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Sprache. Kommunikation. Religionsunterricht

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Studien zur Religiösen Bildung (StRB)

Herausgegeben von Michael Wermke und Thomas Heller

Band 15

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Andrea Schulte (Hrsg.)

Sprache. Kommunikation. Religionsunterricht

Gegenwärtige Herausforderungen religiöser Sprachbildung und Kommunikation über

Religion im Religionsunterricht

EVANGELISCHE VERLAGSANSTALTLeipzig

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Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2018 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH · Leipzig Printed in Germany Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Das Buch wurde auf alterungsbeständigem Papier gedruckt.

Cover: Kai-Michael Gustmann, LeipzigCoverbild: Jan-Peter Kasper, JenaSatz: Konrad Triltsch GmbH, OchsenfurtDruck und Binden: Hubert & Co., Göttingen

ISBN 978-3-374-05378-0 www.eva-leipzig.de

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Inhalt

Andrea SchulteSprache. Kommunikation. Religionsunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Gegenwärtige Herausforderungen religiöser Sprachbildung undKommunikation über Religion im Religionsunterricht – Eine Hinführung

Christian DanzSprache, Kommunikation, Religionsunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21Theologische Annäherungen

Themenbereich 1: Das treffende Wort finden –Religionspädagogische Herausforderungen zwischenSprachschulung und Übersetzung

Johannes von LüpkeDas treffende Wort finden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39Zur Aufgabe einer theologischen Übersetzung im Sinne Martin Luthers

Manfred L. PirnerReligiöse Bildung zwischen Sprachschulung und Übersetzung imHorizont einer Öffentlichen Religionspädagogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

David KäbischReligionspädagogik und Translation Studies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71Die Bedeutung des Übersetzens für die Theorie und Praxis religiöserBildung

Themenbereich 2: Sprachfähig werden zu wollen ohnesprachfähig werden zu können? – Diereligionspädagogische Dialektik des religiösenSpracherwerbs

Georg LangenhorstBemüht »um das Finden von neuen Bildern« (Silja Walter) . . . . . . . . . 91Sprachfähig werden in Sachen Religion

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Eberhard TiefenseeIm Reden über Gott überanstrengt sich Sprache endgültig . . . . . . . . . . 115Vom Sprechen an den Grenzen des Sagbaren

Themenbereich 3: Neue Wege gehen –Unterrichtssprache und Kommunikation über Religionim Unterricht

Manfred LüdersUnterrichtssprache und indirekt instruierendes Lehrerverhalten . . . 137

Andrea SchulteLehrerinnen und Lehrer reflektieren ihre Sprache imReligionsunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157Eine Annäherung

Dorina HenschelLehrerinnen und Lehrer reflektieren ihre Sprache imReligionsunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161Ergebnisse einer Masterarbeit

Themenbereich 4: Chancen und Grenzenreligionspädagogisch orientierter Sprachbildung inder Gegenwart

Hans-Peter Großhans»Was ich erfinde, sind neue Gleichnisse« (L. Wittgenstein) . . . . . . . . . 177Transformation religiöser Sprache in die Gegenwart – Herausforderungenund Chancen

Stefan AltmeyerZum Umgang mit sprachlicher Fremdheit in religiösenBildungsprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

6 Inhalt

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Sprache. Kommunikation.ReligionsunterrichtGegenwärtige Herausforderungen religiöser Sprachbildung undKommunikation über Religion im Religionsunterricht –Eine Hinführung

Andrea Schulte

Ende Januar 2017 fand im Evangelischen Augustinerkloster zu Erfurt die in-terdisziplinäre wissenschaftliche Tagung Sprache. Kommunikation. Religionsun-terricht statt. Der vorliegende Band dokumentiert die Beiträge dieser Veranstal-tung. Die Tagung verstand sich als Auftaktveranstaltung zur Eröffnung derreligionspädagogischen Forschungsstelle »Sprache. Kommunikation. Religions-unterricht«, die amMartin-Luther-Institut der Universität Erfurt im Sommer 2016mit Unterstützung der Hochschulleitung eingerichtet werden konnte.

Die Tagung verfolgte das Ziel, auf dem Stand der gegenwärtigen (systema-tisch)theologischen und religionspädagogischen Debatte die Bedeutung derSprache im Kontext religiöser Bildungsprozesse herauszuarbeiten. Ein kompe-tenter Umgangmit Sprache gehört unabdingbar zumBildungsauftrag der Schule.Dies gilt zweifelsohne auch für den Religionsunterricht. Er will Kinder und Ju-gendliche in ihrem Werden und Wachsen unterstützen und ihnen helfen, sich inder Welt zu orientieren, Lebenswege anzubahnen, ihre individuelle Lebensge-schichte zu gestalten sowie ihre Sozialität als zoon politikon auszubilden. Indiesem Zusammenhang dient ihnen die Sprache als Medium der Erschließungund Gestaltung vonWelt undWirklichkeit, aber auch als Medium der Suche nacheiner gelingenden Gottesbeziehung und des Sprechens zu Gott, über Gott und vonGott. So ist der Religionsunterricht auf alle Überlegungen angewiesen, die übermenschliches Reden und Hören, über Kommunikation, über die Wege sprachli-cher Verständigung sowie über den Reichtum und die Vielfalt sprachlicherMöglichkeiten angestellt werden. Dabei ist insbesondere eine religionspädago-gisch-didaktische Profilierung der Sprache in den Praxisfeldern des schulischenReligionsunterrichts angesagt und längst überfällig.

Im Anschluss an den Eröffnungsvortrag wurden die Themen der Tagung in vierThemenbereichen entfaltet:– Themenbereich 1: Das treffende Wort finden – Religionspädagogische Her-

ausforderungen zwischen Sprachschulung und Übersetzung

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– Themenbereich 2: Sprachfähig werden zu wollen ohne sprachfähig werdenzu können? – Die religionspädagogische Dialektik des religiösen Spracher-werbs

– Themenbereich 3: Neue Wege gehen – Unterrichtssprache und Kommuni-kation über Religion im Unterricht

– Themenbereich 4: Chancen und Grenzen religionspädagogisch orientierterSprachbildung in der Gegenwart

Nachfolgend soll in gebotener Kürze ein Überblick über die Beiträge diesesBandes gegeben werden.

In seinem Eröffnungsvortrag »Sprache, Kommunikation, Religionsunterricht«hat sich Christian Danz, Professor für Systematische Theologie an der Evange-lisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, dem Tagungsthema theolo-gisch angenähert. Die anthropologischen und erfahrungsorientierten Religions-begriffe der vergangenen 200 Jahre verorten die Religion in der conditio humanaund behaupten die anthropologische Notwendigkeit der Religion. Im 21. Jahr-hundert allerdings vermögen diese universalen Religionsbegriffe nicht mehr zuüberzeugen. Sie sind vielmehr durch kommunikationstheoretische Religions-begriffe zu ersetzen, deren Verständnis von Religion als eine geschichtlich ge-wordene Weise sprachlicher Selbstdeutung von Menschen durch die systemati-sche Theologie auszuarbeiten ist, sofern sie selbst einen Beitrag zur Erkundungder Gegenwartsreligion leisten will.

Nach Danz sind es vornehmlich drei Aspekte, die zu einem angemessenenVerständnis von Religion beitragen: 1. Die Abhängigkeit von überliefertensymbolischen Formen, die in einer Kultur kommuniziert werden, also von bereitsvorgegebener religiöser Kommunikation. So besteht die systematische Funktionder Bibel für die christliche Religion darin, die Abhängigkeit des Glaubens voneiner inhaltlich bereits vorgegebenen religiösen Kommunikation zu themati-sieren. 2. Die individuelle Aneignung religiöser Sprache, ein durch die religiöseKommunikation eröffnetes Sich-Verstehen des Menschen. Dieses Selbstverste-hen des Einzelnen steht im Zentrum des protestantischen Christentums. 3. DieDarstellung des Sich-Verstehens durch Deutungsschemata, Medien und sym-bolische Formen, die eine Kultur bereitstellt, sowie seine Kommunikation durchsolche Formen an andere und sich selbst. Durch die Aneignung symbolischerFormen und deren Benutzung für die Selbstdarstellung des Sich-Verstehensbildet sich Religion als eine Sinnform der Kultur heraus und setzt sich durchKommunikation fort. Das Verständnis der Religion als Kommunikation, derensprachliche Selbstbeschreibung immer auch einem geschichtlichen Wandel un-terliegt, bedeutet für die religiöse Sprache, dass sie einer permanenten Umfor-mung unterliegt. Diese ist allerdings nicht willkürlich, da jede Selbstdeutungzwar durch den Einzelnen selbst produziert, aber darin immer schon durch eineKultur und ihre Ordnungen bestimmt ist.

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Religion in der pluralen Kultur des 21. Jahrhunderts wird auf die vielfältigsteWeise und in diversen Formen kommuniziert, die ohne eine übergreifendeEinheit nebeneinander stehen. Diese Situation provoziert die Fragen nach derTransformation religiöser Sprache in der modernen Kultur, der Stellung desReligionsunterrichts im Bildungssystem sowie den sich daraus ergebendenAnforderungen an den Religionsunterricht. Die zu verzeichnende hohe Verän-derungsdynamik in der Kommunikation in der Gesellschaft mit verbundenemrasanten Wandel der Kommunikationsmedien betrifft die religiöse Sprache imbesonderen Maße. Damit erhöhen sich die Anforderungen an die Religions-lehrkräfte: 1. Traditionelle religiöse Sprache kann in der Schülerschaft nichtmehr vorausgesetzt werden. 2. Religiöse Sprachen verflüssigen sich mit neuenund anderen Sprachformen. 3. Religion und ihre Kommunikation bergen einhohes Konfliktpotenzial in sich. Religiöse Sprache ist anfällig für Fundamenta-lismen aller Art. Mithin ist eine fundierte theologische Ausbildung durch einTheologiestudium mehr als angeraten.

Themenbereich 1: Das treffende Wort finden – Religionspädagogische Her-ausforderungen zwischen Sprachschulung und Übersetzung

Johannes von Lüpke, Professor emeritus für Systematische Theologie an derKirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel, benennt in seinem Beitrag »Dastreffende Wort finden. Zur Aufgabe einer theologischen Übersetzung im SinneMartin Luthers« zunächst die Schwierigkeiten, mit denen alle Übersetzungen zutun haben, bevor er auf Luthers Praxis der Übersetzung unter theologischenAspekten eingeht. Die Übersetzungsarbeit, wie sie Luther wahrgenommen hat,sowie sein reformatorisches Theologieverständnis insgesamt sind aufeinanderverwiesen. Sie stehen repräsentativ für Luthers Umgangmit dem biblischenWortund lehrreich für eine heute zu verantwortende theologische Hermeneutik derHeiligen Schrift, deren Grundlinien von Lüpke unter dem Leitbegriff des »tref-fenden Wortes« entwickelt.

Mit dem »treffenden Wort« geht es um mehr als um das richtige Wort. Wohlwissend, dass es niemals die abschließende, einzig richtige Übersetzung gebenkann, gesteht Luther der deutschen Sprache zu, die in der hebräischen undgriechischen Bibel überlieferte Botschaft zu erfassen und weiterzugeben. ImUmgang mit den biblischen Sprachen und der deutschen Sprache geht es Lutherin seiner Übersetzungsarbeit als Suche nach dem »treffenden« Wort um so etwaswie Wegbereitung, dass das Evangelium kraft des Heiligen Geistes zu denMenschen kommt.

Luther ist es vor allem an der Wahrnehmung dessen gelegen, was die Bibel alsHeilige Schrift in ihrer Sprachkraft »gibt«. So sind biblische Worte »Gabeworte«,eine Qualität, die durch Übersetzungen keineswegs gemindert wird, sofern sie dasin menschensprachlicher Vermittlung wirksame göttliche Wort treffen. Sie sind

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»treffende« Worte, indem sie je konkret Menschen betreffen. Das heißt, Überset-zungen des biblischen Wortes aus den alten Sprachen in die Vielzahl der heutegesprochenen Sprachen können dann als gelungen gelten, wenn sie in Beziehungsetzen, wenn sie das biblische Wort zu einem Ort werden lassen, an und in demMenschen heute Gott selbst begegnen, ihn in ihrem Herzen erkennen. Das »tref-fende« Wort vermag das Innerste anzurühren, lässt Gott sich selbst mitteilen, er-öffnet so demGlauben den Zugang zumHerzen Gottes, geht einemMenschen so zuHerzen, dass es ihn mit den Gaben des Heiligen Geistes, mit Glaube, Liebe undHoffnung erfüllt und damit zutiefst erfreut. Und: Das »treffende« Wort ist auch daströstliche Wort, das den Anfechtungen durch die Mächte der Sünde und des Todesstandzuhalten und weite Räume zu erschließen vermag.

Ausgehend von Beispielen aus dem aktuellen Tagesgeschehen verdeutlichtManfred L. Pirner, Professor für Religionspädagogik und Didaktik des evange-lischen Religionsunterrichts im Fachbereich Theologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, in seinem Beitrag »Religiöse Bildung zwischenSprachschulung und Übersetzung im Horizont einer Öffentlichen Religionspä-dagogik«, dass der Religionsunterricht zurzeit wieder sehr in Frage gestellt wird.Damit einher geht ein Problem, das mit der Leitfrage nach der Bedeutsamkeitchristlicher und anderer religiöser Traditionen und ihrer Sprachen in der heu-tigen säkular-pluralistischen Gesellschaft beschrieben werden kann.

Pirner siedelt diese Frage zunächst einmal in den sozialphilosophischenKonzepten des US-Amerikaners John Rawls und des Philosophen und SoziologenJürgen Habermas an, die den Rahmen für die Öffentliche Theologie und Religi-onspädagogik setzen. Ihre Konzepte »öffentliche Vernunft«, »überlappenderKonsens«, »Übersetzung« und »komplementäres Lernen« zwischen religiösenund nichtreligiösen Bürgern erscheinen in besondererWeise als Referenzrahmengeeignet, in dem sich Theologie und Religionspädagogik verorten können.

Im Horizont einer Öffentlichen Religionspädagogik können nach Pirner diefolgenden möglichen Konsequenzen für die Bedeutung der Sprache im Religi-onsunterricht gezogen werden:– In der gegenwärtigen Diskussion um den Religionsunterricht ist der Beitrag

partikularer Religionen mit ihren bestimmten religiösen Sichtweisen undPraxen zum Gemeinwohl und ihrem gemeinsamen humanisierenden Lern-prozess im gegenwärtigen zeitgeschichtlichen Kontext zu verdeutlichen.

– Es ist für eine klare Präferenz für ein pluralistisches Verständnis von öf-fentlicher Bildung zu plädieren, die die Pluralitätsfähigkeit als Ziel vonSchule herausstellt.

– Der Religionsunterricht ist stärker auf Bilingualität auszurichten, die dieSprache der christlichen Tradition, aber auch die Sprache der Menschen-rechte und der Grundwerte unseres Grundgesetzes einbezieht.

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– Die Frage nach dem Beitrag religiöser Bildung am Gemeinwohl aller istvernehmlicher zu stellen. Damit einher geht die Frage, wie christliche Bei-träge zum gesellschaftlichen Gemeinwohl in ihrer konkreten Lebensbe-deutsamkeit für Kinder und Jugendliche theologisch und didaktisch er-schlossen werden können.

– Der Religionsunterricht hat stärker die Heterogenität seiner Lerngruppen inden Blick zu nehmen. Deshalb ist ein doppelter Lernweg vonnöten. Gläubigeund nicht-gläubige bzw. andersgläubige Schüler1 werden im Religionsun-terricht einerseits elementar in die christlich-religiöse Sprache eingeführt.Ebenso werden sie dazu angeleitet, eigenständig und kooperativ Überset-zungen in ihre Lebenswelt bis hin in die gesellschaftspolitische Welt zuversuchen. Dazu helfen ihnen gelungene, anregende Übersetzungs- undDialogbeispiele aus Geschichte und Gegenwart bzw. exemplarische, didak-tisch angeleitete Übersetzungsprozesse.

– Die Aufgabe der Religionsdidaktik ist deshalb als eine Doppelaufgabe zufassen, die aus der Einführung in die jeweilige Fachsprache und der Über-setzung von fachbezogenen Sprachwelten in die Sprachwelt der Schülerbesteht. Die Schüler sollen befähigt werden, lebensweltliche Phänomene undProbleme fachsprachlich zu reformulieren und so unter fachlicher Per-spektive zu deuten und zu bearbeiten. Dabei hat der Übersetzungsbegriff fürdie Religionsdidaktik einen Anregungsgehalt, indem er Verständigung an-gesichts von Fremdheit, die Erschließung einer Lebensbedeutung derchristlichen Tradition sowie den Transfer religiöser Einsichten in vielfältigeÖffentlichkeiten (z.B. Familie, Gesundheit, Arbeit, Wirtschaft, Freizeit, di-gitale Medienkultur, Bildung und Erziehung, Politik) signalisiert.

– Konkrete Lernbereiche des Religionsunterrichts könnten neu bzw. anders inden Blick genommen werden, beispielsweise die Bibeldidaktik, Kirchenge-schichte, Dogmatik, Ethik, Interreligiosität.

Pirners Fazit: Die kritischen Anfragen an den gegenwärtigen Religionsunterrichtsind mehr als ernst zu nehmen. Deshalb ist für einen Religionsunterricht zuplädieren, der aufzuzeigen vermag, wie scheinbare Polaritäten zusammengehenkönnen: Pluralitätsoffenheit und Gemeinsinnorientierung, religiös-weltan-schauliche Orientierung und soziale Verantwortung, starke Wahrheitsansprücheund Toleranz, Identität und Verständigung. Die Impulse aus den sozialphiloso-phischen und öffentlich-theologischen Diskursen um das Übersetzungspara-digma scheinen dabei einen unterstützenden Beitrag leisten zu können.

1 Die sog. inklusive Schreibweise (z.B. Schüler und Schülerinnen) wird nur da verwendet,

wo eswirklich um Individuen in ihrer Geschlechterdifferenz geht, nicht um den Typus, der im

Deutschen zumeist durch die maskuline Form bezeichnet wird.

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David Käbisch, Professor für Religionspädagogik und Didaktik des evangelischenReligionsunterrichts im Fachbereich Evangelische Theologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, hat den Beitrag »Religionspädagogik undTranslation Studies. Die Bedeutung des Übersetzens für die Theorie und Praxisreligiöser Bildung« eingereicht. Anders als in den Geschichts-, Kultur- und So-zialwissenschaften wird den vielfältigen Prozessen des Übersetzens in der Re-ligionspädagogik bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Der in vielen Dis-ziplinen vollzogene »Translational Turn« sowie die Erprobung der TranslationalStudies im Forschungsfeld verstehen Übersetzen überwiegend in einem meta-phorischen Sinne als Übertragung einer sozialen Praxis aus einem kulturellenKontext in einen anderen. Erste Fallstudien zum Konzept der kulturellenÜbersetzung liegen bereits in der Bildungsforschung vor. Käbisch beabsichtigt,die »Anwendbarkeit« der Translation Studies auf die Religionspädagogik aufzu-zeigen. Trotz bestehender Bedenken, die im Forschungskontext von Textwis-senschaften (Linguistik, Literaturwissenschaft) stehenden Translational Studiesüberhaupt religionspädagogisch zur Anwendung kommen zu lassen, scheint diehandlungsanalytische Beschreibung kultureller Kontakte und Konflikte aus-sichtsreich zu sein.

Anhand ausgewählter Beispiele weist Käbisch nach, dass der Ansatz derTranslational Studies sowohl für die empirische Religionspädagogik als auch fürdie historische Religionspädagogik von Interesse sein kann. Überdies vermag er,die Theoriebildung in Richtung einer übersetzungssensiblen Religionspädagogikfortzuschreiben, die die Globalisierung religiöser Bildung in den Blick nimmt undden transnationalen Transfer religionspädagogischer Ideen und Praktiken zuanalysieren hilft. Darüber hinaus wird der Frage nach der »Übersetzung« kul-tureller Praktiken im übertragenen Sinne nachzugehen sein, die Käbisch an dreiThemenfeldern (jeweils mit Bezug auf Deutschland und die USA) entfaltet: an derumstrittenen Deutung religiöser Symbole und Symbolhandlungen (am Beispielder sog. Kopftuch- und Beschneidungsdebatte), an der Bedeutung von Religion imöffentlichen Raum (Civil Religion und Religionsunterricht an öffentlichen Schu-len) sowie an Übersetzungskonflikten zwischen religiösen und nichtreligiösenWeltentstehungsdeutungen (Kreationismus und Antikreationismus).

Käbischs Fazit: Der Ansatz der Translational Studies leistet einen eigenenBeitrag zur Bedeutung der Sprache für die Theorie und Praxis religiöser Bildung.Er führt nachdrücklich vor Augen, dass uns Menschen aus anderen Nationen,Religionen und Konfessionen überwiegend im Medium der Übersetzung be-gegnen. Neben Übersetzungen religionspädagogischer Texte und textbasierterBildungsmedien aus einer Sprache in eine andere (im engeren Sinn) ist dabeiauch an Übersetzungen religiöser und pädagogischer Praktiken (im übertrage-nen Sinn) zu denken. Translation Studies in der Religionspädagogik eröffnen eineMöglichkeit, diese Übersetzungsprozesse in Zukunft präziser als bisher zu un-tersuchen, indem sie: 1. vorhandene Übersetzungen analysiert (Product-oriented

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descriptive Translation Studies), nach den Funktionen einer Übersetzung inkonkreten Kontexten fragt (Function-oriented descriptive Translation Studies) undsich mit den vielfältigen Prozessen des Übersetzens selbst beschäftigt (Process-oriented descriptive Translation Studies). Trotz aller Wertschätzung, Übersetzenals ›Brücke zwischen Nationen, Konfessionen und Religionen‹ zu sehen, sindgleichermaßen auch Übersetzungskonflikte in Anschlag zu bringen. Diese sindein Merkmal moderner Gesellschaften, auch auf dem Feld der Religion und re-ligiösen Bildung. Bildungsangebote in Schulen und Gemeinden dürfen mehr-deutige kulturelle Praxen nicht nivellieren, auch wenn Schüler denWunsch nachEindeutigkeit und klaren Antworten artikulieren. Mithin wird sich die religi-onspädagogische Professionalität der Lehrenden entscheidend auch an ihrenÜbersetzungskompetenzen zu erweisen haben.

Themenbereich 2: Sprachfähig werden zu wollen ohne sprachfähig werden zukönnen? – Die religionspädagogische Dialektik des religiösen Spracherwerbs

Georg Langenhorst, Professor für Didaktik des katholischen Religionsunterrichtsund Religionspädagogik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der UniversitätAugsburg, hat seinem Beitrag den Titel »Bemüht ›um das Finden von neuen Bil-dern‹ (Silja Walter). Sprachfähig werden in Sachen Religion« gegeben. Zu denGrundaufgaben der Religionspädagogik gehört es, verständlich von Gott zu reden,in Gesprächen diskursfähig zu sein sowie andere zu befähigen, ihrerseits religiöseSprache verantwortungsbewusst und lebensstärkend anwenden zu können.Demgegenüber stehen die Krisenbeschreibungen der Religion in der Postmoderne,deren religiöse Sprache den Menschen anscheinend nichts mehr zu sagen habe. InSprache und Denksystem verbleiben Theologie und Religionspädagogik innerhalbeines »Theotops«, in ihrem eigenen Bereich theologischer Selbstverständigung. Diedamit gegebenen Grenzen provozieren umso dringlicher die Frage nach der Be-schaffenheit einer Sprache, die die »Wahrheit des Glaubens« bewahren, aber zu-gleich den vielfältigen heutigen Kommunikationsbedürfnissen entsprechen kann.Wie können Kinder, Jugendliche und Erwachsene religiöse Sprache so wahrneh-men, aufnehmenundweiterentwickeln, dass sie sie produktiv für sich selbst und inKommunikation mit anderen anwenden können?

Langenhorst begibt sich in die Sprachschule der Dichtung respektive in dieSprachschule der Ordensfrau Silja Walter. Silja Walter gesteht: »Ich kann dasAbsolute nicht beschreiben. Und trotzdem. Trotzdem bemühe ich mich immerwieder, einen Ausdruck dafür zu finden. Nicht Begriffe, nein, vor allem nicht alteBegriffe. Lieber nicht von Gott reden, als in der alten, verdreschten, verbrauchtenSprache. Ich bemühe mich vielmehr um das Finden von neuen Bildern, Sym-bolen. […] Aber da bleibt trotzdem eine Unzulänglichkeit. Und unter dieserUnzulänglichkeit, über Gott reden zu können, leide ich.« Für Langenhorst sind indem Gesagten tiefe Einsichten in die Grundbedingungen religiöser und theolo-

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gischer Sprache zu finden und ist eine Sprachschule in sechs Schritten angelegt:1. Der eigene Gottesglaube lässt sich angemessen in rationaler Sprache nichtbeschreiben. 2. Religiöse Menschen trotzen dieser Unfähigkeit und reden vonGott. 3. Das alte Vokabular der Binnenverständigung des »Theotops« ist nichtkommunikabel. 4. Es ist eine neue Sprache für das Geheimnis Gottes zu finden. 5.Trotzdem bleibt die schmerzhafte Erkenntnis des Wissens um die Unzuläng-lichkeit des religiösen Denkens und Sprechens. 6. Langenhorst setzt WaltersGedanken fort und sagt: »Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss mandichten.« Wenn es eine Sprachform gibt, die den Grundregeln der analogenGottesrede entspricht, dann ist es die der Poesie. Und ergänzend: Poesie undNarration sind die angemessenen Sprachformen religiöser und Religion reflek-tierender theologischer Rede. In die Logik religiöser Poesie und Narration ein-zuführen ist eine der Hauptaufgaben religiöser Bildung.

So versteht Langenhorst religiöse Bildung als Schulung des »Möglichkeits-sinns« (Robert Musil). Menschen benötigen einen »Wirklichkeitssinn«, das Gespürfür Fakten, Tatsachen, Empirie. Aber mehr noch benötigen sie die Kraft der Vi-sionen, den »Möglichkeitssinn«. Gottesglaube sowie religiöse Rede sind ganz undgar an diesen Modus gebunden. Dabei geht es nicht darum, die beiden Sinne ge-geneinander auszuspielen Vielmehr bedingen sie einander. Theologie und Reli-gionspädagogik brauchen sowohl eine ›logische‹ als auch eine ›poetische‹ Ratio-nalität. Aber: Poesie und Narration bleiben die ersten vorrangigen Sprachformen.

Deshalb wird der Bereich der Dichtung, vor allem der Lyrik, zu einem Dis-kursort religiöser Sprachsuche. Anhand dreier Beispiele aus der Lyrik der Ge-genwartskultur zeigt Langenhorst die didaktischen und methodischen Mög-lichkeiten auf, die lyrische Texte für den Religionsunterricht bieten. Die Textebelegen eindrücklich, dass es im Raum der Gegenwartskultur so etwas wie einRingen um eine stimmige Sprache der Gottesfrage gibt. Poetische Sprache bleibtvielgestaltig, umkreisend, andeutend, verweisend. Mit ihnenwird auf eigenartigeWeise der Möglichkeitssinn angeregt, das sprachliche Herantasten an die Mög-lichkeit, dass es Gott geben könnte und dass er sich uns und wir uns ihm zu-mindest annähern können.

Diese Sprache ist allerdings nicht die Alltagssprache heutiger Kinder undJugendlicher, auch nicht die dermeisten Erwachsenen. Sie zeichnet sich vielmehrdurch ihre eigenen Sperrigkeiten und Sprödigkeiten aus und sucht neue Ver-ständigungswege nach innen und nach außen. Das religionspädagogische Zielliegt dabei einerseits darin, die Tradition des »Theotops« nach innen wie außensprachlich noch einmal anders zu fassen in der Hoffnung auf das Bereitstellenbesserer Möglichkeiten zur Einfühlung und zur Anbahnung von Pfaden desEindenkens. Andererseits sollen gerade die Heranwachsenden dazu befähigtwerden, die bei vielen durchaus rudimentär oder ansatzweise entwickelt vor-handene »religiöse Gebrauchssprache« wenigstens in eine poetisch sensibel»reflektierte Gebrauchssprache« weiterzuentwickeln.

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Eberhard Tiefensee, Professor für Philosophie an der Katholisch-Theologi-schen Fakultät der Universität Erfurt, beginnt seinen Beitrag »Im Reden über Gottüberanstrengt sich Sprache endgültig. Vom Sprechen an den Grenzen des Sag-baren« mit einer Erinnerung: Theologie als akademische Rede über Gott solltenicht vergessen, dass Religion sich über das Wort hinaus vor allem über Praxisund Rituale, sowie über bildliche Darstellungen kommuniziert. Die Vermittlungdurch dasWort ist nach Platon nur die »zweitbeste Fahrt«. Das Reden über Gott iststets als dialektischer Versuch zu sehen, über Gott reden zu wollen, ohne überGott reden zu können. Die theologische Tradition hat drei solcher Versucheherausgearbeitet: die via affirmationis respektive via analogiae, via negationis undvia eminentiae. Diese verdeutlichen: »Wir können und dürfen nicht schweigen.Doch angemessen reden können wir offensichtlich auch nicht: Weder die me-taphorisch-analoge noch die negierende noch die ins Unermessliche hinein be-jahende Gottesrede scheinen dem Geheimnis adäquat, mit dem es Theologie undVerkündigung zu tun haben.«

Da die Grenzen der dialektischen Versuche, über Gott in konstatierender,feststellender Sprache zu reden, unübersehbar sind, drängt sich die Frage nacheiner genuinen religiösen Sprache auf. Wir verfügen über sehr unterschiedliche(z.B. empirische, moralische, ästhetische) Erfahrungsbereiche. Ihnen entsprechenverschiedene Interpretationsweisen oder Sprachspiele und damit zugeordneteWelten. Wohin allerdings gehört die religiöse Erfahrung, die die Wirklichkeit nocheinmal in einem anderen Licht erscheinen lässt? Im Bereich der Religion, der alleanderen Erfahrungsbereiche noch einmal unterbricht und sie in diesem Sinnetranszendiert, sind alle sonstigen Sprachspiele des Alltags präsent, werden jedochzugleich konterkariert. Für Tiefensee lassen sich zwei Artikulationsweisen be-nennen, die dem Religiösen angemessen zu sein scheinen: 1. Die in einer Anredebestehende personale Sprache lässt sich bestimmen als Schritt vom Reden überGott zum Reden zu und mit Gott. 2. Die Kehrseite der Anrede ist das Zusprechen,die Wirklichkeit gestaltende performative Sprache. Das Segnen, aber auch dasBeschwören oder das Fluchen sind Formen religiöser performativer Sprache.

Tiefensees Fazit: »Gottesrede muss also das gesamte Arsenal unserersprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten hinzuziehen, auch das der ethischen,ästhetischen und besonders der personalen und performativen Sprache, undzugleich sich immer bewusst bleiben, dass sie nur ein Zugang unter vielen zumgöttlichen Geheimnis ist. […] Jede Gottesrede bleibt die ›zweitbeste Fahrt‹.«

Themenbereich 3:NeueWege gehen –Unterrichtssprache und Kommunikationüber Religion im Unterricht

Mit seinem Beitrag »Unterrichtssprache und indirekt instruierendes Lehrerver-halten« reagiert Manfred Lüders, Professor für Schul- und Grundschulpädagogikan der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt, auf Rück-

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fragen aus der Religionspädagogik und Fachdidaktik Religion an die Schulpä-dagogik bezüglich methodischer Verfahren für einen kognitiv aktivierendenUnterricht, über deren Anschlussfähigkeit für den Religionsunterricht weiternachzudenken wäre. Kann die indirekte Instruktion als ein diskursives Verfah-ren zur Anregung und Unterstützung von Prozessen des verständnisvollenLernens hier weiterhelfen? Ebenso wie die direkte Instruktion ist auch die in-direkte Instruktion im Kontext spezifischer Sprech- und Kommunikationsstra-tegien zu verorten, für deren Beschreibung eine Theorie der Unterrichtsspracheerforderlich ist, die die Nutzung der Sprache für methodisches Handeln im Un-terricht verstärkt in den Blick nimmt.

Forschung zur Unterrichtssprache befasst sich mit dem Klassenunterricht,der typische sprachliche Merkmale aufweist, was ihn somit von den anderenSozialformen des Unterrichts unterscheidet. Nach einer kurzen Einführung in diedirekte Instruktion als eine Form methodischen Sprechens im Unterricht, dieTechniken der fragend-entwickelnden Gesprächsführung nutzt (Zeigen, Vorsa-gen oder Vormachen), skizziert Lüders dieMethode der indirekten Instruktion alseine Sprechstrategie für kognitiv aktivierenden Unterricht. Mit deren Hilfe sollenProzesse des verständnisvollen Lernens bzw. der Wissenskonstruktion unter-stützt werden. Mithin gilt damit eine fächerübergreifende mittelbare Zielsetzung,die durch kognitiv aktivierende Maßnahmen realisiert werden soll, welche Er-gebnisse von Lernprozessen nicht vorwegnehmen, sondern indirekt anbahnen.

Folgende Merkmale kennzeichnen die Methode der indirekten Instruktion:Präsentation einer anspruchsvollen Aufgabe oder einer Problemstellung, Ori-entierung an bestimmten, für das indirekte Verfahren typischen »teachingstrategies« durch Inszenierung mehrstelliger IRF-Muster bzw. Zugkombinatio-nen auf der Ebene klassenöffentlicher Kommunikation, deren Beschreibung eineAufgabe zukünftiger Forschungen ist.

Alles in allem ist mit der indirekten Instruktion eine Methode gegeben, dieder Religionspädagogik und Religionsdidaktik mit ihrer Zielsetzung der Anre-gung und Unterstützung einer selbstständigen Auseinandersetzung der Schülermit dem christlichen Glauben, seinen biblischen Grundlagen und seinen ethi-schen Konsequenzen, sowie mit ihren gängigen didaktischen Vorstellungen ei-nes dialogoffenen Religionsunterrichts entgegenkommt. Allerdings fehlt es nochan einer detaillierten Beschreibung dieser Methode, an positiven Befunden derUnterrichtsforschung, die für die Effektivität der Methode sprechen sowie antrainierbaren Prototypen einer indirekten Gesprächsführung, um daran an-schließend empirische Untersuchungen zu Fragen der Angemessenheit undWirksamkeit in bestimmten Unterrichtsfächern auf den Weg zu bringen.

Andrea Schulte, Professorin für Religionspädagogik an der Erziehungswissen-schaftlichen Fakultät der Universität Erfurt, sensibilisiert in ihrer kurzen Annä-herung an das Thema »Lehrerinnen und Lehrer reflektieren ihre Sprache im Re-

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ligionsunterricht« für den religionspädagogischen Kontext »Lehrersprache undReligionsunterricht«. Die Bedeutung der Lehrersprache imReligionsunterricht unddamit der religionspädagogischen und didaktischen Qualität der Sprache wirdbisher weitgehend unterschätzt. Dabei gehören der Umgang mit (Wort)Sprache imUnterricht sowie das pädagogisch-didaktische Sprechen der Religionslehrendenmit zu denwichtigstenKompetenzen. (Religiöse) Sprachkompetenz gehtmit einemreflektierten Verständnis von (religiöser) Sprache, dem Bewusstsein der eigenenSprachlichkeit, kommunikativer Sensibilität sowie einem reflektierten Gebrauchvon Sprache einher. In diesem Feld ist weitere Forschung vonnöten, um die ge-genwärtige Herausforderung zunehmender religiöser und sprachlicher Hetero-genität kommunikativer Kontexte bearbeiten zu können.

Dorina Henschel, M.Ed., Mitarbeiterin an der ErziehungswissenschaftlichenFakultät der Universität Erfurt, stellt in ihrem Beitrag »Lehrerinnen und Lehrerreflektieren ihre Sprache im Religionsunterricht« detailliert die Ergebnisse ihrerim Sommersemester 2016 eingereichten Masterarbeit vor. Vorgängig begründetsie die Wahl ihres Themas durch Rückgriff auf die aktuellen Erfordernisse reli-giöser Sprachbildung in der Schule sowie die Rückbesinnung auf das bereits1973 von Fritz Weidmann, dem katholischen Religionspädagogen, erhobenePostulat des »Religionsunterrichts als Sprachgeschehen«, das nach Henschelerneut in den Fokus der Religionspädagogik zu rücken ist.

Der qualitative Zugang, zwei Gruppendiskussionen mit Grundschullehr-kräften und Lehramtsstudierenden durchzuführen, verhalf Henschel zu Ein-sichten über die Bedeutung von Sprache im Religionsunterricht: 1. Sprachre-flexion spielt bei der Vorbereitung von Unterricht eine Rolle. 2. Im Unterrichtkommt insbesondere der Frage eine wichtige Bedeutung zu. 3. Ein differenzierterSprachgebrauch wird in den Blick genommen, um sowohl den Besonderheitenreligiöser Sprache als auch den Schülern gerecht zu werden. Die von denGrundschullehrkräften und Lehramtsstudierenden gegebenen Einschätzungenzur eigenen (religiösen) Sprachkompetenz lassen sichwie folgt zusammenfassen:1. Insgesamt fällt eine eigene Einschätzung schwer. 2. Die Studierenden hebenhervor, dass ihnen das Studium nebst Praktika bei der Entwicklung ihrer reli-giösen Sprachkompetenz geholfen hat.

Der erstellte Befund motiviert Henschel zur Forderung einer wachsendenSensibilität für die Sprache im Religionsunterricht. Die Förderung (religiöser)Sprachkompetenz der Religionslehrkräfte sowie ihrer Sprach- und Auskunftsfä-higkeit über ihre eigene (religiöse) Sprache ist eine integrative und kooperativeAufgabe aller Lehrer(aus)bildungsphasen. Letztendlich schärft sie langfristig undnachhaltig das Profil des schulischen Religionsunterrichts. Von daher sind überdiese Pilotstudie hinaus weitere Forschungsprojekte in diesem thematischen Feldvonnöten.

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Themenbereich 4: Chancen und Grenzen religionspädagogisch orientierterSprachbildung in der Gegenwart

Mit dem Ausspruch Ludwig Wittgensteins »Was ich erfinde, sind neue Gleich-nisse« spürt Hans-Peter Großhans, Professor für Systematische Theologie an derEvangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-UniversitätMünster, den Herausforderungen und Chancen der Transformation religiöserSprache in die Gegenwart nach. In Deutschland thematisiert der evangelischeReligionsunterricht mit seinem Fokus auf das evangelische Christentum in Ge-schichte und Gegenwart auch das gesellschaftliche und religiöse Umfeld, wasKenntnisse über die Positionierung evangelischen Glaubens in der Gesellschaftsowie über die anderen Religionen und christlichen Konfessionen notwendigmacht. Dabei zielt die Vermittlung des evangelischen Christentums in einembildungsorientierten Religionsunterricht ebenso auf ein Eintauchen in bildlicheSprachwelten bzw. sprachliche Bildwelten, in die alle Menschen eingezeichnetsind. So ist deren Aneignung grundlegend für die Kenntnis des evangelischenChristentums. Über Erzählungen undNarrative sowie eine religiöse Praxis bildensich insgesamt eine Grammatik der Sprache und Praxis des Christentums. Dazugehören auch Regeln des sinnvollen Bezugs auf das jeweilige eigene und ge-meinschaftliche Leben (z.B. die Unterscheidung und das Verhältnis von Gesetzund Evangelium sowie der unverzichtbare Bezug christlichen Glaubens auf dasNarrativ der Kreuzigung des Gottessohnes). Diese bildbezogene Sprache deschristlichen Glaubens kann systematisch-theologisch durch Wittgensteins Kon-zept des »Sprachspiels« erklärt werden.

Religiöse Sprache, die Sprache des Glaubens, ist von dem gesamten Le-benszusammenhang der Sprechenden her zu verstehen. Nach Wittgensteinlassen sich Sinn und Bedeutung von Wörtern und Sätzen in ihrem Gebrauch, derin eine bestimmte Lebensform eingebunden ist, bestimmen. Ein »Sprachspiel« istTeil einer Lebensform und in die Kultur eingebunden. Damit wird eine Kritik derreligiösen Sprache möglich und eine Verbindung der Religion zum Gesamt desLebens hergestellt. Mithin ist die Sprache des christlichen Glaubens Teil einerLebensform, und der Inhalt des Glaubens steht in Wechselwirkung mit seinemsozialen, politischen, ökonomischen und kulturellen Kontext. So scheint auch dieVeränderung respektive der Verlust (Vergang) des »Sprachspiels« der christli-chen Religion bzw. des evangelischen Christentums möglich zu sein.

Großhans fragt: Inwiefern ist es angemessen, von religiöser Sprache respektiveder Sprache des christlichen Glaubens als einem »Sprachspiel« zu sprechen? Re-ligiöse Sprache gebraucht Wort- und Satzarten der Alltags- und Umgangssprache.Der Unterschied liegt im Gebrauch des Wortes ›Gott‹ und der von diesem Wortbestimmten Terminologie. Wittgensteins Philosophische Untersuchungen sowieandere Textbeispiele erlauben es, die religiöse Sprache als solche als »Sprachspiel«zu bezeichnen. Es gilt allerdings, religiöse Sprache, die Sprache des christlichen

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Glaubens, kommunikabel zu halten, das heißt, die vielfältigen Aspekte desmenschlichen Lebens in ihre Reflexion und ihren Glaubensvollzug zu integrieren.Dabei werden die anderen Beschreibungen menschlichen Lebens und weltlicherWirklichkeit von der Theologie und Religion nicht in Frage gestellt, aber im Lichteder christlichen Offenbarung beurteilt. Christlicher Glaube und mit ihm dieTheologie bieten in erster Linie einen neuen Weg an.

Wie nun ist die Transformation religiöser Sprache in die Gegenwart vorzu-stellen? Mit Verweis auf Überlegungen Wittgensteins ist der Religionsunterrichtwie das Christentum herausgefordert, die Lernfähigkeit von Menschen zu mo-bilisieren, die Fixierung ihrer Vorstellungen aufzubrechen, ihnen neue Mög-lichkeiten zu eröffnen und schließlich auch ein mögliches Bild ihres eigenen unddes gemeinschaftlichen Leben so vor Augen zu stellen, dass sie vor der Wahlstehen, ihr eigenes Sich-selbst-Verstehen daraufhin zu ändern. WittgensteinsÄußerung »Was ich erfinde, sind neue Gleichnisse« inspiriert zur Transformationder Sprache des christlichen Glaubens in die Gegenwart. So bleibt sie ihrenUrsprüngen und ihren Traditionen treu, bezieht jedoch zugleich das, was durchsie zum Ausdruck kommt, auf die gegenwärtigen Lebenszusammenhänge derGlaubenden und entwickelt die sprachlichen Bildwelten bzw. bildlichenSprachwelten evangelischen Glaubens weiter fort.

Diese zentrale Aufgabe religiöser Sprachbildung, neue Gleichnisse zu er-finden, bewahrt die Einsichten in das Verhältnis von Gott und Welt, die in dentradierten sprachlichen Bildwelten bzw. bildlichen Sprachwelten aufgehobensind, verändert sie nicht, bringt sie jedoch anders zum Ausdruck. In denSprachwelten der Gegenwart sind sowohl neue Gleichnisse für Gott als auch neueGleichnisse für die neuen Möglichkeiten und Alternativen zu finden und zuformulieren, die sich damit im Leben von Menschen eröffnen. Neue Gleichnissefür den Glauben kann allerdings nur der finden und formulieren, der mit denalten Gleichnissen und Geschichten des christlichen Glaubens sowie mit derSache, die darin Thema ist, vertraut ist. Die religionspädagogische Aufgabe inSchule und Gemeinde ist, diese in jedem Kontext und in jeder Kultur neu zumAusdruck zu bringen.

Stefan Altmeyer, Professor für Religionspädagogik, Katechetik und FachdidaktikReligion an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, schreibt zu dem Thema des »Umgangs mit sprachlicherFremdheit in religiösen Bildungsprozessen«. Für die Praxis religiöser Bil-dungsprozesse sowie für eine religionspädagogisch orientierte Sprachbildung istes bedeutsam, sich die Begriffe Muttersprache und Fremdsprache zu vergegen-wärtigen. Für die meisten Schüler ist die christlich-religiöse Sprache wie eineFremdsprache, die außerhalb des Religionsunterrichts in der Alltagskommuni-kation kaum vorkommt.

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Für die Frage nach dem Gegenstand religiöser Sprachbildung ist es not-wendig erforderlich, zwei grundlegende Unterscheidungen zu treffen: 1. Die»Sprache der Religion« ist von der »Sprache für Religiöses« zu unterscheiden.Zum Bereich religiöser Sprache gehört mithin die objektive Religion (eine ver-fasste Religionsgemeinschaft), aber auch die subjektive, individuelle Religiosität:Hier die Sprache als System, dort der Sprachgebrauch. 2. »Religiöses Sprechen«ist von dem »Sprechen über Religion« zu unterscheiden: Hier das als religiös zuidentifizierende Sprechen (z.B. ein Gebet innerhalb der Liturgie), dort die dis-kursiv-kommunikativ zum Thema gemachte Religiosität oder Religion. DieseUnterscheidungen verhelfen dazu, den Gegenstand religiöser Sprachbildung inseiner Komplexität in den Blick zu nehmen, unterschiedliche sprachlicheFremdheitsphänomene zu identifizieren sowie unterschiedliche didaktischeKonstellationen des Umgangs mit sprachlicher Fremdheit zu entwerfen. Dem-zufolge skizziert Altmeyer vier Lernwege religiöser Sprachbildung, die bereits inunterrichtlicher Kommunikation mehrheitlich eingeschlagen werden. Er plädiertfür einen multiperspektivischen Ansatz.

Die Hinführung der Schüler zu einem selbstständigen religiösen Sprechenund zu einem selbstständigen Sprechen über Religion kann ein Erfolg verspre-chender Weg des Umgangs mit sprachlicher Fremdheit sein. Kinder und Ju-gendliche verfügen über eine religiöse Sprachkompetenz. Außerhalb der Bahnenekklesiologischer und theologischer Sprache gebrauchen sie eine Sprache, mitder sie ihre Religiosität artikulieren und über Religion sprechen können. Mithinbesteht nach Altmeyer die Kernaufgabe religiöser Bildung darin, den Lernendenzu helfen, »ihre eigene Sprache zu entdecken, eine Sprache, in der sie plausibelund verständlich religiös und über Religion sprechen sowie den Unterschiedbeider Perspektiven benennen und ihre Position begründen können.«

In der Hoffnung, dass der gegebene Überblick die Neugier auf die Originaltexte derAutoren geweckt hat, wünsche ich den Lesern eine in vielerlei Hinsicht inspirie-rende Lektüre. Ein herzlicher Dank geht an die Autoren für die Bereitstellung ihrerBeiträge, an Dorina Henschel, die unermüdlich und mit großer Sorgfalt die re-daktionelle Bearbeitung für die Drucklegung vorgenommen hat, an die Evangeli-sche Kirche in Mitteldeutschland für den großzügigen Druckkostenzuschuss, andie Evangelische Verlagsanstalt sowie an die Herausgeber der Reihe »Studien zurreligiösen Bildung« für die Aufnahme dieses Bandes in die Reihe.Erfurt, im September 2017Andrea Schulte

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