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Wolfgang Wildgen Goethe als Wegbereiter einer universalen Morphologie Series A: General & Theoretical Papers ISSN 1435-6473 Essen: LAUD 1984 (2nd ed. with divergent page numbering 2011) Paper No. 125 Universität Duisburg-Essen

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Wolfgang Wildgen

Goethe als Wegbereiter einer universalen Morphologie

Series A: General & Theoretical Papers ISSN 1435-6473 Essen: LAUD 1984 (2nd ed. with divergent page numbering 2011) Paper No. 125

Universität Duisburg-Essen

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Wolfgang Wildgen

University of Bremen (Germany)

Goethe als Wegbereiter einer universalen Morphologie

Copyright by the author Reproduced by LAUD 1984 (2nd ed. with divergent page numbering 2011) Linguistic Agency Series A University of Duisburg-Essen General and Theoretical FB Geisteswissenschaften Paper No. 125 Universitätsstr. 12 D- 45117 Essen

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Wolfgang Wildgen

Goethe als Wegbereiter einer universalen Morphologie

(Abdruck aus dem Jahresbericht des Präsidenten 1982 Universität Bayreuth)

Die universale Morphologie heute, wie sie etwa in den Arbeiten René Thoms zur Morphogenese und zur Sprachwissenschaft erscheint, ist zwar eine junge Disziplin, sie ist jedoch von einem Geist getragen, der in vielen an Goethe und seine Epoche erinnert. Die Beziehungen treten noch klarer hervor, wenn wir neben Goethe den von ihm hochgeschätzten Sprachphilosophen Johann Gottfried Herder (1744 – 1803) und Goethes jüngeren Freund Wilhelm von Humboldt (1767 – 1835) in Betracht ziehen. Dieser Geistesströmung, für die Goethes Morphologie und Humboldts innere und äußere Form der Sprache charakteristisch sind, ist zwar nicht direkt, aber doch indirekt auf eine breitere Strömung heute beziehbar, deren Kern René Thoms Katastrophentheorie ist. Zum Umfeld der Katastrophentheorie gehören eine ganze Reihe moderner Ansätze, welche eine dynamische Gesamtsicht der Entstehung geordneter Strukturen und der Evolution höherer lebender Systeme versuchen. Zu nennen sind die innerhalb der Theorie dynamischer Ansätze operierenden Ansätze von Haken (Synergetik) und Prigogine (Entstehung und Ordnung aus Fluktuationen). In einem weiteren Sinn dynamisch und morphologisch sind auch Eigens Hyperzyklen und Maturanas selbstorganisierende Systeme (Autopoeises). Außerdem hat die Arbeit von Berry (1982) „Breaking the Paradigms of Physics from within“ gezeigt, dass diese „Morphologien“ im Mikroskopischen häufig vom Typ der „Fractals“ Mandelbrots sind.

In diesem Vortrag möchte ich einerseits jene Linien aufdecken, welche von der Morphologie Goethes zur modernen Morphologie als Theorie der Strukturentstehung führen, andererseits sollen aber auch einige wesentlich neue Impulse seit Goethe in diesem Bereich aufgezeigt werden. Es entsteht somit ein erstes Gesamtbild einer wissenschaftlichen Entwicklung über zwei Jahrhunderte hinweg. Diese historische Betrachtung öffnet gleichzeitig Perspektiven für die zukünftige Forschung, d.h. sie ist nicht Selbstzweck, sondern soll uns Fingerzeige für die weitere wissenschaftliche Arbeit geben.

Wenn ich Goethe als Wegbereiter einer universalen Morphologie bezeichne, dann aus zwei Gründen: Erstens hat er mit seiner Typenlehre und mit seiner Suche nach idealen Urformen das Paradigma einer abstrakten Formenlehre geschaffen, die über die empirischen Klassifikationen zeitgenössischer Biologen hinaus tendierte; zweitens hat er unter dem Einfluss von Plato und Leibniz nach einfachen, letztgültigen dynamischen Prinzipien gesucht, aus denen sich Sein und Werden der Welt erklären lassen. Seine ganzheitlich-dynamische Theorie wirkt auf dem Hintergrund moderner Theorien der Entstehung von Leben und der Evolution komplexer Wesen sehr aktuell, obwohl letztlich eine direkte

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Beeinflussung nicht anzunehmen ist. Goethe ist somit eher in dem Sinne Wegbereiter, als er eine Problemsicht verfolgt hat, die sich heute wieder als fruchtbar erweist.

Goethes Ideen zur Sprachmorphologie1, die zwar in seinem Werk nur einen geringen Platz einnehmen, erhalten ihr Gewicht eben durch die Symbiose von Sprachkunst und Wissenschaft in der Person Goethes. Sie werfen ein helles Licht auf Grundfragen der Sprachwissenschaft und deren Stellung zwischen den Natur- und Geisteswissenschaften.

1. Goethes Konzeption einer „Morphologie überhaupt“ Johann Gottfried Herder (1744 – 1803), dessen wissenschaftlich philosophischer Geist Goethes in seiner Straßburger Zeit tief beeindruckte, schrieb 1770 seine berühmte Preisschrift „Über den Ursprung der Sprache.“ Goethe konnte deren Entstehung persönlich im Gespräch mit Herder mit verfolgen. Er war zu dieser Zeit allerdings noch dabei, seine dichterische Kraft zu entwickeln. Aus der Bewegung der Sturm- und Drangperiode heraus war ihm Unmittelbarkeit, Gefühlsechtheit wichtiger als philosophische Abstraktion.2 Dennoch ist Herders Grundthese, die Kontinuität von Anorganischen zum Organischen, vom Tier zum Menschen und die Zielgerichtetheit der Entwicklung, die im menschlichen Geist (in der Sprache und besonders in der Poesie) gipfelt, eine Grundlage für Goethes dichterisches und naturwissenschaftliches Schaffen geworden. Interessanterweise ist es aber gerade die Differenz zu Herder, Goethes Vorliebe für das Sinnliche, Anschauliche, Unmittelbare und seine Abneigung gegen das Abstrakt-Allgemeine, welche seine besondere Verbindung von Dichtung und Naturwissenschaft prägen. Dabei mag seine zeichnerische Begabung eine zentrale Rolle gespielt haben.

Die Spannung zwischen Goethes Wunsch nach Unmittelbarkeit und dem Wunsch nach globalem Verstehen ließ die spezifisch Goethe`sche Morphologie entstehen, die er selbst an die Spitze einer aufsteigenden Liste von Wissenschaften stellt, die da sind:

Naturwissenschaften3: Organische Naturen, Habitus, Gestalt Naturlehre4: Materielle Naturen, Kräfte, Ortsverhältnisse Anatomie: Organische Natur, innere und äußere Teile, ohne das

lebendige Ganze Chemie: Teile eines organischen Körpers, Stoff hervorbringend,

Stoff zusammengesetzt Zoonomie5: Das Ganze insofern es lebt und wirkt, physische Kraft 1 Im Folgenden verwenden wir den Begriff „Sprachmorphologie“ in einem sehr weiten Sinne, der auf

Goethes Begriff der Morphologie und Humboldts Begriff der Form der Sprache aufbaut. Diese Begriffe werden in den Kapiteln 2 und 3 erläutert. Die spätere Lehre der Wortstruktur ist ein Symptom der Verarmung des Sprachbegriffs im Laufe des 19. Jahrhundert.

2 CF. BA. Sørensen (1977) S. 71: „Es gehört zum Credo seiner Jugend, das abstrakte Denken oder Theoretisieren möglichst zu vermelden oder gar zu bekämpfen.“

3 Damals: Geologie, Geographie, Meteorologie, Astronomie, Zoologie und Botanik. 4 Damals: Physik, Chemie.

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Physiologie6: Das Ganze sofern es lebt und wirkt, geistige Kraft Morphologie: Gestalt in ihren Teilen und in ihrem Ganzen,

Übereinstimmung, Abweichungen Morphologie überhaupt Betrachtung des organischen Ganzen durch Vergegenwärtigung aller dieser Rücksichten und Verknüpfung derselben durch die Kraft des Geistes. (Goethe, Johann Wolfgang v., Werke, Hamburger Ausgabe, Bd. 13, S. 122f; aus: Nacharbeiten und Sammlungen (1820))

Die „Morphologie überhaupt“ fasst alle Wirkungskräfte zusammen und stellt damit die höchste und umfassendste Naturwissenschaft im Sinne Goethes dar (vgl. auch Meyer-Abich, 1949: 76f.).

Diese hierarchische Anordnung der naturwissenschaftlichen Disziplinen macht deutlich, dass die Morphologie mehr ist als die Klassifikation gesammelter Formen oder Gestalten. Sie ist eine zwar konkrete, aber die Gesamtheit der Differenzen und Übereinstimmungen, sowie den anatomischen Aufbau und physiologischen Zusammenhang der Teile berücksichtigende Wissenschaft. Die „Morphologie überhaupt“ soll diese konkreten Teilbehandlungen zu einer universalen Darstellung der Natur durch die „Kraft des Geistes“ vereinen.

Die zentralen Begriffe in Goethes Morphologie der klassischen Zeit (etwa 1775 – 1805) sind der Typus und die Urbilder (Urpflanze, Urtier, Urkörper). Einerseits wird der Typus und die Existenz von Urbildern methodisch als tertium comparationis der vergleichenden Forschung gefordert (so in: Bildung und Umbildung organischer Naturen, ebd. 21), andererseits erhalten diese Begriffe eine platonische Realität, sie sind Baupläne, Prinzipien, nach denen die Natur die Vielfalt der Formen kraft der ihr eigenen Freiheit schafft. Diese platonische Tendenz verstärkt sich in der Spätphase Goethes, in der er beeinflusst von Leibniz nach abstrakteren Prinzipien sucht. Dadurch werden die Urformen oder Archetypen nicht mehr in der Weise „sichtbar“ wie es Goethe bei seiner Suche nach der Urpflanze noch vorschwebte. Entgegen der Unmittelbarkeitsforderung des jungen Goethe entsteht jetzt doch eine abstraktere Vorstellung des Typus als Organisationsprinzip einer großen Vielfalt von Formen.

Komplementär zum Typus konzipiert Goethe die Metamorphose, welche den Typus verändert, ihn an die Umwelt anpasst. Auf diese Weise entstehen die Arten.

Eine mittlere Abstraktionsebene nehmen geometrische Formen der Dynamik ein. So spricht Goethe in dem Aufsatz: Spiraltendenz der Vegetation von:

„Allgemeine Spiraltendenz der Vegetation, wodurch in Verbindung mit dem vertikalen Streben Bau und Bildung der Pflanzen nach dem Gesetze der Metamorphose vollbracht wird“ (H.A., Bd. 13, S. 131).

5 Zoonomie: Heutige Physiologie. 6 Physiologie: Lebenswissenschaft, vitalistische Kraft.

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Diese geometrisch-dynamischen Formen werden von noch allgemeineren Prinzipien ergänzt: Polarität und Steigerung.

Goethe vollzieht dabei in seinem Lebenswerk einen Teil des Wissenschaftszyklus vom empirischen zum ideellen, den er anlässlich seiner Beschreibung der Geschichte der Farbenlehre aufgedeckt hatte. In der damaligen Philosophie von Schelling (1775 – 1854) und Hegel (1770 – 1831) näher als der sich entwickelnden Naturwissenschaft.

2. Ansätze einer Allgemeinen Sprachmorphologie bei Herder, Goethe und Humboldt

Goethe hat keine größere Schrift hinterlassen, welche sich mit der Sprache befasst. Seine Sprachphilosophie muss aus verstreuten Maximen, Bemerkungen und Briefen nachkonstruiert werden. Allerdings wissen wir ausreichend Bescheid über seinen Ausgangspunkt, der mit der Position Herders im Wesentlichen übereinstimmt und haben in Wilhelm von Humboldt einen berühmten Fortführer der Tradition Goethes. Die morphologischen Grundprinzipien spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Goethes Position zu Herder, dessen Preisschrift „Vom Ursprung der Sprache“ in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts bereits ein Klassiker war, umreißt Goethe wie folgt: „Zu jener Zeit war im Gefolg der Herderischen Preisschrift über den Ursprung der Sprache ... die Vorstellung herrschend: Ganz im innerlichsten Bezug auf seine Organe sowohl als seine Geistesfähigkeiten sei nun dem Menschen die Sprache angeboren. Hier bedürfe es keiner übernatürlichen Anleitung, so wenig als einer Überlieferung. Und in diesem Sinne gebe es eine allgemeine Sprache, welche zu manifestieren ein jeder autochthonische Stamm versucht habe. Die Verwandtschaft der Sprachen liege in der Übereinstimmung der Idee, wonach die schaffende Kraft das menschliche Geschlecht und seinen Organismus gebildet.“ (Goethe, Italienische Reise, Dezember 1787, (Moritz als Etymolog), zitiert bei Steiler, 1909: S. 7f)

In dieser gerafften Zusammenfassung der Position Herders scheint gleichzeitig Goethes morphologische Denkweise durch. Der Typus, das allen Arten Gemeinsame, ist die „allgemeine Sprache“, die angeboren ist. Die Metamorphosen dieses Typus, den Goethe allerdings nicht näher bestimmt, führen zu den Sprachen der autochthonen Stämme. Gemeinsam ist den verschiedenen Sprachen eine „Idee“, ein Plan, nach dem sie geschaffen sind. An diesem Zitat wird die morphologische Perspektive Goethes, die Natur, Mensch und Geist (Sprache) umfasst, sehr deutlich. In dem Begriff „allgemeine Sprache“ hat Goethe gleichzeitig eine neue Wissenschaft, die Allgemeine Sprachwissenschaft, angesprochen, als deren Begründer gemeinhin Wilhelm von Humboldt (der jüngere Freund Goethes) genannt wird.

Goethes Auseinandersetzung mit der Sprache stand jedoch überwiegend unter dem Motto der Unzulänglichkeit von Sprache und Sprechen.

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„Wenn nun ein höherer Mensch über das geheime Wirken und Walten der Natur eine Ahnung und Einsicht gewinnt, so reicht seine ihm überlieferte Sprache nicht hin, um ein solches von menschlichen Dingen durchaus Fernliegendes auszudrücken.“ (mit Eckermann, 20. Juni 1831, zitiert bei Seiler 1909: S. 21)

Der sprachliche Ausdruck wird von Goethe systematisch mit dem wahrgenommenen Objekt und seinem Wahrnehmungsbild verglichen, wodurch der Formverlust bei der Verbalisierung deutlich wird. Goethe verfügt also über eine implizite Zeichenlehre, die er in den Aphorismen und Fragmenten auch kurz skizziert:

„Durch Worte sprechen wir weder die Gegenstände noch uns selbst völlig aus. Durch die Sprache entsteht gleichsam eine neue Welt, die aus Notwendigem und Zufälligem besteht.“ (Goethe, Artemis Ausgabe Bd. 17, S. 775)

In diesen Aphorismen wird deutlich eine Dreiheit von Welt/Sprache/Individuelles Bewusstsein angenommen und es wird selbstverständlich von einer Teilkonventionalität der Sprache ausgegangen. Interessant ist weiter, dass Goethe vier Typen von Zeichen annimmt, wobei neben ikonischen und halbikonischen (in der modernen Terminologie von Peirce) solche Zeichen treten, welche Sachzusammenhänge durch grammatische Regularität bezeichnen (Goethe nennt die Reihe mein, dein, sein, in der sowohl Possessivität als auch Unterschiede der Person grammatisch dargestellt sind). Als höchsten Zeichentypus nimmt Goethe die mathematischen Zeichen an, welche „weil ihnen gleichfalls Anschauungen zugrunde liegen, im höchsten Sinn identisch mit den Erscheinungen werden können“. Dies besagt, dass in der Mathematik eine symbolische Annäherung an die Welt möglich ist, die der gewöhnlichen Sprache versagt bleibt (vgl. dazu auch Kap. 5).

Die Symbolfunktion von Sprache weist ihr eine Schlüsselfunktion zu, sowohl für den dichterischen als auch den wissenschaftlichen Zugang zur Wirklichkeit. Durch diese Formung muss alle Formenwahrnehmung hindurch, d.h. jede Morphologie ist letztlich von der Sprache als eigentlichem Formeninventar geprägt, wir können diese Sprachformung verbessern, indem wir die Sprache verbessern; entgehen kann ihr weder der Dichter noch der Wissenschaftler. Damit erscheint hinter der Morphologie quasi als Grau Eminenz (bedrohlich und doch herausfordernd) die Form der Sprache. Gerade weil Goethe Dichter und Naturwissenschaftler war, ist dieser tiefe Zusammenhang ihm zur bedrückenden Erkenntnis geworden. In dieser Einsicht in die tiefe Abhängigkeit von Natur, Geist und Sprache liegt das Erbe, das Goethe an Wilhelm von Humboldt, seinen jüngeren Freund, weitergegeben hat. Während Goethe seine Reflexion über Sprache primär im Handeln als Dichter und als Naturwissenschaftler umsetzt, wird die dabei entstandene reiche Sprachintuition von Wilhelm von Humboldt in Sprachanalyse und Sprachtheorie umgesetzt. Wilhelm von Humboldt (1767 – 1835) hat Goethes morphologisches Programm in zweifacher Hinsicht auf die Sprache übertragen:

1. Wie sein Bruder Alexander unternahm er weite Reisen, um so die Vielfalt der Sprachen konkret zu erforschen. Damit genügte er Goethes

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Ideal einer konkreten Naturforschung, die nicht vom Einzelnen voreilig auf Allgemeine schließt oder gar den Unterschied zwischen Hypothese und Sachverhalt verschleiert.

„Hypothesen sind Gerüste, die man vor dem Gebäude aufführt und die man abträgt, wenn das Gebäude fertig ist; sie sind dem Arbeiter unentbehrlich; nur muss er die Gerüste nicht für das Gebäude ansehen.“ (Goethe, Aphorismen und Fragmente, Artemis-Ausgabe, Bd. 17, S. 726)

2. Die gesammelten Sprachbeobachtungen werden geordnet und verglichen, so dass eine Typologie entsteht. Ganz im Geiste von Goethes Morphologie versucht Humboldt hinter die „äußere Form“ der Sprachen, ihre lautliche und kategoriale „Technik“ zu inneren Formen, zum Urtypus vorzudringen. Der Urtypus jedoch ist die Typologie des Denkens, womit der Zusammenhang von Sprache und Denken ins Zentrum rückt. Die Archetypenlehre führt uns also nicht zu primitiven Vorformen wie bei den Wirbeltieren etwa zum Lanzettfischchen, sondern zu einer Morphologie tieferer Stufe. So schreibt Humboldt 1820 an Goethe:

„Wenn ich mich hauptsächlich mit Sprachen beschäftige, so ist der Punkt auf den ich eigentlich ausgehe, der innere Zusammenhang mit dem Gedanken, die Abhängigkeit oder Unabhängigkeit dieses und aller geistigen Bildung von der Sprache, welche ihren Organismus nur zum kleinsten Teil von denen, die sie jetzt reden, empfangen, und ihre eigenen Schicksale, wie jedes andere historisch gestaltete Wesen, erfahren hat.“ (Brief an Goethe, in: Humboldt, 1883, S. 265)

Humboldt erkennt also klar, dass die Sprachformen trotz aller Autonomie einerseits von den Naturformen, auf die sie Bezug nehmen, andererseits von den Formen des Denkens, aus denen Sprache sich bildet, abhängen; d.h. Sprache ist eine Art Morphologie dritter Stufe, wobei allerdings die Denkformen und die Sprachformen sich fast unentwirrbar verbinden. Humboldt gibt auch vorsichtige Hinweise auf jene fundamentalen Denkstrukturen, welche für die Konstitution der Sprachmorphologie von Bedeutung sind.

„Die allgemeinen, an den einzelnen Gegenständen zu bezeichnen – den Beziehungen und die grammatischen Wortbeugungen ruhen beide größtenteils auf den allgemeinen Formen der Anschauung und der logischen Anordnung der Begriffe. Es liegt daher ein unübersehbares System vor, mit welchem sich das aus jeder besonderen Sprache hervorgehende vergleichen läßt.“ (Humboldt, 1880/1974, S. 109f.)

Humboldt versucht also in Goethes Tradition der Urpflanze die Urbegriffe zu finden. Er sieht in der Person und den Raumverhältnissen bzw. deren Verknüpfung „in einer noch

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einfacheren Wahrnehmung“ (ebd. S. 110) die letzte Basis, auf der sich dann als erstes Bewegungs- und Beschaffenheitsbegriffe bilden.7

Der Begriff der Morphologie, wie er von Goethe geprägt wurde, wird durch Humboldts Begriff der „Form“ differenziert. In seinem ursprünglichen Ansatz war für Humboldt Sprache lediglich ein Indikator für die Ähnlichkeit und die Verschiedenheit von Nationen, welche er wiederum mit biologischen und botanischen Arten verglich (vgl. Humboldt, 1974, S. 39 – 51). Sein Ausgangspunkt war also eine Morphologie im Sinne Goethes. Dieses überindividuelle Gebilde8, der National- oder Volkssprache, wurde schließlich ergänzt und erklärt durch das Individuelle, Lebendige, Kreative: die Sprachtätigkeit. Damit löst sich Humboldt aus der naturgeschichtlichen Morphologie in der Tradition Goethes. Die Konsequenz ist ein wesentlich komplexerer Formbegriff, den ich kurz anhand von Zitaten aus Humboldts Schrift: „Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus“ illustrieren will (Humboldt, 1883, S. 267f.):

„Der Begriff der Form der Sprachen dehnt sich weit über die Regeln der Redefügung und selbst über die der Wortbildung hinaus, insofern man unter der letzteren die Anwendung gewisser allgemeiner logischer Kategorien des Wirkens, des Gewirkten, der Substanz, der Eigenschaft usw. auf die Wurzeln und Grundwörter versteht. Er ist ganz eigentlich auf die Bildung der Grundwörter selbst anwendbar, und muss in der That möglichst auf sie angewandt werden, wenn das Wesen der Sprache erkennbar sein soll.

Der Form steht freilich ein Stoff gegenüber: um aber den Stoff der Sprachform zu finden, muss man über die Gränzen der Sprache hinaus.

... Absolut betrachtet kann es innerhalb der Sprache keinen ungeformten Stoff geben, da alles in ihr auf einen bestimmten Zweck, den Gedankenausdruck, gerichtet ist. ... Der wirkliche Stoff der Sprache ist auf der einen Seite 1. der Laut überhaupt, auf der anderen 2. die Gesamtheit der sinnlichen Eindrücke und selbstthätigen Geistesbewebungen, welche der Bildung des Begriffes mit Hilfe der Sprache vorausgehen.“

Wenn ich vorher von einer Morphologie dritter Stufe bei der Sprache gesprochen habe, so gilt dies insofern nur eingeschränkt, als der Gedanke selbst relativ ungeformt, vorübergehend, instabil bleibt, solange er nicht durch symbolische Repräsentationen gefestigt, gebunden, verdinglicht wird. Das Denken ist also, zumindest in Humboldts

7 Humboldt steht einerseits in der Tradition der Arbeiten Kants, andererseits ist seine dynamische, oft

dialektische Betrachtungsweise eine Gegenreaktion zu Kant. In dieser Hinsicht unterscheidet er sich von den Lokalisten, etwa dem Bopp-Schüler, Wüllner, die eine wesentlich direktere Rückführung sprachlicher Strukturen z.B. der Kasus, auf Anschauungsstrukturen vorschlugen. Steinthal bezeichnete Humboldts Philosophie als „Kantisirter Spinozismus“ (in: W. v. Humboldt, 1974: S. 14).

8 Die Ansicht, dass uns die Sprache einen Zugang von Volkcharakter eröffnet, finden wir schon in Herders „Ideen zur Philosophie und Geschichte“. Er schreibt:

„Der schönste Versuch über die Geschichte und mannichfaltige Charakteristik des menschlichen Verstandes und Herzens wäre also eine philosophische Vergleichung der Sprachen: denn in jeder derselben ist der Verstand eines Volkes und sein Charakter geprägt.“ (zit. von Pott in: Humboldt, 1880/1974, S. 161)

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Sprachphilosophie, nur eine Übergangsmorphologie, ebenso wie die rein physiologische Lauterzeugung (vgl. etwa das Babbeln des Babys).

Die Repräsentationsleistung gebt den Menschen abrupt aus der Kontinuität: Natur – Lebewesen – Geist heraus. Es scheint plausibler, einen Übergang vom senso-motorischen Denken, das noch nicht von der Reaktion auf das Ereignis, die Situation losgelöst und damit nicht autonom ist, zu vorsymbolischen und schließlich zu symbolischen (im weiten Sinn sprachlichen) Denkformen anzunehmen.9 Hier liegen aber die Erfahrungsgrenzen des Sprachmorphologen Humboldt und die Grenzen seiner Sprachphilosophie.

3. Verfall und Neuentstehung der Allgemeinen Morphologie Die Morphologie, wie sie Goethe programmatisch skizziert hat, wurde mitgetragen durch die naturphilosophischen Ansätze von Schelling (vgl. „Schelling`s erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie“ von 1799) und parallele Arbeiten Okens (vgl. dessen Lehrbuch der Naturphilosophie, 1809 – 1811). Goethe selbst sah sich außerdem in Geoffroy St. Hilaire anerkannt und nahm gegen Ende seines Lebens Stellung zum Akademiestreit zwischen Geoffroy St. Hilaire und Cuvier (vgl. Goethe`s ausführliche Kommentierung der „Principles de Philosophie zoologique“ (Hamburger Ausgabe, Bd. 13, S. 219 – 250)). St. Hilaires Grundgedanke ist nach Goethe: „die Organisation der Tiere sei einem allgemeinen, nur hier und da modifizierten Plan, woher die Unterscheidung derselben abzuleiten sei, unterworfen“ (Goethe, J. W. von, Hamburger Ausgab Bd. 13, S. 225).

Diese Kontroverse war für Goethe deshalb so bedeutsam, weil hier ein international anerkannter Naturforscher seine Arbeit explizit gewürdigt hat. Dessen Gegner Cuvier freilich sah in der Arbeit der Deutschen (neben Goethe werden genannt: Kielmeyer, Meckel, Oken, Spix, Tiedemann, Bojanus, Carus) den Versuch, eine längst widerlegte pantheistische Theorie zu begünstigen (s. Ibidem, S. 227, 250).

Das Grunddilemma der idealistischen Morphologie, wie die spätere, an Goethe anknüpfende morphologische Forschung genannt wurde, ist in Goethes Arbeiten schon vorgeprägt. In der Beobachtung einzelner Phänomene verfährt diese Morphologie wohl empirisch, bei der Festlegung allgemeiner Strukturen im Vergleich und bei der Konstruktion allgemeiner Urformen, Typen, mischen sich subjektive, häufig gar sprachliche Schemata in die Theorie, so dass die Typen und Urformen eher philosophisch als empirisch determiniert sind. Dies wird besonders am Urblatt deutlich, das weniger eine phylogenetische Urform als vielmehr eine Verallgemeinerung des Prototyps eines „Blattes“ 9 Piaget versucht in seinen Arbeiten zur Entwicklung der Intelligenz, die Lücke zwischen tierischer

Wahrnehmung und Reaktion und menschlichem Denken zu schließen. Mit seiner „genetischen“ Betrachtungsweise steht er zwischen einer biologischen (d.h. Darwinistischen) und einer morphologischen Modellbildung. Im Gegensatz zu Humboldt tendiert Piaget dazu, die Rolle der Sprache zu unterschätzen. Uns scheint sein Ansatz noch auf einer Zwischenstufe, auf dem Weg zu einer genetisch-morphologischen Theorie im Sinne Humboldts und Cassirers zu verharren. Immerhin wird eine partielle Autonomie der Denkentwicklung von der Sprache deutlich, die Humboldt nicht wahrgenommen hat, weil er die künstlerische und philosophische Sprache als Ideal vor Augen hatte.

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in der deutschen und zentraleuropäischen Weltsicht darstellt. Dies bedeutet: eine sprachliche Verallgemeinerung in der Kultur des Biologen dient als Folie des Archetyps (vgl. dazu Zimmermann, 1968: S- 50ff.).

Es ist auf diesem Hintergrund nicht erstaunlich, dass die idealistische Morphologie etwa seit Mitte des 19. Jahrhunderts von der Mehrzahl der Biologen abgelehnt wurde. Sie hatte international nur vereinzelte Fortführer (so die Archetypenlehre von Owen (1804 – 1892), Aggasiz: Essay of Classification, 1859, und D`Arcy Thompson, On Growth and Form, 1917).

Die Arbeit von D´Arcy Thompson, der einerseits nach Urtypen, Urplänen sucht, andererseits dabei auf geometrische Konzepte zurückgreift, führt in direkter Linie zum „geometrischen Vitalismus“ eines René Thom (vgl. Thom 1977: S. 179). Dieser bezieht sich übrigens auch auf Geoffroy St. Hilaire, wobei er annimmt, dass die heutigen Biologen eher dazu neigen, für Cuvier Partei zu ergreifen, während er selbst St. Hilaires Wunsch nach einer morphologischen Letztfundierung für wissenschaftlich legitim hält (vgl. Thom, 1975: S. 36).

Der naturphilosophische Aspekt der Goethe`schen Morphologie (besonders in älteren Arbeiten) beeinflusste die Ganzheitsphilosophie von Driesch (1905) und auch die Gestaltphilosophie (etwa seit 1896). Insbesondere die Gestaltpsychologie zeigt eine Verbindung von empirischer (teilweise naturwissenschaftlicher) Strenge und großer Breite, die bis ins Philosophische und Ästhetische reicht. Aus diesem Grunde ist diese moderne Entwicklung wohl die große Zwischenstufe in der Tradition, die schließlich zur universalen Morphologie heute führt.

Die Kontinuität; insbesondere im deutschen Raum, soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Gewicht von Goethes morphologischen Arbeiten zu seinen Lebzeiten eher mäßig war und nach seinem Tode rasch abnahm.10

10 Goethes Werk fand in der Person Carl Gustuv Jungs eine sehr bewusste Fortführung. Jung hat im

Gegensatz zu Freud versucht, seine Psychologie in der Geschichte zu fundieren. (Von Freud sagte er, dass dessen Geistesgeschichte bei Darwin begänne; Jung, 1971: S. 165). Jungs Archetypenlehre nimmt u.a. Bezug auf die Alchemie, die auch für Goethes Denken von zentraler Bedeutung war. Jung sagt:

„In meiner Beschäftigung mit der Alchemie sehe ich meine innere Beziehung zu Goethe. Goetehes Geheimnis war, dass er von dem Prozess der archetypischen Wandlung, der durch die Jahrhunderte geht, ergriffen war. Er hat seinen „Faust“ als ein opum magnum oder divinum verstanden. ... Man merkt in eindrucksvoller Weise, dass es eine lebendige Substanz war, die in ihm lebte und wirkte, ein überpersönlicher Prozeß, der große Traum des mundus archetypus“ (C. G. Jung, 1971: S. 210).

In Goethes Werk liegt somit eine Grundspannung zwischen Alchemie oder Geheimwissenschaft und moderner, empirischer Naturforschung vor, die tiefe historische Wurzeln hat und heute an der Trennungslinie zwischen offizieller Wissenschaft und Randbereichen wie Psychatrie und Metapsychologie deutlich wird. Goethes Versuch aus beiden Strömen zu schöpfen, ist eine weitere Verbindungzu der aus Naturwissenschaft herauswachsenden Kosmologie (vgl. Jantsch, 1979) und den Theorien der Strukturentstehung und der Morphogenese. Diese Hinweise mögen genügen, eine detaillierte Betarchung müsste auf die Entwicklung der Psychologie vom 18. Bis zum 20. Jahrhundert eingehen (vgl. Porte, 1980).

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Die Biologie des 19. Jahrhunderts wurde wesentlich geprägt durch die Festlegung der Evolutionstheorie, die als Idee bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts (implizit bei Herder) in Arbeiten der Biologen und Naturwissenschaftler vorhanden war. Erst die Verbindung von empirischer Sorgfalt und einfachem Erklärungsgefüge in den Arbeiten von Darwin und Wallace führte 1859 (Publikationen der „Origin of Species“ durch Darwin) zu einer neuen und tiefer greifenden vergleichenden Morphologie, die heute von keinem Biologen mehr ignoriert werden kann. aus der phylogenetischen Perspektive kann man sich beim Vergleich der Formen von Lebewesen nicht mehr auf Analogien und abstrakte Urformen beschränken, man muss die Geschichte zur Erhaltung und Veränderung von Formen im konkreten Zeitverlauf führen. Kurz gesagt, nah Darwin ist die naive Morphologie der Goethezeit nicht mehr möglich. Dies heißt jedoch keineswegs, dass der Darwinismus die in der Goethe`schen Morphologie aufgeworfenen Fragen beantwortet hätte, im Gegenteil, er stellte andere Fragen und auch andre Antwortschemata in den Vordergrund und hat damit das Problemfeld, nämlich diejenigen nach der Kontinuität von Natur, Geist und Kunst wurden jedoch von engen naturwissenschaftlichen Fragen verdrängt. Generell ergab sich ein neues Vorbild für die Wissenschaft, das auch für die Geisteswissenschaft Gültigkeit erhielt.

Die sorgfältigen und verästelten empirischen Analysen und Ergebnisse sollten durch möglichst einfache und generelle Gesetze erklärt werden. Von diesen Gesetzen wurde erwartet, dass sie vom Typ quasiphysikalischer Gleichgewichtsgesetze sind, d.h. es sollten keine höheren Pläne oder Entelechien ins Spiel kommen; aus den Wirkungen in der jeweils einzelnen Konfiguration sollten auch allgemeine Strukturen, etwa die Entstehung von Arten erklärt werden. In diesem Sinne ist die Zielvorstellung der Nach-Darwin`schen Biologie der von Goethe diametral entgegengesetzt.

In der Physik sind zwei große Entdeckungen von fundamentaler Bedeutung für die spätere Neuentstehung der universalen Morphologie. Erstens die beiden thermodynamischen Hauptsätze. Das erste wurde 1847 von Heimholtz mathematisch als Energieerhaltungsgesetz formuliert.11 Es stellte der Prototyp genereller Gleichgewichtssätze dar. Das zweite thermodynamische Gesetz, die Irreversibilität der Umwandlung von Energie in Wärme, war zwar in der Technik bekannt, es entfaltete seine theoretische (subversive) Wirkung aber erst heute in der irreversiblen Thermodynamik Prigogines. Wir werden in Kapitel 5 sehen, dass gerade diese Irreversibilität für die Theorie der Strukturentstehung von 11 Von Heimholtz trug seine Abhandlung am 23. Juli 1847 in der Berliner Physikalischen Gesellschaft vor

und zwar in Beantwortung einer von Robert Meyer gestellten Frage. Dieser Zeitpunkt mag als Startpunkt für die Epoche der Dominanz des mechanischen Weltbildes gelten. Wie schnell diese Entwicklung die idealistische Wissenschaft Goethes verblassen ließ, zeigt die Berliner Rektoratsrede von Du Bois-Reymond aus dem Jahre 1882, also zum 50. Todestag Goethes. Hatte Heimholtz Goethe zugebiligt, die „leitenden Ideen vorausgeschaut zu haben, zu denen der eingeschlagene Entwicklungsgang der Naturwissenschaft hindrängte“ (Benn, 1932: S. 179) so nannte Du Bois-Reymond in seiner Rede „Goethe und kein Ende“: „Goethes Arbeiten, die totgeborene Spielerei eines autodidaktischen Dilettanten“ (Benn, ebidem, S. 168). Diese Anschauung dürfte auch heute noch vielen traditionsverhafteten Naturwissenschaften auf der Zunge liegen, wenn sie von Goethes Arbeiten etwa zur Farbenlehre sprechen (zumindest legten dies Diskussionen anlässlich der Tagung in Bayreuth nahe).

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großer Bedeutung ist. Die zweite große Innovation ist die Feldlehre von Faraday (1791 – 1867) und Maxwells mathematische Formulierung der Feldgleichungen (um 1860). Die physikalische Feldlehre hat ihrerseits die Gestaltpsychologie Ende des 19. Jahrhunderts beeinflusst (besonders die „Vektorpsychologie“ Kurt Lewins). Sie ermöglichte eine dynamische, kontinuierliche Modellbildung mit Fernwirkungen und schaffte damit eine Alternative zum Mechanismus in der Tradition von Descartes.

Die Mathematik hat sich ohne spektakuläre Ereignisse im 19. Jahrhundert grundlegend verändert. Die Loslösung von der Anschaulichkeit und der direkten Dienstfunktion für die Technik (die Goethe so aufbrachte) führte in eine Grundlagenkrise, aus der eine große Fülle neuer Systeme hervorgingen. Es entstanden die Logikkalküle (und die Metamathematik), die nicht-euklidischen Geometrien und schließlich die Topologie und die Differentialtopologie sowie die Statistik. Mit dieser Vielfalt mathematischer Formen war ein reiches Instrumentarium für neue Morphologien geschaffen. Die Morphologie konnte sich aus der Bevormundung durch die Sprache, die Alltagsweltsicht befreien; zumindest teilweise, denn letztlich ist die Umgangssprache die letzte Rückversicherung (im Sinne des späten Wittgenstein).

Dieses Problemfeld greift jedoch schon hinüber in die Sprachmorphologie, deren weitere Entwicklung nach Humboldt wir kurz verfolgen wollen, um auf diese Weise die historische Kluft zwischen Goethes Tod und heute zumindest notdürftig zu schließen.

4. Metamorphosen der Allgemeinen Sprachmorphologie Wilhelm von Humboldts Sprachphilosophie stellte eine Synthese der intensiven sprachphilosophischen Auseinandersetzungen seit Leibniz und einen vorläufigen Höhepunkt dar. Gleichzeitig war aber seine Lehre der inneren und äußeren Sprachform auf einer abstrakten Höhe angesiedelt, die von der turbulenten nachfolgenden Entwicklung nicht nur nicht erreicht, sondern auch sorgfältig umschifft wurde. Bopp (1791 – 1867) und Jacob Grimm (1785 – 1863) setzten teilweise die Tradition fort. Die große neue Attraktion, die Rekonstruktion der germanischen und indoeuropäischen Ursprachen, und deren Bestärkung durch den ab Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzenden Darwinismus führten die Sprachwissenschaften in ganz andere Gefilde. Die stark historisierende, an Quellen orientierte, vergleichende Sprachwissenschaft und der allgemeine Trend zu ausschließlich mechanistischen Erklärungen ließen bald vergessen, dass die Sprache nicht eine bloße Naturform, wie die Blüten des Botanikers oder die Arten des Biologen ist. Man tendierte dazu, die Sprachwissenschaft auf eine Naturwissenschaft, ja auf die Naturgeschichte zu reduzieren (und stellte damit Goethes Hierarchie der Wissenschaften auf den Kopf). Nicht zuletzt das von Heimholtz formulierte Energieerhaltungsgesetz und die mechanische Gesetzlichkeit der Darwin`schen Evolutionslehre führten zum Ideal eines mechanischen, von jeder bewussten Einwirkung, jeder höheren Formung unbeeinflussten Gesetzlichkeit. Diese Zielvorstellung einer geistlosen Wirkung ist den Idealen von Herder, Goethe und

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Humboldt, insbesondere Goethes Idee der Steigerung und der Kontinuität von Natur, Geist und Kunst so entgegengesetzt, dass das Erbe der Goethe-Zeit verloren gehen musste. Es entstand die Konzeption einer naturwissenschaftlichen Linguistik (Schleicher, 1848) und die Idee der Lautgesetze. Allerdings lief sich die anfängliche Euphorie der Anhänger reinmechanischer und deshalb ausnahmsloser Lautgesetze bald tot. Die Lautgesetze wurden durch das im Wesentlichen assoziationspsychologische Analogieprinzip ergänzt oder gar zur „Mode“ herunter transformiert (s. H. Paul für die erste Tendenz, Delbrück für letztere). Wundt führte beide zusammen und verknüpfte sie in einer psycho-physischen Theorie, die mit Fechners Psychophysik in Zusammenhang gebracht werden kann.

Im späten 19. Jahrhundert finden verschiedene neu entstandene Disziplinen wie die Psychologie, die Soziologie und die Linguistik zu einer ersten Konsolidierungsphase. Die alten Probleme der Sprachmorphologie sind jedoch ihrer Lösung nicht näher gekommen, man hat lediglich Sprachbeobachtungen und Sprachvergleiche angehäuft. Die nächste und heutige Periode brachte eine Serie von Syntheseversuchen und führte schließlich zur Wiederaufnahme der klassischen Probleme. Dass diese Synthesephase noch andauert, hängt mir immer neuen Anpassungen der Sprachwissenschaft an wichtige Veränderungen im theoretischen Umfeld hauptsächlich in der Psychologie und Soziologie, aber auch in der Philosophie zusammen. Die wichtigsten Wellen waren Saussures Vorlesungen zu Beginn des Jahrhunderts, der Prager Funktionalismus, die extreme Instrumentalisierung bei Harris, die mit leicht veränderten Randbedingungen von seinem Schüler Chomsky variantenreich fortgeführt wurde. Mit Chomsky kommt gleichzeitig eine neue Welle zum Vorschein, die sich bald gegen ihn entwickelte: die kunstsprachliche Approximation natürlicher Sprachen. Die Methode besteht im Wesentlichen in einer Übersetzung der natürlichen Sprache in eine der wie Pilze hervor schießenden logisch-algebraischen Kunstsprachen.

Aber auch dieses emsige Bemühen, das in hochspezialisierte Pendanterie mündete, ermattete ebenso (wie die komparatistische Kleinkrämerei ein halbes Jahrhundert zuvor).

Das Herausfiltern der Universalgrammatik zeigt am Ende nur die leeren Filter. Die Grundfragen: Sprache als Natur oder Konvention, der Zusammenhang von Sprache – Denken und Wirklichkeit sind weiterhin ungelöst. Humboldts Arbeit wartet auf einen Fortsetzer.

Zwar gibt es hochinteressante Folgearbeiten zu Humboldt, so die Arbeiten von Steinthal, Cassirer oder der Neo-Humboldtianer: Weisgerber und Gipper, aber sie bleiben in dem Rahmen, den auch Humboldt nicht sprengen konnte. Eine universale Morphologie heute kann sich nicht mehr mit den Erkenntnismitteln zu Zeiten Goethes und Humboldts bescheiden, sie muss die fundamentalen Veränderungen in der wissenschaftlichen Landschaft seit Goethes Tod akzeptieren und integrieren. Das Faszinierende dabei ist, dass eben diese neue Entwicklungen Keime nicht nur für eine Wiederaufnahme der Problematik sondern auch Ansätze zu deren Lösung enthalten, d.h. gerade die Negation des Idealismus von Goethe und Humboldt schuf die Voraussetzungen für dessen Fortführung. Damit

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erweist sich die Nichtfortführung der idealistischen Morphologie Goethes und der sehr schwierigen Sprachtheorie Humboldts als recht gesund. Gerade eine emsige Fortführung dieser Tradition hätte wohl nichts als epigonale Zweitrangigkeit erbracht.

5. Ein neuer Anlauf zu einer universalen Sprachmorphologie 150 Jahre nach Goethes Tod, über 200 Jahre nach Herders Preisschrift ist das Interesse an den biologischen Grundlagen der Sprache wiedersprunghaft angestiegen. Nachdem eine Fülle von Daten über historische Sprachzustände und lebende Sprachen vorliegt, geht es nicht darum, diese in einer Theorie zu integrieren; die „Allgemeine Sprache“ die „Idee“ hinter der Verschiedenheit der Sprachen rückt wieder in den Vordergrund. Gleichzeitig ist man sich dessen bewusst, dass für die allgemeine Sprachmorphologie ein spezielles Instrumentarium notwendig ist und dass dieses Problem der sprachlichen Vermittlung unserer Wahrnehmung auch von Sprache fast unlösbar ist.

Goethe hat dieses fundamentale Problem jeder menschlichen Erkenntnis klar erkannt. In den Paralipomena zur Farbenlehre spricht er es in einer Diktion aus, die schon an Wittgenstein denken lässt:

„Alle Erscheinungen sind unaussprechlich; denn die Sprache ist auch eine Erscheinung für sich, die nur ein Verhältnis zu den übrigen hat, aber sie nicht herstellen kann (identisch ausdrücken kann)“ (Goethe, Artemis Ausgabe, Bs. 17, Aphorismen und Fragmente, Symbolik, S. 777)

Für sich persönlich sah Goethe nur einen Ausweg aus diesem Dilemma: die poetische Sprache.

„Im gemeinen Leben kommen wir mit der Sprache notdürftig fort, weil wir nur oberflächliche Verhältnisse bezeichnen. Sobald von tieferen Verhältnissen die Rede ist, tritt sogleich eine andere Sprache ein, die poetische“ (Goethe, Ibidem, S. 775).

In seiner Zeichenlehre, die wir bereits kurz erläuter haben, hat Goethe jedoch auch einen anderen Ausweg aus dem Dilemma angegeben, der für die moderne Naturwissenschaft von zentraler Bedeutung ist: Die Mathematik ist eine Sprache mit besonderen Symbolqualitäten:

„weil ihr gleichfalls Anschauungen zugrunde liegen, die im höchsten Sinn identisch mit den Erscheinungen werden können“ (Goethe, Ibidem, S. 776).

Gleichzeitig sieht Goethe aber auch die Gefahren der mathematischen Sprache, wenn er sagt:

„daß aber ein Mathematiker aus dem Hexengewirre seiner Formeln heraus zur Anschauung der Natur käme und Sinn und Verstand unabhängig wie ein gesunder Mensch brauchte, wird ich wohl nicht erleben“ (An Zelter, 17. Mai 1829, zitiert in Seiler 1909, S. 4).

Ganz so pessimistisch war Goethe allerdings nicht, immerhin hebt er den Mathematiker Lagrange hervor, indem er sagt:

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„möchten dich allen den gründlich-klaren Sinn eines Lagrange besitzen und damit Wissen und Wissenschaft behandeln“ (Goethe, Artemis Ausgabe, Bd. 17, S. 770).

Obwohl Goethe die weitgehende Mathematisierung der Physik ablehnte, war es gerade diese, welche den Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzenden Empirismus in Richtung auf Goethes Idealismus zurückführte (vgl. A. Groth, 1972, S. 167ff).

Goethe sah wohl in groben Umrissen Gefahren und Chancen der Mathematisierung, er konnte aber deren Ausmaß und Vielfalt noch nicht ahnen. Die universale Morphologie verwendet Mathematik nicht nur für das Trennen und Vergleichen, also in der konkreten empirischen Arbeit, sondern auch bei der Suche nach Grundtypen und letzten Formprinzipien. Für diesen sehr theoretischen Zweig der heutigen Morphologie sind die Arbeiten René Thoms zentral.

René Thom steht einerseits als Mathematiker in der Tradition des von Goethe hochgelobten Lagrange, andererseits versucht er, eine Naturphilosophie aufzubauen, in welche die heute vorhandenen Disziplinien von der Physik bis zur Psychologie und Linguistik ein Fundament und eine Perspektive erhalten.

In seiner Rede anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Tübingen zum Thema: Für eine Wiederbelebung der Naturphilosophie zeigt der Mathematiker Thom einige Konfliktfelder der heutigen Wissenschaft auf. Er fasst das Problem des Wissenschaftlers als ein zweifaches auf. Erstens muss dieser einen empirischen Tatbestand sichern, d. h. eine Morphologie in Raum und Zeit feststellen. Zweitens muss er aus der Flut solcher Feststellungen eine einfache Theorie bauen. Die Theorie soll dabei die Willkür bei der Beschreibung einzelner verstreuter Morphologien verringern, indem eine generelle Morphologie, oft durch Einführung verdeckter Größen und Parameter, konstruiert wird. Thom vergleicht diese Situation mit dem Sinnbild Platons vom Menschen, der in einer Höhle aus Schatten das Geschehen draußen zu erschließen versucht. Die Annäherung der Theorie an die Erfahrungstatsachen ist nur in wenigen Fällen so gut und so lückenlos (kompakt, analytisch), dass quantitative Vorhersagen möglich sind. Dies gilt für die klassische Mechanik, aber bereits in der Physik der Flüssigkeiten, in der Chemie und erst recht in der Biologie sind exakte mathematische Modelle nicht mehr möglich. Hier geht es um praktische Approximationen und im Falle der Biologie fehlen teilweise sogar Einfachheitskriterien, um Theorien bewerten zu können. Die Situation ist dagegen wieder günstiger in Bereichen, welche selbst eine sehr ausgeprägte und niedrigdimensionale Morphologie besitzen, z.B. in der Sprachwissenschaft. Die Sprache hat deutlich wahrnehmbare und abgrenzbare Strukturen, die annähernd eindimensional sind (außer in der Phonetik und bei suprasegmentalen Eigenschaften oder parallelen Kommunikationskanälen).

Aus dieser sehr kritischen Sicht der Morphologie erweist sich die intuitive Suche Goethes nach einfachsten Organisationsprinzipien und Archetypen als eine vernünftige

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Heuristik. Außerdem spricht eine solche Sichtweise, die auf der einen Seite die analytischen und quantitativen Modelle der Physik, auf der anderen Seite die sehr geordnete Morphologie der Sprache als Extrema hat, gegen den seit dem 19. Jahrhundert dominierenden Reduktionismus. Es scheint eben zwei grundsätzlich verschiedene Modi wissenschaftlicher Modellbildung als Rekonstruktion sichtbarer, greifbarer Morphologien durch einfache, invariante, verborgene Morphologien zu geben. Der Sprachkünstler und Maler Goethe hatte nicht zufällig einen privilegierten Zugriff zur biologischen Morphologie, denn er stand dem eigentlichen Quell- und Zielgebiet der Archetypen, unserer Anschauung und unserer Sprache sehr nahe. Der scheinbare Irrtum der idealistischen Morphologen, ihr Rückgriff auf die eigene subjektive Vorstellungskraft, auf sprachliche Prototypen war zumindest als Findungsstrategie kein Irrtum, sondern geschicktes Vorgehen. In dieser Hinsicht steht Thom, ohne es reflektiert zu haben, auch in der Kontinuität Humboldts. Die Sprache ist eine Zwischenwelt, sie ist diese Zwischenwelt aber nicht statisch und unverrückbar, sondern als Tätigkeit des denkenden Menschen. Die Sprache ist eine Hülse, die wir zuerst ausfüllen und dann sprengen müssen (um eine weitere Hülse gleichzeitig zu schaffen). Diese Botschaft Humboldts hat Cassirer in seinem Begriff der genetischen Betrachtung gut erfasst, wenn er sagt: „Jede Betrachtung der Sprache muß „genetisch“ verfahren: nicht in dem Sinne, daß sie in ihrer zeitlichen Entstehung verfolgt, und daß sie ihr Werden aus bestimmten empirisch-psychologischen „Ursachen“ zu erklären versucht, sondern in dem Sinne, daß sie das fertige Gefüge der Sprachbildung als ein Abgeleitetes, Vermitteltes erkennt, das erst verstanden wird, wenn es uns gelingt, es aus seinen Faktoren aufzubauen und die Art und Richtung dieser Faktoren zu bestimmen. Das Zerschlagen der Sprache in Wörter und Regeln bleibt immer ur ein totes Machwerk wissenschaftlicher Zergliederung – denn das Wesen der Sprache niemals auf diesen Elementen, die die Abstraktion und Analyse an ihr herausstellen, sondern ausschließlich auf der sich ewig wiederholenden Arbeit des Geistes, den artikulierten Laut zum Ausdruck des Gedankens fertig zu machen“ (Cassirer, 1953: S. 104).

Wie will Thom nun diese Problemstellung einen Schritt weiterbringen? Er setzt dort an, wo Humboldt in neukantianischer Tradition aufhört: bei den Invarianten der Anschauung. Thoms topologische Semantik, in der tatsächlich die Struktur des Anschauungsraumes theoretisch angegangen wird. Die Instabilitäten, Brüche, Katastrophen raumzeitlicher Strukturen sind das Grundinventar, aus dem prägnante Gestalten in Wahrnehmung und Gedächtnis aufgebaut werden. Sie sind das Alphabet der Symbolwerdung. Das Symbol selbst ist eine Stabilisierung einer hochdimensionalen Anregungsstruktur unserer Wahrnehmungs- und Verarbeitungsorgane; wir schaffen eine statische Morphologie als Produkt einer inneren Anregung durch äußere Morphologien. Zumindest ansatzweise berührt sich hier die Thom`sche Symboltheorie mit Piagets Theorie der kognitiven Äquilibration; mit dem Unterschied gewiss, dass Thom ein Alphabet

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irreduzibler Gestalten, semantische Archetypen, angibt und diese mathematisch fundieren kann.

Freilich, selbst wenn Thoms gewagter Lösungsversuch Erfolg hat (vgl. Wildgen 1979, 1982), ist damit erst ein Zipfel des Vorhanges gelüpft; nur ein kleiner Strahl ist auf die Wand der platonischen Höhe gefallen. Die Thom`sche Morphologie wird aber sicher neue Relevanzkriterien für linguistische und psycholinguistische Arbeiten setzen, so dass man zumindest weiß, welche Erfahrungsmorphologie uns erstaunt, welche Erscheinung zu uns spricht.

„Die Ordnung, in welche wir die Dinge stellen, liegt nicht in den Dingen; die Hauptsache ist, daß der Mensch sich das Anschauen, zu dem er einmal genöthigt ist, bequem mache und das thut er durch den Begriff, und durch die dem Begriff correspondierende Ordnung.“ (Goethe in der Farbenlehre, zitiert bei K.-H. Menzen, 1980, S. 50)

Nun ist die gefundene Ordnung sicher keine zwingende, da sie wesentlich von der´n Qualitäten des Beobachtenden, Forschenden abhängt, den wiederum zu beurteilen nicht jedem gegeben ist. Eine solche Wissenschaftsauffassung ist elitär, trägt den Stempel des Genie-Kults (und dies scheint für Goethe wie für Thom erstaunlich selbstverständlich zu sein).

Letztlich fehlt beiden, Goethe und Thom, das, was Thom als Erfolgsgeheimnis der Physiker ansieht, die stabile Verständigungsbasis, der kompakte Bezugsrahmen, der die Transformation von Beobachtungen, Erfahrungen des einen in diejenigen des anderen erlaubt. Sicher hat Thoms Theorie durch das mathematische Fundament und durch die Integration seiner universalen Morphologie in die naturwissenschatliche Forschung gegenüber Goethe und Humboldt ein neues Plateau erreicht. Dennoch unterliegt sie der Instabilität morphologischer Archetypenkonstrukte. Letztlich ist diese Instabilität jedoch auch eine Chance, denn so wie Goethes Morphologie in der Gestaltpsychologie eine Steigerung erfuhr, wird wohl auch Thoms Theoire, ohne Bestand zu haben, sich zu höheren Formen verwandeln können. Sie wäre dann wie Goethes Naturwissenschaft nicht nur eine Wissenschaft vom Leben, sondern eine lebende Wissenschaft.

6. Andere Typen Allgemeiner Morphologie und die Sprache In der Verfolgung des Schicksals der Goethe`schen Morphologie im 19. Jahrhundert hatte ich bereits auf zwei weitere Ansätze hingewiesen, die Thermodynamik und die Fractals. Ich möchte nur kurz auf deren Bedeutung für eine Sprachmorphologie hinweisen, um das im vorherigen Abschnitt entworfene Bild zu ergänzen.

Goethe hat als Dichter einen hoch entwickelten Sinn für die Labilität der Sprache. Ich gebe noch einige Zitate, zusätzlich zu den bereits angegebenen Aussagen an:

„Das ausgesprochene Wort ist sogleich tot, wenn es nicht durch ein folgendes, dem Hörer gemäßes am Leben erhalten wird. Man merke nur auf ein geselliges

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Gespräch: gelangt es nicht schon tot zu dem Hörer, so ermordet er es alsogleich durch Widerspruch, Bestimmen, Bedingen, Ablenken, Abspringen und wie die tausendfältigen Unarten des Unterhaltens auch heißen mögen. Mit dem Geschriebenen ist es noch schlimmer. Doch hat das Geschriebene den Vorteil, daß es dauert und die Zeit abwarten kann, wo ihm zu wirken gegönnt ist.“ (Goethe, Maximen und Reflexionen, zit. Nach dem Goethe-Lexikon, S. 158) „Daß niemand den anderen versteht, daß keiner bei denselben Worten dasselbe, was der andere denkt, daß ein Gespräch, eine Lektüre bei verschiedenen Personen verschiedene Gedankenfolgen aufregt, hatte ich schon allzu deutlich eingesehen.“ (Goethe, Dichtung und Wahrheit, 16. Buch, S. 11)

Die einzelnen Sprachhandlungen sind somit im Gegensatz zum biologisch kanalisierten Spracherbe unstabil, ungenau. Die Übertragung klappt nur ungefähr, das Wort löst sich auf wie Schall und Rauch.

„Name ist Schall und Rauch.“ (Faust I, Vers 3457)

Nicht nur der Kommunikationsprozess ist eine Quelle ständiger Verluste, schon die Verbalisierung ist durch den Verlust an Kraft und Ausdruck gekennzeichnet. Schiller hat dies ebenso stark wie Goethe empfunden, wenn er schreibt:

„Warum kann der lebendige Geist dem Geist nicht erscheinen? Spricht die Seele, so spricht, ach! schon die Seele nicht mehr.“ (Schiller, zit. Bei Vossier, 1904, S. 89)

Diesem beständigen und schmerzlichen Verlust entspricht die ständige Sprachschöpfung, wobei sprachschöpferisch nicht nur jene Individuen sind, welche neue Wörter, Satzgefüge oder rhetorische Formen prägen, sprachschöpferisch ist jeder, der die vorfindlichen Sprachhülsen mit „Seele“ (im Sinne Schillers), also mit aktiver, ansteckender Bedeutung, Bedeutsamkeit füllt, so dass der Verlust der Kommunikation kompensiert, ja übertroffen wird.

Diese Gesichtspunkte sind in Vossiers idealistischer und ästhetischer Sprachwissenschaft (vgl. Vossier, 1905, Kap IV) zu einer neuen Reife gelangt. In der heutigen Sprachwissenschaft gibt es ähnliche Regungen ohne direkten Zusammenhang mit der damaligen Bewegung in der Pragmatik (etwa in Givon , 1979), wo nicht mehr reduktionistisch die höhere textuelle und konversationelle Sprachebene auf die Syntax aufbaut. Letztere wird eher als eine Ablagerung lebendiger textueller und konversationeller Prozesse angesehen. Die Formungsdynamik lebt im Diskurs; verfestigen, kristallisieren sich einige dieser Strukturen in der statischen Syntax und Wortstruktur.

Die Allgemeine Morphologie kennt als Analoga dieser Prozesse die dissipativen Strukturen, d.h. Systeme, welche ständig arbeiten und Energie umsetzen. Charakteristisch für solche Systeme ist die ständige Selbsterneuerung (auch „Autopoiese“ = Selbsterschaffung genannt). Solche autopietischen Systeme sind zwar nicht global stabil, da sie sich fern des thermographischen Gleichgewichtes befinden, sie erhalten sich aber in einer Art Fließgleichgewicht stabil. Ebenfalls charakteristisch für die Prototypen lebender

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Systeme ist, dass sie einen Kern herausbilden, der eher konservativ stabil ist. Der genetische Kode des DANN ist eine solche relativ konservative Struktur. Die Syntax und das Lexikon sind insofern der konservative Kern einer insgesamt dissipativen und sich ständig erneuernden Sprachstruktur. Die Archetypen, die Thom vorschlägt, könnten das Grundinventar eines solchen konservativen Kerns einer Sprachfähigkeit sein.

Damit wird gleichzeitig deutlich, wie wenig mit der Archetypensemantik erst über das Gesamtsystem Sprache aufgesagt ist. Die konservative Dynamik der Katastrophentheorie muss durch eine im wesentlichen „thermodynamische Sprachmorphologie“ ergänzt werden. Erst wenn dieser Bereich systematisch eingefangen ist, kann von einer zumindest approximativen Rekonstruktion der Goethe-Humboldt`schen Sprachtheorie die Rede sein. Eine solche Universale Morphologie, welche die Sprachmorphologie umfasst, könnte Goethes Vorstellungen einer „Morphologie überhaupt“ als „Betrachtung des organischen Ganzen durch Vergegenwärtigung aller dieser Rücksichten und Verknüpfung derselben durch die Kraft des Geistes“ (vgl. Abschnitt 1) 150 Jahre nach Goethes Tod Wirklichkeit werden lassen.

In der Sprachmorphologie werden sowohl konservative Strukturen, also grammatische Universalien und einzelsprachliche Regularitäten, als auch deren kreative Belebung und der Wandel der Sprachstrukturen erfasst. Trotz dieser weiten Perspektive ist damit der Umfang einer universalen Morphologie und auch der Sprachmorphologie noch nicht ausgeleuchtet. Wir wollen knapp das weitere Umfeld beleuchten.

Bereits zu Goethes Lebzeiten entdeckte Robert Brown (1828) die nach ihm benannten Brown`schen Bewegungen von erhitzten Molekülen (vgl. Mandelbrot, 1977: 255; er bringt Brown in Verbindung mit Alexander von Humboldt). Die volle Bedeutung seiner Entdeckung ist erst um 1905 – 1909 in der Quantenphysik gewürdigt worden. Diese Morphologien, wenn man von Form überhaupt noch sprechen kann, eröffnen einen weiten Bereich, den man komplementär zur Ordnung Chaos nennen kann. In diesem Bereich sind in dem letzten Jahr eine ganze Reihe von Arbeiten entstanden (vgl. den Band von Haken, 1981: Chaos and Order in Nature). Es scheint so, als gäbe es viele Übergänge zwischen geordneten und chaotischen Systemen. Anhand der zu diesem Bereich gehörenden Fractals (Bruchfunktionen) von Mandelbrot wollen wir skizzenhaft die Bedeutung dieses neu erschlossenen Bereiches der Morphologie für die Sprachwissenschaft beleuchten.

Fractals oder „Bruchstrukturen“ sind mathematische Funktionen, welche eine Dimensionalität haben, die nicht durch eine ganze natürliche Zahl darstellbar ist. So ist z.B. eine Linie, welche eine Fläche nicht teilt oder Teilflächen abgrenzt, sondern sie fast ausfüllt, eine solche „Bruchstruktur“. Der Zusammenhang mit der Brown`schen Bewegung ist deutlich, andere natürliche Strukturen sind Flugbahnen von Mücken, Flußverläufe, Küstenlinien usw. Wesentlich ist dabei, dass im Prinzip eine vergrößernde Betrachtung der Bewegung nur neue Zick-Zack-Muster zum Vorschein kommen lässt, anstatt zu einfacheren Gebilden zu führen. Berry (1982) zeigt sogar, dass in der Optik die mikroskopische

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Betrachtung eines Phänomens globale und einfache Strukturen verschwinden lässt und eien Struktur in einer Bruchdimension (ein Fractal) entsteht.

Dieses Phänomen ist uns eigentlich auch in der Sprachwissenschaft bekannt, wir müssen uns dazu nur Sprachatlanten mit ausreichend feinem Erhebungsnetz ansehen. In Abb. 1a und 1b zeigen wir Ausschnitte aus dem Deutschen Wortatlas und dem Deutschen Sprachatlas.

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Man muss sich nur eine Überlagerung aller Karten mit der Repräsentation aller Varianten vorstellen, um ein Bild des Chaos der Sprache unter dem „arealen“ Mikroskop zu erhalten. Im Vergleich zu diesem Chaos im Detail bleibt Goethes Morphologie im Globalen und somit Anschaulichen und zielt auf konservative, ja archetypische Strukturen. Dieselbe Perspektive nimmt auch René Thom ein, weshalb Thoms und Goethes Überlegungen vergleichbar sind: sie haben dasselbe Ziel vor Augen. Aus einer anderen Perspektive sind die Natur- wie die Sprachformen aber gar nicht glatt und konservativ geordnet, sie sind im Wesen fluktuierend und in ihrer Gestalt eher chaotisch. Die Korrespondenz zwischen Goethe und Thom beruht also letztlich aus einer gemeinsamen Präferenz für das Stabile, Konservative, das was sich anschauen, betasten lässt, was stille hält.

7. Schlussbemerkungen Von heute aus gesehen hat Goethe eine erstaunlich selbständige Einstellung zur damaligen Naturwissenschaft entwickelt, ohne deren Siegeszug in der von Newton vorbestimmten Richtung beeinflussen zu können. Erst heute, wo einerseits das klassische Paradigma der Physik von innen heraus aufgebrochen wird und andererseits das Bedürfnis nach einer weniger bruchstückhaften, reduzierten Weltsicht wieder Gewicht erhält, wird uns die grundsätzliche Bedeutung von Goethes naturwissenschaftlichen Arbeiten bewusst. Deren Wert liegt weniger in den Detailbeobachtungen zur Botanik oder zur Farbenlehre, als im Bemühen um eine Wissenschaft, welche die Totalität unserer Lebenswelt erklärend strukturieren kann. Wissenschaft wird damit von ihrer Teilfunktion als Vorbereitung zur technischen Beherrschung der Natur wieder auf das globale Erkenntnisbedürfnis des Menschen zurückgeführt, an diesem gemessen.

Für die Sprachwissenschaft, welche nahe am Kreuzungspunkt zwischen Natur- und Sozialwissenschaft steht, ist dieser Brückenschlag von besonderer Bedeutung. In Goethes Sprachintuition, die teilweise von W. v. Humboldt ausformuliert wurde, ist eine zukünftige Sprachwissenschaft als Gerüst erkennbar. In ihr sollen die grundlegenden, bis jetzt gewonnenen Einsichten in einer neuen Synthese zusammengefasst werden. Goethes Beitrag zur Wissenschaft heute besteht gerade darin, dass er eine lohnende Perspektive für morgen anzugeben vermag.

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