bdew-magazin "streitfragen" - 1/2015

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Juni 2015 Das Magazin der Energie- und Wasserwirtschaft Streit - - fragen Jetzt neu! Kleinteiliger, grüner, dezentraler: Die Energiebranche ist im Umbruch. Der Kunde wird zum Prosumer, der Konsument zum Wertschöpfer – und Partner. Neue Aussichten KWK Unternehmen setzen weiterhin auf die effiziente Technologie Abwasser Brauchen wir die 4. Reinigungsstufe?

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Aktuell bekommt die Energiewende vor allem durch die Themen „Prosumer Driven Change“ und Digitalisierung eine bislang unbekannte Dynamik.

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Page 1: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

Juni 2015

Das Magazin der Energie- und WasserwirtschaftStreit--

fragen Jetzt neu!

Kleinteiliger, grüner, dezentraler: Die Energiebranche ist im Umbruch. Der Kunde wird zum Prosumer, der Konsument zum Wertschöpfer –

und Partner.

Neue Aussichten

KWK

Unternehmen setzen weiterhin auf die effiziente Technologie

Abwasser

Brauchen wir die 4. Reinigungsstufe?

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»Der prozentuale Anteil der Netzbetreiber, die vom vereinfachten Verfahren Gebrauch machen, [ist] mit ca. 80 Prozent spartenübergreifend sehr hoch und stößt auch bei der Europäischen Kommission auf rechtliche Bedenken. Es wird daher eine Absenkung der bestehenden Schwellenwerte auf 7.500 angeschlossene Kunden für Gasnetzbetreiber und 15.000 angeschlossene Kunden für Stromnetzbetreiber geprüft.« Eckpunktepapier des Bundeswirtschaftsministeriums zur Novellierung der Anreizregulierung, 16.3.2015

2 STREITFRAGEN — Juni 2015

THEMA • INTRO

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»Die konkrete Ausgestaltung der Anreizmechanismen fällt im Prinzip in den Verantwortungsbereich der Mitgliedstaaten.

INTRO Streitpunkt Energie

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Brief von Cristina Lobillo Borrero an Hildegard Müller im Namen von Miguel Arias Cañete, EU-Kommissar für Klimaschutz und Energie, 30.4.2015

Die Europäische Kommission hat bislangkeine formalen Bedenken bzgl. der Rechtmäßigkeit derbestehenden Schwellen-werte geäußert.«

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INTRO • THEMA

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Lautlose Angriffe aus dem NetzSeit Stuxnet das iranische Atomprogramm um Jahre zu-rückgeworfen hat, ist klar: Hacker können physischen Schaden anrichten, Stromnetze zusammenbrechen las-sen oder Verkehrsstaus provozieren. Dies kann groß�ä-chig und Chaos auslösend passieren oder, subtiler, als im-mer wieder au�retende kleine Störungen. Niemand würde ein Hacking vermuten. Dennoch kann eine Firma oder eine ganze Volkswirtscha� nachhaltig geschädigt werden.

IT-Systeme sind irrsinnig komplex und die Gegner ra�-niert. Klassisches Hacking war gestern, Social Engineering ist heute. Denn: Auch das beste Sicherheitssystem schützt nicht vor der Gefahrenquelle Mensch. Hierbei werden Per-sonen zum Beispiel bei Energieerzeugern oder Netzbetrei-bern gezielt ausgespäht, ohne dass sie es merken. Sie erhalten maßgeschneiderte E-Mails, deren Anhänge sie unacht-sam ö�nen. Hat sich die dahintersteckende Schadso�-ware installiert, werden Daten und Passwörter gestohlen. Von diesem Computer aus kann man das Vertrauen weite-rer Mitarbeiter gezielt missbrauchen, bis man genug Mate-rial für den wirklichen Angri� hat. Das Cabernak-Schad-programm funktionierte so, mit dem der bis heute größte Bankraub aller Zeiten statt�nden konnte. Dabei sind die Cyberkriminellen unter anderem direkt in das Herz der Buchhaltungssysteme der Geldinstitute eingedrungen, um Kontensaldi zu erhöhen und im Anschluss die überschüs-sigen Geldmittel durch eine Überweisung zu entwenden.

Eins ist klar: Im Zuge zunehmender Vernetzung wird die Be-drohung durch Cyberkriminalität insgesamt anwachsen. Die G7-Staaten haben daher beschlossen, gemeinsam den Schutz der Infrastrukturen zu verbessern, denn die Kra�werke und Stromnetze der Zukun� werden von Computern gesteuert.

Wir werden Angri�e nicht immer verhindern können. Ich empfehle daher, zusätzlich systemisch zu denken. Das Smart Grid muss robust funktionieren, selbst wenn Teile korrum-piert sind. Große Netze sollten etwa in Micro Grids zerglie-dert sein, sodass mit einer Netztrennung gezielt auf An-gri�e reagiert werden kann, ohne dass sie sich ausweiten.

JÖRN MÜLLER-QUADE, Professor für Kryptographie und IT-Sicherheit am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

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� Mehr zum Thema auf streitfragen.de/impulseund im Heft auf Seite 18

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

die politischen und regulatorischen Entscheidungen auf nationaler und europäischer Ebene prägen nach wie vor die Rahmenbedingungen der Energie- und Wasserwirtscha� . Der BDEW begleitet diese weiter konstruktiv und wenn nötig auch kritisch. Zuletzt haben uns einige Überlegungen der Politik das Leben nicht gerade leicht gemacht.

Doch zunehmend hat die Energiewende noch eine andere Dynamik bekommen, weit jenseits der politischen Entscheidungen. Die neuen, schon heute spürbaren marktumwälzenden Triebfedern für unsere Branchen lauten Dezentralisierung, Digitalisierung und „Prosumer driven change“. Die Diskussion um die Geschä� swelt von morgen hat längst begonnen. Wie können die Unternehmen auf diesen Wandel reagieren? Wie neue Geschä� smodelle entwickeln?

Mit unseren neu konzipierten Streitfragen möchten wir Ihnen neue Denkanstöße zu diesen Fragen geben. Mit originellen Formaten, detailreichen Gra� ken und interessanten Protagonisten versteht sich Streitfragen als Impulsgeber. Lassen Sie uns gemeinsam den Blick nach vorne wagen und kommen Sie mit uns ins Gespräch – beispielsweise über unsere neue Website. Mit www.streitfragen.de haben wir eine Plattform gescha� en, auf der die aktuellen Diskussionen und Magazinthemen o� en, kritisch und fair in Echtzeit weitergeführt werden können. Daneben wird die Printausgabe kün� ig dreimal jährlich erscheinen.

Wie Sie sehen, werde ich übrigens in Zukun� den ersten Platz im Magazin – wie in dieser Ausgabe Herrn Prof. Müller-Quade – Ihnen überlassen. � ematisieren Sie an dieser Stelle die Fragen und Probleme, die Sie beschä� igen und über die überhaupt oder mehr diskutiert werden sollte. Egal, wie groß Ihr Unternehmen ist, egal, was Sie bewegt, geben Sie allen einen Anstoß.

Viel Freude mit den neuen Streitfragen,Hildegard Müller

Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung und Mitglied des Präsidiums des BDEW

HIER KÖNNEN SIE EINEN ANSTOSS GEBEN!

AUFRUF • ANSTOSS

Einfach eine E-Mail an: [email protected] drängeln.

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SCHWEIZ32.439 | 28.116 | 4.323

NIEDERLANDE17.899 | 32.853 | -14.954

BELGIEN4.190 | 21.698 | -17.508

GROSSBRITANNIEN3.704 | 23.169 | -19.465

DÄNEMARK9.801 | 12.785 | -2.984

SCHWEDEN32.513 | 16.148 | 16.365

FINNLAND3.858 | 21.966 | -18.108

ESTLAND6.530 | 3.712 | 2.818

LETTLAND3.023 | 5.338 | -2.315

LITAUEN897 | 8.520 | -7.623

IRLAND672 | 2.813 | -2.141

ÖSTERREICH18.791 | 28.044 | -9.253

DEUTSCHLAND74.591 | 38.893 | 35.698

ITALIEN3.008 | 46.756 | -43.748

FRANKREICH73.575 | 7.799 | 65.776

SPANIEN15.481 | 12.308 | 3.173

LUXEMBURG

DEUTSCHLAND

FRANKREICH

BELGIEN

2.051 | 6.974 | -4.923

PORTUGAL6.343 | 7.247 | -904

KROATIEN32.439 | 28.116 | 4.323

GRIECHENLAND684 | 9.565 | -8.881

RUMÄNIEN8.493 | 1.363 | 7.130

BULGARIEN13.774 | 4.323 | 9.451

UNGARN5.695 | 19.083 | -13.388

SLOWAKEI11.861 | 12.964 | -1.103

TSCHECHIEN32.439 | 28.116 | 4.323

POLEN11.341 | 13.509 | -2.168

SLOWENIEN9.962 | 7.249 | 2.713

Expertenvonmorgen. 42

Streit—fragenJuni 2015

SCHLAGZEILEN: 50 STREITFRAGEN DIGITAL: 52TERMINE/IMPRESSUM: 53OUTRO: 54

INTRO: 2ANSTOSS: 4ZAHLEN: 16EIN THEMA, ZWEI MEINUNGEN: 40

Alles im Fluss Wie viel Strom von einem ins andere EU-Land fließt – und zurück. 24

»Prosumer driven change«

Wer zu spät kommt, wird überholt.

Der Konsument von früher wird zum Produzenten. Viele Branchen reagieren darauf mit neuen Geschäftsmodellen.

»Hartz IV für Kraftwerke«: ein Mythencheck.

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Die Zukunft ist elektrisch!Was passiert eigentlich, wenn der Akku im Auto für 3.000 Kilometer reicht – ein Szenario. 36 Fo

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»Hartz IV für Kraftwerke«: ein Mythencheck.

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Das EEGSolarmodule und Windräder sind inzwischen Normalität. Doch wie begann die Erfolgsgeschichte der grünen Energie und wie erneuerbar wird die Zukunft? Eine Zeitreise. 44

Spielen wir!Wie steht es um Ihr Kraftwerk – müssten Sie den Klimabeitrag zahlen oder nicht? Finden Sie es heraus.Aber denken Sie daran: Ist alles nur ein Spiel. 48� K O N T E R

Abwasser: Klärstufe Nummer 4Wie muss der Gewässerschutz verbessert werden?UBA versus Wasserwirtschaft. 30

Die GenügsamenZwei Unternehmen setzen auf Kraft-Wärme-Kopplung. So wollen sie die Energieversorgung der Zukunft sichern – flexibel, umweltschonend und effektiv. 34

18Digitalisierung

Hinkt die Branche hinterher?

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Klimabeitrag:

ZahlenJetzt!

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... schließt er sich mit anderen zusammen.

Jeder macht Seins und dann

ie Energiewirtschaft erlebt derzeit einen historischen Umbruch. In seiner Tragweite kommt der radikale Schnitt, den viele Un-ternehmen erleben, der industriellen Re-volution des 19. Jahrhunderts gleich. Wäh-rend jahrzehntelang die Gesetzmäßigkeit,

die Gewissheit galt, dass Strom zentral in großen kon-ventionellen Kraftwerken erzeugt wird, ist heute klar: Die ehemaligen treuen Kunden und Strom abnehmer werden selbstbewusst, nehmen ihre Energieversorgung selbst in die Hand und machen sie zu ihrer eigenen Sa-che: kleinteilig, grün, dezentral. Der Kunde wird zum Prosumer, der Konsument von früher wird zum Wert-schöpfer. Überall entstehen neue Geschäftsmodelle und smarte, IT-getriebene Unternehmen drängen auf der Überholspur in den Markt. Die folgenden Beispiele aus anderen Branchen zeigen, was der „Prosumer driven change“ bedeuten kann. Für die Energiewirtschaft gilt wie für alle anderen Branchen: Wer zu spät kommt, hat das Nachsehen. Eine Anregung.

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Page 9: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

STÖR-FAKTOR

Innovative Lösungen:

Immer mehr Bürger wollen sich selbst m

it

Strom und Wärme versorgen und bereiten

so neuen Akteuren und Geschäftsideen

den Boden. Beispielsweise verbindet

die Firma Cloud&Heat aus Dresden den

klassischen Heizungsmarkt mit dem

stark expandierenden Cloud-Markt. Die

Geschäftsidee: Die Firma stellt dezen-

trale Server in Privathäusern unter.

Beim Rechenprozess erzeugen die Server

Wärme, durch die das Haus beheizt und

das Trinkwasser erwärmt wird. Der

Server dient als eigenes kleines privates

Wärmekraftwerk.

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»Es geht nicht mehr so sehr um Besitz, sondern mehr um den Zugang zu außergewöhnlichen Erlebnissen.«Gunnar Froh, Geschäftsführer Deutschland von Airbnb

Privat übernachten: Gemeinsam mit anderen im Hotel? Muss nicht sein, lieber kostengünstiger und mittendrin im Leben: Immer mehr Menschen vermieten ihre Wohnungen über Airbnb für einige Tage und immer mehr Touristen nutzen das. Längst ist das Social Travelling eine neue, wirkungsmächtige Konkurrenz für die Hotelketten, wobei Airbnb als Online-Plattform ledig-lich den Kontakt zwischen Gastgeber und Gast herstellt und ausschließlich für die Abwicklung der Buchung verantwort-lich ist – mit dem alteingesessenen Gastgewerbe hat dieses Modell fast gar nichts mehr zu tun. Doch der schnelle Erfolg zieht auch Verantwortung nach sich: Schon denken EU- und auch US-Behörden darüber nach, wie die Sharing Economy reguliert werden könnte.

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»Alles wird frisch verpackt und bis an die Wohnungstür gebracht. Wir beliefern pro Woche bis zu 1.800 Kunden. Und es werden immer mehr.«

Franziska Rutscher, Pressesprecherin Ökodorf Brodowin

Direkt vom Erzeuger: Entworfen als Gegenmodell zur anonymen Massen-produktion der industrialisierten Landwirtschaft, ist die Bio-Kiste ein System des Direktvertriebs von regionalen und saisonalen Lebensmitteln aus der ökologischen Landwirtschaft. Doch längst hat sich aus der Idee, Obst und Gemüse aus der Region vom Feld direkt zum Verbraucher zu bringen, ein boomendes Internetgeschäft entwickelt.

Unzählige Anbieter tummeln sich auf diesem Markt, die Kommerzialisierung findet längst statt. Untrüg-liches Zeichen: Erst kürzlich ist der kapitalstarke Start-up-Inkubator Rocket Internet ins Geschäft ein-gestiegen und hat den Online-Lieferdienst Bonativo ins Leben gerufen. Aus den Bio-Bauern von nebenan sind Versandprofis geworden. Die Bio-Romantik von einst ist zum Bio-Kapitalismus geworden. Fo

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Egbert Hünewaldt, Geschäftsleitung Deutschland von Oneplanetcrowd

»Der Crowdfunding-Markt wird enorm wachsen und sich in Segmente aufteilen.«

Kapital vom Nachbarn – jeder kann zum Geldgeber werden: Beim Crowdfunding überzeugt man durch eine vielversprechende Geschäftsidee möglichst zahlreiche Kleinstanleger von seiner Sache, statt ein, zwei Großinvestoren zu gewinnen. Dafür werden die Geldgeber mit einer Gegenleistung belohnt. Crowdfunding wird auch zum Modell der Energiewende, denn grüne Investments sind beliebter denn je. Neue Crowdfunding- Plattformen ermöglichen es jedem Bürger, schon mit wenig Geld in grüne Technologien zu inves-tieren. So hat beispielsweise die Plattform Crowd Energy die alte Idee der Energiegenos-senschaft ins Internet verlagert und sie um die Methode des Crowdfundings erweitert.

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Jimmy Wales, Gründer von Wikipedia

»Wikipedia ist ein Ort, den wir alle aufsuchen können, um zu denken, zu lernen, und unser Wissen mit anderen zu teilen.«

Mitmach-Lexikon statt Verlagsenzyklopädie: Wissen ist vielfältig und frei und Wikipedia der Pionier, wenn es um kol­lektiven Wissenstransfer geht. Statt einer kleinen Expertengruppe in einem Verlag findet sich eine große Zahl von Menschen zusammen, die freiwillig online ihr Wissen teilen. Wikipedia hat sich als eine disruptive Idee erwiesen. Das einstige Flaggschiff bürgerlicher Belesenheit – das Brockhaus­Lexikon – wurde längst eingestampft. Es hatte der Entwicklung einfach nichts entgegen­zusetzen. Dabei finanziert sich Wikipedia ausschließ­lich über Spenden von Privatpersonen und Unter­nehmen. Hinter Wikipedia steckt eine gemeinnützige Stiftung, deren Vermögen von Jahr zu Jahr ansteigt: Zum Ende des Geschäfts­jahres 2013/2014 betrug das Stiftungsvermögen rund 53 Millionen Dollar.

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Willi Loose, Geschäftsführer Bundesverband Carsharing

»Jedes neue Carsharing-Auto ersetzt zehn private. Netto wird die Fläche also um neun Stellplätze entlastet.«

Carsharing – Teil des urbanen Mobilitätsmixes: Wer in Großstädten lebt und kein Auto hat, kann sich jederzeit eins leihen. Seit Kurzem gibt es auch private Carsharing-Angebote. Immer mehr Besitzer vermieten ihr Auto. Bis vor weni-gen Jahren war der Begri� nur einigen Mitglie-dern der urbanen Ökoszene geläu� g, heutzutage ist Carsharing ein Massenphänomen. Die

Automobilbranche sieht die Entwicklung ambi-valent. Einerseits bauen viele Autohersteller wie BMW mit DriveNow oder Mercedes mit Car2go eigene starke Flotten auf. Andererseits verlieren die Autobauer aufgrund des Carsharings immer mehr junge potenzielle Neuwagenkunden. Die Bedeutung des Autos als Statussymbol sinkt gerade für jüngere Leute bereits rapide.

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Claudia Helming, Gründerin von Dawanda

� »Gefragt sind Artikel, die nicht am Fließband, sondern auf nachhaltigere Weise produziert worden sind.«

Do-it-yourself – kreativ kann jeder sein:Alle Produkte sollen handgemacht und individuell sein. Bei Dawanda verkaufen mittlerweile 280.000 Personen und Klein� rmen ihre selbst gestalteten Produkte in niedriger Stückzahl. Ähnlich wie bei Ebay ist der Anbieter direkt und ohne Umwege mit dem Käufer in Kontakt. Seit der Marktplatz

vor sechs Jahren aus der Taufe gehoben wurde, sind die Nut-zerzahlen kontinuierlich gestiegen. Inzwischen hat Dawanda über zwei Millionen Nutzer. Für dieses Jahr wird ein Umsatz von sieben Millionen Euro erwartet – nach 4,5 Millionen Euro im Vorjahr. Ehemalige Strickmuttis werden zu � eißigen Unternehmerinnen – und die Plattform pro� tiert.

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Page 16: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

19.750+

Ein Zweipersonenhaushalt zahlt in Deutschland im Mittel pro Person für die Verwendung von täglich 122 Liter Trinkwasser 24 Cent pro Tag. Das schätzen rund 80 Prozent der Haushaltskunden laut einer aktuellen BDEW-Umfrage aufgrund der Wasserqualität und Versorgungssicherheit als sehr gut, gut oder angemessen ein.

Erdgas punktet

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Die Deutschen heizen am liebsten mit Gas und Fernwärme

Das Image der Strom- und Gasversorger hat sich gegenüber dem Vorjahr erneut verbessert. Auf einer Skala von -5 bis +5 liegen sie nun bei 0,7. Damit steigen die Stromanbieter in der Rangfolge um zwei Plätze auf und ziehen mit den Gasversorgern gleich. Die Wasserversorger haben beim Imageranking ihren2. Platz hinter dem Handwerk behalten.

Im Jahr 2014 gab es 265.000 Baugenehmigungen für neue Woh-nungen. Das sind 19.750 mehr als im Jahr zuvor und entspricht einer Steigerung von 4,2 Prozent.

Prozent der 2014 neu ge -bauten Wohnungen werden mit Erdgas beheizt. Es folgt Fernwärme mit 21,1 Prozent.

Bei bestehenden Wohnungen konnte Erdgas 2014 seine Spitzen-position um 0,1 Prozent auf 49,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr leicht ausbauen. Fernwärme legt um 0,2 auf 13,5 Prozent zu.

52 Prozent betrug der Anteil von staatlichen Steuern und Abgaben am Strompreis für Haus-halte 2014.

Auf der Rechnung

betrug die monatliche Stromrechnung eines Haushaltes in Deutschland im Jahr 2014. Zum Vergleich: 2004 lag dieser Wert bei 52,39 Euro.

85 EuroDurchschnittlich

Guter Ruf

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STREITFRAGEN — Juni 2015

FAKTEN • ZAHLEN

Page 17: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

Die Investitionssummen in Erneuerbare Energien haben sich von 2006 bis 2010 vor allem aufgrund der Investitionen in Photovoltaikanlagen mehr als vervierfacht, sind dann bis 2012 wieder zurückgegangen, während sie in Onshore-Windenergie und Biomasse etwa gleich geblieben sind. Der Rückgang der Inves-titionen in Photovoltaikanlagen von 2010 bis 2012 ging nicht mit einer verminderten Ausbaurate einher, sondern lag an gesunkenen Modulkosten.

Erneuerbare-Energien-Anlagen in Deutschland

1.436.115Solaranlagen*

In Deutschland wurden 2014 insgesamt 160,6 Milliarden Kilowattstunden Strom aus Erneuer baren Energien erzeugt. Damit ist ihr Anteil an der Stromerzeugung weiter gewachsen und beträgt nach vorläufigen Berechnungen 26,2 Prozent.

Biomasseanlagen*

Wasserkraftanlagen*

13.589

6.794

23.024Windenergieanlagen an Land*

* Angaben sind von 2013

9,413,09,9 12,5

18,6 20,316,5

23,4

Gesamtinvestitionssumme in Erneuerbare Energien (in Mrd. Euro)

2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

STREITFRAGEN — Juni 2015

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ZAHLEN • FAKTEN

Page 18: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

»Ich sehe erhebliche Lücken!«Dr. Thilo Weichert, Jurist und Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein

Denkt die Branche digital?

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18 STREITFRAGEN — Juni 2015

STREITGESPRÄCH • DIGITALISIERUNG

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Page 19: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

»Big Data ist schon Realität.«Dominik Spannheimer, Chief Information Officer von 50Hertz Transmission

Die Energiewirtschaft steht in Sachen Digitalisierung vor gewaltigen Herausforderungen. Ist das ausreichend im

Bewusstsein der Akteure angekommen? Moderation: TOM LEVINE

19STREITFRAGEN — Juni 2015

DIGITALISIERUNG • STREITGESPRÄCH STREITGESPRÄCH • DIGITALISIERUNG

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den ÜNB angeschlossen und durch die Sys-temsteuerung zentral gesteuert. Da geht es um immer komplexere Systeme, die ohne-hin nur noch digital steuerbar sind. Das sind Anlagen, in die man lokal investie-ren muss. Das ist deshalb auch ein ganz lokales Geschäft. Im Bereich Verteilung und Transport wird es neue Chancen und Möglichkeiten hinsichtlich Echtzeitüber-wachung und -messung von Anlagen ge-ben, um präventive Maßnahmen möglich zu machen. Oder beim Forecasting für bessere Vorhersageanalysen. Aber bei der Infrastruktur?

Weichert: Ich wäre mir da nicht so sicher. Man hat das in anderen Branchen gesehen. Da wird es nicht mehr um die verkaufte Energieleistung gehen, sondern um Energie als Zusatzangebot. Das geht ganz schnell.

Spannheimer: Je komplexer es bei Vertei-lung und Last wird, je höher die Investitio-nen in lokale Hardware ausfallen müssen, umso schwieriger sind Teile des Gesamt-systems von außerhalb zu beherrschen. Da sind Markteintritte von Google und Co. eher unwahrscheinlich. Da bleibe ich dabei.

Weil wir gerade über Investitionen reden: Die Energiewirtschaft will ein eigenes E- Informationsnetz aufbauen. Ist das ein sinn-voller Plan?

Spannheimer: Ja, sicher. Wir werden in Zukunft eine Fülle von intelligenten Mess-geräten im Netz verteilt haben und stärker ins Lastmanagement gehen müssen. Das ist eine Notwendigkeit, da liegen Marktchan-cen. So etwas ist mit der heutigen Tech-nik im Niederspannungsbereich gar nicht machbar. Deshalb brauchen wir ein eigenes Energie-Netzwerk, in dem wir Fernwirk-

IT-Sicherheit, Datenschutz, selbst bei den kommerziellen Marktgefahren, die durch Digitalisierung entstehen. Es ist vielen in der Industrie nicht bewusst, was da alles kommt.

Klingt ein bisschen so, als müssten wir die Digitalisierung in der Energiebranche drin-gend verhindern.

Weichert: Nein, um Gottes Willen, verste-hen Sie mich nicht falsch. Die Digitalisie-rung bietet unbestreitbar große Chancen für die Energiewirtschaft. Automation, Produktivitätsgewinne, Energieersparnis, überhaupt das fein justierte Auspegeln von Angebot und Nachfrage und die dezent-rale Einspeisung – das alles ist ohne Digi-talisierung ja gar nicht denkbar. Aber die Chancen für die Industrie sind oft auch das Risiko für die Bürger. Es werden sehr viele Daten über das Verhalten der Ver-braucher gesammelt werden. In anderen Branchen haben wir erlebt, dass solche Daten irgendwann für andere Zwecke ge-nutzt, wenn nicht sogar missbraucht wer-den – und zwar oft genug durch Markt-teilnehmer, die von außen in den Markt gekommen sind.

Spannheimer: Lassen Sie uns aber doch bitte erst einmal angucken, wie sich die Branche zukünftig aufstellt. Da wird ja viel passieren. Im Transport, im Energie-handel und in der Verteilung ist die De-zentralisierung ein Riesenfaktor für die digitale Entwicklung – und zwar in beide Richtungen. Einmal von „oben“ bis hin zum Einzelnen, das heißt durch digitale Steuerung bis hinein ins Eigenheim und ins Lastenmanagement. Aber genauso auch in die andere Richtung, vom Verbraucher in die Netze. Davon völlig unbenommen werden vermehrt dezentrale Einheiten an

as Thema kennt inzwischen jeder in der Energiebranche – die Bereitschaft hingegen, sich mit Digitalisierung auseinan-derzusetzen, gar Geld in die Hand zu nehmen und Ent-scheidungen zu fällen, ist in

der Branche extrem ungleich verteilt. Auch in Politik und Verwaltung ist das Thema nicht eben von Entscheidungsfreude begleitet. Ech-te Dringlichkeit scheint zu fehlen. Dominik Spannheimer würde als Chief Information Officer (CIO) des Übertragungsnetzbetrei-bers (ÜNB) 50Hertz lieber noch mehr aufs Gaspedal drücken, denn Digitalisierung ist für ihn von zentraler Bedeutung für das Ge-lingen der Energiewende. Dr. Thilo Weichert, Chef des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein und promi-nenter Kritiker der Datensammelwut von Facebook und Co., mahnt ebenso dringlich Regulierung an – aus seiner Sicht sind mit der Digitalisierung des Energiesystems in Deutschland auch hohe Risiken verbunden.

Meine Herren, hat die Energiebranche ins-gesamt begriffen, was in Sachen Digitalisie-rung auf sie zukommt? Ist allen bewusst, dass man es da bald mit ganz neuen Playern am Markt zu tun haben dürfte und mit veränder-ten Verbraucherbedürfnissen?

Dominik Spannheimer: Man muss das dif-ferenziert sehen. Die Digitalisierung läuft in der Energiebranche nicht synchron. Im Energiemarkt, wo es um die Beziehung zwi-schen Verbraucher und Erzeuger geht, be-stimmt weiterhin das schwächste Glied in der Kette das Niveau der Digitalisierung. Da gibt es deshalb auch durchaus noch ei-nigen Spielraum nach oben. Im Bereich der Systemführung dagegen sind Big Data, Au-tomation, Digitalisierung längst Realität.

Das heißt, bei den Mitbewerbern sind IT-Themen auch so hoch in der Hierarchie aufgestellt?

Spannheimer: Ich räume ein, dass mei-nem Arbeitgeber 50Hertz mit der Positi-on des CIO ein gewisses Alleinstellungs-merkmal zusteht. Dr. Thilo Weichert: Womit ja schon fast bewiesen wäre, dass es bei der Industrie Nachholbedarf gibt, Herr Spannheimer. Ich fürchte ganz grundsätzlich, dass es bei einer ganzen Reihe von Themen er-hebliche Lücken im Bewusstsein gibt: bei

»Im Energiemarkt gibt es in Sachen Digitalisierung durchaus noch einigen Spielraum nach oben.«

»Die Chancen der Industrie sind oft auch das Risiko für die Bürger. Das darf nicht vergessen werden.«

Dominik Spannheimer

DDr. Thilo Weichert

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STREITGESPRÄCH • DIGITALISIERUNG

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technik, Systemtechnik, Energieversor-gung und Telekommunikation bündeln – alles natürlich immer verbunden mit höchs-ter IT-Sicherheit. Das ist im ISMS (dem Managementsystem für Informationssi-cherheit, die Red.) im übrigen auch schon so gefordert.

Pardon, aber zeigen nicht die Erfahrungen mit dem Netzwerk Herkules bei der Bundeswehr oder BOSS, dem Netz der Sicherheitsbehör-den, dass große, staatliche Digitalprojekte nicht effizient sind?

Weichert: Es hat solche staatlichen Fehl-planungen gegeben, gar keine Frage. Aber zum Glück müssen wir für das Energiein-formationsnetz ja nicht alles neu erfinden. Wir können die physische Struktur des Da-tennetzes nutzen, wenn wir sie gründlich genug entkoppeln von der offenen Netz-struktur des Internets. Ich halte es dabei für absolut unabdingbar, dass wir dieses Energie-Netz vom Internet komplett ab-schotten und absichern. Angriffe, wie wir sie vom offenen Netz kennen, wären für die Energieversorgung viel zu gefährlich. Da geht es nicht mehr um Hacking und Datenklau, da geht es gleich um Sabotage.

Spannheimer: Da haben Sie Recht, Herr Weichert – die Risiken wären enorm. Zu-gleich glaube ich aber kaum, dass wir die technische Entwicklung, die klar in Rich-tung Internet geht, hier aufhalten können. Wir werden ganz sicher auch das Internet als eines der Netzwerke der Energiewirt-schaft nutzen müssen. Aber in der Tat wird es darauf ankommen, ein Netz der Ener-gie sehr stark vom Internet abzuschotten. Was uns letztendlich beschäftigen wird, ist die Frage der Abgrenzung. Mal angenom-men, der Verbraucher ist mit einem intel-ligenten Strommessgerät unterwegs, das

Informationen an das Energie-Netz liefert und gleichzeitig Informationen dort zieht. Dann darf er nur bis zu einem klar defi-nierten Punkt kommen, nicht weiter. Die andere Richtung ist nicht so problematisch.

Weichert: Sagen Sie. Auch ganz unten gibt es Grenzen. Es darf nicht so weit gehen, dass man in den Privatbereich eindringt. Ich habe ja kein Problem damit, wenn aggre-gierte, anonymisierte Daten aufgenommen werden. Aber bis auf die Haushaltsebene oder gar bis auf die Geräteebene zuzugrei-fen, das ist völlig undenkbar. Und es ist nicht nachhaltig. Wenn hier nicht gegen-gesteuert wird, wenn wir nicht die tech-nische Sicherheit schaffen, dann wird das zu größeren Ausfällen führen. Auch nor-mativ. Wir brauchen abgeschottete Netze und Schnittstellen, die gut überwacht und kontrolliert werden.

Spannheimer: Da liegen wir gar nicht so weit auseinander. Wir müssen nur unter-scheiden: Geht es um Kilowatt oder Kilo-wattstunde? Das Kilowatt brauchen wir, damit die Netze stabil bleiben. Da muss es auch in Zukunft eine übergeordnete Instanz geben, die die verschiedenen Lie-feranten, die Aggregatoren beliefern und überwachen kann. Veranschaulichen kann man das gut am Beispiel Lastmanagement. Wird zu viel Strom ins Netz eingespeist, zum Beispiel durch eine Starkwindfront, kann das Netz instabil werden. Dezentral lässt sich so ein Problem nicht lösen. Bei der Betrachtung der Kilowattstunde, also im wettbewerblichen Bereich, auf der Ebene der Stadtwerke und Messstellendienstleis-ter, da wird man sich viel breiter aufstellen müssen – oder vom Markt verschwinden.

Sind das dann diejenigen, die mit den von Herrn Dr. Weichert genannten Daten ihr Geld verdienen werden?

Spannheimer: Am Ende sind heute viele Firmen überfordert, mit ihren Daten über-haupt etwas anzufangen. Da wird man noch viel Wissen aufbauen müssen. Wir selbst bei 50Hertz leben Big Data schon in der Sys-temsteuerung. Aber wie man da auf Ver-braucherseite einen Business Case aus den transparenten Daten machen soll, ist nicht unser Thema als ÜNB. Das Endkunden- und Handelsgeschäft sieht anders aus als unseres.

Weichert: Ich wäre mir da nicht so sicher,

dass Big Data-Instrumente schwer hand-habbar sind. Für kleine und mittelstän-dische Unternehmer wird es sehr bald möglich sein, Daten zu nutzen und aus-zuwerten. Wir müssen aber das, was im In-ternet passiert ist, also die völlige Anarchie und 100-prozentige Verletzung der Privat-sphäre, im Energiebereich verhindern. Da werden wir regulatorisch gegenhalten müs-sen. Da wird einiges auf uns zukommen, spätestens dann, wenn Geräte stärker ihre eigene digitale Identität entwickeln wie bei Smart Home und Smart City. Da wird es bis in den intimsten Lebensbereich gehen.

Spannheimer: Ich halte es für schwierig, den Endverbraucher zu sensibilisieren, dass seine Daten schützenswert sind. Abgese-hen von der ein oder anderen Klage gegen Facebook sind die Menschen doch augen-scheinlich gern bereit, etwas von ihren Da-ten preiszugeben. Das Nutzerbewusstsein ist da noch entwicklungsfähig.

Weichert: Die Gesetzgeber beziehungswei-se die Gerichte sind in der Pflicht, das sehe ich auch so. Doch die Politik hält sich hier bislang vornehm zurück. Ich glaube aber, dass wir gerade den Anfang eines Prozesses erleben, in dem die Regulierung sich von den Erwartungen mancher Marktapologe-ten emanzipiert. Selbst Google und Face-book kommen unter regulatorischen Druck.

Spannheimer: Ich glaube eher, dass die Diskussion sich gerade dreht. Erst ging es um Technik, um gewisse Standards, um IP für alle bis hin zum Smart Meter. Jetzt beginnt man zu überlegen: Wie sieht der Prozess aus, wie die gesetzlichen Rahmen-bedingungen? Es ist sicher so, dass hier der zweite vor dem ersten Schritt gemacht wird. Aber immerhin.

»Ich glaube nicht, dass wir die Entwicklung, die klar in Richtung Internet geht, auf-halten können.«

»Bis auf die Haus-haltsebene, gar auf die Geräteebene zuzugreifen, das ist völlig undenkbar.« Dr. Thilo Weichert

Dominik Spannheimer

21STREITFRAGEN — Juni 2015

DIGITALISIERUNG • STREITGESPRÄCH STREITGESPRÄCH • DIGITALISIERUNG

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Sie sehen weder, welche Folgen eine Um-wälzung der Technik haben, noch woher diese kommen könnte.

Revolutionen finden eher in Nischen statt. Das ist doch nicht bedrohlich.

Spannheimer: Das Prinzip der disrupti-ven Technik ist ja so: Ein kleines Un-ternehmen probiert eine neue Technik in einer kleinen Nische aus und weitet diese Nische dann mehr und mehr aus. Wenn man da nicht mitspielt oder das nicht mitbekommt, dann ist man ganz schnell nicht mehr an der Stelle, wo man

Weichert: Das kennen wir aus anderen Lebensbereichen, dass es eine Ungleich-zeitigkeit der tatsächlichen Entwicklung und dem politischen Reagieren gibt. Gu-cken Sie sich das neue IT-Sicherheitsge-setz an. Eine große Weiterentwicklung stellt das nicht dar.

Woran fehlt es denn nun: An öffentlichem Interesse oder an politischer Regulierung?

Spannheimer: Betrachtet man die Ener-giewirtschaft als Ganzes, dann ist fest-zustellen, dass viele sich nicht bewusst darüber sind, was da auf sie zukommt.

von der Marktrolle her hingehört. Das ist wie damals, als die Glühbirne die Kerzen überholt hat. Weichert: Aber da geht es wiederum nicht nur um die Ökonomie und um Marktrollen. Gesellschaftlich gesehen kann es durch den unregulierten, un-kontrollierten Einsatz disruptiver Tech-nologien nicht nur kleine Defekte geben, sondern Systemabstürze mit gewaltigen Folgen. Das kann bis hin zum Totalaus-fall von Energie und sonstiger Grund-versorgung wie Abfall- und Wasser-wirtschaft reichen. Die Technik kann uns auch zurück ins Mittelalter schie-ßen. Darüber sollte man sich klar sein.

Spannheimer: Wir beobachten alle neu-en Technologien dort, wo sie auftauchen, ganz genau. Wie passen diese Techno-logien zu uns, zu unserem System? Was können wir lernen, was übernehmen? Wie steht es mit Safety, Security, Pri-vacy? Das ist unser Mantra.

Aber wird Regulierung etwas nützen, wenn der Verbraucher seine Daten einfach frei-gibt, weil er sich damit einen Vorteil er-kauft? Oder weil es dann irgendwann zum guten Lifestyle gehört, seinen Kühlschrank vom Energieversorger steuern zu lassen?

Weichert: Im Moment ist das noch nicht abzuschätzen, weil die Entwicklung von Apps und Smart Meter nicht so weit fort-geschritten ist und deshalb die Attrakti-on für den Endverbraucher fehlt. Seine Kaffeemaschine fünf Minuten vorglü-hen zu lassen, bevor man nach Hause kommt, oder vom Büro aus schon mal die Heizung hochdrehen: Das sind Din-ge, die sind mit Verlaub nicht besonders

Dr. Thilo Weichert

»Seine Kaffee-maschine fünf Minuten vorzuglühen – das ist nicht besonders sexy.«

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STREITGESPRÄCH • DIGITALISIERUNG

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Dominik Spannheimer

� Kommentare zum Thema auf streitfragen.de/debatten

sexy. Aber das kann sich natürlich in kür-zester Zeit ändern, wenn es Anwendungen gibt, die das Leben wirklich leichter ma-chen. Dafür bedarf es einer regulatori-schen Vorbereitung, damit diese Techno-logie auch mit Datenschutz freundlichen Techniken umgesetzt wird. Leider gibt es dafür allerdings nicht das Bewusstsein in der Politik, und zum Teil auch nicht beim Endverbraucher. Ein riesiges Problem ist zudem, dass die behördliche Seite katast-rophal ausgestattet ist.

Spannheimer: Ich denke auch, dass es ir-gendwann Mittel und Wege geben wird, entsprechende Apps cool zu machen. Die-se werden sich dann auch verbreiten. Das wird man nicht verhindern können. Aber was verhindert werden kann und muss, ist Sabotage – also die Möglichkeit, über solche Apps in die Netze einzudringen. Im vermaschten Netz werden sich die Ri-siken exponentiell vermehren. Und es gibt da nicht die Option, erst a�er event oder post mortem zu reagieren.

Sind wir denn für solch einen Ernstfall aufgestellt?

Spannheimer: Nein, was die neuen, noch nicht eingesetzten Techniken auf IP-Basis angeht, ist die Branche weit davon entfernt. Und selbst wenn wir schon viel weiter wä-ren: Es wird nie 100-prozentige Sicherheit geben, sondern nur notwendige, erreich-bare Resilienzgrade, Härtungsgrade und Stabilitätsgrade. Wenn ein kleines System ausfällt, muss einfach sichergestellt werden, dass der Rest weiterläu�. Wenn größere Systeme ausfallen, muss die Fähigkeit zum Schwarzstart vorgehalten werden. Und je-der wird damit rechnen müssen, dass das System bei der Nutzung von neuen IP-Tech-

niken insgesamt lokal weniger stabil wird. Weichert: Genau das diskutieren die Ener-gieunternehmen aber doch viel zu wenig. Man kann das ja auch verstehen – das ist noch zu weit vom täglichen Geschä� ent-fernt. Aus regulatorischer Sicht aber bräuch-ten wir diese Diskussion jetzt ganz drin-gend. Aber erst wenn die Branche darüber redet, was die Digitalisierung für Folgen haben wird, positive wie negative, kann man das �ema auch der Politik und den Konsumenten und den Medien vermitteln.

Spannheimer: Wobei wir nicht glauben sollten, dass wir viel Zeit haben. Die Inno-vationen werden auch von Externen kom-

men, ohne große Vorwarnung. Und dann werden wir der Evolutions- und Innova-tionsgeschwindigkeit nichts entgegenset-zen können. Die Standards müssen dann schon da sein.

Weichert: Und um das anzudrehen, da ist gefordert, wer am besten Bescheid weiß: die Industrie.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.

»Es wird nie 100-prozentige Sicherheit geben, sondern nur notwendige Resilienzgrade.«

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� STREITGESPRÄCH • DIGITALISIERUNG DIGITALISIERUNG • STREITGESPRÄCH

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FINNLAND3.858 | 21.966 | -18.108

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LETTLAND3.023 | 5.338 | -2.315

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ÖSTERREICH18.791 | 28.044 | -9.253

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5.000 bis 10.000Energieexport

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FRANKREICH

BELGIEN

2.051 | 6.974 | -4.923

PORTUGAL6.343 | 7.247 | -904

KROATIEN32.439 | 28.116 | 4.323

GRIECHENLAND684 | 9.565 | -8.881

RUMÄNIEN8.493 | 1.363 | 7.130

BULGARIEN13.774 | 4.323 | 9.451

UNGARN5.695 | 19.083 | -13.388

SLOWAKEI11.861 | 12.964 | -1.103

TSCHECHIEN32.439 | 28.116 | 4.323

POLEN11.341 | 13.509 | -2.168

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SCHWEIZ32.439 | 28.116 | 4.323

NIEDERLANDE17.899 | 32.853 | -14.954

BELGIEN4.190 | 21.698 | -17.508

GROSSBRITANNIEN3.704 | 23.169 | -19.465

DÄNEMARK9.801 | 12.785 | -2.984

SCHWEDEN32.513 | 16.148 | 16.365

FINNLAND3.858 | 21.966 | -18.108

ESTLAND6.530 | 3.712 | 2.818

LETTLAND3.023 | 5.338 | -2.315

LITAUEN897 | 8.520 | -7.623

IRLAND672 | 2.813 | -2.141

ÖSTERREICH18.791 | 28.044 | -9.253

DEUTSCHLAND74.591 | 38.893 | 35.698

ITALIEN3.008 | 46.756 | -43.748

FRANKREICH73.575 | 7.799 | 65.776

SPANIEN15.481 | 12.308 | 3.173

LUXEMBURG

DEUTSCHLAND

FRANKREICH

BELGIEN

2.051 | 6.974 | -4.923

PORTUGAL6.343 | 7.247 | -904

KROATIEN32.439 | 28.116 | 4.323

GRIECHENLAND684 | 9.565 | -8.881

RUMÄNIEN8.493 | 1.363 | 7.130

BULGARIEN13.774 | 4.323 | 9.451

UNGARN5.695 | 19.083 | -13.388

SLOWAKEI11.861 | 12.964 | -1.103

TSCHECHIEN32.439 | 28.116 | 4.323

POLEN11.341 | 13.509 | -2.168

SLOWENIEN9.962 | 7.249 | 2.713

„Wir müssen im Strommarkt praktisch noch einmal von vorne anfangen und den Markt neu au�auen.“ Ein halbes Jahr, bevor EU-Vizekommissar Maroš Šefčovič seine Vision von einer Energie-union der Ö�entlichkeit vorstellte, war der Europäische Rat bereits laut geworden. Im Oktober 2014 hatte der alle Mitglied-staaten aufgefordert, bis 2020 den Verbund von mindestens zehn Prozent ihrer ins-tallierten Stromerzeugungskapazität zu erreichen. Heißt: Jeder Mitgliedstaat soll seine Stromleitungen so auslegen, dass mindestens zehn Prozent des in seinen eigenen Kra�werken erzeugten Stroms grenzüberschreitend in Nachbarländer weitergeleitet werden kann.

Wie viel Strom �ießt bereits jetzt von einem EU-Land ins andere?

ENERGIE -UNION

Wer liefert wem Strom?

25STREITFRAGEN — Juni 2015

STROMLIEFERUNG • KARTEKARTE • STROMLIEFERUNG

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Page 26: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

Subvention für Nichtarbeit oder Back-up für � uktuierende Energien? »Hartz IV für Kraf twerke« im Mythencheck.

Arbeitslos?Von wegen!

MYTHENCHECK • HARTZ IV FÜR KRAFTWERKE

26 STREITFRAGEN — Juni 2015

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Page 27: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

undeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat im Som-mer 2014 einen Ausdruck ge-prägt, der seitdem bei ihm zu einer Art Mantra geworden ist: „Kein Hartz IV für alte Kraftwerke!“ Mit dem griffi-gen, medienwirksamen Bild

zog Gabriel gegen die Idee ins Feld, einen Markt für die Bereitstellung von Kraftwerks-kapazitäten zu schaffen. Aber – stimmt die Parallele überhaupt?

Hintergrund

Das nach dem früheren Arbeitsdirektor von Volkswagen, Peter Hartz, benannte Arbeits-losengeld II wird vom Staat als Grundsiche-

Von YVONNE SCHRÖDER

hat das Gaskraftwerk Irsching gekostet. Es ist mit einem Wirkungsgrad von rund 60 Prozent das effizienteste der Welt. Innerhalb von 40 Minuten kann Energie eingespeist werden.

neue Kohlekraftprojekte sind derzeit in Deutschland in Planung. Sie sollen zwischen 2016 und 2020 in Betrieb gehen.

rung an erwerbsfähige Menschen gezahlt, die weder durch eigene Arbeit noch durch Vermögen oder die Hilfe Angehöriger ein menschenwürdiges Leben führen können. Maximal 399 Euro im Monat gibt es, meis-tens aber weniger, als Lohnergänzung bei niedrig bezahlter Beschäftigung. Hartz IV ist damit eine klassische Sozialleistung, eine Solidarleistung der Gesellschaft, die vorü-bergehend an Arbeitssuchende gezahlt wird, damit diese in harten Zeiten nicht vollends aus dem Tritt geraten.

Unterstellung der Subvention

Mit seinem Vergleich wollte der SPD-Vor-sitzende wohl deutlich machen, dass es sich bei einem Kapazitätsmarkt seiner Auffas-

7400 Mio. Euro

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Anträge zur Stilllegung veralteter Kraftwerksblöcke liegen der Bundesnetzagentur vor. Die meisten davon in Süddeutschland.

51

HARTZ IV FÜR KRAFTWERKE • MYTHENCHECK

27STREITFRAGEN — Juni 2015

Page 28: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

MYTHENCHECK • HARTZ IV FÜR KRAFTWERKE

Großprojekte mit rund 33.000 Megawatt installierter Leistung sind geplant, in Genehmigung oder im Bau.

74 Millionen Menschen bezogen 2014 in Deutschland staatliche Grundsicherung. Ihre Zahl nimmt seit 2006 ständig ab.

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28 STREITFRAGEN — Juni 2015

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Page 29: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

MYTHENCHECK • HARTZ IV FÜR KRAFTWERKE

399 Euroerhält ein unverheirateter Bürger seit 1. Januar 2015 als Hilfe zum Lebensunterhalt.

� Mehr zu diesem Thema auf www.streitfragen.de/mythencheck

sung nach um eine Subvention handelt. Kra�werksbetreiber bekämen dann einfach Geld, ohne dafür etwas tun zu müssen. Al-lerdings stellt der Kapazitätsmarkt, gegen den Sigmar Gabriel hier Stellung bezieht, keineswegs eine Dauersubventionierung ohne Gegenleistung dar. Er ist etwas voll-kommen anderes: In dem von der Ener-giebranche vorgeschlagenen Dezentralen Leistungsmarkt (DLM) wird ausschließlich Leistung bezahlt. Er ist gleichzeitig die Ant-wort auf einen steigenden Anteil �uktuie-render Erneuerbarer Energien und damit auf die Tatsache, dass Arbeit und gesicher-te Leistung nicht mehr selbstverständlich so eng zusammengehören wie in einer auf Fossilen basierenden Stromversorgung.

Dezentraler Leistungsmarkt ist eine Versicherungslösung

Wie funktioniert der DLM? Auf diesem Markt handeln Stromversorger Nachweise zur Versorgungssicherheit. Bringen Anbie-ter die Menge an benötigter Erzeugungska-pazität selbst nicht auf, können sie die Ver-sorgungssicherheit ersatzweise einkaufen. Gehandelt wird immer nur so viel Kapa-zität, wie gerade gebraucht wird. Gekau� wird außerdem ganz marktwirtscha�lich beim Anbieter mit dem günstigsten Preis. Übrigens: Wenn es ausreichend Kapazität gibt, sendet der dezentrale Leistungsmarkt das Preissignal Null. Das Kra�werk, das nie gebraucht wird, geht leer aus. Es han-delt sich somit nicht um eine Subvention, sondern um eine Art Versicherung für die volatilen Erneuerbaren Energien.

Kapazitätsmärkte in Deutschland

Weiteres Argument gegen den Vergleich mit Hartz IV: Der Kapazitätsmarkt entsteht nicht aus Solidarität, sondern durch die ge-nauere Aufschlüsselung von Leistungen. Vergleichbares gibt es in der Telekommu-nikationsbranche, etwa beim Handyvertrag mit Grund- und Gesprächspreisen. Auch die Feuerwehr bekommt nicht nur Geld für das verbrauchte Löschwasser. „Kapazitätsmärkte sind in Deutschland nicht ungewöhnlich“, wird der Eon -Vorstandsvorsitzende Johan-nes Teyssen vom Handelsblatt zitiert. „Es ist nichts anderes, als dem Verbraucher ei-nen Arbeitspreis und einen Leistungspreis zu berechnen.“Vergleichbar mit dem Kapazitätsmarkt könnte das Arbeitslosengeld II höchstens

in dem Sinne sein, dass beide ein Überan-gebot managen sollen. „Die Kra�werks-betreiber wollen in Wirklichkeit nur exis-tierende Überkapazitäten auf Kosten der Stromverbraucher konservieren“, lautete der Vorwurf des Vizekanzlers. Doch auch in diesem Punkt hinkt der Vergleich mit Hartz IV.

Anreize für neue Kraftwerke

In der Tat gibt es momentan zwar mehr Kra�werke als zur Stromversorgung benö-tigt werden; die Überkapazitäten liegen bei fast zehn Gigawatt. Noch: Denn sie werden durch den Atomausstieg und die Schließung veralteter Kra�werke abgebaut. Derzeit liegen der Bundesnetzagentur 51 Anträ-ge zur Stilllegung von Kra�werksblöcken vor, die meisten davon in Süddeutschland. Im Kapazitätsmarkt wird es darum gehen, Investitionsanreize für neue Kra�werke zu scha�en für den Fall, dass – etwa bei Dun-kel�aute – Erneuerbare Energie nicht im notwendigen Umfang zur Verfügung steht. In solchen Fällen wird es auch in Zukun� konventionelle Kra�werke geben müssen, die entweder kurzfristig ihre Produktion hochfahren oder bei absehbaren Engpässen frisch angefahren werden können. Auch dies kann nicht mit der Sozialleistung Hartz IV verglichen werden.

Wenn die Energiewende zu einem Er-folg werden soll, müssen drei Grundbe-dingungen erfüllt sein: Die Versorgungs-sicherheit darf nicht in Gefahr geraten. Die Strompreise müssen langfristig bezahl-bar bleiben. Und: Der angestrebte Ausbau der Erneuerbaren Energien muss weiter möglich bleiben. Der von der Energiebran-che vorgeschlagene DLM erfüllt all diese Kriterien. Und die Metapher Hartz IV? Sie entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ein Lehrstück in politischer Desinfor-mation. Als hätten es die Empfänger von Hartz IV nicht schon schwer genug, müs-sen sie doch immer wieder als Totschlag-argument herhalten.

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29STREITFRAGEN — Juni 2015

�HARTZ IV FÜR KRAFTWERKE • MYTHENCHECK

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Page 30: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

Das Umweltbundesamtist Deutschlands zentrale Umweltbehörde mit Sitz

in Dessau-Roßlau. Es kümmert sich um eine gesunde Umwelt und sieht sich auch als Frühwarnsystem für

mögliche Beeinträchtigungen.

Gunda RöstelKaufmännische Geschäftsführerin der

Stadtentwässerung Dresden, kommentiert auf den nachfolgenden Seiten die jüngste Positionierung

des UBA.

Brauchen wir die 4. Reinigungsstufe?

UBA-Positionspapier März 2015: „Organische Mikroverunreinigungen in Gewässern. Vierte Reinigungsstufe für weni-ger Einträge“ (Quelle: www.uba.de)

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Trotz hoher Trinkwasserqualität: Rückstände von Mikroverunreinigungen und Spurenstoffen in den Gewässern sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Doch wer ist verantwortlich und wie könnte der Schutz der Gewässer verbessert werden? Brauchen wir die

sogenannte 4. Reinigungsstufe in Kläranlagen? Das Umweltbundesamt (UBA) fordert die Einführung dieser

Technologie, die Wasserwirtschaft sieht sie kritisch.

„Die Konzentrationen an Mikroverunreinigungen überschreiten in vielen Gewässern die gesetzlich vorgegebenen Umweltqualitätsnormen.

Wenn die Messlatte nicht nur extrem, sondern teilweise analytisch noch nicht einmal messbar verschärft wurde, darf es nicht ver-wundern, dass der noch vor wenigen Jahren überwiegend gute chemische Zustand unserer Gewässer nahezu abrupt in den roten Bereich abdriftete.

30 STREITFRAGEN — Juni 2015

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Page 31: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

Zur Reduzierung der Einträge reichen die mögli chen Vermeidungsmaßnahmen, wie An-wendungsbeschränkungen oder -verbote über Stoffrecht, Produktrecht, Verminderung von Luftemissionen, nicht aus, sodass nur eine nach-geschaltete Abwasserbehandlungstechnik Erfolg verspricht.

Dies erfordert die Fortschreibung des Standes der Technik bei der Abwasserbehandlung und die Einführung weitergehender Abwasserbe-handlungsverfahren (4. Reinigungsstufe) in den kommunalen Kläranlagen (KA) der Größen-klasse 5 sowie kleinerer KA, die in sensitive Gewäs ser einleiten.

Am wirksamsten und kosteneffizientesten sind dabei gegenwärtig die Verfahren der Ozonung und der Aktivkohleadsorption durch Pulveraktivkohle.

Für eine gerechte Lastenverteilung sollten Optionen für eine öffentliche Anreizfinan-zierung erwogen werden.“ (…)

„Gegen die Einführung einer vierten Reinigungs-stufe werden von Vertretern der Wasserwirt-schaft, die der Einführung skeptisch gegenüber-stehen, häufig die folgenden Argumente genannt:

Die Implementierung und der Betrieb einer vier-ten Reinigungsstufe kosten zusätzliches Geld. • Der Betrieb einer vierten Reinigungsstufe ver-braucht vergleichsweise viel Energie, was un-weigerlich den Anstieg von klimaschädlichen CO₂-Emissionen mit sich bringt. • Bei einer Behandlung mit Ozon besteht die Gefahr der Bildung von anderen schädlichen Stoffen (Transformationsprodukten). • Eine Entscheidung zur Einführung der vierten Reinigungsstufe auf kommunalen Kläran lagen geht mit dem Risiko einher, dass wesentliche und sehr effektive Aktivitäten zur Reduzierung von

Dies gleicht einer Bankrotterklärung gegenüber dem Verursacher- und Vermeidungsprinzip. Die Industrie, insbesondere Pharma-, Chemie- und Agrarindustrie, kann sich entspannt zurück-lehnen.

Vor der Lastenverteilung steht die unbequeme Diskussion zu Aufwand und Nutzen möglicher Vermeidungsstrategien. Und im Übrigen: Auch die angedachte Umlage über eine Ausweitung der Abwasser-abgabe ist richtiges Geld – nämlich das der Bürger!

Zu Recht! Denn obgleich die Wasserwirtschaft an keiner einzigen Stelle Verursacher der Mikro-verun reinigungen ist, findet die Fachdebatte als

Diesen einfachen Kausalzusammenhang gibt es nicht. In den meisten Fällen würde der Ausbau mit einer 4. Reinigungsstufe weder zur Unterschreitung der aktuellen Umweltqualitätsnormen noch zum Erreichen eines in diesem Sinne guten chemischen Zustandes führen.

Alles richtige und wesentliche Argumente, die Grundlage für eine dialogorientierte und strategische Ausrichtung im zukünftigen Umgang mit Mikroschadstoffen sein müssen.

Der Ansatz hinkt. Vermeidung statt Nachsorge!

End-of-Pipe-Strategie ausschließlich in diesem Sektor statt. Das ist ökologisch wie ökonomisch fahrlässig.

31STREITFRAGEN — Juni 2015

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Page 32: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

Mikroverunreinigungen in Oberflächengewässern in anderen, ggf. relevanteren Sektoren unter bleiben oder zurückgestellt werden. Wie in den vorherigen Kapiteln dargestellt, sind diese Argumente nachfol-gend noch einmal zu sammenfassend bewertet:

Die erforderlichen Zusatzkosten (…) mit 6 bis 16 Euro pro Jahr und Mensch vergleichsweise niedrig. Auf das Abwasservolumen bezogen fallen relativ gerin ge Zusatzkosten in Höhe von 0,05 – 0,19 €/m³ an. Je nachdem, wie die Nachrüstung erfolgt, kom-men unterschiedliche Finanzierungsmöglichkeiten in Betracht.

Bei einer ordnungsrechtlichen Verankerung als Stand der Technik nach der Abwasserverord-nung könnten Investitionen in die Elimination von Mikro verunreinigungen über die Mechanismen der Abwasserabgabe (Abgabeermäßigung, Verrech-nung) abgabenmindernd geltend gemacht werden und somit Anreiz wirkend für die Installation und den Betrieb einer 4. Reinigungsstufe wirken.

Mit dem Betrieb der 4. Reinigungsstufe sind als unter stützende Zusatzeffekte eine Minderung der Abwasserabgabe hinsichtlich der Parameter CSB und P (Anm. der Redaktion: CSB und P sind wich-tige Abwasserparameter) zu erwarten.

Die Einführung weiterer Behandlungsstufen führt zu einem erhöhten Energieverbrauch, in der Regel um 5 – 30 % gegenüber dem Normalbetrieb (…).

Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz von Kläranlagen würden diesen Mehrbedarf deutlich verringern. So kann auch bei modernen Kläranla-gen durch ein effizientes Energiemanagement mit kurz- und mittelfristig umsetzbaren Maßnahmen der Energiebedarf um 20 – 30 % gesenkt werden.

Die Ozonung und Adsorption an Pulver-aktivkohle oder granulierte Aktivkohle sind wirkungs volle Verfahren für eine weitergehende Abwasserbehandlung.

Es ist schade, dass das UBA den längst geleisteten Beitrag der Kläranlagen zum Klimaschutz offensichtlich so wenig kennt.

Keines der bisherigen Pilotverfahren deckt die heutige und erst recht nicht die zukünftig erwartbaren Bandbreite(n) von Mikro- verunreinigungen zu 100 % ab.

Es ist anmaßend, über die Köpfe der Bürger hinweg zu entscheiden, was als niedrig zu bewerten wäre.

Die Gesamtbalance aus Kosten und vermeintlichem Nutzen ist zum jetzigen Zeitpunkt (noch) nicht gegeben.

Dies trifft ausschließlich für Aktivkohle- verfahren zu!

Die Spanne des erhöhten Gesamtenergie- verbrauchs reicht bis zu 50 % gegenüber dem Normalbetrieb. Das sind keine Peanuts!

32 STREITFRAGEN — Juni 2015

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Page 33: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

Durch die Ozonung wird eine große Bandbreite von Mikroverunreinigungen und ggf. pathogen wirksa-men Keimen entfernt (Abwasserdesinfektion).

Durch die weitergehende Abwasserbehandlung entstehen de Transformationsprodukte, die ggf. ande re und höhere Wirkungspotenziale aufweisen können als die Ausgangsstoffe, werden nach Entste-hung durch Ozonierung über die Wiedereinleitung in die biologische Klärstufe abgebaut. Kläranlagen mit einer nachgeschalteten zweiten biologi schen Klärung haben bislang keine erhöhten Toxizi tätswerte gezeigt (…).

Für die prioritären Stoffe der EG-Wasserrahmen- richtlinie wurde in 2013 ein Eintragsinven tar erarbeitet. Dabei stellt der Eintrag über kommunale Abwässer für eine Reihe Stoffe einen sehr wichtigen Eintrags-pfad dar (…).

Dies bedeutet, dass neben europäischen Maßnah-men, die vordringlich das Inverkehrbringen von Stoffen regeln, weitere nachgeschaltete Maßnahmen, wie die Ertüchtigung der Barrieresysteme, d. h. die Nachrüstung von kommunalen Kläranlagen mit ei-ner weiteren Verfahrensstufe sinnvoll sind, um den Eintrag von Mikroverunreinigungen in die Gewäs-ser zu verringern.

Die Ergebnisse des COHIBA-Projektes (…) zeigen (Anm. der Redaktion: COHIBA steht für: Control of hazardous substances in the Baltic Sea region), dass innerhalb eines Maßnahmenpaketes die weiter-gehende Abwasserreinigung zudem eine wirksame und kostengünstige Maßnahme darstellt.“

Auch gut gemeinte Aktionen können in die Irre führen!

Der COHIBA-Report verdeutlicht, dass es eben keine allein Erfolg versprechende Maßnahme zur Emissionsreduktion gibt.

in Deutschland und erst recht auf europäischer Ebene noch weit entfernt!

Die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer 4. Reinigungsstufe stellt sich ökologisch wie ökonomisch dann, wenn Verursacher einbe-zogen, Verminderungsstrategien ausgereizt und alle Eintragspfade gleichermaßen gewichtet wurden. Davon sind wir

Angesichts anderer relevanter diffuser Ein-tragsquellen beispielsweise aus der Landwirt-schaft oder aus Luftemissionen bleibt die enge Fokussierung auf Kläranlagen fragwürdig.

Die Problematik der Transformationsprodukte weist heute noch erhebliche Kenntnisdefizite auf. Weitergehende wissenschaftliche Forschung ist zwingend.

Dieser Zusammenhang mit vermeintlich positiver Gesamtnebenwirkung einer Abwasser- desinfektion erfordert eine deutlich erhöhte Ozonierung gegenüber den bisherigen Verfahren zur Minderung der Mikroverunreinigungen.

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Page 34: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

STREITFRAGEN — Juni 2015

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UNTERNEHMERGEIST • KRAFT-WÄRME-KOPPLUNG

Versorger setzen auf Kraft-Wärme-Kopplung, weil sie zwei Dinge auf einmal ermöglicht, wenig Energie braucht und kaum Spuren hinterlässt.

Von MARIJKE ENGEL

Genügsam und effektiv

as Zauberwort heißt Fle-xibilisierung. Für Karsten Müller-Janßen, Geschäfts-bereichsleiter Anlagenbau und Projekte der Stadtwer-ke Flensburg, steht außer Frage, dass nur dadurch die Zukunft im hochkom-

plexen Geschäft der Energieversorgung gesichert werden kann. Bedeutet das das Ende der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)? Mitnichten. So setzen die Stadtwerke Flens-burg weiterhin auf diese Technologie, um sich für die Zukunft gegen sinkenden Fern-wärmeabsatz, volatilen Strommarkt und schwankende Brennstoffpreise zu wapp-nen. Ihr neuestes Projekt – Kessel 12 – ist eine moderne, stromgeführte Gas- und Dampf-Turbinenanlage (GuD) mit ange-bundenem Wärmespeicher, die zwei alte Kohlekessel ersetzt, deren Genehmigung ausläuft. Bereits 2011 haben sich die Stadt-werke entschieden, das Projekt Kessel 12 umzusetzen. „Auch unter schwierigeren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind wir davon überzeugt, dass die GuD-Anlage der richtige Schritt war“, sagt Müller-Jan-ßen. Die hochflexible, stromgeführte An-lage mit einer Leistung von 75 Megawatt thermisch und 75 Megawatt elektrisch ist auf bis zu 500 Starts im Jahr ausgelegt. In gerade mal 15 Minuten produziert die mo-derne Gasturbine 50 Megawatt elektrische Energie, die die Stadtwerke am Regelener-giemarkt verkaufen können. An windigen Tagen, wenn das Angebot aus Windkraft steigt und den Strompreis drückt, wird die GuD-Anlage heruntergefahren und der Elektrodenheizkessel mit 30 Megawatt kommt zum Einsatz. Er erwärmt das Flens-burger Fernwärmewasser elektrisch, wenn Strom günstig angeboten wird. Gespeichert wird es in einem Wärmespeicher, der bei Verbrauchsspitzen zum Einsatz kommt und dann heißes Fernwärmewasser in das

650 Kilometer lange Fernwärmenetz ein-speist. Die neue GuD-Anlage wird einen Wirkungsrad von 92 Prozent erreichen und 40 Prozent weniger CO2 produzieren als die bisherigen Kohlekessel.

Dank langjähriger Förderung durch das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) ist die Technologie im Kommen: 2013 hat-te KWK einen Anteil von etwa 16 Prozent an der Nettostromerzeugung in Deutsch-land, ein leichter Zuwachs gegenüber den Vorjahren. Im Vergleich zu den derzeit besten Technologien der getrennten Erzeu-gung von Strom und Wärme erzielen KWK- Anla gen je nach Versorgungssituation Primär energieeinsparungen von zehn bis über 30 Prozent. Ihr Wirkungsgrad beträgt bis zu 92 Prozent. Hinzu kommt eine Ein-sparung von 56 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr.

Rentabel durch gute Planung

Ohne staatliche Förderung allerdings sind Bau und Betrieb weiterer KWK-Anlagen zunächst kein Geschäft mehr. So stellt ein vom Bundeswirtschaftsministerium in Auf-trag gegebenes Gutachten vom Oktober 2014 unter anderem fest: „Mit Gas befeuerte KWK-Anlagen sind ohne Förderung in kei-nem der betrachteten Fälle wirtschaftlich. Mit Förderung erzielen nur Anlagen mit einem hohen elektrischen Wirkungsgrad einige Jahre einen positiven Deckungs-beitrag.“ Aber es gibt Unternehmen, die es versuchen, wie die Flensburger. „Das ist die beste der schlechten Möglichkeiten“, sagt Karsten Müller-Janßen mit Blick auf den extrem volatilen Strommarkt. „Durch die gute Planung bis ins letzte Detail können wir die Anlage rentabel halten.“ Ihrem lang-fristigen Ziel, bis zum Jahr 2050 ein klima-neutrales Heizkraftwerk Flensburg zu be-treiben, sind die Stadtwerke einen großen Schritt näher gekommen. Stolz ist man auch

in Berlin, bei der Fernheizwerk Neukölln AG (FHW), einer Tochter von Vattenfall Europe Wärme, denn seit Anfang März ist die Power-to-Heat-Anlage am Weigand-ufer in Betrieb. Dr. Tobias Bachmann, der die Anlage konzipiert und den Bau betreut hat, berichtet, dass Fachbesucher aus ganz Deutschland anreisen, um zu erfahren, wie man mitten in der Großstadt Kraftwerke sinnvoll erneuert.

Die FHW baute einen Öltank zum Wär-me speichernden Riesen um: 22 Meter hoch, Durchmesser 26 Meter, voll mit heißem Wasser. Genug, um an einem frostigen Wintertag rund 3.250 Haushalte einen Tag lang mit Fernwärme zu versorgen. Dieser Wärmespeicher ist ein Symbol der Wär-mewende im Bezirk und Bestandteil einer einzigartigen Technologiekombination. Nach dem Tauchsiederprinzip kann sie Strom in Wärme umwandeln. Zusätzlich wurden vier neue BHKW in Betrieb ge-nommen und zwei bereits bestehende auf Biome than umgestellt. Das neue KWKG von 2012 hat es ermöglicht, 12,5 Millionen Euro in diesen Standort zu stecken. „Eine stolze Summe, die wir sehr gern investiert haben“, sagt Ulrich Rheinfeld, Vorstand der FHW. Die Technologie ist nutzbar, um die Stromnetze zu stabilisieren und regenerativ erzeugten Strom in die Fernwärmesysteme zu integrieren. „Was uns hier am Standort gelungen ist, ist ein ideales Zusammen-spiel zwischen Erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung“, so Rheinfeld. Al-lein durch die neuen Blockheizkraftwerke kann der CO2-Ausstoß der Fernwärme in Berlin rechnerisch um jährlich rund 6.500 Tonnen entlastet werden. Bezogen auf sei-nen Wärmeabsatz hat das Fernheizwerk die spezifischen CO2- Emissionen seit 1990 sogar bereits halbiert.

Zwei Unternehmen von vielen, die auf KWK setzen – eine Investition in die Zu-kunft. Flexibel und umweltschonend.

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Page 35: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

UNTERNEHMERGEIST • KRAFT-WÄRME-KOPPLUNG

Zukunftstaugliche Technik: Blick in das Innere einer Gas-und-Dampf-Anlage.

KRAFT-WÄRME-KOPPLUNG • UNTERNEHMERGEIST

35STREITFRAGEN — Juni 2015

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Page 36: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

Wenn der Akku für 3.000 Kilometer

Autofahrt reicht …

... wird's richtig vollDenn jeder, der das kann, wird sein Auto über Solarzellen auf dem

Dach, Windräder an der Hauswand oder sonst wie erneuerbar laden. Einmal bezahlt – immer betankt. Die Grenzkosten für den Mehrkilo-

meter verschwinden. Und damit der Grund, zu Fuß zu gehen. Foto

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STREITFRAGEN — Juni 201536

SZENARIO • E-MOBILITÄT

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... wird alles ganz anders. Dann ist der Abgesang auf den Verbrennungsmotor schon verklungen und die Öl- und Gasbranche

sollte dabei sein, sich ein neues Geschäft aufzubauen. Aber hat eigentlich jemand einen Plan für den Tag X in der Schreibtischschublade?

Von TOM LEVINE

Die E-Mobilität der Zukunft braucht keine Tankstelle. Nachgeladen wird per Induktion vor der roten Ampel, im Parkhaus, zu Hause. Es sei denn, die Tank-

stelle erfindet sich neu. Als Lifestyle-Accessoire zum Beispiel. Und die Oldtimer können dort dann noch ein bisschen Benzin tanken. Wie früher halt.

... werden zapfsäulen exoten

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E-MOBILITÄT • SZENARIOSZENARIO • E-MOBILITÄT

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Vordenker der E-Mobilität schwärmen schon seit Jahren von der Idee, die Pkw-Flotte zum virtuellen Speicher für überschüssige Energie zu

machen. Konsequent zu Ende gedacht: Wir werden dann auch unseren E-Grill am Auto anschließen beim Picknick. Oder den Heizstrahler.

... wird das Auto zur Batterie

er Tag wird kommen. Es wird einen Auto-Akku geben, der sich in der Kaffeepause wie-der aufladen lässt. Man wird mit einer Batterie ladung nach Portugal fahren können und

dann noch schnell am Nordkap vorbei. Li-thium-Ionen-Batterien, die heute in E-Au-tos und Handys stecken und über deren be-grenzte Entwicklungsmöglichkeiten deshalb viel geschrieben wird, werden ihren gebüh-renden Platz im Deutschen Museum ein-genommen haben. Der Tag wird kommen.

Nicht übermorgen. Nicht nächstes Jahr. Vielleicht nicht mal 2025. Aber irgendwann ist es halt so weit. Alles andere wäre eine

Überraschung. Den Effekt, der eine zuvor absehbare Entwicklung unvorhersehbar ver-ändert, nennt man gemeinhin einen Game Changer. In Sachen E-Mobilität sind solche Spielveränderer immer wieder mal auf- und gleich wieder abgetaucht, nachdem manch revolutionärer Durchbruch in der Ener-giespeicher-Technologie dann doch nicht hielt, was man sich erst versprochen hatte.

Doch jetzt tut sich was. Finanzinstitute und -analysten verfolgen aufmerksam die Entwicklungen am Batteriemarkt. Da wit-tert jemand ein Geschäft. Die Kapazität des Stromspeichers im Fahrzeug ist ein Game Changer par excellence. Sobald das E-Au-to dem Benziner oder Diesel-Fahrzeug in

Dder täglichen Nutzung nahekommt, ist es für die E-Mobilität mit dem Nischenda-sein vorbei. Volkswagen schätzt, dass die Alltagstauglichkeit ab einer Reichweite von etwa 500 Kilometern kommt; der Konzern will dies 2020 erreicht haben. Experten wie Dr. Karsten Kieckhäfer vom Institut für Automobilwirtschaft und Industrielle Pro-duktion (AIP) der Technischen Universität Braunschweig legen den Triggerpunkt eher auf 800 Kilometer. So richtig zur Revoluti-on aber kommt es erst, wenn die „Stromer“ noch viel weiter aufdrehen. Bei Reichwei-ten von mehreren 1.000 Kilometern werden die „Verbrenner“ uninteressant. Dann wird alles anders. Die Abhängigkeit vom Erdöl Fo

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SZENARIO • E-MOBILITÄT

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Die Zukun� des Akkus dür�e Aluminium bestimmen. Hergestellt wird es unter anderem aus dem Aluminiumerz Bauxit. Hier die

Deponie bei Stade an der Unterelbe aus dem Jahr 2009.

... wird nicht alles gut

� Mehr zu diesem Thema auf streitfragen.de/szenario

etwa ist dann schlagartig vorbei, mit ent-sprechend ernüchternden Folgen für die ölproduzierenden Länder und die Ölin-dustrie. Die dezentrale Produktion eigenen Stroms hingegen wird massiv zunehmen. Mit einer hochkapazitären Batterie im Auto vor der Tür haben die Verbraucher extreme Bewegungsfreiheit, vor allem aber ihr eige-nes Speichermedium für die Dunkel�aute. Zur Absicherung der Versorgungssicherheit werden entsprechend abgesicherte lokal autarke Stromnetze ausreichen, sobald eine „smarte“ Lade-/Entlade-Architektur bereit-steht. Letztendlich werden viele Wirkun-gen von den realen Zahlen abhängig sein: Je mehr E-Autos auf der Straße, desto billiger

werden Batterien sein, desto eher entsteht eine eigene Stromspeicher-Ökonomie. Es wird spannend.

Mangelt es an Lithium?

Steigt die Menschheit global und massen-weise auf E-Motoren um, wird es gleichwohl neue Engpässe geben. Lithium als wichtiger Grundsto� fast aller heutigen Akku-Gene-rationen dür�e dabei nicht zur Bückware werden: Experten gehen eher davon aus, dass die Batterien der Zukun� auf Alumi-nium basieren. Welche Strommengen der-einst nötig sein dür�en, um die Fahrzeug-�otte in Bewegung zu halten, ist auch schon

bekannt. Pro eine Million E-Autos werden nach Schätzungen des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung drei Terawattstunden im Jahr benötigt. Bei heu-tigen Solaranlagen hieße das, dass man pro Auto-Million zehn Quadratkilometer Fläche mit Photovoltaik bedecken müsste. Derzeit gibt es 44 Millionen Autos in Deutschland. Die Fläche des Bodensees würde rein rech-nerisch also dicke reichen ...

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STREITFRAGEN — Juni 2015 39

E-MOBILITÄT • SZENARIOSZENARIO • E-MOBILITÄT

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ie Energiewende bringt neue Herausforderungen für den Energiemarkt. Stetig mehr Erneuerbare bedeuten mehr Volatilität am Markt, auf die Erzeuger und Verbrau-cher reagieren müssen. Da-

mit sie das tun, muss sich Flexibilität loh-nen. Deshalb ist es unser Ziel, diese im Strommarkt handelbar zu machen. Hier-bei ist der Marktpreis für uns das zentrale Entscheidungskriterium.

Im Februar hat die EEX einen kon-kreten Vorschlag für Energiewendepro-dukte vorgelegt. Als erstes Produkt wird im Sommer der Cap-Future starten. Mit diesem neuartigen Terminkontrakt kön-nen sich Marktteilnehmer gegen Preis-spitzen am deutschen Intraday-Markt der EPEX SPOT absichern. So kann sich ein Er-zeuger von Erneuerbaren, zum Beispiel eine Windkra�anlage, dagegen absichern, dass seine Day-Ahead-Prognose nicht zutri� – beispielsweise aufgrund des Wetters. Auf der anderen Seite steht ein �exibles (Gas-)Kra�werk, dass langfristige Einnahmen aus dem Verkauf dieser „Versicherung“ er-wirtscha�en kann.

Dieser Absicherungsbedarf wird in Zu-kun� noch zunehmen. Mit mehr Erneu-erbaren wird es schwerer vorherzusagen, wie viel Strom tatsächlich produziert wird.

Von PETER REITZ

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Peter Reitz, Chief Executive Officer der European Energy Exchange (EEX)

»Grundlage für die Energiewende bleibt der trans-parente, börsliche Marktpreis.«

Hinzu kommt, dass Fehler in der Progno-se selten nur einen Teilnehmer betre�en, sondern o� einen großen Teil des Marktes. Das führt dann schnell zu großen Preis-ausschlägen am Intraday-Markt. Durch die Möglichkeit, diese Risiken abzusichern, stärken unsere Energiewendeprodukte die Versorgungssicherheit und Stabilität im Energy-only-Markt.

Auch in Zukun� werden Marktteil-nehmer verschiedene Handelswege nutzen, denn bilateraler Handel und Börsenhandel ergänzen sich. Beispielsweise in sehr jungen Märkten können auf den Einzelkunden zu-geschnittene Produkte gefragt sein. Wenn sich Märkte aber entwickeln und der Handel zunimmt, wächst immer der Bedarf nach standardisierten Produkten. Gleichzeitig wollen alle Beteiligten, die Ö�entlichkeit und insbesondere Käufer wissen, was ein „fairer“ Preis beispielsweise für Strom ist. Diesen transparenten Marktpreis können nur Börsen bereitstellen, weswegen sich ge-rade beim Strom viele bilaterale Verträge auf die Referenzpreise der Börse beziehen.

Integraler Bestandteil beim Umbau des Energiesystems sind neue Technolo-gien. Neue IT-Lösungen wie der Einbau von Smart Metern, die alle Daten von Er-zeugern und Verbrauchern vernetzen und zusammenbringen, sind wichtig für die Weiterentwicklung des Energiesystems.

Die Visionen beschränken sich nicht nur auf Großverbraucher, sondern reichen bis zur o� zitierten Waschmaschine, die an-springt, wenn der Strom günstig ist. Was allen Ideen gemein ist: dass sie letztlich einen Maßstab für Knappheit benötigen. Und das ist der Marktpreis als zentrales Steuerungsinstrument, der an der Börse gebildet wird. Insofern machen diese Ent-wicklungen den Börsenhandel nicht über-�üssig, sondern stärken ihn weiter.

Peter Reitz, Chief Executive Officer der European Energy Exchange (EEX)

Marktpreis.Integraler Bestandteil beim Umbau

des Energiesystems sind neue Technolo-gien. Neue IT-Lösungen wie der Einbau von Smart Metern, die alle Daten von Er-zeugern und Verbrauchern vernetzen und zusammenbringen, sind wichtig für die Weiterentwicklung des Energiesystems.

Anforderungen an den Energiehandel der Zukunft

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Mit der Energiewende verändert sich auch der Energiehandel. Wenn immer mehr Strom dezentral erzeugt wird, wie verträgt sich dies mit einem zentralen Handelsplatz?

Und: Was bedeutet das für das derzeitige System? »Streitfragen« hat zwei Experten um ihre Einschätzung

zur Zukun� des Energiehandels gebeten.

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� MEINUNG• ENERGIEHANDEL

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er schnelle Ausbau der Er-neuerbaren Energien bringt eine große Herausforderung mit sich, auf die sowohl die Politik als auch die Regu-lierung rasch eine Antwort �nden müssen: Der Ein�uss

der volatilen Einspeisung der Erneuerbaren auf die Systemstabilität wird immer größer.

Während in den vergangenen Jahren hauptsächlich die sogenannten Morgen- und Abendrampen – also Anstieg und Abnahme der täglichen Last – antizipiert werden mussten, müssen wir heute auf-grund der rasant gestiegenen Anzahl der dargebotsabhängigen Erzeugungsanlagen auf quasi sekündliche, schlagartige und massive Veränderungen der Einspeisung reagieren.

Schiebt sich beispielsweise in Süd-deutschland ein spontaner Hochnebel vor die Sonne, kann das schon mal eine Last-veränderung von fünf bis acht Gigawatt zur Folge haben, die durch Regelenergie ausge-glichen werden muss. Die Übertragungs-netzbetreiber stehen vor der Herausforde-rung, die häu�geren Abweichungen zwischen Last und Erzeugung mit immer mehr Rege-lenergie ausgleichen zu müssen.

Wie kann man darauf reagieren? Eine Möglichkeit wäre, dass die Übertragungs-netzbetreiber (ÜNB) das Netz mit noch

Von EBERHARD HOLSTEIN

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Eberhard Holstein, Geschäftsführer der Grundgrün Energie

»Der Börsen-handel muss vor allem im Intra day- Handel schneller als bisher werden.«

mehr Eingri�en stabilisieren. Doch dies würde einen weiteren Einschnitt in den Wettbewerb bedeuten.

Wenn wir den Wettbewerb stärken wol-len, verlangt die stärkere Fluktuation im regenerativ geprägten Versorgungssystem nach einer neuen Kopplung von Handel und Physik auf dezentraler Ebene. Dafür müss-ten die Bilanzkreisverantwortlichen in die Lage versetzt werden, kurzfristig Flexibili-tät zu organisieren und handeln zu können, um so ungeplante Abweichungen ausglei-chen zu können. Sie müssen zunehmend an der Systemverantwortung beteiligt wer-den. Dies wäre eine privatwirtscha� liche Leistungsvorsorge, die den Wettbewerb auf Ebene der Bilanzkreise stärken würde: Die Scha�ung eines Vorfeldmarktes im Be-reich der jeweiligen Bilanzkreise, auf dem kurzfristig und wettbewerblich Flexibilität gehandelt wird. Hierzu müssen dann aber auch die notwendigen Voraussetzungen be-stehen, sodass auch Prognoseveränderungen und Erkenntnisse aus den Onlinemessun-gen innerhalb der letzten 30 Minuten vor Erfüllung bewirtscha�et werden können.

Für den Handelsplatz Strombörse wäre es in Anbetracht der beschriebenen Ent-wicklung ein Schritt in die richtige Rich-tung, wenn die Frist zur Abgabe von Gebo-ten (Gate Closure) von derzeit einer halben Stunde (plus x) auf 15 Minuten (plus x) ver-

kürzt werden würde. Oder anders gesagt: Der Börsenhandel muss vor allem im In-traday-Handel schneller als bisher werden. Ziel dieser Entwicklung ist, dass extrem kurzfristig in einem Moment für die nächs-ten Minuten Leistung eingekau� und ab-gerechnet werden kann. Weiterhin müssen Handelsplätze für den Austausch von Regel-energie auch außerhalb der ÜNB-Standards zwischen den Bilanzkreisverantwortlichen gescha�en werden.

Anforderungen an den Energiehandel der Zukunft

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41STREITFRAGEN — Juni 2015

� ENERGIEHANDEL • MEINUNGMEINUNG• ENERGIEHANDEL

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Page 42: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

meines Studiums hatten wir viel Kontakt zu Energieexperten.

... und Sie haben die Seasons University von Gridlab besucht.Ja, das hat mich fasziniert und sicher bei meiner beru�ichen Entscheidung beein-�usst. Wir konnten innerhalb der Vorle-sung Energielogistik in einem Workshop die Simu lation der Netzleitstelle von 50Hertz in Neuenhagen erleben. Wir führten selbst Schaltungen durch und haben gesehen, wel-che Konsequenzen das für die Energiever-sorgung hat.

Was raten Sie Frauen, die in der Energie-branche arbeiten wollen?Immer das Ziel im Auge behalten und selbst-bewusst sein. Im Studium waren ein Drittel der Kommilitonen Frauen. In meinem Be-reich jetzt sind es nur sieben.

Wie verschaffen Sie sich als Frau in der Branche Gehör? Steht man in Sachen Fachkompetenz den Männern in nichts nach, kann man sich problemlos durchsetzen.

Was sollten zukünftige Ingenieure in der Energiebranche mitbringen?Programmierkenntnisse und das Wissen um die rechtlichen Rahmenbedingungen sind Grundvoraussetzungen. Die Energiewende bringt es mit sich: Das, was noch vor drei Mo-naten galt, ist jetzt schon nicht mehr aktuell.

ie Energiewende bringt frischen Wind in die Branche. Neue Jobs und Chancen für junge Ingeni-eure entstehen. Zum Beispiel für

Elisabeth Habermann, die schon immer im technischen Bereich arbeiten wollte.

Frau Habermann, was machen Sie beruflich? Ich arbeite im Transmission Control Center der Leitstelle von 50Hertz in Neuenhagen und bin zuständig für den Bereich Koordi-nierung Verteilernetze.

Was heißt das? Ich beantworte Anfragen der nachgelagerten Netzbetreiber. Etwa welche Leitung wie, wa-rum und wann ausgeschaltet wird. Zudem entwickle ich mit den Kollegen Konzepte zur Verbesserung der Arbeit der Leitwarte. Was ist das Besondere für Sie an Ihrer Arbeit?Ich bin der Überzeugung, dass gerade die Netzbetreiber eine wichtige Funktion inner-halb der Energiewende übernehmen. Sie sor-gen dafür, dass das Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch gehalten wird.

Warum haben Sie sich überhaupt für die Energiebranche entschieden?Mein Physiklehrer hat uns damals viel über Elektrotechnik beigebracht und sogar er-klärt, wie Kra�werke funktionieren. Ich wollte später an einer Hochschule mit ei-nem ausgeprägten technischen Bereich und sehr praxisnaher Arbeit studieren. Während

Ingenieurin Elisabeth Habermann koordiniert Netze und garantiert damit einwandfreien Energie� uss. Die Energiewende ist für die

29-Jährige eine Chance. Im Interview erklärt sie warum. Interview: YVONNE SCHRÖDER

Netztauglich

� Mehr zudiesem Thema auf streitfragen.de/fakten

40 %der Arbeitsaufgaben

müssen kreativ gelöst werden

Name: Elisabeth HabermannAlter: 29 JahreGeburtsort: StendalWohnt in: BerlinArbeitet bei: 50HertzPosition: Koordinierung der VerteilernetzeStudium: Wirtschaftsingenieurwesen, Schwerpunkt Elektro - technik, an der Hochschule LausitzInteressen: Technik und PhysikEmpfiehlt: Jedes Jahr zum günstigsten Stromanbieter wechseln. Damit beeinflusst der Verbraucher positiv den Markt.

Steckbrief

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42 STREITFRAGEN — Juni 2015

� NACHWUCHS • NETZTECHNIK

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Page 43: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

45.000Euro Einstiegsgehalt (jährlich)

1:5ist das Verhältnis

von Frauen und Männern in der Geschäftsführung

von Unternehmen der Energiewirtschaft

40 %der Arbeitsaufgaben

müssen kreativ gelöst werden

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5Jahre hat das

Studium gedauert

43STREITFRAGEN — Juni 2015

NACHWUCHS • NETZTECHNIK NETZTECHNK • NACHWUCHS

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Page 44: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

Mit dem Stromeinspeisungsgesetz

von 1991 begann der Aufschwung

der Windenergie in Deutschland.

innerhalb von 25 Jahren sind

16.000 neue Anlagen

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ZEITREISE • EEG

44 STREITFRAGEN — Juni 2015

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derung Erneuerbarer Energien festzulegen. Noch ahnt niemand, welche weitreichende Revolution damit angestoßen wird.

Mit dem Inkrafttreten des EEG-Vorläu-fers, dem Stromeinspeisungsgesetz im Ja-nuar 1991, wird der Grundstein für eine Wende im Energiesektor gelegt. Das Ge-setz verpflichtet Netzbetreiber, den in ih-rem Versorgungsgebiet erzeugten Strom aus Erneuerbaren Energien abzunehmen. Die Höchstmenge des zu vergütenden Ökostroms deckelt das Gesetz auf fünf

or einem Viertel Jahrhun-dert beschließt Deutsch-land, nachhaltiger zu wer-den. Ziel ist, unabhängig zu sein von endlichen fossilen Energieressourcen. Dane-ben sollen die Kosten für

die Verbraucher verringert und die Ent-wicklung effizienter Technologien Erneu-erbarer Energien vorangetrieben werden. Das gesamte Energiesystem im Interesse des Klima- und Umweltschutzes umzuge-stalten, wird neben der Reform des deut-schen Sozialsystems und Arbeitsmarktes zum größten wirtschaftspolitischen Pro-jekt seit der Wiedervereinigung.

In Zeiten von Tschernobyl und Ozon-loch werden in allen politischen Lagern Klimaschutzdebatten geführt. Länder und Kommunen fordern, eine gesetzliche För-

Deutschland arbeitet seit über zwei Dekaden an der Energiewende: weniger fossile Brennstoffe und Emissionen, mehr Erneuerbare.

Mittlerweile tragen sie zu einem Viertel zum Energiemix bei. Aber das Ziel ist noch weit und der Weg bleibt steinig.

Prozent der über das Versorgungsnetz des Unternehmens abgesetzten Kilowattstun-den. Den Betreibern regenerativer Kraft-werke garantiert es eine gesetzliche Min-desteinspeisevergütung. Dafür anfallende Förderkosten werden auf die Kunden um-gelegt, ohne sie speziell auszuweisen. Das Gesetz führt zu einem rapiden Ausbau der Windenergie.

Knapp ein Jahrzehnt später ist klar: Das Stromeinspeisungsgesetz mit seinen fünf kurzen Paragraphen reicht nicht aus, um

EEGWindkraft:Die Windenergie- anlage Growian an der schleswig-holstei-nischen Westküste begann am 17.10.1983 mit der Einspeisung von Strom. Sie war lange die weltweit größte Anlage ihrer Art.

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Von MARION STARKE

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ZEITREISE • EEG EEG • ZEITREISE

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Page 46: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

die angestrebte Verdopplung regenerativer Energie am Strommix bis 2010 zu schaffen.

Der Bundestag verabschiedet das Er-neuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und beschließt damit, die Erneuerbaren als eine tragende Säule zukünftiger Energie-versorgung zu verankern. Es verpflichtet Netzbetreiber dazu, jede Kilowattstunde aus Ökostrom-Anlagen abzunehmen, sie anzuschließen und das Netz auszubauen. Die Versorger weisen die Kosten für die Verbraucher in der Praxis erstmals geson-dert aus. Der Begriff „EEG-Umlage“ etab-liert sich. Mit seiner auf Jahre garantierten Einspeisevergütung ist das EEG beliebt bei Anlagenbetreibern. So erhöht sich die Ökostromerzeugung zwischen 2000 und 2008 um das Dreifache.

Um es an die steigende Produktion und die technische Entwicklung anzupassen, durchläuft das EEG fünf Novellen. Die Ziele werden mit jeder Neuerung höher-geschraubt. So legt es 2012 fest, dass 2020 35 Prozent der Stromversorgung „grün“ sein soll, bis 2030 sogar mehr als 50 Pro-zent. Die Regierung einigt sich darauf, die CO₂-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren und sich nach und nach von Kohle, Öl und Gas zu verabschieden. Nach dem Atomunglück in Fukushima im März 2011 wird der voll-ständige Ausstieg aus der Kernenergienut-zung bis Ende 2022 beschlossen.

Zuletzt wurde das EEG im Jahr 2014 an-gepasst. Insbesondere ging es der Bundes-regierung darum, den weiteren Kostenan-stieg spürbar zu bremsen, den Ausbau der Erneuerbaren Energien planvoll zu steuern und die Erneuerbaren Energien besser an den Markt heranzuführen. Aus Sicht der Energiewirtschaft beinhaltete die EEG- Novelle 2014 insgesamt wichtige Weichen-stellungen für den weiteren, erfolgreichen Ausbau der Erneuerbaren Energien. Dazu gehörten die verpflichtende Direktvermark-tung sowie die zukünftige Ermittlung der Förderhöhe im Wettbewerb. Ende Januar 2015 beschließt die Bundesregierung die Verordnung für die künftige Ausschreibung von Photovoltaik-Freiflächen und vollzieht damit einen weiteren wichtigen Schritt in

Richtung Marktintegration. Hauptziel die-ser Maßnahme ist, die Kosteneffizienz bei der Förderung von Strom aus Erneuerba-ren Energien zu steigern. Ab 2017 soll die Förderhöhe für Strom aus allen Erneuer-baren Energien wettbewerblich im Wege von Auktionen ermittelt werden.

Das EEG kann zurecht als Grundstein der Energiewende betitelt werden. In den 15 Jahren seit seiner Einführung wurden Tau-sende Arbeitsplätze geschaffen und mehr als 1,4 Millionen Photovoltaikanlagen auf deutschen Dächern installiert. Mit 160,6 Milliarden Kilowattstunden liefern sie 2014 mehr als ein Viertel der deutschen Brutto-stromerzeugung. Damit haben sie – insge-samt betrachtet – erstmals den Hauptan-teil im Energiemix. Nicht zuletzt aufgrund dieser Erfolgsgeschichte orientieren sich mittlerweile 47 Staaten am deutschen EEG.

Deutschland will grünes Vorbild bleiben. Doch das Klimaziel von 80 bis 95 Prozent bis 2050 gegenüber 1990 steht auf der Kip-pe. Kritische Kommentare zum Erneuerba-re-Energien-Gesetz werden immer lauter. Die Bundesregierung müsse die Privilegien für energieintensive Unternehmen dros-seln – ohne den Ausbau der Erneuerbaren Energien abzuwürgen.

Die nötigen Emissionsminderungen las-sen sich nur erreichen, wenn die Energie-effizienz in allen Bereichen deutlich steigt. Auch ein neues Marktdesign zum Mitein-ander von konventionellen und regenera-tiven Energien steht auf der Agenda. Neue Speichertechnologien müssen entwickelt und das Stromnetz mit mehreren Tausend Kilometer Stromtrassen verstärkt werden. Der Strom aus windstarken Nordsee re-gionen muss verlustarm von Nord nach Süd fließen können. Geplant sind Strom-autobahnen für ein energieeffizientes Transport- und Verteilsystem, die ganz Europa durchziehen. Die Verteilung soll dezentral gesteuert werden. Mithilfe einer moderneren Infrastruktur sollen Versor-ger von zentralen Hubs aus die Regionen bedienen.

Fortsetzung folgt. Die nächste EEG-Novel le soll 2016 beginnen.

2014 wurden erstmals über 25 Prozent der deutschen Bruttostromerzeugung aus Erneuerbaren Energien gewonnen. Wenn es nach der Bundesregierung geht, sollen es bis 2050 sogar 80 Prozent sein.

Neuer Wind:Von Weitem sieht der Windbaum der Firma New Wind wirklich aus wie ein Baum. Das Kleinstkraftwerk wiegt sich mit seinen 72 Turbinen im Wind und soll dabei Strom erzeugen.

Bis 2050

2014

1,0 %Siedlungs-

abfälle

3,3 %Wasser

5,7 %Solar

7,0 %Biomasse

9,1 %Wind

ErneuerbareEnergien26,2 %

Braunkohle25,4 %

Steinkohle17,8 %

Kernenergie15,8 %

Erdgas9,5 %

Mineralölprod.5,4 %

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ZEITREISE • EEG

46 STREITFRAGEN — Juni 2015

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Page 47: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

40 ProzentPreissteigerung

pro kWh

In 7 Jahren

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ZEITREISE • EEG EEG • ZEITREISE

47STREITFRAGEN — Juni 2015

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Page 48: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

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Antwort mehrmals möglich.

Spielregeln:

Antwort nur einmal möglich.

Extrarunde nur einmal möglich.

Wann wardie Inbetriebnahme

der Blöcke?

Suche juristische Klärung des Begriffs„Inbetriebnahme“.

Hast Du malmodernisiert?

Kaufe Zertifikate für 18 bis 20 Euro

pro Tonne CO2. Ist DeinKraftwerksbetrieb noch

ökonomisch?

Stelle Still-legungsantrag.

… Kraftwerk, das dem Emissionshandel

unterliegt.

Nach1997.

Immer noch vor 1997.

Ja, aber nur so ein bisschen.

Nein

Ja, mit Einbau eines neuen Kessels vor 1997.

Doch späterals 1997.

… Kraftwerk, das dem Emissionshandel

nicht unterliegt.

Bewilligung

Ablehnung

Vor1997.

JaNein

Unterteile es inKraftwerksblöcke –

eine interne Übertragungist nicht möglich.

Du hast ein…

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Klimabeitrag: zahlen oder nicht.Wie steht es mit Ihrem Kraftwerk ?

Jetzt!

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48 STREITFRAGEN — Juni 2015

� SPIEL • CO2-REDUKTION

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(Fußnote: Regelungsvorschlag des BMWi zum nationalen Klimaschutzbeitrag der deutschen Stromerzeugung, Stand März 2015)

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!Klage gegen Bescheidmit dieser ungewöhnlichenBerechnungsart bzw. gegendas Verfahren.

Klage am EuGH gegen die wettbewerbsverzerrende Wirkung der nationalen

Abgabepflicht.

Suche juristische Klärung des Begriffs

„grundlegendeModernisierung“.

„Frei parken“.Fein raus.

Gehe zur Kasse und zahle direkt ein.

Und tschüss!

Antrag wird abgelehnt von der Bundesnetzagentur.

Finde jemand anderen, der die Zeche zahlt.

Abwarten undTeetrinken.

Gilt nichtfür Dich.

Verfahrenillegal.

Verfahrenlegal.

Klimabeitrag und Abgabepflicht mit

EU-Recht vereinbar.

Abgabepflicht nicht mit EU-Recht vereinbar.

Maßnahmen stellen Eingriff in das Markt-

geschehen dar.

Gilt für Dich.

Beantrage den Emissions-freibetrag bei der Behörde.

Kraftwerksleistung in Gigawattstunden mal 3 bis 7 Millionen Tonnen CO2

linear absinkend vom 21. bis zum 41. Jahr, danach

gesockelt.

Ist derVerwaltungsaufwandzu hoch, besorge Dir

zusätzliche Mitarbeiter, diesich um den Antrag

etc. kümmern.

Suche juristische Klärung des Begriffs „Kraftwerksleistung“.

Hast Du eine KWK-Anlage,

dann kassiere den Wärmebonus.

Erst einmal aussetzen. Dein Freibetrag an CO2

ist unbegrenzt bis 20 Jahre nach Fertigstellung. Ab dem 21. Jahr darfst Du

wieder mitspielen.

Du hast ein…

49STREITFRAGEN — Juni 2015

�CO2-REDUKTION • SPIELSPIEL • CO2-REDUKTION

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Page 50: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

ANGELA MERKEL FORDERT

AUSSTIEG AUS DER KOHLE

KLIMAPAKET GEKIPPT: KOALITION STOPPT STEUERBONUS FÜR

GEBÄUDESANIERUNG

STROMTRASSEN-STREIT »BAYERN SABOTIERT DIE

ENERGIEWENDE« DEUTSCHLANDFUNK, 19.5.2015

(ZITAT VON NILS SCHMID)

SPIEGEL ONLINE, 26.2.2015

SÜDWEST PRESSE, 1.4.2015

SCHLAGZEILEN,DIE WIR LESEN MUSSTEN

ENERGATE MESSENGER, 20.3.2015

REGIERUNG SETZT AUF STROMMARKT 2.0

ENERGIEWENDE: NICHTS PASST ZUSAMMEN

DER TAGESSPIEGEL, 20.5.2015

50 STREITFRAGEN — Juni 2015

SCHLAGZEILEN • MEDIENCHECK

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Page 51: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

SCHLAGZEILEN,DIE WIR LESEN MUSSTEN

� Mehr Schlagzeilen auf streitfragen.de

DEUTSCHLAND FOLGT FRANZÖSISCHEM BEISPIEL:

KAPAZITÄTSMARKT KOMMT

GABRIEL GREIFT EIN: AB JETZT ENERGIEPOLITIK

AUS EINEM GUSS

DAS TRAUERSPIEL IST BEENDET: ENDLICH EFFIZIENTE MASSNAHMEN

ZUR CO2-REDUZIERUNG IM WÄRMEMARKT BESCHLOSSEN

DIE

SCHLAGZEILEN,DIE WIR GERNE GELESEN HÄTTEN

BUNDESREGIERUNG FOLGT DEM AUFRUF DER

ENERGIEWIRTSCHAFT: ALLE BETROFFENEN AKTEURE MÜSSEN AN EINEN TISCH

SEEHOFERS KEHRTWENDE: »NEUE STROMTRASSEN SIND FÜR DEN ERFOLG DER ENERGIEWENDE

UNUMGÄNGLICH. AUCH IN BAYERN«

51STREITFRAGEN — Juni 2015

SCHLAGZEILEN • MEDIENCHECK MEDIENCHECK • SCHLAGZEILEN �

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NEu!Streit--fragen

Das Magazin der Energie- und Wasserwirtschaft

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Page 53: BDEW-Magazin "Streitfragen" - 1/2015

Was kommt

Impressum

Die Energie- und Wasserbranche ist in Bewegung. Fortwährend � nden Kongresse, Tagungen und Foren zu aktuellen politischen,

rechtlichen und wirtscha� lichen � emen statt.

HerausgeberBDEW Bundesverband der

Energie- und Wasserwirtscha� e.V.Reinhardtstraße 32

10117 [email protected]

www.bdew.de

GesamtverantwortungMathias Bucksteeg

ChefredaktionHenning Jeß

RedaktionsschlussJuni 2015

Konzept und RealisierungC3 Creative Code and Content GmbH,

unter redaktioneller Mitarbeit von Ricarda Eberhardt, Birgit Heinrich (Bildwelt), BDEW

Druck und VerarbeitungBrandenburgische Universitätsdruckerei

und Verlagsgesellscha� Potsdam mbhKarl-Liebknecht-Straße 24/25

14476 Golm bei Potsdam

Und hier geht’s weiter:www.streitfragen.deDiskutieren Sie mit, erfahren Sie mehr.

29.–30.9.2015: Wasserwirtschaftliche

Jahrestagung 2015, Berlin

21.10.2015: Forum für kleinere

und mittlere Stadtwerke, Schwäbisch Gmünd

18.–19.11.2015: Nationaler IT-Gipfel 2015,

Berlin

30.11.–11.12.2015: UN-Klimakonferenz,

Paris

03.12.2015: Forum für kleinere und mittlere Stadtwerke,

Hamburg

12.11.2015: Gasdialog 2015, Berlin

6.10.2015:Forum für kleinere

und mittlere Stadtwerke, Bad Kreuznach

TERMINE • VERANSTALTUNGEN �

53STREITFRAGEN — Juni 2015

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»Eine Beeinflussung öffentlich genutzter Trinkwasserbrunnen und Heilquellen ist nicht zu befürchten. Eine weitere Versenkung von Salzabwasser im hessischen Teil des Werra-Reviers ist deshalb ohne Gefährdung der Trinkwassergewinnung möglich.«Pressemitteilung von K+S, 16.4.2015

OUTRO Streitpunkt Wasser

OUTRO • TRINKWASSER

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»Wir befürchten, dass die Laugenverpressung längst zu irreparablen Schäden in Grund- und Trinkwasservorkommen geführt hat. Die Fortsetzung der Versenkung ist nicht mehr zu verantworten.«Burkhard Vogel, Landesgeschäftsführer des BUND Thüringen, 11.5.2015

TRINKWASSER• OUTRO

55STREITFRAGEN — Juni 2015

INTRO Streitpunkt Energie

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»Der prozentuale Anteil der Netzbetreiber, die vom vereinfachten Verfahren Gebrauch machen, [ist] mit ca. 80 Prozent spartenübergreifend sehr hoch und stößt auch bei der Europäischen Kommission auf rechtliche Bedenken. Es wird daher eine Absenkung der bestehenden Schwellenwerte auf 7.500 angeschlossene Kunden für Gasnetzbetreiber und 15.000 angeschlossene Kunden für Stromnetzbetreiber geprüft.« Eckpunktepapier des Bundeswirtschaftsministeriums zur Novellierung der Anreizregulierung, 16.3.2015

THEMA • INTRO

2 STREITFRAGEN — Juni 2015

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Juni 2015

Das Magazin der Energie- und WasserwirtschaftStreit--

fragen Jetzt neu!

Kleinteiliger, grüner, dezentraler: Die Energiebranche ist im Umbruch. Der Kunde wird zum Prosumer, der Konsument zum Wertschöpfer –

und Partner.

Neue Aussichten

KWK

Unternehmen setzen weiterhin auf die effiziente Technologie

Abwasser

Brauchen wir die 4. Reinigungsstufe?

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