speculative artefacts and design fiction
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speculative artefacts and
design fictions
I’m not saying design fiction’s going to resolve our economic problems. On the other hand, if you’re an unem-
ployed designer, it’s one of the coolest things you can do now.
Bruce Sterling 3/2012
what if?
Das Projekt „Speculative Artefacts and Design Fictions“ hat das Ziel narrative Strategien in Entwurfsprozessen
praktisch und experimentell zu erproben. Aktuelle und kritische Tendenzen in Gesellschaft, Wirtschaft und
Ästhetik sind Gegenstand der den Entwürfen vorangestellten Analysen. Wie bewegen sich Menschen digital?
Gibt es eine freie Informationswahl? Was ist das Verhältnis von Futtermittel zu essbarer Fleischmenge? Wie
gehen wir in Zukunft mit Natur um, wenn es gar keine mehr gibt? Aus diesen und weiteren Kernfragen lei-
ten die Studierenden konkrete Szenarien ab und spekulieren deren mögliche Implikationen für die gesamte
Gesellschaft und das Individuum selbst. Die entstandenen Arbeiten verweigern sich einer klaren formalen
und konzeptionellen Einordnung. Es gibt keine gemeinsam genutzte Technologie, nach deren Vorgaben
entworfen wurde. Auch lässt sich kein grundlegend positivistisch-utopisches Zukunftsbild ausmachen; die
Projekte umkreisen dunkle Aussichten, gehen einem dystopischen „What-if“ auf den Grund, das wenig Raum
für Hoffnung lässt. Paul Kingsnorth, Autor, Künstler und Aktivist formuliert im Dark Mountain Manifesto eine
Abkehr vom Fokus auf Sustainability und eine Hinwendung zum spekulativen Design. Kurz: Das Ruder lässt
sich nicht mehr rumreißen, wir müssen uns aktiv und konstruktiv mit den Szenarien auseinandersetzen, die
unweigerlich auf uns zukommen. Designer sind gut ausgebildet dafür, zukünftige Situationen zu analysieren
und Lösungen vorzuschlagen. Sie kennen dieses unsichere Terrain in dem vieles nur vage ist und schwer zu
bestimmen. Es ist ihr Berufsfeld, Möglichkeitsräume zu finden und ästhetisch wie funktional zu realisieren.
Rapid Prototyping erlaubt an diesen Designprozessen schnelle überprüfbare Modelle zu erstellen, Ideen auf
Sinn und Funktion hin zu erproben, vom Vagen ins Konkrete zu gehen.
„What if“, diese Frage steht vor jedem der aufgeführten Projekte. Was wäre wenn? Was wäre wenn die Wälder
stürben, wenn es keine unmodifizierten Pflanzen mehr gibt? Welch Luxus wäre es, einen letzten Samen zu
haben, der ohne Eingriff internationaler Saatgutkonzerne, naturbelassen ist. Wie gängen wir mit ihm um? Was
ist Natur? Wann wäre es soweit? Wie stellen wir Luxus in dieser Zukunft dar und wie ist Reichtum gestaltet?
Oft klingen solche Design-Fiction Szenarien weit her geholt, fantastisch und bizarr. Bei genauem Hinsehen
wird aber deutlich, dass die futuristischen Idee schon heute in Grundzügen realisiert werden, Forschungs-
abteilungen fieberhaft an neuen Technologien und Medienkonzerne an immer neuen Abbildern und deren
Gastprof. Christian Zöllner
Verbreitung arbeiten. Viktor Papanek verweist in seinem Buch „Design for the real World“ auf den „Haha! Aha!
Ahh...“ Erkenntnisverlauf von Arthur Koestler. Dieses kleine Diagramm beschreibt den Prozess wie Menschen
hintergründige und versteckte Kritik, Ironie und Satire aufnehmen. Erst Belustigung, dann Staunen, gefolgt
von Erkenntnis. Auf ähnliche Weise reagieren Menschen auf Design-Fiction und spekulative Design Objekte:
amüsiert, verwundert, irritiert. Die Irritation, die Störung im Erwartungsbild und damit verbundene Selbstre-
flexion sind Ziel und Methode. Wenn in Peking bereits die Kinder amerikanischer Diplomaten in ihrer Schule
zum frische Luft schnappen in ein dem Gebäude vorgelagertes Zelt gehen, abgeschottet vom Smog und Staub
der Millionenstadt, so rückt die von Klara Dlouha in diesem Band aufgeführte Zukunftsvisionen in erschre-
ckend erfahrbare Nähe.
DETECTINGNOW
TENDENCIES
PREDICTINGFUTURE
IMPLICATIONS
RENDERINGPLAUSIBLESCENARIO
DEVELOPINGSIGNIFICANT
OBJECTS
MAKING IT APHYSICAL
EXPERIENCE
ANALYZE FANTASIZE CONCRETIZE REALIZE
Als Grundlage für alle Arbeiten im Projekt dient ein Ablaufschema, welches das Semester in vier Teilphasen
zu je 3 Wochen untergliedert. Analyze! Fantasize! Concretize! Realize! Dem Semesterprojekt sind Reader und
Viewer beigestellt die auf einem gemeinsam zugänglichen Cloud-Server liegen. Texte, Filme, Bilder, Präsenta-
tions-PDFs sind so für jeden zu jeder Zeit zugänglich und können über den Semesterzeitraum ergänzt werden.
Die Texte wurden im Kolloquium besprochen, ein Text je Student*in, jede*r sattelfest in der Argumentation,
offen für Fragen von Kommilitonen und somit Teil einer größeren Kollektivintelligenz.
Die Analysephase war geprägt von tieferen Betrachtungen aktueller Tendenzen in Wissenschaft, Technologie
und Gesellschaft. Auf Moodboards wurde die Recherche visualisiert und anhand der Materialauswahl disku-
tiert. Die aus dieser analytischen Betrachtung entstandenden Ideen und Konzepte wurden in der zweiten Pha-
se fantasiert, als hypothetische Szenarien, vertieft, angepasst und in der dritten Phase konkretisiert.
Ist die Idee stichhaltig? Ist das Verhältnis Science zu Fiction gut ausbalanciert? Ist die Argumentation stimmig,
kohärent? Welche ästhetische Dimension hat das Projekt? Diese Fragen wurden in zwei Zwischenpräsentati-
onen verhandelt, finalisiert und in der letzten Phase als physisch erfahrbare Prototypen realisiert. Der Fokus
liegt auf der sinnlich-reichhaltigen Erfahrbarkeit. Keine Renderings, wenig Text. Es geht um die Fähigkeit die
eigene Haltung, Idee, Utopie umweglos als Objekt oder Konstellation darstellbar und somit für ein Publikum
nachvollziehbar gestalten. Das ist das Ziel. Ob es erreicht wurde? Die vorliegende Sammlung der Ergebnisse
stellt sich dieser Frage.
Vegetarisches Jagen
Drohnen werden so allgegenwärtig sein, dass sie eine Erweiterung unseres Ökosystems darstellen. Eine zweite
Natur. Damit einhergehend, findet eine konstante konsumorientierte Überwachung statt. Ähnlich dem Surfen
durch das Internet mit einem schlecht gesicherten Internetbrowser, wird draußen in den Straßen und auf den
Plätzen beobachtet wo sich Menschen befinden und welche Vorlieben sie haben. Ergebnis dieser technologi-
sierten und automatisierten Überwachung ist ein differenziertes und vollständig auf die aktuellen vermeintli-
chen Bedürfnisse abgestimmtes Werbeangebot. Bereits heute ermöglicht der Service „Watson“ von IBM eine
solche User-Zentrierung für großformatige, öffentliche Werbescreens an. Doch nicht jeder wird mit diesen
Entwicklungen in Zukunft einverstanden sein. Aus vagem Unmut entwickeln sich weltweit neue Formen des
Protests gegen diese ständige Form der Überwachung. Keine Hashtags und virtuellen Petitionen. Subversiv,
aktionsbetont und hedonistisch sind die vielfältigen Ansätze sich gegen die zunehmende Drohnenpräsenz zu
wehren. Auch das Vegetarische Jagen entsteht. In den dunkleren Ecken des Internet entsteht ein Diskurs über
die Möglichkeiten sich vor der thermischen und optischen Überwachung zu tarnen. Wie kann die Bevölkerung
der von Konzernen und Behörden gesteuerten zweiten Natur Herr werden, wie sich wehren? Das Jagen und
Herunterholen von Drohnen entwickelt sich vom hinterwäldlerischen Sport zu einer urbanen Protestform.Am
07.03.2014 gewinnt Rapheal Pirker vor Gericht gegen die US-amerikanische Luftfahrtaufsichtsbehörde (FAA).
Dieses Gerichtsurteil schafft einen Präzedenzfall der das kommerzielle Drohnennfliegen bis zu einer Höhe
von 400ft (120m)erlaubt. Es dauert mehr als 1 Jahr, bis die FAA eine überarbeitete Version ihrer Regulationen
veröffentlicht um kommerziellen Drohnenflug erneut zu unterbinden. Gerade mal 2 Monate nach Inkrafttre-
ten der neuen Regulationen wird am 27.11.2015 durch Jamahl Rohs ein neuer Präzedenzfall geschaffen, der
die kommerzielle Nutzung von Drohnen ohne Sondergenehmigung, diesmal in einer Höhe von 130ft (40m)
zulässt.Wenige Wochen nach dem Urteil starten zahlreiche Unternehmen ihren eigenen auf Drohnen basie-
renden Services. Darunter Amazon, Dominos Pizza und Walmart.Unabhängig davon startet Google bereits
in der Mitte des Jahres 2016 das Projekt „Solara“ über dem afrikanischen Kontinent. 3 Drohnen fliegen nun
konstant über Afrika und versorgen die Menschen mit kabellosem 6G Internet. Die Drohnen des Typs “Solara
50“, entwickelt durch die von Google gekaufte Firma “Titan Aerospace“, zeichnen sich besonders dadurch aus,
dass sie so gut wie wartungsfrei und autark, Jahre lang am Himmel bleiben können. Im Jahr 2018 werden, im
Rahmen der Erweiterung des Projekt „Solara“, insgesamt 8 neue „Solara“ Drohen sowohl über den USA als
auch weiten Teilen Europas positioniert. Der neue kabellose 6G Standard verdrängt alle anderen Formen des
Internetzugangs vom Markt und wer Internetzugang braucht, muss sich nun mit Googles Geschäftsbedingun-
gen einverstanden erklären. Die erste Studie zu den Auswirkungen des stetig wachsenden Drohnenverkehrs,
nicht nur im kommerziellen, sondern auch privaten Bereich, auf heimische Vogel- und Kleintierarten wird am
Ende des Jahres 2018 an der „Freien Universität Berlin“ veröffentlicht. Es beinhaltet ausschließlich kritische
Konstantin Hinkel
Ausblicke auf die zukünftigen Entwicklungen lokaler Flora und Fauna.Zeitgleich wird an der „Columbia Univer-
sity in the City of New York“ ein weiterer Artikel zum Thema veröffentlicht, der die Situation weitaus unbedenk-
licher einschätzt. Am 14.11.2018 wird Facebook von Google gekauft. Die ebenfalls von Google gekaufte Firma
„Skybox Imaging“ ist maßgeblich an der Entwicklung der neuesten Drohne vom Typ „Solara“ beteiligt. Die mit
hochauflösenden optischen und thermischen Kameras ausgestattete Drohne wird zum neuen Standard im
öffentlichen, kommerziellen wie auch privaten Sektor. Zeitgleich mit dem Einsatz der neuen Drohnengenera-
tion beginnt Google das Projekt „Best Buddy“. Das Projekt Best Buddy bietet den Kunden von Google Internet
Service nun die perfekte Unterstützung im Alltag. Komplexe Algorithmen können mit den durch die Drohnen
seit Jahren gewonnenen Daten, einen beinahe lückenlosen Service anbieten um den Nutzer über eine Vielzahl
von kontextsensitiven Angeboten und Vorteilen zu informieren, immer passend zum aktuellen Aufenthaltsort
und abgeglichen mit den Gewohnheiten und Tagesabläufen des Nutzers. 80% Aller Drohnenserviceanbieter
rüsten ihre Drohnen und AGBs so um, dass sie Daten für das Projekt „Best Buddy“ generieren können, um
diese gewinnbringend an Google weiterzuverkaufen. Die ersten vegetarischen Jäger sind naturverbundene
Menschen, echte Jäger, Förster, Farmer. Aber auch Rednecks und Drop Outs. Sie erleben die mit den Drohnen
einhergehende Veränderungen in der Natur hautnah mit und sind bestens ausgestattet um auf Drohnenjagd
zu gehen. Eine der ersten Entwicklungen im Bereich des vegetarischen Jagens sind Flintengeschosse die das
Wirkprinzip von Bolas aufgreifen. Sie verschießen zwei aus Wachs gegossene Geschosse ,verbunden mit einer
reißfesten Schnur. Sie sind nicht gemacht um viel Kraft durch den Schuss zu übertragen, sonder legen die
Rotoren der üblichen Kopterdrohnen lahm und zwingen sie so zu Boden. Eine ebenfalls frühe Entwicklung
ist ein Tarnparka der sowohl vor optischer als auch thermischer Überwachung schützt. Das Tarnmuster ist
mit seiner vorgetäuschten Tiefe so angelegt das es besonders für mechanische Augen schwer einzuordnen
ist. In Verbindung mit dem großzügigen Schnitt und der Möglichkeit das Gesicht bis auf die Augen in einer
Kapuze zu verbergen, löst das Tarncape die Silhouette des Trägers bestmöglich auf. Schutz vor Überwachung
durch Wärmebildkameras bietet das Innenfutter des Parkas. Durch den Einsatz von unterschiedlich dicken
Lagen aus Glaswolle und Schichten aus Wärmestrahlung reflektierender Folien wird die Form des Trägers
aufgelöst und sein Umriss unlesbar gemacht. Die Zahl der Drohnen steigt stetig weiter. Die nächste Generation
an Jägern kommt aus der Stadt. Dieser neue Urbane Kontext bedingt ebenso neue Ausrüstung. Deutlich klei-
ner und perfekt zu verbergen, jedoch keinesfalls weniger effektiv. Schleudern werden ,geladen mit ähnlicher
Bolamunition, schnell zur Standartausrüstung des städtischen Jägers. Neben dem offensiven Jagen wird der
städtische Jäger auch immer weiter in eine defensive Haltung gedrängt. Großereignisse ,Demonstrationen
und öffentliche Plätze stehen mehr und mehr unter Beobachtung durch die lauernden Drohnen der Obrigkeit.
Doch der vegetarische Jäger ist gewappnet.
Fast ein Fünftel der globalen Treibhausgase werden durch Viehwirtschaft verursacht. Vierzig Prozent unserer
ernährungsbedingten Treibhausemissionen verursachen wir durch tierische Lebensmittel. Ein Drittel dieses
Ausstoßes entsteht durch die Abholzung von Regenwäldern in Südamerika. Allein für die Viehwirtschaft. Rie-
sige Mengen von Wasser werden verschwendet. Neben langen Transportwegen ist die ineffiziente Biomas-
seumsetzung von Säugetieren, Geflügel und Fischen ein ausschlaggebender Punkt für die immer lauter wer-
dende Kritik. Aus 10kg Futtermittel resultieren 5Kg Hähnchen, 3kg Schweinefleisch oder 1kg Rindfleisch. Im
Vergleich dazu könnte man aus der selben Futtermenge 9kg Insektenfleisch gewinnen. 1400 Insektenarten, so
eine Studie der Welternährungsorganisation, können die Welt ernähren. In Asien laufen derzeit Forschungs-
projekte zu verschiedenen und kostengünstigen Futtermethoden von Insekten. Der große Vorteil des Insek-
tenfarmings ist die „einfache“ Haltung von Insekten: Sie mögen es dunkel und brauchen wenig Platz und
nahzu kein Wasser. Zudem sind sie Allesfresser und kommen teilweise mit Pappresten und einer Handvoll
Küchenabfällen aus. Jeder kann in selbstgebauten Behältern seine Insekten ziehen. In Thailand und Laos ist
das heute schon Realität. Zwei LKW-Reifen aufeinanderstapeln, Eierkartons mit Grillen einsetzen, Drahtgitter
drüber und eine Handvoll Küchenabfälle hinein. Das funktioniert aber in Europa nicht. Noch können die Men-
schen ihr Schnitzel, stellvertretend für unterschiedlicche Zubereitungsformen tierischer Proteine, auf Kosten
der Umwelt konsumieren. Aber auch mit ruhigem Gewissen genießen? Es ist leicht auszurechnen wie die Um-
welt- und Ernährungssituation in 20 und in 40 Jahren aussehen wird. Zukunftsprognosen und gemeinsame
ethische Werte fordern uns auf, nicht nur unser aktuelles Konsumverhalten zu überdenken, sondern auch
umzusetzen. Menschen in Europa essen keine Insekten, weil die westliche kulturelle Prägung es nicht zulässt.
Insekten verbinden die meisten Menschen mit Unreinheit und daraus resultierend Ekel. Nur die wenigsten
würden freiwillig ihre Ernährung auf Insekten umstellen. Das Aussehen und die Erscheinung des Schalentieres
schreckt sie ab. Wie kann dieses Problem gelöst werden? Indem man dem Insektenfleisch eine neue Form
gibt und wir uns durch den „Look“ der Insektenspeise selbst überlisten. Der „falsche Hase“ transportiert his-
torisch betrachtet eine ähnliche Aussage. Als „Falschen Hasen“ bezeichnet man ein Gericht, bestehend aus
gekochten Eiern und Hackfleisch, dass in Zeiten knapper Nahrungsmittel stellvertretend für den kostbaren
Sonntagsbraten war. Der „falsche Hase“ aus Insektenfleisch ist ein auf diesen Zusammenhängen beruhender
Gegenentwurf, der moralisch und ökologisch vertretbar ist. Aktuelle und zukünftige 3D-Druck-Technologien
ermöglichen eine freie Formwahl für die verfeinerten Rezepturen aus Insektenproteinen. Es wird durch die
Verfügbarkeit in jedem Haushalt möglich sein eigenständig und nach Gusto Nahrung zu drucken. Der 3D-
Drucker Makerbot heißt ja heute schon Replicator, angelehnt an die automatisierte Essensausgabe auf dem
Raumschiff Enterprise.
falscher haseCarolin Schulze
Mit dem Entwurf Falscher Hase liegt nun ein Konzept vor, dass beispielhaft-morphologisch eine Formstudie
präsentiert: vom bekannten Bild des Hasen hin zur Heuschrecke in sieben Schritten, 3D-gedruckt mit einer
speziell entwickelten Rezeptur basierend auf Mehlwürmern.
bristlersFelix Krämer
Bristlers ist ein Startup Unternehmen mit einem besonderen Ziel: Menschen zu verbinden. Anders als üblich
bei sozialen Netzwerken ist das Ziel des jungen Unternehmens jedoch nicht, gleichgesinnte und Menschen
mit ähnlichen Interessen zusammen zu bringen. Vielmehr kann der Nutzer über Bristlers Mitmenschen treffen,
die ein konträres Weltbild oder eine andere Meinung vertreten. Bristlers findet den kontroversen Gesprächspartner.
Das erste von Bristlers auf den Markt gebrachte Produkt Bristle ist ein kleines behaartes Objekt, ein Gadget,
welches als reale Erweiterung zu dem sozialen Netzwerk dient. Es ist per Bluetooth mit dem Smartphone
verbunden und kann auf unterschiedliche Gesprächsthemen eingestellt werden. Sobald also ein potentiell
spannender Gesprächspartner in der Nähe ist, zeigt das Gerät Abneigung an, indem es die Härchen auf seiner
Oberfläche aufstellt. Ob dies der Fall ist und wie weit der andere Teilnehmer entfernt ist, wird über den GPS
Standort des Smartphones ermittelt.
Während Menschen ihren Tag scheinbar selbst gestalten, gibt es Algorithmen und Datensätze, die ihnen Ent-
scheidungen vorwegnehmen, erleichtern und das Leben vorbestimmen. Es ist eine Welt der Auflösung, der
Durchdringung. Computersysteme haben gelernt, Gemütsregungen zu lesen und selbstjustierende Algorith-
men berechnen aus der Geschichte der Menschheit, was als nächstes passieren kann und wird. Dinge wie
Ratlosigkeit, Unwissen, Spontaneität sind zu purem Luxus geworden. Wo auch immer wir unsere Schritte hin-
setzen – jeder Schritt unseres Lebens wird in Echtzeit analysiert.
Auch soziale Interaktion wurde über die Jahre derart an die Bedürfnisse der Menschen angepasst, dass dank
perfekt zusammenpassender Gruppen und Persönlichkeiten kontroverse Diskussionen kaum mehr stattfin-
den. Der Vorsatz “Finde Freunde in deiner Nähe...” ist derart gut umgesetzt, dass er zu geistiger Immobilität
geführt hat und sich Meinungen über die Jahre zementiert haben. Der 2012 von Eli Pariser geprägte Begriff der
“Filterblase” (gleichnamiges Buch “Filter Bubble”) beschreibt genau diesen Effekt und ist inzwischen zu einer
handfesten Realität geworden.
Wie begegnen wir also jenem allgegenwärtigen System, welches laufend unsere Handlungen auf Korrelation
mit Entscheidungen unserer Vergangenheit überprüft? Wie behalten wir uns vor, wenigstens ein bisschen “un-
berechenbar” zu sein?
An dieser Stelle kommt Bristle ins Spiel. In dem Smartphone App und dem Online-Profil kann der der Bristler
die Themenauswahl und ein polemisches Meinungsprofil seines Bristles einstellen. Die Interaktion mit dem
Gegenüber findet persönlich statt und zielt damit auf eine reale Begegnung ab, für die ein Anstoß gegeben
wird.
Das junge Startup erhofft sich vor allem zwei Ergebnisse eines solchen Netzwerks: Erstens entgehen die Nut-
zer für kurze Zeit der Filterblase und erweitern ihren Horizont erheblich, lernen zu akzeptieren, dass es andere
Meinungen gibt und kommen auf Gedanken, die in ihrer üblichen Umgebung unauffindbar wären.
Der zweite Punkt ist – Es handelt sich hier um einen Albtraum für Überwachungs- und Analyse-Mechanis-
men. Die Basis für Überwachung, nämlich dass die politische Einstellung im direkten Zusammenhang mit
Bekanntenkreis, Herkunft, Aufenthalt und dergleichen steht, wird durch ein solches paradoxes Sozialverhal-
ten aufgeweicht. Das Bewegungsprofil eines Menschen, der sich dann und wann mit Menschen vollkommen
anderer Auffassungen trifft und unterhält, lässt in dem von Bristlers angestrebten Szenario kaum mehr einen
Aufschluss über seine wahre politische Einstellung zu.
Zuguterletzt können durch eine entsprechende Vernetzung mit Plattformen anderer Netzwerke die dort
entstandenen Filterblasen verwässert werden und plötzlich entstehen die sonderbarsten Verbindungen zwi-
schen den denkbar unterschiedlichsten Menschen.
mehr auf bristlers.com
habitat|rKlara Dlouha
Handlung
Dieses hypothetische Objekt entstammt dem Jahr 2089. Die Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten gewan-
delt. Die Menschen leiden an Krankheiten, die Luft ist nahezu ungenießbar, das Wasser ist verschmutzt, die
Vegetation wird von saurem Regen geplagt, ursprüngliche Pflanzen sind fast gänzlich ausgestorben. Es über-
leben nur einige genetisch modifizierte Pflanzenarten.
Die konsumorientierte Lebensweise senkte den Lebensstandard auf ein Minimum. Erst als es am schlimmsten
ist realisieren die Menschen ihre Fehler. Es bricht eine Zeit des Bewusstseins ein, in welcher für uns alltägliche
und gewöhnliche Dinge sehr kostbar werden.
Es kommt zu einer Abwendung von modernen Technologien und einer Hinwendung zu natürlichen Lebens-
weisen. Reichtum besteht aus einer Sammlung genetisch nichtmodifizierter Pflanzen, welche von Menschen
gezüchtet und behütet werden und von Generation zu Generation weitergegeben werden.
Das Objekt
Es handelt sich um einen schützenden Behälter für eine ursprüngliche Pflanze. Der Behälter bewahrt ein ein-
zigartiges und wertvolles Stück Natur. Das Objekt ermöglicht dem Menschen im Jahr 2089 ein kostbares und
rares Erlebnis in einer Zeit, in welcher die Luft massiv verschmutzt ist.
Das Objekt setzt sich aus vier hauptsächlichen Bestandteilen zusammen; aus dem gläsernen Teil (Tubus),
aus dem Glas für die Pflanze, dem Sockel und dem Filter. Für die Zeit für welche dieses Projekt bestimmt ist,
ist menschliche durch maschinelle Arbeit ersetzt, auch der hölzerne Sockel ist deshalb durch einen 3D-Druck
erstellt. Das Objekt soll als Kontrast zur lebendigen Natur wirken.
Die Form des Behälters erinnert an ein Monument welches den Verlust symbolisiert genauso wie Wertschät-
zung nach dem Untergang, Tod aber auch Belehrung und Ewigkeit. Ich würde mit diesem spekulativen Objekt
gerne eine Einsicht bei den Betrachtern bewirken dafür was durch unser Tun verursacht werden könnte und
diesem vorzubeugen.
Ein Filter säubert in den Behälter einströmende Luft und speichert den sauberen natürlichen Sauerstoff, wel-
cher von der Pflanze produziert wird; die gesäuberte Luft kann anschließend inhaliert werden. In der ersten
Schicht des Filters befindet sich ein spezieller Pilz, welcher die Luft von Schadstoffen säubert. Im zweiten Teil
befinden sich kleine Papierstücke, welche den einzigartigen Duft der Pflanze resorbieren. Dank idealer Um-
stände (Nährstoffzufuhr anhand eines speziellen Gels, Klima, Trennung vom verschmutzten Raum) überleben
die Pflanzen und können sich vermehren. Im Sockel befindet sich eine Leuchtdiode welche sich zur verbesser-
ten Sichtbarkeit zum Betrachten der Pflanze anschalten lässt.
Unsere Welt ist durch stetig ansteigendes Wachstum gekennzeichnet. Prognosen sagen eine Weltbevölke-
rung von 11 Milliarden Menschen für das Jahr 2100 voraus. Immer mehr Wohnraum wird benötigt, riesige
Metropolen und Megacities entstehen. Die Industrie und Infrastruktur muss sich diesem Wachstum anpassen,
um diese Massen an Menschen zu versorgen. Gleichzeitig müssen Naturräume dieser Ausbreitung weichen.
Man entfernt sich immer weiter von der ursprünglichen Natur, die allen unseren Existenzen zu Grunde liegt.
Vielmehr setzt eine Verkünstlichung ein. Eine Art Hyperzivilisation entsteht, eine Welt berührungslos mit der
Natur, immer unfähiger mit dieser umzugehen. Die Natur verkommt zum Gegenpol der sich ausbreitenden
menschlichen Zivilisation, wobei vergessen wird, dass der Mensch selbst von natürlicher Beschaffenheit ist.
Bestimmte Instinkte und Gefühlsmuster können sich durch den fehlenden Umgang mit der Natur nicht richtig
ausprägen.
Unnatürliche Verhaltensweisen bewirken ein Ungleichgewicht in unserer Umgebung und man läuft Gefahr,
dass sich die Menschheit gegen ihre eigentliche Herkunft wendet.
Meine Produkte sind Raumelemente, welche ein Signal in dieser Entwicklung setzen. Sie sollen den Anreiz
geben, sich unseren Zuständen bewusst zu werden und rückzubesinnen. Es wird dabei die Frage gestellt, ob
wir in einer komplett verkünstlichten und technisierten Umgebung eine Art Naturersatz brauchen, der die un-
befriedigten Sinne der Naturwahrnehmung wieder ansprechen soll, die innere, angeborene Sehnsucht nach
der natürlichen Harmonie.
Es handelt sich dabei um 3D-gedruckte Elemente, die im Raum hängen und in ihrer Gestaltung abstrahierte
Formprinzipien und Wachstumsmuster der Flora und Fauna aufnehmen. Um den Bezug zur Natur aufzugrei-
fen bestehen sie aus LAYWOOD, einem holzbasierten Druckfilament. Die Strukturen dieser Elemente sind re-
lativ dünn und fein aufgebaut, sodass sie immer noch flexibel sind und sich verformen lassen. Mithilfe eines
Nickel-Titanium-Drahtes können sich die Elemente bewegen. Dieser Draht zieht sich bei Anlegen eines Stro-
mes zusammen und dehnt sich wieder in seine Ursprungsform aus, wenn der Strom nicht mehr fließt. Da dies
weniger ein technischer, sondern ein physikalischer Vorgang ist, werden damit sehr organische Bewegungen
erzeugt. In einem harmonischen Rhythmus angesteuert, kann man somit dynamische Bewegungsabläufe
darstellen.
Es entstehen also Objekte, welche nicht tot und künstlich wirken, sondern vielmehr eine dynamische Aus-
strahlung haben und Anzeichen von natürlicher Lebendigkeit in sich besitzen. Diese Ausstrahlung soll auf
den Nutzer übergehen, indem er Vorgänge sieht und wahrnimmt, die ihm abgeschottet von der Natur schon
längst nicht mehr bewusst geworden sind bzw. die er unbewusst schon lange vermisst hat. Sein Gespür für
das Natürliche und die ihm innewohnende Harmonie, die auch Grundlage des Menschen selbst ist, wird wie-
der sensibilisiert.
MORPHMENTMax Bastian
„Warum spielt die Harmonie, die in der Natur so deutlich zu Tage tritt, nicht auch in unserem gesellschaft-
lichen Leben eine wesentliche Rolle? Vielleicht, weil wir so fasziniert von unserer Macht, der Macht des
Erfindens und Vollbringens sind, dass wir die Kraft der Grenzen aus den Augen verloren haben. Aber nun
sehen wir uns plötzlich gezwungen, die Ausbeutung unserer zu Ende gehenden Bodenschätze und den
Bevölkerungszuwachs in manchen Teilen der Erde zu limitieren und auch der immer maßloseren Macht von
Staat, Großkapital und Gewerkschaft angemessene Grenzen zu setzen. Wir müssen wieder lernen, Maß zu
halten und die richtigen Proportionen zu finden.“
-György Doczi-
living lightFei Shan
Entsprechen Sie in all Ihren Handlungen und äußeren Erscheinung dem Ihnen zugewiesenen Geschlecht!
Schönheitsideale sind naturgegeben und erstrebenswert!
Vom Äußeren Erscheinungsbild können Sie auf den Charakter eines Menschen schließen.
Teilen Sie Ihren erschöpfenden Lebensstil mit, ohne sich zu beschweren!
Seien Sie stolz darauf, auf sich selbst Druck auszuüben.
Darstellung ist alles!
so! und nicht andersKarl Russel
Im 21st Century Robot Manifesto schreibt Brian David Johnson, dass es an der Zeit ist, sich »radikal andersar-
tige Roboter« vorzustellen. Demnach existiert ein Roboter zuerst in der Vorstellung, ist einfach zu bauen und
sein Quellcode und seine Bauteile sind komplett open source. Seine Entwicklung erfolgt iterativ in mehreren
Evolutionsstufen. Er ist zutiefst sozial und mit eigenem Bewusstsein und Wünschen erfüllt. Er kann selbststän-
dig Entscheidungen treffen und denkt für sich selbst.
Bloboter sind mitwachsende Roboter, die sich gemeinsam mit einem Kind entwickeln. Ausgestattet sind sie
mit einer künstlichen Intelligenz, die sie nicht streng linear und logisch handeln lässt, sondern sie vielmehr mit
einer gewissen Irrationalität und Unberechenbarkeit versieht.
Zugleich wird es dank Rapid-Prototyping immer einfacher werden, individuelle Objekte vor Ort schnell und
günstig herzustellen. Aus Kunststofffilament werden beispielsweise Bauteile 3D-gedruckt. Eine große Gemein-
schaft stellt Baupläne für Anbauteile online und bietet Kits zum Verkauf an. Die beinhalten alles, was nicht ge-
druckt werden kann, wie etwa Motoren, Sensoren und Prozessoren. Des Weiteren gibt es auch Tauschbörsen
für gebrauchte Teile. Alle Teile kommunizieren über Funkschnittstellen mit der Kernzelle, die die passenden
Treiber dafür umgehend aus der Cloud lädt. Die Kernzelle versorgt sie auch über Induktion mit Energie, sodass
ein einfacher Anschluss per Plug and Play möglich ist.
Das psychische und physische Wachstum der Roboter ist eng an die menschliche Persönlichkeitsentwicklung
gekoppelt und beginnt mit der Geburt eines Kindes. Die kugelförmige Kernzelle des Bloboters fungiert in der
ersten Zeit als Sendestation eines Babyphons und überwacht wie diese den Geräuschpegel und die Atem-
und Herzfrequenz des Kindes. So, wie das Kind neue Fähigkeiten erlernt, lernt auch der Bloboter dazu. Wenn
das Kind beispielsweise beginnt, auf Geräusche zu reagieren und gezielt zu greifen, fängt der Bloboter an,
sich interessant zu machen. Er summt und flötet, wackelt vor sich hin. Dank Motoren und Schwungmassen
im Inneren kann sich der Bloboter auch rollend fortbewegen, sobald das Kind mobil wird und krabbeln lernt.
Es wird so zu Aktivität ermuntert, da sich mindestens eines seiner „Spielzeuge“ von ihm fortbewegen kann.
Nach etwa einem Jahr, wenn das Kind gerade laufen lernt, bekommt der Bloboter zum ersten Mal neue An-
bauteile. Die Eltern des Kindes bestellen das erste Fortbewegungs-Kit, drucken die dazugehörenden Teile
direkt aus und montieren sie. Der Bot bekommt Beine, aber keine Anweisung, wie sie genau zu verwenden
sind – das muss er, wie das Kind auch, selbst lernen. Im nun folgenden zweiten Lebensjahr probieren Kind und
Bot sich aus, machen Fehler, lernen dazu.
Nach dem zweiten Geburtstag, wenn das Kind sich verständlicher ausdrücken kann, beginnt die dritte Phase
der Bloboter-Entwicklung: er wird größer und nimmt eine neue Form an. Gemeinsam mit den Eltern – und
vielleicht auch mit dem Bot selbst – wird entschieden, welche Form das sein soll.
bloboterRobert Dippel
Großer Zeitsprung vorwärts: das Kind ist jetzt alt genug, seinen Gefährten selbst zu modifizieren. Der Blo-
boter kann sich mittlerweile artikulieren, hat ein Bewusstsein und einen eigenen Willen. Beide entscheiden
gemeinsam, wie es voran gehen soll. Neue Anbauteile können temporär sein, einer Laune oder einem Trend
entsprechen, aber auch dauerhafter Teil des Bloboters werden.
Assistent, Freund, Haustier, Kommunikator, Sidekick – all das kann ein Bloboter sein. In einer Welt, in der jeder
mit jedem und alles mit allem vernetzt ist, Informationen gefiltert und aufbereitet präsentiert werden, ist man
doch wieder froh, wenn Technologie nicht einfach nur stupide funktioniert, sondern, wie es über Jahrzehnte
in der Science-Fiction erträumt wurde, schlagfertig, unkonventionell und liebenswert – kurz: menschlich ist.
GROUND MEAT von Hackbro® ist der ultimative Spiel-Spaß für die ganze Familie! Schlüpfe selbst in die Rolle
des Bauern und lerne alles über das spannende und lustige Farmleben! Kaufe Ackerland, züchte süße rosa
Schweinchen mit der Mega-Schweinemastpresse und kreire leckere Würstchen mit dem Wurst-Buzzer! Nie
war Schlachten so kinderleicht! Du wolltest schon immer wissen, wo all die leckeren Sachen wie Bockwurst,
Hack und Sülze herkommen? Dann ist GROUND MEAT von Hackbro® genau das Richtige für dich! Zeige deinen
Mitspielern, wie gerissen du bist und erklimme als erster den großen, mächtigen Hash-Cash-Berg! Entdecke,
wie spielend leicht sich Unmengen von Geld mit diesem rosaroten Geschäft verdienen lassen und werde in
kürzester Zeit zum mächtigsten Wurst-Mogul der Erde! Hau einfach so oft wie möglich auf den Wurst-Buzzer
und du wirst sehen, wie die Schweine-Scheine nur so vom Himmel regnen! Im GROUND MEAT von Hackbro®
entscheidest allein du, wie weit dich dein Weg zum Erfolg führen wird! Hänge alle anderen Mitspieler ab, in-
dem du das meiste Land kaufst und die meisten Schweine mästest und damit immer höher aufsteigst. Oben
ist nur Platz für Einen! Besitzt du das letzte Stück Land, dann bist du der GROUND MEAT-KING und das Spiel
ist vorbei!
PARENTAL ADVISORY: Machen Sie sich keine Sorgen darüber, ob dieses Spiel für ihre Kinder ungeeignet, mo-
ralisch bedenklich oder gar zu brutal sein könnte. Denken Sie immer daran: Schweine sind zum Schlachten
da! Sie haben unsere Garantie: Dieses Spiel ist mindestens so harmlos wie Bärchenwurst.
Thema des Gesellschaftsspiels GROUND MEAT ist die Zuspitzung einer endlosen Maschinerie, die sich ewig
dreht und für den Durchschnittsverbraucher nahezu unsichtbar ist: Die Fleischindustrie. Unsichtbar ist bisher
auch das verheerende Ausmaß der Auswirkungen und Folgen dieser Industrie für die gesamte Welt. Den we-
nigsten Menschen ist bewusst, dass sie das Klima beim Verzehr von nur einem Kilo Rindfleisch so stark belas-
ten wie bei einer 1.600 km langen Autofahrt und dass für das gute Stück neben einem Lebewesen auch etwa
10 Kilo Getreide und 15.500 Liter Wasser draufgegangen sind. Über die moralischen Aspekte des Tötens von
Lebewesen zum Zwecke des Verzehrs lässt sich endlos diskutieren, über Zahlen und Fakten, die unseren Pla-
neten und seine Ressourcen direkt betreffen jedoch nicht. Die Konsequenzen sind eindeutig ermittelbar und
nicht zu ignorieren. Großflächige Wald- und Regenwaldrodungen für Ackerflächen, Übersäuerung von Boden
und Grundwasser durch Gülleabfall, globale Erwärmung durch die ansteigenden Treibhausgas-Emissionen
und antibiotikaresistente Keime, die in den Tierfabriken gedeihen. Mit dem stetig wachsenden Phänomen der
Massenversorgung mit Fleischprodukten, welche durch die immer extremer werdende Industrialisierung des
Erzeugungsprozesses ermöglicht wird, wachsen die daraus resultierenden Probleme exponentiell. Laut der
Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen nimmt der Verzehr von Fleisch bisher
ground meatSuhair Al-Kazimi
weltweit um 2,3 % jährlich zu. Die Nachfrage nach Fleisch wird bis zum Jahr 2050 voraussichtlich um 200 Mil-
lionen Tonnen - also um 2 Drittel der jetzigen jährlichen Produktionsmenge - steigen.
Fleisch ist in breiten Teilen der Welt eine Art Grundnahrungsmittel, auf das kaum jemand verzichten möchte
und nebenbei so billig, dass wir es uns leisten können knapp ein Drittel der weltweit jährlich produzierten 300
Millionen Tonnen wegzuwerfen. Diese Zahlen sind nicht grenzwertig oder beunruhigend, sondern bei genauer
Betrachtung blanker Wahnsinn. Mein Anliegen ist es, diesen im Hintergrund ablaufenden Wahnsinn sichtbar
zu machen, indem er auf satirische Weise in einem Spiel vermittelt wird, ohne den moralischen Zeigefinger
und Emotionalisierung, sondern durch eigene Erfahrung und Erkenntniss. Der Spieler befindet sich selbst in
der Rolle des Bauers, stellvertretend für alles Fleisch ist hier Schwein, welches in Europa und Asien auf der
Beliebheitsskala ganz oben steht. Die Spieler werden in die Welt der Fleischproduktion eingeführt und sehr
bald vor wichtige Entscheidungen gestellt. Sie können wählen zwischen vernünftiger und maßvoller Fleisch-
produktion - bei der allerdings keine hohen Aufstiegschancen bestehen - und einer kometenhaften Karriere
als Supermastbetreiber, der die Stufen der Maschine emporsteigt und nach und nach die restlichen Spieler
abhängt. Dabei werden Schweine aus Knetmasse in der Mastmaschine stranggepresst und später mit dem
Wurstbuzzer geschlachtet und verarbeitet, wodurch dem ganzen Produktionsszenario noch ein pysisches,
haptisches Erlebnis beigeführt wird. Gern wird der ekelhafte Teil der Fleisch-Prozedur vom Konsumenten
ausgeblendet, es findet irgendwo im Hintergrund statt und man wird lediglich mit den ansehnlichen Endre-
sultaten konfrontiert, und alles Unangenehme findet ausgelagert statt, wogegen es in diesem Spiel jedoch
bewusst mit einbezogen wird. Hier wird dem romantischen Bauernhof-Idyll die Maske abgerissen und alle
Konsequenzen der Fleischindustrie offenbart und erfahrbar gemacht. Der Spieler muss Landressourcen-Kar-
ten abpuzzeln, auf deren Unterseite er Informationen zu den direkten Folgen seines Wirtschaftens findet. Ist
die letzte Land-Karte aufgedeckt, sind alle Wald-Ressourcen aufgebraucht und das Spiel ist vorbei, der Planet
ist am Ende und kann nicht weiter geschröpft werden. Es gibt kein Gewinnen, alle verliern, selbst wenn nur
einer unvernünftig handelt und ganz nach oben will - er reißt am Ende alle mit in den Abgrund. Dieser radikale
Spielausgang zeigt das Ungleichgewicht zwischen Einzel- und Kollektiv-Verantwortung auf - so wie es auch in
der realen Welt stattfindet - und soll die Spieler zur Diskussion anregen.
Speculative Artefacts and Design Fiction
Entwurfsprojekt im Sommersemester 2014 an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle .
Gastprof. Christian Zöllner
StudentInnen:
Suhair al-Kazimi
Maximilian Bastian
Robert Dippel
Klara Dlouha
Konstantin Hinkel
Felix Krämer
Karl Russell
Carolin Schulze
Fei Shan
Gestaltung und Redaktion:
Suhair al-Kazimi & Christian Zöllner
Auflage: 250 Stück
www.burg-halle.de/design
www.theconstitute.org
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