gefühl einer sinnvollen Tätigkeit nach zu gehen, bis

an die Grenzen seiner Fähigkeiten gefordert zu werden - sie geben uns Erfolgsgefühle. Weiters

sind gut designte Serious Games auch hoch effektive Lehrsysteme. Sie lassen uns Wissen explo-

rativ und implizit erfahren. Im Besonderen Massively-Multiplayer-Games geben ihren Spielern

das Gefühl, Teil eines größeren Ganzen zu sein. Gemeinschafltich werden Projekte verwirklich-

bar, die alleine unmöglich erscheinen. Derartige Spiele lassen uns hoffen und sind damit die Zu-

flucht der Weltverbesserer. Zunehmend mehr Menschen spielen zunehmend länger. Sie suchen

im Spiel eine Bestätigung, eine Herausforderung, ein Erfolgserlebnis, einen Rausch der Emoti-

onen. Sie suchen im Spiel, was sie im Alltag nicht finden. Ein Serious Game für interkulturelle

Integration könnte sich all dieser Mechanismen bedienen und zusätzlich davon profitieren, dass

Mehrheits- und Minderheitsgellschaft sich spielerisch begegnen und miteinander Zeit verbrin-

gen. Denn „Alle Völker spielen, und sie spielen merkwürdig ähnlich” (Huizinga 2013, S38).

Page 93: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang
Page 94: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang
Page 95: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 91

Masterarbeit von Katharina WünschekSerious Games als Integrationstool.

7. Verzeichnisse

7.1 Literaturverzeichnis

• Abt, C. C. 1987: Serious Games, University Press of America, Lanham.

• Akin, F. 2008: Wir wünschen unseren türkischen Kunden ein frohes Weihnachtsfest. Ethno-

Marketing – Die kommunikative Ansprache von Türken in Deutschland, VDM Verlag Dr.

Müller, Saarbrücken.

• Bayer, H. 2015: Flüchtlinge: „Wer helfen will, braucht einen Plan“, in: Salzburger Nach-

richten [online] http://www.salzburg.com/nachrichten/salzburg/chronik/sn/artikel/

fluechtlinge-wer-helfen-will-braucht-einen-plan-163890/ [am 03.09.2015]

• BBC NEWS 2007: Web game provides rice for hungry. [online] http://newsvote.

bbc.co.uk/mpapps/pagetools/print/news.bbc.co.uk/2/hi/europe/7088447.stm [am

29.09.2015]

• Beavin, J. H. & Jackson, D.D. & Watzlawick, P. 2007: Menschliche Kommunikation.

Formen, Störungen, Paradoxien. Huber (Hrsg.), 11. unveränd. Auflage, Bern.

• Ben-Shahar, T. 2007: Happier. Learn the Secrets to Daily Joy and Lasting Fulfillment,

McGraw-Hill books, New York.

• Beberg, A. & Ensign, D. & Jayachandran, G. & Khaliq, S. & Pande, V. 2009 : Folding@

home: Lessons From Eight Years of Volunteer Distributed Computing.online] http://

www.hicomb.org/HiCOMB2006/papers/HICOMB2009-13.pdf [am 29.09.2015]

• Bibliographisches Institut GmbH. 2015: Migration, die. [online] http://www.duden.de/

rechtschreibung/Migration [am 03.09.2015].

• Bormann, M. & Kerres, M. & Vervenne, M. 2009: Didaktische Konzeption von Serious

Games: Zur Verknüpfung von Spiel- und Lernangeboten. in: MedienPädagogik. Zeit-

schrift für Theorie und Praxis der Medienbildung. [online] http://mediendidaktik.uni-due.

de/sites/default/files/kerres0908_0.pdf [am 17.07.2015]

• Bosotw, D. & Dedrick, E. & Kritch, K. 1995: Level of interactivety of video-disc instruc-

tion on colleg stdents’ to video-disk instruction. in: Neef, N. (Hrsg.), Journal of Applied

Behavior Analytics, 28(1), S85-86.

•Brugner, S. & Luger, M. & von Usslar, M. 2015: 100.000 setzen in Wien Zeichen für Solidarität

mit Flüchtlingen. in: derStandard.at [online] http://derstandard.at/2000023167422/Fluecht-

Page 96: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 92

Serious Games als Integrationstool.

lings-Aktionstag-mit-Demo-und-Konzert [am 10.10.2015]

• Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2015: Aktuelle Zahlen zu Asyl. Ausgabe:

September 2015. [online] https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Down-

loads/Infothek/Statistik/Asyl/statistik-anlage-teil-4-aktuelle-zahlen-zu-asyl.pdf?__

blob=publicationFile [am 30.10.2015]

•Bundeszentrale für politische Bildung 2015: Anwerbestopp 1973 [online] http://www.bpb.de/

geschichte/deutsche-geschichte/anwerbeabkommen/43270/anwerbestopp-1973 [am

30.10.2015]

•Castronova, E. 2007: Exodus to the Virtual World. Palgrave Macmillan, New York.

• Cody, M. & Ritterfeld, U. & Vorderer, P. 2009: Introduction. in: Cody, M. & Ritterfeld, U.

& Vorderer, P. (Hrsg.), Serious Games. Mechanisms and Effects, Routledge, New York.

• Cole, S. & Knutson, B. 2015: Abstract. Impact of the Re-Mission Videogame on Cancer

Treatment Adherence in Adolescents: CNS Mechanisms of Action, in: HopeLab (Hrsg.),

HopeLab Presentation to the 10th International Congress of Behavioral Medicine August 27

– 30, 2008, [online] http://www.hopelab.org/wp-content/uploads/2009/03/combined_abs-

tracts.pdf [am 20.07.15]

• Csikszentmihalyi, M. 1997: Finding Flow. The Psychology of Engagement with Everyday

Life, Basic Book, New York.

• Deterding, S. & Dixon, D. & Khaled, R. & Nacke, L. 2011: Gamification: Towards a Defi-

nition. Vancouver, BC, Canada (07.-12. May 2011).

• Diehl, S. & Esch, F.-R. & Gawlowski, D. 2009: Markenbindung für das ganze Leben, in: Meedia GmbH & Co.KG (Hrsg.), absatzwirtschaft. Zeitschrift für Mar-keting, Heft 12, 2009.

• DiePresse.com 2015: Flüchtlinge: Österreich laut Kurz „bereits massiv überfordert“ [on-

line] http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/4856318/Fluchtlinge_Osterreich-

laut-Kurz-massiv-uberfordert?_vl_backlink=/home/index.do [am 30.10.2015]

• Domnanovich, S. 2014, „Social Engagement Games. Zur Konvergenz von Serious

Games und Social Media.“, Diplomarbeit in Diplomstudium Theater-, Film- und Medi-

enwissenschaft an der Universität Wien.

• Dunagan, J. 2012: Massively Multiplayer Futuring: IFTF’s Foresight Engine. in: Journal

of Futures Studies [online] http://www.jfs.tku.edu.tw/wp-content/uploads/2013/10/171-

S05.pdf [am 13.09.2015]

• europa.eu 2015: The EU motto. [online] http://europa.eu/about-eu/basic-information/

Page 97: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 93

Masterarbeit von Katharina Wünschek

symbols/motto/index_en.htm [am 04.09.2015]

• Fahey, R. 2008: It‘s inevitable: soon we will all be gamers. in: The Times (Hrsg.) [online] http://www.thetimes.co.uk/tto/law/columnists/article2047355.ece# [am

15.09.2015]

• Fat, Ugly or Slutty 2015: Fat, Ugly or Slutty. [online] http://fatuglyorslutty.com [am

16.09.15]

• Geißler, R. & Pöttker, H. (Hrsg.) 2006: Integration durch Massenmedien. Medien und Migration im internationalen Vergleich, transcript Verlag, Bielefeld.

• Gotthold, K. & Pirkl, M. 2015: Welche Spenden helfen Flüchtlingen wirklich? in: Die

Welt [online] http://www.welt.de/146128966 [am 13.09.2015]

• Gutschker, T. 2015: Kanzlerin rechnet mit einer Million Flüchtlingen. in: Frankfurter

Allgemeine [online] http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/merkel-rech-

net-jetzt-mit-einer-million-fluechtlingen-13886656.html [am 30.10.2015]

• Hernandez, P. 2015: Banned League of Legends YouTuber Defends His Trash Talking.

[online] http://kotaku.com/banned-league-of-legends-youtuber-defends-his-trash-

tal-1730635674 [am 16.09.15]

• Huizinga, J. 2013: Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel, in: König, B.

(Hrsg.): rowohlts enzyklopädie, 23. Auflage, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Ham-

burg.

• Klimmt, C. 2009: Serious Games and Social Change. Why They (Should) Work, in:

Cody, M. & Ritterfeld, U. & Vorderer, P. (Hrsg.), Serious Games. Mechanisms and Effects,

New York: Routledge, 248-270.

• Le, S. & Weber, P. 2011: Game-Based Learning. Spielend Lernen?, in: Ebner, M. & Schön, S. (Hrsg.), Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien, http://l3t.eu.

• Lyubomirsky, S. 2008: The How of Happiness: A Scientific Approach to Getting the Life You

Want. Penguin Press, New York.

• Maatz, B. 2015: „Wie würden Sie aus Syrien flüchten?” in: Die Zeit [online] http://blog.

zeit.de/teilchen/2015/04/02/wie-sie-aus-syrien-fluechten-wuerden/ [am 30.10.2015]

• McGonigal, J. 2012: Reality is Broken. Why Games Make Us Better and How They Can

Change the World, Vintage, London.

• Müller, D. 2009: Einstellung von Journalisten zur Integration ethnischer Minderheiten,

in: Geißler, R. & Pöttker, H. (Hrsg.), Massenmedien und Integration ethnischer Minderhei-

ten in Deutschland, transcript Verlag, Biedefeld.

Page 98: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 94

Serious Games als Integrationstool.

• Nakamura, L. 2014: Gender and Race Online, in: Graham, M. & Dutton, W. H. (Hrsg.),

Society & The Internet. How Networks of Information and Communication are Changing

Our Lives, Oxford University Press, Great Claredon Street, Oxford, United Kingdom,

S81-95.

• Norman, D. A. 1993: Things that make us smart: defending human attributes in the age of

the machine. Preseus Books, Cambridge, MA.

• Novakovic, G. 2015: Daten und Fakten - Wiener Bevölkerung nach Migrationshinter-

grund. wien.at: Magistrat der Stadt Wien (Hrsg.) [online] https://www.wien.gv.at/men-

schen/integration/grundlagen/daten.html [am 5.10.2015].

• npr 2015: The Extraordinaries: Will Microvolunteering Work? [online] http://www.npr.

org/templates/story/story.php?storyId=106118736 [am 29.09.2015]

• Psiram, 2011: Foldit – Oder wie Computerspieler wissenschaftliche Paper schreiben…

[online] https://blog.psiram.com/2011/09/foldit-oder-wie-computerspieler-wissen-

schaftliche-paper-schreiben/ [am 04.10.2015]

• Rettenegger, F. 2008, „Mediale Integration ethnischer Minderheiten am Beispiel des

alternativen Fernsehsenders Okto“, Habil., Universität Wien.

• Rogers, S. 2009: How to crowdsource MPs‘ expenses. Help take part in our unique data-

collection exercise.[online] http://www.theguardian.com/news/datablog/2009/jun/18/

mps-expenses-houseofcommons [am 22.09.15]

• Sadigh, P. 2015: In diese europäischen Länder fliehen Flüchtlinge. in: Die Zeit [online] http://blog.zeit.de/teilchen/2015/10/29/fluechtlinge-europa-syrien-deutschland/ [am

30.10.2015]

• Stapelton, A. 2004: Serious Games: Serious Opportunities. Paper presented at the Australi-

an Game Developers’ Conference, Academie Summit, Melbourne, VIC.

•Suits, B. 2005: The Grasshopper. Games, Life and Utopia, Broadview Press, Canada.

• Sorglos, S. 2011-2012: Müßiggang - die verlorene Tugend. [online] http://www.kupf.at/

medien/zeitung/2011-2012/137/m-iggang-die-verlorene-tugend [am 04.09.15].

• Tatsuo, N. & Todorka, A. & Yefeng, L. 2011: Gamifying Intelligent Environments, Ubi-MUT11, Scottsdale, Arizona, USA.

• Empson, R. 2011: Groundcrew Offers a Platform to Help You Mobilize Your Team of Do-

Gooders. in: TechCruch (Hrsg.) [online] http://techcrunch.com/2011/02/07/groundcrew/

[am 29.09.2015]

• Uehlecke, J. 2008: Computerspiele: Kampf gegen die Killerzellen [online] http://www.

Page 99: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 95

Masterarbeit von Katharina Wünschek

zeit.de/2008/02/C-Serious-Games/komplettansicht?print=true [am 20.07.15]

• Von Ahn, L. 2006: Games with a purpose, in: IEEE Computer Society (Hrsg.): IEEE Computer Magazin 39, Band 6, 2006, S 92-94.

• Weiß, L. 2009, „Mediale Integration am Beispiel „biber“ (www.dasbiber.at) – transkult-

ruelles Magazin für MigrantenInnen“, Forschungsseminararbeit, Universität Wien.

• Wikimedia Foundation Inc. 2015: Migration. [online] https://de.wikipedia.org/wiki/Mi-

gration [am 03.09.2015].

• World Food Programme 2015: Free Rice. [online] http://www.freerice.com/totals.php

[am 29.09.2015]

• Yannick LeJacq 2015: League Of Legends YouTube Jokester Gets Banned [online] http://

kotaku.com/league-of-legends-youtube-jokester-gets-banned-1729589265 [am 16.09.15]

• Zeit Online 2015: Mit Baseballschlägern und Brandsätzen gegen Flüchtlinge. [online]

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-11/fluechtlinge-und-url-fluechtlinge-asyl-

unterkuenfte-brand-anschlag-sachsen-niedersachsen [am 30.10.2015]

7.2 Bildverzeichnis

• Abbildung 1: Vocus PRW Holdings, LLC. 2015: Re-Mission 2 Empowers Patients. [online]

http://ww1.prweb.com/prfiles/2013/08/16/11123640/Re-Mission%202%20Empowers%20

Patients%20-%20RM2_Customer-1_smaller.gif [am 30.10.2015]

• Abbildung 2: Games4Health 2014: Re-Mission Roxxy 1 [online] http://www.games-

4health.net/node/22 [am 30.10.2015]

• Abbildung 3: Games4Health 2014: Re-Mission Roxxy 2 [online] http://www.games-

4health.net/node/22 [am 30.10.2015]

• Abbildung 4: Spielzyklus (vgl. Garris et al 2002 nach Bormann und Kerres und Verven-

ne 2009, S2)

• Abbildung 5: Visual Software Systems Ltd. 2015: Global Conflits Palestine [online] http://

last-gamer.com/uploads/posts/2014-05/1401001401_global-conflicts-palestine.jpg [am

30.10.15]

• Abbildung 6: Haenni, P. 2015: Global Conflicts: Palestine [online] http://www.digitalis-

lam.eu/dwn/1003/2323C485x363_palestine.jpg [am 30.10.15]

• Abbildung 7: Center for Game Science at University of Washington & UW Department

Page 100: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 96

Serious Games als Integrationstool.

of Biochemistry 2015: Monkey Virus Protein [online] https://fold.it/portal/files/Mon-

keyVirusProtein.png [am 30.10.2015]

• Abbildung 8: Center for Game Science at University of Washington & UW Department

of Biochemistry 2015: Intro Preview [online] http://fold.it/portal/files/images/intro.

preview.png [am 30.10.2015]

• Abbildung 9: Jellyhaus 2015: MPs reimbursement form [online] http://jellyhaus.com/

wp-content/uploads/2009/06/2009-06-18_2257.png [am 30.10.2015]

• Abbildung 10: Bradshaw, P. 2015: Investigate your MP‘s expences Interface [online] http://

kwout.com/cutout/n/w9/j9/4x5_bor.jpg [am 30.10.2015]

• Abbildung 11: World Food Programme 2015: Free Rice English Vocabulary [online] hht-

tp://freerice.com/#/english-vocabulary/1643 [am 30.10.2015]

• Abbildung 12: appgefahren GmbH 2015: Quizduell [online] http://www.appgefahren.de/

wp-content/uploads/2015/07/quizduell.jpg [am 30.10.2015]

• Tabelle 1: Vergleich der drei Generationen von Lab One 2001 vgl. Kraus- Weysser F.,

Uğurdemir-Brincks B. N. 2002, S46.

• Tabelle 2: Effekte und Phasen des Wandels in Games for Change (Klimmt 2009, S255)

• Tabelle 3 : Ungefähre Folding@home Host Statistik Februar 2009 (vgl. Beberg et al 2009,

S6)

Keywords

Interkulturelle Integration, Migration, Migranten, Migrantinnen, segregative Integration,

assimilative Integration, Spiel, Spielen, digitale Spiele, Games, digital games, Serious Games,

Games for Change;

Page 101: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang

Seite 97

Masterarbeit von Katharina Wünschek

Abstract (deutsch)

Spiele können bereits weit mehr als bloßer Zeitvertreib sein, wenn sie nicht bereits immer mehr

als das waren. Laut einigen Experten sollen Spiele in Zukunft jedoch sogar Überragendes für die

Menschheit leisten. Sie sollen unsere Bildungssysteme revolutionieren, uns bei der Heilung von

Depressionen, Ängsten oder Aufmerksamkeitsdefizitstörungen helfen, sie sollen die Wahlbe-

teiligung steigern und weltweite Probleme wie den Klimawandel oder Armut lösen können (vgl.

McGonigal 2012, S14). In welcher Art und Weise Spiele in der Lage sind solches zu leisten, ist ein

zentraler Punkt dieser Arbeit. Der Fokus der Fragestellung liegt darauf, herauszuarbeiten ob sich

dieser Ansatz der Problemlösung auch für Konflikte im Bereich der Integration von Migranten

und Migrantinnen eignet.

Hierzu wird das digitale Spiel als Massenmedium betrachtet. Weiters werden die Me-

chanismen des Spieles, im Besonderen die des Serious Games und des Games for Change unter-

sucht und in Zusammenhang mit interkultureller Integration von Migrantinnen und Migranten

gebracht. An die theoretische Herleitung schließen zwei praxisnahe Kapitel an. Zum einen wird

eine kleine Auswahl an Serious Games vorgestellt und zum anderen werden drei mögliche inter-

kulturelle Spielkonzepte präsentiert.

Abstract (english)

Games can be a lot more than just pastime and maybe they always have been more than that. Fol-

lowing some experts, games are going to achieve great for humanity. They are going to reinvent our

educationsystem, they will heal depression, fears or attention deficit disorders, they will raise our

voter turnout and solve worldwide problems like climatic change or poverty (vgl. McGonigal 2012,

S14). The central question of this work is, in which way games are able to do so. The question further

is focused on the problems and conflicts appearing with integration of migrants.

Therefore digital games are discussed as massmedia. Further more the mechanism of games,

especially those of serious games and games for change are probed on the context of intercutltural

integration of migrants. After the theoretical derivation, there are two more chapters focussing on

experiences and gameconcepts. On one side, the autor introduces a small choice of serious games, on

the other side three potencial intercultural gameconcepts are presented.

Page 102: Serious Games als Integrationstool. - Leipzig School of Media · Serious Games als Integrationstool. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Science im Studiengang