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Research Collection Doctoral Thesis Zur Chemie des 2-Amino-propennitrils Author(s): Bold, Guido Hermann Publication Date: 1984 Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-000339158 Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted This page was generated automatically upon download from the ETH Zurich Research Collection . For more information please consult the Terms of use . ETH Library

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  • Research Collection

    Doctoral Thesis

    Zur Chemie des 2-Amino-propennitrils

    Author(s): Bold, Guido Hermann

    Publication Date: 1984

    Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-000339158

    Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted

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    https://doi.org/10.3929/ethz-a-000339158http://rightsstatements.org/page/InC-NC/1.0/https://www.research-collection.ethz.chhttps://www.research-collection.ethz.ch/terms-of-use

  • Diss. ETH Nr. 7702

    Zur Chemie des 2-Amino-propennitrils

    Abhandlung

    zur Erlangung des Titels eines

    Doktors der Naturwissenschaften

    der

    Eidgenössischen Technischen Hochschule

    Zürich

    vorgelegt von

    Guido Hermann Bold

    dipl. Natw. ETH

    geboren am 6. August 1954

    von Griesenberg TG

    Angenommen auf Antrag von

    Professor Dr. A. Eschenmoser, Referent

    Professor Dr. D. Arigoni, Korreferent

  • Zum Andenken

    an meinen Vater

    Meiner Mutter

    und

    Leni

    gewidmet

  • Meinem verehrten Lehrer,

    Herrn Professor Dr. A. Eschenmoser,

    unter dessen Leitung diese Arbeit ausgeführt

    wurde, danke ich für seine wertvollen Anre¬

    gungen und lehrreichen Diskussionen sowie die

    mir zuteil gewordene Unterstützung.

  • Für ihren Beitrag zum Gelingen dieser Ar¬

    beit und die gute Zusammenarbeit im Labor

    E 32 danken möchte ich den Kollegen, G.

    Ksander, N. Lewis, A. Nechvatal, W. Rüger,

    W. Pachinger, H.-P. Buser, W. Bender und

    J. Guck, sowie der Kollegin, D. Hickey.

    Danken möchte ich ferner im speziellen

    Herrn Dr. E. Zass für die Korrektur des

    Manuskripts sowie Herrn Dr. W. McWhorter

    für diejenige des "Summary".

    Diese Arbeit wurde vom Stipendienfonds der

    Basler Chemischen Industrie unterstützt.

  • INHALTSVERZEICHNIS

    ALLGEMEINER TEIL

    PROBLEMSTELLUNG

    2-AMINO-PROPENNITRIL ("APN") 5

    2.1 Chemische Synthese von APN 7

    2.1.1 Vorarbeiten 7

    2.1.2 Eigene Arbeiten 11

    2.2 Versuche zu alternativen chemischen Darstel¬

    lungsmethoden für APN 15

    2.3 Physikalische Untersuchungen an APN 19

    2.3.1 Mikrowellenspektrum 192.3.2 Gasphasen-IR-Spektrum 202.3.3 Röntgenstrukturanalyse 21

    2.4 Reaktionen von APN 23

    2.4.1 Vorversuche von G. Ksander 23

    2.4.2 Photochemische Dimerisierung 26

    2.5 Glutaminsaure-dinitril aus dem Photodimeren

    von APN 32

    GLUTAMINSAEURE-DINITRIL, EIN VORLAEUFER DER URO-

    PORPHYRINOGEN-OCTANITRILE 36

    3.1 Oligomeroidisierung von Glutaminsaure-dinitril 37

    3.2 Eine neue Pyrrol-Synthese 473.2.1 Mechanistische Aspekte 473.2.2 Pyrolyseexperimente zur Darstellung von

    Pyrrolen 50

    3.3 Hickey'sche Dimeroidisierung von Pyrrol zuIndol 60

    AUSBLICK 65

    EXPERIMENTELLER TEIL

    1. ALLGEMEINE BEMERKUNGEN 77

    2. 2-AMINO-PROPENNITRIL ("APN") 84

    2.1 Chemische Synthese von APN 84

    2.1.1 Vorarbeiten 84

    2.1.1 Eigene Arbeiten 106

  • 2.2 Versuche zu alternativen chemischen Darstel¬

    lungsmethoden für APN 1 1 4

    2.3 Physikalische Untersuchungen an APN 1202.3.1 Gasphasen-IR-Spektrum 120

    2.3.2 Röntgenstrukturanalyse 121

    2.4 Reaktionen von APN 124

    2.4.1 Vorversuche von G. Ksander 125

    2.4.2 Photochemische Dimerisierung 127

    2.5 Glutaminsaure-dinitril 140

    2.6 Chemische Synthese von 2-Amino-1-pyrrolin-5-carbonitril 151

    GLUTAMINSAEURE-DINITRIL, EIN VORLAEUFER DER URO-

    PORPHYRINOGEN-OCTANITRILE 159

    3.1 Oligomeroidisierung von Glutaminsaure-dinitril 159

    3.2 Eine neue Pyrrol-Synthese 194

    3.3 Dimeroidisierung von Pyrrol zu Indol 2113.3.1 Präparative Zugänge zu Zwischenstufen

    der Dimeroidisierung 2113.3.2 Rahmenvoraussetzungs-gerechte Umwand¬

    lungen 218

    LITERATURVERZEICHNIS 226

    ZUSAMMENFASSUNG 232

    SUMMARY 233

  • - 1 -

    ALLGEMEINER TEIL

    1. PROBLEMSTELLUNG

    In unserem Laboratorium wird auf breiter Basis das Pro¬

    blem bearbeitet, ein Netzwerk von retrosynthetischen Zusammen¬

    hängen zwischen den Strukturtypen der grundlegenden Biomole-

    küle und Cyanwasserstoff als Kohlenstoffquelle experimentellzu illustrieren. Diese Arbeiten umfassen als Zielstrukturen

    die in den Schemata 1 und 2 angeführten Biomolekul-Azaformen

    und werden (wenn immer möglich) innerhalb folgender Rahmen¬

    vorausSetzungen durchgeführt:

    J_ kein H202^ kein molekularer Sauerstoff

    2 Ausgangsstoffe: HCN, NH3, H2N-CH2-CN (Glycin-mtril),

    H2N-CNH-NH2 (Guamdin), HCC-CN (Cyan-acetylen)

    4^ Aktivierung und Katalyse: Wärme, Licht, Basen, elektro-

    phile mineralische Oberflä¬

    chen ("Säuren")

    5 Reaktionen: entweder intramolekular - oder ^intermole¬

    kular zwischen:

    a identischen Reaktionspartnern (Oligomeri-*

    Sierungen, Oligomeroidisierungen )

    b strukturell ähnlichen Reaktionspartnern

    (quasi-Oligomeroidisierungen)

    c Reaktionspartnern und Ausgangsstoffen,

    beziehungsweise nahen Abkömmlingen davon

    * Oligoraeroide sind Produkte aus Reaktionen zwischen identischen Reak¬tionspartnern, die im Unterschied zu echten Oligoroeren mit dem Ensembleder Edukte nicht stochiometrisch isomer sind.

  • - 2 -

    Zur Begründung dieser Rahmenvoraussetzungen gehört vor

    allem die hohe und spezifische Reaktivität der a-Aminomtrile

    (und daraus abgeleiteter StickstoffVerbindungen) sowie die da¬

    mit zusammenhängende Tatsache, dass innerhalb des Rahmens der

    vorstehend gegebenen Voraussetzungen unter Einhaltung etablier¬

    ter Reaktivitätsregeln ein lückenloser retrosynthetischer Zu¬

    sammenhang zwischen den erwähnten Ausgangsstoffen und den Aza-

    Formen der biologischen Zielstrukturen (vgl. Schemata 1 und 2)

    formulierbar ist. Ein entsprechend konsistentes Netzwerk von

    retrosynthetischen Zusammenhängen via hydrolysierte Zwischen¬

    stufen scheint unter analog einfachen Rahmenvoraussetzungen*

    unmöglich .

    Schema 1: Aza-Formen der proteinogenen Aminosäuren

    NN; NHj

    NC—^-CN

    NH{ NHj \\_„H NHj

    NH, NH2 ^AHJI NHj „^AJ NHj

    NH2

    CT pC OXNHj

    2H

    HjC^CN HjC^N^CN ^Cv^yNHj NHj CHj NHj

    fYCNL NHj

    NH2

    * Bemerkenswerterweise hat bereits A. I. Oparin [1] auf die Besonderheit

    stickstoffhaltiger Zwischenstufen hingewiesen, er schreibt, F. J. Allen

    [2] (1899!) zitierend: "...he also focused attention chiefly on the mtro-

    gen, which he regarded as different from all other elements because lts

    Compounds are characterized by considerable chemical instability .

  • - 3 -

    Schema 2: Aza-Formen von Cofaktoren und biomolekularen Bau¬

    steinen

    H^

    H H H

    NH NH JJH»^

    NHj

    Die strukturelle Beziehung zwischen den Aza-Formen der

    Zielstrukturen (vgl. Schemata 1 und 2) und den natürlich vor¬

    kommenden Formen der Biomolekülstrukturen entspricht einer

    Partialhydrolyse. Die über die Nitrilgruppen hinaus von der

    Hydrolyse betroffenen Stickstoff-Funktionen sind in den For-*

    melbildern durch Fettdruck hervorgehoben .

    Die vorliegende Arbeit behandelt das Teilproblem der

    Strukturtypen der natürlichen Porphinoide. Experimentelles

    Kernproblem dabei ist die Realisierung voraussetzungsgerechter

    Umwandlungen von Glycm-nitril in UroporphyrinogenHI-octanitril

    (vgl. Schema 3).

    * Mit der vermutlich einzigen Ausnahme des Tyrosins sind alle fettge¬druckten Stickstoff-Funktionen potentiell hydrolysierbar.

  • Schema 3:

    - 4 -

    Im Mittelpunkt der retrosynthetischen Analyse dieses

    strukturellen Zusammenhanges steht die Postulierung von

    2-Amino-propennitril ("APN") als zentralem Zwischenprodukt

    voraussetzungsgerechter Umwandlungen von Glycin-nitril in

    Biomolekülstrukturen [3]. Dementsprechend befasst sich die

    vorliegende Arbeit vor allem mit der Synthese und den chemi¬

    schen Eigenschaften dieser wichtigen Verbindung. APN war kurz

    vor Beginn dieser Promotionsarbeit in unserem Laboratorium

    von G. Ksander [4] erstmals hergestellt worden.

    H5N^CN —{—*

  • - 5 -

    2. 2-AMINO-PROPENNITRIL ("APN")

    Das entscheidende Merkmal der Reaktivität des Cyanwasser¬

    stoffs besteht darin, dass sich sein Kohlenstoffatom sowohl

    als nucleophiles, wie auch als elektrophiles Zentrum verhalten

    kann. Im Hinblick auf die von 2-Amino-propennitril zu erwar¬

    tenden ähnlichen Eigenschaften lässt sich dieses Molekül als

    Homologes des Cyanwasserstoffs auffassen (vgl. Abb. 4). Einer¬

    seits ist APN ein Enamin und weist als solches ein nucleophi¬

    les Methyliden-C auf (Formelbild I). Andererseits stellt APN

    ein Derivat des Acrylnitrils mit entsprechender elektrophiler

    Reaktivität dar (Formelbild II und JV). Schliesst man sein Tau-

    tomeres, das 2-Imino-propannitril, in die Betrachtung mit ein

    (Formelbild HI), erkennt man, dass damit sämtliche Kohlenstoff-

    Zentren potentiell elektrophil sind. Die beiden Tautomeren re¬

    präsentieren ausserdem aktivierte Formen der Essigsäure: So

    entspricht APN als Nucleophil (Formelbild X) einer methylakti¬

    vierten und 2-Imino-propannitril (Formelbild in) einer carbo-

    nylaktivierten Essigsäure. Zusätzlich zu den diskutierten Ei¬

    genschaften bezüglich polarer Reaktionen dürfte sich das C(3)-

    Zentrum von APN "radikophil" verhalten, da das aus einer ent¬

    sprechenden Reaktion hervorgehende Radikal am C(2) infolge

    Substitution sowohl durch einen Donor als auch einen Acceptor

    capto-dativ [5] stabilisiert ist (Formelbild V).

    Abb. 4:

    H.i\ -CN H2Nv ,C HnL^CNX^ IT \ T'^H* ^E© Nu

    I II III

    H„N^ ^C-^

    H,N^r>CN

    Nu

    Ch, Ch2

    c R'®

    Nu

    IV

  • - 6 -

    Bereits vor der in unserem Laboratorium durchgeführten

    [4] erstmaligen Synthese von APN 1_ berichteten C. Ghio, E.

    Scrocco und J. Tomasi [6] im Rahmen ihrer theoretischen Unter¬

    suchungen der Ladungsverteilung in substituierten Acrylnitrilen

    von dieser Verbindung. Ferner erschien im Verlaufe der vorlie¬

    genden Untersuchungen eine Arbeit von Ph. B. Shevlin und Mit¬

    arbeitern [7], in der bei Co-kondensationsexperimenten mit

    Ammoniak und Kohlenstoff-Dampf bei -196° nach Hydrolyse die

    Aminosäuren Glycin, Alanin, ß-Alanin, N-Methyl-glycin, Serin

    und Asparagin gefunden wurden. Als Zwischenstufe, die aber

    nicht nachgewiesen wurde, postulierten sie APN J_ [8], das sich

    durch Addition von Cyanwasserstoff an Ketenimin (2^), notabene*

    dem Tautomeren von Acetonitril, bilden sollte (vgl. Schema 5) .

    Schema 5: APN 1_ als Zwischenstufe von Co-kondensationsexperi-

    menten von Ammoniak und Kohlenstoff-Dampf bei -196°

    (Ph. B. Shevlin und Mitarbeiter [8])

    H2C= C = NH

    2

    NH2

    H2C=(CN

    / r \

    ' Weitere physikalisch-chemische Literatur über APN J_, die im Zusammenhangmit der vorliegenden Arbeit erschien [9], wird in Abschnitt 2.3 disku¬

    tiert werden.

    C »NH,

    |-2rf

    HCN —

    / \

    H2C —NH

  • - 7 -

    2.1 Chemische Synthese von APN

    2.1.1 Vorarbeiten

    Im Unterschied zu den (freien,) vor Beginn dieser Unter¬

    suchungen noch nicht synthetisierten a-Amino-alkennitrilen

    sind entsprechende N-alkylierte Derivate in der Literatur mehr¬

    fach beschrieben. Hergestellt wurden sie ausgehend von a-Halo-

    genaldehyden durch Strecker-Synthese mit Alkylaminen und an¬

    schliessende basische Halogenwasserstoff-Elimination [10],

    durch sukzessives Umsetzen von sekundären und tertiären Amiden

    mit Phosgen, Zinkcyanxd und Base [11], durch Addition von Brom-

    cyan an die Doppelbindung von N-alkylierten Enaminen mit an¬

    schliessender basisch induzierter Bromwasserstoff-Elimination

    [12], durch thermische HCN-Elimination aus N-Alkyl-amino-a,a-

    dinitrilen [13], durch Austauschreaktionen zwischen a,ß-unge-

    sättigten Aldehyden und N,N-dialkyl-substituierten a-Amino-

    lsobutyronitrilen [14] oder durch Horner-Olefmierung von Al¬

    dehyden oder Ketonen mit 1-Dimethylammo-1-cyan-methanphos-

    phonsäure-diethyl-ester [15].

    Eine Bildungsweise für N-Benzoyl-APN _3 hatte M. Schröder

    [16] vor Beginn dieser Arbeit in unserem Laboratorium unter¬

    sucht; im Sublimationsrohr pyrolysierte er das Dibenzoyl-Deri-

    Schema 6: Pyrolyse im Sublimationsrohr (290-300°, 10 Torr;

    M. Schröder [16])

    CK Ph O Ph rv Ph

    NC NH A NC NH, NH

    T T + fNNH CH, VNH

    cAph2

    3

    analog G Ksander

    cAph

    NC nh5

    CH,

    "3

    5

  • - 8 -

    vat von 2,3-Diamino-propionitril und isolierte ein Gemisch von

    N-Benzoyl-APN 2 unö" dem HCN-Eliminationsprodukt £ (vgl. Schema

    6). Zur Identifikation von 2 synthetisierte er dieses APN-De¬

    rivat zusätzlich aus Alanin-nitril (5) auf dem Ksander'sehen

    Weg (siehe unten).

    Die formal einfachste Darstellungswelse für N-unsubsti-

    tuierte a-Amino-alkennitrile wäre die Addition von Cyanwasser¬

    stoff an Alkannitrile mit anschliessender Tautomerisierung.

    Diese im Hinblick auf ihre Bedeutung für die präbiotische Che¬

    mie wichtige Reaktion ist von J. P. Ferris und Mitarbeitern

    [17] anhand mechanistischer Untersuchungen der Polymerisation

    von Cyanwasserstoff - Uebergang von HCN-Trimer zu HCN-Tetramer

    - untersucht worden. Y. Wolman und S. L. Miller [18] zeigten

    jedoch, dass nur durch elektronenziehende Substituenten in

    a-Stellung aktivierte Nitrilgruppen HCN unter Bildung von Imi-

    nonitrilen oder deren Folgeprodukten, den a,a-Dicyan-aminen,

    addieren. Auf diesem Weg gelang es N. Hashimoto und Mitarbei¬

    tern [19], die entsprechenden kristallinen ß,ß-dihalogenierten

    APN-Derivate in guten Ausbeuten darzustellen.

    In unserem Laboratorium erhielt G. Ksander [4] durch Ko¬

    chen von Cyanessigsäure- butylester in methanolischer HCN-Lö-

    sung in Gegenwart eines Ueberschusses an Kaliumcyanid ß- Butyl-

    oxicarbonyl-APN £ in Ausbeuten von 7 %. Esterspaltung und ther¬

    mische Dekarböxylierung des Butylesters ([ hätte zu APN 1_ füh¬

    ren sollen (vgl. Schema 7). Da sich zu diesem Zeitpunkt die

    nachstehend beschriebene, erfolgversprechendere Variante zur

    Synthese von APN _1_ abzuzeichnen begann (vgl. Schema 1_0) , wurde

    dieser Weg nicht weiter untersucht.

    Schema 7:

    ?N HCN.H*NY°N HaNCN

    H2NyCNCOO*Bu COO'Bu XOOH CH,'2

    1

  • - 9 -

    Sekundäre a-Aminonitrile lassen sich durch Chlorierung

    mit Butylhypochlorit am Stickstoff und anschliessende basi¬

    sche Chlorwasserstoff-Elimination zu N-alkylierten o-Imino-

    nitrilen dehydrieren (J. H. Boyer und J. Kooi [20]). G. Ksan¬

    der [4] stellte in unserem Laboratorium nach diesem Verfahren

    das a-( Butyl-imino)-nitril T_ her, später synthetisierte P.

    Chinnasamy [21] auf analoge Weise die N-alkylierten a-Imino-

    nitrile 2 unci £' &ie alle teils thermisch, teils basisch zu den

    entsprechenden N-Alkyl-enaminen J_0-J_2 tautomerisierten.

    Abb. 8:

    \\°" N^CNVCH,X

    7: R = H

    8: R = CH,

    \"ycn —VcnHCR HCCH

    10- R = H

    11A/B: R = CH,

    3

    12A/B

    Als G. Ksander versuchte, obige Reaktionsfolge auf das ein¬

    fachste N-unsubstituierte a-Aminonitnl, das Alanin-nitril (2)r

    anzuwenden, isolierte er weder 2-Imino-propannitril (1_3) noch

    daraus alifällig gebildetes APN K Das primär gebildete Imino-

    nitril J2 eliminierte offensichtlich beim Erwärmen auf Raumtem¬

    peratur Cyanwasserstoff. Um diese Elimination zu unterdrücken,

    silylierte er das bei -78° durch Chlorwasserstoff-Elimination

    entstandene 2-Imino-propannitril (1_3^) unverzüglich bei dieser

    Temperatur und liess dann erst auf Raumtemperatur erwärmen,

    worauf es thermisch zu 2-(Trimethylsilyl-amino)-propennitril

    ("TMS-APN", 1_i> tautomerisierte.

    Bei Vorversuchen zur Dimerisierung von APN X versuchte G.

    Ksander, ausgehend von einem Gemisch von APN }_ und TMS-APN 14,

  • - 10 -

    Nickel( H(-Komplexe herzustellen. Stattdessen isolierte er ge¬

    mäss H-NMR-Spektrum reines, desilyliertes APN 1_. Die aus die¬

    ser Beobachtung entwickelte Methode zur Desilylierung von TMS-

    APN XI durch kurzes Schütteln in einer Aufschlämmung von Nik¬

    kei ( H ) -Chlorid in Methylenchlorid/Acetonitril ergab nach ein¬

    maliger Destillation am Kugelrohr APN X ln 88 % Ausbeute. G.

    Ksander [4] charakterisierte TMS-APN XI und APN 1 durch Ele¬

    mentaranalyse, IR-, UV-, H-NMR-, C-NMR- und Massenspektren.

    Weitere physikalische Daten von APN X (siehe Abschnitt 2.3)

    wurden im Zusammenhang mit der in den folgenden eigenen Arbei¬

    ten beschriebenen Optimierung der Ksander'sehen APN-Synthese

    ermittelt.

    Im Anschluss an diese Synthese stellten G. Ksander [4],

    P. Chmnasamy [21], U. Goldener [22] und W. Rüger [23] die drei

    APN-Homologen X8~.ij) durch Kochen der a-Imino-nitrile XJL"1Z ln*

    THF mit Ausbeuten von 10-27 % her .

    Abb.

    HN^,CN H N^^X N"

  • - 11 -

    2.1.2 Eigene Arbeiten

    Ein erstes Problem stellte sich bei der Herstellung von

    Alanin-nitril (2) mittels modifizierter Strecker-Synthese [24]

    aus Acetaldehyd in wässriger Lösung von Ammoniak, Ammoniumchlo¬

    rid und Kaliumcyanid. Im Gegensatz zu von homologen Aldehyden

    ausgehenden Synthesen, bei denen die a-Ammonitrile in guten

    Ausbeuten als Hauptprodukte erhalten werden konnten, bildeten

    sich im Falle von Alanin-nitril (2) grosse Mengen eines Neben¬

    produktes, des Immo-bis-( 2-propionitrils) (21 A/B). Aufgrund

    ihres deutlich unterschiedlichen Verhaltens auf dem Dünnschicht-

    chromatogramm (Ether/Methylenchlorid 7:3; Rf(2> = 0.16, R,(21A/B)

    = 0.50) trennte G. Ksander die Reaktionsprodukte an einer stark

    überladenen Kieselgelsäule (15-20 g Gemisch von 2 und 21A/B auf

    einer Säule von 5 x 20 cm) problemlos in die beiden Komponenten.

    Nach P. Kurtz und H. Disselnkotter [25] konnte 21A/B mittels Ammo-

    nolyse in wasserfreiem Ammoniak bei 80° in guten Ausbeuten ins

    Alanin-nitril (2) überführt werden. Beide Methoden wiesen den

    Nachteil auf, dass sie zeitaufwendig und für grössere Ansätze

    schlecht geeignet waren. Als bestes Trennverfahren erwies sich

    daher eine kontinuierliche Destillation; dabei wurde das Pro¬

    duktgemisch bei 0.01 Torr Druck langsam in den auf 50° erhitzten

    Destillationskolben getropft, wobei das Alanin-nitril (2> sofort

    durch eine kurze Vigreuxkolonne wegdestillierte, bevor grössere

    Anteile zu 21A/B kondensieren konnten. Die niedrige Temperatur

    von 50° verhinderte die Cyanwasserstoff-Elimination am im Kol¬

    ben zurückbleibenden 21A/B zu N-Ethyliden-alanin-mtril (22),

    das zusammen mit Alanin-nitril (2) überdestilliert wäre. Diese

    Destillation ergab analysenreines Alanin-nitril (2) in Ausbeu¬

    ten, wie man sie auch bei der Chromatographie erreichte (26 %);

    sie wies jedoch den Vorteil auf, dass durch sie in kurzer Zeit

    grosse Mengen an Alanin-nitril (2) mit bescheidenem Aufwand zu

    erhalten waren. Indem A. von Planta [26] später das Wasser als

    Lösungsmittel obiger Synthese durch Methanol ersetzte (analog

    einer durch W. Bender optimierten Arbeitsvorschrift für Strecker-

    Synthesen von P. Hess [27]), gelang es ihm, die Bildung des Ne¬

    benproduktes 21A/B zu unterdrücken. Aus dem Reaktionsgemisch

    isolierte er direkt Alanin-nitril (2) als p-Toluolsulfonsäure-

    Salz in 64 % Ausbeute.

  • - 12 -

    Schema 10:

    HY°CH,

    NC^ ^NH2 NC^ „N^ ^CNrCH,

    b c d e

    NC^ N-SiMe,

    YCH2

    14

    TT3c c\

    21 A/B

    H3C CH3

    NC NH,

    CH2

    H*C^NyC"CH,

    22

    a) KCN, H20, NH3> NH^Cl; b) tBuOCl, CH2C12> 0°; c) Et3N, CH2C12> -78°;

    d) TMSC1, Et3N, THF/CH2C12, -78°; e) A; f) NiCl2 • 6 H20, CH3CN/CH2C12

    Im nächsten Schritt musste Alanin-nitril (2) mit Butyl-

    hypochlorit am Stickstoff mono-chloriert werden. Zersetzungs¬

    reaktionen, die bei der späteren Destillation von TMS-APN XI

    hin und wieder auftraten, wurden unter anderem auf mögliche

    N-dichlorierte Produkte zurückgeführt, die nach HCl-Elimination

    als N-Chlor-imine im Reaktionsgemisch vorliegen könnten. W.

    Rüger [23] bewies durch Isolierung von a-(Chlor-imino)-nitrilen,

    dass bei Zugabe von Butylhypochlorit zu a-Ammonitrilen tat¬

    sächlich bereits N-dichlorierte Produkte auftraten, noch bevor

    alles a-Aminonitril zum mono-Chlor-Derivat reagiert hatte. Durch

    langsames, gleichmassiges Zutropfen des Chlorierungsmittels liess

    sich die Bildung des Dichlor-Derivates zurückdrängen.

    Ohne Isolierung des N-Chlor-alanin-nitrils wurde anschlies¬

    send bei -78° mit einem Aequivalent Triethylamin HCl zum Imino-

    nitril XI eliminiert, das man unverzüglich durch Zugabe eines

  • - 13 -

    äquimolaren Gemisches von Triethylamin und Trimethylchlorsilan

    silylierte (APN X und TMS-APN XI zersetzen sich in saurer oder

    alkalischer Lösung!). Die Silylierung des Imino-nitrils X2 be¬

    wirkte einerseits infolge der Substitution des Imin-Protons

    Stabilisierung bezüglich HCN-Elimination, andererseits erleich¬

    terte sie die Tautomerisierung zum Enamm, ähnlich wie dies bei

    N-Acyl-iminen der Fall ist [16].

    Nach Abfiltration der ungelösten Salze tautomerisierte man

    das silylierte Imin durch Kochen unter Rückfluss zum TMS-APN

    14. Der noch ca. 50 % Lösungsmittel enthaltende Eindampfrück-

    stand des Reaktionsgemisches musste sofort auf eine eisgekühl¬

    te Aluminiumoxid-Säule aufgetragen und eluiert werden, da er -

    vermutlich infolge des anwesenden Triethylamin-hydrochlorids

    und Butanols - laufend dunkler wurde. Beim Auftragen grösserer

    Ansätze auf ungekühlte, stark überladene Säulen traten zeitwei¬

    se spontane Zersetzungsreaktionen unter starker Hitzeentwick-

    lung auf, was bei Verwendung eisgekühlter Säulen nie zu beob¬

    achten war. Mittels Methylenchlorid/Ether 4:1 wurde TMS-APN

    14 sehr schnell eluiert, unverzüglich gefolgt von Mischfrak¬

    tionen zwischen TMS-APN XI und APN X- Dle Produktfraktionen de¬

    stillierte man anschliessend (portionenweise) im Kugelrohr.

    Versuche zur sofortigen Destillation ohne vorhergehende Chroma¬

    tographie des Reaktionsgemisches scheiterten, da die noch zum

    Teil gelösten Salze eine schnelle Zersetzung der Produkte be¬

    wirkten. Chromatographie an Kieseigel führte zur Desilylierung

    von TMS-APN Xli diese Methode war jedoch praparativ nicht brauch¬

    bar (geringe Ausbeute).

    APN X wurde durch Schütteln.von TMS-APN XI in einer Auf-

    schlämmung von Nickel ( H )-chlorid in Acetonitril/Methylenehlorid

    freigesetzt und durch Destillation (Kugelrohr: 120°, 17 Torr)

    gereinigt. a-Amino-propennitril (X) ist ein dünnflüssiges, farb¬

    loses Oel von HCN-ähnlichem Geruch. Zu seiner Charakterisierung1 13

    wurde ausser Elementaranalyse, H-NMR-, C-NMR-, IR-, UV- und

    Massenspektren im Laboratorium für Physikalische Chemie zusätz¬

    lich durch A. Bauder ein Mikrowellen- und durch R. Gunde ein

    Gasphasen-IR-Spektrum gemessen sowie im Laboratorium für Orga¬

    nische Chemie durch P. Seiler mit bei tiefen Temperaturen ge-

  • - 14 -

    züchteten Kristallen eine Röntgenstrukturanalyse durchgeführt

    (vgl. Abschnitt 2.3).

    Im H-NMR-Spektrum (CDC1,) von APN X erscheinen die zwei

    Methyliden-Protonen als Dubletts bei 4.69 und 4.78 ppm (J =

    1.7 Hz), während sie im TMS-APN XI zufällig isochron sind und

    ein ebenfalls charakteristisches Singlett bei 4.61 ppm ergeben.

    Die IR-Spektren (CHC1,) von APN X und seinem silylierten Deri¬

    vat zeigen deutliche Nitril-Schwingungen bei 2228 respektive

    2230 cm-.

    In den UV-Spektren weist APN X eln Absorptionsma¬

    ximum bei 241 nm (e = 6.5 • 10 ), TMS-APN XI eines bei 256 nm

    (e = 8.1 • 10 ) auf. Im MS beider Verbindungen sind deutliche

    M+-Signale zu erkennen (XI: 140 (28 %); X: 68 (71 %)). TMS-APN

    XX ergibt einen Basispeak bei m/e = 98 (M+ - CH3 - HCN), wäh¬

    rend APN X einen solchen bei m/e = 53 (M - CH,) zeigt.

    APN X lst eine hochreaktive Verbindung. Dies wird durch

    folgende Beobachtungen belegt:

    X Frisch destilliertes APN X blieb eingefroren in flüssigem

    Stickstoff über ein Jahr hinaus unverändert.

    2^ Eine anfänglich farblose, destillierte Probe von APN X wurde

    nach Angabe von G. Ksander bei RT innert 15 mm gelb, dann

    rotbraun und zuletzt schwarzbraun, wobei sich ein in CDC1,

    unlöslicher, gummiartiger Festkörper ausschied, der in DMSO

    und Wasser teilweise löslich war (Polymere und Polymeroide).

    Eigenen Beobachtungen zufolge trat diese Zersetzung auch beim

    Stehenlassen von destilliertem APN X unter N,-Atmosphäre bei

    Raumtemperatur auf.

    2 Als ca. 10 %-ige Lösung in Methylenchlorid liess sich APN X

    bei -30° einige Wochen im wesentlichen unverändert aufbewah¬

    ren. Die wenigen sich dabei bildenden Verunreinigungen konn¬

    ten jeweils durch Filtration und Kugelrohr-Destillation ab¬

    getrennt werden.

    X Eine Lösung (ca. 10 %) von APN X in Methylenchlorid trübte

    sich bei 5° innert 15h; bei längerem Stehenlassen entstand

    eine weisse, flockige Suspension. Bei 25° bildete sich eben¬

    falls das Präzipitat, wobei aber die Lösung erst gelb und

    schliesslich braun wurde. Das H-NMR-Spektrum des abgeschie¬

    denen Festkörpers in DMS0-dfi wies breite, schlecht aufgelöste

    Signalhaufen zwischen 1.9 und 2.5 ppm auf.

  • - 15 -

    2 Beim Stehenlassen von H-NMR-Messlösungen (ca. 2-4 % in

    CDC1,) liessen sich nach 1 Tag Spuren des 2-Imino-propan-

    nitrils (X2> feststellen, die innert 7 Tagen auf 5 % (bzgl.

    APN X) anwuchsen. Längere Wartezeiten, die kein weiteres An¬

    steigen des Imin-/Enamin-Verhältnisses mehr bewirkten, führ¬

    ten zur Abscheidung von Festkörpern und Oelen an den Wänden

    des NMR-Rohres - im H-NMR-Spektrum waren nach 4 Wochen keine

    Signale mehr zu erkennen (vgl. Abschnitt 2.3.2).

    2 Bei Raumtemperatur bildeten sich innert 7 Tagen in einer ca.

    3 %-igen Lösung von APN X in Benzol-d, gemäss H-NMR-Spektrum

    ca. 11 % 2-Immo-propannitril (13).

    X Nach Zugabe von 1 mol-% Trifluoressigsaure zu Lösungen von

    APN X m Chloroform wies ein H-NMR-Spektrum 5 % APN-Imin XI

    bezüglich APN X aus, bei längeren Wartezeiten war kein weite¬

    rer Anstieg des Immgehaltes zu beobachten, wohl aber "Poly¬

    merisation".

    2 Zugabe von 0.5 mmol Trifluoressigsaure in 1 ml CDC1., zu einer

    Lösung von 0.5 mmol APN X ln °-5 ml CDC1, bewirkte unverzüg-1

    ^

    liches Abscheiden eines Oels. Ein H-NMR-Spektrum der über¬

    stehenden Lösung wies keine APN-Signale mehr auf.

    2.2 Versuche zu alternativen chemischen Darstellungsmethoden

    für APN

    2-Ammo-propennitril (X) lässt sich einerseits als Produkt

    einer Addition von metallorganischen Methylverbindungen an Di-

    cyan, gefolgt von Protonierung und Tautomerisierung, anderer¬

    seits als Addukt von Cyanwasserstoff an die Iminfunktion von

    Ketenimin (2) auffassen. Versuche, darauf beruhende alternative

    chemische APN-Synthesen zu entwickeln, schlugen aber fehl.

    Bekannt ist [28], dass bei Behandlung von Dicyan mit je ei¬

    nem Aequivalent organometallischer Verbindungen RMet und R'Met'

    (Grignard- bzw. Organolithium-Verbindungen) ein Gemisch von

    a-Aminonitrilen RR'C(CN)NH , Ketonen RCOR' und tertiären Alko¬

    holen R Rl COH entsteht. Die beobachtete selektive, stufenweisen 3-n

  • - 16 -

    Einführung der Alkylgruppen R und R1 lässt auf ein deproto-

    niertes Immonitril 2_3 als Zwischenprodukt (vgl. Schema 11)

    schliessen. Liesse sich diese Stufe für R = CH, isolieren, so

    würde sich dadurch über eine Tautomerisierung ein sehr direkter

    Zugang zu APN X eröffnen. Entsprechende eigene Versuche unter

    verschiedenen Reaktionsbedingungen (vgl. Tabelle 12) scheiter¬

    ten jedoch.

    Schema 11:

    NIIIc R-MetICIIIN

    Anfänglich wurde mit Methylmagnesiumchlorid und Methyl-

    magnesiumbromid in Ether bei verschiedenen Temperaturen zwischen

    -78 und -20° gearbeitet. Da sich in keinem der Ansätze APN X

    nachweisen liess, wurde ein Versuch mit Ethylmagnesiumbromid un¬

    ter den Bedingungen von R. Gauthier und M. Chastrette [28] aber

    mit nur einem Aequivalent Grignard-Reagenz durchgeführt: Weder

    das Imm noch das entsprechende Enamm des Addukts konnten nach¬

    gewiesen werden (Tabelle 12, Versuch 4). Auch ein Wechsel des

    Lösungsmittels von Ether zu THF beziehungsweise Methylenchlorid

    zeitigte keinen Erfolg, deshalb variierte man zusätzlich das

    Metallion. Die Analyse des Niederschlages bei einem Versuch mit

    Cadmium ergab, dass es sich um Cadmiumcyamd handelte (Versuch

    10). Im analogen Fall mit Magnesium konnte H-NMR-spektroskopisch

    im Niederschlag (ebenfalls Metallcyanid) Acetonitril nachgewie¬

    sen werden (Versuch 11). Das heisst, die Addition vom Reagenz

    ans Dicyan hat stattgefunden, das Zwischenprodukt aber eliminier¬

    te sofort Metallcyanid unter Bildung von Acetonitril.

    In der Vermutung, dass eine Reduktion der Temperatur auf

    -110° diese Folgereaktion unterdrücken könnte, ohne die Addition

    zu verhindern, wurde versucht, das Zwischenprodukt bei dieser

    Temperatur zu benzoylieren, bevor es Cyanid eliminierte. Im Re-

    NC^N-Met

    R

    23

    1 H®

    2 Tautom

    NC NH,

    \

  • - 17 -

    Tabelle 12:

    R-Met Lo'mittelZugabe(°)

    Aufarbeitung Produkte

    I MeMgCl Ether -78 silylierend -

    2 MeMgCl Ether -78]) silylierend -

    3 MeMgBr Ether -20 silylierend -

    4 EtMgBr Ether RT silylierend -

    5 MeMgBr THF RT silylierend -

    6 MeMgBr CH2C12 -78 silylierend -

    7 MeLi Ether -78 silylierend -

    8 Me Cd

    21

    Me2Cd'

    Ether -78 silylierend -

    9 Ether -78 silylierend -

    10 Me Cd Ether -78 silylierend Cd(CN)211 MeMgBr Ether -78 PhCOCl Mg(CN)2, CH3CN12 MeMgBr Ether -110 PhCOCl CH CN, PhCOCH

    13 MeMgBr Ether -110 MeSO SiMe CH3CNU MeLi Ether/HMPA -110 MeSO SiMe -

    15 MeMgBr Ether -110 1. H,02. TMSC/Et3N

    -

    16 MeLi3'' Ether/HMPA -110 MeS03SiMe3 -

    17 Me3SiCH2MgCl Ether -110 MeS03SiMe3 Me3SiCH2CN, (Me3Si )2o18 Me3SiCH MgCl Ether -110 1. HOAc SilylVerbindungen

    2. HF

    1) Im Gegensatz zu Versuch 1 nicht auf RT erwarmen lassen.

    2) Im Gegensatz zu Versuch 8 wurden vor der Methylierung die Mg-Sal7e ab-

    filtriert.

    3) Inverse Zugabe: Die Dicyanlosung wurde zu einer Losung von MeLi in Fther

    und HMPA getropft.

    aktionsgemisch liessen sich aber nur Acetonitril und Acetophenon

    nachweisen, was wiederum zeigte, dass die Reaktion wenigstens

    teilweise abgelaufen war, dass aber bereits wieder Metallcyanid

    eliminiert wurde, bevor das Zwischenprodukt durch Benzoylchlorid

    abgefangen werden konnte. Weitere Versuche, bei diesen tiefen

    Temperaturen mit Magnesium- und Lithium-Verbindungen (teilweise

    in Gegenwart von HMPA, um die Assoziierung zu unterdrücken) die

  • - 18 -

    Zwischenstufe mit stärkeren Silylierungsmitteln (Trimethylsilyl-

    methansulfonsäureester) beziehungsweise durch Protonierung ab¬

    zufangen, verliefen ebenfalls nicht in der gewünschten Weise.

    Da bei R. Gauthier et al. [28] nur metallorganische Rea¬

    genzien Verwendung fanden, die zwei und mehr Kohlenstoffatome

    enthielten (Ethyl-, Butyl- und Phenyl-), versuchte man zuletzt

    noch, die Grignard-Verbindung Trimethylsilylmethyl-magnesiumchlo-

    rid einzusetzen. Aber weder die Silylierung noch die Protonierung

    mit Essigsäure und anschliessende tautomerisierende Desilylierung

    mit Fluorwasserstoff-Säure als Aufarbeitungsvarianten führten zum

    Erfolg. Wiederum eliminierte die Zwischenstufe das Metallcyanid,

    was durch die Isolierung von Trimethylsilyl-acetonitril bewiesen

    wurde.

    Gemäss Literaturangaben [29] führt Deprotonierung von Ace¬

    tonitril mit Alkyllithium-Reagenzien zum Azaketenyl-Anion. Bei

    Zugabe von Cyanwasserstoff wird das Anion entweder am Stickstoff

    (in Analogie zum Enolat-Anion) oder am Kohlenstoff (führt zurück

    zu Acetonitril) protoniert. Das bei N-Protonierung entstehende

    Ketenimin (2J sollte HCN an die Imlndoppelbindung anlagern können

    und APN X ergeben (als Parallele zu der von Ph. B. Shevlin et al.

    [8] postulierten Bildungsweise von APN ]_; vgl. Schema 13). In

    keinem der in Tabelle 14 aufgeführten Versuche konnte aber APN T_,

    respektive em C-silyliertes Derivat davon, erhalten werden.

    Schema 13:

    eH2C —C=N

    IH2C=C=Ne

    HCN

    [H2C= C= NH]HCN

    1

    H2C=<,CN

    NH,

  • - 19 -

    Tabelle 14:

    Azaketenyl-Amon Protonierung nachgewiesene Pr odukte

    1 Li-CH2CN in THF HCN in THF, -78° -

    2 Li-CH2CN m THF HCN m THF, -78° -

    3 Li-CH2CN in THF 1. Me,SiCN in THF,-70°

    2. HCN in THF, -78°

    Me,SiCH7CN und

    (Me3Si)2CHCN ca 2:1

    4 Li-CH(SiMe3)CN in THF HCN in THF, -78° Edukt (28 Z)5 Li2-C(SiMe3)CN in THF HCN in THF, -78° Edukt (74 %)

    * dreifache Menge an THF

    Da in den Experimenten mit dem Azaketenyl-Amon (Versuch 1

    und 2) keine HCN-Addukte nachgewiesen werden konnten, liegt der

    Schluss nahe, dass es durch HCN am C-Atom zu Acetonitril proto-

    niert wird. Weitere Versuche, bei denen durch Einführung der

    Trimethylsilyl-Gruppe eine zumindest teilweise N-Protonierung

    erzwungen werden sollte, blieben ebenfalls erfolglos.

    2.3 Physikalische Untersuchungen an APN

    2.3.1 Mikrowellenspektrum

    Im Hinblick auf die Möglichkeit, dass APN im interstella¬

    ren Raum auftreten könnte, wurde im physikalisch-chemischen

    Laboratorium der ETH an unserem Material durch A. Bauder [9a]

    das Mikrowellenspektrum gemessen. Die Resultate gaben Anlass

    zur Annahme, dass es sich bei APN X um eine annähernd planare

    Struktur handelt; der Winkel zwischen der C-N-Einfachbmdung

    und der durch die Atome H-N-H der Aminogruppe aufgespannten

    Ebene wurde zu 16° bestimmt, während für Vinylamin ein solcher

    von 34° gefunden wurde [30] (was ungefähr halb soviel ist wie

    bei einem typischen nichtplanaren Aminstickstoff, wie NH, oder

    Methylamin). Aus ab-initio-Rechnungen folgerte T.-K. Ha [9a]

    im Rahmen der selben Arbeit hingegen, dass die Aminogruppe in

  • - 20 -

    APN planar sei. Durch Einbau von empirischen Korrekturen für

    die optimierten Strukturparameter in gleichzeitig durchgeführ¬

    ten Rechnungen sagten S. Saebo und L. Radom [9b] im Gegensatz

    dazu für APN eine Struktur mit pyramidaler Aminogruppe voraus,

    ähnlich derjenigen von Vinylamin. Bemerkenswerterweise stimmten

    die durch sie berechneten Rotationskonstanten ausgezeichnet mit

    Bauders Messungen überein.

    2.3.2 Gasphasen-IR-Spektrum

    Aus den gleichen Gründen, die Anlass dazu gaben, das Mi¬

    krowellenspektrum von APN X aufzunehmen, wurde im Laboratorium

    für Physikalische Chemie durch R. Gunde [31] auch ein Gasphasen-

    IR-Spektrum von X an unserem Material gemessen. Ueberraschender-

    weise stellte er dabei fest, dass APN X ln der Gasphase zum

    2-Imino-propannitril (X2) tautomerisierte. In Abbildung 15 ist

    deutlich zu erkennen, dass die dem Enamin X zuzuordnende Doppel¬

    bande (Skelett-Schwingung) abnimmt und das entsprechende Signal

    des Imms XJ. zunimmt. Bei längeren Verweilzeiten verschwinden

    erst die APN-Signale, dann nehmen aber auch die Signale des Imins

    13 ab; gleichzeitig treten in zunehmendem Masse Signale der Zer¬

    fallsprodukte von X2 auf: Cyanwasserstoff und Acetonitril konnten

    durch Vergleich mit Referenzspektren als Hauptzerfallsprodukte

    identifiziert werden.

    Diese Tautomerisierung von APN X zum Cyanimin X2 konnte

    später von A. Bauder zusätzlich mittels Mikrowellenspektroskopie

    bewiesen werden.

  • - 21 -

    Abb. 15: Ausschnitt aus Gasphasen-IR-Spektrum von APN X

    (150 mTorr; Glasmesszelle innen tefIonisiert, ver¬

    goldete Metallspiegel, 12.5 m Weglänge des IR-Strahls;

    t = Verweilzeit der APN-Probe in der Dampfphase)

    1

    C

    0

    tl

    M

    E

    H

    C

    0

    L

    r-

    0

    37 13

    HK^CM

    _i i

    — t»

    *V-

    T

    825

    fc

    l0 - 0 nin

    t, = 130 nun

    t, = 427 um

    EB 0

    Ms 1 1

    2.3.3 Röntgenstrukturanalyse

    *

    Nach vielen erfolglosen Versuchen , von APN X Kristalle zu

    erhalten, gelang es P. Seiler [32] im Laboratorium von Professor

    Dunitz unter Zuhilfenahme einer neuen Arbeitstechnik durch lang¬

    sames Abkühlen (ca. 1°/24 h) einer APN-Probe in einer unter N -

    Atmosphäre abgeschmolzenen Glaskapillare (ca. 0.45 mm Durchmes-

    * Bei früheren Versuchen, APN X durch rascheres Abkühlen zu kristallisieren,blieb die Losung bis -130° für mehrere Stunden flussig und erstarrte dann

    zu einem amorphen Festkörper.

  • - 22 -

    ser) bei ca. -35° einen Kristall von sehr guter optischer Qua¬

    lität zu züchten und an ihm bei -176° eine Röntgenstrukturana-

    lyse durchzuführen (vgl. Abb. 16).

    Abb. 16: Daten der Röntgenstrukturanalyse von APN X (qemittelte

    Werte der beiden Strukturen von X ln der asymmetrischen

    Einheit: Bindungslängen in (Ä), -winke! in (°))

    Im Kristall traten zwei strukturell verschiedene APN-Mole¬

    küle auf (vgl. Abb. 70, exp. Teil), die sich vor allem in der

    Länge der C-C-Doppelbmdung (1.341 Ä bzw. 1.346 Ä) und der C-N-

    Emfachbindung (1.397 A bzw. 1.388 Ä) sowie in den meisten Bin¬

    dungswinkeln unterschieden (vgl. im exp. Teil Abschnitt 2.3.2).

    In Abbildung 70 ist aber deutlich zu erkennen, dass beide Formen

    eine pyramidale Aminogruppe aufweisen (Winkel zwischen C-N-Ein-

    fachbindung und der durch H-N-H der Aminogruppe aufgespannten

    Ebene: 45° respektive 40°). Im Kristall entsprachen die kürzesten

    intermolekularen Abstände jeweils Wasserstoffbrücken. Eine erste

    bildete sich zwischen einem Aminstickstoff und dem Proton einer

    anderen Aminogruppe aus (2.104 Ä), zwei weitere zwischen je einem

    Nitril-Stickstoffatom und einem Aminogruppen-Proton (2.204 Ä,

  • - 23 -

    2.298 Ä), wodurch einerseits Ketten von APN-Molekülen entstan¬

    den, andererseits jeweils zwei unterschiedliche APN-Moleküle

    als "Dimere" (asymmetrische Einheit) kristallisierten.

    2.4 Reaktionen von APN

    Hauptziel der zu untersuchenden Reaktionen von APN X soll¬

    te die Schwanz-Schwanz-Verknüpfung sein, da dies zum Strukturtyp

    der Glutaminsäure führt, dem über die grundsätzliche Bedeutung

    in der präbiotischen Chemie hinaus später (vgl. Abschnitt 3)

    noch eine besondere Rolle zukam. Andererseits sollte eine photo¬

    chemische Spaltung des Schwanz-Schwanz-Dimeren das APN-Homologe

    2-Amino-2-butenmtril (19A/B) liefern. Wiederholung dieser Ho-

    mologisierung stellt eine potentielle Methode zum Aufbau von

    Fettsäuren im Rahmen der definierten Voraussetzungen dar. Er¬

    reicht werden müssten diese Ziele durch Ausschöpfen der Reak¬

    tivität von APN X unter rahmenvoraussetzungs-konformen Bedin¬

    gungen (Basen, "Säuren", Wärme und Licht).

    2.4.1 Vorversuche von G. Ksander

    Im Anschluss an die Synthese von N- Butyl-APN X2 hatte

    seinerzeit G. Ksander [4] die Reaktivität dieses "APN-Modells"

    in saurem (Ameisensäure) wie auch basischem (Lithium-dusopro-

    pylamid, LDA) Milieu untersucht. Unter sauren Bedingungen (vgl.

    Schema 17) resultierten Kopf-Schwanz-Dimerisierungen von X2 zu

    24, gefolgt von HCN-Elimmation und Cyclisation zu 2_2, häufig

    traten zusätzlich noch Hydrolysen und Wiederaddition von Cyan¬

    wasserstoff auf. Unter basischen Bedingungen (LDA, THF, -78°)

    wurden ebenfalls Heterocyclen gebildet, wobei der Angriff eines

    aus XP_ entstandenen Anions vermutlich intermolekular an der Ni-

    trilgruppe erfolgte - jedenfalls konnte die erwartete Schwanz-

    Schwanz-Dimerisierung (1,4-Addition an die Acrylonitril-Funktion)

    nicht beobachtet werden. Abschliessend lässt sich festhalten,

  • - 24 -

    Schema 17: Dimerisierung von N- Butyl-APN XP_ unter sauren Be¬

    dingungen

    H

    H2C^/N

    CN

    10

    CN

    HCOOH

    3 mm/RT

    H3C\

    ^N^CH,

    CH3 CN \ TT IHN ~^~

    '3

    2425

    — Hydrolyse-Produkte

    -HCN-Addukte

    dass weder durch Ameisensäure noch durch starke Basen ausge¬

    löste Prozesse an diesem "APN-Modell" in Richtung interessanter

    Zielstrukturen führten.

    Schema 18:

    H2N^ ,CN

    YCH,

    HjN^CNk -x-CN

    HCN H2N^SN^CN

    CH,

    26 HN^-CN

    CH,

    27

    13

  • - 25 -

    Man würde eigentlich annehmen, dass die Addition von Cyan¬

    wasserstoff an APN X Asparaginsäure-dinitril (2J3) ergeben soll¬

    te. Ein diesbezüglich von G. Ksander durchgeführtes Experiment

    (vgl. Schema 18) ergab aber als einziges Produkt 2J7, das HCN-

    Addukt von 2-Imino-propannitril (X2) " Asparaginsäure-dinitril

    (26) liess sich nicht als triviales HCN-Addukt an APN X dar¬

    stellen.

    G. Ksander untersuchte ferner das Verhalten von APN X unter

    pyrolytischen Bedingungen (Pyrex-Füllmaterial, N?-Strom von

    1 atm, X als Lösung in CH,CN aufgespritzt). Im Temperaturbereich

    von 200-600° gewann er das eingesetzte APN X nach der Pyrolyse

    im wesentlichen unverändert zurück. Als aber Xiang Yi-Bin 133]

    versuchte, APN X einer Vakuum-flash-Pyrolyse (Quarz-Füllmateri-

    al, 0.1 Torr) zu unterwerfen, fand er im Pyrolysat nur noch Spu¬

    ren von APN X vor.

    Bei Zugabe von 0.2-0.3 Aequivalenten starker Säuren zu

    Lösungen von APN X beobachtete G. Ksander geringe Mengen des

    Kopf-Schwanz-Dimeren 2JS von APN, das den Strukturtyp der Acet-

    essigsäure verkörpert. Dies ist Ausdruck dafür, dass APN X zu¬

    sammen mit seinem Tautomeren XI unter Säurekatalyse die Reak¬

    tivität von methyl- respektive carbonylaktivierten Essigsäuren

    aufweist.

    Die besten Ausbeuten an Dimerem 22 ergaben Reaktionen in

    Puffersystemen, bestehend aus Salzen starker Säuren mit schwa¬

    chen Basen. Beim anfänglich verwendeten Pyridinium-Tosylat, das

    die Dimerisierung sehr effektiv katalysierte, traten bei der

    Isolierung des Dimeren 22 Schwierigkeiten auf, da sich Pyridin

    durch Chromatographie nicht vollständig vom Produkt trennen

    liess. Als Katalysator wurde deshalb 2-Pyridonium-tosylat (33)

    verwendet, das problemlos abzutrennen war. Die bescheidenen

    Ausbeuten (26 %) waren hauptsächlich auf die Chromatographie

    zurückzuführen, da sich reines 22, an einer kurzen Säule mit

    imprägniertem (Natrium-perchlorat) Kieselgel chromatographiert,

    ebenfalls nur zu 60 % wiedergewinnen liess. Das Dimer 22 spal¬

    tete sehr leicht Cyanwasserstoff zum Dinitril 2X» respektive

    ß-Aminocrotonitril 32A/B ab. Die Schwanz-Schwanz-Dimeren 22 be¬

    ziehungsweise 2^ konnten in Ksanders Experimenten nie nachgewie¬

    sen werden.

  • - 26 -

    Schema 19:

    HN NHjII C)-| Kopl Schwanz HjN,^•CN Schwan« Schwani

    NC'^^^^'^CN "°""> ^H D""W"28

    2

    1

    NC

    NH,

    CH3CN

    31

    NC CH,

    MNH,

    32 A/B

    NH,

    NC

    CN

    NH,

    29

    +

    NH,

    NH

    30

    2.4.2 Photochemische Dimerisierung

    Da unter säurekatalytischen Bedingungen keine Enamin-

    Michael-Reaktion von APN X zum gesuchten Schwanz-Schwanz-Dimeren

    30 zu beobachten war und eine entsprechende En-Reaktion als Al¬

    ternative dazu aufgrund der thermischen Instabilität von APN X

    nicht als sehr erfolgversprechend erscheint, suchte man nach

    photochemischen Wegen, diese Schwanz-Schwanz-Verknüpfung zu re¬

    alisieren.

    Aus der Literatur ging hervor, dass bei thermisch oder

    photochemisch induzierten Dimerisierungen von in 2-Stellung mit

    einem Donor substituierten Acrylonitrilen als Zwischenstufen

    Schwanz-Schwanz verknüpfte Diradikale auftreten (vgl. Schema

    20). Solche gleichzeitig durch Acceptor- und Donorgruppen sub¬

    stituierte Radikale (capto-dativ-substituierte Radikale [5])

    weisen eine beträchtliche Stabilität auf. Sie können durch

    Knüpfen einer weiteren C-C-Bindung zu den entsprechenden Cy-

    clobutan-Derivaten oder aber durch Wasserstoff-Verschiebung zum

    offenkettigen Schwanz-Schwanz-Dimeren abreagieren [34]. Thermi¬

    sche Dimerisierung von Methacrylat führte nur zum offenkettigen

    Isomeren, dem a-Methylen-6-methyl-adipat, das bereits 1947 durch

    J. W. C. Crawford [35] als Nebenprodukt der Methacrylat-Synthese

  • - 27 -

    isoliert wurde. Bei der Dimerisierung von Methacrylnitril,

    beschrieben durch M. Herberhold und G. S. Hammond [34b], bil¬

    dete sich das offenkettige Dimere unter thermischen Bedingun¬

    gen bevorzugt, während es photochemisch nur 2.4 % des Dimeren-

    gemisches ausmachte.

    Schema 20:

    CN

    H2C=^ -

    H Ooner

    - OR

    - NR2- SR

    - SeR

    - O"<

    <

    CN

    RR

    CN

    CN

    Assoziationen zum Problem der Schwanz-Schwanz-Verknüpfung

    von APN-Molekülen wecken die Beispiele der spontanen und rever¬

    siblen Dimerisierung von a-Arylthio-acrylonitrilen 21 [36] und

    der Dimerisierung des a-cyan-substituierten N-Alkyl-enamins 22

    [37] zu den entsprechenden Cyclobutan-Derivaten.

    Abb. 21:

    Ar-S CN

    TCH2

    34 [36]

    Me

  • - 28 -

    Die durch K. Mizuno et al. [38] beschriebene photochemi¬

    sche, intramolekulare [2+2]-Cycloaddition zum Makrocyclus 22

    (cis/trans Gemisch) lief nur in Gegenwart von 9,10-Dicyan-

    anthracen als Sensibilisator [39] ab. Beim Bestrahlen hochkon¬

    zentrierter Lösungen von Acrylonitril in Acetonitril mit Ben-

    zophenon als Sensibilisator fanden S. Hosaka und S. Wakamatsu

    [40] ca. 10 % Cyclobutan-1,2-dicarbonitril (cis/trans = 58:42).

    Durch Experimente mit Sensibilisatoren unterschiedlicher Tri-

    plettenergie zeigten sie, dass die Anregungsenergie im Minimum

    62 kcal/mol beträgt - 4-Phenylbenzophenon (E = 62.8 kcal/mol)

    sensibilisierte die Reaktion, während Naphthalin (E = 60.9

    kcal/mol) keine Umsetzung mehr bewirkte. Weitere mechanistische

    Aspekte der Dimerisierung von a,ß-ungesättigten Nitrilen wur¬

    den von W. L. Dilling und R. D. Kroening [41] sowie von D. M.

    Gale [42] beleuchtet.

    Eigene Vorversuche, bei denen APN X mittels Quecksilber-

    Niederdrucklampen direkt angeregt wurde, führten zur Zersetzung

    des Edukts, ohne dass Produkte isoliert werden konnten. Unter

    der Vermutung, dass eine solche Reaktion Triplett-Anregungszu-

    stände benötige, sensibilisierte man im folgenden mit dem Tri-

    plettsensibilisator Benzophenon. Beim Bestrahlen konzentrierter

    Lösungen (20-30 %) von APN X mit Quecksilber-Mitteldrucklampen

    in Acetonitril, sensibilisiert durch Benzophenon, bildete sich

    ein Oligomeroiden-Gemisch, bestehend aus den beiden diastereome-

    ren 1,2-Diamino-cyclobutan-1,2-dicarbonitrilen (37A/B) (74 % Aus¬

    beute) und zweier Nebenprodukte, dem Oxetan 22 und einer bicy-

    clischen Verbindung 22 (v9l• Schema 22).

    Die beiden APN-Dimeren 37A/B liessen sich mittels Chromato¬

    graphie problemlos trennen. Aufgrund der Umsetzung mit (-)-Cam-

    phansäure-chlorid [43], die für Isomer 37A zwei chromatographisch

    trennbare Diamide, für 37B hingegen ein einheitliches Produkt

    lieferte, wurde 37A die chirale trans-Konfiguration und 37B die

    cis-Konfiguration (Mesoform) zugeordnet. Die Methylengruppen der

    beiden APN-Dimeren 37A/B zeigen im H-NMR-Spektrum AA'BB'-Syste¬

    me im Bereich zwischen 2.0 und 2.8 ppm. Im EI-MS lassen sie kei¬

    nen Molpeak erkennen, sondern weisen als Signal mit dem grössten

    m/e-Verhältnis den APN-Peak (m/e = 68) auf, beim trans-Dimeren

  • - 29 -

    Schema 22:

    H2C=(CN

    NH,

    I f~"H1""•

    I I^NH,*CN

    37A

    I f~NH3

    .CN ~\

    "NH, -/

    N? ,K

    "• ^I^"5NC H

    38

    -|- HCN

    a) hv, CH CN, Ph CO, RT; b) NH3> Nh^Cl, 35°

    37A entspricht m/e = 68 gar dem Basispeak. Die FAB-MS der bei¬

    den diastereomeren APN-Dimeren 37A/B hingegen zeigen jeweils

    ein intensives Signal bei m/e = 137 (M +1) und ein schwäche¬

    res bei m/e = 110 (137 - HCN). In einer auf 100° erhitzten Lö-

    Schema 23: Reaktionsbedingungen: 19 mg 37B in 1 ml CH,CN in

    Ampulle während 30 min auf 100° erhitzen

    Ü237B

    "•NHj•NH,

    37A

    H2C=<CN

    NH,

  • - 30 -

    sung von cis-APN-Dimerem 37B liessen sich neben Edukt (DC) be¬

    trächtliche Mengen an APN X ( H-NMR-Spektrum) sowie Spuren des

    trans-APN-Dimeren 37A (DC) nachweisen (vgl. Schema 23). Als

    Zwischenprodukt tritt vermutlich das Diradikal auf, das entwe¬

    der zu zwei Molekülen APN X zerfällt, oder aber rekombiniert.

    Das H-NMR-Spektrum (CDC13) des Oxetans 22 zeigt je einDublett (J = 6.8 Hz) bei 4.40 und 4.98 ppm. Im IR-Spektrum

    -1978 cm

    -1(KBr) treten drei intensive Schwingungen (998 cm

    961 cm ) auf, wie dies in diesem Bereich für Oxetane zu erwar¬

    ten ist [44], D. R. Arnold und Mitarbeiter [45], wie auch J. A.

    Barltrop und H. A. J. Carless [46], untersuchten photochemisch

    induzierte Cycloadditionen zwischen Carbonylverbindungen und

    Olefmen und beschrieben entsprechende Oxetane. Für die zum

    Sauerstoffatom o-ständigen Protonen ermittelten sie chemische

    Verschiebungen im H-NMR-Spektrum von 4-5 respektive 4.5-5.1

    ppm mit Kopplungskonstanten von 5-7 Hz.

    Beim isomerenrein anfallenden bicyclischen Nebenprodukt 32

    handelte es sich formal um das Addukt eines Acetaldehyd-Aequi-

    valentes an 37B - als solches liess es sich auch aus der Reak¬

    tion von 37B mit N-Ethyliden-alanin-nitril (22) (gebildet durch

    HCN-Elimination aus dem Alanin-nitril-Kondensationsprodukt 21A/B)

    gewinnen (vgl. Schema 24). Die Frage, ob sich das Acetaldehyd-

    Aequivalent (Acetaldehyd weist die gleiche Oxidationsstufe wie

    Alanin-nitril (2) auf) durch photochemische Reduktion [47] ge¬

    bildet hatte - W. Rüger [23] reduzierte Iminonitrile in Gegen-

    Schema 24:

    ,CN

    ^NH.

    37B

    H,C

    CN

    X Dowex/THF

    22

    CN ~ CN

    H,N^*CH,~~i? H2N-^CH31 5

  • - 31 -

    wart von Arylketonen als Sensibilisator mit Glycin-nitril (42)

    zu den entsprechenden Aminomtrilen - oder ob es aus Alanin-

    nitril (2) stammte, das bereits als Verunreinigung in der ver¬

    wendeten APN-Probe (Herstellung aus Alanin-nitril (2); vgl.

    Abschnitt 2.1.2) vorlag, wurde (leider) nicht geklärt. Im

    H-NMR-Spektrum (80 MHz, CDC1 ) der verwendeten APN-Probe war

    wohl bei 1.47 ppm kein Dublett (H,C-CH von 2> zu erkennen. Um

    die gefundene Menge des bicyclischen Nebenproduktes 22 zu bil¬

    den, hätten aber bereits weniger als 4 % 2 genügt; dies liegt

    unter der Nachweisgrenze des H-NMR-Spektrums.

    Zur Illustration der photochemischen APN-Dimerisierung sei¬

    en in Tabelle 25 einige Ergebnisse von orientierenden Versuchen

    angefügt.

    Tabelle 25: APN-Photodimerisierungs-Expenmente in CH,CN-Lö-

    sungen

    APN

    0.1 .eq Benzil

    48 h hv, Mitteldrucklampe viel APN

    13 % 37A

    10 z 2Z2

    APN

    0.1 eq Thioxanthon

    48 h hv, Mitteldrucklampe 17 Z 37A30 Z 2Z2

    APN

    1.5 eq Alanin-nitril

    0.1 eq Benzophenon

    70 h hv, Mitteldrucklampe 15 % 37A

    9 Z 38

    APN

    Hg

    137 h hv, Niederdrucklampe(Quarzgefass)

    APN

    Spuren von 37A/B

    APN

    0.1 eq Melamin

    190 h hv, Niederdrucklampe(Quarzgefass)

    APN

    Spuren von 37A/B

    APN 220 h hv, Niederdrucklampe(Quarzgefass)

    APN

    Spuren von 37A/B

    APN 23 d hv, Mitteldrucklampe(Quarzgefass)

    viel (HCN)

    Spuren von 37A/B

  • - 32 -

    Auch Sensibilisatoren wie Thioxanthon (E = 65.5 kcal/mol,

    [40]) und Benzil (E = 53.7 kcal/mol, [40]) mit geringerer Tri-

    plettenergie als Benzophenon (E = 68.5 kcal/mol, [40]) waren

    ausreichend, um APN X anzuregen. Zugabe von Alanin-nitril (2)

    verlangsamte die Reaktion deutlich; als Produkte liessen sich

    nur 37A und 28. isolieren, wobei von 22 bezüglich 37A merklich

    mehr gebildet wurde, als bei der Photolyse von APN-Proben. Nach¬

    trägliche Versuche, APN X "iit Melamm, dem Cyanamid-Trimeren

    [48], oder Quecksilber [49] zu sensibilisieren oder aber direkt

    anzuregen (wäre rahmenvoraussetzungs-gerecht), führten jeweils

    zu Spuren von Dimeren 37A und 37B, die wohl mittels Dünnschicht¬

    chromatographie nachweisbar waren, aber nie isoliert werden

    konnten. Für präparative Zwecke erwies sich die Anregung über

    einen Sensibilisator wie Benzophenon als unumgänglich.

    2.5 Glutaminsaure-dinitril aus dem Photodimeren von APN

    In den photochemischen Versuchen konnte das offenkettige

    Schwanz-Schwanz verknüpfte APN-Dimere 2_9/22» von dem zu diesem

    Zeitpunkt erwartet wurde, dass es unter anderem photochemisch

    in ein Homo-APN überführt werden könnte, nicht gefunden werden.

    Glücklicherweise ermöglicht aber das cyclische APN-Dimere 37A/B

    einen indirekten Zugang zu diesem Dimeren; durch Behandlung mit

    Base sollte sich der viergliedrige Ring im Idealfall zum gesuch¬

    ten offenkettigen Dimeren 22 öffnen lassen. Sollte dieses pri¬

    märe Oeffnungsprodukt 20. unter basischen Bedingungen unstabil

    sein und HCN eliminieren, so erhielte man wenigstens Glutamin-

    säure-dinitril (40).

    In entsprechenden Experimenten lagerte sich das APN-Dime-

    rengemisch 37A/B unter Elimination eines Moleküls Cyanwasser¬

    stoff bei leicht erhöhter Temperatur in flüssigem Ammoniak zu

    zwei Hauptprodukten um: Glutaminsaure-dinitril (X2) und 2-Amino-

    1-pyrrolin-5-carbonitril (XX) (vgl. Schema 26). Durch Zugabe

    von Ammoniumchlorid als Protonenquelle liess sich die Ausbeute

    an X9_ und XI aur gesamthaft 53 % steigern. Die beiden Ring-

  • - 33 -

    Öffnungsprodukte erwiesen sich in ihren IR-, H-NMR-, C-NMR-

    und Massenspektren sowie in ihrem Laufverhalten auf dem Dünn-

    schichtchromatogramm als identisch mit authentischem Material.

    Der Bedeutung wegen, die der Bildung von Glutaminsaure-dinitril

    (40) aus APN X beigemessen wird, identifizierte man X2 zusätz¬

    lich als kristallines Derivat: 2-(Phenylacetamido)-glutarsäure-

    dinitril (X2>-

    Schema 26:

    NH,

    CN

    41

    NH

    COOH

    44

    Glutaminsaure-dinitril (X9_) wurde in präparativem Mass¬

    stab ausgehend von Acrolein auf direktem Weg durch Umsetzen mit

    Blausäure, gefolgt von flüssigem Ammoniak [50], oder auf dem

    Umweg über 3-Cyan-propanal (X2) fit anschliessender modifizier¬

    ter Strecker-Synthese hergestellt und als Tosylat isoliert

    (57 % Ausbeute bzgl. 3-Cyan-propanal (43 )).

    Da das Amidin XI einerseits einen potentiellen Vorläufer

    für

  • - 34 -

    Diplomarbeit eine unabhängige Synthese dafür, wobei er DL-

    Pyroglutaminsäure (XX) ms Amid X§ überführte, dieses mit¬

    tels "Meerwem-Salz" peralkylierte, von der exocyclischen

    Iminoester-Funktion Ethanol abspaltete und das entstandene

    Iminoester-carbomtril X2 ammonolytisch zum Amidin XI um¬

    setzte (vgl. Schema 27).

    Schema 27: (Ch. Lehmann [51])

    HOOC^N^O JJL» H2NOC^N>^0V— E'°V^N^OEtH H Hli'44 46 47

    '9

    NC-^N^NH2 "* NC-^N^OEt

    41 48

    a) MeOH, H2S04, RT; b) MeOH, NH3(aq), RT; c) CH2C12> 3 eq Et30 BF~, Rfl.

    d) 3.25 eq Et3N, Rfl.; e) K2C03' H20, °°; f) 'B"0"1 K5 ecl tBu0K- RT:

    g) ges. NaHC03-Lsg in ^0, 0°; h) 12 M NhyLsg in MeOH, 1 eq pTSS, 90°

    Im folgenden soll auf einige Aspekte dieser Amidm-Syn-

    these etwas näher eingegangen werden: Nach Beendigung der ba¬

    senfreien Peralkylierung des Amids Xi mit "Meerwein-Salz"

    musste zur Neutralisation der gebildeten Säure und der Zer¬

    störung des überschüssigen Alkylierungsreagenzes als erstes

    wasserfreies (im sauren Milieu trat in Gegenwart von Wasser

    partielle Hydrolyse der nichtalkylierten Iminoester-Funktion

    auf) Triethylamm zugesetzt werden, anschliessend konnten die

    Tetrafluoroborate durch Zugabe von Kaliumcarbonat und Wasser

    als Kaliumsalze ausgefällt werden. Der Di-iminoester XZ liess

    sich alsdann durch Extraktion und Destillation aus dem Filtrat

    isolieren. Den folgenden Schritt, die ß-Elimination von Ethanol

    zum Iminoester-carbomtril 48, versuchte Ch. Lehmann mit ver-

  • - 35 -

    schiedenen Basen zu katalysieren. Bei Verwendung von Natrium-

    ethanolat, sowohl in katalytischer Menge wie auch im Ueber-

    schuss eingesetzt, erhielt er stets ein 1:1-Gemisch von Edukt

    und Produkt. Mit Butanolat in Butanol als weniger nucleo-

    phile Base gelang es schliesslich, X8 in 96 % Ausbeute zu iso¬

    lieren. Bemerkenswert an der letzten Stufe, der Ammonolyse

    des Iminoester-carbonitrils X2 zum Amidin XI» ist die Tatsache,

    dass in Abwesenheit einer Säure (p-Toluolsulfonsäure) kein

    Produkt isoliert werden konnte.

  • - 36 -

    3. GLUTAMINSAEURE-DINITRIL, EIN VORLAEUFER DER UROPORPHYRINOGEN-

    OCTANITRILE

    M. Ono und R. Lattmann [52] entwickelten eine achtstufige

    Synthese für "pseudo-Porphobilinogen" X2 ausgehend von Pyrrol.

    Die Verbindung diente einerseits als Vorläufer für ein Cyan-Ana-

    logon von Porphobilinogen, andererseits konnte sie in Anwesen¬

    heit von Dimethoxymethan als Methylenquelle in hoher Ausbeute

    säurekatalysiert in das statistische Gemisch der vier isomeren

    Uroporphyrmogen-octanitrile überführt werden.

    H.-P. Buser [53] isolierte in anderem Zusammenhang aus Py-

    rolysaten des isoprenoiden Imins 22 unter anderem das 1-Pyrro-

    lin 21 und den siebengliedrigen Heterocyclus 2?. in geringen

    Ausbeuten (vgl. Schema 28). In der Folge dieser Beobachtung

    stellte sich die Frage, ob eine analoge Reaktion, ausgehend vom

    Dimeroiden (2-E/Z)-5_X des Glutammsäure-dinitrils (X2) , zum

    "pseudo-Porphobilinogen" X2 führen könnte (vgl. Schema 29). Das

    durch Aldolisierung und Um-immierung aus dem Glutaminsäure-

    dinitril-Dimeroiden 22 zu bildende Imin (2-E/ZJ-2X würde eine

    pyrolytische Ringschlussreaktion des Buser'sehen Typs zum Pyr-

    rolm 22 eingehen, das seinerseits unter pyrolytischen Bedin¬

    gungen durch HCN-Elimination zum Pyrrol X2 "aromatisieren" dürf¬

    te. Es wurden deshalb im folgenden aldolisierende Oligomeroidi¬

    sierungen von Glutaminsaure-dinitril (X2) untersucht.

    Schema 28: Pyrolyse von 22 (300°, 1 atm N?-Strom, Weichglas-

    Splitter, 25. als Lösung in Pentan aufgespritzt;

    H.-P. Buser [53])

    50 5V.

    51 10"/.

    52

    ĤN^

  • - 37 -

    Schema 29: Arbeitshypothese

    CN

    53

    I

    NC N "CN

    NC

    (2-E/Z)-54

    -2—

    3.1 Oligomeroidisierung von Glutaminsaure-dinitril

    Wie am Beispiel von Alanin-nitril (2) und 2,2'-Imino-di-

    propannitril (21A/B) seit langem bekannt ist [54, 25], konden¬

    sieren Aminonitrile thermisch zu Imino-dinitrilen, die ihrer¬

    seits bei höheren Temperaturen Cyanwasserstoff zu den N-Alkyli-

    den-Aminonitrilen eliminieren.

    Schema 30:

    3 R

    CN

    NC CN

    NH

    CN

    NR'

    -NR'

  • - 38 -

    Da bekanntlich Imm-Doppelbindungen in trans-Konfiguration

    vorliegen (G. J. Karabatsos und Mitarbeiter [55]), ist bei der

    folgenden aldolartigen Dimeroidisierung von 53^ nur ein binäres

    Diastereomerengemisch (2E-22/2z-^6.f vgl. Schema 31) zu erwarten.

    Aldimine lassen sich mit primären Aminen problemlos zu entspre¬

    chend modifizierten Derivaten um-iminieren [56]; es ist deshalb

    unerheblich, an welchem N-(3-Cyan-propyliden)-aminonitril diese

    Oligomeroidisierung durchgeführt wird (vgl. Schema 30).

    Im Rahmen der eigenen Arbeiten kondensierte man als erstes

    Glutaminsaure-dinitril (X2) durch Erhitzen auf 80° zu einem

    Diastereomerengemisch der Immo-dinitrile 57A/B. Das Diastereo-

    mere 57A liess sich durch fraktionierte Kristallisation aus dem

    Reaktionsgemisch isolieren, während 57B durch wiederholte Chro¬

    matographie an Kieselgel mit willkürlichem Unterteilen der 5J7

    enthaltenden Fraktionen (auf dem DC war keine Trennung der Dia¬

    stereomeren zu erkennen) abgetrennt werden konnte. Beim Erhitzen

    von 57A/B im Kugelrohrofen auf 210° destillierte analysenreines

    Cyammin 21 m beinahe quantitativer Ausbeute ab. Gemischte Kon¬

    densation von Glutaminsaure-dinitril (X9_) und einem zehnfachen

    Ueberschuss an Glycin-nitril (A2) bei 80° ergab ein Gemisch von

    N-Cyanmethyl-glutaminsäure-dimtril (22) 'ln 80 % Ausbeute) und

    Imino-diacetonitril (22)- Erhitzen von 22 im Kugelrohrofen auf

    240° führte in 82 % Ausbeute zu 62» wobei der grösseren Flüch¬

    tigkeit von 28 wegen nur Wasserstrahlvakuum angelegt wurde, wäh¬

    rend man 57A/B bei 0.2 Torr pyrolysierte.

    Unter der Voraussetzung, dass das Imino-dinitril genügend

    schwerflüchtig ist und sich das entsprechende Cyanimm destil-

    lativ abtrennen lässt, kann durch Variation des Druckes Cyan¬

    wasserstoff in ausgezeichneten Ausbeuten aus Imino-dinitrilen

    eliminiert werden. Leichtflüchtige Immo-dinitrile in grösseren

    Mengen lassen sich durch Kochen (ohne Lösungsmittel) unter Rück-

    fluss zu Cyaniminen umsetzen [27]. Für kleinere Mengen entwickel¬

    te H.-P. Buser [53] ein Verfahren, bei dem in hochverdünnten

    Lösungen in Gegenwart von Molekularsieb als Katalysator Cyanwas¬

    serstoff eliminiert wird.

    Cyammme des Strukturtyps 22. lassen sich säurekatalytisch

    durch Um-imimerung [56] derivatisieren: So reagierte 22, kata-

  • - 39 -

    lysiert durch Montmorillonit, mit Glycin-nitril (i2) zum imin

    60, während sich 22 mit Alanin-nitril (2) in Gegenwart einer

    trägergebundenen Säure ins N-(3-Cyan-propyliden)-alanin-nitril

    (65) umwandelte.

    Schema 31:

    CN + NC »fXN

    ~- X ^CN

    1 (Gl V. 9 (SSV.I h (73'dl

    s-^^i/

    CN

    .(El V,\

    NC""\^%.1 (51V.1

    NC""^-^S-

    CN

    ^^ \,l*J

    ' CN —

    JNC^ NC" W?

    (2-E/Z **6

    k

    (2-E/Z 54

    1 (23•dl

    (2-E/Z '62

    m (12V.)

    i

    CN

    NC/CN CN

    NC/

    H

    y~CH

    H

    (H

    CN

    a) N -Gegenstrom, 80°; b) 10 eq 42 bzgl- A9_. N2-Gegenstrom, 80°; c) 210°, 0.2

    Torr; d) 240°, 18 Torr; e) 13 eq 42 bzgl. 22. Montm., THF, RT; f) 22. TIIF.

    50°; g) vgl. Tabelle 34; h) 22- THF. 50°; i) 10 eq 42 bzgl. (2-E/Z)-52, 22,

    THF, RT; j) 10 eq 42 bzgl. (2E)-62, Montm., CHgCN, RT; k) Pyrolyse (Pyrex-

    glas, 1 atm N -Strom, 300°, (2-E/Z)-56 als Losung in CH3CN aufgespritzt);1) Pyrolyse (Quarz, 0.5 Torr N^Strom, 600°); m) Pyrolyse (Quarz, 0.2 Torr

    N -Strom', 530°, (2-E/Z)-62 mit Ph2C0 verrieben)

  • - 40 -

    Für die folgenden Experimente zur aldolisierenden Dime¬

    roidisierung obiger Imine wurden grössere Mengen an Iminen be¬

    nötigt, die deshalb auf einfachere (aber nicht rahmenvoraus-

    setzungs-konforme) Weise hergestellt werden mussten. Entweder

    durch Kochen in benzolischer Lösung am Wasserabscheider (60

    und 22' oder durch Rühren in Methylenchlorid über Molekular¬

    sieb 4 Ä [57] (5_2 und 21) wurden die N-( 3-Cyanpropyliden) -De¬

    rivate der den vier "Miller'sehen a-Aminosäuren" Glycin,

    Alanin, Asparagin und Glutamin entsprechenden Aminonitrile,

    ausgehend von 3-Cyan-propanal (X2) u°d den Aminonitrilen, dar¬

    gestellt.

    Bei der Suche nach praparativ befriedigenden Selbstkon-

    densations-Bedingungen für Cyanimine des Strukturtyps 22 erwies

    sich die Verwendung des ursprünglich von G. Ksander [4] bei der

    Kopf-Schwanz-Dimerisierung von APN X verwendeten Pyridonium-

    tosylats 22 als besonders erfolgreich. Erhitzen von N-(3-Cyan-

    propyliden)-glutaminsaure-dinitril (22) zusammen mit 5-10 mol-%

    2-Pyridonium-tosylat (32) ergab nach chromatographischer Aufar¬

    beitung N-(5-Cyan-2-cyanmethyl-2-pentenyliden)-glutaminsaure-

    dinitril ((2-E/Z)-5J>) in 68 % Ausbeute als (2-E/Z)-Gemisch.

    Während der Chromatographie bei Raumtemperatur (Kieselgel,

    CH_C1_/Ether 20:1) hydrolysierten die Imine des Strukturtyps

    56 jeweils zum Teil, durch Verwendung eisgekühlter Säulen konn¬

    te aber diese Hydrolyse verhindert werden. Durch Korrelieren

    der chemischen Verschiebungen der Aldimin-Protonen im H-NMR-

    Spektrum mit deren Signallagen in den beiden (2-E/Z(-isomeren

    N-(5-Cyan-2-cyanmethyl-2-pentenyliden)-glycin-nitrilen

    ((2-E/Z)-54) - wo sie mittels NOE-Experimenten zugeordnet wur¬

    den - schrieb man dem Hauptisomeren (ca. 85 %) die (2E)-Kon¬

    figuration zu (vgl. Tabelle 32).

    * Unter den "Miller'sehen Aminosäuren" versteht man hier die naturlichen

    Aminosäuren (Gly, Ala, Asp und Glu), die sich in betrachtlichen Mengenbei der Einwirkung von Energie auf Gemische von NH_, CH, und ahnliches

    bilden [58).

  • - 41 -

    Tabelle 32: chemische Verschiebung der Aldimin-Protonen in (ppm)

    (CDC1 )

    (2E)-Isomeres (2Z)-Isomeres

    H

    NC^^^V^N-^CNNC^

    (2-E/ZI 54

    *

    8.11*

    8.56

    NC-"

    H CN

    NC^C2 E/ZI-56

    8.16 8.61

    NC-"

    H CN

    x^AnA/cnNC

  • - 42 -

    307 m/e), UV- (X = 231 nm, E = 8.5 • 10 ), IR- und C-NMR-

    Spektren sowie eine Elementaranalyse bestätigt wurde. Das Te-

    trahydro-pyrimidin 66B ging beim Erhitzen unter Hochvakuum

    eine Retro-Diels-Alder-Reaktion ein, wobei ein 1:1-Gemisch des

    "Diens" (2-E/Z)-5_4 (2E/2Z 2 10) und des "Dienophils" 60 in 80 %

    Ausbeute abdestillierte. Das heisst, 1,2,3,4-Tetrahydro-pyri-

    midine dieses Strukturtyps lassen sich als Diels-Alder-Addukte

    der N-Alkyliden-aminonitrile an ihre N-(2-Alkenyliden)-Derivate

    auffassen (vgl. Schema 33). Analoge Verbindungen hatte P. Hess

    [27] aus Kondensationsexperimenten von N-Ethyliden-alanin-

    nitril (22) isoliert.

    Schema 33:

    NC

    NC

    CN

    N CN

    rNC

    60

    NC

    NC'

    N ^CN

    N CN

    NC

    66 B (+66 A)

    300°/HV (80'/.)

    NC'^Y^j/^CN

    ^^II 54 (2E/2Z ä10)

    Am Imin 20. untersuchte man den Einfluss möglichst rahmen-

    voraussetzungs-gerechter (vgl. Abschnitt 1) Katalysatorsysteme

    auf diese Kondensation (vgl. Tabelle 34). Als Base wurde 2-Py-

    ridon schliesslich durch 4-Amino-2-methyl-pyrimidin ersetzt,

    einem Kondensationsprodukt von Acetamidin und ß-Amino-propen-

    nitril (Xiang Yi-Bm [33]), und die p-Toluolsulfonsäure durch

    den schwach sauren Ton Montmorillonit. Beim Wechsel von THF auf

    Acetonitril zeigte sich, dass auch das Lösungsmittel einen star¬

    ken Einfluss auf die Produktzusammensetzung ausübt. Zusammen-

  • - 43 -

    fassend lässt sich feststellen, dass diese aldolartige Konden¬

    sation von N-Alkyliden-aminonitrilen zu N-Alkenyliden-Derivaten

    wohl eine recht allgemeine Reaktion dieser Stoffklasse darstellt.

    Tabelle 34; Kondensation von 22 zu (2-E/Z)-21 und 66A/B; 63 h

    bei 50° rühren

    Bedingungen ausbeuten

    Katalysator Losungsmittel (2-E/Z)-54 66A/B total

    Cl ptss THF 21 % 39 X 60 X

    CX ptss CH3CN 11 % 54 % 65 %

    NH,

    Ci ptss CH3CN 26 % 37 % 63 %

    NH,

    1) J Montmorillonit CH3CN 13 % < 2 X ca. 13 X+ 44 % 60

    pTSS = p-Toluolsulfonsaure

    Die N-(5-Cyan-2-cyanmethyl-2-pentenyliden)-aminonitrile

    lassen sich durch Um-iminierung ineinander überführen. In Ace-

    tonitril-Lösung tauschte (2E)-62^ seinen Asparaginsäure-dinitril-

    Rest sehr langsam gegen das in zehnfachem Ueberschuss vorlie¬

    gende Glycin-nitril (i2) aus. Durch Zugabe von Montmorillonit

    liess sich die Reaktion beschleunigen; nach 95 h Rühren bei

    Raumtemperatur konnten 42 % (2-E/Z)-5_4 und noch 22 % Edukt iso¬

    liert werden. 2-Pyridonium-tosylat (22) ln THF katalysierte die

    Um-iminierung sehr effektiv - so wurde (2-E/Z)-5_6 mittels zehn

    Aequivalenten Glycin-nitril (X2.) innert weniger Stunden in 68 %

    Ausbeute zu (2-E/Z)~21 umgesetzt.

  • - 44 -

    Mittels NOE-Experimenten (vgl. Abb. 35) bestimmte man die

    relative Anordnung der Substituenten an der C-C-Doppelbindung

    der beiden als Gemisch vorliegenden isomeren N-(5-Cyan-2-cyan-

    methyl-2-pentenyliden)-glycin-nitrile ((2-E/Z)-21)• Beim Ein¬

    strahlen mit der Resonanzfrequenz der Protonen der 2-Cyanmethyl-

    gruppe des Hauptisomeren (3.51 ppm) traten starke Effekte bei

    2.75-2.87 ppm (m, H..C(4)) auf, während kein Einfluss aufs Tri-

    plett bei 6.33 ppm (HC(3)) zu erkennen war - das heisst, das

    Hauptisomere weist (2E)-Konfiguration auf. Die beobachteten

    schwachen NOE's aufs Aldimin-Proton (8.11 ppm) deuten an, dass

    Abb. 35: NOE-Experiment an (2-E/Z)-21 (CDC13, 300 MHz)

    u

    ^V^j^^'W^V'iivW^'J^w.^1*^«.'^^ i^ff^«*vt,Vtf^>*lV-*W.V''H,iV(

  • - 45 -

    (2E)-5_X teilweise in cisoider Konformation vorlag. Im weiteren

    gab ein sehr schwacher NOE zu einem Singulett bei 4.60 ppm

    (H_C im Glycm-nitril-Rest) Anlass, was nicht im Widerspruch

    zu obigem Schluss steht. Anregung der entsprechenden Protonen

    des Nebenisomeren führte zu starken NOE's bei 6.43 ppm (t,

    HC(3)) und kaum einem Effekt (schwacher Effekt durch gleich¬

    zeitige, schwache Anregung des Hauptisomeren im Gemisch) bei

    2.75-2.87 ppm (H-C(4)) - das Nebenisomere weist demzufolge

    (2Z)-Konfiguration auf. Wie beim Hauptisomeren oben traten auch

    hier wieder schwache Effekte aufs Aldimin-Proton (teilweise

    S-cis-Konfiguration) auf.

    Sowohl beim Um-iminieren mittels Montmorillonit als auch

    photochemisch lässt sich die C-C-Doppelbindung isomerisieren.

    So isolierte man aus einem Um-iminierungs-Experiment, bei dem

    reines (2E)-62. eingesetzt wurde, ein Gemisch der Isomeren

    (2E)-2X und (2Z)~21 im Verhältnis 5:1. Beim Beleuchten einer

    mit Benzophenon (0.5 eq) sensibilisierten 0.1 M Lösung von

    (2-E/Z)-21 (E/Z = 6:1) in Acetonitril-d mittels Quecksilber-1

    Mitteldrucklampe resultierte gemäss H-NMR-Spektrum nach 18 h

    ein Isomerenverhältnis von 4:9 (wobei noch ca. 60 % des einge¬

    setzten (2-E/Z)-21 intakt waren). Beim längeren Beleuchten,

    während dem sich das Imin (2-E/Z)-5_l laufend zersetzte, blieb

    das Isomerenverhältnis konstant.

    Anhand von H/D-Austauschexperimenten wurde die relative

    kinetische Azidität der Protonen von (2-E/Z)-21 durch Vergleich

    der relativen Austauschgeschwindigkeiten in schwach basischem

    Milieu (1,4-Diaza-bicyclo[2.2.2Joctan (DBO) als Base) bestimmt

    (vgl. Schema 36). In einer Acetonitril-d,-Lösung von (2-E/Z)-54

    die ein Aequivalent Base und grossen Ueberschuss an D90 (10 eq)

    aufwies, tauschten 82 % der Methylen-Protonen im Glycin-mtril-

    Rest aus, während nur 6 % derjenigen des 2-Cyanmethyl-Rests

    durch D ersetzt wurden (87 % des eingesetzten Imins isoliert).

    In einem zweiten Experiment in Methanol-d. als Lösungsmittel

    mit zwei Aequivalenten Base tauschten 90 % der Protonen im Gly-

    cin-nitril- und 73 % im 2-Cyanmethyl-Rest gegen Deuterium aus

    (94 % des eingesetzten Imins isoliert). Innerhalb der Genauig-

  • - 46 -

    keit des H-NMR-Integrals liess sich weder beim ersten noch

    beim zweiten Experiment ein Austausch der Protonen am H C(4)

    (3-Stellung zur Iminogruppe) feststellen.

    Analoge Austauschexperimente führte man auch am Imin 22

    durch: Unter milden Bedingungen (DBO, DO, CD CN) tauschten

    die Protonen im Glycin-nitril-Rest zu 23 % aus, während be¬

    reits 33-57 % der H-Atome des C(2)-Zentrums durch D ersetzt

    wurden. Unter drastischeren Bedingungen (DBO, CD,OD) addierte

    das Imin 22 Methanol-d..

    Schema 36:

    U2V.)

    q o(90V.I

    0 0y V'^CN -—1 NCXN-^^V^*N-^S'r.M - •.„-^^"'^^u^N

    NC'

    (2-E/ZI-54NC^\D(73V.I

    (23V.)

    DD

    ^

    0C03

    NC^>^N^CN —^ NC^^^N^CN.

    NC^^N^CND 0

    (0 «•/>

    a) 1 eq DBO, D?0, CD3CN; b) 2 eq DBO, CD30D; c) 1 eq DBO, CD?OD

    Abschliessend lässt sich festhalten, dass die Methylen-

    Protonen im Glycin-nitril-Rest sowohl beim Imin 22 wle

    (2-E/Z)-5j4 unter schwach basischen Bedingungen (selektiv)

    austauschbar sind, dass aber diese bezüglich den restlichen

    Protonen im Molekül besondere Azidität beim Imin (2-E/Z)-54

    viel ausgeprägter ist.

  • - 47 -

    3.2 Eine neue Pyrrol-Synthese

    3.2.1 Mechanistische Aspekte

    Der entscheidende Schritt der pyrolytischen Cyclisierung

    von N-(2-Alkenyliden)-aminonitrilen zu Pyrrolen ist die Abspal¬

    tung des a-H-Atoms des Aminonitril-Rests. Formulieren lassen

    sich als denkbare Zwischenstufen - je nach Zeitpunkt der Cya-

    nid-Elimmation - zwitterionische Tautomere, mit dem relativ

    zum Imin besseren Akzeptor Immonium, oder aber durch a-HCN-

    Elimination entstandene Imino-carbene (vgl. Schema 37).

    Schema 37:

    Solche Zwischenstufen sind im Prinzip bekannt: Bei Reak¬

    tionen an Immen postulierten verschiedene Autoren zwitter-

    lomsche Intermediate (vgl. Schema 38), während Imino-carbene

    als photochemische Ringöffnungsprodukte von 1-Azirinen formu¬

    liert wurden (vgl. Schema 39).

    Die ersteren betreffend, berichteten R. Grigg und J. Kemp

    [59] 1977 über N-Arylmethyliden-a-ammocarbonsäureester 2Z und

    ihre Addukte an Dipolarophile, als Zwischenstufen dieser Reak¬

    tion formulierten sie später [60] 1,3-dipolare Tautomere von

    67. Diese thermisch aus Immen mit CH-aziden Wasserstoff-Atomen

    erzeugbaren 1,3-dipolaren Tautomeren stellen wertvolle Baustei-

  • - 48 -

    ne zur Sythese hochsubstituierter Heterocyclen dar. O. Tsuge

    und Mitarbeiter [62] zeigten, dass auch Imine von a-Cyan-ami-

    nen via deren zwitterionische Tautomeren, den Azamethin-yliden

    68, mit olefinischen Dipolarophilen funfgliedrige Heterocyclen

    bilden. Basisch induzierte Cyclisation von 22 führte zum ent¬

    sprechenden Indol-Derivat 72 [63], wobei vermutlich als Zwi¬

    schenstufe das Anion 7J) auftrat, das nach erfolgtem elektro-

    cyclischem Ringschluss Ethanolat eliminierte und dadurch "aro¬

    matisierte". W. N. Speckamp und Mitarbeiter [64] beschrieben

    eine analoge Cyclisation, bei der sich als Zwischenstufe das

    Zwitterion 22 - eine 1,5-dipolare Spezies - bei Raumtemperatur

    bildete; im Cyan-essigsäureester-Derivat Xi. war das a-Proton

    offenbar genügend azid, um durch den Imin-Stickstoff abgespal¬

    ten zu werden. Solche Cyclisationen laufen auch in saurem Me¬

    dium ab - so cyclisierte das Imin l_i autokatalytisch bei Raum¬

    temperatur zum Indolin 22 [65]. R. Grigg und Mitarbeiter [66]

    dehnten ihre mechanistischen Untersuchungen 1,3-dipolarer Sy-

    Schema 38: 1,3-dipolare Spezies als Tautomere von Iminen

    X = C0„Me:

    T-h

    N*^n

    Ar-^Ü^X

    9

    N^^OEI

    1=2

    NO,

    [59-61]

    X = CN: [62]

    [63]

    N'-'^Ph

    72

    COOH

    Ar ^N-' ^COOM»

    COOEI

    CN

    H

    73

    M^A,

    ~ » JeAr^ NT XOOM«

    ax'7

    [64]

    [65]

    [67]

  • - 49 -

    steme auf 1,5-dipolare aus. Dabei fanden sie, dass von den

    beiden möglichen vinylsubstituierten Iminen (Vinylsubstituent

    entweder am Imin-Kohlenstoff oder in a-Stellung zum Stickstoff

    am Glycin-Rest), die zu 1,5-dipolaren Spezies führen, nur das

    Imin 2^. cyc'lisierte [67].

    Zu Imin-Stickstoffatomen a-ständige Carbene, gebildet

    durch photolytische Spaltung der C-C-Bindung von 3-Allyl-1-

    azirinen, wurden von A. Padwa et al. [68] formuliert; die bei¬

    den angeführten Carbene 11_ und 22 cyclisierten über Sechsring¬

    dipole als Zwischenstufen zum gleichen Azabicyclof3.1.0Jhexen

    78 (vgl. Schema 39). Solch resonanzstabilisierte Carbene lassen

    sich auch als zwitterionische oder diradikalische Grenzstruk¬

    turen formulieren - so schrieben H. Schmid und Mitarbeiter [69]

    Partikeln, wie sie obige Carbene darstellen, partiell zwitter¬

    ionischen, partiell diradikalischen Charakter zu.

    Schema 39: Imino-carbene als Zwischenstufen bei der photo¬

    chemischen Ringöffnung von 1-Azirinen (A. Padwa

    et al. [68])

    H,C

    h*

    H2C^J77

    Ph.^^N^/Me

    79

  • - 50 -

    3.2.2 Pyrolyseexperimente zur Darstellung von Pyrrolen

    Analog zu Experimenten, wie sie H.-P. Buser [53] durch¬

    führte (vgl. Schema 28), wurden die Imine (2-E/Z)-56 und

    (2-E/Z)-5_X (vgl. Schema 31) zuerst bei schwachem Stickstoff¬

    strom unter Normaldruck auf eine mit Pyrex-Splittern gefüllte

    vertikale Säule von 300 bis 450° als Lösung in Acetonitril

    aufgespritzt und die Pyrolysate am Säulenende mittels Kühlfalle

    bei -78° ausgefroren. All diesen Versuchen gemeinsam war, dass

    grosse Mengen der eingespritzten Imine auf dem heissen Packungs¬

    material verkohlten, bevor sie verdampfen konnten, was die Aus¬

    beute an aufgefangenen Pyrolyse-Produkten sehr gering werden

    liess. Ausserdem kondensierten Pyrolyse-Produkte bereits am

    kühleren Rohrende und zersetzten sich dort teilweise auf der

    warmen Glasoberfläche, bevor sie nach der Pyrolyse mit etwas

    Acetonitril ausgewaschen werden konnten. Als Nachweismethode

    für Pyrrole anerbot sich die Dünnschichtchromatographie, da

    sich bereits Spuren von Pyrrolen mit dem sehr empfindlichen

    Ehrlich-Reagenz zu rosaroten Flecken anfärben lassen. So konn¬

    te im DC (Ether/Methylenchlorid 1:1) des Pyrolysates vom Imin

    (2-E/Z)-56 nach Anfärbung mit Ehrlich-Reagenz ein rosafarbener

    Fleck vom Rf-Wert 0.27 (vgl. Rf(X2) = 0.58) erkannt werden,

    dem entsprechenden Pyrrol kommt vermutlich die Struktur 6_2 zu

    (siehe Schema 31). Da es sich gemäss DC um sehr wenig Produkt

    handeln musste und das primäre Interesse dem "pseudo-Porpho¬

    bilinogen" X2 galt, wurde die Natur dieses Pyrolyseproduktes

    nicht weiter abgeklärt.

    Das gleiche Pyrolyseverfahren (Pyrexglas, 350°, (2-E/Z)-54

    als 1 %-ige Lösung in CH,CN aufgespritzt) aufs Imin (2-E/Z)-54

    angewandt, ergab gemäss DC im wesentlichen zwei durch Ehrlich-

    Reagenz anfärbbare Produkte, wovon das mit dem grösseren Rf-Wert (gleiches System wie oben) dem Pyrrol X2 entsprach. Durch

    zweifaches Chromatographieren an Kieselgel erhielt man das Pyr¬

    rol Xi in 1 % Ausbeute. Identifiziert wurde es durch Verglei¬

    chen seines H-NMR- und Massenspektrums mit denjenigen von au¬

    thentischem Material (R. Lattmann [52]). Das polarere Material,

    von dem ungefähr gleich viel wie von !_9 isoliert werden konnte,

  • - 51 -

    erwies sich im H-NMR-Spektrum als komplexes Gemisch und wur¬

    de deshalb nicht näher untersucht.

    M. Karpf und A. S. Dreiding [70] verwendeten für Gaspha-

    senthermolysen ein verbessertes System, wobei die Substanz

    aus einer offenen Ampulle ("Schiffchen") bei vermindertem

    Druck verdampft und durch schwachen Stickstoffstrom durch ein

    mit Quarzringen gefülltes horizontales Rohr in einem beidsei¬

    tig offenen Ofen geleitet und am Ende mittels flüssigem Stick¬

    stoff ausgefroren wurde. In verdankenswerter Weise führte uns

    M. Karpf nicht nur in die verbesserte Flash-Pyrolyse-Technik

    ein, sondern ermöglichte uns auch, Pyrolyseversuche an seiner

    Apparatur durchzuführen.

    Tabelle 40: Pyrolyse von (2-E/Z)-5_4 am Quarzrohr, 0.2-0.3 Torr

    Pyrolyse TemperaturAusbeute an

    bzgl. Einwaage

    Pyrrol 49

    bzgl. verdampftem Material

    x 500° nicht wagbar nicht wagbar

    2 550° 6 % 13 %

    2 600° 15 % 24 %

    x 650° 15 % 23 X

    2 700° 8 % 12 %

    6 750° 8 % 11 %

    1_ 800° 5 % 7 %

    Bei Vorversuchen zur Pyrolyse von (2-E/Z)-21 zeigte sich

    bald, dass für dieses Problem die von M. Karpf angewandte Tech¬

    nik unserer bisherigen weit überlegen war (vgl. Tabelle 40).

    Bei Pyrolysen zwischen 600 und 650° liess sich das Pyrrol X2

    in 15 % Ausbeute chromatographisch isolieren, oberhalb und

    unterhalb dieses Temperaturbereichs sanken die Ausbeuten wie¬

    der. Die geringe Flüchtigkeit von (2-E/Z)-5_X bewirkte, dass

    jeweils erhebliche Mengen des Edukts bereits im Schiffchen, in

    dem es zur Verdampfung in die warme Zone des Pyrolyserohres

    eingeführt wurde, verkohlten. Berechnet man die Ausbeute der

    Pyrolyse bezüglich des verdampften Materials, so ergaben sich

  • - 52 -

    maximale Ausbeuten an X2 von 24 %. Bei den Experimenten war

    darauf zu achten, dass die Uebergangszone am Rohrende von heiss

    (Ofen) nach kalt (Kühlfalle) möglichst kurz gehalten wurde,

    ansonsten Pyrolysat bereits vor der Kühlfalle kondensierte und

    sich infolge der dortigen erhöhten Temperatur zersetzte. Als

    sehr geeignet erwies sich daher bei späteren Versuchen ein Sy¬

    stem, bei dem Rohrende und Aussenwand des Kühlers mittels

    Heizband auf ca. 200° erhitzt werden konnte, so dass die Pyro¬

    lysate erst am inneren, mit Wasser gekühlten Finger konden¬

    sierten und in die mit flüssigem Stickstoff gekühlte Zone ab¬

    tropften (vgl. Abb. 60 im exp. Teil). Das chromatographierte

    und kristallisierte Pyrolyse-Produkt 12 stimmte im Schmelz¬

    punkt sowie in den IR-, H-NMR-, C-NMR- und Massenspektren

    mit von R. Lattmann [52] synthetisiertem 3-Cyanethyl-3'-cyan-

    methyl-pyrrol (iS) überein.

    Bei der Pyrolyse des noch schwerer flüchtigen Imins

    (2-E/Z)-62 wurde mit Erfolg Benzophenon als Schlepper zuge¬

    setzt (siehe unten). Da uns inzwischen eine eigene Pyrolyse¬

    apparatur (Rohrabmessungen gegenüber derjenigen von M. Karpf

    etwas geändert) zur Verfügung stand, versuchte man, die Aus¬

    beute an 12 aus den obigen Experimenten erstens zu reprodu¬

    zieren und zweitens durch Zusatz von Benzophenon eventuell

    noch zu steigern. Mittels Gaschromatographie (Eicosan als in¬

    ternem Standard) liessen sich die Pyrrolgehalte der Pyrolysate

    rasch bestimmen: So ergab die Pyrolyse ohne Benzophenon bei

    600° 15 % X2 bezüglich eingesetztem Material, während sich die

    Ausbeute mit Schlepper minim auf 18 % erhöhte. Aus der Beo¬

    bachtung heraus, dass bei der Retro-Diels-Alder-Reaktion des

    Tetrahydropyrimidins 66A/B (vgl. Schema 33) die Spaltprodukte

    (im besonderen das Edukt für die Pyrrolsynthese, das Imin

    (2-E/Z)-5_X) in 80 % Ausbeute unzersetzt abdestillierten, erhob

    sich die Frage, ob dies nicht die Lösung für das Problem der

    ungenügenden Verdampfbarkeit des Imins (2-E/Z)-5_l bei der Py¬

    rolyse zum "pseudo-Porphobilinogen" 12 darstelle. Im folgenden

    untersuchte W. Bender deshalb das Verhalten von 66A/B unter

    entsprechenden pyrolytischen Bedingungen (Quarz-Füllkörper,

    0.2 Torr, 550-650°). Dabei ergab sich als Resultat tatsächlich

  • - 53 -

    eine beträchtliche Steigerung der Ausbeute an Pyrrol X2 (bis

    32 % bezüglich eingesetztem 66A/B; H-NMR-spektroskopisch be¬

    stimmt). Das bei der Retro-Diels-Alder-Reaktion aus 66A/B frei¬

    gesetzte "Dienophil" N-(3-Cyan-propyliden)-glycin-nitril (60)

    ergibt unter diesen Reaktionsbedingungen unter anderem Bern-

    steinsäure-dinitril (20) (siehe unten). Leider führte dies zu

    unerwarteten präparativen Schwierigkeiten, da sich 22 chroma¬

    tographisch oder durch Flüssigverteilung nur unter grossem Auf¬

    wand vollständig vom "pseudo-Porphobilinogen" A9^ abtrennen

    liess. Dieser Weg ist deshalb praparativ nicht brauchbar -

    obigem Resultat kommt daher nur die Bedeutung einer weiteren

    Bildungsweise für X2 zu-

    Da Pyrolysen an Säulen, die als Füllmaterial zusätzlich

    zu Quarzringen noch Molekularsieb enthalten, sehr unterschied¬

    liche Reaktionsmuster zeigen (vgl. unten: Pyrolyse von 62 zu

    Pyrrol), thermolysierte man auch das Imin (2-E/Z)-21 auf diese

    Art, konnte aber im Pyrolysat nur Spuren von Pyrrol £9 erken¬

    nen. Pyrolysierte man £9 selbst unter diesen Bedingungen (500°,

    Mol'sieb 3 Ä/Quarzringe, 0.2 Torr), so liessen sich im Pyroly¬

    sat mittels Komplexierung an Aquocyanocobester-perchlorat 21

    0.56 Aequivalente HCN (bezüglich eingesetztem Pyrrol X2) nach¬

    weisen. Offensichtlich bildet Molekularsieb als Pyrolyserohr-

    Füllkörper ein potentes System, um Cyanwasserstoff abzuspalten.

    Zur Zeit sind in unserem Laboratorium diesbezüglich verschie¬

    denste Untersuchungen im Gange (Xiang Yi-Bin [33], Ch. Lehmann

    [71], U. Kämpfen [72]). Abgesehen von vielen interessanten

    Zwischenstufen, die sich durch HCN-Elimination aus Aminonitri-

    len darstellen lassen (so ist APN X prinzipiell ein HCN-Elimi¬

    nationsprodukt des Asparaginsäure-dinitrils (2_6) ) , bilden

    Vinylgruppen, die als HCN-Eliminationsprodukte von Propioni-

    tril-Seitenketten aufgefasst werden können, ein bedeutendes

    Strukturelement in vielen natürlichen tetrapyrrolischen Ring¬

    systemen.

    Zum Zeitpunkt, als obenstehende Pyrolysen durchgeführt

    wurden, stellte sich die Frage nach einer rahmenvoraussetzungs-

    gerechten Herkunft der Methylengruppen in den Uroporphyrinogen-

    octanitrilen. Eine mögliche Antwort darauf bot die Pyrolyse des

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    Asparaginsäure-dinitril-Imins (2-E/Z)-22 (vgl. Schema 31), die

    das 2-cyanmethyl-substituierte Pyrrol 21 als geeigneten Uro-

    porphy