bolero maerz 2012-ausgabe

15
Das Schweizer Magazin für Mode, Schönheit und Kultur MÄRZ 2012 CHF 8.50 € 6.– www.boleromagazin.ch 9 771420 394000 03 + 70 Seiten neue Sommermode Make-up à la Marilyn Monroe Marni für H&M T. C. Boyle James Ferragamo Michael Fassbender City-Guide Florenz Christian Spuck

Upload: possenti-irina

Post on 09-Mar-2016

215 views

Category:

Documents


2 download

DESCRIPTION

bolero maerz 2012 magazin

TRANSCRIPT

Page 1: bolero maerz 2012-ausgabe

DasSchweizerMagazinfürMode,SchönheitundKultur

MÄRZ2012CHF8.50 €6.–www.boleromagazin.ch

9 771420 394000

0 3

+70SeitenneueSommermodeMake-upà la

MarilynMonroe

Marni fürH&M

T.C.BoyleJamesFerragamo

MichaelFassbenderCity-GuideFlorenz

ChristianSpuck

UG_BOL_3_6S_Gatefolder.indd 1 30.01.12 17:25

Page 2: bolero maerz 2012-ausgabe

50FOTOGRAF: JOACHIM BALDAUF REALISATION: MARTINA RIEBECK

MODEL: EVA PADBERGHAIR: GIOVANNI ERROI/GREENAPPLE

MAKE UP: ADALBERTO P., USING CARLO BAY COSMETICSFOTOASSISTENZ: PATRICE BRYLLA

EswardieZeit derschwingendenTellerröcke

undPetticoats,dergeknotetenBlusenundderCocktailstunden.

Die fünfzigerJahrekehrenimSommer2012zurück.

er

Die

Page 3: bolero maerz 2012-ausgabe

Schmal geschnittenes Kleid aus hellblauerBaumwollspitzemit applizierten Blumen.

Darunter Unterwäscheset aushellblauer Seide.Alles Dolce &Gabbana.

Handschuhe,Sermoneta.Ohrringe, Philippe Ferrandis, gesehen beiBijoux deGhislaine.Kette, Sharra Pagano.Pumpsmit Stilettoabsatz, Sergio Rossi.

| märz 12 | bolero 109

Page 4: bolero maerz 2012-ausgabe

| märz 12 | bolero 43

TEXT: SARA ALLERSTORFER

Dasswir dieWörter Stilikone undVictoria Beckham einmal ineinemAtemzugerwähnenwürden,hättenwir inunserenkühnstenTräumen nicht erwogen. Tatsache ist, und dasmüssen wirneidlos anerkennen: Victoria Beckham hat sich von Posh Spiceund der Fussballer-Ehefrau zur ernstzunehmenden Designerinhochgearbeitet. Noch 2007 setzte sie der amerikanischeMode-kritiker Mr. Blackwell auf seiner Liste der am schlechtestenangezogenen Prominenten auf Platz eins. Ende letzten Jahreskonterte Beckhammit einer Nominierung für den «British FashionAward» in der Kategorie «Designer Brand of the Year 2011»,den sie dann auch prompt gewann. Erst 2008 hatte die Britin ihrgleichnamiges Label lanciert, in demBewusstsein, dass die Branchedie Nase rümpfen würde. Aber das liess die in der Öffentlichkeitstets kühl und reserviert auftretende Beckham kalt. Ihre Mode-besessenheit – angeblich soll sie 100 Hermès «Birkin»-Taschenbesitzen – und ihre Freundschaftmit einigen der bestenDesigner,zahlten sich aus. Heute verkauft sie weltweit in 300 Geschäftenund der Umsatz steigt von Jahr zu Jahr um 120 Prozent. Sowuchs in den vergangenen Jahren nicht nur ihr Label, sondernVictoria Beckhamwuchs auch an ihrem Label.

StilikoneimMärz:VonderGirlgroupindenModeolymp–VictoriaBeckham

STIL

Obwohl Victoria Beckhamversucht, ihr Unternehmen(ihr Geschäftspartner ist derbritische Musikmogul SimonFuller) in Babyschrittenwachsen zu lassen, reissensich Stars wie GwynethPaltrow oder Cameron Diazum ihre Kollektion, die zuhundert Prozent den Lookihrer Gründerin verkörpert:elegant, luxuriös und stetsTopqualität. Beckham wurdevom B-Promi zur Stilikoneeiner ganzen Generation.

www.victoriabeckham.com

Fotos:

Pho

tosh

ot(1),Key

ston

e(1)

Page 5: bolero maerz 2012-ausgabe

Fashion-MopsAntonioMarras,Balmain,

GiuseppeZanotti,Valentino, VersaceundweitereModedesignerbringenDesign insKinderzimmer.Auf

Initiative vonSteiff undderOnline-Boutique

Luisaviaroma.comhaben20Designer je einen

Steiff-Mops angekleidet.DerGesamterlös kommtderUNICEFzugute. | ALB

44 bolero | märz 12 |

STILneuigkeiten

Kunst trifft Mode

Malerische GarderobeLolaMontes Schnabel heisst dieAuserwählte,die vom italienischen Modelabel Sportmax«Carte Blanche» erhielt, umeineCapsule-Kollektion zuentwerfen.NachChristopheBrunnquell, ArtDirector beim«PurpleMaga-zine», undMusikerinKimGordonvonSonicYouth, ist dies dasdritteMal, dass bei Sport-max ein jungerKünstler das kreative Zepterübernimmt.Dass inderFamiliederApfelnichtweit vomStammfällt, ist unübersehbar, istLolaMontes Schnabel dochdie Tochter desKünstlers,MalersundFilmemachers JulianSchnabel. Sie gehört jener jungenKreativszenean, die sich alsAllround-Talente einenNamengemachthaben.LolaMontesSchnabelistMalerin,Regisseurin, Fotografin, formt Skulpturenundbetätigt sich zeitweise als SchauspielerinoderDJ. Für Sportmaxaberhat sie denPinselgeschwungen. Entworfenhat sie romantische,feminineZeichnungen inWasserfarbe,diezumTräumenanregen.Umso schöner, dass es LolasKunst jetzt inFormeinerCapsule-KollektionzumAusführengibt: auf drei verschiedenenSchals, einemTopundeinemShopper.Dieinsgesamt fünfStückesindauf1000Exemplarelimitiert undab sofort erhältlich. | ALB

Ballerinas stehen seit jeher für feminine Eleganz und zeugen vonUnderstatement. Dieswissen auch dieMacherinnen bei Attilio Giusti Leombruni, die sich auf flaches Schuhwerkspezialisiert haben. Inspiriert vonBlumenund angelehnt an die Leichtigkeit der Blüten-blätter, präsentiert A.G.L. die Ballerina-Kollektion«Flower Ballet».Die Ballerinas kommenin superweichem, natürlichemLeder und in zarten Blumenfarben daher: Von Tulpenrotoder Lilienweiss bis hin zuHortensiengrün. Ab 265 Franken zu erstehen. | ALB

In Zusammenarbeit mit dembekannten Editor JeffersonHack, unter anderemMitbe-gründervon«Dazed&Confused»,entstand die «No_Code»-Kol-lektion von Tod’s. Die insgesamtvierModelle sind anKosmo-politen gerichtet, die 24 Stundenauf denBeinen sind und inSachen Stil keineKompromissemachenwollen. Die Schuh-modellesindklassischimDesignundhochwertig inderQualität.Die vierModelle der «Tod’s No_Code»-Kollektiongibtes inviereklektischen, saisonalen Farbenund sind ab sofortweltweit inTod’s-Stores erhältlich. | ALB

Capsule-Kollektion

SommerkollektionBLUMENTANZMITBALLERINASVONA.G.L.

UNISEXMITTOD’S«NO_CODE»HEISSTDIENEUESCHUHKOLLEKTIONVONTOD’S,DIE SOWOHLFÜRFRAUENWIEMÄNNERENTWORFENWURDE.

Charity

www.attiliogiustileombruni.comwww.longchamp.com

www.longchamp.com

Page 6: bolero maerz 2012-ausgabe

BEAUTY

| märz 12 | bolero 93

FOTOS: DINAH HAYT STYLING: JUNE NAKAMOTOMAKE-UP: MILY SEREBRENIKHAIR: CHRISTIAN ATULLY/B-AGENCY.COMMODEL: NOÉMIE/MAJORPARIS.FRLOCATION: «SUITE IMPÉRIALE» UND «GRAND SALON»,SHANGRI-LA HOTEL PARIS, SHANGRI-LA.COM

Augen:«Les4Ombres34Eclosion»,«StyloYeuxWaterproof85Grenat»,«MascaraSublime10DeepBlack».Lippen:«RougeCocoBaume»,«RougeCocoShine69Flirt».Nägel:«LeVernis533April».Teint:«Vita-lumièreAquaCompact»,«BlushHorizondeChanel».Parfum:«No5».AllesvonChanel.Strasskleid&Armbänder:Chanel

MAGICMARILYN.WirfeiernihrenGlamourmiteinerFoto-HommageunddenneuenMake-up-Looks.

Page 7: bolero maerz 2012-ausgabe

Augen:«EyeShadowx4Shop&Drop»,«FluidlineMidnightSnack»,«MascaraOpulash–Bad,Bad,Black».Lippen:«KissableLipcolourScan-Delicious».Nägel:«NailLacquerRougemarie».Teint:«CremeblendBlushFlorida»,«StudioCareblendPressed».AllesvonM.A.C.Petticoat-Kleid:PauleKa.Ohrringe:VintageClothingParis

RECHTS:Augen:«ShimmeringCreamEyeColorBL215 Ice»und«PK214PaleShell»,«PerfectMascaraFullDefinitionBK901Black».Lippen:«ShimmeringRougePK415Sorbet».Teint:«SheerMatifyingCompact».Körper:«FirmingBodyCream».AllesvonShiseido.Perlenkette:AgathaParis

Page 8: bolero maerz 2012-ausgabe

| märz 12 | bolero 73

KULTUR

OBEN: «Yayoi Kusama inYellow Tree Furniture», 2010.

UNTEN: «OneThousandBoatsShow», 1963.

CopyrightFotos:YayoiKusamaand Yayoi Kusama Studios.

TEXT: LEONI JESSICA HOF

SchonalsKindmalte die JapanerinYayoiKusama (*1929) Punkte,Netze,Muster. IhreVorgehensweise ist obsessiv, sie selbst schreibt inihrerAutobiografie:«Ich sahaufdasMusterderTischdecke, als ichaufblickte, bedeckte dasselbeMuster dieDecke, die Fenster und dieWände,denRaum,meinenKörperunddasUniversum.»IhreHallu-zinationenwurdenzumBestandteil ihrerKunst,KusamamaltPunkteauf Leinwände, Skulpturen,Menschen.Mitte der fünfziger Jahreging sie nachNewYork, hier entstandenFotos von ihr, eingehüllt inprächtigeKimonos –oder splitterfasernackt. Es folgtenHappeningsundBodypainting-Events. Seit sie 1973nach Japanzurückkehrte,lebt sie ineinerPsychatrie, hier entsteht ihreKunst. Zu sehen ist diesenunineinerAusstellungderLondonerTateModern.DenPolka-Dotskonnte sich auch Louis-Vuitton-KreativdirektorMarc Jacobs nichtentziehen, der an einerKollektionmit der Japanerin arbeitet.«Yayoi Kusama»,Tate Modern London, 9. Februar bis 5. Juni. Die Louis-Vuitton-Kollektion ist ab Juli erhältlich.

— InvasionderPolka-Dots—Die japanischeKünstlerinYayoiKusamamachtaus ihrenObsessionenKunst.

Page 9: bolero maerz 2012-ausgabe

Es ist wie ein musikalisches Erwachen nach einem langen, kaltenWinter: schweremelancholische Jazz-, Polka-, Rock- undGipsy-Klänge, verpackt in starkenundeigenwilligenMelodien.DieBernerKummerbuben–eineder spannendstenSchweizerBandsderzeit –habensoeben ihrdrittesAlbumaufgenommen.BekanntwurdedieTruppe rundumSänger Simon Jäggi vor vier Jahrenals«Erneuererdes SchweizerVolkslieds», als eineArtKonzeptband,welchedieTextealterVolksliedermitanBalkan-undZigeunermusikangelehntemPopvertonten.Diese Zeit ist nunoffensichtlich vorbei. JäggischriebdieTexte selbst; daseinst sodominierendeAkkordeon ist in

denneuen Songs nichtmehr zu hören. Nun kommen Zupf- undStreichinstrumentewieBanjo,Mandoline,GeigeundKontrabassweitbesser zur Geltung, die Musik klingt durchdachter, feiner.Auch Jäggis tiefe Stimme tönt nichtmehr ganz so rauwie bisher.DafürerinnerndieTextenunnochmehranverwunschene,manchmalgar grausameMärchenaus finsterenZeiten.DerKummer ist ge-blieben.DochdieBubensinderwachtundeigenständigergeworden.

Kummerbuben,Weidwund, Irascible.Live: 1. 3.Moods Zürich, 2. 3. Reitschule Dachstock (Plattentaufe) Bern,30. 3. KIFFAarau.

KnackeboulModeratorTBA

Er ist derzeit derMass-stab für Schweizer«Rhymes».KeinandererMC rappt überzeugen-der, besitzt mehrWortwitz als «Knack».Sein letzter Longplayer«Hotel Hektik»war einHip-Hop-Wort-Juwel,als «OrlandoMenthol»mischt er jetzt dieElektro-Szene auf.Hut ab. | SAD

Leonard CohenOld IdeasSony

«I’ve got no future – Iknowmy days are few»,singt der 77-jährigeCohen. Ganz so düsterwie in der Vorab-Single«TheDarkness» ist dasAlbum nicht. Die typi-schen Cohen-Themendominieren: Verlangen,Bedauern, Leiden –musikalisch hübschuntermaltmit Klavierund Gitarre. | SAD

The Little WilliesFor The Good TimesMilking Bull/EMI

Undwieder schlagensiezu, Norah Jones und ihreKollegen,die sichdie«grösste kleineBar-BandinNY»nennen.MitLeeAlexander,RichardJulian,JimCampilongoundDanRieser teiltFrauJones die Liebe zu OldFashionedCountrySongs,undmankommtnichtunmhin, ihreLiebezu teilen. | JSC

Colette & RoseMélodies démoliesExperimentalstudioBrigittenau/RoughTrade

Die Schweizer Musike-rinnenMuriel ZempundVeraFischer kennensich seit Kindesbeinenundmachen ebensolangegemeinsamMusik.Jetzt präsentiert dasDuo seine erste CD,auf der sie sich dasfranzösische Chansonvorknöpfenundgenuss-voll demolieren. | JSC

David GarrettLegacyDecca/Universal

Er stand imGuinessbuchderRekordeals schnells-ter Geiger der Welt, ver-diente sich seinMusik-studiumunter anderemals StrassenmusikantundModel, und jetzt ister DERKlassik-Best-seller. Natürlich spieltGarrett abseits der«richtigen» E-Musik,aber Geige spielen, daskann erwirklich. | JSC

Unsere fünf Richtigen des Monats

Das Ende desWinterschlafs —DieBerner Kummerbuben sind erwacht.TEXT: SALVI ATASOY

KULTURmusik

Die BernerKummerbuben

sind eine derspannendsten

Schweizer Bands.

82 bolero | märz 12 |

Page 10: bolero maerz 2012-ausgabe

38 bolero | märz 12 |

«DerTod inVenedig»verlangteKarl Lagerfeld–und löstedamit imHauseForsterRohnereinenRecherche- undEntwurfseifer aus,derbezeichnend ist fürKreativdirektorHansSchreiber.Seit 2006 ist der inAntwerpeninMode-undGrafikdesign ausgebildeteDeutsche imSt. Galler Stickereibetrieb fürdie kreative Leitung verantwortlich.UnterseinemEinfluss zählt ForsterRohner zurSpitze derBranche.Dabei stört es denhoch-gewachsenen, kreativenKopfnicht, dass erimHintergrunddieFädenzieht.Dazu zähltdas Erstellen eines internenKollektions-konzepts, das er gemeinsammit seiner FrauimhalbjährlichenSaison-Rhythmusrealisiert.Zur Illustrationhievt Schreiber einen ineinemSchuber liegendenStapelMoodboardsauf denTischundbeginnt enthusiastisch,dieeinzelnenBlätteraufdemTischzuverteilen.Das ist dieBasis für Entwürfe inderWäsche,inderPrêt-à-porterund inderHauteCouture.Die daraus resultierendenDesignvorschlägewerden inKollektionsformbei individuellenKundenbesuchenoder auf denwichtigsteninternationalenMessenpräsentiert. «Ichversuchevieleszumachen,aberesmussimmereine starke IdeeundeineklareAussagehaben.Mir entsprechenmuss eshingegennicht immer», erklärt Schreiber. «Wirdrückenunsviel inExtremenaus.DasMittel-mass ist heutenichtmehr gefragt.» ZurIdeenfindungsammeltHansSchreiberBücher,Filme, Zeitschriften, geht aufReisenundbesuchtMuseenundAusstellungen. Er par-liert imGesprächüberKünstler undMöbel-designermindestenssononchalantwieüber

ANGESAGTtext: sara allerstorferfotos: gianmarco castelberg

>

DerMann,der die Fäden zieht.AlsKreativdirektordesStickereiunternehmensForsterRohnerschreibtHansSchreibergeradeModegeschichte.SeineQualitätsstickereibeglücktdieModeschöpferundverschönertdieStrassen–unddas inKrisenzeiten.

Page 11: bolero maerz 2012-ausgabe

40 bolero | märz 12 |

denUnterschied zwischenSpachtelspitzeundÄtz-Stickerei.Oderergeht inshauseigeneArchiv, sowie seineKunden, die gerne zuRecherchezweckennachSt.GallenreisenundsichtagelangimloftartigenRaumeinschliessen.FürKarlLagerfeldsuchteerübrigensSpitzeausdem19. Jahrhundert.

Es ist die Sehnsucht nach Tradition undreellenWerten, welche die Modeschöpferin die Ostschweiz führt.LouisVuittonsuchtefür die aktuelle Sommerkollektion etwasmit grossenDurchbrüchen.DasRecherche-resultat: einemoderneBroderieAnglaise,frei vonübertrieben süsserRomantik, sodasssie für 2012wieder reizvoll ist. ImForster-Rohner-Archivlagernmehrals400000Stickerei-musteraus100JahrenFirmengeschichte.NochvorwenigenJahrenrattertenhierSticke-reimaschinenund jagten inunglaublichemTempoTausende vonNadelnmit buntenFäden inmeterlange, straff gespannteUnter-gewebe.Die in grauemStahlmit dunklemHolzbodengehaltene«Stoff-Bibliothek»beherbergt rare StückederHauteCoutureausden fünfziger Jahren– vonCristobalBalenciagabisChristianDior–, aberauchMotive ausder Lingerie-Produktion. JenePrada-Kollektion,dievoreinpaarSaisonsdenungebrochenanhaltendenTrend zur Spitzeauslöste, ist voneinerGuipure-Technik inspi-riert, die seinerzeit inden fünfziger JahrenfürCristobal Balenciaga realisiertwurde.

Vieles ist in eindrücklichen, schwarzenRiesenfolianten gelagert, in denen stetsein Stoffstück einem Foto mit dem darausgefertigten Kleid gegenübergestellt ist.Amliebstenwürdeman seineFingerüber

jedesMuster gleiten lassen, jedes einzelneRelief spüren.«Durchdie engenKontaktemitdenCouture-HäusernhatForsterRohnerStickereien entwickelt, diemannochheuteals Inspirationbenutzt», sagtHansSchreiber.Es ist auchdasKapital der Firma, dassmanin ihremArchivdieAusgangsidee, die Sil-houetteunddasModellmit Stoff kombiniertvorfindet. «Dieweltweite Textilindustriemagzwarnäherzusammengerückt sein.Abermit unseremArchivhabenwir einPotenzial,das für die Zukunft spricht.»VonderBillig-konkurrenz ausChinaund Indien lässt ersichnicht einschüchtern. «DieQualität derArbeitmussnichtnur inphysischerHinsichtstimmen.AuchdieKulturunddieGeschichtesindwichtig.Deshalb lässt sich einProdukt,wiewir es inderPrêt-à-porterundderHauteCouture fertigen,nichtnachAsienverlagern.»Etliche Innovationenbasierenheute aufNeuinterpretationenvonaltenStickmustern.Momentan laufe sehr vielNeuesüber StoffeundwenigerüberdieSilhouette.FürSommer2014heisst das, dass die Stoffe sehr komplexwerdenundes viele Ebenengebenwird. Sehrviele TechnikenamProdukt, die in Staunenversetzen. Trotzdembleibt dasProduktselbstverständlich, damit esnicht fremd istoder gar abstösst.Manwill in ZeitenderKrise Investment-Stückemit einerüberzeit-lichenDimension schaffen, die sich immerwieder in eineneue Situation einfügen.

Nostalgie und Moderne zu verbinden,wie es der Louis-Vuitton-Stoff vorzeigt,der gerade indenweitläufigenWerkhallenauf den computergesteuertenMaschinen-parks gesticktwird, ist eineQualität, diehier seit Jahrenverfeinertwird. Entworfen

wird vonHandundauchdie erstenProto-typenwerdenmanuell gestickt, auchwenndasDessindannmithilfe einesComputerpro-gramms fürdie eigenenProduktionsstätteninChina (vor allem fürWäsche), RumänienundSt.Gallenübersetztwird. «Sie könnensehen, dass ForsterRohner <old school> ist,abermitHightech», schwärmtDesignerinIsabel Toledo, die in ihrenKollektionenhäufig Stoffe ausdemHaus verarbeitet.«DieKomplexität hält unsere Industrie amLeben», sagt dazuSchreiber. «Es sindArtikel, dieherausragend sindunddamit dieQualität des Produktes definieren.»Nichts-destotrotz bleibtmanbei ForsterRohnerrealistisch. «Es ist unserKennzeichen, dasswir einenFuss inderRealität haben. BlingBlingmachenwirnicht.UnsereKollektionensindbodenständig.»AbermanchmalwirdaucheinRealist zumPhilosophen, nämlichdann,wennesdarumgeht, seineEmotionenin einemMoment zubeschreiben, indemerseine Stoffe alsmodischeKreationenaufdemLaufsteg sieht: «Ernüchterung. Ernüch-terungundEnthusiasmus. Beides ist sonahebeieinander.Wenn ichdie fertigeKollektionauf demLaufsteg sehe, hat das zwar vielAtmosphäre, aber in 20Minuten ist allesvorbei. Es ist dieseArbeit, die demGanzenetwas Irdisches verleiht. Es ist dann so, alsob alles Spirituelle plötzlichwegwäre.DasÜberhöhte istweg. ImGegensatz zurKunst.Siekannmehr.KunsthatetwasEssenzielleres,alswir inderModemachen.DeshalbkannKunstmichbewegen. SolangeMode inderIdeeund inderUmsetzungbleibt, kannaberauchsiemichbegeistern.»UndvonwelchemStoff träumtderKreativdirektor,wenner füreinmal ohneZwänge entwerfenkönnte?«Immer vomnächsten.Das ist derAntrieb,weiterzumachen.Wennichnichtsmehrsehenwürde,wasmich reizt und inspiriert,wäredas traurig.Momentanbin ich sehr vonDesserts inspiriert. Die FranzosenkreierenUnglaubliches auf diesemGebiet.» Sagts,greiftnacheinemNusstörtchenundgeniesst.

ANGESAGT

<

Bei Forster Rohner entstehenmodernste Stickereien, zumTeil auch von Hand. Kreativ-direktor Hans Schreiber.

Page 12: bolero maerz 2012-ausgabe

—StilwendeamArno—Florenz,dieklassischeRenaissance-Schönheit,öffnetsichdemZeitgeist.DesignerwieSalvatoreFerragamo,EmilioPucciundGuccioGuccihabendenWeggeebnet.

| märz 12 | bolero 161

«Noch ein Panino, Signora?» DerKellnerhält einePlattemit zierlichenBrötchenaufNasenhöhe.KannmandemDuftwider-stehen?Unmöglich, die TrüffelbrötchenvonProcacci sind legendär. IhrAroma fülltdenwinzigenRaummitweiss-grünemMarmorboden, hohenHolzregalenunddreiTischen fürhungrigeGäste.MannimmtalsonocheinBrötchen, bestellt einGlasfruchtigenVermentino ausBolgheri dazu,und lauscht demGespräch zweier eleganterFlorentinerinnen,diedenSittenverfall ihrerStadt diskutieren: «Schuhläden, nichts alsSchuhläden», lamentieren sieunisono.Die Zeiten ändern sich – sogar inFlorenz.Dort,womandemZeitgeist stets gernedie kalte Schulter gezeigt und lieber seinen

kultivierten, traditionsbewusstenLebens-stil gepflegt hatte, gibt es jetzt cool designteLädenvonPatrizia PepeundMiuMiu,schicke Sushi- undSandwich-Bars,Mode-MuseenundeinhypermodernesneuesKultur- undMusikzentrum.

Dafür hat man sich von so mancher liebgewonnenen Antiquität verabschiedenmüssen:Die illustreKunstbuchhandlungSeeber inder feinenViade’ Tornabuoni gibtesnichtmehr, undauchdie alte FarmaciaInglesemussteweichen–HoganhatdiewunderschönenRäumebesetzt unddiedunklenTeakholzregalemit Schuhengefüllt.Woeinmalhandgeschöpftes Papierverkauftwurde, ist jetzt der spacige

ARTDEVIVRE

TEXT: PATRICIA ENGELHORN FOTOS: CHRISTOPH KERN

>

Page 13: bolero maerz 2012-ausgabe

LadenvonPucci zu finden–obMarcheseEmilioPucci di Barsentodas futuristischeInterieurwohl gebilligt hätte?«Bestimmt»,sagt Tochter Laudomia, die dasUnter-nehmen leitet, «mein Vater hatte einenziemlich extravagantenGeschmack.»

Dass der altmodischeDelikatessen-ladenProcacci überlebthat, ist der FamiliederMarchesiAntinori zu verdanken.DieWeinproduzentenkauftenden1885eröffnetenMinibetriebund retteten ihnvordemSchicksal, zu einerweiterenBoutique zuwerden.«WenigstensdiesesKleinodmussteerhaltenwerden», sagtAllegraAntinori,die schräggegenüber imprächtigenFamilienpalazzo ihr Büro hat. «Ich liebedasnostalgischeFlairbeiProcacci», sagt sie,«aber ich gehe auchgerne in eine trendigeBarwiedasFusion imHotelGallery.»

Die Gratwanderung ist nicht einfach: Einer-seitsmöchtenFlorentiner ausdemstrengenKorsett ihrerRenaissance-Traditionenhinaus,auf der anderenSeitewollen sie keinesfallsso identitätslosundbusiness-orientiertwiedieMailänderwerden.MicheleBönanresidiertmit seinemArchitekturbüro ineinemprächtigenaltenPalazzodirekt amArno, dochdieEntwürfe, die sein«Studio»verlassen, sind alles andere als staubig.FürLeonardoFerragamo,SohnvonSalvatore,entwickelte ermit dendrei«Lungarno»-Häusern –Gallery, Continentaleund

Lungarno–dieerstenDesign-Hotels Italiens.Danngestaltete er den«members only»-WohnclubPalazzoTornabuoni,woerunterbis zuneunMeterhohe Stuck- undFresken-deckendas für ihn typischehelle, reduzierteundextremkomfortableMobiliar stellte.«Wirhabennuneinmaldieses sensationellekulturelle Erbe», sagt er, «undnatürlichmüssenwir es schützen. Es ist aber auchwichtig, sich zuerneuern,modern zu sein.»

Oft genug wird das Alte erst durch eineÄnderung erfahrbar.AlsMaxMara indieRäumederBuchhandlung Seeber zogunddiehohenRegale abtransportieren liess,kamenhinterundüberdenBücherwändenhistorischeFresken zumVorschein, die dasModeunternehmen sorgfältigundbeilaufendemVerkaufsbetrieb restaurierenliess,unddienunüber ihrenKleiderständenfür jeden sichtbar schweben.

FabioPicchi kennt solcheÜber-raschungen. Er besass bereits ein kleineskulinarischesReichmit demelegantenRestaurant Il Cibreo, der dazugehörendenOsteriaundeinemCafé – alles dicht bei-einander imnochvolkstümlichenStadtteilSant’Ambrogio –, als er eine grossflächigeLagerhalle direkt gegenüber angebotenbekam. SeinGefühl sagte ihm,dass sichjenseits der kreuzundquer gezogenenZwischenwände ein spektakulärer Saalbefindenmusste, under schlug zu.

Tatsächlichdientedie grosseHalle frühereinemKloster alsGetreidespeicherundwarmithohen, gewölbtenDecken, imposantenSäulenundeiner Schwindel erregendenWendeltreppe versehen.

Heutebefindet sichhier das TeatrodelSale, eineKombinationausKulturvereinundPrivatclubmit rund85 000Mitgliedernaus allerWelt. Sie kommenzubeinahe jederUhrzeit, holen sich einenCappuccinounddieTageszeitunganderBar,oderverabredensich zumMittagessen. Richtig bekanntaber ist das Teatrodel Sale für seineAbend-veranstaltungen: Erstwird gegessen,manholt sich etwas vomBuffet oder direkt amKüchenfenster,woFabioPicchi stehtunddie Speisen in tiefstemToskanisch ausruft:«DieNudelnsind fertig, Leute, siewerdenkalt,holt eucheinePortion.»NachdemEssenbeginnt dieVorstellung, im IdealfallmitFabioPicchis Schauspieler-EhefrauMariaCassi auf derBühne.«So etwas fehlte inFlorenz», sagt der Patron,«dieKulturszeneist etwas verschlafen.»

DasGleichekönntemanvonderModebehaupten. Seitdemder jungeMarcheseGiovanniBattistaGiorginiAnfangder fünf-ziger Jahredie ersteModenschau inFlorenzorganisierteundmit blutjungenCouturierswieEmilioPucci oderRobertoCapuccidas«made in Italy»weltberühmtmachte,istwenigpassiert. «Immerhinhabenwirheutemit PittiUomodiewichtigsteHerren-

162 bolero | märz 12 |

FLORENZ UND SEINEVIELEN FACETTEN

OBEN: Das Teatro delSale ist eine Mischung

aus Kulturvereinund Privatclub.

Inhaber Fabio Picchikocht, seine Frau steht

oft auf der Bühne.LINKS: Morgen-

stimmung in Florenz.RECHTS: Die Altstadtvon Florenz mit ihren

vielen Kirchen undDomen wurde 1982 indas UNESCO-Welterbe

aufgenommen.

Page 14: bolero maerz 2012-ausgabe

VON LINKS NACH RECHTS:Model und «Stones»-Tochter Georgia May Jagger,

Sänger Jared Leto, Schauspieler Rupert Everettmit Kollegin Julianne Moore, Cosma Shiva Hagen,

Topmodel Eva Padberg, Iris und Claus Dietrich Lahrs(Vorstandsvorsitzender Hugo Boss AG), «Voice of

Germany»-Jurorin Nena, Sonja Kirchberger,Ex-Topmodel Vera von Lehndorff mit Florian Hex,

Jessica Michibata und Formel-1-Star Jenson Button,Schauspielerin und Sängerin Anna Loos, Popsternchen

Sky Ferreira, Model Franziska Knuppe,Ex-Punksängerin und Schauspielerin Jana Pallaske,

Berufstochter und Model Pixie Geldof.

EVENTredaktion: jürg sturzenegger & miki karrer

—Fashionmade inGermany—Zweimal imJahrstehtBerlin

Kopf.WennderModezirkusderMercedes-BenzFashionWeekin

diedeutscheHauptstadteinzieht, istdieMetropolenocheinbisschenbunteralssonst.All demTrubel

stellendieDesignerklareLinienundausgereifteEntwürfeentgegen.

BolerowarvorOrtundstelltIhnendiewichtigstenTrends in

HinblickaufdiekommendenHerbst/Winter-Kollektionenvor.

174 bolero | märz 12 |

HUGO,WANDELHALLE ZUR GEMÄLDEGALERIE

Das Highlight der FashionWeek.Nirgendwo sonstsind der Glamourfaktor und die Promidichte höher.

Erstklassige Kollektion – erstklassig präsentiert.We like!

Page 15: bolero maerz 2012-ausgabe

VON OBEN LINKS NACH UNTEN RECHTS:Looks aus der Herbst-/Winter-Kollektion vonMichalsky,Marina and the Diamonds brachte den Saal mit ihremHit «Hollywood» zumBrodeln, ebenso wie KolleginAlina Süggeler von Frida Gold. Grosses Finale, DesignerMichael Michalsky lässt sich von der Menge feiern.

| märz 12 | bolero 175

«MICHALSKY STYLENITE» IM TEMPODROM

Die beste Party der Fashionweek. ImTempodrom startetdie «Michalsky StyleNite»mit einer überraschend gewagtenPräsentation der Accessoires vonRöckl inKooperationmitdemFriedrichstadt-Palast-Ballett, gefolgt voneiner femini-nenPerformance des Labels C’est tout.MitmusikalischenActswieMarina and theDiamonds und Frida GoldbildetMichalskymit einemMix aus Glam-StückenundLuxus-Streetwear denAbschluss. Danachwird gefeiert –mitDrinks, FlyingDinner undMusik von Tiefschwarz.

MERCEDES-BENZ-FASHION-WEEK-ZELTBEIM BRANDENBURGER TOR

Das Herz der FashionWeek. Im grossen Zelt geben sich auf demgrossen Runway und imStudio die besten deutschenDesignermitihren Präsentationen die Klinke in dieHand. Eineswird klar:Berlin steht den internationalenModenschauen in nichts nach.

VON LINKS NACH RECHTS:Jeweils ein Look von Dimitri, Vladimir Karaleev, Patrick Mohr,Lala Berlin, Rebekka Ruéz, Kaviar Gauche, Perret Schaad,Mongrels in Common, Rena Lange und Schumacher.